Mitteilungen Johanni 2003 - Rudolf Steiner Schule Aargau
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3 Editorial<br />
Geburt und Tod des Pan<br />
Eine Betrachtung zum Mittsommer – oder Panspiel<br />
Um Geburt, Leben und Tod des<br />
Pan ranken sich viele Geschichten:<br />
Der archaische Gott Hermes verdingte<br />
sich einst als Hirte und weidete<br />
die Schafe eines sterblichen Herrn<br />
und – wie sollte es anders gehen – verliebte<br />
sich in eine Nymphe. Aus der<br />
Verbindung wurde ein Wunderkind<br />
geboren, mit Ziegenfüssen und Hörnern,<br />
lärmend und lachend. Die Mutter<br />
sprang auf und floh, kaum dass sie<br />
es geboren, so erschrak sie, als sie das<br />
wilde, bärtige Gesicht erblickte. Hermes<br />
nahm seinen Sohn auf den Arm,<br />
hüllte ihn in das Fell eines Hasen und<br />
trug ihn eilends auf den Götterhimmel,<br />
den Olymp. Er liess ihn neben<br />
Zeus und den übrigen Göttern sitzen<br />
und stellte ihnen seinen Sohn vor.Alle<br />
Unsterblichen hatten grosse Freude an<br />
ihm, am meisten Dionysos. Sie nannten<br />
ihn Pan, weil «alle» an ihm Vergnügen<br />
fanden.<br />
Es werden diesem heranwachsenden<br />
Halbgott viele Eigenschaften zugeschrieben:<br />
Heute ist diese uns umgebende<br />
Schöpfung der Götter auf dem Gipfel-<br />
er war der Dunkle, der punkt der industriellen Nutzung<br />
Schreckenerregende, aber nicht immer<br />
Bösartige. So konnte er freilich<br />
bösartig werden,wenn man in der Mittagsstunde<br />
seinen Schlaf störte, aber<br />
durch den Menschen angelangt und<br />
dem Profitdenken preisgegeben.Unser<br />
Blick in die Natur ist tot.<br />
Das an einigen <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong>- und<br />
er führte auch den Reigen der Nymphen<br />
Waldorfschulen im alemannischen<br />
in der Nacht dem erwachenden<br />
Morgen zu.Auch werden manche Liebesgeschichten<br />
von ihm erzählt, in denen<br />
er Nymphen verfolgte: eine, Pitys,<br />
verwandelte sich auf der Flucht vor<br />
Pan in eine Fichte, Syrinx in das Schilfrohr,<br />
aus dem Pan dann die aus einer<br />
Reihe von Rohren bestehende Hirtenflöte<br />
verfertigte. Eine andere, Echo,<br />
Sprachraum und auch hier in Schafisheim<br />
zur <strong>Johanni</strong>zeit gespielte Panoder<br />
Mittsommerspiel kann unseren<br />
Blick in die Natur wieder weiten und<br />
beleben. In der Darstellung durch die<br />
künstlerischen Mittel der Eurythmie,<br />
der gestalteten Sprache und der Musik<br />
können Pan und die Naturwesen wieder<br />
vor unserem Blick auferstehen.<br />
trieb mit Pan ihren Spott, indem sie<br />
zum Widerhall seiner Stimme wurde<br />
und ihn so zum Narren hielt.– Pan war<br />
den griechischen Menschen sehr nahe<br />
und besonders dem Hirtenvolk sehr<br />
In diesem Sinne: viel Freude beim<br />
Besuch des Mittsommerspieles am<br />
Sonntag,22. Juni <strong>2003</strong>,16 Uhr im Festsaal<br />
der <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong>-<strong>Schule</strong> <strong>Aargau</strong>.<br />
vertraut. Immer wenn ein Schabernack<br />
gespielt wurde, wusste man: da<br />
Peter Kosche<br />
hat Pan seine Hände mit im Spiel.<br />
Die Nähe der griechischen Menschen<br />
zur Natur und ihren lebendig<br />
webenden Kräften fand in den Erzählungen<br />
um die Gestalt des Pan ihren<br />
schönsten Ausdruck. So zeigt sich<br />
auch das zu Ende gehen dieser wunderbaren<br />
Zeit in der folgenden überlieferten<br />
Geschichte: Kaufleute waren<br />
auf ihren Reisewegen durch die griechische<br />
Inselwelt nach Kleinasien<br />
unterwegs. Da ertönte über das still,<br />
ohne Regung liegende Wasser von einer<br />
nahen Insel ein schauriger Ruf:<br />
«Pan ist tot.» – Dieser Ruf wurde mit<br />
grossem Erschrecken und grosser<br />
Trauer aufgenommen. Wie eine Welle<br />
flutete er, von den Kaufleuten weitergetragen<br />
von einer Insel zur nächsten<br />
und auch über die ganze griechische<br />
Halbinsel: «Pan ist tot.» – Die Menschen<br />
verloren in der Folge den Blick<br />
in die sie umwebende Naturgeistigkeit<br />
und in die sie umgebende Götterwelt. Lit: Karl Kerenyi: Die Mythologie der Griechen, Bd.I, 1966<br />
<strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Aargau</strong> <strong>Mitteilungen</strong> <strong>Johanni</strong> <strong>2003</strong>