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prostitution - Hannes Finkbeiner - Journalist

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REPORTAGE<br />

sen würden. Nur in dem gutbürgerlichen Ambiente<br />

scheint sie deplatziert: Sie hat strahlend<br />

hellbraune Augen, blonde Haare und gepflegte<br />

Hände, ein ruhiges, elegantes Wesen, eine Figur,<br />

die Aufmerksamkeit erregt, ein Lächeln, das ansteckt.<br />

Die 24-Jährige arbeitet für Retos Escort-<br />

Service, der körperliche Dienstleistung mit Qualitätsgarantie<br />

offeriert. Nach eigenen Angaben<br />

besitzt er die Agentur mit den exklusivsten Frauen<br />

im deutschsprachigen Raum.<br />

Die meisten seiner Aufträge erhält der Unternehmer<br />

aus der Züricher Luxushotellerie. »Wir<br />

haben mehr Hotelgäste als private Gäste. Darunter<br />

auch viele Stammkunden, die auch durchaus<br />

eine Woche vorher reservieren«, berichtet Reto –<br />

ganz zur Zufriedenheit von Anita: »Hotelkunden<br />

sind einfach lockerer.« Sie seien nicht so pingelig,<br />

schauen nicht dauernd auf die Uhr. »Meistens<br />

treffen wir uns auf dem Zimmer, gehen<br />

dann noch etwas trinken oder er bestellt eine<br />

Flasche Champagner beim Room-Service«, erzählt<br />

sie.<br />

Wie Olga hatte auch Anita noch nie Probleme,<br />

in ein Hotelzimmer zu gelangen. Sie weiß mittlerweile,<br />

wo sich die Lifts befinden. Nur in einem<br />

einzigen Züricher Hotel sei es nicht mehr so einfach:<br />

»Dort muss man sich an der Rezeption melden,<br />

Name und Zimmernummer sagen – teilweise<br />

sogar den Ausweis zeigen«, berichtet die<br />

Schweizerin. Grund für die verschärften Kontrollen<br />

war eine entwendete Rolex, die vermutlich<br />

von einer Prostituierten geklaut wurde. Danach<br />

hat dieses Hotel neue Zugangsregelungen eingeführt.<br />

Concierge mit lukrativem Nebenjob<br />

Der »Night Guide« gibt Zürichbesuchern<br />

Tipps für nächtliches Entertainment<br />

Mindestens zehn Aufträge erhält Reto täglich<br />

aus der Hotellerie. Ab und an auch direkt vom<br />

Concierge vermittelt – eine Tatsache, von der<br />

auch Andreas zu berichten weiß: In Hannover<br />

bekam man seinerzeit noch 50 Mark für eine<br />

Kontaktvermittlung. In Zürich sollen die Hotelangestellten<br />

angeblich zehn Prozent des Honorars<br />

erhalten. Bei einem Stundensatz von bis<br />

zu 600 Franken ein durchaus lukrativer Nebenverdienst.<br />

Ein brisanter Nebenaspekt, der unmittelbar<br />

Kündigungsszenarien wachruft. Aber an erwähnenswerte<br />

Konflikte kann Reto sich in den vergangenen<br />

Jahren nur ein einziges Mal erinnern:<br />

»In einem Hotel hatten wir zwei stockbetrunkene<br />

Russen. Die Männer wurden grob und ließen<br />

die Mädchen nicht mehr gehen. Da gab es ein<br />

Riesentheater – mit dem Hotelangestellten, den<br />

Mädchen und Gästen. Die Direktion bekam Wind<br />

von der Geschichte und es wurde ab diesem<br />

Zeitpunkt untersagt, dass der Concierge weiterhin<br />

Aufträge vermittelt.«<br />

Während des Gesprächs platzt Nicole in die<br />

Runde. Sie ist das augenscheinliche Pendant zu<br />

Anita: dunkle Haut, schwarze Haare und tiefbraune<br />

Augen. Ein jugendlich aufbrausendes<br />

Temperament. Nur eines haben die beiden Frauen<br />

gemeinsam: Sie sind bildhübsch. Sie entschuldigt<br />

sich für die Verspätung. Ein Auftrag in einem<br />

Züricher Luxusdomizil kam ihr dazwischen. »Es<br />

war ein guter Termin. Ich musste nur tanzen. Der<br />

Kunde war erkältet und müde«, sagt das Callgirl<br />

mit einem koketten Lächeln.<br />

Eine wirkliche Besonderheit des Züricher Geschäfts:<br />

Es muss nicht immer zwangsweise bis<br />

zum Äußersten gehen. Manchmal begleiten die<br />

Damen ihre Kunden auch nur zu einem Geschäftsessen<br />

und spielen auch mal die Gemahlin. Wahrscheinlich,<br />

weil der Geldbeutel in der Bankenmetropole<br />

etwas lockerer sitzt – das Geschäft muss<br />

nicht immer auf den Höhepunkt getrieben werden.<br />

Anita musste auch schon eine komplette<br />

Nacht mit Reden verbringen, was die junge Frau<br />

als »sehr anstrengend« empfand. Und auch Reto<br />

weiß sofort eine Anekdote beizusteuern: »Da<br />

war mal ein Iraner, der hatte Geburtstag und sich<br />

20 Mädchen für drei Stunden in seine Suite bestellt.<br />

Die mussten lediglich in Unterwäsche tanzen.<br />

Dafür hat er dann 30000 Franken bezahlt.«<br />

Von Prostitution in der Hotelbar weiß das<br />

Dreiergespann nur wenig zu berichten. Nicole<br />

rümpft bei dem Gedanken ihre Nase. »Züricherinnen<br />

würden so etwas nicht machen, auch<br />

wenn sie es gern täten. Die Gefahr ist zu groß,<br />

dass sie von Freundinnen oder Verwandten erkannt<br />

werden.« Meistens seien es Ostblockmädchen,<br />

die in den Bars anschaffen. Wie die<br />

exakte Vorgehensweise vor Ort funktioniert, das<br />

können die beiden Callgirls nur mutmaßen. Sie<br />

glauben, dass der Gast schnell merkt, ob die<br />

Frauen privat oder rein geschäftlich da sind –<br />

schlichtweg am intensiven Blickkontakt.<br />

In diesem Fall müsste es auch einfacher für<br />

die Hotelmitarbeiter sein, Prostituierte zu erkennen<br />

und zu reagieren – natürlich nur, wenn vom<br />

Management entsprechende Vorgaben existieren!<br />

In Zürich weiß Reto nur von einer Hotelbar,<br />

in der die Prostituierten rigoros vor die Tür gesetzt<br />

werden: »Wenn es die Angestellten im Park<br />

Hyatt herausfinden, dass ein Callgirl bei ihnen<br />

anschafft, dann bekommt sie sofort Hausverbot.<br />

Es ist nur sehr schwer zu differenzieren,<br />

du siehst den Unterschied<br />

kaum – ein gewisser Unsicherheitsfaktor<br />

bleibt immer bestehen.«<br />

»Das ist ein großes Thema –<br />

weltweit, nicht nur in der Schweiz.<br />

Vor allem in Luxusmetropolen gibt<br />

es eine vermehrte Aktivität in diesem<br />

Bereich«, erzählt Kurt Straub.<br />

Wenn es um Prostitution in der Hotellerie<br />

geht, ist der General Manager<br />

des Park Hyatt nicht zimperlich.<br />

Er hat keinerlei Hemmungen, offen<br />

über die Problematik zu sprechen.<br />

In seinem Hotel möchte er das horizontale<br />

Gewerbe nicht. Und er tut,<br />

was in seiner Macht steht, um dagegen<br />

vorzugehen. Vor allem in der<br />

hauseigenen Bar »Onyx« schöpft er<br />

seine Möglichkeiten aus: Eine Sicherheitsfirma<br />

wurde sogar beauftragt,<br />

speziell den Umgang mit Prostituierten<br />

zu schulen. Der Einlass<br />

wird den Damen seither auf professionelle<br />

Weise verweigert. »Aber<br />

auch hier ist Vorsicht geboten! Es<br />

ist sehr schwierig, den Unterschied<br />

zu erkennen«, sagt der 40-Jährige.<br />

Wenn sich Hotelgäste bei seinen<br />

Mitarbeitern nach der körperlichen<br />

Dienstleistung erkundigen, händigen<br />

sie den offiziellen City-Guide<br />

von Zürich aus (Foto), der zahlreiche<br />

Infos über einschlägige Etablissements<br />

enthält. Versucht ein Gast<br />

sich offensichtlich eine Frau zu ordern,<br />

wird er angesprochen, dass<br />

Prostitution im Park Hyatt nicht erwünscht<br />

ist. Zudem hat der General<br />

Manager gute Erfahrungen mit der<br />

Schweizer Sittenpolizei gemacht,<br />

die mit Rat und Tat zur Seite steht.<br />

»Sich mit der Problematik auseinander<br />

zu setzen, wenn sie erkannt<br />

wurde, und den Dialog mit den involvierten<br />

Mitarbeitern zu suchen,<br />

ist zwingend«, sagt Kurt Straub.<br />

Trotz des offenen Umgangs mit<br />

dem Thema lässt sich die Prostitution<br />

auch im Park Hyatt Zürich nicht<br />

völlig ausmerzen. Nur wenn die Hoteldirektion<br />

eindeutig Stellung bezieht,<br />

wissen die Mitarbeiter korrekt<br />

zu handeln. Zudem lässt sich<br />

der Umgang mit verschiedenen Situationen<br />

hotelspezifisch schulen,<br />

wie das Park Hyatt beweist. Und<br />

trotzdem ist und bleibt das Hotel<br />

ein halböffentlicher Raum: »Ob der<br />

mit seiner Frau oder einer Prostituierten<br />

im Zimmer liegt, das ist die<br />

Entscheidung des Gastes. Da hört<br />

meine Verantwortung auf«, sagt<br />

Hoteldirektorin Anja aus Hannover.<br />

HANNES FINKBEINER<br />

58 Top hotel 3/2008

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