Die völkerrechtliche Kriminalisierung von modernen Akten des ...
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<strong>Die</strong> <strong>völkerrechtliche</strong> <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> <strong>modernen</strong> <strong>Akten</strong><br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
– unter besonderer Berücksichtigung <strong>des</strong> IStGH-Statuts<br />
D I S S E R T A T I O N<br />
der Universität St. Gallen,<br />
Hochschule für Wirtschafts-,<br />
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)<br />
zur Erlangung der Würde eines<br />
Doktors der Rechtswissenschaft<br />
vorgelegt <strong>von</strong><br />
Kerstin Wolny<br />
aus<br />
Deutschland<br />
Genehmigt auf Antrag <strong>von</strong><br />
Frau Prof. Dr. Juliane Kokott<br />
und<br />
Herr Prof. Dr. Hans Vest<br />
Dissertation Nr. 3251<br />
Difo-Druck Bamberg 2006
<strong>Die</strong> Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften<br />
(HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne<br />
damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.<br />
St. Gallen, den 12. Juni 2006<br />
Der Rektor:<br />
Prof. Ernst Mohr, PhD
Zusammenfassung<br />
Angesichts der Globalisierung <strong>des</strong> Terrorismus und der Verletzung <strong>völkerrechtliche</strong>r<br />
Schutzgüter durch ihn wird offensichtlich, dass die strafrechtliche Auseinandersetzung<br />
mit terroristischen Gewaltakten nicht allein auf nationaler Ebene stattfinden darf. Innerstaatliche<br />
Strafrechtsordnungen können den spezifisch <strong>völkerrechtliche</strong>n Unrechtsgehalt<br />
zeitgenössischer terroristischer Verhaltensweisen nicht erfassen. Zur Ahndung<br />
<strong>von</strong> Terrorverbrechen mit Relevanz für die internationale Gemeinschaft tritt hier –<br />
insbesondere im Hinblick auf atypische Terrorformen mittels Massenvernichtungswaffen<br />
und elektronischen Daten – das Erfordernis einer internationalen Strafgerichtsbarkeit<br />
zutage. <strong>Die</strong>se soll die nationalen Kompetenzen zur Strafverfolgung terroristischer<br />
Verbrechen zwar nicht ersetzen, sie muss diese aber ergänzen, um bestehende Strafbarkeitslücken<br />
zu schließen.<br />
<strong>Die</strong> vorliegende Arbeit untersucht die Frage, ob das Völkerstrafrecht ein geeignetes<br />
Instrumentarium zur <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus bereithält.<br />
Insbesondere bietet sich der neu geschaffene Internationale Strafgerichtshof<br />
für die Aufgabe der <strong>völkerrechtliche</strong>n Ahndung internationaler Terrorakte an. Ausdrücklich<br />
ist die Einbeziehung <strong>des</strong> Terrorismus in den sachlichen Zuständigkeitsbereich<br />
<strong>des</strong> Gerichtshofs derzeit nicht vorgesehen; das Statut <strong>des</strong> Internationalen<br />
Strafgerichtshofs enthält keinen eigenen Tatbestand <strong>des</strong> internationalen Terrorismus.<br />
Terroristische Gewalttaten können aber <strong>von</strong> den bestehenden <strong>völkerrechtliche</strong>n Straftatbeständen<br />
erfasst werden, sofern sie unter die bestehenden Völkerrechtsverbrechen<br />
– namentlich Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen<br />
und Aggression – zu subsumieren sind.<br />
Ächtet man gezielt terroristische Formen der gewaltsamen Einschüchterung der Zivilbevölkerung,<br />
so kommen neben den entsprechenden Handlungen der im Exzess handelnden<br />
Staatsorgane („Staatsterrorismus“) gleichermaßen Handlungen <strong>von</strong> Terrororganisationen<br />
(„nicht-staatlicher Terrorismus“) in Betracht. Zum Gegenstand der vorliegenden<br />
wissenschaftlichen Beweisführung werden exemplarisch neben möglichen<br />
terroristischen Gewaltakten unter Einsatz <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen und elektronischen<br />
Daten vorrangig die Anschläge vom 11. September 2001 gemacht.
Inhaltsverzeichnis<br />
A. Problemstellung und Aufbau der Arbeit ............................................................. 1<br />
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus im 21.<br />
Jahrhundert als Herausforderung für das Völkerrecht..................................... 5<br />
I. Fehlen einer allgemein gültigen Definition <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus............................................................................................................ 5<br />
II. Herkömmlicher Terrorismus ................................................................................. 8<br />
III. Internationaler Terrorismus in neuen Dimensionen............................................ 12<br />
1. <strong>Die</strong> neue Dimension im Hinblick auf die eingesetzten Terrormittel ....... 13<br />
a) Terrorismus mittels konventioneller Waffen......................................... 13<br />
b) Terrorismus mittels Massenvernichtungswaffen................................... 14<br />
aa) Atomterrorismus ................................................................................ 15<br />
bb) Bioterrorismus.................................................................................... 17<br />
cc) Chemieterrorismus............................................................................. 19<br />
c) Cyberterrorismus ................................................................................... 20<br />
2. Neue Dimension im Hinblick auf die Terrorfolgen ................................. 23<br />
a) Völkerrechtliche Größenordnung internationaler<br />
Terroranschläge ..................................................................................... 23<br />
b) Neue Wertung nach UN-Charta – Auswirkungen auf die<br />
Struktur <strong>des</strong> Friedenssicherungsrechts .................................................. 26<br />
c) Veränderte Reaktionsmechanismen ...................................................... 28<br />
3. Neue Dimension im Hinblick auf die Operationsweise ........................... 28<br />
a) Globalisierte Organisationsstruktur....................................................... 28<br />
b) Internationaler Terrorismus als ökonomische Bedrohung .................... 29<br />
c) Globale Verdichtung der Kommunikation ............................................ 30<br />
4. Neue Dimension der terroristischen Akteure ........................................... 31<br />
a) Nicht-staatlicher Terrorismus ................................................................ 31<br />
b) Staatsterrorismus.................................................................................... 33<br />
c) Staatlich unterstützter Terrorismus........................................................ 35
Inhaltsverzeichnis<br />
II<br />
IV. Kriterien für eine Definition <strong>des</strong> internationalen Terrorismus neuer<br />
Dimension............................................................................................................ 37<br />
1. Internationales Element............................................................................ 37<br />
2. Arbeitsdefinition <strong>des</strong> internationalen Terrorismus neuer<br />
Dimension................................................................................................. 39<br />
V. Zwischenergebnis ................................................................................................ 41<br />
C. <strong>Die</strong> <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf<br />
<strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene....................................................................................... 43<br />
I. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus nach Völkervertragsrecht<br />
........................................................................................................ 43<br />
1. Maritimer Terrorismus ............................................................................. 44<br />
a) 1958 Genfer Konvention <strong>des</strong> Seerechts und das 1983<br />
Seerechtsüberein-kommen..................................................................... 44<br />
b) Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen<br />
gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt (1988); Protokoll zur<br />
Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit<br />
fester Plattformen, die sich auf dem Festlandsockel befinden<br />
(1988) 45<br />
c) Analyse .................................................................................................. 46<br />
2. Terrorismus gegen die Zivilluftfahrt ........................................................ 48<br />
a) 1963 Abkommen über strafbare und andere bestimmte an Bord<br />
<strong>von</strong> Luftfahrzeugen begangene Handlungen......................................... 49<br />
b) 1970 Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen<br />
Inbesitznahme <strong>von</strong> Luftfahrzeugen ....................................................... 49<br />
c) 1971 Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher<br />
Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt.............................. 50<br />
d) 1988 Protokoll zur Bekämpfung widerrechtlicher<br />
Gewalthandlungen an internationalen Flughäfen.................................. 51<br />
e) Analyse .................................................................................................. 51<br />
3. Regelungswerke betreffend <strong>des</strong> Schutzes <strong>von</strong> Personen.......................... 53<br />
a) 1973 Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und<br />
Bestrafung <strong>von</strong> Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte<br />
Personen, einschließlich Diplomaten .................................................... 54<br />
b) 1979 Internationale Konvention gegen Geiselnahme............................ 55<br />
c) 1995 Abkommen zum Schutz <strong>von</strong> UN- und dazugehörigem<br />
Personal.................................................................................................. 57<br />
d) Analyse .................................................................................................. 57
Inhaltsverzeichnis<br />
III<br />
II.<br />
4. Regelungswerke betreffend der Begehung <strong>von</strong> terroristischen<br />
Sprengstoffattentaten................................................................................ 59<br />
a) 1991 Übereinkommen über die Kenntlichmachung <strong>von</strong><br />
plastischen Sprengstoffen zum Zweck ihrer Entdeckung ..................... 59<br />
b) 1998 Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung<br />
terroristischer Bombenanschläge........................................................... 60<br />
c) 1891 Übereinkommen der Internationalen Postunion........................... 61<br />
5. Regelungswerke betreffend <strong>des</strong> Gebrauchs <strong>von</strong><br />
Massenvernichtungswaffen ...................................................................... 62<br />
a) 1979 Übereinkommen über den physischen Schutz <strong>von</strong><br />
Kernmaterial .......................................................................................... 62<br />
b) 2005 Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung <strong>von</strong><br />
<strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Nuklearterrorismus ............................................................... 63<br />
c) 1993 Chemiewaffenkonvention............................................................. 65<br />
d) 1975 Biowaffenkonvention ................................................................... 68<br />
e) 2001 Biowaffen-Protokoll ..................................................................... 71<br />
f) Modellentwurf eines Internationalen Abkommens über die<br />
Verhütung und Strafbarkeit <strong>von</strong> Bioterrorismus ................................... 75<br />
aa) Völkerrechtliche Strafbarkeit <strong>von</strong> Bioterrorismus............................. 76<br />
bb) Durchsetzung der Strafansprüche ...................................................... 77<br />
6. Regelungswerk betreffend der Finanzierung <strong>des</strong> Terrorismus:<br />
Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung der<br />
Finanzierung <strong>des</strong> Terrorismus .................................................................. 79<br />
7. Entwurf eines umfassenden Terrorismusabkommen ............................... 82<br />
8. Regionale Instrumente.............................................................................. 85<br />
9. Zwischenergebnis..................................................................................... 86<br />
<strong>Die</strong> <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus nach<br />
Völkergewohnheitsrecht...................................................................................... 87<br />
1. Resolutionspraxis der UN-Generalversammlung..................................... 88<br />
2. Resolutionspraxis <strong>des</strong> UN-Sicherheitsrates.............................................. 90<br />
a) <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> konventionellen Terrorakten .............................. 90<br />
b) <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen................................ 92<br />
3. UN Special Committees on Terrorism ..................................................... 94<br />
4. International Law Commission ................................................................ 95<br />
a) Entwürfe zum Draft Code of Crimes against the Peace and<br />
Security of Mankind .............................................................................. 95<br />
b) Entwürfe zum IStGH-Statut .................................................................. 97
Inhaltsverzeichnis<br />
IV<br />
III. Internationaler Terrorismus als eigenständiges <strong>völkerrechtliche</strong>s<br />
Verbrechen......................................................................................................... 100<br />
1. Vorliegen eines Völkerrechtsverbrechens.............................................. 100<br />
2. Vorliegen eines transnationales Verbrechens......................................... 101<br />
3. Einstufung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus neuer Dimension in<br />
die Systematik <strong>des</strong> Völkerstrafrechts ..................................................... 102<br />
IV. Zwischenergebnis .............................................................................................. 104<br />
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit <strong>des</strong> internationalen Terrorismus unter dem<br />
IStGH-Statut....................................................................................................... 106<br />
I. Strafrechtliche Instanzen zur Verfolgung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus........................................................................................................ 106<br />
1. Nationale Strafverfolgung ...................................................................... 106<br />
a) Nationale Gerichte............................................................................... 107<br />
aa) Räumliche Jurisdiktion .................................................................... 107<br />
bb) Sachliche Jurisdiktion ...................................................................... 112<br />
b) Militärgerichte ..................................................................................... 115<br />
c) Nationale Gerichte im Ausland ........................................................... 117<br />
2. Internationale Strafverfolgung ............................................................... 118<br />
a) Internationales Tribunal auf Koalitionsbasis....................................... 118<br />
b) Ad Hoc Tribunal .................................................................................. 119<br />
c) Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ....................................... 123<br />
3. Zwischenergebnis................................................................................... 125<br />
II. <strong>Die</strong> Strafbarkeit <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus unter dem<br />
IStGH-Statut ...................................................................................................... 126<br />
1. Internationaler Terrorismus als Völkermord.......................................... 127<br />
a) Inhaltliche Ausgestaltung <strong>des</strong> Art. 6 IStGH-Statut ............................. 127<br />
aa) Objektiver Tatbestand...................................................................... 127<br />
bb) Subjektiver Tatbestand..................................................................... 129<br />
b) Subsumtion <strong>des</strong> internationalen Terrorismus unter Art. 6 IStGH-<br />
Statut .................................................................................................. 130<br />
c) Zwischenergebnis ................................................................................ 131<br />
2. Internationaler Terrorismus als Verbrechen gegen die<br />
Menschlichkeit ....................................................................................... 132<br />
a) Inhaltliche Ausgestaltung <strong>des</strong> Art. 7 IStGH-Statut ............................. 132<br />
aa) Objektiver Tatbestand...................................................................... 133<br />
(1) Einzeltatbestände <strong>des</strong> Art. 7 Abs. 1 lit. a – lit. k IStGH-<br />
Statut ............................................................................................. 133
Inhaltsverzeichnis<br />
V<br />
(2) „Handlungen im Rahmen eines ausgedehnten oder<br />
systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung“................. 134<br />
(a) „ausgedehnt“.............................................................................. 136<br />
(b) „systematisch“ ........................................................................... 136<br />
(c) „Angriff“.................................................................................... 136<br />
(d) „gegen die Zivilbevölkerung“ ................................................... 138<br />
bb) Subjektiver Tatbestand..................................................................... 139<br />
(1) Voraussetzungen nach Maßgabe <strong>des</strong><br />
Völkergewohnheitsrechts.............................................................. 139<br />
(2) Voraussetzungen gemäß Art. 7 IStGH-Statut............................... 140<br />
b) Subsumtion <strong>des</strong> internationalen Terrorismus unter Art. 7 IStGH-<br />
Statut .................................................................................................. 141<br />
aa) Vorsätzliche Tötung (Art. 7 Abs. 1 lit. a IStGH-Statut).................. 142<br />
(1) Terrorhandlungen als vorsätzliche Tötung ................................... 142<br />
(2) Terrorhandlungen im Rahmen eines ausgedehnten oder<br />
systematischen Angriffs................................................................ 143<br />
(3) Terrorhandlungen gegen die Zivilbevölkerung ............................ 145<br />
bb) Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung<br />
(Art. 7 Abs. 1 lit. d IStGH-Statut) .................................................. 146<br />
cc) Freiheitsberaubung (Art. 7 Abs. 1 lit. e IStGH-Statut).................... 147<br />
dd) Folter (Art. 7 Abs. 1 lit. f IStGH-Statut).......................................... 148<br />
ee) Verfolgung (Art. 7 Abs. 1 lit. h IStGH-Statut) ................................ 150<br />
ff) „andere unmenschliche Handlung“ (Art. 7 Abs. 1 lit. k IStGH-<br />
Statut) ............................................................................................. 151<br />
gg) Subjektive Tatseite: Terrorhandlungen in Kenntnis <strong>des</strong><br />
Angriffs........................................................................................... 152<br />
c) Zwischenergebnis ................................................................................ 153<br />
3. Internationaler Terrorismus als Kriegsverbrechen................................. 154<br />
a) Terrorismus und humanitäres Völkerrecht.......................................... 155<br />
aa) Beurteilung nach Massgabe <strong>des</strong> „Genfer Rechts“ und <strong>des</strong><br />
„Haager Rechts“ ............................................................................. 155<br />
bb) Beurteilung nach Maßgabe <strong>des</strong> Völkergewohnheitsrechts.............. 156<br />
cc) Terrorismus und die Grundsätze <strong>des</strong> humanitären<br />
Völkerrechts ................................................................................... 158<br />
b) Inhaltliche Ausgestaltung <strong>des</strong> Art. 8 IStGH-Statut ............................. 160<br />
aa) Vorliegen eines bewaffneten Konflikts ........................................... 161<br />
(1) Staatsterrorismus und bewaffneter Konflikt ................................. 162<br />
(2) Nicht-staatlicher Terrorismus und bewaffneter Konflikt.............. 165<br />
bb) Kriegsverbrechen als Teil eines Planes oder Politik........................ 171
Inhaltsverzeichnis<br />
VI<br />
bb) Systematik <strong>von</strong> Art. 8 IStGH-Statut ................................................ 172<br />
(1) Objektiver Tatbestand................................................................... 172<br />
(2) Subjektiver Tatbestand.................................................................. 174<br />
c) Subsumtion <strong>des</strong> internationalen Terrorismus unter Art. 8 IStGH-<br />
Statut .................................................................................................. 177<br />
aa) Terrorismus spezifische Kriegsverbrechen gegen Personen ........... 177<br />
(1) Geschützter Personenkreis ............................................................ 177<br />
(2) Vorsätzliche Tötung (Art. 8 Abs. 2 lit. a (i); Art. 8 Abs. 2 lit.<br />
c (i) IStGH-Statut)......................................................................... 178<br />
(3) Misshandlungstatbestände ............................................................ 180<br />
(a) Folter (Art. 8 Abs. 2 lit. a (ii), 1. Alt.; Art. 8 Abs. 2 lit. c<br />
(i), 4. Alt. IStGH-Statut)........................................................... 180<br />
(b) Verursachen <strong>von</strong> Leiden und Gesundheitsschäden (Art. 8<br />
Abs. 2 lit. a (iii) IStGH-Statut) ................................................. 181<br />
(c) Unmenschliche oder grausame Behandlung (Art. 8 Abs. 2<br />
lit. a (ii), 2. Alt; Art. 8 Abs. 2 lit. c (i), 3. Alt. IStGH-<br />
Statut)........................................................................................ 181<br />
(d) Subsumtion ................................................................................ 182<br />
(4) Geiselnahme (Art. 8 Abs. 2 lit. a (viii), Art. 8 Abs. 2 lit. c<br />
(iii) IStGH-Statut) ......................................................................... 184<br />
(5) Vertreibung oder zwangsweise Überführung der<br />
Bevölkerung (Art. 8 Abs. 2 lit. a (vii) 1. und 2. Alt., Art. 8<br />
Abs. 2 lit. b (viii) 2. Alt. IStGH-Statut.......................................... 185<br />
bb) Terrorismus spezifische Kriegsverbrechen gegen das<br />
Eigentum......................................................................................... 186<br />
(1) Enteignungsdelikte........................................................................ 186<br />
(2) Zerstörungsdelikte......................................................................... 187<br />
cc) Terrorismus spezifische Kriegsverbrechen <strong>des</strong> Einsatzes<br />
verbotener Kampfmethoden ........................................................... 188<br />
(1) Angriffe auf die Zivilbevölkerung (Art. 8 Abs. 2 lit. b (i),<br />
Art. 8 Abs. 2 lit. e (i) IStGH-Statut) ............................................. 188<br />
(2) Angriffe auf zivile Objekte (Art. 8 Abs. 2 lit. b (ii), (xi), Art.<br />
8 Abs. 2 lit. e (ii), (iv) IStGH-Statut)............................................ 190<br />
dd) Terrorismus spezifische Kriegsverbrechen <strong>des</strong> Einsatzes<br />
verbotener Kampfmittel ................................................................. 191<br />
(1) Strafbarkeit <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Atomterrorismus ............................... 192<br />
(2) Strafbarkeit <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Bioterrorismus................................... 194<br />
(a) Verbot der Verwendung <strong>von</strong> Gift oder vergifteten Waffen<br />
(Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii) IStGH-Statut) .................................. 194
Inhaltsverzeichnis<br />
VII<br />
(b) Strafbarkeit <strong>des</strong> Einsatzes biologischer<br />
Massenvernichtungswaffen ...................................................... 195<br />
(2) Strafbarkeit <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Chemieterrorismus............................ 197<br />
(a) Chemische Waffen als Gift (Art. 8 Abs.2 lit. b (xvii)<br />
IStGH-Statut)............................................................................ 197<br />
(b) Chemische Waffen als Kampfgase und gleichartige Mittel<br />
(Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii) IStGH-Statut) ................................. 198<br />
(c) Strafbarkeit <strong>des</strong> Einsatzes <strong>von</strong> chemischen<br />
Massenvernichtungswaffen ...................................................... 199<br />
(3) Strafbarkeit <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Cyberterrorismus............................... 200<br />
(4) <strong>Die</strong> Generalklausel <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xx) IStGH-Statut ..... 201<br />
(a) Inhaltliche Ausgestaltung .......................................................... 201<br />
(b) Strafbarkeit <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Chemie-, Bio- und<br />
Cyberterrorismus ...................................................................... 202<br />
d) Neue völkerstrafrechtliche Praxis zum Delikt <strong>des</strong> Terrorismus<br />
als Kriegsverbrechen: The Prosecutor vs. Stanislav Galic ................. 203<br />
aa) Sachverhalt....................................................................................... 204<br />
bb) Rechtliche Bewertung durch den JStGH ......................................... 205<br />
(1) Terrorhandlungen als Kriegsverbrechen gemäß Art. 3<br />
JStGH-Statut ................................................................................. 205<br />
(a) Angriff gegen die Zivilbevölkerung als Verletzung der<br />
Gesetze und Gebräuche <strong>des</strong> Krieges ........................................ 205<br />
(b) Terror gegen die Zivilbevölkerung als Verletzung der<br />
Gesetze und Gebräuche <strong>des</strong> Krieges ........................................ 206<br />
(2) Terrorhandlungen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />
gemäß Art. 5 JStGH-Statut ........................................................... 207<br />
(3) Individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit <strong>von</strong> Galic ........... 207<br />
(4) Analyse.......................................................................................... 208<br />
e) Zwischenergebnis ................................................................................ 208<br />
4. Internationaler Terrorismus als Aggression ........................................... 209<br />
a) Inhaltliche Ausgestaltung <strong>des</strong> Art. 5 IStGH-Statut ............................. 210<br />
b) Strafbarkeit der Aggression nach geltendem Völkerrecht................... 211<br />
aa) Entwicklung vor 1945...................................................................... 211<br />
bb) Entwicklung nach Gründung der Vereinten Nationen..................... 214<br />
(1) Kodifikationsbemühungen der UN ............................................... 214<br />
(2) <strong>Die</strong> „Aggressionsdefinition“ <strong>von</strong> 1974......................................... 215<br />
(3) Der ILC-Entwurf <strong>von</strong> 1991........................................................... 218<br />
(4) Der ILC-Entwurf <strong>von</strong> 1996........................................................... 218
Inhaltsverzeichnis<br />
VIII<br />
cc) Der Aggressionstatbestand in den Verhandlungen zum IStGH-<br />
Statut............................................................................................... 219<br />
dd) Draft Resolution of the Assembly of States Parties on the<br />
Continuity of Work in Respect of the Crime of Aggression.......... 221<br />
(1) Definitionsvorschlag <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens....................... 221<br />
(2) Verbrechenselemente.................................................................... 223<br />
(3) Analyse.......................................................................................... 225<br />
(a) Objektiver Tatbestand................................................................ 225<br />
(b) Täterkreis ................................................................................... 228<br />
(c) Subjektiver Tatbestand .............................................................. 229<br />
c) Subsumtion <strong>des</strong> internationalen Terrorismus unter den Entwurf<br />
zum Aggressionsverbrechen................................................................ 229<br />
aa) Nicht-staatlicher Terrorismus als Aggression.................................. 229<br />
bb) Staatsterrorismus als Aggression ..................................................... 231<br />
d) Zwischenergebnis ................................................................................ 232<br />
E. Resümee ........................................................................................................ 234<br />
Anhang<br />
Römisches Statut <strong>des</strong> Internationalen Strafgerichtshofs v. 17.7.1998 (Auszug)....... 240<br />
Literaturverzeichnis
A. Problemstellung und Aufbau der Arbeit<br />
Seit den Anschlägen in New York, Madrid, London und weiteren Orten ist das Gefahrenpotential<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus unverkennbar. Der lange Zeit gültige<br />
Lehrsatz <strong>des</strong> Terrorismusforschers Brian Jenkins: „Terrorists want a lot of people<br />
watching, not a lot of people dead” 1 bedarf spätestens seit den Anschlägen vom 11.<br />
September 2001 der Korrektur. Handelte es sich bei Terrorakten traditionell um Phänomene,<br />
die in ihren Ursachen, Zielen, Aktionsfeldern und Wirkungen auf nationale<br />
Konflikte begrenzt waren und vorrangig auf das Erregen <strong>von</strong> Aufmerksamkeit abzielten,<br />
machen zeitgenössische terroristische Aktionen deutlich, dass der Terrorismus in<br />
seiner Ausrichtung keine Begrenzungen territorialer Art mehr aufweist und auf Massenvernichtung<br />
ausgerichtet ist. Zwar ist nicht sicher, ob das Signum <strong>des</strong> 11. Septembers<br />
2001 allein in der Massenvernichtung besteht, denn es ging zumin<strong>des</strong>t auch um<br />
die Zerstörung hochgradig symbolischer Ziele. Dennoch hat der 11. September 2001<br />
die <strong>von</strong> Terrorismusexperten und Sicherheitsbehörden prognostizierte Bedrohung<br />
durch atypische Terrorgefahren Realität werden lassen.<br />
Moderne terroristische Gewaltakte sind heute in Konzeption, Ausmaß und Folgen so<br />
ausgestaltet, dass sie den Weltfrieden und die internationale Sicherheit nachhaltig bedrohen<br />
und die internationale Gemeinschaft als Ganzes betreffen können. Der terroristische<br />
Strategiewandel zeichnet sich durch jegliche Negierung menschlicher Werte<br />
aus, er besteht in der Globalisierung terroristischer Organisationsstrukturen und einer<br />
Änderungen in der Wahl der Mittel, der Zielgruppe und <strong>des</strong> Vernichtungsgra<strong>des</strong>. <strong>Die</strong><br />
Fähigkeit einer neuen Terroristengeneration, etwa zivile Transportmittel zu Waffen<br />
umzufunktionieren und in Ballungszentren zur Explosion zu bringen, stellt nur eine<br />
Facette moderner Aktionsformen <strong>des</strong> internationalen Terrorismus dar. Wird die Mehrzahl<br />
der Terroranschläge vermutlich auch weiterhin mit Bomben und Schusswaffen<br />
ausgeführt werden, so eröffnen der technische Fortschritt, der vereinfachte Zugang zu<br />
Informationen und die Verfügbarkeit <strong>von</strong> umfangreichem, neuem Waffenmaterial ungeahnte<br />
und verheerende Formen terroristischen Handelns: Terrorismus mit nuklearen,<br />
biologischen oder chemischen Kampfstoffen sowie mittels elektronischer Daten ist<br />
heute möglich und im Rahmen einer auf Massenvernichtung gerichteten Terrorstrate-<br />
1 Jenkins, in: Leventhal/Alexander (Hrsg.), Nuclear Terrorism, 1986, 28.
A. Problemstellung und Aufbau der Arbeit 2<br />
gie auch Erfolg versprechend. Brutalste Terroranschläge – insbesondere solche mittels<br />
Massenvernichtungswaffen – sind heute keine Frage mehr <strong>des</strong> ob, sondern <strong>des</strong> wann.<br />
<strong>Die</strong>se neue Situation stellt eine der Herausforderungen an das internationale Strafrecht<br />
dar. Innerstaatliche Rechtsordnungen wähnten sich bislang auf klassische Terrorgefahren<br />
vorbereitet – bezüglich der neuen atypischen Terrorbedrohung ist dies aber nicht<br />
der Fall. Terroristische Verhaltensweisen sind in den meisten Rechtsordnungen nach<br />
nationalem Strafrecht als „gewöhnliche“ Delikte unter Strafe gestellt. Sofern ein eigenständiger<br />
Straftatbestand <strong>des</strong> Terrorismus im nationalen Recht nicht gegeben ist,<br />
werden terroristische Aktionsformen <strong>von</strong> herkömmlichen Straftatbeständen wie Mord,<br />
Totschlag, Geiselnahme, Nötigung, Brandstiftung oder diversen Sprengstoffdelikten<br />
erfasst. Daneben existiert eine Vielzahl <strong>von</strong> <strong>völkerrechtliche</strong>n Anti-Terrorismus-<br />
Abkommen, die auf klassische Aktionsformen <strong>des</strong> Terrorismus, wie Geiselnahme,<br />
Luftpiraterie oder Sprengstoffgefahren, zugeschnitten sind und den Bereich der internationalen<br />
Zusammenarbeit in Strafsachen regeln. Doch zeigen sich hergebrachte<br />
Formen der Strafverfolgung zeitgenössischen Terroraktivitäten kaum gewachsen.<br />
Angesichts der Globalisierung <strong>des</strong> Terrorismus und der Verletzung auch <strong>völkerrechtliche</strong>r<br />
Schutzgüter wird offensichtlich, dass die strafrechtliche Auseinandersetzung mit<br />
terroristischen Gewaltakten nicht auf das nationale Strafrecht begrenzt bleiben darf.<br />
Nationale Strafrechtsordnungen können den spezifischen <strong>völkerrechtliche</strong>n Unrechtsgehalt<br />
terroristischer Verhaltensweisen nicht erfassen. Zur Ahndung <strong>von</strong> Terrorverbrechen<br />
mit Relevanz für die internationale Gemeinschaft tritt hier – insbesondere mit<br />
Blick auf atypische Terrorformen mittels Massenvernichtungswaffen – das Erfordernis<br />
einer internationalen Strafgerichtsbarkeit zutage, welche die nationalen Kompetenzen<br />
zur Strafverfolgung terroristischer Verbrechen zwar nicht ersetzen soll, aber doch zu<br />
ergänzen hat. Kaum eine nationale Strafrechtsordnung hält Strafnormen bezüglich der<br />
Aneignung <strong>von</strong> und <strong>des</strong> Umgangs mit Massenvernichtungswaffen bereit; auch in diesem<br />
Bereich muss bislang auf „gewöhnliche“ Delikte ausgewichen werden, um eine<br />
<strong>Kriminalisierung</strong> der entsprechenden Verhaltensweisen zu erreichen.<br />
Aufgrund dieser Defizite der bisherigen strafrechtlichen Behandlung terroristischer<br />
Gewalttaten im nationalen Recht beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Frage,<br />
ob das Völkerstrafrecht ein geeignetes Instrumentarium zur Erfassung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong><br />
internationalen Terrorismus bereithält. Eine <strong>völkerrechtliche</strong> Strafverfolgung terroristischer<br />
Gewaltakte setzt zum einen das Vorhandensein entsprechender Strafnormen als<br />
Teil der Völkerrechtsordnung voraus, zum anderen ist eine funktionierende Gerichtsbarkeit<br />
erforderlich. Unter dieser Untersuchungsprämisse sind folgende Teilaspekte<br />
abzuhandeln: Zunächst ist der Frage nachzugehen, was Akte <strong>des</strong> internationalen Terro-
A. Problemstellung und Aufbau der Arbeit 3<br />
rismus neuer Dimension <strong>von</strong> traditionellen Terrorformen unterscheidet und sie als<br />
Problem <strong>des</strong> Völkerrechts etabliert. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob moderne<br />
Terrorakte bereits durch bestehende Normen <strong>des</strong> Völkerrechts erfasst werden und so<br />
eine entsprechende <strong>völkerrechtliche</strong> <strong>Kriminalisierung</strong> erfahren. Drittens wird zu klären<br />
sein, ob die supranationale Strafgerichtsbarkeit <strong>des</strong> Internationalen Strafgerichtshofs<br />
(IStGH) terroristische Gewaltakte erfassen kann.<br />
<strong>Die</strong> Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Ausgangspunkt der <strong>völkerrechtliche</strong>n Analyse ist<br />
eine Betrachtung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus in seiner herkömmlichen und seiner<br />
neuen Dimension und <strong>des</strong>sen Einordnung als aktuelles Problem <strong>des</strong> Völkerrechts. Der<br />
erste Teil der Arbeit (Abschnitt B) zeigt auf, wodurch sich moderne Formen <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus <strong>von</strong> herkömmlicher terroristischer Gewaltanwendung unterscheiden<br />
und was den internationalen Terrorismus in seiner neuen Dimension<br />
auszeichnet – in diesem Zusammenhang werden aktuelle Erscheinungsformen <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus identifiziert und der Terrorismus in seiner neuen Form erfasst.<br />
Im zweiten Teil (Abschnitt C) untersucht die Arbeit, ob das bestehende Völkerrecht<br />
ein geeignetes Instrument zur <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus darstellt.<br />
Ausgehend <strong>von</strong> der These, dass Defizite der nationalen Strafverfolgung bestehen und<br />
der internationale Terrorismus neuer Dimension völkerstrafrechtlich erfasst werden<br />
muss, wird die Aufmerksamkeit im dritten Teil (Abschnitt D) auf die internationale<br />
Strafgerichtsbarkeit gerichtet. Es wird dargelegt, warum sich insbesondere der IStGH<br />
für die Aufgabe der <strong>völkerrechtliche</strong>n Ahndung internationaler Terrorakte anbietet. Im<br />
Mittelpunkt dieses Abschnitts steht daher die eingehende Analyse, ob terroristische<br />
Gewaltakte der Jurisdiktion <strong>des</strong> IStGH unterfallen und als eines der im IStGH-Statut<br />
normierten Völkerrechtsverbrechen qualifiziert werden können. <strong>Die</strong> ausdrückliche<br />
Einbeziehung <strong>des</strong> Terrorismus in den sachlichen Zuständigkeitsbereich <strong>des</strong> IStGH ist<br />
derzeit nicht vorgesehen. Das IStGH-Statut enthält somit keinen eigenen Tatbestand<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus. Wenn es aber gelänge, Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
unter die bestehenden <strong>völkerrechtliche</strong>n Straftatbestände – namentlich Völkermord,<br />
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Aggression –<br />
zu subsumieren, dann wäre die Grundlage dafür geschaffen, terroristische Gewaltakte<br />
der Strafverfolgung durch den IStGH zu unterstellen.
A. Problemstellung und Aufbau der Arbeit 4<br />
Abschließend werden die Ergebnisse der Untersuchung kritisch bewertet und verbleibende<br />
Strafbarkeitslücken hinsichtlich der <strong>völkerrechtliche</strong>n <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong><br />
<strong>modernen</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus aufgezeigt.<br />
Zum Gegenstand der vorliegenden wissenschaftlichen Beweisführung werden exemplarisch<br />
neben terroristischen Gewaltakten unter Einsatz <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen<br />
vorrangig die Anschläge vom 11. September 2001 gemacht. Letzteren kommt<br />
damit eine Betrachtung ex post facto zu, die angesichts der Tatsache, dass das IStGH-<br />
Statut erst am 1. Juli 2002 in Kraft getreten ist, rein theoretischer Natur bleibt. <strong>Die</strong> vorliegende<br />
Analyse orientiert sich ausschließlich am Besonderen Teil <strong>des</strong> Völkerstrafrechts.<br />
Fragestellungen, die zwar Bedeutung für eine mögliche Bestrafung<br />
terroristischer Gewaltakte durch den IStGH erlangen können, aber für die eigentliche<br />
Subsumtion terroristischer Verhaltensweisen unter die bestehenden Kernverbrechen<br />
ohne Relevanz sind, müssen gesonderten Untersuchungen vorbehalten bleiben. Es<br />
handelt sich insoweit überwiegend um Probleme aus dem Allgemeinen Teil <strong>des</strong> Völkerstrafrechts<br />
sowie prozessuale Aspekte. Da sich die vorliegende Untersuchung ausschließlich<br />
mit dem Thema der Repression internationaler Terrorakte beschäftigt,<br />
bleiben auch <strong>völkerrechtliche</strong> Präventionsmechanismen unberücksichtigt. Ferner werden<br />
nur Anti-Terrorismus-Abkommen auf UN-Ebene analysiert, während regionale<br />
Abkommen übersichtsartig dargestellt, aber nicht untersucht werden.<br />
Im deutschsprachigen Raum hat der Vorschlag, Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
unter die Jurisdiktion <strong>des</strong> IStGH zu stellen, nach derzeitigem Forschungsstand keine<br />
umfassende Aufarbeitung erfahren. <strong>Die</strong> Diskussion der Staatengemeinschaft über eine<br />
Ausweitung <strong>des</strong> Zuständigkeitsbereiches <strong>des</strong> IStGH ist erst auf einer Revisionskonferenz<br />
im Jahre 2009 vorgesehen. Wegen aktueller Terrorgefahren und bestehender<br />
Probleme in der Strafverfolgung <strong>von</strong> internationalen Terrorakten muss die wissenschaftliche<br />
Auseinandersetzung mit dieser Thematik jedoch bereits heute geführt werden.<br />
<strong>Die</strong> vorliegende Arbeit verfolgt daher neben der inhaltlichen Subsumtion <strong>von</strong><br />
<strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus unter die Völkerstrafgerichts-barkeit auch das<br />
Ziel, durch die Analyse bestehender Subsumtionsmodelle terroristischer Gewaltakte<br />
unter die Gerichtsbarkeit <strong>des</strong> IStGH einen Beitrag zum Ausbau und zur Weiterentwicklung<br />
der völker(straf)rechtlichen Werteordnung zu leisten.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
im 21. Jahrhundert als Herausforderung für das Völkerrecht<br />
I. Fehlen einer allgemein gültigen Definition <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus<br />
„Internationaler Terrorismus“ ist heutzutage ein politisches Schlag- und Reizwort.<br />
Sehr verschiedene Phänomene werden mittlerweile unter diesem Begriff zusammengefasst.<br />
In der Wissenschaft wurde eine Vielzahl <strong>von</strong> Erklärungsversuchen, Ursachenanalysen<br />
und Bekämpfungsmethoden diskutiert. Bislang konnte aus diesen Ansätzen<br />
noch keine universell gültige Definition <strong>des</strong> internationalen Terrorismus hergeleitet<br />
werden, da sich die Staatengemeinschaft nicht auf einen adäquaten Terminus festlegen<br />
konnte. 2 Den Begriff <strong>des</strong> internationalen Terrorismus umfassend und unstreitig zu definieren,<br />
stellt sich als eine äußerst komplexe und schwierige Aufgabe dar. Derzeit e-<br />
xistieren weit über 100 Terrorismusdefinitionen, 3 die alle möglichen Aspekte <strong>des</strong><br />
Terrorismus mit seinen vielfältigen Mustern und Zielen zu umfassen versuchen. Das<br />
Problem besteht darin, dass kein finaler Bezugspunkt existiert, sondern dass eine Definition<br />
mit weltweiter Akzeptanz soziale Prozesse erfassen muss, die zwangsläufig<br />
Veränderungen unterliegen.<br />
Allgemein beschreibt „Terrorismus“ den Prozess der Anwendung <strong>von</strong> Terrorgewalt. 4<br />
Etymologisch betrachtet handelt es sich bei dem Begriff, der erst seit der Französischen<br />
Revolution <strong>von</strong> 1789 existiert, um einen Neologismus aus „terreur“ (Schrecken)<br />
und dem lateinisch-griechischen Suffix „ismus“. 5 Anfangs wurde mit Terrorismus aus-<br />
2 Wardlaw, Political Terrorism, 2. Aufl., 1989, 3; Teichmann, Philosophy 1989, 505 ff.; Schmalenbach,<br />
NZWehrr 2000, 15 (15); Doucet, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims, and International Law, 2003, 277<br />
(277); Stern, The Ultimative Terrorists, 1999, 11; Wehner, Europäische Zusammenarbeit bei der polizeilichen<br />
Terrorismusbekämpfung aus rechtlicher Sicht, 1993, 32.<br />
3 Vgl. Schmid/Jongman, Political Terrorism, 1988, 1 ff.; Ganor, Defining Terrorism: Is One Man’s Terrorist A-<br />
nother Man’s Freedom Fighter?, http://www.ict.org.il/articles/define.htm; Marx, ZAR 2002, 127 (128); vgl. auch<br />
“Keine Begriffsdefinition <strong>von</strong> Terrorismus”, in: Neue Zürcher Zeitung v. 13. 02. 2002, 2.<br />
4 Bassiouni, International Criminal Law, 1999, 771.<br />
5 Dazu ausführlich Herzog, Terrorismus - Versuch einer Definition und Analyse internationaler Übereinkommen<br />
zu seiner Bekämpfung, 1991, 18; Walther, in: Brunner/Conze/Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe,<br />
1990, Band 6, 324; Hess, in: Prittwitz/Baurmann/Günther/Kuhlen u. a. (Hrsg.), FS für Klaus Lüderssen, 2002,
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 6<br />
schließlich ein staatlicher Handlungstypus erfasst. So definierte das Oxford English<br />
Dictionary <strong>von</strong> 1795 Terrorismus wie folgt: 6<br />
“Government by intimidation as carried out by the party in power in France between<br />
1789 – 1794; generally, a policy intended to cause terror in those against whom it is<br />
adopted.”<br />
War also Terrorismus zunächst nur in staatlicher Auskleidung bekannt, zeigt er sich<br />
seit dem 19. Jahrhundert auch in privater Erscheinungsform, indem Terrorgruppen<br />
Gewaltaktionen gegen staatliche Organe und zur Einschüchterung der Bevölkerung<br />
unternahmen. 7 Solche Terrorakte waren zwar in der Regel auf nationales Territorium<br />
begrenzt, sie wiesen zum Teil aber schon damals grenzüberschreitende Bezüge auf, so<br />
dass der Terrorismus in internationaler Ausprägung heute im Grunde kein neues Phänomen<br />
darstellt.<br />
Zahlreiche Attentate auf führende Staatsmänner Anfang <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts 8 machten<br />
eine intensive Beschäftigung der Staatengemeinschaft mit dem Problem <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus unumgänglich. 1937 wurde in Genf die Convention for the Prevention<br />
and Punishment of Terrorism verabschiedet, sie trat jedoch niemals in Kraft. 9<br />
Einzig im Rahmen dieser Konvention ist es der internationalen Staatengemeinschaft<br />
gelungen, Terrorismus völkerrechtlich zu erfassen. Nach Errichtung der Vereinten Nationen<br />
haben sich verschiedene UN-Organe der Problematik <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
angenommen. <strong>Die</strong> UN-Generalversammlung hat terroristische Aktionen über<br />
die Jahrzehnte hinweg in einer Vielzahl <strong>von</strong> Resolutionen ausdrücklich verurteilt, den<br />
Begriff <strong>des</strong> Terrorismus aber nie eindeutig definiert. 10 Stellungnahmen der UN-<br />
489 (489); Walther, in: Brunner/Conze/Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, 1990, Band 6, 336 ff.,<br />
358; Maskaliunaite, Baltic Defence Law Review 2002, 36 (40).<br />
6 Teichmann, Philosophy 1989, 505 (507).<br />
7 Zum Terrorismus im zaristischen Russland Laqueur, <strong>Die</strong> globale Bedrohung, 1998, 23 ff.; Friedlander, in:<br />
Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Vol. 4, 2000, 845.<br />
8 Vgl. etwa das Attentat <strong>von</strong> Sarajewo 1914 auf König Alexander I. <strong>von</strong> Jugoslawien sowie das Attentat vom<br />
09.10.1934, bei dem der französische Außenminister Barthou ermordet wurde. S. Laqueur, <strong>Die</strong> globale Bedrohung,<br />
1998, 26 ff.<br />
9 League of Nations, Convention for the Prevention and Punishment of Terrorism, League of Nations Doc. C 546<br />
(I.), M 383 (I.) 1937, V (1938). Durch diesen <strong>völkerrechtliche</strong>n Vertrag unterlagen Angriffe auf Leib und Leben<br />
<strong>von</strong> Staatsoberhäuptern oder deren Familien, sowie weiterer hoher Regierungsbeamter, die Beschädigung öffentlichen<br />
Eigentums und die Lebensgefährdung fremder Staatsbürger, der internationalen Ächtung. Das Abkommen<br />
wurde <strong>von</strong> nur einem Staat ratifiziert; zudem ließ es brisante Probleme außen vor: <strong>Die</strong>se betrafen das Asylrecht<br />
und die Frage der Auslieferung <strong>von</strong> politisch motivierten Tätern, ebenso die Möglichkeit staatlicher Verstrickung<br />
in terroristische Aktivitäten. S. dazu Walther, in: Brunner/Conze/Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche<br />
Grundbegriffe, 1990, Band 6, 441; Friedlander, in: Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law,<br />
Vol. 4, 2000, 847; Hudson, International Tribunals, 1944, 185.<br />
10 S. u. a. UN GA Res. 42/159 v. 07.12.1987; UN GA Res. 44/29 v. 04.12.1989; UN GA Res. 46/51 v.<br />
27.01.1992. Ausführlich dazu Wüstenhagen, in: <strong>von</strong> Schorlemer (Hrsg.), Praxishandbuch UNO, 2003, 101; sowie<br />
Lambert, Terrorism and Hostages in International Law, 1990, 28 ff.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 7<br />
Generalversammlung zum Terrorismus blieben in der Zeit <strong>des</strong> Kalten Krieges mehrheitlich<br />
unklar; zwar verurteilten sie diesen einerseits, andererseits bekräftigten sie das<br />
Recht der Völker auf Selbstbestimmung und auf Befreiung <strong>von</strong> kolonialer Fremdherrschaft.<br />
11 <strong>Die</strong>se Haltung der UN-Generalversammlung änderte sich erst zu Beginn der<br />
90er Jahre mit der Declaration on Measures to Eliminate International Terrorism, 12<br />
die keinen Bezug mehr zum Recht auf Selbstbestimmung und zur Rechtmäßigkeit <strong>des</strong><br />
bewaffneten Befreiungskampfes vorsieht.<br />
Bislang existiert in einschlägigen internationalen Übereinkommen, sowohl auf UN- als<br />
auch auf gesamteuropäischer Ebene, kein einheitlicher und innerhalb der Staatengemeinschaft<br />
allgemein anerkannter, adäquater Terminus <strong>des</strong> internationalen Terrorismus.<br />
Zwar zeigen sowohl die Politik-, Geschichts-, Sozial- und<br />
Kommunikationswissenschaft als auch die Psychologie Definitionsansätze auf, 13 doch<br />
geben diese wenig Rückschluss auf einen universell gültigen juristischen Bedeutungsinhalt.<br />
Eines der Hauptprobleme der internationalen Gemeinschaft, eine allgemeingültige Definition<br />
zu finden, liegt in der Sondierung der fundamentalen Werte, welche die Bewertung<br />
terroristischen Verhaltens bestimmen. Der politische Aspekt und die<br />
Motivation spielten und spielen bei der Begriffsbestimmung eine zentrale Rolle und<br />
machen eine allgemeingültige Definition so gut wie unmöglich. 14 <strong>Die</strong> Definitionskriterien<br />
sind mehrheitlich subjektiv und basieren primär auf politischen Erwägungen;<br />
daneben nimmt der Terrorismus den regionalen und historischen Umständen entsprechend<br />
unterschiedliche Formen an. Obwohl einheitlich in gewissen politischen Komponenten,<br />
erfährt er eine zunehmende Internationalisierung 15 und wird mit<br />
verschiedenen Mitteln sowohl <strong>von</strong> Staaten als auch <strong>von</strong> Privaten in unterschiedlichster<br />
Art und Weise ausgeübt. 16<br />
Ist eine möglichst präzise Definition <strong>des</strong> Terrorismus auch schwierig und international<br />
nur bedingt konsensfähig, so bedarf es speziell für eine <strong>Kriminalisierung</strong> nach Völker-<br />
11 Walter, in: Walter/Vöneky/Röben/Schorkopf (Hrsg.), Terrorism as a Challenge for National and International<br />
Law, 2004, 23 (36); Marauhn, in: Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Vol. 4, 2000,<br />
850.<br />
12 UN GA Res. 49/60 v. 09.12.1994.<br />
13 Zu den verschiedenen Ansätzen s. Schmid/Jongman, Political Terrorism, 1988; Bunzl, Gewalt ohne Grenzen,<br />
1991, 3 ff.; Herzog, Terrorismus - Versuch einer Definition und Analyse internationaler Übereinkommen zu seiner<br />
Bekämpfung, 1991, 18 ff.; Daase, in: <strong>Die</strong> Friedens-Warte 2001, 55 ff.; Wardlaw, Political Terrorism,<br />
2. Aufl., 1989, 4 ff.; Corlett, Terrorism. 2003.<br />
14 Bassiouni, International Criminal Law, 1999, 771.<br />
15 Von Bubnoff, NJW 2002, 2672 (2672).<br />
16 Elagab, International Law: Documents Relating to Terrorism, 1995, iii.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 8<br />
recht unabdingbar einer definitorischen Eingrenzung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus.<br />
Vorliegend wird der Versuch unternommen, herkömmliche Definitionshemmnisse zu<br />
überwinden und anhand der Analyse moderner terroristischer Erscheinungsformen eine<br />
definitorische Grundlage für eine <strong>völkerrechtliche</strong> Neubewertung <strong>von</strong> Taten <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus zu schaffen.<br />
II. Herkömmlicher Terrorismus<br />
Um sich der neuen Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus analytisch annähern zu<br />
können, bedarf es zunächst einer Darstellung und Auseinandersetzung mit den Erscheinungsformen<br />
<strong>des</strong> herkömmlichen Terrorismus.<br />
Klassischer Terrorismus, verstanden als Sammelbegriff für politisch motivierte Gewalttaten<br />
verschiedenster Zielrichtung und Ausführung, ist vielfältig und einem ständigem<br />
Wandel unterworfen. Politische und militärische Spannungen sowie die<br />
Situation in Krisengebieten waren nicht selten Auslöser für terroristische Aktivitäten:<br />
Im 20. Jahrhundert gab es eine Vielzahl an separatistischen Bewegungen, die mittels<br />
Terrorstrategie die Unabhängigkeit besetzter Gebiete anstrebten, etwa in Algerien, in<br />
Nordirland, im Mittleren Osten oder auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion.<br />
<strong>Die</strong>se Beispiele zeigen, dass sich Terrorismus sehr oft in Verbindung mit einem bewaffneten<br />
Konflikt etablieren konnte. 17 Darüber hinaus fand Terrorismus aber auch<br />
unabhängig <strong>von</strong> bewaffneten Auseinandersetzungen statt; dies belegen eine Vielzahl<br />
<strong>von</strong> spektakulären Anschlägen insbesondere in den 1960 – 1980er Jahren, die überwiegend<br />
in westlichen Industriestaaten begangen wurden.<br />
<strong>Die</strong> Zuordnung <strong>von</strong> Terrorismus als derjenige herkömmlicher Prägung knüpft an das<br />
Selbstverständnis und Selbstbild terroristischer Gruppen an. Traditionelle Terrorgruppen<br />
lassen sich grob in einen bestimmten gesellschaftlich-historischen Hintergrund<br />
einordnen, der das jeweilige terroristische Vorgehen prägt und ihm bestimmte Strukturen<br />
verleiht. 18 <strong>Die</strong> Vielfalt terroristischer Bewegungen wird - um nur einige Gruppen<br />
zu nennen - schon daran deutlich, dass nationale und antikolonialistische „Befreiungsbewegungen“<br />
(z.B. PLO, ANC, Frente POLISARIO) 19 , regionale oder separatistische<br />
Bewegungen (z.B. IRA 20 , ETA 21 , Al Fatah 22 ) als terroristische Organisationen ebenso<br />
17 Gasser, RICR 84, 2002, 547 (548).<br />
18 Hoffman, Vierteljahresschrift für Sicherheit und Frieden 2000, 125 (125); Hirschmann, in: Frank/Hirschmann<br />
(Hrsg.), <strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 27 (34).<br />
19 Zu den einzelnen nationalen Befreiungsbewegungen ausführlich Paech/Stuby, Völkerrecht und Machtpolitik<br />
in den internationalen Beziehungen, 2001, 252 ff.<br />
20 Näher zur IRA u. a. Neumann, IRA, langer Weg zum Frieden, 2002; English, Armed Struggle, 2003; Parry,<br />
Terrorism, 1976, 376 ff.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 9<br />
in Betracht kommen können wie auch „gesellschaftsrevolutionäre“ Gruppen (z.B.<br />
RAF 23 , Rote Brigaden 24 , Action Directe 25 ). 26<br />
Kennzeichnend für herkömmliche terroristische Gewaltakte ist ein klar ersichtlicher<br />
territorialer Bezug, selbst wenn ein terroristischer Akt mitunter auch mehreren Staaten<br />
Schaden zugefügt hat. Weil terroristische Organisationen und Personen ganz unterschiedliche<br />
Ziele verfolgt haben, sind Akte <strong>des</strong> Terrorismus bislang rechtlich immer<br />
nur unter Berücksichtigung der nationalen oder regionalen Gegebenheiten zu beurteilen<br />
gewesen. In der Dritten Welt standen Terrorakte vielfach im Zusammenhang mit<br />
dem Prozess der Entkolonialisierung; dort sind sie mit der Besetzung fremder Gebiete<br />
bzw. mit Auseinandersetzungen vor rassistischem, religiösem, ethnischem oder sozialem<br />
Hintergrund legitimiert worden. 27 In den letzten beiden Jahrhunderten standen annähernd<br />
100 Völker vor der Aufgabe, ihren Kolonialstatus zu überwinden und ihre<br />
Unabhängigkeit zu erreichen. Manche erreichten ihr Ziel erst in jahrelangen Guerillakämpfen<br />
oder Bürgerkriegen. 28 Vor diesem Hintergrund hatten verschiedene Entwicklungsländer<br />
auf UN-Ebene lange Zeit darauf beharrt, dass Gewalttaten <strong>von</strong><br />
Freiheitskämpfern, die mit dem Ziel <strong>völkerrechtliche</strong>r Selbstbestimmung legitimiert<br />
wurden, nicht als Akte <strong>des</strong> Terrorismus qualifiziert werden dürften. 29 Der viel zitierte<br />
Satz „One man´s terrorist is another man´s freedom fighter“ beschreibt diese konträren<br />
Auffassungen in treffender Weise. Erst mit der Verabschiedung der Declaration on<br />
Measures to Eliminate International Terrorism 30 durch die UN-Generalversammlung<br />
21 <strong>Die</strong> baskische ETA zählt neben der IRA zu den bekanntesten Terrorgruppen Westeuropas. Zu ihren Taktiken<br />
gehört es, Staatsbeamte, vor allem Richter, zu entführen und ihnen den „Prozess“ zu machen. Dazu Janke, in:<br />
Gutteridge (Hrsg.), The New Terrorism, 1986, 135 ff.<br />
22 Näher zur Doktrin <strong>von</strong> Al Fatah Harkabi, in: Laqueur (Hrsg.), Zeugnisse politischer Gewalt, 1978, 128 ff.<br />
23 Mit der Übernahme <strong>des</strong> lateinamerikanischen Konzepts der Stadtguerilla konstituierte sich in der Bun<strong>des</strong>republik<br />
die Rote Armee Fraktion (RAF). <strong>Die</strong> RAF war lange Jahre die aktivste deutsche Terrorgruppierung. Sie<br />
widmete sich in punktuellen Aktionen der Ermordung <strong>von</strong> führenden Vertretern der BRD (z. B. Siegrid Buback,<br />
Jürgen Ponto, Hanns-Martin Schleyer). S. näher hierzu Rebmann, Probleme bei der Bekämpfung <strong>des</strong> Terrorismus,<br />
1986, 10 ff.; Grässle-Münscher, Kriminelle Vereinigung, 1991, 124 ff.; Wunschik, Baader-Meinhofs Kinder,<br />
1997.<br />
24 Vgl. Pisano, in: Gutteridge (Hrsg.), The New Terrorism, 1986, 167 ff.<br />
25 Mit der Action Directe (AD) war in Frankreich eine linksextremistische Terrororganisation aktiv, um den französischen<br />
Staat zu zerstören. Nach dem Vorbild der Roten Brigaden und der Roten Armee Fraktion (RAF) richteten<br />
sich ihre Anschläge vor allem gegen Symbole der Staatsmacht wie Gerichte oder Polizeistationen; weitere<br />
Anschläge wurden auf NATO-Einrichtungen verübt.<br />
26 Johnson, in: Laqueur (Hrsg.), Zeugnisse politischer Gewalt, 1978, 230 (237 f.); Rebmann, NJW 1985, 1735<br />
(1735).<br />
27 Kreis, in: Funke (Hrsg.), Terrorismus, 1977, 158 (159); Rebmann, NJW 1985, 1735 (1735); Global Responses<br />
to the New Global Challenges, Recommendations for the G-8 Kananaskis Summit from the G-8 Preparatoty<br />
Conference, 8.<br />
28 Näher dazu Paech/Stuby, Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen, 2001, 245 ff.; 342<br />
ff.<br />
29 Cassese, International Criminal Law, 2003, 120 ff.; Oeter, ZaöRV 1989, 445 ff.; Fischer, in: Ipsen, Völkerrecht,<br />
5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 13.<br />
30 UN GA Res. 49/60 v. 09.12.1994.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 10<br />
im Jahr 1994 hat sich die internationale Gemeinschaft darauf verständigt, „Freiheitskämpfer“<br />
nicht vom Verbot <strong>des</strong> Terrorismus auszunehmen. Seither werden alle terroristischen<br />
Handlungen, Methoden und Praktiken unabhängig <strong>von</strong> ihrer Zielsetzung<br />
unmissverständlich als kriminell geächtet. 31<br />
Gesellschaftsrevolutionäre Terrorgruppierungen in den westlichen Industriestaaten haben<br />
hauptsächlich das ideologische Ziel verfolgt, das herrschende System zu überwinden.<br />
Zur Rechtfertigung ihrer Anschläge beriefen sie sich auf Fehlentwicklungen und<br />
Auswüchse der pluralistischen Gesellschaftsordnungen, die technologische Infrastruktur<br />
oder die Rüstungsindustrie. 32 <strong>Die</strong> Gewaltaktionen erfolgten aus dem Untergrund<br />
und sollten allgemeine Unsicherheit und Schrecken, aber auch Sympathie und Unterstützungsbereitschaft<br />
erzeugen - dies in dem originären Bewusstsein, dass es in den<br />
Metropolen keinen revolutionären Terror mit Waffen gegen Menschen geben könne. 33<br />
Das traditionelle Ziel <strong>des</strong> Terrorkampfes wurde in der militärischen Zerstörung <strong>des</strong><br />
Fein<strong>des</strong> gesehen und es lag es auf der Hand, „que le terrorisme en ville ne peut jouer<br />
aucun rôle décisif“. 34<br />
<strong>Die</strong> Mittel und Methoden der Terrorführung beschränkten sich dabei auf den Einsatz<br />
traditioneller Waffentechnik wie Feuer- und Explosionswaffen. Sowohl in der Auswahl<br />
seiner Opfer als auch in der Höhe der Opferzahlen unterlag der herkömmliche<br />
Terrorismus gewissen Schranken. 35 Hohe Opferzahlen und Massenmord wurden<br />
grundsätzlich nicht gebilligt. 36 Traditionelle Terrorvereinigungen sind auf die öffentliche<br />
Meinung und das Sponsoring <strong>von</strong> Sympathisanten angewiesen, und weil sie ein<br />
politisches Programm verfolgen, müssen sie darauf achten, ihren Anhängern nicht zu<br />
31 Report of the Secretary-General´s High-level Panel on Threats, Challenges and Change, § 160, A/59/565 v.<br />
02.12.2004.<br />
32 Vgl. etwa RAF-Schrift „Guerilla, Widerstand und antiimperialistische Front“, verbreitet im Mai 1982, abgedruckt<br />
in: Hoffmann, Rote Armee Fraktion. Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, 1997, 291 ff. Ferner<br />
Waldmann, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.), <strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 11 (19).<br />
33 So lehnten frühe terroristische Bewegungen gegen diktatorische Regime in Südamerika und in der Karibik den<br />
bewaffneten Kampf in Städten explizit ab, weil hier das Kampfterrain und die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung<br />
so unübersichtlich seien. Vgl. Walther, in: Brunner/Conze/Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe,<br />
Band 6, 1990, 323 (436).<br />
34 Debray, Révolution dans la révolution. Lutte armeé politique en amérique latine, 1967, 40, 77.<br />
35 So ist etwa dem Linksterrorismus deutscher oder italienischer Provenienz zwar eine gewisse Präzisierung ihrer<br />
Opfer zu entnehmen - es wurden gezielt Diplomaten, Politiker, Generäle, Richter, Staatsanwälte und Wirtschaftsführer<br />
terrorisiert -, es wurden aber ebenso Personen ohne hervorgehobene Stellung zum Angriffssubjekt<br />
terroristischer Gewalt gemacht. Vgl. etwa die Anschläge auf die PAN AM 103 über Lockerbie aus dem Jahr<br />
1988 (s. hierzu unter D. I. 1. c).) sowie auf die UTA 772 über der Sahara im Jahr 1998.<br />
36 Gemäß Jenkins war der „klassische“ Terrorismus folgendermaßen gekennzeichnet: „Terrorists want a lot of<br />
people watching, not a lot of people dead.“, Jenkins, in: Leventhal/Alexander (Hrsg.), Nuclear Terrorism, 1986,<br />
28.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 11<br />
schaden - was ihrer Gewaltstrategie eindeutige Grenzen setzt. 37 Es ist unwahrscheinlich,<br />
dass „klassische“ Terrorgruppierungen Massenvernichtungswaffen einsetzen,<br />
weil sie in der gemischten Bevölkerung genauso viele Sympathisanten wie „Feinde“<br />
treffen könnten. Anschläge gigantischen Ausmaßes und die Massenvernichtung widersprechen<br />
eindeutig der hergebrachten Terrorstrategie. 38<br />
Trotz signifikanter Unterschiede im Einzelnen entsprachen alle bislang bekannten Erscheinungsformen<br />
<strong>des</strong> Terrorismus in Entstehungsgeschichte, Entwicklung und Beendigung<br />
einem nahezu gleichartigen Muster. 39 Folgende Charakteristika sind dem<br />
herkömmlichen Terrorismus gemein: Er ist inhaltlich bestimmbar (z. B. Linksterrorismus,<br />
Rechtsterrorismus, separatistische Bewegungen, anarchistische oder religiöse<br />
Gruppierungen), zumeist hierarchisch strukturiert und in der Gruppenstärke klein bis<br />
mittelgroß. 40 Der Rekrutierungskreis ist relativ begrenzt. <strong>Die</strong> Operationsziele sind gemäß<br />
traditionellem Verständnis mehrheitlich gut identifizierbar und die Opfer sehr oft<br />
speziell ausgewählt. 41 <strong>Die</strong> Massenvernichtung wird abgelehnt. In Anbetracht der geringen<br />
finanziellen Mittel, die traditionellen Terrorgruppierungen in der Vergangenheit<br />
zur Verfügung standen, haben es diese unterlassen, umfassende und häufige Anschläge<br />
zu unternehmen. Terroristen traditioneller Prägung hatten ihre Operationsgebiete auf<br />
eine Region oder einen Staat begrenzt, und es gab nur vereinzelt internationalisierte<br />
Operationen. Mehrheitlich fehlte es an einer gezielten Einbindung ausländischer Terrorgruppen.<br />
Somit hat bisher eine internationalisierte Ausrichtung <strong>des</strong> Terrorismus<br />
trotz teilweise ähnlicher Programmatik und Anschlagsrichtung der einzelnen Gruppierungen<br />
so gut wie nicht stattgefunden. 42<br />
Im Gegensatz zu herkömmlichen Terrorformen dürfte in dem Bemühen, Terrorismus<br />
insgesamt zu internationalisieren und die globale Öffentlichkeit als Resonanzraum zu<br />
erreichen, die Hauptgefahr liegen, die vom <strong>modernen</strong> internationalen Terrorismus ausgeht.<br />
Inwiefern eine neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrors eröffnet ist, wird<br />
37 Waldmann, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.), <strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 11 (16); Laqueur, <strong>Die</strong> globale Bedrohung,<br />
1998, 286.<br />
38 Laqueur, <strong>Die</strong> globale Bedrohung, 1998, 281; Münkler, „Grammatik der Gewalt“; in: Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung v. 16.10.2002, 8.<br />
39 Vgl. Hirschmann, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B51/2001, 7 (10, Übersicht 3); Johnson, Perspektiven<br />
<strong>des</strong> Terrorismus, in: Laqueur (Hrsg.), Zeugnisse politischer Gewalt. Dokumente zur Geschichte <strong>des</strong> Terrorismus,<br />
1978, 230 (237).<br />
40 Hoffman, Vierteljahresschrift für Sicherheit und Frieden, 2000, 125 (125).<br />
41 Hoffman, Vierteljahresschrift für Sicherheit und Frieden, 2000, 125 (125).<br />
42 Eine Ausnahme bildet hier der palästinensische Terror als „klassische“ Form <strong>des</strong> internationalen Terrorismus,<br />
welcher seine Aufgabe darin sah, der Weltöffentlichkeit die Existenz <strong>des</strong> Palästinenserproblems bewusst zu machen.<br />
S. Klink, Kriminalistik 1991, 763 (763). Auch verfolgte z. B. die RAF eine Tendenz zur „Internationalisierung“<br />
ihrer terroristischen Aktionen und die Einbindung entsprechender ausländischer Gruppierungen.<br />
Bezeichnend war allerdings hier, dass sie bei ihren Anschlägen vorzugsweise die Namen getöteter ausländischer<br />
Terroristen benützten. S. Rebmann, Probleme bei der Bekämpfung <strong>des</strong> Terrorismus, 1986, 13.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 12<br />
letztlich da<strong>von</strong> abhängen, ob sich Terroristen zukünftig Massenvernichtungswaffen<br />
und den vielfältigen Möglichkeiten <strong>des</strong> Cyberspace bedienen werden.<br />
III. Internationaler Terrorismus in neuen Dimensionen<br />
Wurde die Mehrzahl <strong>von</strong> Terroranschlägen in der Vergangenheit auf konventionelle<br />
Art mit Sprengstoffen und Schusswaffen ausgeführt, sind Terrorakte heute in logistischer,<br />
operativer und technischer Hinsicht sowie im Ausmaß ihrer Zerstörung als wesentlich<br />
komplexer einzustufen. 43 <strong>Die</strong>s wurde bereits bei den Anschlägen vom<br />
11. September 2001 deutlich.<br />
Hielt die Wissenschaft vor dem 11. September 2001 wenig <strong>von</strong> Horrorszenarien eines<br />
„age of terrorism“, welche durch „biological, chemical and nuclear instruments of<br />
death and <strong>des</strong>truction [...]“ gekennzeichnet sind, „used intentionally by subnational<br />
groups [...] to obtain realistic or illusionary goals [...] and undermine the ability of legitimate<br />
governments to rule or ultimately to survive“ 44 , so gewinnt der Terrorismus mit<br />
Massenvernichtungswaffen heute vor dem Hintergrund Aufsehen erregender Terroranschläge<br />
als Teil moderner Terrorstrategien zunehmend an Einfluss. 45 Regierungserklärungen,<br />
andere offizielle Berichte und wissenschaftliche Studien weisen immer wieder<br />
darauf hin, dass vermehrt nicht-staatliche Akteure oder transnationale Gruppen nukleare,<br />
biologische oder chemische Substanzen erwerben oder selbst produzieren könnten,<br />
um sie als Terrorwaffe gegen Staaten und deren Zivilbevölkerung einzusetzen. 46 Ferner<br />
werden Terrorattacken durch Informationsoperationen und gezielt manipulierte<br />
Datenangriffe auf Verkehrs-, Informations- und Energiezentren erwartet. <strong>Die</strong>se neuen<br />
Formen <strong>des</strong> Terrors scheinen nicht nur möglich, sondern angesichts ihrer Zerstörungswirkung<br />
und <strong>des</strong> hohen Gra<strong>des</strong> an Verwundbarkeit der <strong>modernen</strong> Industriegesellschaften<br />
immer wahrscheinlicher. Daher gilt es, den Terrorismus mittels<br />
Massenvernichtungswaffen sowie weitere modi operandi <strong>des</strong> <strong>modernen</strong> internationa-<br />
43 Eingehend zum Einsatz neuer Technologien und deren Wirkung auf Terrorgruppen s. Jackson, in: Prados<br />
(Hrsg.), America Confronts Terrorism, 2002, 216 ff.<br />
44 Alexander/Finger (Hrsg.), Terrorism, 1977, X. f.<br />
45 Neuneck, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.), <strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 169 (170); s. auch „Großbritannien im<br />
Banne <strong>des</strong> Rizin-Terrors“, in: Neue Zürcher Zeitung v. 16.01.2003, 3; „Vier Anklagen nach dem Giftfund in<br />
London“, in: Neue Zürcher Zeitung v. 13.01.2003, 1.<br />
46 Insbesondere die USA sind Vorreiter und Taktgeber in der Abwehr und Bekämpfung <strong>von</strong> Terrorismus mittels<br />
Massenvernichtungswaffen., vgl. u .a. Department of Defense, Quadrennial Defense Review Report, Washington<br />
D.C., 30. September 2001; United States, Countering the Changing Threat of International Terrorism: Report of<br />
the National Commission on Terrorism, Washington 2001. Vgl. ferner die Studie <strong>von</strong> Leventhal/Alexander, Preventing<br />
Nuclear Terrorism. The Report and Papers of the International Task Force on Prevention of Nuclear Terrorism,<br />
1987; Falkenrath/Newman/Thayer, America´s Achilles´ Heel. Nuclear, Biological, and Chemical<br />
Terrorism and Covert Attack, 1998; Friedlander, Terrorism, Vol. 1, 1979, 141 f.; Maerli, Vierteljahresschrift für<br />
Sicherheit und Frieden, 2001, 213 ff.; Progress Report prepared by UN-Special Rapporteur Koufa on Terrorism<br />
and Human Rights, E/CN.4/Sub.2/2001/31 v. 27.06.2001.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 13<br />
len Terrorismus in die vorliegende Betrachtung mit aufzunehmen. Zwar werden <strong>von</strong><br />
einigen Autoren auch der so genannte Öko- und Narcoterrorismus als Terrorformen<br />
angesehen. 47 <strong>Die</strong>se bleiben vorliegend aber unberücksichtigt, da das Bedrohungspotential<br />
<strong>des</strong> Ökoterrorismus im Vergleich zu den hier behandelten Terrorformen als gering<br />
einzustufen ist, und Narcoterrorismus andererseits der bloßen Finanzierung <strong>von</strong> terroristischen<br />
Gruppierungen dient.<br />
1. <strong>Die</strong> neue Dimension im Hinblick auf die eingesetzten Terrormittel<br />
Im Folgenden werden moderne Terrormittel identifiziert und für die Begriffsbestimmung<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus neuer Dimension aufbereitet. Neben Terrorakten<br />
mit konventionellen Waffen kommen insbesondere der terroristische Gebrauch<br />
chemischer und biologischer Substanzen sowie Taten <strong>des</strong> sog. Atomterrorismus oder<br />
Cyberterrorismus als neuartige Terrorformen in Betracht.<br />
a) Terrorismus mittels konventioneller Waffen<br />
Wie nicht erst die Geschehnisse vom 11. September 2001 beweisen, lassen sich auch<br />
auf konventionelle Art verheerende Attentate begehen. 48 Es ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass<br />
es für Terroristen auch in absehbarer Zukunft am leichtesten möglich sein wird, sich<br />
konventioneller Terrormittel wie Sprengstoffen oder Schusswaffen zu bedienen. 49 Mit<br />
Rückgriff auf solche Terrormittel verfolgen die Täter eher die traditionelle Terrorstrategie,<br />
die darauf ausgerichtet ist, durch gezielten Einsatz <strong>von</strong> Gewalt primär Aufsehen<br />
zu erregen und das Gefühl <strong>von</strong> Unsicherheit in eine Zivilbevölkerung zu tragen. Es<br />
geht Terroristen und Terrorgruppen also weniger um eine sehr hohe Anzahl <strong>von</strong> willkürlich<br />
ausgewählten Opfern als vielmehr darum, Aufmerksamkeit auf sich und ihre<br />
Ziele zu lenken. 50<br />
Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 stellt sich die Frage, ob der Gebrauch<br />
konventioneller Waffentechnik das traditionelle Verständnis <strong>von</strong> Terrorismus weiterhin<br />
bedient oder ob in Zukunft auch der Terrorismus mit herkömmlichen Waffen eine<br />
rechtliche Neubewertung erfahren muss. <strong>Die</strong> Befürchtung, dass mit den besagten An-<br />
47 Laqueur, <strong>Die</strong> globale Bedrohung, 1998, 249 ff.; Münchau, Terrorismus auf See aus <strong>völkerrechtliche</strong>r Sicht,<br />
1994, 37; Harnischmacher, Archiv für Kriminologie 1990, 1 (4 ff.).<br />
48 Vgl. u. a. den Anschlag auf das World Trade Center vom 26.02.1993, verübt mit einer Autobombe; ferner die<br />
Anschläge auf die US-Botschaften <strong>von</strong> Nairobi und Daressalam vom 07.08.1998, wo fast zeitgleich zwei Bomben<br />
zur Explosion gebracht wurden. S. zu den genannten Botschaftsanschlägen Perl, in: Prados (Hrsg.), America<br />
Confronts Terrorism, 2002, 305 ff.<br />
49 Hoffman spricht vom technologischen Konservatismus der Terroristen, die seit ihrem ersten Auftreten vor rund<br />
150 Jahren stets „Bomb and Gun“ als Waffen bevorzugen. Vgl. Waldmann, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.), <strong>Die</strong><br />
weltweite Gefahr, 2002, 11 (24).<br />
50 Vgl. Zitat bei Hoffman: „Terrorists wanted more people watching than dead“, in: Vierteljahresschrift für Sicherheit<br />
und Frieden, 2000, 123 (126); Neuneck, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.), <strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 169<br />
(194).
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 14<br />
schlägen ein Tabu gebrochen wurde und sich die Absicht, Massen zu vernichten, als<br />
wesentliches neues Element moderner konventioneller Terrorstrategie herausstellen<br />
könnte, ist nicht <strong>von</strong> der Hand zu weisen. Zwar ist das Szenario der Verwendung eines<br />
Linienflugzeuges als Waffe gegen ein Gebäude dem herkömmlichen Terrorismus zuzuordnen,<br />
jedoch weisen die Art und Organisation der Durchführung sowie das Ausmaß<br />
an Zerstörung in eine neue Richtung internationaler Terrorgewalt.<br />
Der Gebrauch traditioneller Waffentechnik durch Terroristen ist gekennzeichnet durch<br />
die Freisetzung kinetischer Energie mit dem Ziel, Störungen <strong>des</strong> öffentlichen Lebens<br />
sowie weit reichende Schädigungen <strong>von</strong> Personen und Sachwerten zu erreichen. 51 <strong>Die</strong><br />
neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus mit konventionellen Waffen bleibt<br />
dieser Charakteristik grundsätzlich treu und zielt weiterhin auf die Anwendung<br />
schwerster Gewalt gegen einen Staat oder <strong>des</strong>sen Zivilgesellschaft ab. Zur Strategie<br />
<strong>des</strong> konventionellen Terrorismus kommen jedoch neue Aspekte, wie z. B. die zunehmende<br />
Internationalisierung <strong>des</strong> Terrorismus und der weltweite Zugang terroristischer<br />
Gruppierungen zu konventionellen Waffenarsenalen, hinzu. Insbesondere vergrößert<br />
das gestiegene Maß an Skrupellosigkeit in der Tatausübung, hinsichtlich der Tatobjekte<br />
und <strong>des</strong> Ausmaßes an Zerstörung das terroristische Bedrohungspotential mittels<br />
konventioneller Waffen und verleiht ihm eine neue Prägung. 52<br />
Im Hinblick auf den Einsatz konventioneller Waffen bei Terroranschlägen ist festzuhalten,<br />
dass <strong>von</strong> diesen konventionellen Terrorschlägen zukünftig große Gefahren für<br />
Staaten und deren Bevölkerung ausgehen. Terroristen können mit relativ einfachen<br />
Mitteln und in Abkehr herkömmlicher Terrorstrategie, d. h. mit Billigung hoher Opferzahlen,<br />
schwerste Gewalt in Ballungsgebiete und wichtige Funktionszentren tragen.<br />
<strong>Die</strong>s rechtfertigt es, die Anwendung schwerer konventioneller Terrorgewalt einer<br />
rechtlichen Neubewertung durch das Völkerrecht zu unterziehen.<br />
b) Terrorismus mittels Massenvernichtungswaffen<br />
Bis Anfang der 90er Jahre wurde der Einsatz <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen durch<br />
terroristische Akteure allgemein kaum als Gefahr wahrgenommen. 53 Durch das Ende<br />
<strong>des</strong> Kalten Krieges und den Zusammenbruch <strong>des</strong> Ostblocks hat sich die Bedrohungslage<br />
dramatisch gewandelt.<br />
51 Heintschel <strong>von</strong> Heinegg, in: Epping/Fischer/Heintschel <strong>von</strong> Heinegg (Hrsg.), FS für Knut Ipsen, 2000, 129<br />
(133).<br />
52 Von Bubnoff, NJW 2002, 2672 (2672); Nowak, DVBl. 2003, 108 (108); Wardlaw, Political Terrorism,<br />
2. Aufl., 1989, 188; Crelinsten, Terrorism and Criminal Justice, 1978, 7.<br />
53 Falkenrath/Newman/Thayer, America´s Achilles´ Heel. Nuclear, Biological, and Chemical Terrorism and<br />
Covert Attack, 1998, xxii; Schätz, ÖMZ, 2002, 279 (284); Turek, Internationale Politik, 2001, 63 (63).
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 15<br />
aa) Atomterrorismus<br />
Verfügten bislang ausschließlich Staaten über Mittel und Know-how, Kernwaffen zu<br />
produzieren und sie mit geeigneten Trägersystemen zum Einsatz zu bringen, so ist<br />
aufgrund <strong>des</strong> technologischen Fortschritts und der verbesserten finanziellen Ausstattung<br />
moderner Terrorvereinigungen nicht mehr auszuschließen, dass Terroristen in den<br />
Besitz nuklearen Materials gelangen, solches verbreiten oder selbst eine Kernwaffe<br />
bauen.<br />
<strong>Die</strong> Zugangsmöglichkeiten <strong>von</strong> Terroristen zu atomaren Waffen bzw. nuklearem Material<br />
sind vielfältig: Zum einen ist an die terroristische Inbesitznahme einer funktionsfähigen<br />
atomaren Waffe durch <strong>Die</strong>bstahl oder Ausstattung durch einen<br />
unterstützenden Staat zu denken, 54 zum anderen könnten Terroristen eigenhändig nukleare<br />
Waffen konstruieren und herstellen, ohne auf fremde Waffentechnik angewiesen<br />
zu sein. Der Kauf <strong>von</strong> Spaltmaterial oder radiologischen Waffen 55 auf dem internationalen<br />
Schwarzmarkt ist keine Illusion mehr, 56 und auch die Finanzierung stellt angesichts<br />
zahlungsbereiter Sponsoren einiger Terroristengruppen 57 oder staatlicher<br />
Zuwendungen kein zwingen<strong>des</strong> Hindernis mehr dar. 58<br />
54 US-National Research Council, Committee on Science and Technology for Countering Terrorism, Making the<br />
Nation Safer, 2002, 39; Allison/Kokoshin, in: Kayyem/Pangi (Hrsg.), First to Arrive, 2003, 8 (14); Leventhal/Alexander<br />
(Hrsg.), Preventing Nuclear Terrorism, 1986, 7.<br />
55 Radiologische Waffen bedienen sich traditioneller Sprengstoffe oder anderer Mittel, um Radioaktivität freizusetzen.<br />
Bereits eine geringe Menge radioaktiven Materials genügt, um aus einer herkömmlichen Bombe eine sog.<br />
„schmutzige Bombe“ zu fertigen. Dabei handelt es sich nicht um eine Atombombe (gekennzeichnet durch eine<br />
für die Atombombe typische Kettenreaktion), doch kann ein Anschlag mit einer „schmutzigen Bombe“ ebenfalls<br />
Radioaktivität freisetzen. S. auch Stern, A Rational Response to Dirty Bombs, Financial Times v. 11.06.2002,<br />
http://www.ksgnotes1.harvard.edu/BCSIA/Library.nsf/pubs/DirtyBomb; US-National Research Council, Committee<br />
on Science and Technology for Countering Terrorism, Making the Nation Safer, 2002, 48; Stern, The Ultimate<br />
Terrorists, 1999, 25 ff.<br />
55 Laqueur, <strong>Die</strong> globale Bedrohung, 1998, S. 89; Stern, A Rational Response to Dirty Bombs, Financial Times v.<br />
11.06.2002, http://www.ksgnotes1.harvard.edu/BCSIA/Library.nsf/pubs/DirtyBomb.<br />
56 Gemäß <strong>des</strong> Presseberichtes der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) vom 01.11.2001 konnten seit<br />
1993 175 Fälle <strong>des</strong> Schmuggels <strong>von</strong> nuklearem Material und 201 Fälle <strong>des</strong> Schmuggels <strong>von</strong> anderem (medizinischem<br />
und industriellem) radioaktiven Material offiziell registriert werden. 18 dieser Fälle bezogen sich dabei<br />
auf kleine Mengen hoch radioaktiven Uraniums oder Plutoniums, jene Substanzen, die zum Bau einer Atombombe<br />
benötigt werden, http://www.iaea.or.at/worldato/Press/P_release/2001/nt_pressrelease.shtml<br />
(13.11.2002). <strong>Die</strong> Nuclear Threat Initiative führt eine Datei, die Fälle und Berichte über den Schmuggel <strong>von</strong><br />
nuklearen und radioaktiven Materialien in und aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion erfasst, s. unter<br />
http://www.nti.org/db/nistraff/index.html. Allgemein werden insbesondere mangelnde Sicherheitsstandards für<br />
nukleares Material auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion als Risiko angesehen. S. Report of the National<br />
Commission on Terrorism v. 07.06.2000, abgedruckt in: Prados (Hrsg.), America Confronts Terrorism, 2002, 40<br />
(45); US-National Research Council, Committee on Science and Technology for Countering Terrorism, Making<br />
the Nation Safer, 2002, 40. Tschetschenische Terrorgruppen sollen bereits Warnungen herausgegeben haben,<br />
gegen Russland sog. „schmutzigen Bombe“ einzusetzen, s. Allison/Kokoshin, in: Kayyem/Pangi (Hrsg.), First to<br />
Arrive, 2003, 8 (12); Bunn, in: Cirincone (Hrsg.), Repairing the Regime, 2000, 71 ff.<br />
57 So wird vermutet, dass der Al Kaida ein erhebliches Vermögen zur Seite steht, welches sich aus Osama Bin<br />
Ladins Privatvermögen und einem Geflecht aus <strong>von</strong> ihm kontrollierten Firmen zusammensetzt, die ihm als<br />
Geldquelle oder auch als logistische Basis für Terroranschläge nützlich sind. Dazu Hirschmann, in: Aus Politik
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 16<br />
<strong>Die</strong> Vorteile <strong>des</strong> Besitzes, Baus und Einsatzes einer Kernwaffe liegen wegen deren<br />
enormen Schädigungs- und entsprechenden Einschüchterungspotentials dieser Waffen<br />
auf der Hand 59 : Relativ klein in Gestalt können bereits in minderer Qualität hergestellte<br />
nukleare Waffen eine Sprengkraft bis zu einigen Kilotonnen besitzen und versetzen<br />
Terroristen damit in die Lage, ein Machtzentrum auf Anhieb zu zerstören. 60 Unter den<br />
ökologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen eines atomaren Terrorschlags<br />
hätten ein Staat und die betroffene Bevölkerung langfristig zu leiden. Gegebenenfalls<br />
kann bereits der Aufbau einer nuklearen Drohkulisse den terroristischen<br />
Zielsetzungen genügen.<br />
<strong>Die</strong> Gefahr, dass Terroristen eine Atomwaffe herstellen und tatsächlich einsetzen, wird<br />
unter gegenwärtigen Umständen noch als gering eingeschätzt. 61 In der Fachliteratur<br />
wird mehrheitlich da<strong>von</strong> ausgegangen, dass es Terrorvereinigungen ohne Hilfe <strong>von</strong><br />
außen bislang nicht möglich ist, Kernwaffen herzustellen und die Probleme bei der<br />
Zündung solcher Waffen zu überwinden. 62 Wegen der zunehmenden internationalen<br />
Vernetzung, <strong>des</strong> technischen Fortschritts, der wachsenden Expertise sowie der Skrupellosigkeit<br />
terroristischer Gruppierungen ist diese Prognose über den Einsatz radioaktiver<br />
Substanzen und nuklearen Waffenmaterials kritisch zu überdenken. 63<br />
Als weitere Variante <strong>des</strong> Atomterrorismus kommen die Besetzung atomarer Anlagen<br />
sowie ein konventioneller Angriff auf Einrichtungen mit radioaktivem Material in Betracht.<br />
64 Insbesondere das Szenario, dass Selbstmordattentäter mit Luftfahrzeugen Anschläge<br />
auf Kernreaktoren durchführen und dabei atomares Material freisetzen, hat die<br />
und Zeitgeschichte, B51/2001, 7 (12). Allgemein zu den finanziellen Möglichkeiten <strong>von</strong> Terrororganisationen<br />
Jackson, in: Prados (Hrsg.), America Confronts Terrorism, 2002, 216 (234 ff.).<br />
58 Laqueur, <strong>Die</strong> globale Bedrohung, 1998, 316.<br />
59 Jenkins, in: Leventhal/Alexander (Hrsg.), Nuclear Terrorism, 1986, 31 f.; Wardlaw, Political Terrorism,<br />
2. Aufl., 1989, 26; Hirschmann, in: Bun<strong>des</strong>akademie für Sicherheitspolitik (Hrsg.), Sicherheitspolitik in neuen<br />
Dimensionen, 2001, 457 ff.; Hirschmann, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B51/2001, 7 (9).<br />
60 Beres, in: Kegley (Hrsg.), International Terrorism, 1990, 228 (235); Neuneck, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.),<br />
<strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 169 (171, Fn. 7).<br />
61 Beres, in: Kegley (Hrsg.), International Terrorism, 1990, 228 (230); Hoffman, Vierteljahresschrift für Sicherheit<br />
und Frieden 2000, 125 (126).<br />
62 Neuneck, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.), <strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 169 (183); Hoffman, Vierteljahresschrift<br />
für Sicherheit und Frieden 2000, 125 (126); Wardlaw, Political Terrorism, 2. Aufl., 1989, 191 f.; Laqueur, <strong>Die</strong><br />
globale Bedrohung, 1998, 317. Vgl. ferner David Kyd (Informationsdirektor der IAEO) in einem Interview vom<br />
02.11.2001, http://www.dradio.de (13.11.2001).<br />
63 Mehr und mehr Terrorexperten gehen da<strong>von</strong> aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der erste Fall eines erfolgreichen<br />
terroristischen Anschlages mittels nuklearen Materialien eintritt. Vgl. Sievert, „Kampf gegen den<br />
Nuklearterrorismus in den USA“, in: Neue Zürcher Zeitung v. 15.07.2003, 7; Gurr/Cole, The New Face of Terrorism:<br />
Threats from Weapons of Mass Destruction, 2000, 18; Sauer, Nuclear Arms Control, 1998, 35.<br />
64 US-National Research Council, Committee on Science and Technology for Countering Terrorism, Making the<br />
Nation Safer, 2002, 41 ff.; Leventhal/Alexander (Hrsg.), Preventing Nuclear Terrorism, 1987, 7. Weitere Beispiele<br />
der Ausführung <strong>von</strong> Atomterrorismus hält Kellen bereit, in: Leventhal/Alexander (Hrsg.), Preventing Nuclear<br />
Terrorism, 1987, 106 f.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 17<br />
Staaten zu Präventivmaßnahmen veranlasst. 65 Auf UN-Ebene hat die Internationale<br />
Atomenergiebehörde (IAEO) einen Zweijahresplan erstellt, auf <strong>des</strong>sen Grundlage die<br />
Sicherheit atomarer Anlagen weltweit überprüft und die jeweiligen nationalen Sicherheitsstandards<br />
in Einklang gebracht werden sollen. 66<br />
<strong>Die</strong> Ausführungen zu den verschiedenen Varianten <strong>des</strong> Atomterrorismus zeigen, dass<br />
der Zugang zu und die Verwendung <strong>von</strong> radioaktivem Material ausreichend terroristisches<br />
Bedrohungspotential bieten, um es einer <strong>völkerrechtliche</strong>n Analyse zu unterstellen.<br />
Im Rahmen einer Neubewertung <strong>von</strong> Taten <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
müssen daher Handlungen <strong>des</strong> nuklearen Terrorismus Berücksichtigung finden.<br />
bb) Bioterrorismus<br />
In Bezug auf weiterentwickelte Formen <strong>des</strong> Terrorismus ist ferner auf die Verwendung<br />
biologischer Kampfstoffe einzugehen.<br />
Bioterrorismus bezeichnet den Einsatz biologischer Krankheitserreger (Bakterien und<br />
Viren) 67 oder Giftstoffe 68 durch Staaten, Einzelpersonen oder Gruppen, um politische,<br />
religiöse, ökologische oder andere ideologische Ziele zu erreichen. 69<br />
Bioterrorismus charakterisiert sich dadurch, dass mit einer geringen Menge an biologischen<br />
Substanzen, rudimentärer Logistik und wenig Personal ein hohes Maß an Zer-<br />
65 So hat die nationale amerikanische Flugbehörde (Federal Aviation Agency - FAA) in Reaktion auf die Anschläge<br />
vom 11. September 2001 bereits am 30. Oktober 2001 den Überflug <strong>von</strong> 86 nuklearen Anlagen in den<br />
USA verboten, s. „IAEA: Experts seek response to threat of nuclear terrorism“, europe environment 600 - November<br />
20, 2001, I.15; Ossenbühl, NVwZ 2002, 290; Sendler, NVwZ 2002, 681. Mit Blick auf den Schutz <strong>von</strong><br />
Kernkraftwerken vor Terrorangriffen mit entführten Zivilflugzeugen entwickelt die Technik gegenwärtig neue<br />
Ansätze, u. a. ein automatisches Abwehrsystem, welches in die nationale Flugsicherungsorganisation integriert<br />
werden könnte. S. dazu „Kernkraftwerke vor Terrorangriffen schützen“, in: Neue Zürcher Zeitung v. 23.01.2002,<br />
13. <strong>Die</strong> deutsche Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) hat auf Initiative der deutschen Bun<strong>des</strong>regierung Modellrechnungen<br />
für Angriffe mit abstürzenden Passagierflugzeugen erstellt, vgl.<br />
http://www.spiegel.online.de/politik/deutschland/0,1518,230879,00html (15.01.2003) sowie<br />
http://www.spiegel.online.de/politik/deutschland/01518,284775,00html (02.03.2004).<br />
66 Report by the Director General on Nuclear Security - Progress on Measures to Protect against Nuclear Terrorism,<br />
GOV/INF/2002/11-GC (46)/14, Attachment 1, 1; IAEA Action Plan to combat nuclear terrorism,<br />
http://www.iaea.or.at/worldatom/Press/Focus/Nuclear_Terrorism. Auf EU-Ebene wurde das „Scientific and<br />
Technological Options Assessment“ Committee (STOA) zur Evaluierung atomarer Anlagen eingerichtet. S. dazu<br />
„Nuclear Safety: Heated Debate on Nuclear Plant Safety“, in: Europe Environment 599, I.11 f.<br />
67 Zu den bekanntesten und gefährlichsten Erregern zählen Anthrax (bacillus anthracis), Pest (yersinia pestis)<br />
und Pocken. Weniger bekannte - aber ebenso gefährliche Erreger - sind Brucellose, Tularämie, Q-Fieber, Virusenzephalitis<br />
oder virales hömorrhagisches Fieber.<br />
68 Botulinustoxin (clostridium botulinum) und Rizin (ricinis communis) stellen in dieser Sparte die bekanntesten<br />
und bei weitem gefährlichsten Gifte dar. Näher dazu s. Testimony of W. Seth Carus before a Joint Hearing of the<br />
Senate Select Committee on Intelligence and the Senate Judiciary Committee Subcommittee on Technology,<br />
Terrorism and Government Information v. 04.03.1998, http://www.fas.org/irp/congress/1998_hr/s980304-<br />
carus.htm; Thränert, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.), <strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 389 (391).<br />
69 Carus, Bioterrorism and Biocrimes, (Working Paper im Besitz der Autorin) 1998, 3.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 18<br />
störung und terroristischer Bedrohung erzielt wird. Für Terroristen ist die Verwendung<br />
biologischer Substanzen außerdem „attraktiv“, weil sich diese relativ günstig produzieren<br />
lassen und dabei keine besonderen Fachkenntnisse erforderlich sind. 70 Terroristischen<br />
Akteuren bieten sich heute vielfältige Beschaffungsmöglichkeiten für Erreger.<br />
Zellkulturen lassen sich - sofern sie nicht frei in der Natur vorkommen 71 - legal per<br />
Postversand beziehen, aus zivilen oder militärischen Laboratorien stehlen 72 oder auf<br />
dem Schwarzmarkt kaufen. 73 Staatlich unterstützte Terrorgruppen oder repressive Regime<br />
können zudem auf staatliche Biowaffenprogramme zurückgreifen. 74<br />
Vor dem Hintergrund der theoretischen Bedrohung, die sich aus Modellrechungen<br />
zum Einsatz biologischer Kampfmittel ergibt, 75 sowie aufgrund der Sensibilität <strong>des</strong><br />
Themas in der öffentlichen Diskussion und in den Medien, ist die Gefahr, die <strong>von</strong> einem<br />
aufkeimenden Bioterrorismus ausgeht, allgegenwärtig. 76 In den USA führt man<br />
bereits Planspiele durch, in denen die Reaktion auf einen feindlichen biologischen Angriff<br />
trainiert wird. 77<br />
70 Drielak/Brandon, Weapons of Mass Destruction, 2000, 3 f.; Vegar, Bulletin of the Atomic Scientists, Vol. 54,<br />
No. 2, 1998.<br />
71 Erreger und Toxine können in freier Natur vorkommen, etwa als Krankheiten oder Epidemien. So ist Milzbrand<br />
weltweit verbreitet, vor allem in Viehzuchtgegenden und in wärmeren Klimazonen. Terroristen stünde hier<br />
die Möglichkeit offen, Krankheitskeime <strong>von</strong> erkrankten oder toten Menschen oder Tieren zu isolieren und für<br />
den Terrorgebrauch nutzbar zu machen. S. Thränert, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.), <strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002,<br />
389 (391).<br />
72 So wurde z. B. am 15. Januar 2003 in der Presse berichtet, dass aus einem Medizinlabor einer Technischen<br />
Universität in Texas Behältnisse, in denen sich Erreger der Beulenpest befinden, verschwunden sind; vgl.<br />
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,230895,00.html. S. ferner US-National Research Council, Committee<br />
on Science and Technology for Countering Terrorism, Making the Nation Safer, 2002, 84.<br />
73 Es wird zudem nicht ausgeschlossen, dass biologisches Material auch <strong>von</strong> ehemaligen Versuchsgebieten für<br />
Biowaffen entwendet werden kann, so Choffnes, Bulletin of the Atomic Scientists, Vol. 57, No. 2, 2001, 57 ff.<br />
74 In der Praxis ist die Bereitstellung biologischen Waffenmaterials durch einen Staat an eine terroristische Organisation<br />
bislang nicht bestätigt bzw. bekannt geworden; vgl. „Keine eindeutigen Beweise“, in: Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung v. 28.10.2002, 2. Das U.S. Verteidigungsministerium geht da<strong>von</strong> aus, dass sowohl der Iran,<br />
Irak, Libyen, Nordkorea als auch Syrien, ggf. ebenso der Sudan biologische Waffenprogramme besitzen bzw.<br />
aufbauen; Testimony of W. Seth Carus before a Joint Hearing of the Senate Select Committee on Intelligence<br />
and the Senate Judiciary Committee Subcommittee on Technology, Terrorism and Government Information v.<br />
04.03.1998, http://www.fas.org/irp/congress/ 1998_hr/s980304-carus.html; so auch Garett, Countering Bioterrorism,<br />
in: Hoge/Rose (Hrsg.), How Did This Happen? Terrorism and the New War, 2001, 217.<br />
75 World Health Organization, Health Aspects of Chemical and Biological Weapons, 1970, 95 ff.<br />
76 Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurden in den USA mehrere Milzbranderkrankungen<br />
bekannt, die durch Briefe verursacht wurden, die mit Anthraxsporen versetzt und auf dem üblichen Postweg an<br />
verschiedene Regierungseinrichtungen (Büro <strong>des</strong> Senators Tom Daschle und Senators Patrick Leahy) sowie an<br />
Medienvertreter (New York Post, Fernsehsender NBC) versandt wurden. Im Verlauf dieser Anthrax-Fälle verstarben<br />
5 Personen und 18 Personen wurden mit Milzbrand infiziert. S. Thränert, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.),<br />
<strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 389 (390). Auch in Deutschland kam es vereinzelt zur Verbreitung <strong>von</strong> Milzbrandbriefen,<br />
s. dazu Benecke/Moser/Trepkes/Spauschus, Kriminalistik 2002, 112 ff.<br />
77 So hat das Center for Strategic and International Studies gemeinsam mit dem John Hopkins Center for Civilian<br />
Biodefense Studies, the ANSWER Institute for Homeland Security and the Oklahoma National Memorial Institute<br />
for the Prevention of Terrorism das Projekt „Dark Winter 2002“ hervorgebracht, in welchem ein Pockenangriff<br />
auf US-Territorium simuliert und die Einsatzfähigkeit amerikanischer Behörden auf höchster Ebene getestet<br />
wurde. S. „Dark Winter 2002“, Planspiel über einen Pockenangriff auf US-Territorium;<br />
http://www.homelandsecurity.org/darkwinter/index.cfm (13.11.2002).
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 19<br />
Wie groß die Gefahr durch terroristische Bioangriffe auch erscheinen mag, eine akute<br />
praktische Bedrohung lässt sich aus der empirischen Analyse derzeit nicht belegen. 78<br />
<strong>Die</strong> geringe Verwirklichungsrate biologischer Einsätze ist weniger auf Probleme bei<br />
der Herstellung oder Inbesitznahme <strong>von</strong> biologischem Material, sondern hauptsächlich<br />
auf die Schwierigkeiten bei der effektiven und großflächigen Verbreitung biologischer<br />
Substanzen zurückzuführen. 79 <strong>Die</strong>s mindert die terroristische Bedrohung nicht: Biologische<br />
Substanzen sind immer noch die am wenigsten berechenbaren Kampfstoffe. Ihr<br />
Einsatz hat unmittelbare Gesundheitsbeeinträchtigungen oder gar den Tod zur Folge. 80<br />
Bereits die Drohung mit dem Einsatz biologischen Materials verursacht Panik; allein<br />
damit kann das terroristische Ziel erreicht werden. 81<br />
Im Gegensatz zu der hierzu geführten öffentlichen Diskussion hat sich der terroristische<br />
Gebrauch und flächendeckende Einsatz biologischer Erreger in waffenfähigem<br />
Format - durch Staaten und nicht-staatliche Akteure - bislang als weniger brisant dargetan.<br />
Dennoch muss der Bioterrorismus Eingang in der vorliegenden Analyse finden,<br />
weil Terroristen nachweislich im Besitz kritischer biologischer Substanzen sind 82 und<br />
sie nicht davor zurückschrecken, solche Stoffe auch einzusetzen. Bioterrorismus stellt<br />
eine neue Dimension <strong>des</strong> Terrors dar.<br />
cc) Chemieterrorismus<br />
Chemieterrorismus wird mittels chemischer Kampfstoffe (Giftgas und Gifte) begangen.<br />
<strong>Die</strong>se basieren auf synthetisch hergestellten Substanzen, die <strong>von</strong> Lebewesen über<br />
Haut, Lunge, Augen, Blut oder Nerven aufgenommen werden können und zur zeitweiligen<br />
Paralyse oder zum Tod führen. 83 Chemiewaffen sind in ihrem Wirkungsgrad we-<br />
78 <strong>Die</strong> 1999 erstmals publizierte Studie <strong>des</strong> Monterey Institute of International Studies (USA) geht <strong>von</strong> 54 vermeintlich<br />
biologischen Terroranschlägen weltweit im Zeitraum <strong>von</strong> 1900 bis Mai 1999 aus. In nur zwei Fällen<br />
führte der Einsatz biologischer Mittel zu konkreten Schädigungen der menschlichen Gesundheit; vgl. näher<br />
Monterey Institute of International Studies in Monterey, Kalifornien (USA), Studie, abgedruckt in: Carus, Bioterrorism<br />
and Biocrimes, (Working Paper im Besitz der Autorin), 1998, 7 ff. Ferner Tucker/Sands, Bulletin of<br />
the Atomic Scientists, Vol. 55, No. 4, 1999; Roberts (Hrsg.), Biological Weapons: Weapons of the Future?,<br />
1993, 68 (77); Byrne/Williams (Hrsg.), International Cooperation in Fighting Chemical and Biological Weapons,<br />
2003, 7; Schmid, in: Yepes-Enriquez/Tabassi (Hrsg.), Treaty Enforcement and International Cooperation in Criminal<br />
Matters with Special Reference to the Chemical Weapons Convention, 2002, 413 (414).<br />
79 Stern, Emerging Infectious Diseases, 1999, 517 (520); Carus, Biological Warfare Threats in Perspective;<br />
http://www.brook.edu/fp/events/199804271_carus.htm; Thränert, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.), <strong>Die</strong> weltweite<br />
Gefahr, 2002, 389 (396); Kupperman/Smith, in: Roberts (Hrsg.), Biological Weapons: Weapons of the Future?,<br />
1993, 35 (40); Falkenrath/Newman/Thayer, America´s Achilles´ Heel. Nuclear, Biological, and Chemical Terrorism<br />
and Covert Attack, 1998, S. 119 ff.; Haar, The Future of Biological Weapons, 1991, S. 55.<br />
80 Knouss, in: Kayyem/Pangi (Hrsg.), First to Arrive, 2003, 121 (123 f.).<br />
81 Kellman, Harv. J. L. & Pub. Pol’y 2001, 721 (728).<br />
82 Vgl. Neuneck, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.), <strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 169 (192), Tabelle 4.<br />
83 Neuneck, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.), <strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 169 (179); Knouss, in: Kayyem/Pangi<br />
(Hrsg.), First to Arrive, 2003, 121 (122 f.); Weinstein/Alibek, Biological and Chemical Terrorism, 2003, 114;<br />
Harigel, Chemical and Biological Weapons: Use in Warfare, Impact on Society and Environment, Carnegie Endowment<br />
for International Peace, Washington, D. C., http://www.ceip.org/files/publications/Harigelreport.asp?.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 20<br />
niger tödlich als biologische Substanzen oder nukleare Waffen und müssen daher in<br />
entsprechend größerer Menge eingesetzt werden, um vergleichbare Effekte zu erzielen.<br />
84<br />
Terrorgruppen waren bisher nur begrenzt in der Lage, chemische Kampfstoffe mit militärisch<br />
effektiven Einsatzmitteln zu verbreiten. 85 Auch im Fall chemischer Kampfstoffe<br />
ist vorstellbar, dass Terroristen sich diese über Staaten beschaffen, die über<br />
entsprechende Chemiewaffen verfügen. 86 Der Gebrauch chemischer Substanzen stellt<br />
für Terrorakteure eine kostengünstige und effektive Alternative dar, um durch Manipulation<br />
der Lebensgrundlagen oder durch direkten Eingriff in den menschlichen Organismus<br />
zu paralysieren und zu töten. Deswegen kann nicht ausgeschlossen werden,<br />
dass Terroristen in Zukunft in größerem Umfang versuchen werden, chemische<br />
Kampfstoffe einzusetzen. Eignet sich auch die Mehrheit der Gifte nicht für Massenvernichtungswaffen,<br />
darf das Gefahrenpotential, welches <strong>von</strong> chemischen Substanzen<br />
und gegebenenfalls Waffen in Händen terroristischer Akteure ausgeht, dennoch nicht<br />
unterschätzt werden. 87<br />
c) Cyberterrorismus<br />
War bislang der virtuelle Raum <strong>des</strong> Internets für Terroristen lediglich eine Plattform<br />
zur Informationsbeschaffung und Propagandaverbreitung, stellt die Manipulation <strong>von</strong><br />
Datenverarbeitungsanlagen und Netzwerken mittlerweile eine eigenständige terroristische<br />
Strategie dar, die zunehmend an Bedeutung gewinnt: 88<br />
84 Neuneck, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.), <strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 169 (179).<br />
85 Falkenrath/Newman/Thayer, America´s Achilles´ Heel. Nuclear, Biological, and Chemical Terrorism and Covert<br />
Attack, 1998, 100 ff. Das Training der öffentlichen Behörden weitet sich aber ebenfalls auf simulierte Chemieanschläge<br />
aus, vgl. etwa „Behörden simulieren Chemieanschlag auf Pariser Metro“, in: Magdeburger<br />
Volksstimme v. 23.10.2003.<br />
86 Thränert, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.), <strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 389 (394); US-National Research Council,<br />
Committee on Science and Technology for Countering Terrorism, Making the Nation Safer, 2002, 109; Bailey,<br />
Doomsday Weapons in the Hands of Many, 1991, 55.<br />
87 Mit dem Giftgasanschlag in der Tokioter U-Bahn am 20.03.1995 setzte eine Gruppe mit dem Nervengas Sarin<br />
eine Substanz ein, die zu den chemischen Massenvernichtungswaffen gezählt wird. <strong>Die</strong> Verbreitungsmethode<br />
(Saringasanschlag in U-Bahn) und der Tatort (Nähe <strong>des</strong> Tokioter Regierungsviertels) zeigen, dass die Gruppierung<br />
den Tod vieler Menschen in Kauf genommen hat: 12 Menschen starben, über 5000 weitere Personen wurden<br />
verletzt. <strong>Die</strong>ser Einsatz ist der erste Fall, bei dem chemische Kampfstoffe <strong>von</strong> nicht-staatlichen Akteuren<br />
eingesetzt wurden, um massenweise Menschen zu töten. Dazu näher Neuneck, in: Frank/Hirschmann (Hrsg.),<br />
<strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 169 (194 ff.).<br />
88 Präsident Clinton benannte bereits im Dezember 2000 die Gefahren aus den Datennetzen als „bedeutende Herausforderung<br />
der Zukunft“ und betonte, dass sich die USA auf die „neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen<br />
wie Cyberterrorismus“ einstellen müsse, http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/4542/1.html; US<br />
Department of State, Pattern of Global Terrorism, 2000, abgedruckt in: Prados (Hrsg.), America Confronts Terrorism,<br />
2002, 86 (111 f.); Lake, 6 Nightmares, 2000, 33 ff.; US-National Research Council, Information Technology<br />
for Counterterrorism: Immediate Actions and Future Possibilities, 2003, 11 ff.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 21<br />
„The face of terrorism is changing. While the motivations remain the same, we are<br />
now facing new and unfamiliar weapons. The intelligence systems, tactics, security<br />
procedures and equipment that were once expected to protect people, systems, and nations,<br />
are powerless against this new, and very demanding weapon. Moreover, the<br />
methods of counterterrorism that our world’s specialists have honed over the years are<br />
ineffectual against this enemy. Because, this enemy does not attack us with truckloads<br />
of explosives, nor with briefcases of sarin gas, nor with dynamite strapped to the bodies<br />
of fanatics. This enemy attacks us with one’s and zero’s at a place we are most<br />
vulnerable: the point at which the physical and virtual worlds converge.” 89<br />
Cyberterrorismus ist Informationsterrorismus; es wird elektronischer Terror erzeugt. 90<br />
Unter den Begriff fällt jeder vorsätzliche Angriff auf Datenbestände, Computerprogramme<br />
und Computersysteme, der sich gewaltsam gegen einen Staat oder eine Zivilgesellschaft<br />
richtet und Chaos hervorrufen soll. 91 Akte <strong>des</strong> Cyberterrorismus können<br />
die Zerstörung ganzer Daten- und Informationssysteme sowie Fernmeldenetze zur<br />
Folge haben. Öffentliche und private Netzwerke sind gleichermaßen gefährdet. Im<br />
Mittelpunkt <strong>des</strong> terroristischen Interesses steht die Manipulation hoch sensibler Sicherheitsbereiche:<br />
Neben der Informations- und Telekommunikationstechnologie, dem<br />
Verkehrs 92 - und Finanzwesen und der Stromversorgung, 93 können insbesondere Institutionen<br />
der Lan<strong>des</strong>verteidigung <strong>von</strong> Eingriffen in den Datenverkehr betroffen sein. 94<br />
<strong>Die</strong> Zahl der potentiellen Ziele cyberterroristischer Aktivität ist nahezu endlos und<br />
89 Collin, „The Future of Cyber Terrorism: Where the Physical and Virtual Worlds Converge“, Vortrag, 11th<br />
Annual International Symposium on Criminal Justice Issues, Chicago 1997.<br />
90 Laqueur, <strong>Die</strong> globale Bedrohung, 1998, 95.<br />
91 Politt, Cyberterrorism - Fact or Fancy, http://www.cosc.georgetown.edu/~denning/infosec/ politt.html.<br />
92 Es sind Eingriffe in die Flugkontrolle und Störungen <strong>des</strong> zivilen Luftverkehrs denkbar; so könnten Cyberterroristen<br />
Luftkontrollsysteme etwa derart manipulieren, dass Flugzeuge in der Luft kollidieren.<br />
93 Zu den Gefahren für das Energiesystem durch Terrorattacken eingehend US-National Research Council,<br />
Committee on Science and Technology for Countering Terrorism, Making the Nation Safer, 2002, 177 ff.<br />
94 <strong>Die</strong> bevorzugten Angriffsziele sind primär in den USA auszumachen, namentlich die Energie-, Finanz- und<br />
High-Tech-Unternehmen. <strong>Die</strong> meisten Angriffe werden innerhalb der Vereinigten Staaten gestartet; PC-Welt<br />
Online, http://www.pcwelt.de/news/internet/24761/ (13.11.2002). Angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit <strong>von</strong><br />
Cyberattacken werden auf nationaler Ebene neue Expertengruppen sowie Regierungseinrichtungen zum Schutz<br />
vor Cyberterrorismus eingerichtet. Um der Gefahr, die durch Cyberangriffe drohen, begegnen zu können, wappnen<br />
sich die Staaten vermehrt, allen voran die USA, durch die Schaffung entsprechender Organisationen und<br />
Programme zur Abwehr potentieller Gefahren aus dem Cyberspace. So haben die RAND Corporation und das<br />
Center for Strategic and International Studies (CSIS) bereits Ende 2000 umfassende und detaillierte Studien über<br />
konkrete Bedrohungen durch Cyberterrorismus für das US-Territorum vorgelegt. Vgl. unter<br />
http://www.heise.de/tp/deutsch/ special/info/4542/1.html. Es wurden verschiedene Organisationen auf amerikanischer<br />
Ebene geschaffen: National Security Agency (NSA), National Infrastructure Protection Center (NIPC),<br />
President´s Commission on Critical Infrastructure Protection (PCCIP), Information Infrastructure Task Force<br />
(ITFC) u. a. und <strong>von</strong> der Bush-Administration Ende 2002 ein Bericht on Cyber Space Security vorgelegt;<br />
http://www.German-law.net (13.11.2002); http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/4542/1.html<br />
(13.11.2002). <strong>Die</strong> EU plant, eine Arbeitsgruppe <strong>des</strong> Rates für Justiz und Inneres zur Bekämpfung <strong>des</strong> Internet-<br />
Terrorismus einzurichten; http://www.giga.de/dbout/reporter2/fullstories/nr13398.html (13.11.2002); Hutter, in:<br />
Frank/Hirschmann (Hrsg.), <strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 225 (242); <strong>Die</strong>terle/Schrötel/Bux, Kriminalistik 2003,<br />
330 (334).
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 22<br />
wird mit der Zunahme <strong>des</strong> Gebrauchs <strong>von</strong> Informationssystemen weiter wachsen. Solche<br />
Angriffe auf Datensysteme sind mit verhältnismäßig geringem Aufwand durchführbar.<br />
<strong>Die</strong> Angreifer bleiben in der Regel anonym und können mit wenig Personal<br />
aus großer und sicherer Entfernung agieren.<br />
Einige Systeme sind mittlerweile lebensnotwendige Bestandteile der <strong>modernen</strong> Gesellschaft,<br />
was sie äußerst anfällig für die terroristische Bedrohung neuer Art macht. Jedoch<br />
sind die aus dem Cyberterrorismus hervorgehenden Gefahren derzeit noch<br />
begrenzt, da die manipulierbaren Prozesse weitestgehend bislang noch immer menschlicher<br />
Supervision unterliegen. 95 Terroristische Dateneingriffe können so entdeckt und<br />
ihre Folgen verhindert werden. Bei physischen und mechanischen Prozessen besteht<br />
lediglich eine indirekte Gefahr, da der Zugriff auf Kontrollsysteme, z. B. bei der Flugsicherung<br />
oder dem Betrieb <strong>von</strong> U-Bahnen, immer noch einer finalen menschlichen<br />
Intervention unterliegt. 96 Obwohl die Zahl der Cyberangriffe auf öffentliche und private<br />
Rechner unaufhaltsam wächst, ist eine akute globale terroristische Bedrohung durch<br />
private Akteure zumin<strong>des</strong>t bislang nicht nachweisbar.<br />
Drängender ist derzeit die Gefahr <strong>des</strong> staatlichen Missbrauchs der <strong>modernen</strong> Informationstechnologie<br />
zu Zwecken der elektronischen Kriegsführung. 97 Unter elektronischer<br />
Kriegsführung werden Angriffe im Computernetz verstanden, die mit der Zielsetzung<br />
lanciert werden, den <strong>von</strong> Computern und Datensystemen verwalteten gegnerischen Informationsfluss<br />
„zu unterbrechen, zu manipulieren oder gänzlich zu eliminieren“. 98<br />
Staaten ist der Computer als „Waffe“ nicht unbekannt. Neu ist aber der vermehrte Einsatz<br />
der Informationstechnologie als Element in der Austragung zwischenstaatlicher<br />
Konflikte. So hat im Februar 2003 die US-Regierung eine Geheimdirektive für Cyberangriffe<br />
erlassen, welche den US-Streitkräften die Entwicklung <strong>von</strong> Richtlinien zum<br />
Einsatz <strong>von</strong> Cyberwaffen gegen ausländische Computer gestattet. 99 Andere Nationen<br />
sind dem Beispiel der USA gefolgt: Heute arbeiten mehr als 120 Staaten daran, ihre<br />
95 US-National Research Council, Committee on Science and Technology for Countering Terrorism, Making the<br />
Nation Safer, 2002, 142 ff.; van Creveld, Technology and War, London 1991, 242.<br />
96<br />
Politt, Cyberterrorism - Fact or Fancy, http://www.cosc.georgetown.edu/~denning/infosec/politt.html<br />
(13.11.2002).<br />
97 <strong>Die</strong> Termini variieren. Zuweilen wird auch <strong>von</strong> „Informationskriegsführung“ (ein allenfalls weiter Begriff)<br />
oder <strong>von</strong> „Informationsoperationen“ gesprochen. Vgl. hierzu Heintschel v. Heinegg, in: Epping/Fischer/Heintschel<br />
v. Heinegg (Hrsg.), FS für Knut Ipsen, 129 ff.; Schmitt, NZWehrr, 1999, 177 ff.;<br />
Stein/Marauhn, ZaöRV 2000, 1 ff.; US-National Research Council, Information Technology for Counterterrorism:<br />
Immediate Actions and Future Possibilities, 2003, 24.<br />
98 Joint Chiefs of Staff, Joint Doctrine for Information Operations (Joint Publication 3-13), Oct. 9, 1988, S. GL-5;<br />
Schmitt, NZWehrr, 1999, 177 (178).<br />
99 CNN-Bericht v. 08.02.2003.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 23<br />
Kompetenzen in diesem Bereich fortzuentwickeln und die Informationstechnologie für<br />
sich nutzbar zu machen. 100<br />
Bislang hat sich die Staatengemeinschaft <strong>des</strong> Problemkreises der elektronischen<br />
Kriegsführung lediglich in der Resolution 53/70 der UN-Generalversammlung vom<br />
4. Januar 1999 angenommen und zu erkennen gegeben, dass die Verwendung <strong>von</strong> Informationstechnologien<br />
unter bestimmten Voraussetzungen mit den Zielen der Vereinten<br />
Nationen unvereinbar ist und die Sicherheit der Staaten nachteilig berühren<br />
kann. 101 2001 verabschiedete der Europarat die erste internationale Konvention über<br />
Cyberkriminalität. 102<br />
<strong>Die</strong> Gefahren, die vom Cyberterrorismus ausgehen, können schwerlich negiert werden.<br />
Es ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass die Industriestaaten in Zukunft verstärkt einer terroristischen<br />
Bedrohung ausgesetzt sein werden, die auf der <strong>modernen</strong> Informationstechnologie<br />
basiert. Cyberterrorismus ist demnach als eine in neuer Dimension auftretende<br />
Terrorform in der vorliegenden Arbeit zu berücksichtigen.<br />
2. Neue Dimension im Hinblick auf die Terrorfolgen<br />
a) Völkerrechtliche Größenordnung internationaler Terroranschläge<br />
<strong>Die</strong> Art und Weise der Durchführung zeitgenössischer terroristischer Gewaltaktionen<br />
und die gestiegene Intensität konventioneller Terrorgewalt sowie der Rückgriff auf<br />
Massenvernichtungswaffen spiegeln die Möglichkeiten und die Bereitschaft einer neuen<br />
Terroristengeneration wider, brutalste Mittel in der terroristischen Ausgestaltung<br />
einzusetzen. Terroristen variieren in ihren Gewaltformen und können dabei unterschiedliche,<br />
aber – im Vergleich zu „klassischen“ Terroranschlägen – ungleich höhere<br />
materielle und menschliche Verluste unter der Zivilbevölkerung, hervorrufen. So forderten<br />
die Anschläge vom 11. September 2001 mehr To<strong>des</strong>opfer als jeder terroristische<br />
Anschlag in der <strong>modernen</strong> Geschichte zuvor. 103 <strong>Die</strong> Verwendung <strong>von</strong><br />
100 Nach Angaben <strong>des</strong> US-Geheimdienstes wurde bereits eine Anzahl <strong>von</strong> Staaten identifiziert, die virtuelle Angriffe<br />
begehen könnten, u. a. China, Iran, Irak, Nordkorea, Libyen und Russland. <strong>Die</strong>se Staaten würden Viren<br />
entwickeln, um Rechnersysteme im Ausland zu zerstören, so der Vorwurf,<br />
http://www.zdnet.de/news/artikel/1998/09/25001-wc.htm (13.11.2002);<br />
http://www.pcwelt.de/news/internet/24761 (13.11.2002); s. auch Joyner/Lorionte, EJIL 2001, 825 (831 f.).<br />
101 UN GA Res. 53/70 v. 04.01.1999 nimmt Bezug auf den Terrorismus und unterstreicht: „[...] it is necessary to<br />
prevent the misuse or exploitation of information resources or technologies for criminal and terrorist purposes,<br />
[...]“.<br />
102 Übereinkommen über Datennetzkriminalität v. 23.11.2001 (ETS Nr. 185). Das Übereinkommen ist die erste<br />
internationale Vereinbarung über Straftaten, die mittels Internet oder sonstiger Computernetze begangen werden.<br />
Es betrifft vor allem Verletzungen <strong>des</strong> Urheberrechts, Betrug per Computer, Kinderpornographie und Verstöße<br />
gegen die Sicherheit <strong>von</strong> elektronischen Netzen.<br />
103 Krajewski, KJ 2001, 363 (364). Zum Vergleich: Bisherige Terroranschläge forderten jeweils maximal mehrere<br />
hundert Tote (z. B. Lockerbie-Attentat: 270, Oklahoma-Attentat: 168). Zwischen 1968-1977 wurden weltweit
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 24<br />
Massenvernichtungswaffen durch Terroristen lässt noch weitaus höhere Opferzahlen<br />
befürchten. 104<br />
Während frühere Terroraktionen so geplant und ausgeführt wurden, dass sie Personen<br />
politischer und gesellschaftlicher Natur treffen mussten, 105 werden neuerdings wahllos<br />
Bombenanschläge gegen Zivilisten durchgeführt. 106 Terroristische Anschläge <strong>modernen</strong><br />
Formats zielen damit nicht mehr ausschließlich auf eindeutig politische Opfer. Jedermann<br />
kann jederzeit zum Opfer werden. 107 Nur das „Ob“ und das „Wieviel“ der<br />
menschlichen Verluste scheint entscheidend. <strong>Die</strong>se Negierung menschlicher Werte<br />
bringt einen strategischen terroristischen Wandel in der Wahl der Zielgruppe und deren<br />
Vernichtungsgrad mit sich.<br />
Zwar stellen sich moderne Terroranschläge weiterhin als überraschende und punktuelle<br />
Gewaltanwendungen gegen einen direkt betroffenen, relativ begrenzten und numerisch<br />
zu erfassenden Bevölkerungsteil dar, doch können sie nunmehr aufgrund <strong>des</strong><br />
Ausmaßes und der Wirkung darüber hinaus auch als Angriff auf die gesamte zivilisierte<br />
Menschheit qualifiziert werden, welcher nachhaltig die Grundfesten <strong>des</strong> menschlichen<br />
Zusammenlebens erschüttert. 108 Anschläge mit einer vergleichbaren Intensität<br />
wie jene vom 11. September 2001 sowie Terroranschläge mittels Massenvernichtungswaffen<br />
betreffen – aus <strong>völkerrechtliche</strong>r Perspektive gesprochen – die Weltgemeinschaft<br />
als Ganzes, weil sie das Zusammenleben der Staaten und Völker tangieren.<br />
1695 Menschen durch internationale Terroranschläge getötet, s. Mickolus, Transnational Terrorism, 1980, xxxviii<br />
(Table 6). <strong>Die</strong> Opfer der Anschläge vom 11. September 2001 werden mit ca. 3000 bemessen, s. Office of the<br />
Coordinator for Counterterrorism, US Department of State, Pattern of Global Terrorism, 2001, May 2002, abgedruckt<br />
in: Zucker, Preliminary Benefit/Cost Framework for Counterterrorism Public Expenditures, 2003, 7. So<br />
auch „Amerikanischer Terrorbericht mit Nuancen“, in: Neue Zürcher Zeitung v. 23.05.2002, 3; Less, Country<br />
Report on the USA, in: Walter/Vöneky/Röben/Schorkopf (Hrsg.), Terrorism as a Challenge for National and International<br />
Law, 2004, 633 (635).<br />
104 Falkenrath/Newman/Thayer, America´s Achilles´ Heel. Nuclear, Biological, and Chemical Terrorism and<br />
Covert Attack, 1998, 5; Gardiner, The Cool Arm of Destruction, 1974, 131.<br />
105 Zum Beispiel hohe Amtsträger, Diplomaten, Angehörige <strong>von</strong> Polizei und Militär oder Wirtschaftsgrößen <strong>des</strong><br />
zu bekämpfenden Regimes. Vgl. dazu unter B. II.<br />
106 Münkler, „Grammatik der Gewalt“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16. 10. 2002, 8; Nehm, NJW 2002,<br />
2665 (2669); <strong>von</strong> Selle, NJW 2000, 992 (996); Falkenrath/Newman/Thayer, America´s Achilles´ Heel. Nuclear,<br />
Biological, and Chemical Terrorism and Covert Attack, 1998, 48, 55; Gurr/Cole, The New Face of Terrorism:<br />
Threats from Weapons of Mass Destruction, 2000, 23 ff.<br />
107 Friedlander, in: Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Vol. 4, 2000, 849; Crelinston,<br />
Terrorism and Criminal Justice, 1978, 8; Sofsky, Zeiten <strong>des</strong> Schreckens, 2. Aufl., 2002, 179. Meggle spricht <strong>von</strong><br />
einem „Terrorkalkül mit erwarteter Horrorfunktion“; ders., Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 2002, 149<br />
(151).<br />
108 Häussler, ZRP, 2001, 537 (538); Bruha/Bortfeld, VN 2001, 161 (161); Friedlander, in: Bernhardt (Hrsg.),<br />
Encyclopedia in Public International Law, Vol. 4, 2000, 849; Gross, KJ 2002, 1 (1); s. auch „Global Responses<br />
to the New Global Challenges“, Recommendations for the G-8 Kananaskis Summit from the G-8 Preparatory<br />
Conference. Brower/Chalk sprechen mit Blick auf die bioterroristische Gefahren als „the transnational spread of<br />
infectious disease as a threat to human security“, s. Brower/Chalk, Infectious Diseases, 2003, 7 ff.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 25<br />
Internationale Terrorakte <strong>modernen</strong> Formats erreichen mithin eine <strong>völkerrechtliche</strong><br />
Größenordnung.<br />
Bei der <strong>völkerrechtliche</strong>n Beurteilung <strong>von</strong> Terrorangriffen mittels Massenvernichtungswaffen<br />
und Daten besteht das Hauptproblem darin, dass der Gewaltbegriff in Art.<br />
2 Abs. 4 UN-Charta nach herrschender Ansicht als „Waffengewalt“ ausgelegt wird. 109<br />
Unstrittig geht diese Definition vom herkömmlichen militärischen Arsenal aus. 110 Im<br />
Zusammenhang mit <strong>modernen</strong> Durchführungsformen <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
stellt sich damit insbesondere die Frage, ob Angriffe mittels chemischer und biologischer<br />
Materialien oder durch Elektronen der Anwendung <strong>von</strong> Waffengewalt im Sinne<br />
<strong>von</strong> Art. 2 Abs. 4 UN-Charta gleichzusetzen sind. Zwar stellen weder Bakterien noch<br />
Viren sowie Informationen Waffen im herkömmlichen Sinne dar, 111 doch steht außer<br />
Frage, dass chemische und biologische Kampfstoffe unter die Definition <strong>von</strong> „Waffengewalt“<br />
fallen. Denn obwohl sich diese Materialien erheblich <strong>von</strong> jenen Mitteln unterscheiden,<br />
die kinetische Energie freisetzen (z. B. Explosivstoffe), 112 führt der<br />
Einsatz biologischer und chemischer Substanzen zu vergleichbaren, unmittelbaren<br />
Folgen verbotener konventioneller Gewaltanwendung, namentlich Gesundheitsbeeinträchtigungen<br />
oder gar zum Tod. 113 Indem cyberterroristische Angriffe entsprechende<br />
Einwirkungen zeigen, d. h. auf die unmittelbare physische Beschädigung materiellen<br />
Vermögens oder die Verletzung oder Tötung <strong>von</strong> Menschen abzielen (so kann die Manipulation<br />
<strong>des</strong> Flugverkehrs zum Absturz einer Maschine oder der unerlaubte Datentransfer<br />
zur Kernschmelze in einem Atomkraftwerk führen), sind sie auch mit der<br />
Anwendung <strong>von</strong> Waffengewalt vergleichbar und können vom Gewaltverbot der UN-<br />
Charta erfasst werden. 114<br />
Zum Charakteristikum der Gewaltkomponente als immanentes Kriterium terroristischer<br />
Aktionsformen ist festzuhalten: Der neue internationale Terrorismus zeichnet<br />
sich durch den skrupellosen Einsatz <strong>von</strong> konventionellen Waffen bzw. den potentiellen<br />
109 Vgl. statt vieler Randelzhofer, Art. 2 (4), in: Simma (Hrsg.), Charter of the United Nations, 2. Aufl., 2002,<br />
Vol. 1, Rn. 16 ff.; Fischer, in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 59 Rn. 12.<br />
110 Vgl. UN GA Res. 3314 (XXIX) v. 14.12.1974 (Aggressionsdefinition der UN-Generalversammlung), abgedruckt<br />
in: VN 1975, 120.<br />
111 Schmitt, NZWehrr 1999, 183 f.; Heintschel <strong>von</strong> Heinegg, in: Epping/Fischer/Heintschel <strong>von</strong> Heinegg (Hrsg.),<br />
FS für Knut Ipsen, 2000, 129 (138).<br />
112 Konventionelle und nukleare Waffen setzen kinetische Energie frei; wobei insbesondere nukleare Waffen in<br />
Wirkung und Ausmaß eine enorme Zerstörungsgewalt haben können. Dazu Beres, in: Kegley (Hrsg.), International<br />
Terrorism, 1990, 228 (237).<br />
113 Schmitt, NZWehrr 1999, 177 (183); Heintschel <strong>von</strong> Heinegg, in: Epping/Fischer/Heintschel <strong>von</strong> Heinegg<br />
(Hrsg.), FS für Knut Ipsen, 2000, 129 (138); a. A. Greenberg/Goodman/Hoo, Information Warfare and International<br />
Law, http://www.dodccp.org (23.02.2003).<br />
114 Bothe, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 3. Aufl., 2001, 8. Abschn. I 1 b, Rn. 10; Heintschel <strong>von</strong> Heinegg,<br />
in: Epping/Fischer/Heintschel <strong>von</strong> Heinegg (Hrsg.), FS für Knut Ipsen, 2000, 129 (139); Hutter, in:<br />
Frank/Hirschmann (Hrsg.), <strong>Die</strong> weltweite Gefahr, 2002, 225 (235); a. A. Kanuck, HarvILJ 1996, 272 (289).
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 26<br />
Gebrauch <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen und Daten aus. Bei der Beurteilung fortentwickelter<br />
Terrorformen darf dabei nicht ausschließlich auf ein Freisetzen kinetischer<br />
Energie durch Feuer- oder Explosionswaffen abgestellt werden, denn das Bedrohungspotential<br />
moderner Terroranschläge manifestiert sich heute auch in nuklearen, chemischen,<br />
biologischen und virtuellen Gefahren. Derartige Anschläge <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus stellen zugleich Anschläge auf die gesamte zivilisierte Welt dar, was ihnen<br />
eine neue, <strong>völkerrechtliche</strong> Bedrohungsqualität im Sinne <strong>von</strong> Art. 2 Abs. 4 UN-<br />
Charta verleiht.<br />
b) Neue Wertung nach UN-Charta – Auswirkungen auf die Struktur <strong>des</strong> Friedenssicherungsrechts<br />
„Klassische“ Terrorformen sind durch die Destabilisierung ziviler Strukturen gekennzeichnet;<br />
sie vermochten jedoch bislang selten etwas politisch Signifikantes zu erreichen.<br />
115 <strong>Die</strong> Anschläge vom 11. September 2001 sowie nachfolgende Terroraktionen<br />
zeigen diesbezüglich eine Änderung auf. Mit ihnen ist es gelungen, sowohl die Innenals<br />
auch Außenpolitiken der Staaten nachhaltig zu beeinflussen und zu prägen. <strong>Die</strong><br />
Furcht vor weiteren, weltweiten Anschlägen, die Existenz <strong>von</strong> einschlägigen Terrororganisationen<br />
in einer Region oder der potentielle Besitz <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen<br />
sind heute Anlass für weit reichende innenpolitische Anti-Terror-Gesetzgebungen<br />
oder Militäraktionen im Ausland. 116 <strong>Die</strong>se Reaktionen der Staaten verdeutlichen, dass<br />
eine qualitative und quantitative Fortentwicklung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus in<br />
einer neuen Dimension wahrgenommen wird und entscheidend auf die zwischenstaatlichen<br />
Beziehungen einwirkt.<br />
Mit Blick auf die für diese Arbeit relevante zwischenstaatliche Ebene hat der UN-<br />
Sicherheitsrat in der Vergangenheit wiederholt festgestellt, dass schwere Terroranschläge<br />
„den Weltfrieden und die internationale Sicherheit“ bedrohen. 117 In Anknüpfung<br />
an die in Art. 2 Abs. 4 UN-Charta normierte Begrifflichkeit der internationalen<br />
115 Schelling, in: Frey/Morris (Hrsg.), Violence, Terrorism and Justice, 1991, 20.<br />
116 Siehe u. a. die Gesetzgebungen in den USA (Patriot Act), in der Schweiz (Verbot der Terrororganisation Al<br />
Kaida; Erweiterung der gesetzlichen Meldepflichten und Einführung eines Melderechts gegenüber dem Bun<strong>des</strong>amt<br />
für Polizei), Bun<strong>des</strong>republik Deutschland (Regelungen zur Geldwäsche, Einführung der bun<strong>des</strong>weiten Rasterfahndung,<br />
Einschränkung <strong>des</strong> Datenschutzes, Verschärfungen beim Zuwanderungsgesetz und Asylrecht,<br />
Aufnahme <strong>von</strong> biometrischen Daten bei der Ausstellung <strong>von</strong> Visa), Frankreich (Sicherheitsgesetze v.<br />
01.11.2001) und Großbritannien (Genehmigung <strong>von</strong> umfassenden Sondervollmachten für die Regierung zur Terrorismusbekämpfung<br />
v. 12.11.2001) oder Initiativen der EU (u. a. Europäisches Rahmenabkommen zur Auslieferung<br />
<strong>von</strong> Straftätern auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls, Schaffung einer Anti-Terror-<br />
Arbeitsgruppe bei EUROPOL).<br />
117 Vgl. etwa S/Res/731 (1992) v. 21.01.1992; S/Res/748 (1992) v. 31.03.1992; S/Res/1269 (1999) v.<br />
19.10.1999; S/PRST/1999/29 v. 22.10.1999.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 27<br />
Beziehungen 118 umfassen die Begriffe „Weltfrieden“ und „internationale Sicherheit“<br />
dabei ausschließlich die Anwesenheit zwischenstaatlicher Gewaltanwendung, d. h. die<br />
<strong>von</strong> einem Staat zu verantwortende Gewalt, die gegen einen anderen Staat gerichtet<br />
ist. 119 <strong>Die</strong> bisherige Sicherheitsratspraxis zeigt, dass der UN-Sicherheitsrat internationale<br />
Terrorakte bis in die jüngste Vergangenheit nicht unmittelbar als „Friedensbedrohung“<br />
im Sinne <strong>von</strong> Art. 39 UN-Charta qualifizierte, sondern lediglich und<br />
ausschließlich die staatliche Förderung terroristischer Aktivitäten als Friedensbedrohung<br />
angesehen hat. 120 Zuvor hatte es das UN-Gremium vermieden, einen konkreten<br />
Terroranschlag als tatsächliche Friedensbedrohung zu bezeichnen.<br />
Das Neue besteht nun darin, dass der UN-Sicherheitsrat in den Resolutionen 1368<br />
(2001) 121 und 1373 (2001) 122 , welche die Anschläge vom 11. September 2001 zum<br />
<strong>völkerrechtliche</strong>n Bezugspunkt nehmen, erstmalig <strong>von</strong> einer tatsächlichen Bedrohung<br />
<strong>des</strong> Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durch schwere Akte <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus selbst spricht und darüber hinaus das Recht auf individuelle und<br />
kollektive Selbstverteidigung allgemein anerkennt. 123 Durch die Qualifizierung der<br />
Anschläge vom 11. September 2001 als „Friedensbedrohung“ im Sinne <strong>von</strong> Art. 39<br />
UN-Charta und dem Verzicht auf frühere staatliche Zurechnungsfragen nimmt der<br />
UN-Sicherheitsrat zugleich eine qualitative Erweiterung <strong>des</strong> Rechts der Friedensbedrohung<br />
vor: Er schließt nun die Verantwortlichkeit nicht-staatlicher Akteure für eine<br />
Friedensbedrohung nicht mehr explizit aus. 124 Hier ist eine <strong>völkerrechtliche</strong> Fortentwicklung<br />
erkennbar. 125<br />
118 Randelzhofer, Art. 2 (4), in: Simma (Hrsg.), Charter of the United Nations, 2. Aufl., 2002, Vol. 1, Rn. 29;<br />
Bothe, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 3. Aufl., 2004, 8. Abschn. I 1 b, Rn. 11.<br />
119 Frowein/Krisch, in: Simma (Hrsg.), Charter of the United Nations, 2. Aufl., 2002, Vol. 1, Rn. 7; Randelzhofer,<br />
in: Simma (Hrsg.), Art. 39, Charta der Vereinten Nationen, 1991, Rn. 6.<br />
120 Krajewski, KJ 2001, 363 (368); Bothe, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 3. Aufl., 2004, 8. Abschn. I 1<br />
b, Rn. 11.<br />
121 S/Res/1368 (2001) v. 12.09.2001, welche festhält, dass der UN-Sicherheitsrat „regards such acts, like any<br />
other act of international terrorism, as a threat to international peace and security.“<br />
122 S/Res/1373 (2001) v. 28.09.2001 hält fest, dass die Terrorakte vom 11. September 2001, „like any other act of<br />
terrorism, constitute a threat to the peace and security.“.<br />
123 Vgl. ferner S/RES/1377 v. 12.11.2001; S/RES/1438 v. 14.10.2002; S/RES/1452 v. 20.12.2002; S/RES/1455<br />
v. 17.01.2003; S/RES/1516 v. 20.11.2003; S/RES/1526 v. 30.01.2004; S/RES/1530 v. 11.03.2004. Dazu auch<br />
Bruha/Bortfeld, VN 2001, 161 (162); Tomuschat, EuGRZ 2002, 535 (543 f.); Schrijver, NILR 2001, 271<br />
(284 ff.); Stuby, Blätter für deutsche und internationale Politik 2001, 1330 (1335); Murphy, HarvILJ 2002, 41;<br />
Frowein, „Terroristische Gewalttaten und das Völkerrecht“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 15.09.2001,<br />
10.<br />
124 Krajewski, KJ 2001, 363 (382); ders., AVR 2002, 183 (197). Näher zu nicht-staatlichen Einheiten und Individuen<br />
als Adressaten kollektiver Maßnahmen gem. Kap. VII UN-Charta s. Frowein/Krisch, in: Simma (Hrsg.),<br />
The Charter of the United Nations, 2. Aufl., 2002, Vol. 1, Rn. 43 ff.<br />
125 Eine diesbezügliche Richtungsänderung ließ sich der Resolutionspraxis <strong>des</strong> UN-Sicherheitsrates allerdings<br />
frühzeitig entnehmen, so im Fall der Bosnischen Serben, S/Res/770 (1992) v. 13.08.1992; S/Res/942 (1994) v.<br />
23.10.1994; im Fall UNITA, S/Res/1127 (1997) v. 28.08.1997; S/Res/1137 (1998) v. 12.06.1998; S/Res/1295<br />
(2000) v. 18.04.2000 sowie im Fall der Taliban in Afghanistan und Mitglieder der Al Kaida, S/Res/1267 (1999)
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 28<br />
c) Veränderte Reaktionsmechanismen<br />
Terroristische Anschläge rufen regelmäßig vehemente staatliche Reaktionen hervor;<br />
mit dem Charakter moderner Terrororganisationen - als internationales Netzwerk -<br />
wird sich auch die Natur der Gegenmaßnahmen ändern: <strong>Die</strong> militärische Konfliktbewältigung<br />
ist bislang Mittel der Wahl, wenn es um die Frage nach Reaktionsmechanismen<br />
auf die internationale Terrorbedrohung geht. <strong>Die</strong>s verdeutlichen die jüngeren<br />
Militäreinsätze in Afghanistan und im Irak. Neu ist, dass eine vermehrte Bereitschaft<br />
unter den Staaten festzustellen ist, gegen nicht-staatliche Terroranschläge auch mit<br />
massiven militärischen Mitteln vorzugehen. 126 <strong>Die</strong>se Entwicklung in der Ausgestaltung<br />
der staatlichen Reaktionen ist problematisch, deutet sie doch darauf hin, dass sich<br />
die Terrorismusbekämpfung <strong>von</strong> einer ursprünglich polizeilichen Aufgabe in verstärktem<br />
Maße zu einer internationalen Herausforderung wandelt, die nun vorrangig das<br />
Militär betrifft. 127 Auch wenn der Einsatz militärischer Mittel möglicherweise einen<br />
schnelleren und direkteren Zugriff auf internationale Terroristen ermöglicht, ist auf die<br />
Kurzfristigkeit und Kurzsichtigkeit militärischer Lösungen hinzuweisen. Das Völkerstrafrecht<br />
hält gleichwohl Alternativen bereit.<br />
3. Neue Dimension im Hinblick auf die Operationsweise<br />
a) Globalisierte Organisationsstruktur<br />
<strong>Die</strong> strategische Ausrichtung der Terroristen, Gewalt auf der zwischenstaatlichen Ebene<br />
zu begehen, hat auch Folgen für die Organisationsstruktur terroristischer Gruppen.<br />
<strong>Die</strong> Organisation weltweit agierender Gruppen ist heute weniger durch hierarchische<br />
Führung gekennzeichnet, sie erfolgt vielmehr autonom und zum Teil durch flexible<br />
und untereinander vernetzte private Terrorzellen. 128 Terroristische Gruppierungen sind<br />
v. 15.10.1999; S/Res/1333 (2000) v. 19.12.2000; S/Res/1390 (2002) v. 16.01.2002. Dazu Frowein/Krisch, Introduction<br />
to Chapter VII, in: Simma (Hrsg.), Charter of the United Nations, 2. Aufl., 2002, Vol. 1, Rn. 43.<br />
126 Tietje/Nowak, NZWehrr 2002, 1 (17); Terwilliger/Cooperstein/Gunnarson/Blumenthal/Parker, The War on<br />
Terrorism: Law Enforcement or National Security, The Federalist Society 2001, http://www.fedsoc.org/Publications/Terrorism/militarytribunals.htm;<br />
ferner Prittwitz, in: ders./Baurmann/Günther/Kuhlen u. a.<br />
(Hrsg.), FS für Klaus Lüderssen, 2002, 499 (504); Gill, SozWelt 2002, 49 (57 ff.).<br />
127 Münkler, „Grammatik der Gewalt“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.10.2002, 8; „Terrorismus als<br />
strategische Herausforderung“, http://www.archiv.nzz.ch/books/nzzmonat/0/$7N9FJ$T.html (19.09.2001); Sofksy,<br />
Zeiten <strong>des</strong> Schreckens, 2. Aufl., 2002, 182; Daase beobachtet eine unterschiedliche Wahrnehmung der Gegenstrategien<br />
zum Terrorismus seitens der USA und Europa: Während die USA Terrorismus vor allem als<br />
Problem staatlich geförderter Kriegsführung betrachten und mit konventionellen Vergeltungsschlägen reagieren,<br />
favorisieren die Europäer eine Sichtweise, die den Terrorismus als substaatliches Phänomen einstuft und seine<br />
Bekämpfung im Rahmen strafrechtlicher und polizeilicher Maßnahmen vorsieht. S. Daase, <strong>Die</strong> Friedens-Warte<br />
2001, 55 (76).<br />
128 Laqueur, <strong>Die</strong> globale Bedrohung, 1998, 285; Münkler, „Grammatik der Gewalt“, in: Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung v. 16.10.2002, 8; Hoffman, Vierteljahresschrift für Sicherheit und Frieden, 2000, 125 (125); Wördemann,<br />
in: Funke (Hrsg.), Terrorismus, 1977, 140 (146 f.). Das amerikanische FBI charakterisiert z. B. die Terrorgruppierung,<br />
die 1993 das World Trade Center in New York bombardierte, als: „[t]he loosely affiliated group<br />
of international extremists [...] not acting on behalf of any nation that sponsors anti-Western terrorism. Nor was
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 29<br />
in globalen bzw. staatenübergreifenden Netzwerken organisiert, in denen die Täter<br />
weniger einer hierarchischen Führung bedürfen, weil sie <strong>von</strong> einzelnen Zellen ohne<br />
permanente Koordination und Kontrolle aus tätig werden können. Vor allem besteht<br />
eine erhöhte Flexibilität bezüglich unterschiedlicher Gewaltstrategien, die nach den<br />
jeweiligen regionalen Gegebenheiten und der politischen Lage variabel eingesetzt<br />
werden.<br />
Damit zeigen sich signifikante Unterschiede zu den herkömmlichen Terrororganisationen:<br />
Während bei den terroristischen Vorläufern <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts noch eine favorisierte,<br />
politische Strategie sowie eine geringe, regional begrenzte Mitgliedschaft zu<br />
verzeichnen war, 129 verzichten moderne Terrorgruppen auf politische Dogmen und eine<br />
bestimmte Taktik und haben in der Mitgliederzahl - dies gilt insbesondere für extremistische<br />
Gruppen – großen Zulauf. 130 Der Hintergrund hierfür ist in einem<br />
Strategiewandel <strong>des</strong> internationalen Terrorismus zu sehen, welcher die Abkehr <strong>von</strong> einer<br />
klar fassbaren politisch-ideologischen Motivation und die Hinwendung zu hoch<br />
entwickelter Waffentechnik und zum Terror als selbständige Taktik beinhaltet. 131 Eine<br />
derart globalisierte Organisationsstruktur hat wiederum zur Folge, dass die auf die<br />
„klassischen“ Formen <strong>des</strong> Terrorismus ausgerichteten Gegenmaßnahmen weniger Erfolg<br />
versprechend sind: Als Netzwerk organisiert sind die einzelnen Gruppen schwerer<br />
zu infiltrieren, ebenso ist eine Zerstörung der Führungsebene weniger folgenreich für<br />
die Fortsetzung weltweiter, terroristischer Aktionen.<br />
b) Internationaler Terrorismus als ökonomische Bedrohung<br />
Gesellschaften sind heute nicht mehr ausschließlich in eine politische, sondern auch in<br />
eine sozioökonomische Ordnung integriert; <strong>des</strong>halb richten sich Akte <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus in verstärktem Maße auch gegen die Wirtschaft als Zielobjekt. Dabei<br />
steht nicht nur die Zufügung unmittelbarer materieller Schäden im Vordergrund <strong>des</strong><br />
terroristischen Interesses - moderne Terroranschläge und Anschläge mit Massenvernichtungswaffen<br />
zielen auch auf langfristige negative ökonomische Folgen ab mit dem<br />
the group a formal terrorist organization with an identifiable organizational structure, known as base operation,<br />
or well-established means of fund raising. Rather, the group was made up of individuals representing several different<br />
nationalities who came together for the express purpose of carrying out a terrorist attack.”. Less, Country<br />
Report on the USA, in: Walter/Vöneky/Röben/Schorkopf (Hrsg.), Terrorism as a Challenge for National and International<br />
Law, 2004, 633 (652).<br />
129 Vgl. unter B. II.<br />
130 Lustig, in: Yepes-Enriquez/Tabassi (Hrsg.), Treaty Enforcement and International Cooperation in Criminal<br />
Matters with Special Reference to the Chemical Weapons Convention, 2002, 424 (424); Laqueur, <strong>Die</strong> globale<br />
Bedrohung, 1998, 285; Hirschmann, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B51/2001, 7 (10 f.).<br />
131 Schelling, in: Frey/Morris (Hrsg.), Violence, Terrorism and Justice, 1991, 23; Münkler, „Grammatik der Gewalt“,<br />
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.10.2002, 8; Beres, in: Kegley (Hrsg.), International Terrorism,<br />
1990, 228 (237).
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 30<br />
Fokus, bestimmte Wirtschaftssysteme schwerwiegend zu beeinträchtigen. 132 <strong>Die</strong> dem<br />
11. September 2001 nachfolgenden Anschläge - etwa auf Djerba und Bali - verdeutlichen,<br />
dass nicht die Ermordung der ausländischen Besucher im Vordergrund stand,<br />
sondern vielmehr die Destabilisierung <strong>von</strong> attraktiven Reisezielen beabsichtigt war,<br />
um durch den Rückgang <strong>des</strong> Tourismus und dem daraus resultierenden Einnahmenausfall<br />
die wirtschaftliche Lage in einem Land oder einer Region nachhaltig zu beeinflussen.<br />
133<br />
Eine derartige ökonomische Bedrohung muss sich nicht nur in konventionellen Anschlägen<br />
auf Tourismuszentren widerspiegeln; auch bioterroristische Anschläge werden<br />
mit dem Ziel durchgeführt, einen enormen ökonomischen Schaden zu<br />
verursachen. 134 Wie bereits anhand der Erscheinungsform <strong>des</strong> Cyberterrorismus aufgezeigt<br />
wurde, kann der gezielte Angriff auf Daten ebenfalls zu verheerenden und nachhaltigen<br />
Schädigungen eines Wirtschaftssystems führen. <strong>Die</strong>se Zuwendung <strong>des</strong><br />
internationalen Terrorismus hin zu ökonomischen Zielen – in der Absicht, Finanzströme<br />
zu manipulieren sowie Börsenkurse und das Konsumverhalten zu beeinflussen<br />
– bedeutet eine operative Neuausrichtung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus.<br />
c) Globale Verdichtung der Kommunikation<br />
In den aktuellen Terrorstrategien nimmt ferner die mediale Wirkung terroristischer<br />
Aktionen eine neue, bedeutsame Stellung ein. 135 Moderne Terrorakte sind immer auch<br />
Medienereignisse. 136 Mit der Ausweitung der Medien, der globalen Präsenz internationaler<br />
Terrorstrukturen und der Auswahl symbolträchtiger Terrorziele entsteht so eine<br />
„Weltöffentlichkeit“, in der sich der internationale Terrorismus präsentiert. 137 In dem<br />
Wissen, dass sich die Massenmedien jeweils nur auf einen oder zwei Konflikte konzentrieren,<br />
ist es Anliegen moderner Terrorgruppierungen, in strategisch wichtigen<br />
Staaten Aufmerksamkeit durch Gewalt zu erregen und damit die globale Politik, die<br />
Weltwirtschaft und das staatliche Machtgleichgewicht zu beeinträchtigen. 138 Durch ein<br />
„Maximum an Medienberichterstattung“ 139 gewinnt der Terrorismus neuer Dimension<br />
an Bedeutung und den Akteuren wird eine Weltbühne bereitet. 140<br />
132 Münkler, „Grammatik der Gewalt“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.10.2002, 8; Gurr/Cole, The<br />
New Face of Terrorism: Threats from Weapons of Mass Destruction, 2000, 88, 95 ff. Näher zu Massenvernichtungswaffen<br />
als ökonomische Bedrohung s. Stern, The Ultimate Terrorists, 1999, 73.<br />
133 Das gleiche gilt, wenn Hotels oder Fluglinien terroristische Angriffsobjekte darstellen. Weitere Beispiele bei<br />
Schelling, in: Frey/Morris (Hrsg.), Violence, Terrorism and Justice, 1991, 20 (22). S. auch „Offene Fragen nach<br />
der Bluttat <strong>von</strong> Bali“, in: Neue Zürcher Zeitung v. 16.01.2003, 9.<br />
134 So schätzt der US Postal Service die Kosten der Anthraxanschläge aus dem Jahr 2001 auf ca. 5 Milliarden US<br />
Dollar; dies im Vergleich zu 5 Toten und 17 bekannten Infizierten im Rahmen der Anschläge mittels einer nichtansteckenden<br />
Krankheit. Im Fall einer ansteckenden Krankheit sind die Opfer und Kosten sehr viel höher einzuschätzen.<br />
S. Brower/Chalk, Infectious Diseases, 2003, 72 f.<br />
135 Von Bubnoff, NJW 2002, 2672 (2672); Kotzur, AVR 2002, 454 (467); Waldmann, Terrorismus, 1998, 108;<br />
Edwards-Winslow, in: Kayyem/Pangi (Hrsg.), First to Arrive, 2003, 59 ff.; Wilkinson, Terrorism and Democ-
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 31<br />
4. Neue Dimension der terroristischen Akteure<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus hin zu globalisierten Terrornetzwerken,<br />
die staatenübergreifende Gewaltakte begehen, findet seinen Niederschlag auch in<br />
der <strong>völkerrechtliche</strong>n Neubestimmung <strong>des</strong> terroristischen Täterkreises, der im Folgenden<br />
anhand völkerrechtlich-dogmatischer Fallgruppen skizziert werden soll. 141 Grundsätzlich<br />
kann Terrorismus <strong>von</strong> unterschiedlichen Akteuren durchgeführt werden:<br />
Einzelpersonen können Terrorakte in eigenem Interesse oder für einen Staat vornehmen,<br />
und der Staat kann selbst Täter terroristischer Aktivitäten sein. 142<br />
a) Nicht-staatlicher Terrorismus<br />
Per definitionem ist nicht-staatlicher Terrorismus allgemein dadurch gekennzeichnet,<br />
dass einzelne Personen oder Personengruppen aus eigennützigen und/oder politischen<br />
Gründen Anschläge auf Leben, Leib, Freiheit oder Eigentum planen und durchführen.<br />
143 „Klassischen“ nicht-staatlichen Terrorakteuren wurde ein <strong>völkerrechtliche</strong>r Bezug<br />
bislang nicht zuteil, da sie als Privatpersonen trotz staatsübergreifender<br />
Aktivitäten ihrer Natur nach eine nur begrenzte Völkerrechtssubjektivität und in ihrem<br />
Aktionsraum einen klaren territorialen Bezug aufwiesen. Nicht-staatlicher Terror wurde<br />
„lediglich“ als eine Erscheinungsform <strong>von</strong> Kriminalität begriffen, auf welche die<br />
Staaten innerhalb ihres Hoheitsbereiches und nach Maßgabe <strong>des</strong> nationalen Straf- und<br />
Polizeirechts zu reagieren hatten.<br />
racy, 2000, 174 ff.; Cooper, in: Alexander/Finger (Hrsg.), Terrorism, 1977, 141 ff.; Farnen, Terrorism, 13, 1990,<br />
99 ff.; Wardlaw, Political Terrorism, 2. Aufl., 1989, 7.<br />
136 Hetzer, Kriminalistik 2002, 490 (492).<br />
137 Münkler, Internationale Politik, 2001, 11 (11); Kreis, in: Funke (Hrsg.), Terrorismus, 1977, 160.<br />
138 Laqueur, <strong>Die</strong> globale Bedrohung, 1998, 309.<br />
139 Shpiro, Internationale Politik, 2001, 19 (19).<br />
140 Kotzur, AVR 2002, 454 (467); Wördemann, in: Funke (Hrsg.), Terrorismus, 1977, 140 (152); Crelinsten, Terrorism<br />
and Criminal Justice, 1978, 8; Kreis, in: Funke (Hrsg.), Terrorismus, 1977, 160; Gill, SozWelt 2002, 49<br />
(58).<br />
141 <strong>Die</strong> Frage, anhand welcher Kriterien Terrorismus den verschiedenen Tätergruppen zugeordnet werden soll, ist<br />
im <strong>völkerrechtliche</strong>n Schrifttum umstritten. Während einige Autoren den nicht-staatlichen Terrorismus und den<br />
Staatsterrorismus als zwei vollkommen unterschiedliche Konzepte auffassen, welche eine getrennte Behandlung<br />
erfordern, gehen andere Meinungen dahin, dass sich beide Konzepte ergänzen und daher eine gemeinsame Analyse<br />
gerechtfertigt scheint. Einige Entwicklungsländer haben die Position vertreten, dass Staatsterrorismus (im<br />
Sinne staatlicher Repression) für die Existenz <strong>von</strong> nicht-staatlichem Terrorismus (im Sinne substaatlicher Revolution)<br />
ursächlich sei, und demzufolge Vorraussetzung in der Begutachtung <strong>von</strong> nicht-staatlichem Terrorismus<br />
ist. Vgl. Stohl/Lopez (Hrsg.), The State as Terrorist, 1984, 1 (6 f.); Lambert, Terrorism and Hostages in International<br />
Law, 1990, 17; a. A. Daase, <strong>Die</strong> Friedens-Warte 2001, 55 (60); Crenshaw, in: Kegley, International Terrorism,<br />
1990, 163 (169); Herman/O´Sullivan, The Terrorism Industry, 1989, 13-51.<br />
142 Bassiouni, in: Evans/Murphy (Hrsg.), Legal Aspects of International Terrorism, 1978, 485; UN-Special Rapporteur<br />
Koufa, Specific Human Rights Issues: New Priorities, in particular Terrorism and Counter-Terrorism,<br />
Working Paper by the Commission on Human Rights, E/CN.4/Sub.2/2004/40 v. 25.06.2004, 7.<br />
143 Das US State Department geht derzeit <strong>von</strong> ca. 30 privaten, ausländischen Terrororganisationen aus, die jener<br />
Definition unterfallen. S. US-Department of State, Patterns of Global Terrorism. 1997, Publ. No. 10535 (April<br />
1998), http://www.state.gov/www/global/terrorism/1997Report.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 32<br />
Zeitgenössische Terrorakte manifestieren, wie bereits ausgeführt, einen terroristischen<br />
Strategiewandel: Im 21. Jahrhundert sind Staaten nicht mehr die einzigen Akteure, die<br />
Gewalt in den internationalen Beziehungen ausüben können. Ein entscheidender<br />
Grund hierfür ist, dass sich neue und staatlich unabhängige Formen <strong>des</strong> Terrorismus<br />
etabliert haben, die ohne kohärente politische Ideologie oder eine Massenbasis auskommen.<br />
Relativ kleine Gruppen und Personen agieren autonom, sind aber international<br />
vernetzt und bedrohen in effektivster Weise die Weltgemeinschaft. Definierte das<br />
Völkerrecht in den vergangenen Jahrzehnten den internationalen Terrorismus primär<br />
noch als staatlich gefördertes, zum Teil regional verankertes Instrumentarium einzelner<br />
Staaten, ihre politischen Belange gewaltsam durchzusetzen, so machen die jüngsten<br />
Entwicklungen deutlich, dass traditionelle Handlungsmuster sowohl rechtlich als<br />
auch strategisch nicht mehr greifen. Herkömmliche Mechanismen <strong>von</strong> Diplomatie,<br />
Sanktion, außen- und wirtschaftspolitischen Handlungsweisen oder militärischer Konfliktbewältigung<br />
scheinen an Bedeutung zu verlieren angesichts der Tatsache, dass i-<br />
dentifizierbare Staaten oder staatliche Organisationen als Hauptakteure in den<br />
Hintergrund treten und die terroristischen Gewaltakte vermehrt international tätigen<br />
Gruppen oder Einzelpersonen zuzuschreiben sind.<br />
Nach traditionellem Verständnis kommt den Staaten als primären Völkerrechtssubjekten<br />
die Pflicht zur Erhaltung <strong>des</strong> Friedens und der Achtung der Menschenrechte zu. 144<br />
Bislang waren also nur Staaten fähig, Gewalt in der Größenordnung einer „Friedensbedrohung“<br />
im Sinne <strong>von</strong> Art. 39 UN-Charta oder eines „bewaffneten Angriffs“ gemäß<br />
Art. 51 UN-Charta zu begehen. Wie bereits herausgearbeitet wurde, zeigen<br />
moderne Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus - wie jene vom 11. September 2001 -<br />
jedoch auf, dass auch nicht-staatliche Akteure als Angreifer im Sinne <strong>des</strong> Art. 51 UN-<br />
Charta in Betracht kommen. Das Neue an dieser Qualifizierung besteht in dem gewachsenen<br />
Potential <strong>des</strong> nicht-staatlichen Terrorismus, heute wie ein Staat agieren zu<br />
können. Nicht-staatliche Akteure (z. B. eine Organisation wie Al Kaida) können Terroranschläge<br />
lancieren, die einer Androhung <strong>von</strong> Gewalt in den zwischenstaatlichen<br />
Beziehungen gleichkommen, elementare Menschenrechte außer Kraft setzen und zur<br />
Bedrohung der internationalen Sicherheit führen. 145 Modernes Terrorverhalten zeichnet<br />
sich gerade dadurch aus, dass es <strong>von</strong> der finanziellen, logistischen oder materiellen<br />
Hilfe durch einen Staat nunmehr unabhängig ausgeführt werden kann. 146 Der internati-<br />
144 Krajewski, AVR 2002, 183 (197); Kimminich/Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 7. Aufl., 2000, 61; Häussler,<br />
ZRP 2001, 537 (538).<br />
145 Report of the Secretary-General´s High-level Panel on Threats, Challenges and Change, § 146 und 159,<br />
A/59/565 v. 02.12.2004.<br />
146 So hat etwa der UN-Sicherheitsrat neu anerkannt, dass auch private Urheber <strong>von</strong> Gewaltakten den internationalen<br />
Frieden bedrohen. So können etwa „Gruppierungen“ wie die Taliban Adressat <strong>von</strong> UN-<br />
Sicherheitsratsresolutionen sein. Damit gibt der Sicherheitsrat zu erkennen, dass auch andere Akteure als Staaten
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 33<br />
onale Terrorismus neuer Dimension ist somit gekennzeichnet durch das Auftreten<br />
nicht-staatlicher Akteure in staatenübergreifenden Konflikten, mithin durch eine Privatisierung<br />
internationaler Gewalt. 147<br />
b) Staatsterrorismus<br />
Traditionell betrachtet, bezieht sich Staatsterrorismus auf staatliche Gewaltakte wie<br />
Folter, Tötungen oder Massenverhaftungen, die <strong>von</strong> amtlichen Organen eines Staates<br />
gegen die eigene Bevölkerung im Ganzen, gegen einen Teil hier<strong>von</strong> (z. B. eine ethnische<br />
Minderheit oder politische Opposition) oder gegen die Bevölkerung eines besetzten<br />
Gebietes vorgenommen werden. Ziel <strong>des</strong> klassischen Staatsterrorismus ist es, die<br />
Autorität und Macht <strong>des</strong> Staates im eigenen Staatsgebiet durchzusetzen. 148 Ein frühes<br />
Beispiel <strong>von</strong> Staatsterrorismus stellt die Gewaltherrschaft der Jakobiner im<br />
18. Jahrhundert in Frankreich dar; spätere Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus umfassen staatliche<br />
Aktivitäten etwa während <strong>des</strong> Dritten Reiches, unter stalinistischer Herrschaft oder<br />
jene <strong>des</strong> Pol Pot Regimes in Kambodscha. 149<br />
Unter der Ägide der Vereinten Nationen ist das ursprüngliche Konzept <strong>des</strong> Staatsterrorismus<br />
erweitert worden und bezieht sich heute sowohl auf staatliche Handlungen innerhalb<br />
<strong>des</strong> eigenen Staatsgebietes, auf amtliche Handlungen auch mit internationalem<br />
Bezug sowie auf die Beteiligung <strong>von</strong> staatlich autorisierten Gewaltanwendungen durch<br />
Privatpersonen ohne jede öffentliche Funktion. So erfasst der Report <strong>des</strong> Ad Hoc<br />
Committee on International Terrorism aus dem Jahr 1973 den Staatsterrorismus als:<br />
„terror inflicted on a large scale and with the most modern means on whole populations<br />
for purposes of domination or interference in their internal affairs, armed attacks<br />
perpetrated under the pretext of reprisals or of preventative action by States against the<br />
die internationalen Beziehungen so maßgeblich mitbestimmen können, dass sie der Aufmerksamkeit <strong>des</strong> Sicherheitsrates<br />
unterfallen und zum Gegenstand der Resolutionspraxis gemacht werden können. <strong>Die</strong> Taliban wurden<br />
bereits vor den Anschlägen vom 11. September 2001 <strong>von</strong> UN-Resolutionen angesprochen. <strong>Die</strong> Adressierung der<br />
Taliban änderte sich nach den Anschlägen vom 11. September 2001 insofern, als dass sie zuvor als Gruppierung<br />
Taliban („afghan faction known als Taliban“) erfasst wurde; nun wird ein Unterschied zwischen Taliban einerseits<br />
und Afghanistan andererseits formuliert. <strong>Die</strong> jüngeren UN-Resolutionen enthalten keine Aussagen mehr zu<br />
den Taliban selbst. <strong>Die</strong> Resolutionen <strong>des</strong> Sicherheitsrates sind ein weiterer Beleg dafür, dass nicht nur Staaten,<br />
sondern auch andere, private Akteure, gestaltend an den internationalen Beziehungen mitwirken können. S.<br />
Wolfrum/Philipp, in: <strong>von</strong> Schorlemer (Hrsg.), Praxishandbuch UNO, 145 (145), (148), (156); s. auch US-<br />
Department of State, Patterns of Global Terrorism, 2000, abgedruckt in: Prados (Hrsg.), Americas Confronts<br />
Terrorism, 2002, 86 (86 f.).<br />
147 Generell zur zu verzeichnenden Tendenz der “Privatisierung“ internationaler Gewaltausübung Bruha,<br />
AVR 2002, 383 (383 f. m.w.N.).<br />
148 Lambert, Terrorism and Hostages in International Law, 1990, 15; Daase, <strong>Die</strong> Friedens-Warte 2001, 55 (60);<br />
Stohl, The Politics of Terrorism, 1988, 20 ff.; Stern, The Ultimate Terrorists, 1999, 14 ff.; Grzeszick, in: Isensee<br />
(Hrsg.), Der Terror, der Staat und das Recht, Berlin 2004, 55 (65 ff.).<br />
149 Walther, in: Brunner/Conze/Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, 1990, Band 6, 416 ff.; Lambert,<br />
Terrorism and Hostages in International Law, 1990, 15.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 34<br />
sovereignty and integrity of third States, and the infiltration of terrorist groups or<br />
agents into the territory of other states“. 150<br />
Staatsterrorismus in seinem <strong>modernen</strong> Verständnis kann hiernach in mehreren Konstellationen<br />
vorliegen: Zum einen, wenn der Staat terroristische Handlungen durch seine<br />
Organe in fremdem Staatsgebiet verübt, und zum anderen, wenn Terroristen auf<br />
Geheiß <strong>des</strong> Staates und <strong>von</strong> <strong>des</strong>sen Hoheitsgebiet aus Terrorakte in fremden Staaten<br />
verüben. 151 <strong>Die</strong> letzte Alternative wirft die Frage der <strong>völkerrechtliche</strong>n Verantwortlichkeit<br />
<strong>von</strong> Staaten für Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf. 152<br />
Staatsterrorismus liegt auch unstrittig dann vor, wenn der Staat selbst terroristische<br />
Handlungen durch seine Organe im eigenen Staatsgebiet verübt. Begriffsgeschichtlich<br />
folgt dieser Ansatz dem Verständnis, dass es vor allem Staaten sind, die mit Hilfe ihrer<br />
Gewaltapparate - einschließlich paramilitärischer Gruppen und To<strong>des</strong>schwadronen -<br />
die Zivilbevölkerung terrorisieren, um ihre Herrschaftsposition zu festigen. 153<br />
In der Literatur wird bezweifelt, dass es sinnvoll ist, Akte <strong>des</strong> makrokriminellen<br />
Machtmissbrauchs in die Terrorismusdebatte mit einzugliedern. 154 Da „Terrorismus“<br />
ganz überwiegend als „Gewalt <strong>von</strong> unten“ verstanden und als eine bestimmte, politische<br />
Kriminalitätsform gegen den Staat subsumiert wird, sei die Gleichsetzung <strong>von</strong><br />
„politischer Kriminalität“ und staatlich verübter Kriminalität, die sich regelmäßig nach<br />
innen und gegen die eigenen Bürger richtet, ausgeschlossen. 155 Bei makrokriminellen<br />
Gewaltakten liege im Vergleich zu üblichen, politisch motivierten Straftaten, die gegen<br />
den Staat und seine Repräsentanten gerichtet sind, eine „umgekehrte Angriffsrichtung“<br />
vor – auch trage die Einordnung <strong>von</strong> „Staatsterrorismus“ bzw.<br />
Regierungskriminalität unter die Terrorismusproblematik nicht zum Verständnis <strong>des</strong><br />
terroristischen Gesamtphänomens bei. 156 Während hiernach das Konzept <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus auf innerstaatliche Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus nicht anwendbar zu<br />
sein scheint, ist die Kritik an der kriminologisch unzulässigen Gleichsetzung <strong>von</strong> „politischem<br />
Terror“ als „Gewalt <strong>von</strong> unten“ und „staatlichem Terror“ als „Gewalt <strong>von</strong><br />
oben“ allerdings in einem Punkt zu relativieren: Staatliche Gewalthandlungen sind in<br />
150 Report of the Ad hoc Committee on International Terrorism, UN GAOR, 28 th Sess., Supp. 28, para. 24, UN<br />
Doc A/9028 (1973).<br />
151 <strong>Die</strong> letzte Alternative betrifft zugleich die Problematik <strong>des</strong> staatlich unterstützen Terrorismus, welcher im<br />
Folgenden unter B. V. 3. behandelt wird.<br />
152 Dazu ausführlich Kilian, NZWehrr 1982, 121 ff.<br />
153 Stohl, The Politics of Terrorism, 1988, 20 ff.<br />
154 Daase, <strong>Die</strong> Friedens-Warte 2001, 55 (60); Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof,<br />
2003, 279.<br />
155 Möller, Völkerstrafrecht und Internationaler Strafgerichtshof, 2003, 279.<br />
156 Jäger, in: Hankel/Stuby (Hrsg.), Strafgerichte gegen Menschheitsverbrechen, 1995, 325 (331).
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 35<br />
der Qualifizierung als „politischer Terror“ dann mit zu berücksichtigen, wenn sie die<br />
Verletzung <strong>von</strong> Menschenrechten oder <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts beinhalten und<br />
somit möglicherweise zum Völkerrechtsverbrechen erstarken. 157<br />
c) Staatlich unterstützter Terrorismus<br />
Unabhängig <strong>von</strong> der Reichweite <strong>des</strong> Konzepts eines traditionellen Staatsterrorismus<br />
existiert im <strong>völkerrechtliche</strong>n Schrifttum der Begriff <strong>des</strong> so genannten staatlich unterstützten<br />
Terrorismus. <strong>Die</strong>ser kann Eingang in einer erweiterten Definition <strong>des</strong> Staatsterrorismus<br />
finden; einige Autoren trennen aber auch diese Form <strong>des</strong> Terrorismus <strong>von</strong><br />
traditionellem Staatsterrorismus und qualifizieren darunter jene Handlungen, durch die<br />
ein Staat Terroraktivitäten „<strong>von</strong> unten“ gegenüber fremden Staaten fördert oder duldet,<br />
beziehungsweise in seinem Staatsgebiet nur unzulänglich unterbindet. 158<br />
Allgemein ist der staatlich unterstützte Terrorismus dadurch gekennzeichnet, dass der<br />
Staat nicht-staatlichen Akteuren bei der Planung und Durchführung <strong>von</strong> Terrorakten<br />
dadurch behilflich ist, dass er ihnen logistische oder materielle Unterstützung zukommen<br />
lässt. 159<br />
<strong>Die</strong> völkerrechtlich fundierte Annäherung an das Phänomen <strong>des</strong> staatlich unterstützten<br />
Terrorismus setzt bei der Verpflichtung der Staaten an, sich jeder Form der Beteiligung<br />
an terroristischen Aktionen gegenüber anderen Staaten zu enthalten. Trifft ein<br />
Staat keine Vorkehrungen, um z. B. diplomatisches Personal auf seinem Staatsgebiet<br />
157 UN-Special Rapporteur Koufa, Specific Human Rights Issues: New Priorities, in particular Terrorism and<br />
Counter-Terrorism, Working Paper by the Commission on Human Rights, E/CN.4/Sub.2/2004/40 v. 25.06.2004,<br />
15; Oeter, <strong>Die</strong> Friedens-Warte 2001, 11 (26). „Staatschef Erdogan wirft Israel Staatsterrorismus vor“,<br />
http://www.portale.web.de/Schlagzeilen/Nahost/ (03.06.2004); Maskaliunaite, Baltic Defence Law Review<br />
2002, 36 (37).<br />
158 So ähnlich Kilian, NZWehrr 1982, 121 (121); Lambert, Terrorism and Hostages in International Law, 1990,<br />
19; Crenshaw, in: Kegley, International Terrorism, 1990, 163; Sharp, CJIL 2000, 37 (44); UN-Special Rapporteur<br />
Koufa, Specific Human Rights Issues: New Priorities, in particular Terrorism and Counter-Terrorism, Working<br />
Paper by the Commission on Human Rights, E/CN.4/Sub.2/2004/40 v. 25.06.2004, 16. Zum staatlich<br />
unterstützten Terrorismus umfassend s. US-Department of State, Pattern of Global Terrorism, 2000, welches I-<br />
rak, Libyen und den Sudan als Terrorismus unterstützende Staaten einordnet; abgedruckt in: Prados (Hrsg.),<br />
Americas Confronting Terrorism, 2002, 86 (106 ff.). Weitere Beispiele hält Davidson bereit, s. Davidson, in:<br />
Wilkinson (Hrsg.), Technology and Terrorism, 1991, 123 (127 f.); Sloan, in: Han (Hrsg.), Terrorism & Political<br />
Violence, 1993, 129 ff.; Less, Country Report on the USA, in: Walter/Vöneky/Röben/Schorkopf (Hrsg.), Terrorism<br />
as a Challenge for National and International Law, 2004, 633 (654 f.).<br />
159 In der Vergangenheit haben sich u. a. Libyen und der Iran als staatliche Unterstützer terroristischer Aktionen<br />
hervorgetan, indem sie bekanntermaßen eigene Agenten beauftragten, im Ausland politische Gegner auszulöschen.<br />
1985 sprengten französische Agenten im Auftrag ihrer Regierung das Greenpeace Schiff „Rainbow Warrior“<br />
in Neuseeland in die Luft. Staatlich unterstützter Terrorismus muss dabei nicht immer auf ausländischem<br />
Staatsgebiet ausgetragen werden, vgl. etwa die Beteiligung der iranischen Regierung bei der „Teheraner Geiselnahme“.<br />
Solche Beispiele vermögen es allerdings, die dogmatischen Grenzen zwischen individuellem, Staatsterrorismus<br />
und staatlich unterstütztem Terrorismus zu verwischen. S. van Leeuwen, in: van Leeuwen (Hrsg.),<br />
Confronting Terrorism, 2003, 1 (5 f.); Levitt, Democracies against Terror: The Western Response to State-<br />
Supported Terrorism, 1988, 1; Wilkinson, Terrorism versus Democracy, 2000, 62 ff.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 36<br />
vor terroristischen Anschlägen zu schützen, duldet Terrorhandlungen oder beteiligt<br />
sich sogar selbst an deren Vorbereitung oder Durchführung, so ist dies eine Pflichtverletzung<br />
aus Völkerrecht. 160 Ausdrücklich bezieht sich die Aggressionsdefinition aus<br />
dem Jahre 1974 161 auf staatlich unterstützte Terrorhandlungen; sie verbietet speziell<br />
das Entsenden bewaffneter Banden und Gruppen durch einen Staat, wenn diese mit<br />
Waffengewalt Handlungen gegen einen anderen Staat ausführen und ihre Aktionen einer<br />
Angriffshandlung gleichkommen. 162 Als passive Unterstützung terroristischer Organisationen<br />
kommt die Gewährung eines sicheren Zufluchtortes (sog. safe haven) in<br />
Betracht. 163 Ein solcher ist angesichts der seit dem 11. September 2001 durchgeführten<br />
weltweiten Anti-Terror-Maßnahmen insbesondere für den Erhalt terroristischer Organisationen<br />
und die Ausbildung ihrer Kämpfer bedeutsam geworden. 164 Wenn ein Staat<br />
Terroristen sicheren Unterschlupf auf seinem Territorium bietet, besteht für den Rest<br />
der Staatengemeinschaft kaum die Möglichkeit einer wirksamen Ahndung der begangenen<br />
Delikte.<br />
Für das Täterprofil ist festzuhalten, dass internationaler Terrorismus heute sowohl <strong>von</strong><br />
Staaten als auch <strong>von</strong> nicht-staatlichen Einheiten und Privatpersonen in unterschiedlichster<br />
Art und Weise ausgeübt wird. Terrorakte können <strong>von</strong> staatlichen Organen<br />
selbst ausgehen oder <strong>von</strong> ihnen gefördert werden. <strong>Die</strong> Aufnahme <strong>des</strong> Staatsterrorismus<br />
in die Definition <strong>des</strong> terroristischen Gewaltaktes ist dabei keine politische Zweckentfremdung<br />
<strong>des</strong> Terrorismuskonzepts, sondern zieht nur die Konsequenz aus der <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Ächtung und <strong>Kriminalisierung</strong> der zu Lasten der Zivilbevölkerung<br />
verübten systematischen Gewalt unter Verletzung der elementaren Menschenrechte<br />
160 Cassese, International Criminal Law, 2003, 126; Zimmer, Terrorismus und Völkerrecht, 1998, 7. <strong>Die</strong> staatliche<br />
Unterstützung <strong>von</strong> Terroraktivitäten kann sowohl staatliche als auch individuelle Verantwortlichkeit auslösen.<br />
<strong>Die</strong>se Auffassung wurde etwa in den Fällen Lockerbie und La Belle bestätigt: <strong>Die</strong> strafrechtliche<br />
Verurteilung <strong>von</strong> Agenten der Libyschen Arabischen Jamahiriya schloss die staatliche Verantwortung Libyens<br />
und <strong>des</strong>sen Entschädigungszahlungen nicht aus. Dazu UN-Special Rapporteur Koufa, Specific Human Rights Issues:<br />
New Priorities, in Particular Terrorism and Counter-Terrorism, working paper by the Commission on Human<br />
Rights, E/CN.4/Sub.2/2004/40 v. 25.06.2004, 18.<br />
161 Resolution 3314 (XXIX) der UN-Generalversammlung v. 14.12.1974, UN Doc. A/9631, 148 ff., abgedruckt<br />
in: Müller/Wildhaber, Praxis <strong>des</strong> Völkerrechts, 1977, 454.<br />
162 Art. 3 g der Aggressionsdefinition, abgedruckt in: Müller/Wildhaber, Praxis <strong>des</strong> Völkerrecht, 1977, 454.<br />
163 Byers, ICLQ 2002, 401 (408); Krajewski, AVR 2002, 183 (193); Sharp, CJIL 2000, 37 (44). Afghanistan hat<br />
darauf bestanden, dass es keine Ausbildungslager der Al Kaida auf seinem Staatsgebiet führt; auch hat der Sudan<br />
jegliche Unterstützung der Al Kaida bestritten. Fragwürdige Fabrikanlagen, die mit der Al Kaida in Zusammenhang<br />
gebracht wurden, wurden vom Sudan als legitime pharmazeutische Anlagen deklariert. In Reaktion auf die<br />
mangelnde Kooperationsbereitschaft der beiden Staaten haben die USA am 20.08.1998 Ausbildungslager in Afghanistan<br />
und die pharmazeutische Fabrikanlage bombardiert. S. Watson/Barry, Our Target was Terror, in:<br />
Newsweek v. 31.08.1998.<br />
164 Bruha/Bortfeld, VN 2001, 161 (166). Allerdings muss mit Blick auf moderne Terroraktivität festgehalten<br />
werden, dass sich heute Attentäter häufig jahrelang legal in westlichen Industriestaaten aufhalten und <strong>von</strong> dort<br />
ihre Anschläge planen und vorbereiten. Sie benötigen keine Zufluchtsstätte eines Terrorismus unterstützenden<br />
Drittstaates, sondern benutzen moderne Kommunikationsmittel und komplexe Strukturen, um ihre Terroraktivität<br />
aufrecht zu erhalten. Vgl. auch neu S/Res/1624 (2005) v. 14.09.2005, welche die UN-Mitgliedstaaten auffordert,<br />
Personen Zuflucht zu verweigern, die aufgrund glaubhafter Informationen als Terroranstifter zu sehen sind.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 37<br />
nach sich. Ferner fallen Privatpersonen und autonom agierende Terrorgruppen in den<br />
terroristischen Täterkreis. Der internationale Terrorismus neuer Dimension zeichnet<br />
sich dadurch aus, dass Staaten nicht mehr die einzigen Akteure sind, die Gewalt in den<br />
internationalen Beziehungen ausüben und schwere Menschenrechtsverletzungen verursachen<br />
können. Im Sinne einer „Privatisierung“ internationaler Gewalt hat sich der<br />
terroristische Täterkreis auf der <strong>völkerrechtliche</strong>n Ebene entscheidend erweitert und<br />
muss um die Aufnahme nicht-staatlicher Akteure ergänzt werden.<br />
IV. Kriterien für eine Definition <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
neuer Dimension<br />
Anhand der in diesem Abschnitt gesammelten Erkenntnisse zu alten und neuen Terrorformen<br />
und deren Akteuren, wird abschließend eine Arbeitsdefinition <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus erstellt. <strong>Die</strong>se soll die Grundlage für die Erfassung <strong>von</strong> Terrorismus<br />
durch das Völkerstrafrecht bilden. Mit der Definition lässt sich das Phänomen <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus <strong>von</strong> anderen Formen <strong>des</strong> gewalttätigen Konflikts, etwa <strong>von</strong><br />
zwischenstaatlichen Kampfhandlungen, Guerillakriegen, Revolutionen, Staatsstreichen<br />
oder gemeiner Gewaltkriminalität, abgrenzen. Keine Terrorismusdefinition wird dabei<br />
umfassend genug sein, um alle möglichen Aspekte, Motive und zukünftigen Erscheinungsformen<br />
sicher abzudecken. <strong>Die</strong> Schwierigkeiten bei der Erstellung einer allgemein<br />
akzeptierten Definition liegen zum einen darin, dass bei dem Terrorismusbegriff<br />
nicht anhand eines finalen Bezugspunktes angesetzt werden kann; es handelt sich nämlich<br />
um die Erfassung eines Prozesses in Bewegung. Unerwartet neue Varianten und<br />
terroristische Erscheinungsformen werden hinzukommen, vermöge derer terroristische<br />
Aktivitäten noch vielschichtigere Facetten, Beweggründe und Besonderheiten<br />
hervorbringen - dementsprechend wird eine Begriffsbestimmung notwendig immer<br />
wieder zu modifizieren sein. Zum anderen zeigen sich die Definitionskriterien mehrheitlich<br />
subjektiv, da sie größtenteils auf politischen Erwägungen basieren. Letztlich<br />
werden Terrorakte aus den unterschiedlichsten Motiven heraus begangen und können<br />
<strong>von</strong> Zeit, Ort und der politischen Zielsetzung abhängig sein.<br />
1. Internationales Element<br />
Nationaler Terrorismus agiert innerhalb eines Staatsgebietes. Er betrifft die Bürger und<br />
das Territorium dieses Staates und wird vorgenommen gegen oder durch diesen Staat.<br />
Soweit sich terroristische Handlungen auf eine Nation beschränken, ist es alleinige<br />
Aufgabe <strong>des</strong> betroffenen Staates, sie mit den verfügbaren repressiven Mitteln zu be-
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 38<br />
kämpfen. 165<br />
Um Terrorismus als „international“ zu qualifizieren, muss ein internationales Element<br />
nachweisbar sein. Generell liegt dieses dann vor, wenn durch terroristische Handlungen<br />
Bürger oder das Territorium <strong>von</strong> mehr als einem Staat betroffen sind und die Terroraktion<br />
damit <strong>völkerrechtliche</strong> Bedeutung erlangt. 166 So weisen sowohl staatlicher<br />
Terrorismus gegen Drittstaaten als auch die grenzüberschreitende Kooperation <strong>von</strong><br />
Terrorgruppen, die frem<strong>des</strong> Gebiet, Bürger oder Eigentum angreifen, dieses internationale<br />
Element auf: Es ist zu bejahen, wenn der Terrorakt gegen Ausländer oder ausländische<br />
Ziele vorgenommen wird, mehr als ein staatliches Interesse betroffen ist,<br />
und die Handlung darauf abzielt, die Politik fremder Regierungen zu beeinflussen. 167<br />
Richten sich die Anschläge gezielt gegen fremde Staatsangehörige, um deren Heimatstaat<br />
zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen zu bewegen oder sind fremde Staatsbürger<br />
unabhängig <strong>von</strong> einem Erpressungsversuch <strong>des</strong> Heimatstaates <strong>von</strong> einem<br />
Terroranschlag betroffen, so erwächst der Terrorismus <strong>von</strong> einem nationalen zu einem<br />
internationalen Problem. 168 Der internationale Aspekt gewinnt an Gewicht, wenn insbesondere<br />
das Gebiet potentiell aller Staaten sowie internationale Räume (z. B. der internationale<br />
Luftraum oder die Hohe See) zum Betätigungsfeld terroristischer Akteure<br />
werden. Hier greifen nationale Maßnahmen der Repression ins Leere, und es ist erforderlich,<br />
dass die Bekämpfung derartigen Terrorverhaltens auf internationaler Ebene erfolgt.<br />
Der Schutz vor internationalem, staatsübergreifendem Terrorismus hat sich<br />
damit zu einer „ernsten Angelegenheit“ der Staatengemeinschaft entwickelt. 169<br />
Auch wenn die Kriterien <strong>des</strong> internationalen Elements im Einzelnen geringfügig variieren,<br />
sind folgende inhaltliche Gemeinsamkeiten bezüglich der Internationalität <strong>des</strong><br />
Terrorismus herauszustellen. Das internationale Element liegt vor, wenn:<br />
165 Für terroristische Aktivitäten, die innerhalb eines Staatsgebietes ausgetragen werden, wie etwa Aktionen der<br />
ETA in Spanien, der IRA in Großbritannien oder der Roten Brigaden in Italien, greift das nationale Strafrecht<br />
<strong>des</strong> betroffenen Staates; weitere Staaten können aufgrund <strong>von</strong> Verträgen zur grenzüberschreitenden Strafverfolgung<br />
und Zusammenarbeit in Strafsachen verpflichtet sein. Vgl. Cassese, International Criminal Law, 2003, 128.<br />
166 Evans/Murphy (Hrsg.), Legal Aspects of International Terrorism, 1978, 10.<br />
167 Lambert, Terrorism and Hostages in International Law, 1990, 22.<br />
168 Zimmer, Terrorismus und Völkerrecht, 1998, 8; Ganor, Defining Terrorism: Is One Man´s Terrorist Another<br />
Man´s Freedom Fighter, http://www.ict.org.il/articles/define.htm; Cassese, International Criminal Law, 2003,<br />
126; ders., Vortrag im Rahmen <strong>des</strong> Symposiums „Enforcing International Law against Terrorism“, Mailand, Mai<br />
2002 (Mitschrift im Besitz der Autorin).<br />
169 „matter of grave concern“, s. Präambel <strong>des</strong> Montrealer Übereinkommens sowie die Präambel <strong>des</strong> ZP, s. auch<br />
Einleitung der Res. 748 <strong>des</strong> SR v. 31.01.1992, bei dem die Ratsmitglieder „expressed their deep concern over<br />
acts of international terrorism and emphasized the need for the international community to deal effectively with<br />
all such acts.“.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 39<br />
(1) die terroristische Handlung in mehr als einem Staat stattfindet;<br />
(2) die terroristische Handlung auf unterschiedliche Staatsbürger Auswirkungen<br />
hat;<br />
(3) die terroristische Handlung die Sicherheit oder ökonomische Interessen <strong>von</strong><br />
mehr als einem Staat tangiert. 170<br />
2. Arbeitsdefinition <strong>des</strong> internationalen Terrorismus neuer Dimension<br />
<strong>Die</strong> vorangegangenen Ausführungen zu alten und neuen Formen <strong>des</strong> Terrorismus haben<br />
deutlich gemacht, dass ein gewisser Querschnitt im Terrorverhalten vorzufinden<br />
ist. Ausgehend <strong>von</strong> diesem Querschnitt sind <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> herkömmlichen und <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus neuer Dimension folgende Inhalte gemein: 171<br />
(1) Gewaltkomponente: Akte <strong>des</strong> Terrorismus sind gekennzeichnet durch eine kriminelle<br />
Handlung, die in den meisten nationalen Rechtsordnungen strafbar ist<br />
und einen erheblichen Schweregrad aufweist. Hierbei muss es sich um vorsätzliche,<br />
unvorhersehbare Akte direkter physischer Gewalt handeln. Im Vordergrund<br />
stehen dabei die Tötung <strong>von</strong> Menschen, schwere Körperverletzungen<br />
sowie schwere Schädigungen <strong>des</strong> Eigentums. 172<br />
(2) Angriffsobjekt: <strong>Die</strong> Handlung muss darauf abzielen, einen Staat, eine Bevölkerung,<br />
einzelne Bevölkerungsteile oder internationale Organisationen einzuschüchtern<br />
oder ein „Klima <strong>des</strong> Terrors“ zu erzeugen. <strong>Die</strong> Wirkung <strong>von</strong><br />
Terroranschlägen bezieht sich dabei auf weit mehr Personen als nur die physisch<br />
betroffenen Opfer. 173<br />
(3) Politische Zielrichtung: Hintergrund terroristischer Aktionen ist die Verwirklichung<br />
eines bestimmten politischen Zieles. Insofern wird Terrorismus <strong>von</strong> der<br />
gemeinen Kriminalität, der private Motive zugrunde liegen, unterschieden. <strong>Die</strong><br />
Vornahme terroristischer Handlungen unterliegt dabei mehrheitlich der typischen<br />
Terrorstrategie, den Gegner zu einer Reaktion zu veranlassen, die jene<br />
170 Bassiouni, in: Evans/Murphy (Hrsg.), Legal Aspects of International Terrorism, 1978, 488.<br />
171 Alex Schmid stellt sieben Hauptmerkmale <strong>des</strong> Terrorismus zusammen, die der Mehrheit der verschiedenen<br />
Terrorismusdefinitionen innewohnen, s. Schmid/Jongman, Political Terrorism, 1988, 5, Table 1.<br />
172 Elagab, Documents Relating to Terrorism, 1995, iii.; Ganor, Defining Terrorism: Is One Man´s Terrorist Another<br />
Man´s Freedom Fighter, http://www.ict.org.il/articles/define.htm; Hess, KJ 2002, 450 (451); Kreis, in:<br />
Funke (Hrsg.), Terrorismus, 1977, 158 (159). Cassese benennt z. B. Mord, Totschlag, Geiselnahme, Folter,<br />
Brandstiftung und andere schwere Delikte, ders., International Criminal Law, 2003, 124; Maskaliunaite, Baltic<br />
Defence Law Review 2002, 36 (42 f.).<br />
173 Cassese, International Criminal Law, 2003, 124; Ganor, Defining Terrorism: Is One Man´s Terrorist Another<br />
Man´s Freedom Fighter, http://www.ict.org.il/articles/define.htm; Hess, KJ 2002, 450 (451); Oeter, <strong>Die</strong><br />
Friedens-Warte 2001, 11 (19). Eingehend zu den psychologischen Konsequenzen <strong>von</strong> Terroranschlägen s. Pangi,<br />
in: Kayyem/Pangi (Hrsg.), First to Arrive, 2003, 135 ff.
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 40<br />
politischen Ziele, die sich nicht direkt und ohne Gewalt erreichen lassen, indirekt<br />
zu fördern. 174<br />
(4) Angriffssubjekt: Terroristische Handlungen können sowohl <strong>von</strong> Staaten (Staatsterrorismus,<br />
staatlich unterstützter Terrorismus) als auch privaten Akteuren<br />
(nicht-staatlicher Terrorismus) vorgenommen werden. 175<br />
(5) Ausschluss <strong>von</strong> Rechtfertigungsgründen: Jegliche Rechtfertigungsgründe für die<br />
Vornahme <strong>von</strong> Terrorhandlungen sind ausgeschlossen.<br />
In der Zusammenschau ergeben die benannten Kriterien eine Arbeitsdefinition. Hinsichtlich<br />
der Einbeziehung aufgezeigter zeitgenössischer Terrorformen und deren<br />
Auswirkungen stellt sich der internationale Terrorismus neuer Dimension wie folgt<br />
dar:<br />
Internationaler Terrorismus beinhaltet den vorsätzlichen, über das Gebiet eines Staates<br />
hinausgreifenden Einsatz schwerer Gewalt durch Staaten oder nicht-staatliche Akteure<br />
gegen Zivilpersonen und Sachgüter mit der Absicht, die Bevölkerung auf schwerwiegende<br />
Weise in Angst und Schrecken zu versetzen, einen Staat oder eine internationale<br />
Organisation rechtswidrig zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen,<br />
oder die politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates, einer<br />
internationalen Organisation oder der Staatengemeinschaft insgesamt ernsthaft zu<br />
<strong>des</strong>tabilisieren oder zu zerstören.<br />
Der Definition unterfallen damit traditionelle terroristische Tatbestände wie Mord,<br />
Körperverletzung, Erpressung, Entführung oder Geiselnahme; die unerlaubte Inbesitznahme<br />
öffentlicher Einrichtungen, öffentlicher Transportmittel, <strong>von</strong> Infrastrukturen,<br />
öffentlichen Orten und Gütern oder die ihnen zugefügten Schäden. Den <strong>modernen</strong> Er-<br />
174 Cassese, International Criminal Law, 2003, 124; Hess, KJ 2002, 450 (451); Crelinsten, Terrorism and Criminal<br />
Justice, 1978, 7; Kreis, in: Funke (Hrsg.), Terrorismus, 1977, 158 (159). In der neueren Literatur ist die Auffassung<br />
vertreten worden, dass der neue Terrorismus sich nicht mehr durch eine politische, sondern nunmehr<br />
religiöse Motivation kennzeichnen lässt: „ they [Al Quaida] are unlike the terrorists of the past, such as the Red<br />
Briga<strong>des</strong> or the IRA (or even Hezbollah), who speak the language of their victims and use violent means to<br />
achieve political ends that are contestable but not obscure“, vgl. Lukes/Urbinati Words matter,<br />
http://www.opendemocracy.net/document store/Doc862-5.pdf (2001). <strong>Die</strong>ser Auffassung ist entgegenzuhalten,<br />
dass auch religiöse Terroristen klare politische Ziele verfolgen (z. B. Errichtung eines eigenen Staates oder den<br />
Abzug fremder Truppen). S. dazu Maskaliunaite, Baltic Defence Law Review 2002, 36 (44).<br />
175 Eine rein beschreibende Definition, die nur auf bestimmte Verhaltensweisen und deren Folgen gerichtet ist,<br />
aber keine Berücksichtigung der Urheber bzw. Akteure erlaubt, kann zwar nützlich sein, ist aber in allen Fällen<br />
nicht präzise genug. Dazu Report der UN-Sonderberichterstatterin Koufa, E/CN.4/Sub.2/2002/31. Ebenso Cassese,<br />
Vortrag im Rahmen <strong>des</strong> Symposiums „Enforcing International Law against Terrorism“, Mailand, Mai 2002<br />
(Mitschrift im Besitz der Autorin).
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 41<br />
scheinungsformen <strong>des</strong> Terrorismus Rechnung tragend, erfasst die Arbeitsdefinition<br />
ferner die Aneignung, Herstellung, den Besitz, den Erwerb, den Transport oder die Bereitstellung<br />
<strong>von</strong> Waffen, Sprengstoffen sowie nuklearen, biologischen oder chemischen<br />
Materialien; die Freisetzung giftiger Stoffe oder die Verursachung <strong>von</strong> Bränden,<br />
Überschwemmungen oder Explosionen, die Gefährdung <strong>von</strong> Menschen, Sachgütern<br />
und Tieren oder der Umwelt; die Störung oder Unterbrechung der Versorgung mit<br />
Wasser, Elektrizität oder anderen Grundgütern sowie der Einsatz <strong>von</strong> Daten zur Vornahme<br />
schwerer Angriffe auf fremde Informationssysteme. 176 <strong>Die</strong> Arbeitsdefinition<br />
adressiert als Täter sowohl nicht-staatliche Akteure als auch Staaten, wobei staatsterroristische<br />
Akte gegen die eigene Zivilbevölkerung dann <strong>von</strong> der Definition erfasst sind,<br />
wenn sie die Merkmale eines Humanitätsverbrechens erfüllen.<br />
V. Zwischenergebnis<br />
<strong>Die</strong> Ausführungen zu den „klassischen“ und neuen Terrorformen zeigen, dass bei <strong>modernen</strong><br />
Terroraktivitäten eine quantitative und qualitative Fortentwicklung zu konstatieren<br />
ist. Handelte es sich beim internationalen Terrorismus zunächst um ein<br />
eingrenzbares Problem, welches in seinen Ursachen, Zielen, Konflikten, Aktionsfeldern<br />
und Wirkungen auf bestimmte territoriale Konflikte bezogen war, bei denen es<br />
zumeist um Gebietsansprüche, Unabhängigkeit oder Autonomieforderungen ging, so<br />
176 <strong>Die</strong> Definitionserstellung erfolgt anhand der in dieser Arbeit erfolgten Analyse der <strong>modernen</strong> Erscheinungsformen<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus und anlehnend an den Vorschlag der EU-Kommission zur Definition <strong>des</strong><br />
Terrorismus v. 19.09.2001, KOM/2001/521, s. http://www.taz.de/pt/2001/09/21/a0072.nf/textdruck<br />
(21.09.2001), anlehnend an den Vorschlag <strong>des</strong> Europäischen Parlaments, Abl. C 55 v. 24.02.1997, an<br />
S/Res/1566 (2004) v. 08.10.2004 sowie den Report of the Secretary-General´s High-level Panel on Threats,<br />
Challenges and Change, § 164 (d), A/59/565 v. 02.12.2004. Nach dem Vorschlag <strong>des</strong> UN High Panel soll die<br />
Definition <strong>des</strong> Terrorismus folgende Elemente:<br />
(a) Recognition, in the preamble, that State use of force against civilians is regulated by the Geneva Conventions<br />
and other instruments, and, if of sufficient scale, constitutes a war crime by the persons concerned<br />
or a crime against humanity;<br />
(b) Restatement that acts under the 12 preceding anti-terrorism conventions are terrorism, and a declaration<br />
that they are a crime under international law; and restatement that te rrorism in time of armed conflict is<br />
prohibited by the Geneva Conventions and Protocols;<br />
(c) Reference to the definitions contained in the 1999 International Convention for the Suppression of the<br />
(d)<br />
Financing of Terrorism and Security Council resolution 1566 (2004);<br />
Description of terrorism as “any action, in addition to actions already specified by the existing conventions<br />
on aspects of terrorism, the Geneva Conventions and Security Council resolution 1566 (2004),<br />
that is intended to cause death or serious bodily harm to civilians or non-combatants, when the purpose<br />
of such an act, by its nature or context, is to intimidate a population, or to compel a Government or an<br />
international organization to do or to abstain from doing any act”.<br />
Ferner Stein/Meiser, <strong>Die</strong> Friedens-Warte 2001, 33 (35). Zur allgemeinen Definition s. auch Report of the Ad Hoc<br />
Committee established by GA Res. 51/210 v. 17.12.1996, 6. Session, GA Official Record, A/57/37, Annex II Art.<br />
2.1 Draft Comprehensive Convention on International Terrorism, dazu Wiesbrock, VN 2002, 72. S. auch „Politischer<br />
Terror neu definiert“, http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/deutschland/ ?cnt=186815<br />
(03.04.2003).
B. <strong>Die</strong> neue Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus 42<br />
hat er sich mittlerweile zu einem „Weltterrorismus“ 177 entwickelt, der in der Tendenz<br />
keine Begrenzungen territorialer Art mehr aufweist. Der internationale Terrorismus<br />
neuer Dimension ist geprägt durch autonome, fortentwickelte Organisationsstrukturen,<br />
die ihn in Auftreten und Wirkung schwer fassbar machen und ihm dadurch eine dramatisch<br />
erweiterte Gefährlichkeit verleihen. 178<br />
In der Wahl der Mittel zeichnet sich neben dem Terrorismus mittels konventioneller<br />
Waffen zukünftig der (staatliche und nicht-staatliche) terroristische Gebrauch <strong>von</strong><br />
Massenvernichtungswaffen ab, denn dem internationalen Terrorismus neuer Dimension<br />
geht es um einen maximalen Schaden. Hinzu kommen Akte <strong>des</strong> Cyberterrorismus.<br />
Auch wenn terroristischer Massenmord mit nuklearen, biologischen oder chemischen<br />
Waffen sowie mittels Cyberterrorismus derzeit noch kein akutes Szenario darstellt, ist<br />
die Bedrohung durch derartige Terrorgefahren zweifellos gegeben und die Gefahren<br />
schwerer internationaler Terrorakte werden mehr als deutlich: Im 21. Jahrhundert<br />
muss der Angriff mit konventionellen Waffen, mit Massenvernichtungswaffen oder<br />
auch mit Informationen als so schwerwiegend eingestuft werden, dass vom Vorliegen<br />
einer „Friedensbedrohung“ im Sinne <strong>des</strong> Art. 39 UN-Charta oder eines „bewaffneten<br />
Angriffs“ im Sinne <strong>des</strong> Art. 51 UN-Charta auszugehen ist. Damit besitzen Terrorakteure<br />
heute das Potential, in die zwischenstaatlichen Beziehungen einzudringen. Dass<br />
Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus neuer Dimension die internationale Sicherheit<br />
entscheidend beeinflussen können, gibt ihnen damit eine neue und zugleich völkerrechtlich<br />
bedeutsame Dimension, die es aus strafrechtlicher Perspektive erforderlich<br />
macht, terroristische Gewalttaten völkerstrafrechtlich zu erfassen.<br />
177 Schelling, in: Frey/Morris (Hrsg.), Violence, Terrorism and Justice, 1991, 24; Bruha/Bortfeld, VN 2001, 161<br />
(161); Klink, Kriminalistik 1991, 763 (763); Kersten, Kriminalistik 2002, 7 (9); Zimmer, Terrorismus und Völkerrecht,<br />
1998, 8; Kotzur, AVR 2002, 454 (459), (461).<br />
178 Bruha/Bortfeld, VN 2001, 161 (161).
C. <strong>Die</strong> <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene<br />
Anhand der weiterentwickelten terroristischen Erscheinungsformen konnte in Abschnitt<br />
B verdeutlicht werden, dass moderne Akte terroristischer Gewalt eine qualitative<br />
Neubewertung erfahren und sie zu Taten machen, die eine Betroffenheit der<br />
internationalen Gemeinschaft auslösen. Ihr Angriff auf die fundamentalen Interessen<br />
der Völkergemeinschaft rückt schwere Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus nun in eine<br />
internationale Dimension; soweit ist eine wesentliche Voraussetzung für eine <strong>völkerrechtliche</strong><br />
Pönalisierung gegeben. Abschnitt C widmet sich im Folgenden der<br />
Untersuchung, ob Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus eine <strong>Kriminalisierung</strong> auf der<br />
<strong>völkerrechtliche</strong>n Ebene erfahren. Dabei ist anhand der im Völkerrecht anzuwendenden<br />
Rechtssätze zu prüfen, ob internationale terroristische Gewaltakte der direkten<br />
Strafbarkeit nach Völkerrecht unterliegen. <strong>Die</strong> Analyse wendet sich entsprechend der<br />
Maßgabe <strong>von</strong> Art. 38 IGH-Statut zunächst der Rechtsquelle <strong>des</strong> Völkervertragsrechts<br />
und sodann dem Völkergewohnheitsrecht zu.<br />
I. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus nach Völkervertragsrecht<br />
Seit mehr als 40 Jahren haben die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen<br />
eine Vielzahl <strong>von</strong> internationalen Abkommen ausgearbeitet mit dem Ziel, Akte <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus zu kriminalisieren und unter Strafe zu stellen. Im Bereich<br />
<strong>des</strong> <strong>völkerrechtliche</strong>n Vertragsrechts existiert momentan ein Gerüst aus mehr als einem<br />
Dutzend internationaler Abkommen, die den internationalen Terrorismus zum<br />
Gegenstand haben. <strong>Die</strong> Abkommen wurden alle im Rahmen der Vereinten Nationen<br />
innerhalb einer Zeitspanne <strong>von</strong> 32 Jahren (1969 – 2001) verabschiedet und bilden die<br />
Rechtsgrundlage für die internationale Bekämpfung <strong>des</strong> Terrorismus in seinen vielfältigen<br />
Erscheinungsformen – sei es Geiselnahme, Flugzeugentführung, Finanzierung<br />
<strong>von</strong> Terrorismus oder auch der Zugang zu und der Gebrauch <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen.<br />
Ausgearbeitet wurden die Anti-Terrorismus-Abkommen <strong>von</strong> der UN-<br />
Generalversammlung, der Internationalen Zivilluftfahrt Organisation (ICAO), der Internationalen<br />
Seeschifffahrtsorganisation (IMO) und der Internationalen Atomenergie<br />
Organisation (IAEO). Der folgende Abschnitt untersucht die einzelnen völkerrechtli-
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 44<br />
chen Anti-Terrorismus-Abkommen auf ihren direkten <strong>Kriminalisierung</strong>sgehalt. <strong>Die</strong><br />
Analyse ist dabei anhand der jeweiligen thematischen Inhalte der Regelungswerke<br />
ausgerichtet.<br />
1. Maritimer Terrorismus<br />
Für Terrorakte auf See sind die Genfer Konvention <strong>des</strong> Seerechts <strong>von</strong> 1958 179 , das<br />
UN-Seerechtsübereinkommen (SRÜ) <strong>von</strong> 1982 180 , das Übereinkommen zur Bekämpfung<br />
widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt 181 sowie das<br />
Protokoll zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit fester<br />
Plattformen, die sich auf dem Festlandsockel befinden 182 , einschlägig.<br />
a) 1958 Genfer Konvention <strong>des</strong> Seerechts und das 1983 Seerechtsübereinkommen<br />
Akte <strong>des</strong> maritimen Terrorismus entsprechen Handlungen der Piraterie. <strong>Die</strong> Genfer<br />
Seerechtskonvention <strong>von</strong> 1958 kodifiziert in Art. 15 die Piraterie als strafbare Handlung.<br />
<strong>Die</strong> Strafbarkeit der Piraterie wird in Art. 101 Seerechtsübereinkommen (SRÜ)<br />
bekräftigt und neu normiert. 183 Gemäß Art. 101 a lit. ii SRÜ sind sowohl Akte der<br />
Schiffspiraterie als auch der Luftpiraterie auf hoher See strafbar, begangen „an einem<br />
Ort, der keiner staatlichen Hoheitsgewalt untersteht“. Art. 101 SRÜ pönalisiert damit<br />
jegliche Form der Entführung und Besetzung <strong>von</strong> Verkehrsmaschinen auf hoher See,<br />
die sich außerhalb staatlicher Jurisdiktion befinden. Beide Vertragswerke legen ihren<br />
Fokus ausschließlich auf nicht näher spezifizierte private Handlungen <strong>von</strong> Gewalt gegen<br />
Passagiere oder die Besatzung eines Schiffes oder Flugzeuges; politisch motivierte<br />
Terrorhandlungen fallen nicht in den Anwendungsbereich. 184 <strong>Die</strong> Vertragswerke begründen<br />
keine Verpflichtung aut dedere aut iudicare. <strong>Die</strong>s ist insofern abdingbar, als<br />
179 Convention on the High Seas v. 29.04.1958, in Kraft getreten am 30.09.1962.<br />
180 Law of the Seas Convention v. 10.12.1982, in Kraft getreten am 16.11.1994.<br />
181 Convention for the Suppression of Unlawful Acts Against the Safety of Maritime Navigation v. 10.03.1988,<br />
in Kraft getreten am 01.03.1993.<br />
182 Protocoll for the Suppression of Unlawful Acts Against the Safety of Fixed Platforms Located on the Continental<br />
Shelf v. 10.03.1988, in Kraft getreten am 01.03.1992.<br />
183 Art. 101 SRÜ: “Piracy consists of any of the following acts:<br />
(a) any illegal acts of violence or detention, or any act of depredation, committed for private ends<br />
by the crew or the passengers of a private shop or aircraft, and directed:<br />
(i) on the high seas, against another ship or aircraft, or against persons or property on<br />
board such ship or aircraft;<br />
(ii) against a ship, aircraft, persons or property in a place outside the jurisdiction of any<br />
state<br />
(b) any voluntary act of participation in the operation of a ship or of an aircraft with knowledge of<br />
facts making a pirate ship or aircraft;<br />
(c) any act inciting or intentionally facilitating an act <strong>des</strong>cribed in subparagraph (a) or (b).”<br />
184 Friedlander, in: Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Vol. 4, 2000, 847.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 45<br />
dass für die Piraterie auf hoher See diese Regel aus dem Völkergewohnheitsrecht abgeleitet<br />
werden kann. 185<br />
b) Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die<br />
Sicherheit der Seeschifffahrt (1988); Protokoll zur Bekämpfung widerrechtlicher<br />
Handlungen gegen die Sicherheit fester Plattformen, die sich auf dem<br />
Festlandsockel befinden (1988)<br />
Aus moderner Sicht konzentriert sich Piraterie auf hoher See zuvörderst auf weiterentwickelte<br />
Angriffsformen auf Schiffe, aber auch auf die Gefährdung der in der hohen<br />
See befestigten Inseln und Anlagen. <strong>Die</strong> IMO hat hierfür eine spezielle<br />
Konvention und ein ergänzen<strong>des</strong> Protokoll entwickelt, um derartige Terroraktionen zu<br />
bekämpfen. Sowohl die Konvention als auch das Protokoll <strong>von</strong> 1988 wurden als Reaktion<br />
auf den Überfall und die Besetzung <strong>des</strong> Passagierschiffes „Achille Lauro“ verabschiedet.<br />
<strong>Die</strong> Sprache und juristische Normierung der Tatbestände in den<br />
Vertragswerken ist stark an die Anti-Terrorismus-Abkommen aus dem Bereich der<br />
Flugsicherung angelehnt. 186 <strong>Die</strong> 1988 in Rom verabschiedete Konvention bestimmt die<br />
Strafbarkeit für solche Terrortaten, die gemäß Art. 3 Abs. 1 „widerrechtlich und vorsätzlich“<br />
begangen wurden und tatbestandsmäßig i. S. d. Art. 3 sind. 187 <strong>Die</strong> Akte <strong>des</strong><br />
Terrorismus, die das Protokoll adressiert, sind fast identisch mit den Normen der Rom-<br />
Konvention, vgl. Art. 2 <strong>des</strong> Protokolls. Sie variieren nur insoweit als dies für die Unterscheidung<br />
zwischen Schiffen und befestigten Anlagen notwendig ist. 188 Beide Vertragswerke<br />
nehmen sich zum Ziel sicherzustellen, dass Straftäter, die sich u. a. der<br />
gewaltsamen Übernahme <strong>von</strong> Schiffen, der Gewaltanwendung gegen Personen an<br />
Bord oder der Unterbringung <strong>von</strong> Instrumenten, die zur Zerstörung oder Beschädigung<br />
<strong>des</strong> Schiffes führen, verfolgt werden und die Vertragsstaaten die Täter der Strafverfolgung<br />
zuführen oder ausliefern (aut dedere aut iudicare).<br />
185 Bereits im 16. Jahrhundert wurde die Piraterie als Straftat nach Völkerrecht behandelt, und traditionell wurden<br />
Piraten als hostes humani generis angesehen. <strong>Die</strong> Ächtung der Piraterie war damit das erste <strong>völkerrechtliche</strong><br />
Verbrechen, welches in allen Jurisdiktionen strafbar war und <strong>von</strong> den Staaten universell verfolgt werden konnte.<br />
S. Andreu-Guzman (Hrsg.), Terrorisme et Droits de l’Homme, 2001, 198; Friedlander, in: Bernhardt (Hrsg.),<br />
Encyclopedia of Public International Law, Vol. 4, 2000, 846. Vgl. auch US vs. Smith, 5 Wheat. 153 (1820).<br />
186 S. unter C. I. 2.<br />
187 Art. 3 Abs. 1:<br />
(a) „seizes or exercises control over a ship by force or threat thereof or any other form of intimidation; or<br />
(b) performs an act of violence against a person on board a ship if that act is likely to endanger the safe<br />
navigation of that ship; or<br />
(c) <strong>des</strong>troys a ship or causes damage to a ship or to its cargo which is likely to endanger the safe navigation<br />
of that ship; or,<br />
(d) places or causes to be placed on an ship […] a device or substance which likely to <strong>des</strong>troy that ship, or<br />
cause damage to that ship or its cargo which endangers or is likely to endanger the safe navigation of<br />
that ship; or,<br />
(e) <strong>des</strong>troys or seriously damages maritime navigation facilities or seriously interferes with their operation,<br />
if any such acts is likely to endanger the safe navigation of a ship; or,<br />
(f) communicates false information, thereby endangering the safe navigation of that ship; or,
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 46<br />
c) Analyse<br />
Zeigte sich die Piraterie als frühzeitige und traditionelle Bedrohung der Völkergemeinschaft<br />
und konnte sie als erstes <strong>völkerrechtliche</strong>s Verbrechen qualifiziert werden, so<br />
wird die Bedrohung für Schiffe, Flugzeuge oder installierte Anlagen auf hoher See<br />
durch Terroranschläge in der Gegenwart als eher gering eingeschätzt. 189 Piraterie als<br />
globale Bedrohung ist heute in der Tat selten, dennoch enthält sie alle Charakteristika,<br />
um sie als Erscheinungsform <strong>des</strong> Terrorismus zu qualifizieren.<br />
Piraterie auf hoher See tritt heute hauptsächlich in begrenzten geographischen Gebieten<br />
auf. Insbesondere in den Gewässern <strong>des</strong> Südpazifiks und der unübersichtlichen Inselwelt<br />
Südostasiens sowie vor der afrikanischen Küste nehmen bewaffnete Piratenund<br />
Raubüberfälle auf den internationalen Schiffsverkehr stetig zu. 190 Allgemein wird<br />
mit einer hohen Dunkelziffer gerechnet. 191 Eine diesbezügliche Strafverfolgung erfolgt<br />
eher selten; vermutet wird, dass lokale Behörden mit Piraten zusammenarbeiten und<br />
ihnen Informationen und Schutz gewähren. 192<br />
Zeichnet sich die Mehrheit <strong>des</strong> <strong>modernen</strong> Piratenunwesens durch Übergriffe mit vorwiegend<br />
kriminellem Hintergrund aus, wachsen auch in diesem Bereich die Gefahren<br />
durch terroristische Angriffe. 193 In Reaktion auf die Anschläge vom 11. September<br />
2001 hat die IMO ein neues maritimes Sicherheitskonzept – das 2005 Protokoll zum<br />
Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit<br />
der Seeschifffahrt – erarbeitet, welches auf die Absicherung der internationalen Schiff-<br />
(g) injures or kills any person, in connection with the commission or the attempted commission of any of<br />
the offenses set forth in subpargraphs (a) to (f)“.<br />
188 Lambert, Terrorism and Hostages in International Law, 1990, 53.<br />
189 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 91.<br />
190 <strong>Die</strong> Mehrzahl der Übergriffe wird aus indonesischen Gewässern, Bangla<strong>des</strong>ch, Indien, aus Somalia und Nigeria<br />
vermeldet. Bevorzugte Anriffsobjekte sind Frachtschiffe, Massengutfrachter, Öltanker sowie Tanker mit<br />
chemischen und anderen Produkten. <strong>Die</strong> meisten Überfälle ereignen sich auf hoher See. Vgl. Walter,<br />
http://www.esys.org/piraterie.html (11.02.2004).<br />
191 Witthöft, http://www.bluewater.de/pirat2.htm (11.02.2004).<br />
192 Bislang ist erst ein Fall aus dem Jahr 1998 bekannt, in dem ein Flaggenstaat die Auslieferung <strong>von</strong> Piraten<br />
vom Gewahrsamsstaat verlangte. Vgl. Witthöft, http://www.bluewater.de/pirat2.htm (11.02.2004).<br />
193 95 Staaten sind dem Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der<br />
Seeschifffahrt bislang beigetreten, 37 da<strong>von</strong> nach den Anschlägen <strong>des</strong> 11.09.2001 (Stand 11.02.2004). Im Bereich<br />
der Sicherheit der Seeschiffahrt außerhalb der IMO zeigen sich die USA als Vorreiter: Nach den Anschlägen<br />
<strong>des</strong> 11. September 2001 haben sie die sog. Container Security Initiative lanciert, die sich mit dem<br />
Monitoring <strong>von</strong> Schiffsgütern, insbesondere <strong>von</strong> kritischen (biologischen, chemischen und nuklearen) Materialien,<br />
beschäftigt. Es wird an einer Datenbank über den Inhalt <strong>von</strong> Gütern gearbeitet sowie an der Harmonsierung<br />
<strong>von</strong> Hafenvorschriften. Es ist zu hoffen, dass diese US-Bemühungen der IMO zugeleitet und auf internationaler<br />
Ebene ausgebaut werden. Darüber hinaus haben die USA informelle, bilaterale Vereinbarungen mit mehr als 80<br />
Staaten über Fragen der Containersicherheit und Eingriffsbefugnisse in der Schiffsüberwachung getroffen, die<br />
sog. Proliferation Security Initiative (PSI).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 47<br />
fahrt vor Terrorakten auf hoher See abzielt. 194 Speziell wird die Liste der in Art. 3 der<br />
Rom-Konvention bzw. der in Art. 2 <strong>des</strong> Protokolls normierten strafbaren Tatbestände<br />
um sieben neue Tathandlungen erweitert. Damit soll sichergestellt werden, dass ein<br />
weites Spektrum an kriminellen und terroristischen Aktivitäten abgedeckt wird und<br />
sowohl die 1988 Konvention als auch das Protokoll den gestiegenen Anforderungen an<br />
die Schiffssicherheit entsprechen. 195<br />
Im Einzelnen wird das Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen<br />
gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt neu um Art. 3bis ergänzt. Danach begeht eine<br />
Person eine strafbare Handlung im Sinne der Konvention:<br />
„when the purpose of the act, by its nature or context, is to intimidate a population, or to<br />
compel a Government or an international organization to do or to obtain from any act:<br />
• uses against or on a ship or discharging from a ship any explosive, radioactive material<br />
or BCN (biological, chemical, nuclear) weapon in a manner that causes or is likely<br />
to cause death or serious injury or damage;<br />
• discharges, from a ship, oil, liquefied natural gas, or other hazardous or noxious substance,<br />
in such quantity or concentration that causes or is likely to cause death or serious<br />
injury or damage;<br />
• discharges, from a ship, oil, liquefied natural gas, or other hazardous or noxious substance,<br />
in such quantity or concentration that causes or is likely to cause death or serious<br />
injury or damage;<br />
• uses a ship in a manner that causes death or serious injury or damage;<br />
• transports on board a ship any explosive or radioactive material, knowing that it is intended<br />
to be used to cause, or in a threat to cause, death or serious injury or damage<br />
for the purpose of intimidating a population, or compelling a Government or an international<br />
organization to do or to abstain from doing any act;<br />
• transports on board a ship any BCN weapon, knowing it to be a BCN weapon;<br />
• any source material, special fissionable material, or equipment or material especially<br />
<strong>des</strong>igned or prepared for the processing, use or production of special fissionable material,<br />
knowing that it is intended to be used in a nuclear explosive activity or in any<br />
other nuclear activity not under safeguards pursuant to an IAEA comprehensive safeguards<br />
agreement; and<br />
194 Vgl. IMO-Resolution A.924(22), angenommen auf der Sitzung der 22nd Assembly: 19-30 November 2001.<br />
S. Report of the IMO Legal Committee - 83rd session: 8-12 October 2001; http://www.imo.org/Newsroom/<br />
mainframe.asp?topic_id=280&doc_id=1143 (11.02.2004).<br />
195 Vgl. International Conference on the Revision of the SUA Treaties, LEG/CONF.15/14 v. 20.09.2005.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 48<br />
• transports on board a ship any equipment, materials or software or related technology<br />
that significantly contributes to the <strong>des</strong>ign, manufacture or delivery of a BCN weapon,<br />
with the intention that it will be used for such purpose.“<br />
<strong>Die</strong> aufgelisteten, tatbestandlichen Neuerungen erweitern die IMO-Abkommen maßgeblich<br />
in Bezug auf den Kreis der strafbaren terroristischen Handlungen auf hoher<br />
See. Alle Tathandlungen betreffen terroristische Aktivitäten auf einem Schiff. Sie richten<br />
sich zum einen gegen den Gebrauch <strong>des</strong> Schiffes als Terrorwaffe sowie als Transportmittel<br />
<strong>von</strong> Substanzen, die für Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden<br />
können; zum anderen wird die Existenz <strong>von</strong> Werkzeugen oder Materialien an Bord eines<br />
Schiffes pönalisiert, die nicht notwendigerweise zum Betrieb eines Schiffes benötigt<br />
werden, sondern zur Anwendung <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen befähigen. Das<br />
2005 Protokoll kriminalisiert damit speziell die terroristischen Verhaltensweisen, die<br />
im Zusammenhang mit dem Besitz, Transport oder Gebrauch <strong>von</strong> tauglichen Instrumenten<br />
zur Massenvernichtung (A-, B- und C-Waffen) stehen. 196 Das Übereinkommen<br />
zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der<br />
Seeschifffahrt konnte damit um ein modernisiertes Spektrum terroristischer Handlungen<br />
erweitert werden. Das Vertragswerk kriminalisiert, wenn auch indirekt, als erstes<br />
multilaterales Anti-Terrorismus-Abkommen - und dies ist rechtspolitisch sehr zu begrüßen<br />
- den Aspekt „Terrorismus und Massenvernichtungswaffen“ im Bereich <strong>des</strong> internationalen<br />
Schiffsverkehrs.<br />
2. Terrorismus gegen die Zivilluftfahrt<br />
<strong>Die</strong> vorliegende Kategorie <strong>von</strong> Anti-Terrorismus-Abkommen im Bereich der Zivilluftfahrt<br />
hält vier Vertragswerke bereit, deren Fokus auf nicht näher spezifizierten privaten<br />
Gewalthandlungen gegen Passagiere oder Besatzungen <strong>von</strong> Zivilflugzeugen liegt.<br />
<strong>Die</strong> relevanten Dokumente wurden zwischen den Jahren 1963 und 1988 unter der Ägide<br />
der International Civil Aviation Organization (ICAO) verabschiedet und sind das<br />
Produkt einer Zeit, in der die internationale Zivilluftfahrt in erhöhtem Masse durch<br />
Terroranschläge und Flugzeugentführungen gefährdet war. 197<br />
196 Das 2005 Protokoll ist in Übereinstimmung mit der UN-Resolution 1540 (2004) ergangen; vgl. dazu unter C.<br />
II. 2. b).<br />
197 Zwischen den Jahren 1970-1972 waren Flugzeugentführungen ein häufiges Phänomen; seit 1972 fiel die Anzahl<br />
auf ca. 16 Entführungen pro Jahr zurück. Bombenattentate gegen oder an Bord eines Flugzeuges hielten<br />
vermehrt auch noch bis 1988 vor, siehe das Attentat auf die PAN AM Fluglinie im Fall Lockerbie. S. Bassiouni,<br />
International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 119. Vgl. Murphy, Punishing International Terrorists,<br />
1985, Table 5.1. Domestic and Foreign Aircraft Hijackings, 1977-1982, 110; Maskaliunaite, Baltic Defence Law<br />
Review 2002, 36 (39); Levitt, Democracies against Terror: The Western Response to State-Supported Terrorism,<br />
1988, 8 ff.; Wilkinson, Terrorism versus Democracy, 2000, 157 ff.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 49<br />
a) 1963 Abkommen über strafbare und andere bestimmte an Bord <strong>von</strong> Luftfahrzeugen<br />
begangene Handlungen 198<br />
<strong>Die</strong> 1963 in Tokio verabschiedete Konvention ist die erste Anti-Terrorismus-<br />
Konvention, die sich mit der Regelung einer speziellen terroristischen Erscheinungsform,<br />
hier der Luftpiraterie 199 , beschäftigt. Generell befasst sich die Konvention mit<br />
Straftaten, die an Bord eines Flugzeuges begangen werden, jedoch sind die Bestimmungen<br />
in der Konvention sehr vage gehalten. Der Akt der Flugzeugentführung wird<br />
nicht definiert und erhält mithin keine strafrechtlich relevanten Konturen. <strong>Die</strong> Konvention<br />
zielt primär darauf ab, bestehende Lücken in der Jurisdiktion über solche Terrorakte<br />
zu schließen, die an Bord eines zivilen Verkehrsflugzeuges begangen werden.<br />
Handlungen an Bord <strong>von</strong> Militär, Zoll- oder Polizeimaschinen sind vom Anwendungsbereich<br />
der Konvention ausgenommen, Art. 1 Abs. 4. <strong>Die</strong> Konvention verlangt<br />
in Art. 3 <strong>von</strong> den Vertragsstaaten, dass sie alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um<br />
die Ausübung ihrer Jurisdiktion über Handlungen der Luftpiraterie an Bord der <strong>von</strong><br />
ihnen registrierten Flugzeugen sicherzustellen. Ferner werden Modalitäten der Ergreifung<br />
<strong>von</strong> Tätern, deren Auslieferung, die Wiedergabe <strong>von</strong> Flugzeug und Fracht sowie<br />
die Wiederherstellung der Ordnung an Bord eines Flugzeuges und <strong>des</strong>sen Weiterflug<br />
adressiert, vgl. Art. 6-15.<br />
Das Abkommen über strafbare und andere bestimmte an Bord <strong>von</strong> Luftfahrzeugen begangene<br />
Handlungen hat sich als unzureichen<strong>des</strong> Instrument zur Unterdrückung und<br />
Kontrolle <strong>von</strong> Handlungen der Luftpiraterie erwiesen. 200 <strong>Die</strong> Konvention enthält weder<br />
eine Definition strafbaren terroristischen Verhaltens noch benennt sie konkrete Delikte,<br />
über welche die Vertragsstaaten ihre Strafbarkeit errichten sollen. Eine<br />
Verpflichtung aut dedere aut iudicare begründet die Konvention nicht.<br />
b) 1970 Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme<br />
<strong>von</strong> Luftfahrzeugen 201<br />
Das Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme <strong>von</strong> Luftfahrzeugen<br />
<strong>von</strong> 1970 stellt eine Erweiterung <strong>des</strong> Abkommens über strafbare und andere<br />
bestimmte an Bord <strong>von</strong> Luftfahrzeugen begangene Handlungen dar, indem sie für<br />
den Akt der Flugzeugentführung Strafbarkeit begründet, Art. 2, sowie in Art. 7 die<br />
198 Convention on Offences and Certain Other Acts Committed on Board Aircraft (Tokyo Hijacking Convention)<br />
v. 14.09.1963, in Kraft getreten am 04.12.1969; United Nations Treaty Series, vol. 704, No. 10106.<br />
199 Bassiouni spricht <strong>von</strong> Terrorakten gegen die internationale Zivilluftfahrt als “air piracy”. S. Bassiouni, Introduction<br />
to International Criminal Law, 2003, 150.<br />
200 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 119; Lambert, Terrorism and Hostages in<br />
International Law, 1990, 51 f.<br />
201 Hague Convention for the Suppression of Unlawful Seizure of Aircraft (Hague Hijacking Convention) v.<br />
16.12.1970, in Kraft getreten am 14.10.1971, United Nations, Treaty Series, Vol. 860, No. 12325.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 50<br />
Vertragsstaaten zur Auslieferung oder zur Strafverfolgung der Täter auffordert. Strafbares<br />
Verhalten liegt gemäß Art. 1 der Konvention dann vor, wenn eine Person in Täterschaft,<br />
Versuch oder Teilnahme:<br />
„on board an aircraft in flight [...] unlawfully, by force or threat thereof, or by any<br />
other form of intimidation, seizes, or exercises control of, that aircraft [...] commits an<br />
offence.”<br />
<strong>Die</strong> Staaten sind nach der Konvention gehalten, ihre Zuständigkeit über Akte der<br />
Luftpiraterie zu errichten und die Täter einer Strafverfolgung zuzuführen; der Schwerpunkt<br />
liegt hier auf der Maxime: Auslieferung oder Strafverfolgung, vgl. Art. 7.<br />
c) 1971 Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen<br />
die Sicherheit der Zivilluftfahrt 202<br />
Ebenso wie die zuvor benannten <strong>völkerrechtliche</strong>n Abkommen regelt das Übereinkommen<br />
zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt<br />
Fragen der internationalen Flugsicherung im zivilen Luftverkehr, doch geht<br />
sie über den Akt der Flugzeugentführung hinaus und erfasst ferner jene Handlungen,<br />
die im Zusammenhang mit dem generellen Flugbetrieb einer Verkehrsmaschine stehen.<br />
<strong>Die</strong> vorliegende Konvention stellt ein ergänzen<strong>des</strong> Abkommen dar, welches terroristische<br />
Gewaltakte während <strong>des</strong> Flugvorganges sowie Zerstörungshandlungen an<br />
Flugzeugen während <strong>des</strong> Flugbetriebs in seinen Anwendungsbereich mit einschließt.<br />
203 Art. 1 der Konvention normiert die Strafbarkeit für Akte der Zerstörung<br />
oder Beschädigung <strong>von</strong> Flugzeugen während <strong>des</strong> Fluges oder auf dem Boden - wo die<br />
Maschinen Passagiere oder Gepäck laden, auf den Abflug vorbereitet oder repariert<br />
werden - und diese Handlungen den Betrieb und die Sicherheit <strong>des</strong> Flugverkehrs beeinträchtigen,<br />
vgl. Art 1. 204 Das Abkommen sieht ebenfalls die aut dedere aut iudicare-Regel<br />
vor, wobei der Auslieferung an den Heimatstaat der Vorrang vor der<br />
Strafverfolgung durch den Gewahrsamsstaat einzuräumen ist, Art. 7.<br />
202 Montreal Convention for the Suppression of Unlawful Acts Against the Safety of Civil Aviation (Montreal<br />
Hijacking Convention) v. 23.09.1971, in Kraft getreten am 26.01.1973, United Nations Treaty Series, vol. 974,<br />
No. 14118.<br />
203 Mauruhn, Terrorism, in: Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public Internation Law, Vol. 4, 2000, 853.<br />
204 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 119 f. Art. 1 Montreal Konvention lautet:“Any<br />
person commits an offence if he unlawfully and intentionally:<br />
(a) performs an act of violence against a person on board an aircraft in flight if that act is likely to endager<br />
the safety of that aircraft; or<br />
(b) <strong>des</strong>troys an aircraft in service or causes damage to such aircraft which renders it incapable of flight or<br />
which is likely to endanger its safety in flight; or<br />
(c) places or causes to be placed on an aircraft in service, by any means whatsoever, a device or substance<br />
which is likely to <strong>des</strong>troy that aircraft, or to cause damage to it which renders it incapable of flight, or to<br />
cause damage to it which is likely to endanger its safety in flight; or
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 51<br />
d) 1988 Protokoll zur Bekämpfung widerrechtlicher Gewalthandlungen an internationalen<br />
Flughäfen 205<br />
Als Reaktion auf den Rückgang <strong>von</strong> Flugzeugentführungen gegen Ende der 70er Jahre<br />
und den Zuwachs <strong>von</strong> Attentaten auf Flugeinrichtungen am Boden 206 verlagerte sich<br />
der Fokus normsetzender ICAO-Tätigkeit auf andere Sicherheitsgefahren gegen die internationale<br />
Zivilluftfahrt: Das 1988 Montrealer Protokoll pönalisiert die Sabotage, die<br />
Unterbringung <strong>von</strong> Bomben sowie die Begehung <strong>von</strong> Attentaten auf dem Flughafengelände.<br />
Das Protokoll bezieht sich dabei auf Anschläge auf zivile Flughäfen; Schutzobjekte<br />
sind hier die Reisenden und Angestellten als Opfer solcher Attacken sowie<br />
Flughafeneinrichtungen. 207 Das 1988 Montrealer Protokoll ergänzt mit der Auflistung<br />
weiterer Delikte den Art. 1 <strong>des</strong> Montrealer Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher<br />
Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt und ist ausschließlich<br />
im Zusammenhang mit dieser Konvention zu interpretieren.<br />
e) Analyse<br />
Das Zustandekommen der Anti-Terrorismus-Abkommen im Bereich der internationalen<br />
Zivilluftfahrt ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich internationale Normen mit<br />
Strafcharakter im Bereich <strong>des</strong> Völkerstrafrechts entwickeln: Je stärker ein kriminelles<br />
Phänomen zu Tage tritt (Attentate auf den internationalen zivilen Flugverkehr), je intensiver<br />
werden internationale Regelungen verabschiedet (vier <strong>völkerrechtliche</strong> Abkommen<br />
innerhalb <strong>von</strong> 15 Jahren), die im Laufe der Zeit an Bestimmtheit in der<br />
strafrechtlichen Normierung gewinnen. 208 Generell haben alle vier Abkommen Handlungen<br />
der Luftpiraterie zum Inhalt; im Besonderen befasst sich je<strong>des</strong> einzelne der<br />
Abkommen mit einem diesbezüglichen spezifischen Terrorverhalten.<br />
(d) <strong>des</strong>troys or damages air navigation facilities or interferes with their operation, if any such acts is likely<br />
to endanger the safety of aircraft in flight; or<br />
(e) communicates information which he knows to be false, thereby endangering the safety of an aircraft in<br />
flight. […]”<br />
205 Montreal Protocoll on the Suppression of Unlawful Acts of Violence at Airports Serving International Civil<br />
Aviation v. 24.02.1988, in Kraft getreten am 06.08.1989, ICAO Doc. 9518.<br />
206 Zwischen 1992 und 1996 wurden weltweit in 59 Flughäfen Attentate verübt. S. Bassiouni, International Terrorism:<br />
Multilateral Conventions, 2001, 120.<br />
207 Art. II 1bis Montreal Protocoll:<br />
“Any person commits an offence if he unlawfully and intentionally, using ny device , substance or weapon:<br />
(a) performs an act of violence against a person at an airport serving international civil aviation which<br />
causes or is likely to cause serious injury or death; or<br />
(b) <strong>des</strong>troys or seriously damages the facilities of an airport serving international aviation or aircraft<br />
not in service located thereon or disrupts the services of the airport,<br />
if such an act endangers or is likely to endanger safety at that airport.“<br />
208 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 119; ders. Introduction to International<br />
Criminal Law, 2003, 134 ff., 150.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 52<br />
In der Gesamtschau lassen die Anti-Terrorismus-Abkommen im Bereich der internationalen<br />
Zivilluftfahrt Defizite erkennen; eine umfassende Handhabung <strong>des</strong> Problems<br />
der „air piracy“ und der damit zusammenhängenden Taten findet nicht statt. Indem die<br />
Abkommen ausschließlich nicht-staatliche Gewalthandlungen gegen Personen an Bord<br />
<strong>von</strong> Flugzeugen, die rechtswidrige Inbesitznahme der Maschinen oder deren Gefährdung<br />
sowie die Beeinträchtigung der für den Flugbetrieb relevanten Einrichtungen adressieren,<br />
vermeiden sie die Einbeziehung politisch motivierten Verhaltens in den<br />
Kreis der strafbaren Handlungen. Auch werden Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus nicht durch<br />
die Abkommen abgedeckt. Hinsichtlich der aut dedere aut iudicare-Verpflichtung der<br />
Vertragsstaaten ist die Formulierung der Abkommen nicht eindeutig. So stellt etwa das<br />
Montrealer Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die<br />
Sicherheit der Zivilluftfahrt in Art. 7 und Art. 8 nicht klar, welcher der beiden Pflichten<br />
der Vorrang zu gewähren ist. Ebenso enthalten diese Artikel keinerlei Aussage<br />
darüber, dass sowohl bei einer Strafverfolgung im Gewahrsamsstaat als auch bei der<br />
Auslieferung an den Heimatstaat <strong>des</strong> Verdächtigen effektiver Rechtsschutz und eine<br />
faires Verfahren gewährleistet werden müssen. 209 Der Mangel an Präzision hinsichtlich<br />
der Frage <strong>des</strong> Vorrangs der Auslieferung vor Strafverfolgung führte zur langjährigen<br />
Auseinandersetzung zwischen den USA und Großbritannien mit Libyen über die<br />
Auslieferung der mutmaßlichen Lockerbie-Attentäter. 210 Ferner ist den Anti-<br />
Terrorismus-Konventionen gegen die Zivilluftfahrt gemein, dass sie keine obligatorischen<br />
Durchsetzungsmechanismen beinhalten. <strong>Die</strong> Auslieferungspraxis <strong>von</strong> Terroristen<br />
zeigte sich in der Vergangenheit eher willkürlich, und die Kooperation unter den<br />
Staaten in diesem Bereich ist defizitär. In Anbetracht der zweideutigen und zum Teil<br />
unvollständigen Konventionsbestimmungen ist hier ist eine Zusammenfassung und<br />
Vereinheitlichung der Konventionen in einem einheitlichen <strong>völkerrechtliche</strong>n Regelungswerk<br />
angebracht. 211<br />
209 Dazu Bassiouni/Wise, Aut Dedere Aut Iuducare: The Duty to Prosecute or Extradite in International Law,<br />
1995, 58 ff.<br />
210 Im Fall Lockerbie kam es am 21. Dezember 1988 zu einem Bombenattentat auf ein Flugzeug der PAN AM-<br />
Fluglinie, bei dem bei der britischen Ortschaft Lockerbie 259 Passagiere und 11 Einwohner den Tod fanden. Der<br />
Fall zog eines der umfangreichsten Ermittlungsverfahren nach sich; ferner rief er komplexe <strong>völkerrechtliche</strong><br />
Rechtsfragen auf. Ende 1991 forderten die USA Libyen zunächst zur Auslieferung der libyschen Attentäter für<br />
einen Prozess vor einem US-amerikanischen Gericht auf. Trotz wiederholter Aufforderungen durch den UN-<br />
Sicherheitsrat (S/Res/731 (1992) v. 21.01.1992 und S/Res/748 (1992) v. 31.03.1992), dem amerikanischen Auslieferungsersuchen<br />
nachzukommen, weigerte sich Libyen. Erst 1999 einigten sich die Parteien darauf, in den<br />
Niederlanden ein schottisches Gericht einzurichten und die mutmaßlichen libyschen Attentäter sodann der schottischen<br />
Gerichtsbarkeit zu unterwerfen. <strong>Die</strong> Täter wurden am 05.04.1999 an die Niederlande ausgeliefert. Der<br />
Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Terroristen endete am 31. Januar 2001 mit einem Freispruch und einer<br />
Verurteilung zu 20 Jahren Haft. S. Paech/Stuby, Vökerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen,<br />
2001, 413; Bassiouni/Wise, Aut Dedere Aut Iuducare: The Duty to Prosecute or Extradite in International<br />
Law, 1995, 58 ff.; Case Concerning Questions of Interpretation and Application of 1971 Montreal Convention<br />
Arising from Aerial Incident at Lockerbie, Libya v. United Kingdom, 1992 I.C.J. 3 (Apr. 14); Libya v. United<br />
States, 1992 I.C.J. 114 (Apr. 14); 1992 I.C.J. 231 (June 14); 1995 I.C.J. 90 (Sept. 22); 1995 I.C.J. 282 (Sept. 22).<br />
211 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 120.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 53<br />
Konnte auch gegen Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre aufgrund gestiegener Sicherheitsvorkehrungen<br />
im Betrieb und der Abfertigung <strong>des</strong> zivilen Flugverkehrs ein Rückgang<br />
<strong>von</strong> Terroranschlägen auf diesem Sektor verzeichnet werden 212 , ist diese<br />
Bedrohungssituation für den internationalen Flugverkehr seit dem 11. September 2001<br />
wieder allgegenwärtig. <strong>Die</strong> ICAO hat in der Resolution A33-1 die waffengleiche Verwendung<br />
<strong>von</strong> Zivilflugzeugen als neue terroristische Bedrohung verurteilt und eine<br />
Überprüfung sämtlicher ICAO-Übereinkommen auf ihre moderne Anti-Terror-<br />
Tauglichkeit angekündigt. 213 <strong>Die</strong> Hinwendung zur Aufnahme neuer Gefahren durch<br />
Massenvernichtungswaffen in den Anwendungsbereich der Konventionen ist dabei<br />
bislang unterblieben.<br />
Mit Blick auf die traditionelle Ausgestaltung der strafbaren Handlungen in den ICAO-<br />
Übereinkommen, die im Zusammenhang mit Angriffen gegen die Zivilluftfahrt stehen,<br />
ist fraglich, ob Akte der Flugzeugentführung zu solchen völkerrechtlich relevanten<br />
Handlungen zählen, die sich gegen die „security of mankind“ richten und damit u. U.<br />
als <strong>völkerrechtliche</strong>s Verbrechen qualifizieren. Bislang gab es im <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Schrifttum keinen Konsens darüber, ob die Flugzeugentführung und damit zusammenhängende<br />
Delikte ein Verbrechen nach Völkergewohnheitsrecht darstellen. <strong>Die</strong> Anschläge<br />
vom 11. September 2001 und die neuartige Verwendung <strong>von</strong><br />
Passagiermaschinen als Waffe sprechen dafür, dass diese Beurteilung <strong>von</strong> Terrorakten<br />
im Bereich der internationalen Zivilluftfahrt in der Gegenwart seine Bestätigung findet.<br />
3. Regelungswerke betreffend <strong>des</strong> Schutzes <strong>von</strong> Personen<br />
<strong>Die</strong>se Kategorie <strong>von</strong> Anti-Terrorismus-Abkommen zum Schutz <strong>von</strong> Personen beinhaltet<br />
drei <strong>völkerrechtliche</strong> Abkommen, die zwischen den Jahren 1973 und 1994 ausgearbeitet<br />
wurden. Schutzobjekt aller drei Regelungswerke sind Personen, die entweder als<br />
Geiseln genommen werden oder solche, die bestimmte öffentliche Funktionen wahrnehmen<br />
und <strong>des</strong>halb durch terroristische Akte besonders gefährdet sind. Hierunter fallen<br />
Diplomaten und andere, mit Immunität ausgestattete, Personen, wie<br />
Staatsoberhäupter und deren Familienangehörige sowie Mitarbeiter der Vereinten Nationen.<br />
Der Schutz <strong>von</strong> Staatsoberhäuptern und Diplomaten entstammt dem Völkergewohnheitsrecht;<br />
diesbezügliche strafrechtliche Normen sind allerdings neueren<br />
Ursprungs und finden ihre Quelle im Völkerstrafrecht. 214 Angriffe auf Diplomaten und<br />
212 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 120.<br />
213 A331-1: Declaration on Misuse of Civil Aircraft as Weapons of Destruction and Other Terrorist Acts Involving<br />
Civil Aviation. http://www.icao.int/icao/en/res/a33_1.htm (12.02.2004).<br />
214 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 147; Levitt, Democracies Against Terrorism:<br />
The Western Response to State-Supported Terrorism, 1988, 11 ff.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 54<br />
staatliche Funktionsträger durch Terroristengruppen oder Individuen sind kein neues<br />
Phänomen. Sie haben, das zeigt die Geschichte, und speziell die <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts,<br />
eine häufige und wichtige Rolle in der Weltpolitik eingenommen. Waren dabei die<br />
Vorfälle im Einzelnen durch verschiedene Hintergründe und Ergebnisse gekennzeichnet,<br />
so erwies sich eine Charakteristik als homogen: Ohne Ausnahme waren bei Angriffen<br />
auf Diplomaten und international geschützte Personen politische Motive im<br />
Spiel; Ziel war es, staatliche Regierungen zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen<br />
zu zwingen. 215<br />
a) 1973 Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung <strong>von</strong><br />
Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen, einschließlich Diplomaten<br />
Insbesondere Anfang der 70er Jahre häuften sich internationale Terroranschläge gegen<br />
Diplomaten und staatliche Funktionsträger. Angesichts der Zunahme derartiger Vorfälle,<br />
deren Häufigkeit und der zunehmenden Schwere der Attacken war die Staatengemeinschaft<br />
gezwungen, sich <strong>des</strong> Problems auf internationaler Ebene anzunehmen<br />
und effektive Maßnahmen zum Schutz dieser Personengruppen zu beraten. 216 Innerhalb<br />
der Vereinten Nationen blieb zunächst strittig, in welchem Gremium dies geschehen<br />
sollte und ob angesichts bereits existierender <strong>völkerrechtliche</strong>r Regelungen auf<br />
dem Gebiet <strong>des</strong> Personen- und Diplomatenschutzes eine spezielle Konvention notwendig<br />
ist. 217 Aufbauend auf den ILC Draft Articles on Representation of States and<br />
their Relations with International Organizations 218 wurde am 14. Dezember 1973 das<br />
Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung <strong>von</strong> Straftaten gegen<br />
völkerrechtlich geschützte Personen, einschließlich Diplomaten verabschiedet. 219<br />
Gemäß Art. 1 Abs. 1 umfasst der Anwendungsbereich der Konvention ratione personae<br />
Opfer politisch motivierten Terrorverhaltens: Diplomatisches Personal und andere<br />
Personen, die unter dem speziellen Schutz <strong>des</strong> Völkerrechts stehen, wie Staats- und<br />
Regierungschefs, Außenminister, Vertreter internationaler Organisationen sowie internationale<br />
Funktionsträger und deren Familienangehörige. Wer Angreifer im Sinne der<br />
Konvention ist, wird durch das Abkommen nicht definiert, sondern den Staaten und ihren<br />
jeweiligen Rechtsordnungen überlassen. Art. 2 bestimmt den Anwendungsbereich<br />
215 Bloomfield/FitzGerald, Crimes against Internationally Protected Persons: Prevention and Punishment. An<br />
Analysis of the UN Convention, 1975, 1.<br />
216 Bloomfield/FitzGerald, Crimes against Internationally Protected Persons: Prevention and Punishment. An<br />
Analysis of the UN Convention, 1975, 49.<br />
217 Ausführlich dazu Bloomfield/FitzGerald, Crimes against Internationally Protected Persons: Prevention and<br />
Punishment. An Analysis of the UN Convention, 1975, 47 ff.<br />
218 1971 II Yearbook ILC, 278-338.<br />
219 Convention on the Prevention and Punishment of Crimes Against Internationally Protected Persons, Including<br />
Diplomatic Agents (Diplomats Convention) v. 14.12.1974, U.N. Doc. A/Res. 3166 (XXVIII); 13 I.L.M. 41.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 55<br />
ratione materiae. Hierunter fallen Mord, Geiselnahme oder sonstige Angriffe auf das<br />
Leben oder die Freiheit einer international geschützten Person. Unter „sonstigem Angriff“<br />
wird dabei jede Handlungsweise verstanden, welche eine ähnliche Schwere wie<br />
Mord und Geiselnahme aufweist. 220 Art. 2 Abs. 2 bestimmt, dass die Staaten für die<br />
genannten Taten nationale Strafbarkeit etablieren; ferner haben sie entsprechende Jurisdiktion<br />
zu errichten, Art. 3. Des Weiteren hält die Konvention Bestimmungen über<br />
die Festnahme, Strafverfolgung oder die Auslieferung mutmaßlicher Täter bereit. So<br />
verpflichtet Art. 7 die Staaten zur Strafverfolgung oder Auslieferung, aut dedere aut<br />
iudicare. <strong>Die</strong> Ausgestaltung <strong>von</strong> Art. 7 mit seiner Verpflichtung zur unbedingten<br />
Strafverfolgung im Falle der Nichtauslieferung ist dabei dem Art. 7 <strong>des</strong> Haager Übereinkommens<br />
zur Bekämpfung widerrechtlicher Inbesitznahme <strong>von</strong> Luftfahrzeugen sowie<br />
dem Montrealer Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen<br />
gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt nachgebildet.<br />
b) 1979 Internationale Konvention gegen Geiselnahme<br />
Zivilisten sind gegen Angriffe auf die Freiheit ihrer Person durch die 1979 Konvention<br />
gegen die Geiselnahme 221 geschützt. Neben dieser <strong>modernen</strong> vertraglichen Fixierung<br />
fußt das Verbot der Geiselnahme <strong>von</strong> Zivilisten ebenso auf dem humanitären Völkerrecht,<br />
wo die Geiselnahme seit langem als <strong>völkerrechtliche</strong>s Verbrechen anerkannt ist.<br />
So verbietet Art. 34 GA IV die Geiselnahme <strong>von</strong> Zivilisten im bewaffneten internationalen<br />
Konflikt; gemäß <strong>des</strong> gemeinsamen Art. III der Genfer Abkommen bezieht sich<br />
dieses Verbot auch auf bewaffnete Konflikte <strong>von</strong> nicht internationalem Charakter.<br />
Das Bemühen der UN, eine internationale Konvention gegen die Geiselnahme <strong>von</strong> Zivilisten<br />
zu erarbeiten, geht auf den Vorschlag der deutschen Bun<strong>des</strong>regierung zurück.<br />
Hintergrund der deutschen Initiative war die Botschaftsbesetzung in Stockholm durch<br />
das Holger Meins Kommando der RAF im April 1975. Der deutsche Vorschlag wurde<br />
1976 auf die Agenda der 31. Sitzung der UN-Generalversammlung gesetzt, und – nur<br />
zwei Monate nach der Geiselnahme und umstrittenen Militäraktion <strong>von</strong> Entebbe – im<br />
gleichen Gremium verhandelt. 222 Angesichts der weltweit eskalierenden Lage terroristischer<br />
Geiselnahmen 223 sah sich die internationale Gemeinschaft zu schnellem Han-<br />
220 Ausführlich dazu Bloomfield/FitzGerald, Crimes against Internationally Protected Persons: Prevention and<br />
Punishment. An Analysis of the UN Convention, 1975, 54.<br />
221 Convention Against the Taking of Hostages (Hostage Convention) v. 17.12.1979; in Kraft getreten am<br />
03.06.1980; United Nations Treaty Series, Vol. 1316, No. 21931.<br />
222 Dazu Lagoni, in: Funke (Hrsg.), Terrorismus, 1977, 259 (268 f.).<br />
223 <strong>Die</strong> Arbeit an der Konvention gegen die Geiselnahme wurde durch eine Reihe <strong>von</strong> dramatischen Geiselnahmen<br />
und militärischen Rettungsaktionen gekennzeichnet: so etwa die Entführung der Lufthansa-Maschine in<br />
Mogadischu (Somalien) im Jahr 1977 und die anschließende Befreiungsaktion durch das deutsche GSG 9, oder<br />
die Entführung einer ägyptischen Maschine in Larnaca, Zypern, und deren gewaltsame Befreiung durch ägyptische<br />
Truppen im Jahre 1978.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 56<br />
deln gezwungen und entschied sich, weder die langsam arbeitende ILC noch das in<br />
sich uneinige United Nations Committee on Terrorism mit der Ausarbeitung der Konvention<br />
zu beauftragen, sondern diese Aufgabe einem ad hoc-Komitee zu übertragen.<br />
224 Aufbauend auf dem deutschen Vorschlag wurde am 17. Dezember 1979 die<br />
Konvention gegen die Geiselnahme <strong>von</strong> der UN-Generalversammlung verabschiedet.<br />
Indem der einleitende Abschnitt 5 der Präambel explizit Bezug auf den internationalen<br />
Terrorismus nimmt, weist er die Konvention gegen die Geiselnahme als <strong>völkerrechtliche</strong>s<br />
Anti-Terrorismus-Instrument aus. 225 Der Verweis auf den internationalen Terrorismus<br />
wurde auf besonderen Wunsch der UdSSR mit der Zielsetzung eingeführt, dass<br />
die Konvention nur in Friedenszeiten Anwendung findet, für Geiselnahmen im bewaffneten<br />
Konflikt ausschließlich das Kriegsrecht einschlägig ist und ferner die Konvention<br />
nur Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus erfasst. 226 Art. 1 der Konvention<br />
definiert die Tatbestandselemente der Geiselnahme und normiert zudem die Strafbarkeit<br />
für Versuch und Teilnahme. Hiernach unternimmt jede Person den strafbaren Akt<br />
der Geiselnahme i. S. d. Konvention, wenn sie sich einer Geisel bemächtigt, eine Geisel<br />
festhält und diese bedroht, sie zu töten, zu verletzen oder fortwährend als Geisel zu<br />
nehmen, und damit das Ziel verfolgt wird, einen Staat, eine internationale Organisation<br />
oder jede natürliche oder juristische Person zu einem Verhalten zu zwingen. <strong>Die</strong> Formulierung<br />
„jede Person“ zielt auf die individuelle Verantwortlichkeit der Tat ab; hierunter<br />
fallen sowohl non-state actors als auch Personen, die in staatlicher Funktion<br />
agieren.<br />
Während Art. 2 die Strafbarkeit der Geiselnahme nach nationalem Recht verlangt, sind<br />
die Staaten nach Art. 5 gehalten, entsprechende Jurisdiktion über Straftaten <strong>des</strong> Art. 1<br />
zu errichten. Als zentrale Norm der Geiselnahme-Konvention sieht Art. 8 das aut dedere<br />
aut iudicare-Konzept vor. <strong>Die</strong> Formulierung der aut dedere aut iudicare-<br />
Verpflichtung in Art. 8 ist allerdings nicht zwingend ausgefallen, da die Staaten im<br />
Falle der Nichtauslieferung den Täter nicht strafrechtlich verfolgen müssen, sondern<br />
lediglich gehalten sind, ihn dem „Zwecke der Strafverfolgung“ zuzuführen. 227<br />
224 Lambert, Terrorism and Hostages in International Law, 1990, 60 f.<br />
225 Abschnitt 5 der Präambel lautet wie folgt: “Being convinced that it is urgently necessary to develop international<br />
co-operation between States in devising and adopting effective measures for the prevention, prosecution<br />
and punishment of all acts of taking hostages as manifestations of international terrorism.”.<br />
226 UN Doc A/AC.188/SR.33, S. 3 paras. 7-9; UN Doc A/AC.188/SR.35, S. 2 para. 2.<br />
227 Lambert, Terrorism and Hostages in International Law, 1990, 351.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 57<br />
c) 1995 Abkommen zum Schutz <strong>von</strong> UN- und dazugehörigem Personal<br />
<strong>Die</strong> jüngste Kategorie <strong>von</strong> international geschützten Personen stellt das UN-Personal<br />
dar. Angesichts der wachsenden Verantwortlichkeiten der Staaten im Rahmen internationaler<br />
Friedenssicherung und deren Risiken für Peacekeeping-Truppen war es Anliegen<br />
der Vereinten Nationen, ihr Personal in sowohl militärischer und polizeilicher als<br />
auch ziviler Mission durch das Abkommen zum Schutz <strong>von</strong> UN- und dazugehörigem<br />
Personal 228 abzusichern und unter <strong>völkerrechtliche</strong>n Schutz zu stellen. 229<br />
Art. 1 definiert als UN-Personal jede für die Vereinten Nationen oder eine ihrer Spezialorganisationen<br />
beschäftigte Person; zugehöriges Personal sind sonstige Personen, die<br />
im UN-Auftrag für Regierungen oder Nichtregierungsorganisationen (NGO) handeln.<br />
Den räumlichen Geltungsbereich der Konvention legt Art. 2 fest. Hiernach findet die<br />
Konvention bei allen UN-Operationen Anwendung; gemäß Art. 2 Abs. 2 der Konvention<br />
sind da<strong>von</strong> allerdings explizit militärische Maßnahmen auf der Grundlage <strong>von</strong><br />
Kapitel VII UN-Charta ausgenommen. Im Fall UN-autorisierter Militäreinsätze findet<br />
damit die Konvention keine Anwendung, sondern diese Handlungen sollen dem Recht<br />
international bewaffneter Konflikte unterliegen. Angehörige <strong>von</strong> UN-Operationen, die<br />
im Rahmen <strong>von</strong> Kapitel VII UN-Charta eingesetzt werden, sind dadurch gegen Angriffe<br />
<strong>von</strong> feindlichen bewaffneten Einheiten nicht ungeschützt, Art. 20 (a) sieht hier die<br />
Anwendbarkeit <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts vor. 230 <strong>Die</strong> Konvention stellt ausdrücklich<br />
Mord und Geiselnahme <strong>von</strong> UN-Personal unter Strafe und kriminalisiert sonstige<br />
Angriffe, die das Leben und die Freiheit <strong>von</strong> UN-Mitarbeitern verletzen sowie UN-<br />
Räumlichkeiten, private Unterkünfte oder UN-Transportmittel zerstören, vgl. Art. 9.<br />
<strong>Die</strong> Konvention verpflichtet die Vertragsparteien, diese Akte in ihren nationalen<br />
Rechtsordnungen unter Strafe zu stellen, Art. 10; ferner begründet sie aut dedere aut<br />
iudicare für die Vertragsstaaten, vgl. Art. 14 und 15.<br />
d) Analyse<br />
In der Gesamtschau zeigen sich das Abkommen zum Schutz <strong>von</strong> UN- und dazugehörigem<br />
Personal und die Konvention gegen Geiselnahme als weitere Stückwerke in dem<br />
Bestreben, Terrorismus auf internationaler Ebene zu bekämpfen. Beide Konventionen<br />
decken speziell Akte der Geiselnahme <strong>von</strong> Zivilisten ab und bieten damit kein weiterführen<strong>des</strong><br />
Konzept zur umfassenden <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> terroristischen Verhaltens-<br />
228 Convention on the Safety of United Nations and Associated Personnel (U.N. Personnel Convention) v.<br />
09.12.1994, in Kraft getreten am 15.01.1999; U.N. Doc. A/Res/49/49 (1994).<br />
229 Bouvier, Convention on the Safety of United Nations and Associated Personnel: Presentation and Analysis,<br />
http://www.icrc.org/web/eng/siteng0.nsf/iwpList149/ (01.03.2004), 1 (1 f.).<br />
230 Dazu genauer Bouvier, Convention on the Safety of United Nations and Associated Personnel: Presentation<br />
and Analysis, http://www.icrc.org/web/eng/siteng0.nsf/iwpList149/ (01.03.2004), 1 (11).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 58<br />
weisen. Art. 1 der Konvention gegen die Geiselnahme normiert ausschließlich das <strong>völkerrechtliche</strong><br />
Verbot der Geiselnahme <strong>von</strong> Zivilisten durch Private oder staatliche<br />
Funktionsträger; das Abkommen adressiert aber nicht explizit die mit einer Geiselnahme<br />
zusammenhängenden Akte. Während die Konvention die Tat der Geiselnahme<br />
verbietet, bleiben generelle Gewaltakte gegen die Geisel oder der Mord an einer zivilen<br />
Geisel durch das Abkommen ungedeckt – diese Akte sind nicht mit den Tathandlungen<br />
<strong>des</strong> Art. 1 der Konvention gleichzusetzen. <strong>Die</strong> Vorschriften der Konvention<br />
bestimmen nur, dass es rechtswidrig ist, ein Individuum als Geisel zu nehmen oder<br />
festzuhalten und anzudrohen, die Geisel zu töten oder zu verletzen. Wenn sich aus dieser<br />
Normierung schlussfolgern lassen soll, dass darüber hinaus auch Mord, Totschlag<br />
oder Körperverletzung der Geisel <strong>von</strong> der Konvention erfasst sind, so ist dies die<br />
Konvention gegen die Geiselnahme jedenfalls nicht eindeutig zu entnehmen. 231 Außerdem<br />
beschränkt sich der Text nicht explizit auf politische Geiselnahmen. Damit findet<br />
die Konvention sowohl bei Geiselnahmen politischer Natur als auch bei solchen aus<br />
privaten Gründen Anwendung; die Geiselnahme muss allerdings eine internationale<br />
Komponente aufweisen.<br />
Sind auch eine Vielzahl der Angriffe auf UN-Missionen durch terroristische Merkmale<br />
gekennzeichnet, stellt das Abkommen zum Schutz <strong>von</strong> UN- und dazugehörigem Personal<br />
dennoch keinen ausdrücklichen Bezug zum Terrorismus her. Es werden weder<br />
terroristische Akteure noch Akte <strong>des</strong> Terrorismus tatbestandlich erfasst. <strong>Die</strong> Konvention<br />
pönalisiert Angriffe gegen UN-Personal bzw. zugehörige Mitarbeiter im Allgemeinen<br />
und überlässt die Ausgestaltung der Strafbarkeit derartiger Verhaltensweisen im<br />
Einzelnen den Vertragsstaaten. Entsprechende Vorgaben hierfür hält die Konvention<br />
aber nicht bereit.<br />
Dass der Schutz <strong>von</strong> UN-Personal für die internationale Friedensicherung <strong>von</strong> eminenter<br />
Wichtigkeit ist und Angriffe <strong>des</strong>halb zwingend der Strafverfolgung bedürfen, wurde<br />
durch die UN-Resolution 1502 (2003) bestätigt. 232 <strong>Die</strong> Resolution wurde in<br />
Reaktion auf den Anschlag auf das UNAMI-Hauptquartier in Bagdad 233 am 19. August<br />
2003 erlassen. Der UN-Sicherheitsrat stellt darin fest, dass Angriffe gegen UN-<br />
Missionen eine Verletzung <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts darstellen und erinnert die<br />
Staaten an ihre Verpflichtung, Verbrechen gegen UN-Personal und UN-Missionen<br />
strafrechtlich zu verfolgen. Resolution 1502 (2003) verweist auf das Abkommen zum<br />
Schutz <strong>von</strong> UN- und dazugehörigem Personal und zählt neben Mord und Geiselnahme<br />
weitere konkrete Verletzungshandlungen auf. Der internationale Terrorismus wird<br />
231 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Convention, 2001, 147.<br />
232 S/Res/1502 (2003) v. 26.08.2003.<br />
233 Headquarter of the United Nations Assistance Mission in Iraq (UNAMI).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 59<br />
durch die Resolution 1502 (2003) nicht explizit angesprochen. Auf die Bezugnahme<br />
zum Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) und <strong>des</strong>sen materieller Zuständigkeit für<br />
derartige Akte im Rahmen <strong>des</strong> Tatbestan<strong>des</strong> Kriegsverbrechen wurde aufgrund <strong>des</strong><br />
Widerstan<strong>des</strong> der USA ebenfalls verzichtet. 234<br />
4. Regelungswerke betreffend der Begehung <strong>von</strong> terroristischen Sprengstoffattentaten<br />
Moderne Gesellschaften zeigen sich insbesondere durch Bombenanschläge und<br />
Sprengstoffattentate sehr verwundbar. Trotz einer mittlerweile vielfältigen und technisch<br />
fortentwickelten Auswahl an Terrormethoden stellt der Terrorismus mittels konventioneller<br />
Bomben und Sprengstoffe die immer noch am häufigsten angewendete<br />
Anschlagsvariante dar. Sprengstoffe sind leicht auf dem Markt erhältlich und entsprechen<strong>des</strong><br />
Material lässt sich einfach zur Terrorwaffe zusammenbauen. Bomben können<br />
relativ unkompliziert in und an öffentlichen Gebäuden oder Orten platziert werden und<br />
versprechen einen hohen Wirkungsgrad, wenn sie direkt gegen Personen oder Sachen<br />
eingesetzt werden.<br />
a) 1991 Übereinkommen über die Kenntlichmachung <strong>von</strong> plastischen Sprengstoffen<br />
zum Zweck ihrer Entdeckung 235<br />
Im Hinblick auf die gestiegene Verwendung <strong>von</strong> Plastiksprengstoffen als Terrorwaffe<br />
wurde im Jahr 1991 unter der Ägide der ICAO das Übereinkommen über die Kenntlichmachung<br />
<strong>von</strong> plastischen Sprengstoffen zum Zweck ihrer Entdeckung angenommen.<br />
<strong>Die</strong> Konvention adressiert die Herstellung, den Transport, Import und Export<br />
sowie die Lagerung solcher Materialien und fordert die Vertragsstaaten auf, derartige<br />
Handlungen unter Strafe zu stellen, Art. II-IV. Sofern die Staaten diese Strafforderungen<br />
entsprechend in ihre nationalen Gesetze implementieren, kann die das Übereinkommen<br />
über die Kenntlichmachung <strong>von</strong> plastischen Sprengstoffen zum Zweck ihrer<br />
Entdeckung durchaus ein taugliches Instrument darstellen, um die Verwendung <strong>von</strong><br />
Plastiksubstanzen als Terrormittel wirksam einzugrenzen. 236<br />
234 Kirgis, Security Council Resolution 1502 on the Protection of Humanitarian and United Nations Personnel,<br />
ASIL insights, September 2003, http://www.asil.org/insights/inisgh115.htm (02.03.2004).<br />
235 Convention on the Marking of Plastic Explosives for the Purpose of Detection v. 01.03.1991, in Kraft getreten<br />
am 21.06.1998, U.N. Doc.S/22393/Corr.1; 30 I.L.M. 721.<br />
236 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 173.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 60<br />
b) 1998 Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung terroristischer<br />
Bombenanschläge 237<br />
Noch vor den verheerenden Terroranschlägen auf die US-Botschaften in Tansania und<br />
Kenia 1998 wurde das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung terroristischer<br />
Bombenanschläge erarbeitet und traf, wie die Ereignisse sodann zeigten, den Nerv der<br />
Zeit. <strong>Die</strong> Konvention fasst ihren Schutzbereich sehr weit und zielt auf die Absicherung<br />
kritischer Infrastruktur, öffentlicher Plätze und öffentlicher Verkehrssysteme vor jeglicher<br />
Form terroristischer Sprengstoffanschläge. So stehen etwa geschäftliche, kulturelle,<br />
religiöse und historische Räumlichkeiten sowie Regierungs-, Bildungs- und<br />
Unterhaltungseinrichtungen unter dem Schutz der Konvention, vgl. Art. I. In Anbetracht<br />
<strong>des</strong>sen, dass Sprengstoffanschläge auf Kraftwerke, natürliche Energiespeicher<br />
oder Kommunikationseinrichtungen großen wirtschaftlichen Schaden anrichten können,<br />
werden auch diese Einrichtungen in den Schutzbereich der Konvention aufgenommen,<br />
Art. I Abs. 2. Damit stellt das Übereinkommen zur Bekämpfung<br />
terroristischer Bombenanschläge das erste multilaterale Regelungswerk dar, welches<br />
die Zerstörung derartiger, hoch sensibler Anlagen explizit unter Strafe stellt. 238<br />
<strong>Die</strong> Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten, entsprechende Handlungen in ihren<br />
nationalen Rechtsordnungen unter Strafte zu stellen und zudem der aut dedere aut iudicare-Regel<br />
nachzukommen, vgl. Art. 5 und 6. Sie geht sogar noch weiter als ihre<br />
Vorgänger, weil sie in Art. 15 den Staaten verschiedene zusätzliche Kooperationspflichten<br />
im Bereich der Strafverfolgung oder im Wissenstransfer über Sprengstoffe<br />
auferlegt. 239<br />
Besonders hervorzuheben ist, dass das Übereinkommen zur Bekämpfung terroristischer<br />
Bombenanschläge den möglichen Gebrauch <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen in<br />
den Anwendungsbereich mit einbezieht und damit diesen neuen Aspekt terroristischer<br />
Gefahr abdeckt. Art. I Abs. 3 b definiert Sprengstoff oder anderes zerstören<strong>des</strong> Material<br />
als:<br />
„a weapon or device that is <strong>des</strong>igned, or has the capability, to cause death, serious bodily<br />
injury or substantial material damage through the release, dissemination or impact<br />
of toxic chemicals, biological agents or toxic chemicals, biological agents or toxins or<br />
similar substances or radiation or radioactive material.“<br />
237 International Convention for the Suppression of Terrorist Bombings v. 15.12.1997, U.N. Doc. A/RES/52/164,<br />
Annex.<br />
238 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 173.<br />
239 Marauhn, in: Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Vol. 4, 2000, 853.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 61<br />
<strong>Die</strong> Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, die Verwendung chemischer, biologischer<br />
und radioaktiver Instrumente und Materialien unter Strafe zu stellen. <strong>Die</strong> Einbeziehung<br />
derartigen Waffenmaterials gibt Raum für eine weites Spektrum an möglichen<br />
Terrorhandlungen, die durch die Konvention abgedeckt werden können: so etwa die<br />
Freisetzung biologischer Substanzen in öffentlichen Transportmitteln oder ihre Einbringung<br />
in Wasserreservoire oder den Gebrauch radiologischer Waffen gegen Regierungseinrichtungen.<br />
Indem in Art. I Abs. 2 der Konvention auch<br />
Kommunikationseinrichtungen als taugliches Angriffsobjekt benannt werden, können<br />
Akte <strong>des</strong> Cyberterrorismus der Konvention unterfallen, sofern die Zerstörung der<br />
Kommunikationseinrichtungen durch eine Explosion erfolgt, die aufgrund elektronischer<br />
verfasster Befehlszeilen verursacht worden ist.<br />
Das Übereinkommen zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge stellt ein Anti-<br />
Terrorismus-Abkommen mit viel versprechendem Potential dar, weil es sowohl im<br />
Anwendungs- und Schutzbereich als auch in den Verpflichtungen an die Staaten weit<br />
reicht und Bombenanschläge mittels Massenvernichtungswaffen abzudecken vermag.<br />
Allerdings definiert die Konvention weder Terrorismus noch zieht sie eine klare<br />
Trennlinie zwischen terroristischen Bombenanschlägen und solchen anderer Natur. 240<br />
<strong>Die</strong> Konvention findet keine Anwendung auf Anschläge innerhalb eines Staates sowie<br />
auf militärische Aktivitäten.<br />
c) 1891 Übereinkommen der Internationalen Postunion<br />
Zur Kategorie der Anti-Terrorismus-Abkommen, die auf die Bekämpfung <strong>von</strong> Sprengstoffattentaten<br />
ausgerichtet sind, zählen auch jene Regelungswerke, die sich mit der<br />
Benutzung der Post zur Übermittlung <strong>von</strong> Sprengstoffen befassen. Wird der Postverkehr<br />
dazu benutzt, Sprengstoffe in Form <strong>von</strong> Briefbomben oder Paketbomben mit dem<br />
Ziel zu versenden, den Empfänger zu verletzen oder zu töten, greifen die Übereinkommen<br />
der Internationalen Postunion und ihre Protokolle, einschließlich der verschiedenen<br />
Paketabkommen. 241<br />
Das Übereinkommen der Internationalen Postunion wurde am 4. Juli 1891 in Wien<br />
unterzeichnet. 242 Zwischen 1891 und 2001 sind weitere 57 relevante Regelungswerke<br />
im Bereich <strong>des</strong> internationalen Postverkehrs verabschiedet worden, welche die Benutzung<br />
der Post zu illegalen Zwecken zum Inhalt haben. <strong>Die</strong> entsprechenden Vorschriften<br />
in den Post- bzw. Paketabkommen betreffen dabei „Sprengstoffe, feuergefährliche<br />
oder andere Substanzen“ und verpflichten die Vertragsstaaten, die Täter solcher Post-<br />
240 Marauhn, in: Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Vol. 4, 2000, 853.<br />
241 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 173.<br />
242 28 Stat. 1078, 17 Martens Nouveau Recueil (ser. 2) 628, in Kraft getreten am 01.07.1892.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 62<br />
vergehen zu bestrafen. Unter dem Merkmal „andere Substanzen“ können hiernach<br />
auch radiologische, chemische und biologische Stoffe in den Anwendungsbereich mit<br />
einbezogen werden. 243 Adressieren die verschiedenen Postabkommen die mitunter<br />
auch terroristische Benutzung und Versendung <strong>von</strong> Briefbomben und Paketbomben, so<br />
ist damit lediglich ein spezielles Delikt und nur ein minimaler Ausschnitt terroristischer<br />
Aktivität abgedeckt.<br />
5. Regelungswerke betreffend <strong>des</strong> Gebrauchs <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen<br />
Wie in Abschnitt B bereits herausgestellt, beinhaltet die Verwendung <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen<br />
den Gebrauch <strong>von</strong> nuklearen, chemischen und biologischen Waffen<br />
durch Staaten oder Individuen. Sowohl aufgrund der gestiegenen Verletzlichkeit <strong>von</strong><br />
Gesellschaft und Umwelt durch den Einsatz <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen als auch<br />
aufgrund der zunehmenden Möglichkeiten für Staaten und non-state actors, in den Besitz<br />
derartiger Waffen zu gelangen, jene herzustellen und einzusetzen, sah sich die internationale<br />
Staatengemeinschaft aufgefordert, auch auf diesem Gebiet aktiv zu<br />
werden und Maßnahmen zur Bekämpfung <strong>von</strong> Terrorakten mittels Massenvernichtungswaffen<br />
zu erlassen. Im Bereich der Nuklearwaffen hat sich die Staatengemeinschaft<br />
um zwei <strong>völkerrechtliche</strong> Regelungswerke zur Eindämmung und Bekämpfung<br />
atomarer Gefahren bemüht. Chemische und biologische Waffen zeichnen sich durch<br />
ein ähnlich hohes Bedrohungspotential aus, welches Atomwaffen zu Eigen ist. Während<br />
der Besitz und Gebrauch <strong>von</strong> Chemie- und Biowaffen traditionell den Staaten zuzuordnen<br />
waren, hat sich auch hier der Täterkreis in Richtung nicht-staatlicher Akteure<br />
erweitert. In Anbetracht der verheerenden Auswirkungen <strong>von</strong> chemischen und biologischen<br />
Waffen auf Mensch und Umwelt war auch in diesem Bereich eine internationale<br />
Regulierung geboten.<br />
a) 1979 Übereinkommen über den physischen Schutz <strong>von</strong> Kernmaterial 244<br />
Das Übereinkommen über den physischen Schutz <strong>von</strong> Kernmaterial reguliert und beschränkt<br />
den Zugang und die Verwendung <strong>von</strong> nuklearem Waffenmaterial. Das Abkommen<br />
adressiert nicht den staatlichen Einsatz <strong>von</strong> Atomwaffen, der gemäß der<br />
Rechtsprechung <strong>des</strong> IGH als solcher keine Völkerrechtsverletzung darstellt. 245 Im Mittelpunkt<br />
der Konvention stehen vielmehr der Schutz der Umwelt vor nuklearen Gefahren<br />
und die Absicherung nuklearen Materials vor <strong>Die</strong>bstahl. Art. 2 definiert den<br />
243 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 191.<br />
244 Convention on the Physical Protection of Nuclear Material v. 26.10.1979, in Kraft getreten am 08.02.1987,<br />
United Nations Treaty Series, Vol. 1456, No. 24631; 18 I.L.M. 1419; s. Commentary to the Convention prepared<br />
by the Technical Committee of the IAEA v. 03.09.1993, INFCIRC/225/Rev.3, abgedruckt in Kellman, Draft Annex<br />
to the Manual on the International Control and Eliniation of Weapons of Mass Destruction, 1998, Abschnitt<br />
32.<br />
245 IGH, Gutachten v. 08.07.1996 (Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons), I.C.J. 35, 1668 ff.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 63<br />
Anwendungsbereich der Konvention wie folgt:<br />
„This Convention shall apply to nuclear material used for peaceful purposes while in<br />
international nuclear transport. [...]“<br />
Indem Art. 2 einzig das im internationalen Transport befindliche nukleare Material für<br />
friedliche Zwecke benennt, lässt die Konvention keinen Raum für die Einbeziehung<br />
<strong>von</strong> entsprechenden Tathandlungen, die auf die Beschaffung waffenfähigen Materials<br />
zu Zwecken <strong>des</strong> terroristischen Gebrauchs ausgerichtet sind. 246 <strong>Die</strong> Konvention stellt<br />
nicht eindeutig den Gebrauch <strong>von</strong> nuklearem Material für Terrorhandlungen ab und<br />
pönalisiert diesen demnach auch nicht ausdrücklich. Das Übereinkommen über den<br />
physischen Schutz <strong>von</strong> Kernmaterial stellt sich als Regelungswerk zur Bekämpfung<br />
und Unterdrückung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> auch terroristischer Natur dar, dies aber nur insofern,<br />
als Schmuggel oder illegaler Transfer <strong>von</strong> nicht waffenfähigem, nuklearem Material<br />
unter Verbot gestellt werden. 247 Festzuhalten ist, dass die Konvention keine kriminalisierenden<br />
Strafbestimmungen enthält und <strong>des</strong>halb Akte <strong>des</strong> Atomterrorismus auf<br />
Grundlage der Konvention nicht der direkten Strafbarkeit nach Völkerrecht unterfallen.<br />
b) 2005 Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Nuklearterrorismus<br />
248<br />
Nach mehr als siebenjährigen Verhandlungen liegt nun mit dem Internationalen Übereinkommen<br />
zur Bekämpfung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Nuklearterrorismus ein 28 Artikel umfassen<strong>des</strong><br />
völkerrechtlich binden<strong>des</strong> Abkommen vor, welches den Mangel an fehlenden<br />
Strafbestimmungen auf dem Gebiet <strong>des</strong> nicht-staatlichen Atomterrorismus überkommt<br />
und neu eine indirekte, individuelle Strafbarkeit errichtet. Das Abkommen bekräftigt<br />
größtenteils das Übereinkommen über den physischen Schutz <strong>von</strong> Kernmaterial; erweitert<br />
dieses aber weiträumig, indem etwa auch Terrorangriffe gegen Atomanlagen in<br />
den Schutzbereich mit einbezogen werden. Inhaltlich deckt das Abkommen ein weites<br />
Spektrum terroristischer Verhaltensweisen ab, die im Zusammenhang mit nuklearem<br />
Material stehen, vgl. Art. 2:<br />
„1. Any person commits an offence within the meaning of this Convention if that person<br />
unlawfully and intentionally:<br />
(a) Possesses radioactive material or makes or possesses a device:<br />
246 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 195.<br />
247 Ebenda; Bunn, in: Leventhal/Alexander (Hrsg.), Preventing Nuclear Terrorism, 1987, 343.<br />
248 International Convention for the Suppression of Acts of Nuclear Terrorism, UN GA Res. 59/290 v.<br />
15.04.2005.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 64<br />
(i) With the intent to cause death or serious bodily injury; or<br />
(ii) With the intent to cause substantial damage to property or to the environment;<br />
(b) Uses in any way radioactive material or a device, or uses or damages a nuclear facility<br />
in a manner which releases or risks the release of radioactive material:<br />
(i) With the intent to cause death or serious bodily injury; or<br />
(ii) With the intent to cause substantial damage to property or to the environment;<br />
or<br />
(iii) With the intent to compel a natural or legal person, an international organization<br />
or a State to do or refrain from doing an act.<br />
2. Any person also commits an offence if that person:<br />
(a) Threatens, under circumstances which indicate the credibility of the threat, to commit<br />
an offence as set forth in paragraph 1 (b) of the present article; or<br />
(b) Demands unlawfully and intentionally radioactive material, a device or a nuclear facility<br />
by threat, under circumstances which indicate the credibility of the threat, or<br />
by use of force.<br />
3. […]“<br />
Im nun vorliegenden Abkommen verpflichten sich die Teilnehmerstaaten, all jene<br />
strafrechtlich zu verfolgen, die illegal radioaktives Material besitzen, sich beschaffen,<br />
freisetzen oder anderweitig in die Vorbereitung <strong>von</strong> Nuklearanschlägen verwickelt<br />
sind. Für diese Vergehen wird das entsprechende nationale Recht geschaffen bzw. ergänzt,<br />
vgl. Art. 5. Es sieht schwere Strafen für diejenigen vor, denen die Absicht nachgewiesen<br />
werden kann, durch Nuklearverbrechen Menschen zu töten oder zu verletzen<br />
und Schäden an Eigentum oder der Umwelt anzurichten. Strafbar ist ebenso die Erpressung<br />
<strong>von</strong> Personen, Staaten oder internationalen Organisationen mit der Androhung<br />
derartiger Taten. Alle Staaten sind verpflichtet, ihr radioaktives Material<br />
entsprechend den IAEA-Standards zu sichern. <strong>Die</strong> Regierungen werden angehalten,<br />
ihre Zusammenarbeit beim Austausch <strong>von</strong> Geheimdienstinformationen zu verstärken<br />
und potentiellen Nuklearterroristen keinen Unterschlupf zu gewähren. Mit dem Abkommen<br />
besteht nun auch eine Rechtsgrundlage für die internationale Zusammenarbeit<br />
bei der Untersuchung, Bestrafung und Auslieferung aller Personen, die Straftaten<br />
mit atomarem Spaltmaterial oder Nuklearmitteln begehen. 249 Eine konsequente Anwendung<br />
der Vertragsbestimmungen wird das Risiko <strong>des</strong> nicht-staatlichen Atomterro-<br />
249 Vgl. auch Bericht <strong>des</strong> Generalsekretärs über die Tätigkeit der Vereinten Nationen, Generalversammlung, Offizielles<br />
Protokoll, Sechzigste Tagung, Beilage 1 (A/60/1), 2005, 15.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 65<br />
rismus zweifellos eindämmen. Der staatliche Einsatz <strong>von</strong> Atomwaffen wird hingegen<br />
vom Abkommen explizit ausgenommen, vgl. Art. 4.<br />
Das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Nuklearterrorismus<br />
- zugleich das erste Anti-Terrorismus-Abkommen, welches nach den Anschlägen<br />
<strong>des</strong> 11. September 2001 verabschiedet wurde - ist bestimmend für die <strong>Kriminalisierung</strong><br />
<strong>von</strong> Terrorakten mittels Massenvernichtungswaffen. Der Wert <strong>des</strong> Abkommens<br />
liegt klar im richtungweisenden Beitrag zur Identifizierung terroristischer Verhaltensweisen<br />
mittels nuklearer Materialien. Allerdings mangelt es dem Abkommen momentan<br />
noch an <strong>völkerrechtliche</strong>r Gültigkeit und damit an praktischer Bedeutung, denn erst<br />
nach der Ratifikation durch 22 Länder wird der Vertrag in Kraft treten. 250<br />
c) 1993 Chemiewaffenkonvention<br />
Für die <strong>völkerrechtliche</strong> <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Chemieterrorismus könnte<br />
die Chemiewaffenkonvention (CWC) 251 <strong>von</strong> 1993 einschlägig sein, die das einzige Regelungsinstrument<br />
für Chemiewaffen auf internationaler Ebene darstellt. <strong>Die</strong> CWC ist<br />
ein internationales Waffenabrüstungsabkommen, welches den Staaten ein umfassen<strong>des</strong><br />
Verbot der Entwicklung, Produktion, Inbesitznahme, Verbreitung und Lagerung <strong>von</strong><br />
Chemiewaffen auferlegt. 252 <strong>Die</strong> Konvention verfolgt das Ziel, bis zum Jahr 2007 sämtliche<br />
Chemiewaffen aus den staatlichen Waffenarsenalen zu verbannen. Strafbar erklärt<br />
wird ferner der Einsatz <strong>von</strong> Chemiewaffen in Kriegs- und Friedenszeiten, vgl.<br />
Art. I. Welche Waffen unter das Verbot der CWC fallen, ist nicht eindeutig geklärt;<br />
der Anwendungsbereich der Konvention ist diesbezüglich eher generell gehalten:<br />
Art. II:<br />
(a) “Toxic chemicals and their precursors, except where intended for purposes not prohibited<br />
under this Convention, as long as the types and quantities are consistent with such<br />
purposes.”<br />
250 Das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Nuklearterrorismus liegt seit dem<br />
14.09.2005 und bis zum 31.12.2006 zur Unterzeichnung aus.<br />
251 Convention on the Prohibition of the Development, Production, Stockpiling and Use of Chemical Weapons<br />
and on Their Destruction v. 13.01.1993, in Kraft getreten am 29.04.1997; 167 Staaten haben das Abkommen<br />
unterzeichnet; 165 Staaten ratifiziert (Stand: 30.09.2005). Vgl. http://disarmament.un.org:8080/TreatyStatus.nsf<br />
(18.02.2004). “Annan calls for universal Participation in Chemical Weapons Treaty“,<br />
http://www.un.org/apps/sg/sgstats.asp?nid=1205 (29.11.2004).<br />
252 Art. I Abs. 1:<br />
“Each State Party to this Convention undertakes never under any circumstances:<br />
(a) To develop, produce, otherwise acquire, stockpile or retrain chemical weapons or transfer, directly<br />
or indirectly, chemical weapons to anyone;<br />
(b) ”To use chemical weapons;<br />
(c) […]”.<br />
Zur historischen Entwicklung siehe Bothe, Das <strong>völkerrechtliche</strong> Verbot <strong>des</strong> Einsatzes chemischer und biologischer<br />
Waffen, 1973, 4-38; Roberts, in: Morel/Olsen (Hrsg.), The Chemical Weapons Convention, 1993, 1 (1).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 66<br />
Klarheit schafft hier zum einen Art. I Abs. 9, der den Umgang mit Chemikalien aus<br />
industriellen, landwirtschaftlichen, medizinischen, pharmazeutischen oder sonstigen<br />
Gründen für zivile und militärische Zwecke erlaubt. Zum anderen hält die CWC einen<br />
Anhang zu den <strong>von</strong> der CWC erfassten Chemikalien bereit. Darüber hinaus stellt die<br />
CWC auf spezielle Überprüfungsmechanismen hinsichtlich der Art und <strong>des</strong> Einsatzbereiches<br />
bestimmter Chemikalien ab, nach denen ersichtlich ist, welche Staaten sich<br />
entsprechend bzw. entgegen der CWC-Konvention verhalten. 253<br />
<strong>Die</strong> Umsetzung der Konvention ist einer speziell geschaffenen Organisation (OPCW)<br />
vorbehalten, Art. VIII. 254 <strong>Die</strong> OPCW wird ermächtigt, Vorortuntersuchungen vorzunehmen,<br />
einschließlich der Prüfung privater Chemieanlagen, die nicht militärisch genutzt<br />
werden. Darüber hinaus sieht die CWC sog. challenge inspections <strong>von</strong><br />
staatlichen oder privaten Anlagen bzw. Lokalitäten vor. <strong>Die</strong>se können dann eingeleitet<br />
werden, wenn ein Mitgliedstaat Zweifel über den tatsächlichen Charakter der Anlage<br />
hegt. 255 Strittig bleibt mitunter die tatsächliche Erfolgsrate der vorgenommenen Waffeninspektionen,<br />
denn jeder Staat oder subnationale Gruppe kann unter dem Deckmantel<br />
genehmigter Fabriken heimlich chemische Waffen produzieren; zudem können<br />
Waffeninspektionen umgangen werden. 256 Verwiesen wird ferner auf die immensen<br />
Kosten und mangelnden technischen Möglichkeiten umfassender Waffenkontrollen in<br />
den einzelnen Staaten, um den tatsächlichen Bestand an Chemiewaffen zu verifizieren.<br />
257 Während sich die meisten Regierungen über ein Universalverbot <strong>von</strong> Chemiewaffen<br />
einig sind, hält dennoch eine Vielzahl <strong>von</strong> Staaten an ihrem<br />
Chemiewaffenprogrammen oder entsprechenden Waffenarsenalen fest; zum Teil ist<br />
der Grund hierfür ein Mangel an finanziellen Möglichkeiten, diese Bestände zu besei-<br />
253 Bothe, in: Bothe/Ronzitti/Rosas (Hrsg.), The Chemical Weapons Convention: A General Overview, The New<br />
Chemical Weapons Convention - Implementation and Prospects, 1998, 1 (5); United Nations Institute for Disarmament<br />
Research, The Projected Chemical Weapons Convention: A Guide to the Negotiations in the Conference<br />
on Disarmament, 1990, 71.<br />
254 Zur OPCW und ihrer Aufgabe bei der Bekämpfung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus s. OPCW Technical Secretariat,<br />
in: Yepes-Enriquez/Tabassi (Hrsg.), Treaty Enforcement and International Cooperation in Criminal<br />
Matters with Special Reference to the Chemical Weapons Convention, 2002, 429 ff. Ausführlich zu Organisation<br />
und Funktion der OPCW s. Myjer, in: Myjer (Hrsg.), Issues of Arms Control Law and The Chemical Weapons<br />
Convention, 2001, 61 ff.<br />
255 Zur inhaltlichen Ausgestaltung der challenge inspections s. United States Arms Control and Disarmament<br />
Agency, Convention on the Prohibition of the Development, Production, Stockpiling and Use of Chemical<br />
Weapons and Their Destruction, 1993, 150 ff.; Kurzidem, in: Bothe/Ronzitti/Rosas (Hrsg.), The New Chemical<br />
Weapons Convention - Implementation and Prospects, 1998, 249 ff.<br />
256 Bailey, in: Morel/Olson (Hrsg.), Shadows and Substance. The Chemical Weapons Convention, 1993, 17 (18);<br />
dies., in: Roberts (Hrsg.), Ratifying the Chemical Weapons Convention, Washington (Center for Strategic and<br />
International Studies) 1994, 52 (52).<br />
257 Morel, in: Morel/Olson, Shadows and Substance. The Chemical Weapons Convention, 1993, 217 ff.; Scharf,<br />
in: Drell/Sofaer/Wilson (Hrsg.), The New Terror, 1999, 439 (447).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 67<br />
tigen. 258 Tatsächlich befindet sich derzeit chemisches Waffenmaterial in Umlauf, welches<br />
auch das CWC-Regime nicht stilllegen kann. Trotz <strong>des</strong> Bestehens der CWC setzen<br />
einige Staaten ihre Suche nach neuen chemischen Kampfmitteln unvermindert<br />
fort. 259<br />
<strong>Die</strong> CWC-Konvention enthält explizit keine Vorschriften über die terroristische Verwendung<br />
<strong>von</strong> Chemikalien, da das Vertragswerk nicht für die Bekämpfung <strong>von</strong> Terroraktivitäten<br />
entworfen worden ist. 260 Indem die Konvention zwar die staatliche<br />
Herstellung, Lagerung und den Gebrauch <strong>von</strong> chemischen Waffen verbietet, aber einen<br />
privaten terroristischen Zusammenhang außen vor lässt, adressiert sie damit Akte<br />
<strong>des</strong> Chemieterrorismus nur indirekt. Ferner sieht die CWC selbst keine Strafbarkeit für<br />
die durch die Konvention verbotenen Handlungen vor, sondern überträgt diese Aufgabe<br />
den Vertragsstaaten; diese sollen in ihren nationalen Strafordnungen entsprechende<br />
Voraussetzungen der Strafbarkeit errichten, vgl. Art. VII. <strong>Die</strong> CWC-Konvention stellt<br />
damit kein kriminalisieren<strong>des</strong> Anti-Terrorismus-Instrument dar. Auch fehlen dem Abkommen<br />
entsprechende Durchsetzungs-mechanismen im Falle der Nichtumsetzung<br />
der vertraglichen Verpflichtungen seitens eines Mitgliedstaats. In der Gesamtschau ist<br />
die CWC ein durchdachtes Waffenkontrollregime, welches das Verfahren zur Einhaltung<br />
der in der Konvention niedergelegten Vorschriften betrifft. <strong>Die</strong> CWC definiert<br />
verbotene Chemiewaffen und verpflichtet die Staaten zu deren Vernichtung; das Abkommen<br />
hält aber keine Handhabe hinsichtlich der terroristischen Verwendung <strong>von</strong><br />
chemischen Waffen und deren <strong>Kriminalisierung</strong> bereit.<br />
<strong>Die</strong>se bestehenden Schwächen der Konvention sind im Rahmen der ersten CWC-<br />
Überprüfungskonferenz im Jahre 2003 diskutiert worden. Das Review Document appelliert<br />
an die Staaten, die durch die CWC verbotenen Verhaltensweisen für jedermann,<br />
der auf ihrem Staatsgebiet chemische Aktivitäten vornimmt, unter Strafe zu<br />
stellen sowie die Zerstörung <strong>von</strong> Chemiewaffenbeständen auf ihrem Territorium voranzutreiben.<br />
261 Mit Blick auf die wechselnden Möglichkeiten internationaler Terroristen,<br />
sich in der Terrorführung chemischer Waffen zu bedienen, haben die<br />
Vertragsstaaten ihren Willen bekräftigt, die CWC-Vorschriften gemäß Art. VII CWC<br />
258 Bassiouni, Foreword, in: Yepes-Enriquez/Tabassi (Hrsg.), Treaty Enforcement and International Cooperation<br />
in Criminal Matters with Special Reference to the Chemical Weapons Convention, 2002, vii.<br />
259 Vgl. etwa die USA, vgl. Dando, The New Biological Weapons Convention. Threat, Proliferation, and Control,<br />
2001, 43.<br />
260 US-National Research Council, Committee on Science and Technology for Countering Terrorism, Making<br />
the Nation Safer, 2002, 110.<br />
261 S. Final Version of the „Review Document as approved by the First Special Session of the Conference of the<br />
State Parties to Review the Operation of the Chemical Weapons Convention“ v. 23.05.2003,<br />
http://www.opcw.org/html/global/wgrc/2k3/rcl_revodoc.html; 2003 CWC Review Conference - General Issues,<br />
http:www.cwc.gov/Global_Outreach/RevConGI (18.02.2004).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 68<br />
zügig und umfassend in ihre nationalen Rechtsordnungen umzusetzen. 262 Nur die Implementierung<br />
in nationales Recht kann sicherstellen, dass sich Individuen und private<br />
Gruppierungen nicht chemischer Waffen betätigen und suspekte Chemieanlagen durch<br />
die OPCW registriert und kontrolliert werden. 263 Jedoch bedarf es auch der getreuen<br />
Rechtsumsetzung durch die Staaten. Derzeit besteht eine große Schwäche der CWC<br />
darin, dass es an einer vollständigen Implementierung in nationales Recht mangelt. So<br />
haben die USA die Umsetzung zugunsten eigener Sicherheitsinteressen beschränkt:<br />
Zum einen gewähren die nationalen Vorschriften dem US-Präsidenten, challenge inspections<br />
aus Gründen der nationalen Sicherheit zu untersagen. 264 Zum anderen dürfen<br />
durch die OPCW entnommenen Proben aus amerikanischen Chemieanlagen nicht außerhalb<br />
der USA untersucht werden. <strong>Die</strong> USA haben zudem die Anzahl der staatlichen<br />
und privaten Chemieanlagen, die potentiell unter der Kontrolle der OPWC stehen, begrenzt.<br />
265 Andere Staaten können und werden diesem Beispiel der lediglich teilweisen<br />
Umsetzung der CWC folgen und damit das Kontrollregime der Konvention aushöhlen.<br />
Weil eine Vielzahl <strong>von</strong> Staaten die Notifizierung <strong>von</strong> Chemieanlagen an die OPCW<br />
verzögern, diese mit eigenen Auflagen belegen oder mitunter Informationen gänzlich<br />
versagen, ist auch eine schnelle Umsetzung der CWC in die nationalen Rechtsordnungen<br />
und die Schaffung adäquater nationaler Strafnormen nicht zu erwarten. 266 <strong>Die</strong> Lücken<br />
der CWC sind bekannt; bis die Konvention als taugliches Anti-Terrorismus-<br />
Instrument anzusehen ist, ist noch ein langer Weg zu beschreiten.<br />
d) 1975 Biowaffenkonvention<br />
Biologische Kampfstoffe stellen in den Händen <strong>von</strong> Terroristen ein immenses Bedrohungspotential<br />
dar. Gleichzeitig sind einzelstaatliche Maßnahmen zur Kontrolle biologischer<br />
Agenzien angesichts <strong>des</strong> einfachen Transports <strong>von</strong> Erregern - auch über die<br />
Staatsgrenzen hinweg - und der Möglichkeit schneller Verlagerung der Produktionsstätten<br />
wenig effizient. Als Grundlage für die Eindämmung und Bekämpfung biologischer<br />
Waffenaktivitäten kommt somit nur ein internationales Regelungswerk in<br />
262 Political Declaration, Chemical Weapons Review Conference, para. 16.<br />
263 Chemical Weapons Review Conference Overview, http://www.cwc.gov/Global_Outreach/cwc_revcon_overwiew<br />
(18.02.2004).<br />
264 Dazu näher Myjer, in: Yepes-Enriquez/Tabassi (Hrsg.), Treaty Enforcement and International Cooperation in<br />
Criminal Matters with Special Reference to the Chemical Weapons Convention, 2002, 536 ff. Zum Schutz <strong>von</strong><br />
Geschäftsinteressen nach Massgabe der CWC s. Burgess, in: Yepes-Enriquez/Tabassi (Hrsg.), Treaty Enforcement<br />
and International Cooperation in Criminal Matters with Special Reference to the Chemical Weapons Convention,<br />
2002, 542 ff.<br />
265 Stern, The Ultimate Terrorists, 1999, 114.<br />
266 Ende 2002 haben 82 Vertragsstaaten (56 %) die CWC in ihre nationalen Gesetzgebungen umgesetzt; vgl.<br />
Technical Secretariat, Background Paper on the Conduct of Inspections under the Chemical Weapons Convention<br />
and Related Issues, OPWC Document RC-1/S/1 vom 17.04.2003, 17; Kelle, The CWC After Its First Review<br />
Conference: Is the Glass Half Full or Half Empty?, http://www.acronym.org.uk/dd/dd71/71cwc.htm<br />
(18.02.2004).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 69<br />
Betracht. Eins solches besteht in der Biowaffenkonvention (BWC) 267 . <strong>Die</strong> BWC war<br />
das Ergebnis einer langen Suche nach einem ergänzenden Vertragswerk zum Genfer<br />
Giftgasprotokoll <strong>von</strong> 1925; sie ist die erste multilaterale Konvention, die die Abrüstung<br />
einer gesamten Waffenkategorie vorsieht. 268 In der Biowaffenkonvention wird<br />
der Ansatz eines internationalen Waffenkontrollregimes für biologische Waffen gewählt;<br />
die Staatengemeinschaft hat sich damit gegen eine strafrechtliche Regelung der<br />
Materie entschieden. <strong>Die</strong> BWC ist damit nicht als strafrechtliches Instrument zur Biowaffenkontrolle<br />
ergangen. Fraglich ist daher, inwieweit die Konvention zur <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
<strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Bioterrorismus herangezogen werden<br />
kann.<br />
Inhaltlich bringt die BWC ein einfaches Verbot der Herstellung, Verbreitung und<br />
Verwendung biologischer Waffen zum Ausdruck. <strong>Die</strong>ses Verbot stellt eine die Vertragsstaaten<br />
bindende und klar bestimmte Norm ius cogens gegen die Benutzung <strong>von</strong><br />
Biowaffen dar. 269 Art. I der Konvention verbietet die Entwicklung, Produktion, Lagerung<br />
oder sonstigen Erwerb <strong>von</strong> a) biologischen Substanzen und Wirkstoffe, die nicht<br />
prophylaktischen, schützenden oder anderen friedlichen Zwecken dienen; und b) Waffen,<br />
die dazu geeignet sind, biologische Erreger für feindliche Zwecke oder im Rahmen<br />
eines bewaffneten Konflikts einzusetzen. 270 Aus dem Anwendungsbereich der<br />
Norm herausgelassen sind Individuen und private Gruppierungen; das Abkommen adressiert<br />
damit nicht private terroristische Akte mittels Biowaffen und es wird keine individuelle<br />
Strafbarkeit für derartige Verhaltensweisen errichtet.<br />
<strong>Die</strong> Vorschriften der BWC sind ausschließlich auf die Beschränkung staatlicher Biowaffenprogramme<br />
zugeschnitten und lassen Vorbereitungshandlungen wie die Entwicklung,<br />
Produktion, Lagerung und den Gebrauch biologischen Waffenmaterials<br />
durch non-state actors außer Betracht. 271 In der Gesamtschau stellt sich die BWC als<br />
Abkommen symbolischer Natur dar, und die Vorschriften der Konvention sind dem-<br />
267 Convention on the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of Bacteriological (Biological)<br />
and Toxin Weapons and on their Destruction v. 10.04.1972; in Kraft getreten am 26.03.1975; U.N. Doc.<br />
A/Res/2826; U.N.T.S. 163.<br />
268 Dazu Dando, The New Biological Weapons Convention. Threat, Proliferation, and Control, 2001, 133 ff.;<br />
Haar, The Future of Biological Weapons, 1991, 1 ff.<br />
269 Kellman, Harv. J. L. & Pub. Pol`y 2001, 721 (726).<br />
270 „Each State Party to this Convention undertakes never in any circumstance to develop, produce, stockpile or<br />
otherwise acquire or retain:<br />
Microbiological or other biological agents, or toxins whatever their origin or method of production, of types and<br />
in quantities that have no justification for prophylactic, protective or other peaceful purposes;<br />
Weapons, equipment or means of delivery <strong>des</strong>igned to use such agents or toxins for hostile purposes or in armed<br />
conflict.“.<br />
271 Bothe, in: Bothe/Ronzitti/Rosas (Hrsg.), The Chemical Weapons Convention: A General overview, The New<br />
Chemical Weapons Convention - Implementation and Prospects, 1998, 1 (1); Kellman, Harv. J. L. & Pub. Pol`y<br />
2001, 721 (726).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 70<br />
entsprechend äußerst rudimentär gehalten. Der BWC mangelt es an einem formalen<br />
Prüfungsverfahren, welche eine Einhaltung der Konvention durch die Vertragsstaaten<br />
sicherstellen. 272 Ebenfalls wird die Forschung für biologische Waffenprogramme<br />
durch die BWC nicht verboten.<br />
Im Rahmen <strong>von</strong> fünf Überprüfungskonferenzen zwischen den Jahren 1980 – 2001 273<br />
ist es den Staaten mittlerweile gelungen, sowohl über ein BWC-Kontrollsystem zu<br />
verhandeln als auch die neuen Risiken <strong>des</strong> Biosektors zu erfassen. Insbesondere wurden<br />
<strong>von</strong> den Staaten neue Gefahren durch Bio- und Gentechnologie, gentechnisch veränderte<br />
Mikroorganismen sowie dem sog. Human Genome Project 274 erkannt:<br />
„However, genetically manipulated micro-organism, unknown viruses, biological toxins,<br />
bioregulators and biochemicals still have an increased importance as potential biological<br />
warfare agents. Such weapons can be covertly produced and stored in small<br />
sites. […] The methods of bio-and genetechnology became wi<strong>des</strong>pread and are therefore<br />
more and more accessible to less experienced scientists, which enhance the danger<br />
of proliferation of BW technologies.” 275<br />
Trotz dieser neuen Risikoabschätzung sind die Vertragsstaaten der Auffassung, dass:<br />
„[t]hese scientific and technological developments are still covered by the scope of<br />
Art. I of the Convention.” 276<br />
In Folge der Attentate vom 11. September 2001 sowie der Reihe anschließender<br />
Anthraxanschläge hat die Staatengemeinschaft nun auch die Gefahr durch wachsenden<br />
Bioterrorismus in ihre politische Agenda aufgenommen und sich verstärkt den nonstate<br />
actors zugewandt. So sind etwa die Staaten gemäß Art. III BWC aufgefordert,<br />
272 Kellman, Harv. J. L. & Pub. Pol`y 2001, 721 (726); Moodie, The BWC Protocol: A Critique, CBACI Special<br />
Report, 2001, 10; Wright, Transnational Law and Contemporary Problems, 1992, 453.<br />
273 Zu den Inhalten der ersten Überprüfungskonferenzen s. UNIDIR, The Third Review of the Biological Weapons<br />
Convention: Issues and Proposals, Research Papers Nr. 9, 1991. Ferner Haar, The Future of Biological<br />
Weapons, 1991, 8 ff.; Sims, The Evolution of Biological Disarmament, 2001.<br />
274 Das Human Genome Project stellt die Grundlage für eine manipulierbare Wissenschaft bereit. Neben den<br />
Vorteilen für die Medizin und die Landwirtschaft, eröffnen sich damit aber auch neue Möglichkeiten <strong>des</strong> biologischen<br />
Missbrauchs zu waffentechnischen Zwecken. S. Dando, The New Biological Weapons. Threat, Proliferation,<br />
and Control, 2001, 39 ff.; ders., Preventing Biological Warfare, 2002, 62 ff.<br />
275 United Nations, Background Paper on New Scientific and Technological Developments Relevant to the Convention<br />
on the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and<br />
Toxin Weapons and on Their Destruction, 1996. BWC/CONF.IV/4, Geneva, 30.10.1996; IMS 94-10, Institut für<br />
militärische Sicherheitstechnik, ETH Zürich.<br />
276 So auch bestätigt <strong>von</strong> der 5 th BWC-Review Conference (2001); vgl. Art. 1 Abs. 6: “The Conference, conscious<br />
of apprehensions arising from relevant scientific and technological developments, inter alia, in the fields<br />
of microbiology, biotechnology, molecular biology, genetic engineering, and any applications resulting from genome<br />
studies [...], reaffirms that the undertaking given by the State Parties in Article I applies to all such developments.”,<br />
Draft Final Declaration v. 07.12.2001.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 71<br />
die Verbreitung <strong>von</strong> Biomaterial durch Individuen und subnationale Gruppen zu verhindern<br />
und dieses Verhalten unter Strafe zu stellen 277 sowie Terroristen den Zugang<br />
zu biologischem Waffenmaterial und Bioanlagen zu verwehren. 278 <strong>Die</strong> Verwirklichung<br />
derartiger Forderungen ist den Staaten nur im Wege der nationalen Umsetzung möglich,<br />
vgl. Art. IV BWC. Daher appellierte die 5 th Review Conference für eine schnelle<br />
und umfassende Implementierung der BWC in nationale Rechtsvorschriften:<br />
„The Conference encourages State Parties to adopt promptly, in accordance with their<br />
constitutional process, measures to prevent terrorists from acquiring biological agents<br />
or toxins, dual use equipment and information on the production, stockpiling, acquisition<br />
or retention of the agents, toxins, weapons, equipment and means of delivery<br />
specified in Article I of the Convention, anywhere in their territory, under their jurisdiction<br />
or under their control. The Conference calls upon the States to male all possible<br />
efforts to prevent all terrorist acts including bio-terrorist acts in all their forms and<br />
manifestations.“ 279<br />
<strong>Die</strong> Staatenkonferenz manifestierte hiermit ihren Willen zur Bekämpfung auch nichtstaatlicher<br />
bioterroristischer Aktivitäten, allerdings findet dies nur im Rahmen eines<br />
politischen Forderungskatalogs Ausdruck. Der normative Anwendungsbereich der<br />
BWC hat insofern auch in der jüngeren Entwicklung keine explizite Erweiterung in<br />
Richtung einer <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> privaten bioterroristischen Erscheinungsformen<br />
durch die BWC erfahren; die BWC hält damit keine Vorschriften zur <strong>Kriminalisierung</strong><br />
<strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Bioterrorismus bereit. Möglicherweise könnte dieser Mangel jedoch<br />
durch das Biowaffenprotokoll <strong>von</strong> 2001 überkommen worden sein.<br />
e) 2001 Biowaffen-Protokoll<br />
Um die Wirksamkeit der BWC zu stärken und Vertragsverletzungen gezielter aufzudecken,<br />
errichteten die Vertragsstaaten 1994 eine ad hoc-Arbeitsgruppe, die mit der<br />
Ausarbeitung eines ergänzenden Biowaffen-Protokolls beauftragt wurde. Sinn und<br />
Zweck <strong>des</strong> Protokolls sollte es sein, weiterführende Maßnahmen zum Nachweis <strong>von</strong><br />
biologischem Waffenmaterial und zur Durchsetzung der BWC im Rahmen eines verbindlichen<br />
Regelungswerkes zu erlassen. 280 In den folgenden Jahren erwiesen sich die<br />
277 Art. III Abs. 4: „The Conference urges State Parties to take appropriate measures to prevent and respond to<br />
any violation, including by individuals or sub-national groups, of transfer regulations or legislation, including the<br />
qualification of such a violation as a punishable offence [...]“ Draft Final Declaration, 5 th BWC-Review Conference<br />
(2001).<br />
278 Art. III Abs. 6: „The Conference emphasises that terrorists and terrorist groups should be prohibited from receiving<br />
materials and capabilities relevant to the Convention“. Draft Final Declaration, 5 th BWC-Review Conference<br />
(2001).<br />
279 Art. IV Abs. 4 Draft Final Declaration, 5 th BWC-Review Conference (2001).<br />
280 Kellman, Harv. J. L. & Pol`y 2001, 721 (726).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 72<br />
Verhandlungen als schwierig und politisch äußerst strittig. 281 <strong>Die</strong>s ist vor allem auf die<br />
dual-use Nutzung <strong>von</strong> Biomaterial zurückzuführen. 282 Während chemische Kampfstoffe<br />
wie Sarin oder Senfgas grundsätzlich illegal sind und daher per se der <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Ächtung unterfallen, kommen gefährliche Organismen und Gifte<br />
verschiedentlich auch auf legalen Gebieten wie der Biomedizin und in der Forschung<br />
zur Anwendung. Obwohl als medizinische Forschungseinrichtung konzipiert, können<br />
so Biolabore oder pharmazeutische Anlagen ebenso zur biologischen Waffenproduktion<br />
genutzt werden. Mit dem Zuwachs an Biotechnologie und der Möglichkeit, erlaubtes<br />
biologisches Material in waffenfähige Form zu bringen, erschwert sich die<br />
Kontrolle in diesem Sektor sogar noch.<br />
Nach langen und komplizierten Verhandlungen legte die ad hoc-Arbeitsgruppe 2001<br />
einen Protokollentwurf vor, den sog chairman´s text. Der Entwurf definiert zunächst<br />
Inhalt und Umfang <strong>des</strong> Begriffs der Biowaffe und entsprechender Produktionseinrichtungen<br />
und fügt der Liste bereits identifizierter Waffen neue Systeme hinzu. 283 Er<br />
sieht im Weiteren vor, dass die Vertragsstaaten Auskunft über die <strong>von</strong> ihnen unterhaltenen<br />
dual-use Einrichtungen geben müssen sowie darüber, ob sie biologische Verteidigungsprogramme<br />
oder entsprechende Aktivitäten betreiben. 284 In allen anderen,<br />
nicht angegebenen Fällen sind die Staaten zur Schließung der Bioanlagen verpflichtet.<br />
Das Protokoll sieht ferner die Einrichtung einer Untersuchungskommission vor, um<br />
ausgewählte Anlagen wahlweise zu inspizieren und deren Arbeitspraxis zu kontrollieren.<br />
285 Das Vorgehen der Kommission stützt sich dabei auf das in der internationalen<br />
Waffenkontrolle allgemein anerkannte Gleichheitsprinzip, wonach jeder Staat gleichen<br />
Kontrollvoraussetzungen unterliegt. Sofern z.B. die USA eine Untersuchung einer<br />
verdächtigen Bioanlage in Russland oder im Iran wünschen, müssen sie auch Kontrollen<br />
der Anlagen auf ihrem eigenem Staatsgebiet dulden.<br />
281<br />
Dazu ausführlich Rosenberg, Allergic Reaction: Washington`s Response to the BWC Protocol,<br />
http://www.armscontrol.org/act/2001_07-08/rosenbergjul_aug01.asp (18.02.2004).<br />
282 Monterey Institute´s Center for Nonproliferation Studies, Limiting the Acquisition and Use of Biological<br />
Weapons by Strengthening the BWC, http://www.nti.org/f_wmd411/f2j.html (18.02.2004).<br />
283 U. a. „biological material means“ oder „genetic modification means“. S. Draft Protocol to the Convention on<br />
the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin<br />
Weapons and their Destruction, Art. 2, BWC/AD HOC GROUP/CRP.8 v. 03.04.2001.<br />
284 Art. 4 Draft Protocol to the Convention on the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of<br />
Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and their Destruction, Art. 2, BWC/AD HOC GROUP/CRP.8<br />
v. 03.04.2001; s. auch Ad Hoc Group of the BWC, Procedural Report (2001),<br />
http://www.brad.ac.uk/acad/sbtwc/ahg56/doc56-1.pdf.<br />
285 Art. 6 Draft Protocol to the Convention on the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of<br />
Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and their Destruction, Art. 2, BWC/AD HOC GROUP/CRP.8<br />
v. 03.04.2001. <strong>Die</strong> Untersuchungen vor Ort gliedern sich in „randomly-selected transparency visits“ (Art. 6.B.),<br />
„voluntary assistance visits“ (Art. 6.C.) <strong>von</strong> registrierten Anlagen; ferner können die Vertragsstaaten auch eine<br />
Untersuchung einer suspekten Anlage anfordern, sog. „challenge investigation“ (Art. 9.E.). <strong>Die</strong> Anzahl der on<br />
sight-Untersuchungen soll dabei 120 Untersuchungen im Jahr nicht überschreiten (Art. 6.A.). Kritisch hierzu<br />
Moodie, The BWC Protocol: A Critique, CBACI Special Report, 2001, 23 ff.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 73<br />
<strong>Die</strong>ser vorgeschlagene Überprüfungsmechanismus wurde insbesondere <strong>von</strong> den USA<br />
harsch kritisiert. Zum einen sei die beabsichtigte Praxis der Untersuchungskommission<br />
wenig effektiv, da Staaten, die Forschung und Entwicklung <strong>von</strong> Biowaffen betreiben,<br />
ihre Anlagen nicht kennzeichnen würden oder ihre Aktivitäten auf legale Bioanlagen<br />
verlagerten. So könnten illegale biologische Forschungsprojekte zum Zeitpunkt eines<br />
Kontrollbesuchs durch die Untersuchungskommission versteckt oder rechtzeitig beseitigt<br />
werden. Zum anderen stellten die Inspektionen ein hohes Risiko für die private<br />
Biotechnologie und die Pharmaindustrie dar; sie sahen sich in ihren Rechten verletzt<br />
und befürchteten den <strong>Die</strong>bstahl ihrer Geschäftsgeheimnisse. 286 Obwohl offiziell nicht<br />
vorgetragen, kann nicht verkannt werden, dass sich die USA durch die Anerkennung<br />
der vom Protokoll vorgeschlagenen on sight-Inspektionen sowohl in ihrer Souveränität<br />
als auch in nationalen Sicherheitsinteressen beeinträchtigt sehen. <strong>Die</strong> US-Regierung<br />
hat den vorgelegten Entwurf nicht gebilligt und sich (unter starkem Protest der übrigen<br />
BWC-Vertragsstaaten) aus den Verhandlungen der ad hoc-Arbeitsgruppe zurückgezogen.<br />
<strong>Die</strong> USA haben ein Alternativprogramm vorgelegt, welches eine Anzahl an Maßnahmen<br />
bereithielt, die im Wege nationaler Umsetzung Eingang in die Praxis der<br />
Vertragsstaaten finden sollten. Hiernach waren u. a. die Herstellung und der Besitz<br />
<strong>von</strong> Biowaffen unter Strafe zu stellen sowie der Zugang zu gefährlichen biologischen<br />
Substanzen und Giften zu beschränken. Ein Untersuchungsausschuss, wie ihn der originäre<br />
Protokollentwurf vorsah, war nicht Inhalt <strong>des</strong> Programms, sondern die Kontrolle<br />
<strong>von</strong> Bioanlagen sollte durch einen nicht näher spezifizierten UN-Mechanismus<br />
erfolgen. 287<br />
<strong>Die</strong> aufgezeigte Kritik am Protokollentwurf verkennt, dass das Biowaffen-Protokoll<br />
<strong>von</strong> Anfang an nicht dafür konzipiert worden ist, Vertragsverletzungen mit dem Maß<br />
an Genauigkeit aufzudecken, wie dies bei chemischen und nuklearen Anlagen möglich<br />
ist. 288 Da die Produktion <strong>von</strong> nuklearen und chemischen Waffen Produktionsanlagen<br />
einer gewissen Qualität und Größenordnung bedarf, sind die Anlagen zu ihrer Herstellung<br />
zahlenmäßig begrenzt und die Kontrolle gestaltet sich relativ überschaubar. Bei<br />
Bioanlagen ist dies nicht der Fall. Aufgrund der dual use-Nutzung <strong>von</strong> Biomaterial<br />
286<br />
Rosenberg, Allergic Reaction: Washington`s Response to the BWC Protocol,<br />
http://www.armscontrol.org/act/2001_07-08/rosenbergjul_aug01.asp (18.02.2004); Monterey Institute´s Center<br />
for Nonproliferation Studies, Limiting the Acquisition and Use of Biological Weapons by Strengthening the<br />
BWC, http://www.nti.org/f_wmd411/f2j.html (18.02.2004). Zur Rolle der US-Industrie s. Dando, Preventing<br />
Biological Warfare, 2002, 132 ff.<br />
287 Monterey Institute´s Center for Nonproliferation Studies, Limiting the Acquisition and Use of Biological<br />
Weapons by Strengthening the BWC, http://www.nti.org/f_wmd411/f2j.html (18.02.2004).<br />
288 Monterey Institute´s Center for Nonproliferation Studies, Limiting the Acquisition and Use of Biological<br />
Weapons by Strengthening the BWC, http://www.nti.org/f_wmd411/f2j.html (18.02.2004); Rosenberg, Allergic<br />
Reaction: Washington`s Response to the BWC Protocol, http://www.armscontrol.org/act/2001_07-<br />
08/rosenbergjul_aug01.asp (18.02.2004); Moodie, The BWC Protocol: A Critique, CBACI Special Report, 2001,<br />
11.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 74<br />
und der Vielzahl an mittleren und kleinen Labore und Forschungseinrichtungen kann<br />
in diesem Bereich eine umfassende Kontrolle und eine vollständige Erfassung der verbotenen<br />
Anlagen nicht gewährleistet werden. 289 Dennoch wurde dem Protokollentwurf<br />
dieses Manko zum Vorwurf gemacht, und als Argument für die Ineffizienz <strong>des</strong> Protokolls<br />
angeführt. Mit der konzeptionellen Logik <strong>des</strong> Regelungswerkes lässt sich dieser<br />
Vorwurf nicht vereinen.<br />
Mit Blick auf die Natur <strong>des</strong> Biowaffen-Protokolls als Anti-Terrorismus-Instrument<br />
muss die Kritik an diesem vielmehr an anderer Stelle ansetzen. Weder die BWC noch<br />
das Protokoll definieren und kriminalisieren explizit die terroristische Handhabung<br />
<strong>von</strong> Biomaterial. Während der Mangel <strong>des</strong> Protokolls an vollständiger Identifizierung<br />
und Kontrolle <strong>von</strong> dual use-Anlagen als konzeptionelle Beschränkung im Bereich der<br />
Biowaffenkontrolle hinzunehmen ist, wiegt dieser Nachteil - neben der fehlenden<br />
Strafbarkeit <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Bioterrorismus - unter dem Aspekt der Terrorismusbekämpfung<br />
schwer. Zur effektiven Eindämmung <strong>des</strong> terroristischen Zugangs zu Biomaterial<br />
ist insbesondere notwendig, Kenntnis <strong>von</strong> den Anlagen zu erlangen, die nicht als<br />
offizielle Bioanlagen registriert sind. Terroristen könnten sich Biomaterial in nicht registrierten,<br />
kleinen pharmazeutischen Anlagen oder Forschungseinrichtungen beschaffen<br />
- deren Kontrolle deckt das Protokoll nicht ab.<br />
Zusammenfassend handelt es sich bei der BWC und dem Protokollentwurf um Instrumente<br />
der internationalen Waffenkontrolle. Beide <strong>völkerrechtliche</strong>n Regelungswerke<br />
kriminalisieren nicht und stellen somit Akte <strong>des</strong> Bioterrorismus nicht ausdrücklich unter<br />
Strafe. <strong>Die</strong> Abkommen enthalten lediglich eine Verpflichtung an die Vertragsstaaten;<br />
non-state actors werden durch die BWC und das Protokoll selbst nicht erfasst.<br />
Zwar sind die Staaten gehalten, ihre Jurisdiktion über gefährliche Aktivitäten mit Biowaffen<br />
zu errichten und damit indirekt auch gegen private terroristische Handlungen<br />
vorzugehen; wie die nationale Jurisdiktion ausgestaltet werden soll, bleibt aber im<br />
Einzelnen ungeregelt. Das Hauptproblem wird hier sein, dass – bis auf wenige Ausnahmen<br />
– die meisten Staaten keine Vorkehrungen getroffen haben, die in der BWC<br />
und im Protokollentwurf niedergelegten Normen gegen Private anzuwenden. Entsprechende<br />
Gesetze, die private Aktivitäten auf dem Biosektor (Produktion, Verschiebung<br />
oder Hehlerei <strong>von</strong> Biomaterial) unter Strafe stellen, sind nicht erlassen worden. Ein<br />
weiteres Problem besteht darin, dass in den Staaten in denen bioterroristische Aktivitäten<br />
vermutet werden 290 - hierzu zählen insbesondere die Entwicklungsländer -, die ent-<br />
289 Moodie, The BWC Protocol: A Critique, CBACI Special Report, 2001, 17.<br />
290 Gemäß US-Regierungsangaben fallen hierunter der Sudan, Libyen, Syrien, Iran, Irak und Nordkorea. S. Monterey<br />
Institute´s Center for Nonproliferation Studies, Limiting the Acquisition and Use of Biological Weapons<br />
by Strengthening the BWC, http://www.nti.org/f_wmd411/f2j.html (18.02.2004).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 75<br />
sprechende staatliche Autorität fehlt, um relevante Vorfälle zu untersuchen. Oder es<br />
fehlt an einschlägigen nationalen Gesetzesvorschriften, welche nicht-staatlichen Akteuren<br />
den Zugang zu gefährlichen Biomaterialien untersagen. 291 Hier besteht eine Lücke,<br />
die es Vertragsstaaten mitunter ermöglicht, ihre Aktivitäten im Bereich der<br />
Biowaffen auf nicht-staatliche Akteure zu verlagern, da deren Verhalten nicht erfasst<br />
wird. 292 <strong>Die</strong> BWC und ihr Protokoll sind für sich genommen viel versprechende Instrumente<br />
im Bereich der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Eindämmung<br />
und Kontrolle staatlicher Biowaffenprogramme. Wegen der genannten<br />
Mängel stellen die BWC und das BWC-Protokoll derzeit kein geeignetes Anti-<br />
Terrorismus-Abkommen dar, mit dem die <strong>modernen</strong> Szenarien <strong>des</strong> Bioterrorismus<br />
durch non-state actors wirksam kriminalisiert und bekämpft werden könnten.<br />
f) Modellentwurf eines Internationalen Abkommens über die Verhütung und<br />
Strafbarkeit <strong>von</strong> Bioterrorismus<br />
<strong>Die</strong> momentane Sachlage bezüglich bioterroristischer Aktivitäten stellt sich damit - im<br />
Überblick - wie folgt dar:<br />
• die terroristische Inbesitznahme <strong>von</strong> Biomaterial ist kein internationales<br />
Verbrechen;<br />
• in den meisten Rechtsordnungen existiert kein Straftatbestand für Bioterrorismus;<br />
• es gibt weder ein System zur generellen Kontrolle biologischer Forschung noch<br />
zur Kontrolle bio-pharmazeutischer Labore;<br />
• das Völkerrecht autorisiert kein behördliches Eingreifen gegen die Herstellung<br />
<strong>von</strong> Biowaffen durch Terroristen;<br />
• auch wenn eine solche Legitimation hergestellt würde, sind institutionelle Möglichkeiten<br />
zur Bekämpfung bioterroristischer Aktivitäten nicht vorhanden.<br />
Der Modellentwurf eines Internationalen Abkommens über die Verhütung und Strafbarkeit<br />
<strong>von</strong> Bioterrorismus, erarbeitet <strong>von</strong> Kellman am International Weapons Control<br />
Center der DePaul University in Chicago 293 , stellt ein richtungweisen<strong>des</strong> Modell dar,<br />
um die derzeitige Definitions- und Strafbarkeitslücke bezüglich bioterroristischer Aktivitäten<br />
zu schließen. 294 Bei dem Entwurf handelt es sich um ein rein akademisches<br />
291 Kellman, Harv. J. L. & Pub. Pol`y 2001, 721 (731).<br />
292 Kellman, Harv. J. L. & Pub. Pol`y 2001, 721 (728).<br />
293 <strong>Die</strong> Autorin war während ihres Forschungsaufenthalts 2004 am International Human Rights Law Institute der<br />
DePaul University, College of Law, Chicago, USA, dem das besagte International Weapons Control Center angegliedert<br />
ist.<br />
294 Vgl. Kellman, Draft Model Convention on the Prohibition and Prevention of Biological Terrorism,<br />
http://law.depaul.edu/institutes_centers/ihrli/_downloads/draft_convention.pdf.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 76<br />
Modell, das in der Literatur und Praxis bislang keine Bestätigung erfahren hat. Dennoch<br />
verdient der Entwurf Beachtung, denn im Gegensatz zur BWC und dem BWC-<br />
Protokoll ist der Modellentwurf eines Internationalen Abkommens über die Verhütung<br />
und Strafbarkeit <strong>von</strong> Bioterrorismus nicht den internationalen Waffenabrüstungsabkommen<br />
nachgebildet, sondern er legt erstmalig einen rein strafrechtlichen Ansatz<br />
zugrunde. Der Modellentwurf stellt ein Novum dar, indem er als internationales Regelungswerk<br />
Akte <strong>des</strong> Bioterrorismus ausdrücklich als <strong>völkerrechtliche</strong>s Verbrechen unter<br />
Strafe stellt und sowohl staatliche als auch nicht-staatliche Verhaltensweisen<br />
kriminalisiert.<br />
Konkret basiert der Modellentwurf auf vier verschiedenen Strategien, die sich inhaltlich<br />
ergänzen und nur zusammen ein Gefüge zum bestmöglichen Schutz vor Bioterrorismus<br />
bereitstellen: Zunächst kriminalisiert der Entwurf den Gebrauch <strong>von</strong><br />
Biomaterial zu feindlichen Zwecken, er definiert das strafbare Verhalten sowie verpflichtet<br />
die Staaten, entsprechende Jurisdiktion zu errichten und in der Strafverfolgung<br />
zu kooperieren. Sodann werden die Staaten gehalten, ein Lizenzsystem für<br />
erlaubte Bioaktivitäten zu errichten. Parallel dazu steht den Staaten ein internationaler<br />
Mechanismus zur Einhaltung und Kontrolle <strong>von</strong> bio-safety und bio-security standards<br />
zur Verfügung. Letztlich schafft der Modellentwurf eines Internationalen Abkommens<br />
über die Verhütung und Strafbarkeit <strong>von</strong> Bioterrorismus die Voraussetzungen für ein<br />
internationales Informationssystem zur Sammlung und Analyse illegaler bioterroristischer<br />
Aktivitäten.<br />
aa) Völkerrechtliche Strafbarkeit <strong>von</strong> Bioterrorismus<br />
Art. 1 <strong>des</strong> Modellentwurfs etabliert Bioterrorismus als <strong>völkerrechtliche</strong>s Verbrechen.<br />
<strong>Die</strong> Norm zählt die strafbaren Verhaltensweisen auf, die unter allen Umständen, an jedem<br />
Ort und zu jeder Zeit den Tatbestand <strong>des</strong> Bioterrorismus erfüllen, und errichtet<br />
individuelle Verantwortlichkeit für jede Person, Körperschaft oder staatliche Funktionsträger.<br />
Eine Rechtfertigung für Taten aus Art. 1 besteht nicht. Staatliche Funktionsträger<br />
können sich weder aus politischen, philosophischen, ideologischen, rassischen,<br />
ethnischen, religiösen noch ähnlichen Gründen auf Immunität vor der Strafverfolgung<br />
berufen, vgl. Art. 3. 295 <strong>Die</strong> Strafwürdigkeit aus Art. 1 bezieht sich dabei nur auf solche<br />
Verhaltensweisen, mit denen feindliche Zwecke verfolgt werden; Art. 4 definiert diese<br />
als bewusstes Verursachen <strong>von</strong> menschlichem Verlust und Leid sowie der großflächigen<br />
Umweltbeeinflussung und Zerstörung der Tier- und Pflanzenwelt. In diesem Zu-<br />
295 Ein ähnliches Konzept verfolgt die Harvard Sussex Law Program´s Draft Convention to Prohibit Biological<br />
and Chemical Weapons under International Criminal Law v. 01.11.2001. Article II (3); s. dazu Meselson/Robinson,<br />
in: Yepes-Enriquez/Tabassi (Hrsg.), Treaty Enforcement and International Cooperation in Criminal<br />
Matters with Special Reference to the Chemical Weapons Convention, 2002, 447 ff.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 77<br />
sammenhang erweist sich als fraglich, ob auch die Verwendung <strong>von</strong> Biomaterialien in<br />
bewaffneten Konflikten unter die Strafwürdigkeit <strong>des</strong> Art. 1 fällt, wenn ihr Einsatz<br />
nicht zu Tod und Zerstörung <strong>von</strong> lebenden Organismen führt, sondern ausschließlich<br />
dem militärischen Vorteil dient. 296 Während derartige Aktivitäten dem Anwendungsbereich<br />
der BWC unterfallen, zeigt sich der Modellentwurf eng zugeschnitten und<br />
stellt die non-lethal Anwendungen nicht unter Strafe. Generell bezieht sich der Anwendungsbereich<br />
<strong>von</strong> Art. 1 ausschließlich auf die Normierung <strong>von</strong> eng definierten,<br />
strafrechtlichen Verhaltensweisen; die Vorschrift anerkennt aber zugleich, dass es eine<br />
Vielzahl <strong>von</strong> Bioaktivitäten gibt, die ihrer Natur nach vom Waffenkontrollregime besser<br />
umfasst werden.<br />
bb) Durchsetzung der Strafansprüche<br />
Um dem Regelungswerk entsprechende Wirksamkeit zu verleihen, hält die Draft Model<br />
Convention neben der Normierung strafwürdigen Verhaltens in Kapitel VII Maßnahmen<br />
zur Umsetzung der Strafansprüche bereit. Der Modellentwurf greift dabei auf<br />
einzelne Vorschriften bereits erlassener Anti-Terrorismus-Konventionen zurück und<br />
eröffnet damit die Hinwendung vorhandener, positiver Ansätze in der internationalen<br />
Terrorismusbekämpfung zu neuen Modellen. Art. 5 stellt das materiell-rechtliche Fundament<br />
staatlicher Jurisdiktionsbefugnis über die in Art. 1 normierten bioterroristischen<br />
Akte dar. Gemäß Art. 6 haben die Vertragsstaaten darauf zu achten, dass ihre<br />
nationalen Strafgesetze die in Art. 3 aufgezählten Rechtfertigungsgründe nicht gestatten.<br />
297 Art. 7 sieht vor, dass die Staaten ferner Gesetze gegen die logistische und finanzielle<br />
Unterstützung <strong>von</strong> bioterroristischen Aktivitäten erlassen. 298<br />
<strong>Die</strong> Durchsetzung <strong>des</strong> Strafanspruchs erweist sich insofern schwierig als sie da<strong>von</strong> abhängt,<br />
welcher Staat Jurisdiktion über die Tat ausübt. Im Hinblick auf eine effektive<br />
Strafverfolgung sind die Staaten daher gehalten, ihre Jurisdiktion erschöpfend auszugestalten;<br />
überlappende Jurisdiktion <strong>von</strong> mehreren Staaten wird angesichts <strong>des</strong> Risikos<br />
etwaiger Lücken in der Strafverfolgung in Kauf genommen. So sieht der Modellentwurf<br />
in Art. 8 umfassende Anknüpfungskriterien der Strafverfolgung vor: Neben dem<br />
Territorialitätsprinzip kommen sowohl das aktive als auch das passive Personalitätsprinzip<br />
sowie das Schutzprinzip zur Anwendung. Angesichts der Annahme, dass Akte<br />
296 Etwa dem außer Gefecht setzen <strong>von</strong> gegnerischem Kriegsgerät oder dem zügigen Vorrücken eigener<br />
Kampfeinheiten. Siehe dazu Kellman, Draft Model Convention on the Prohibition and Prevention of Biological<br />
Terrorism, http://law.depaul.edu/institutes_centers/ihrli/_downloads/draft_convention.pdf, Textual Summary, 3.<br />
297 Art. 6 <strong>des</strong> Modellentwurfs ist Art. 5 <strong>des</strong> Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung terroristischer<br />
Bombenanschläge v. 09.01.1998 sowie Art. 6 <strong>des</strong> Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finnanzierung<br />
<strong>von</strong> Terrorismus v. 09.12.1999 nachgebildet.<br />
298 Art. 7 <strong>des</strong> Modellentwurfs entspricht Art. 18 (2) <strong>des</strong> Entwurfs zu einem umfassenden Terrorismusabkommen<br />
(Draft Model Convention on the International Suppression of Terrorism), abgedruckt in Bassiouni, International<br />
Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 305.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 78<br />
<strong>des</strong> Bioterrorismus als Verbrechen gegen die Menschlichkeit qualifizieren, wird zudem<br />
das Universalitätsprinzip für Taten <strong>des</strong> Bioterrorismus etabliert, Art. 8 Abs. 10. 299<br />
Im Falle kollidierender Jurisdiktion gibt Art. 9 sodann den Staaten die Rangfolge der<br />
anzuwendenden Jurisdiktion vor. <strong>Die</strong> Vertragsstaaten sind verpflichtet, ihre Jurisdiktion<br />
gemäß ihrer nationalen Rechtsordnungen zu errichten und sofern möglich, auch auf<br />
universale Jurisdiktion zurückzugreifen. Da Art. 1 <strong>des</strong> Modellentwurfs Bioterrorismus<br />
als <strong>völkerrechtliche</strong>s Verbrechen definiert, ist ferner jeder internationale Strafgerichtshof<br />
oder je<strong>des</strong> internationales Tribunal dazu berechtigt, Akte <strong>des</strong> Bioterrorismus im<br />
Rahmen der jeweiligen Zuständigkeit zu verfolgen, vgl. Art. 15. Im Falle der - bislang<br />
fehlenden - Rechtsverbindlichkeit <strong>des</strong> Modellentwurfs eines Internationalen Abkommens<br />
über die Verhütung und Strafbarkeit <strong>von</strong> Bioterrorismus wäre hiernach auch der<br />
IStGH legitimiert, Akte <strong>des</strong> internationalen Bioterrorismus zu ahnden.<br />
Grundlage für eine effektive Strafverfolgung durch die Staaten ist deren Verpflichtung<br />
zu internationaler Rechtshilfe und Kooperation, welche in Art. 10 und 11 niedergelegt<br />
ist. 300 Art. 12 normiert die Auslieferung mutmaßlicher Bioterroristen. Sie ist zwingend,<br />
sofern der Gewahrsamsstaat nicht selbst die Strafverfolgung vornimmt. 301 Art. 12 stellt<br />
damit sicher, dass jede Person oder Körperschaft, die einer bioterroristischen Tat verdächtig<br />
ist, der Strafverfolgung zugeführt wird.<br />
<strong>Die</strong> verbleibenden Inhalte <strong>des</strong> Modellentwurfs eines Internationalen Abkommens über<br />
die Verhütung und Strafbarkeit <strong>von</strong> Bioterrorismus beauftragen die Vertragsstaaten,<br />
ein Lizenzsystem für erlaubte Biosubstanzen und Bioaktivitäten zu errichten sowie deren<br />
Einhaltung und Kontrolle zu sichern. Obwohl diese Vorschriften nicht strafrechtlicher<br />
Natur sind, kommt ihnen wichtige Bedeutung zu: Während die Strafnormen <strong>des</strong><br />
Ersten bis Vierten Kapitels Verhaltensweisen im Zusammenhang mit dem tatsächlichen<br />
Gebrauch und Umgang <strong>von</strong> Biomaterial zu feindlichen Zwecken pönalisieren<br />
und deren Strafverfolgung regeln, bestimmen die verbleibenden Vorschriften die Modalitäten<br />
vor dem Eintritt eines bioterroristischen Schadensfalls. Ausgehend <strong>von</strong> den<br />
verheerenden Folgen eines Terroranschlags mit Biowaffen kann die tatsächliche<br />
Durchführung eines Anschlags nicht abgewartet werden. <strong>Die</strong> Bekämpfung bioterroristischer<br />
Aktivität muss bereits dort ansetzen, wo sich das Risiko entsprechender An-<br />
299<br />
Kellman, Draft Model Convention on the Prohibition and Prevention of Biological Terrorism,<br />
http://law.depaul.edu/institutes_centers/ihrli/_downloads/draft_convention.pdf, Textual Summary, 3 f.<br />
300 Näher dazu s. Annex on Mutual Legal Assistance and Cooperation, Draft Model Convention on the Prohibition<br />
and Prevention of Biological Terrorism, http://law.depaul.edu/institutes_centers/ihrli/_downloads/draft_convention.pdf.<br />
301 S. zur näheren Ausgestaltung der Auslieferung Abschnitt 12 - 15 Annex on Mutual Legal Assistance and Cooperation,<br />
Draft Model Convention on the Prohibition and Prevention of Biological Terrorism,<br />
http://law.depaul.edu/institutes_centers/ihrli/_downloads/draft_convention.pdf.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 79<br />
schläge abzeichnet: etwa im Umgang und Transport mit biologischen Materialien oder<br />
deren Erforschung und Verarbeitung in biotechnischen Einrichtungen. Zur Absicherung<br />
dieser Vorbereitungshandlungen bioterroristischer Aktivität soll das Lizenzsystem<br />
mit <strong>des</strong>sen internationaler Kontrolleinrichtung dienen.<br />
In der Gesamtschau zeichnet sich der Modellentwurf eines Internationalen Abkommens<br />
über die Verhütung und Strafbarkeit <strong>von</strong> Bioterrorismus als <strong>völkerrechtliche</strong>s<br />
Regelungsinstrument ab, welches die internationale Staatengemeinschaft mit umfassenden<br />
Vollmachten im Kampf gegen den Bioterrorismus ausstattet. Indem die Staaten<br />
zur nationalen Strafverfolgung internationalen Bioterrorismus verpflichtet sind, büßen<br />
sie nicht ihre Souveränität ein. Ihnen wird ermöglicht, in der Strafverfolgung zusammenzuarbeiten.<br />
Damit das Konzept – nämlich eine umfassende Beschränkung bioterroristischer<br />
Aktivität zu etablieren und dementsprechende Strafbarkeit zu errichten –<br />
auch trägt, ist es <strong>von</strong> eminenter Wichtigkeit, dass alle Staaten Akte <strong>des</strong> Bioterrorismus<br />
in ihren nationalen Rechtsordnungen unter Strafe stellen und sodann auf dem Gebiet<br />
der Strafverfolgung kooperieren. Nur so kann das Internationale Abkommens über die<br />
Verhütung und Strafbarkeit <strong>von</strong> Bioterrorismus ein tragfähiges <strong>völkerrechtliche</strong>s Instrument<br />
zur Bekämpfung <strong>von</strong> bioterroristischen Aktivitäten sein – wenn es auch kein<br />
all umfassen<strong>des</strong> und ausschließliches ist. 302 Wünschenswert wäre, dass dem Entwurf<br />
die Umsetzung <strong>von</strong> der Wissenschaft in die Praxis zuteil würde und sich das Modell zu<br />
einem rechtsverbindlichen <strong>völkerrechtliche</strong>n Regelungsinstrument gegen den Bioterrorismus<br />
etablierte.<br />
6. Regelungswerk betreffend der Finanzierung <strong>des</strong> Terrorismus: Internationales<br />
Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung <strong>des</strong> Terrorismus<br />
Durch die Verabschiedung <strong>des</strong> Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der<br />
Finanzierung <strong>des</strong> Terrorismus 303 wurde eine lang existierende Lücke im Gefüge der<br />
Anti-Terrorismus-Abkommen geschlossen und die Strafbarkeit der Finanzierung <strong>des</strong><br />
internationalen Terrorismus etabliert. Bei der Finanzierung <strong>des</strong> Terrorismus handelt es<br />
sich um einen wesentlichen Bestandteil terroristischer Aktivität, ohne den dieser, insbesondere<br />
in seiner <strong>modernen</strong> Ausgestaltung, heute undenkbar ist. Zwar bedürfen<br />
nicht alle Formen terroristischer Aktivität eines umfassenden finanziellen Hintergrun<strong>des</strong>;<br />
oftmals fallen lediglich Kosten für die Lebenserhaltung der Täter an oder diese<br />
302<br />
Kellman, Draft Model Convention on the Prohibition and Prevention of Biological Terrorism,<br />
http://law.depaul.edu/institutes_centers/ihrli/_downloads/draft_convention.pdf, Textual Summary, 13.<br />
303 International Convention for the Suppression of the Financing of Terrorism v. 09.12.1999, in Kraft getreten<br />
am 10.04.2002, U.N. Doc. A/RES/54/109 (2000), Annex. Es gehören der Konvention 112 Vertragsstaaten an,<br />
132 haben unterzeichnet (Stand: 10.03.2004).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 80<br />
werden in Leistungen oder Gütern abgegolten. 304 In anderen Konstellationen werden<br />
hingegen Summen benötigt, die weit über jene Kosten für konventionelle Waffentechnik<br />
oder Sprengstoffe hinausgehen; dies ist etwa der Fall, wenn Terrorakte mittels<br />
Massenvernichtungswaffen geplant werden. 305 Ebenso vielfältig wie der Einsatz der<br />
Gelder zeigen sich die terroristischen Finanzquellen. <strong>Die</strong>se können sowohl legitimen<br />
(z. B. Geschäfts- oder Privatspenden) als auch illegalen (z. B. Gelder aus organisierter<br />
Kriminalität, Drogenhandel oder Geldwäsche) Ursprungs sein. 306 Insbesondere im<br />
Hinblick auf die teilweise legale Natur dieser Gelder fällt es den Finanzinstitutionen<br />
schwer, den Fluss der Mitteln zu verfolgen und Transaktionen aufzudecken, die für die<br />
Unterstützung terroristischer Aktivitäten bestimmt sind. 307 Letztlich gelingt es terroristischen<br />
Akteuren immer wieder, ihre Transaktionen über andere Kanäle als den offiziellen<br />
Finanzsystemen abzuwickeln. 308 Banken können diesbezüglich nur reagieren,<br />
wenn die Transaktionen als „ungewöhnlich, verdächtig oder anderweitig terroristischer<br />
oder krimineller Natur“ erscheinen. 309<br />
Das Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung <strong>des</strong> Terrorismus sieht das Einfrieren<br />
und die Beschlagnahme <strong>von</strong> Geldern vor, welche für terroristische Akte vorgesehen<br />
sind. Mit der Konvention wird das Ziel verfolgt, Terroristen Geldmittel zu<br />
entziehen und damit die Gefahr <strong>von</strong> Terrorakten zu verringern und einzudämmen. <strong>Die</strong><br />
Konvention verbietet es jeder Person, jedem Staat oder internationaler Organisation,<br />
Geldmittel in dem Bewusstsein zur Verfügung zu stellen, dass die Gelder für ein Terrorverbrechen<br />
nach den im Anhang der Konvention benannten Anti-Terrorismus-<br />
Abkommen verwendet werden, vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a. Es ist nicht erforderlich, dass<br />
die Gelder tatsächlich zur Ausführung eines speziellen Verbrechens verwendet werden.<br />
<strong>Die</strong> Konvention verbietet ferner jede Handlung, die den Tod oder die schwere<br />
304 Eine Studie über die Anschläge <strong>des</strong> 11. September 2001 hat belegt, dass die Attentäter mit kleineren Geldüberweisungen<br />
unter 10 000 US Dollar ausgestattet wurden, um ihre Lebenskosten und Studiengebühren abzudecken.<br />
S. Mooloy, Terrorism, Typologies and Non-Cooperation, Money Laundering Bulletin, Februar 2002, 2.<br />
305 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 229.<br />
306 International Bar Association, International Terrorism: Legal Challenges and Responses. A Report by the International<br />
Bar Association‘s Task Force on Terrorism, 2003, 118. <strong>Die</strong> Methoden der Finanzierung <strong>von</strong> Terrorismus<br />
werden an Komplexität noch zunehmen: So finanzierten sich die liberianischen Rebellen etwa durch den<br />
Diamantenhandel mittels <strong>von</strong> ihnen kontrollierten Minen. Vgl. Bassiouni, International Terrorism: Multilateral<br />
Conventions, 2001, 229.<br />
307 International Bar Association, International Terrorism: Legal Challenges and Responses. A Report by the International<br />
Bar Association‘s Task Force on Terrorism, 2003, 118.<br />
308 Seit dem 11. September 2001 konnten insbesondere zwei inoffizielle Finanzkanäle identifiziert werden:<br />
Wohltätigkeitsorganisationen und ein informelles System zum Geldwechsel namens Hawala. Zur Einführung<br />
<strong>von</strong> Hawala s. Jost/Sandhu, The Hawala alternative remittance system and its role in money laundering, Interpol<br />
General Secretariat, Januar 2000, http://www.interpol.int/Public/FinancialCrime/Money-<br />
Laundering/hawala/default.asp; International Bar Association, International Terrorism: Legal Challenges and<br />
Responses. A Report by the International Bar Association‘s Task Force on Terrorism, 2003, 119.<br />
309 S. Financial Task Force on Money Laundering, Guidance for Financial Institutions in Detecting Terrorist Financing,<br />
24.04.2002, para. 9.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 81<br />
Körperverletzung einer Person verursacht, welche nicht aktiv an einem bewaffneten<br />
Konflikt beteiligt ist; die Handlung muss darauf ausgerichtet sein, eine Bevölkerung,<br />
Regierung oder internationale Organisation zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen<br />
zu zwingen, vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. b. Gemäß der Konvention sind Täterschaft, Teilnahme<br />
und der Versuch strafbar; diese Handlungen sind unter keinen Gründen<br />
gerechtfertigt. <strong>Die</strong> Konvention findet allerdings keine Anwendung auf Tathandlungen<br />
innerhalb eines Staates, wenn diese keinen internationalen Bezug aufweisen. Wie die<br />
vorherigen Abkommen verpflichtet die Konvention die Staaten, einen Straftatbestand<br />
für die Finanzierung <strong>des</strong> Terrorismus in ihren nationalen Rechtsordnungen zu schaffen<br />
und den Täter auszuliefern oder anzuklagen, aut derere aut iudicare. 310<br />
Ausgehend <strong>von</strong> den wachsenden Möglichkeiten eines globalisierten Finanz- und<br />
Kommunikationsmarktes kann eine internationale Bekämpfung der Finanzierung <strong>des</strong><br />
Terrorismus nur gelingen, wenn sich alle Staaten an der Umsetzung <strong>von</strong> effektiven<br />
Maßnahmen auf dem Gebiet der Finanzkontrolle beteiligen. Um den höchsten Grad an<br />
Zusammenarbeit unter den Staaten zu erreichen, enthält die Konvention detaillierte<br />
Bestimmungen über die internationale Rechtshilfe sowie die Auslieferung. Dass diese<br />
Vorschriften weiter reichen als jene der vorherigen Anti-Terrorismus-Abkommen, ist<br />
die eigentliche Errungenschaft der Konvention. 311 So stimmen die Vertragsstaaten<br />
darüber überein, sich auf dem Gebiet der polizeilichen Ermittlungen, Strafverfolgung<br />
und Auslieferung optimal zu unterstützen. Anfragen auf Rechtshilfe können nicht mit<br />
dem Verweis auf das Bankgeheimnis, politische Auslieferungsausnahme oder sonstige<br />
Auslieferungshindernisse abgelehnt werden. 312<br />
Bei dem Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung <strong>des</strong> Terrorismus handelt<br />
es sich um das jüngste Anti-Terrorismus-Abkommen. <strong>Die</strong> <strong>völkerrechtliche</strong> Pönalisierung<br />
finanzieller Aktivitäten und das „Einfrieren“ und die Beschlagnahme <strong>von</strong> Geldern<br />
ist ein wichtiger Schritt in der Bekämpfung <strong>des</strong> Terrorismus, wenngleich damit<br />
nicht alle terroristische Gefahren verhindert werden können. Indem die Konvention in<br />
ihrer Strafbarkeit vorrangig auf finanzielle Tathandlungen abstellt, erfasst sie wesentliche<br />
Vorbereitungshandlungen; für die eigentliche <strong>völkerrechtliche</strong> <strong>Kriminalisierung</strong><br />
<strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus ist sie jedoch nicht konzipiert, <strong>des</strong>halb<br />
kann sie eine diesbezügliche Strafbarkeit nicht begründen.<br />
310 Vgl. Art. 5 bis 7, Art. 10 <strong>des</strong> Finanzierungsübereinkommens.<br />
311 Legal Department International Monetary Fund, Suppressing the Financing of Terrorism. A Handbook of<br />
Legal Drafting, 2003, 10; Kotzur, AVR 2002, 454 (458).<br />
312 S. Art. 13, 14 <strong>des</strong> Übereinkommens.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 82<br />
7. Entwurf eines umfassenden Terrorismusabkommen<br />
Schließlich ist auf den Entwurf eines umfassenden Terrorismusabkommens einzugehen.<br />
Zu untersuchen ist, ob dieser ein zukunftsfähiges Instrument der <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Pönalisierung <strong>von</strong> Terrorakten darstellt. Waren die vorherigen Abkommen allesamt<br />
auf einen spezifischen, eng umrissenen terroristischen Anwendungsbereich zugeschnitten,<br />
handelt es sich bei dem Entwurf eines umfassenden Terrorismusabkommens<br />
um das erste <strong>völkerrechtliche</strong> UN-Abkommen allgemeiner Natur. 313 Bereits 1972 hatten<br />
die USA den Vereinten Nationen einen Vorschlag zur Ausarbeitung einer allgemeinen<br />
Terrorismuskonvention unterbreitet, doch musste die US-Initiative hinter dem<br />
Konzept der Schaffung spezieller Anti-Terrorismus-Abkommen zurückstehen. 314 <strong>Die</strong><br />
Grundlage für die derzeitigen Verhandlungen über einen neuen Entwurf eines umfassenden<br />
Terrorismusabkommens stellen ein indischer Entwurf aus dem Jahre 1996 und<br />
seine überarbeitete Fassung aus 2000 dar. 315<br />
<strong>Die</strong> Arbeiten an dem neuen Entwurf, insbesondere die intensiven Einigungsbemühungen<br />
nach den Ereignissen vom 11. September 2001, haben verdeutlicht, dass die Staaten<br />
darin übereinstimmen, Fortschritte im Kampf gegen den internationalen<br />
Terrorismus zu erzielen und dazu umfassende gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen.<br />
Dennoch konnten die Staaten traditionelle Vorbehalte betreffend eine umfassende<br />
Pönalisierung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus bislang nicht überwinden. So ist sich<br />
die Staatengemeinschaft weiter uneinig über:<br />
• die Definition <strong>des</strong> Terrorismus,<br />
• das Verhältnis zwischen Terrorismus und nationalen Befreiungsbewegungen,<br />
sowie<br />
• die Einbeziehung <strong>von</strong> Handlungen staatlicher Streitkräfte in Ausführung<br />
ihrer Funktionen.<br />
313 Unter der Ägide <strong>des</strong> Völkerbun<strong>des</strong> wurde 1937 die Convention for the Prevention and Punishment of Terrorism<br />
verabschiedet, die niemals in Kraft getreten ist. S. dazu unter B. I.<br />
314 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 243; Marx, ZAR 2002, 127 (128).<br />
315 Letter dated 01.11.1996 from the Permanent Representative of India to the United Nations addressed to the<br />
Secretary-General, UN Doc. A/C.6/51/6 (11.11.1996). Ferner Press Release, Secretary General, United Nations<br />
Ready to Lead and Serve in Fight against Terrorism, says Secretary-General: Calls for Comprehensive Intsrument<br />
to Tackle International Terrorism in All Its Aspects, UN Doc. S/SM/6092 (24. 10. 1996). UN Docs.<br />
A/C.6/56/L.9 und A/57/37. Draft Comprehensive Convention on International Terrorism, Working Document<br />
Submitted by India, UN Doc. A/C.6/55/1 (28.08.2001). Zur Beschreibung der verschiedenen Vorschläge und<br />
Änderungsanträge sowie zur Disskussion innerhalb <strong>des</strong> Hoc Committee s. United Nations, General Assembly,<br />
Measures to Eliminate International Terrorism: Report of the Working Group, UN Doc. A/C.6/55/L.2<br />
(19.10.2000). Eingehend zum umfassenden Terrorismübereinkommen und den Verhandlungen ferner van Ginkel,<br />
in: van Leeuwen (Hrsg.), Confronting Terrorism, 2003, 207 ff.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 83<br />
<strong>Die</strong> Staaten verpflichten sich im umfassenden Terrorismusabkommen zur Zusammenarbeit<br />
in der Bekämpfung und Bestrafung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Terrorismus. <strong>Die</strong>se werden in<br />
Art. 2 <strong>des</strong> Entwurfs wie folgt definiert: 316<br />
„Any person commits an offence within the meaning of this Convention if that person, by<br />
any means, unlawfully and intentionally, causes:<br />
(a) Death or serious bodily injury to any person; or<br />
(b) Serious damage to public or private property , including a place of public use,<br />
a State or government facility, a public transportation system, communications<br />
system, an infrastructure facility or the environment; or<br />
(c) Damage to property, places, facilities, or systems referred to in paragraph 1 (b)<br />
of this article, resulting or likely to result in major economic loss, when the<br />
purpose of the such act, by its nature or context, is to intimidate a population,<br />
or compel a Government or an international organization to do or abstain from<br />
doing any act.<br />
[...]“<br />
Art. 2 definiert auch den Versuch und die Teilnahme als Akte <strong>des</strong> Terrorismus.<br />
<strong>Die</strong> oben genannte Definition enthält die Formen der Tatbestandsbegehung, die alle<br />
mit dem Ziel verfolgt werden, eine Bevölkerung, eine Regierung oder eine internationale<br />
Organisation zu bedrohen oder zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen<br />
zu zwingen: <strong>Die</strong> erste Tatbestandsmodalität besteht in der widerrechtlichen und vorsätzlichen<br />
Begehung <strong>von</strong> Handlungen, die den Tod oder die schwere Körperverletzung<br />
einer Person verursachen (Art. 2 Abs. 1 lit. a). <strong>Die</strong> zweite Variante der Tatbestandsbegehung<br />
bezieht sich auf die Beschädigung <strong>von</strong> öffentlichem oder privatem Eigentum<br />
sowie staatlichen und Einrichtungen, Transportsystemen, anderen Infrastruktureinrichtungen<br />
oder der Umwelt (Art. 2 Abs. 1 lit. b). Schließlich erfüllen den Tatbestand <strong>des</strong><br />
Art. 2 solche Handlungen, welche die Beschädigung <strong>von</strong> Einrichtungen <strong>des</strong> Art. 2<br />
Abs.1 lit. b vorsehen und damit großen wirtschaftlichen Schaden verursachen (können).<br />
<strong>Die</strong>se in Art. 2 vorgeschlagene Definition der terroristischen Straftat trifft auf einige<br />
Bedenken im <strong>völkerrechtliche</strong>n Schrifttum, namentlich den Mangel an rechtlicher<br />
Bestimmtheit; die Definition enthält verschiedene Elemente, die der Eindeutigkeit <strong>des</strong><br />
316 So in der Fassung: Informal Texts of Articles 2 and 2 bis of the draft comprehensive convention, prepared by<br />
the Coordinator, A/57/37, S. 6 (<strong>Die</strong>ser Text stellt den Stand der Verhandlungen der Working Group of the Sixth<br />
Committee im Jahr 2001 dar. Es ist festzuhalten, dass weitere Verhandlungen zu den Entwürfen stattfinden und<br />
weitere Themen mit einschliessen.).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 84<br />
Tatbestan<strong>des</strong> widersprechen. 317 So bezögen sich die Tatbestandselemente „serious damage“,<br />
„major economic loss“, oder „its nature or context“ auf unklare und vage Begriffsbestimmungen,<br />
die nicht mit dem Prinzip nullum crimen sine lege, welches<br />
universelle Anerkennung in den nationalen Rechtsordnungen und im Völkerstrafrecht<br />
findet, zu vereinbaren seien. 318 Der Gebrauch der Begrifflichkeit „by its nature or context“<br />
lässt zudem darauf schließen, dass das Vorsatzelement <strong>von</strong> der „Funktionalität“<br />
der Straftat abhängig ist, und nicht vom Willen <strong>des</strong> Täters. Mit dieser Formulierung<br />
<strong>des</strong> Tatbestan<strong>des</strong> wird das Prinzip der zwingenden Verantwortlichkeit etabliert und<br />
vom Grundsatz der subjektiven Verantwortlichkeit, welches im Völkerstrafrecht vorherrschend<br />
ist, abgewichen. 319 <strong>Die</strong> Tatbestandsvarianten verdeutlichen, dass der Definitionsentwurf<br />
<strong>des</strong> umfassenden Terrorismusabkommen neben der traditionellen,<br />
schweren Gewaltanwendung gegen Personen und Sachgüter auch die Gefährdung öffentlicher<br />
Einrichtungen und Infrastrukturen sowie <strong>von</strong> Kommunikationssystemen und<br />
der Umwelt umfasst. Damit deckt die Definition moderne terroristische Erscheinungsformen<br />
ab. Wird das umfassende Terrorismusabkommen in der vorgesehenen Form<br />
verabschiedet, können zukünftig auch Taten <strong>des</strong> Atom-, Chemie-, Bio- oder Cyberterrorismus<br />
in den Anwendungsbereich der Konvention fallen.<br />
In seiner weiteren inhaltlichen Ausgestaltung verpflichtet der Vertragsentwurf die<br />
Staaten, für die Handlungen aus Art. 2 in ihren nationalen Rechtsordnungen entsprechende<br />
Normen für die Strafbarkeit zu verankern, Art. 4, und festzulegen, dass für solche<br />
Akte Rechtfertigungsgründe ausgeschlossen sind, Art. 5. Der Entwurf richtet an<br />
die Staaten das Verbot, terroristische Aktionen zu organisieren, diese zu finanzieren<br />
oder zu unterstützen sowie sich an der Begehung <strong>von</strong> terroristischen Aktionen in anderen<br />
Staaten in der Form zu beteiligen, dass sie Terroraktivitäten auf ihrem Staatsgebiet<br />
tolerieren. Sie haben Maßnahmen zu ergreifen, um den Aufenthalt und die Tätigkeit<br />
<strong>von</strong> Terrorgruppen auf ihrem Staatsgebiet zu verhindern, Art. 8. Der Entwurf gibt eine<br />
weite Jurisdiktion vor, da Art. 6 das Territorialprinzip, das aktive und passive Schutzprinzip<br />
sowie das Schutzprinzip vorsieht. Im Falle der Nichtauslieferung, sind die<br />
Staaten zur Strafverfolgung gehalten, aut dedere aut iudicare, Art. 11.<br />
317 Andreu-Guzmán, Terrorism and Human Rights, No. 2, 2003, 34; ders. Terrorism and Human Rights, 2002,<br />
205 f.<br />
318 Vgl. Art. 15 Pakt über bürgerliche und politische Rechte; Art. 7 Europäische Menschenrechtskonvention; Art.<br />
9 Interamerikanische Menschenrechtskonvention; Art. 7 African Charter on Human Rights and Peoples Rights;<br />
General Principles unter dem IStGH-Statut.<br />
319 Ebenda. Vgl. ferner Inter-American Commission on Human Rights, Report on Terrorism and Human Rights,<br />
Doc. OAS/Ser.L/V/ll.116, Doc. 5 rev. 1 cor., 22.10.2002, para. 227.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 85<br />
8. Regionale Instrumente<br />
Neben den universellen Vertragswerken zur Bekämpfung <strong>des</strong> Terrorismus auf UN-<br />
Ebene sind auch eine Reihe <strong>von</strong> regionalen Anti-Terrorismus-Abkommen verabschiedet<br />
worden. So konnten die OAS 320 , der Europarat 321 , die SAARC 322 , die Arabische<br />
Liga 323 , das Commonwealth der unabhängigen Staaten 324 , die Organisation der Afrikanischen<br />
Einheit 325 sowie die Organisation der Islamischen Konferenz 326 eigene, in ihrem<br />
Anwendungsbereich räumlich begrenzte Konventionen zur Bekämpfung <strong>des</strong><br />
Terrorismus vereinbaren. <strong>Die</strong> regionalen Instrumente folgen dem universalen Modell<br />
der bestehenden Anti-Terrorismus-Abkommen auf UN-Ebene: Auch sie sehen keine<br />
Definition <strong>des</strong> Terrorismus vor, sondern es erfolgt die <strong>Kriminalisierung</strong> einzelner, spezieller<br />
terroristischer Verhaltensweisen, wie etwa Mord, Geiselnahme international geschützter<br />
Personen oder Flugzeugentführung. Ferner verankern sie das Prinzip aut<br />
dedere aut iudicare. Eine direkte Strafbarkeit terroristischen Verhaltens erfolgt im<br />
Rahmen regionaler Terrorismusbekämpfung ebenfalls nicht. Gegenstand der regionalen<br />
Konventionen ist in der Hauptsache die Koordinierung präventiver Maßnahmen<br />
und die Vereinheitlichung <strong>des</strong> Rechtshilfeverkehrs in Strafsachen. 327<br />
<strong>Die</strong> Gesamtschau der benannten regionalen Abkommen zeigt, dass diese Instrumente<br />
keine Neuerungen hinsichtlich der <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus bereithalten, sondern lediglich die auf der UN-Ebene analysierten Resultate<br />
bestätigen. Da die vorliegende Arbeit ihren Fokus auf die universelle <strong>Kriminalisierung</strong><br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus durch das Völkerrecht legt, erfolgt eine weitere<br />
Analyse der regionalen Instrumente nicht.<br />
320 Organization of American States: Convention to Prevent and Punish Acts of Terrorism the Form of Crimes<br />
against Persons and Related Extortion that are of International Significance v. 02.02.1971, O.A.S. Doc. A/6/Doc.<br />
88 rev.1, corr.1; 10 ILM, 255.<br />
321 European Convention on the Suppression of Terrorism v. 27.01.1977, E.T.S. No. 90; 15 ILM, 1272.<br />
322 South Asian Association for Regional Cooperation: Regional Convention on the Suppression of Terrorism v.<br />
04.11.1987, abgedruckt in UN Doc. A/51/136 (04.11.1987).<br />
323 The League of Arab States, the Council of Arab Interior and Justice Ministers: The Arab Convention on the<br />
Supression of Terrorism v. 22.05.1998.<br />
324 The Commonwealth of Independet States: Treaty on Cooperation aming the States Members of the Commonwealth<br />
of Independent States in Combating Terrorism v. 04.06.1999.<br />
325 Organization of African Unity: Convention on the Prevention and Combating of Terrorism v. 14.07.1999.<br />
Näher dazu David, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims, and International Criminal Responsibility, 2003,<br />
72 ff.<br />
326 Organization of the Islamic Conference: Convention of the Organization of the Islamic Conference on Combating<br />
International Terrorism v. 11.10.2000, abgedruckt in UN Doc. A/54/637, *annex.<br />
327 Mauruhn, in: Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Vol. 4, 2000, 853; Gless/Lüke,<br />
Jura 1998, 70 (71); Wilkitzki, ZStR 1993, 821 (831).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 86<br />
9. Zwischenergebnis<br />
Der gescheiterte Versuch der internationalen Staatengemeinschaft, sich auf eine umfassende<br />
Terrorismuskonvention zu einigen, hat dazu geführt, dass die Bekämpfung<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus bislang einzelnen, bereichsspezifischen Anti-<br />
Terrorismus-Abkommen vorbehalten bleibt. <strong>Die</strong>se wurden im obigen Abschnitt im<br />
Überblick behandelt und analysiert. <strong>Die</strong> jeweiligen Abkommen pönalisieren spezielle<br />
Techniken internationalen Terrorverhaltens, wie etwa die Geiselnahme, Flugzeugentführung<br />
oder die Vornahme <strong>von</strong> Sprengstoffanschlägen gegen Zivilisten. Alle Konventionen<br />
stellen dabei Täterschaft, Versuch und Teilnahme unter Strafe.<br />
Angefangen mit dem 1970 Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme<br />
<strong>von</strong> Luftfahrzeugen hat sich die Tendenz entwickelt, Anti-Terrorismus-<br />
Abkommen so auszugestalten, dass sie sehr knappe Vorschriften über die nationale -<br />
und somit nach Völkerrecht nur mittelbare - Strafverfolgung, Auslieferung, Jurisdiktion<br />
und Rechtshilfe hinsichtlich terroristischer Verhaltensweisen enthalten. Im Ergebnis<br />
lassen sich die typischen Merkmale der <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> konventionellen<br />
Terrorakten durch das Völkervertragsrecht wie folgt zusammenfassen:<br />
(1) Durch die einzelnen Konventionen werden explizit oder indirekt spezielle terroristische<br />
Verhaltensweisen kriminalisiert;<br />
(2) die speziellen terroristischen Aktionsformen sind in den nationalen Rechtsordnungen<br />
unter Strafe zu stellen; damit unterliegen sie nicht der unmittelbaren<br />
Strafbarkeit nach Völkerrecht;<br />
(3) die Konventionen bestimmen die Zuständigkeit über die speziellen Terrorakte<br />
anhand einer Vielzahl <strong>von</strong> Umständen;<br />
(4) die speziellen terroristischen Verhaltensweisen werden als auslieferungsfähige<br />
Delikte behandelt;<br />
(5) die Konventionen verpflichten die Staaten, die Täter an Staaten mit einschlägiger<br />
Jurisdiktion über die terroristischen Akte auszuliefern oder ihren eigenen<br />
Strafverfolgungsbehörden mit dem Ziel der Einleitung eines<br />
Strafverfahrens zu übergeben, aut dedere aut iudicare;<br />
(6) die Staaten sind gehalten, auf dem Wege der internationalen Rechtshilfe bei<br />
der Ermittlung und Strafverfolgung hinsichtlich der speziellen Terrorakte zusammenzuarbeiten.<br />
Obwohl dies wünschenswert wäre, finden sich diese Merkmale nicht einheitlich in allen<br />
benannten Anti-Terrorismus-Abkommen wieder. Dennoch stellen die Konventionen<br />
Instrumente <strong>des</strong> Völkerstrafrechts dar, weil sie hinsichtlich der – <strong>von</strong> ihnen jeweils
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 87<br />
umfassten – terroristischen Handlungen Strafcharakter begründen. 328 Das Zustandekommen<br />
der Anti-Terrorismus-Abkommen spiegelt hierbei den Entwicklungsprozess<br />
internationaler Normen mit Strafcharakter im Bereich <strong>des</strong> Völkerstrafrechts wider: Je<br />
stärker ein kriminelles Phänomen in einem speziellen Bereich zu Tage tritt (z. B. Attentate<br />
auf den internationalen zivilen Flugverkehr oder auf international geschützte<br />
Personen), <strong>des</strong>to intensiver werden <strong>völkerrechtliche</strong> Regelungen verabschiedet. <strong>Die</strong>se<br />
gewinnen im Lauf der Zeit an Bestimmtheit in der strafrechtlichen Normierung. 329 Das<br />
heißt, je mehr Konventionen für ein spezielles terroristisches Phänomen verabschiedet<br />
werden, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Normierung der Strafbarkeit,<br />
Strafverfolgung, Strafzumessung, Auslieferung, Jurisdiktion und internationaler<br />
Rechtshilfe weiterentwickelt hat und damit die Vorschriften dem <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Bestimmtheitsgebot immer stärker entsprechen. Eine einheitliche Normierung in den<br />
Anti-Terrorismusabkommen hinsichtlich der Pönalisierung <strong>von</strong> Terrorismus wäre vorteilhaft<br />
und wünschenswert (Normklarheit) 330 ; sie ist aber unterblieben.<br />
<strong>Die</strong> <strong>von</strong> dieser Arbeit vorgenommene Analyse hat ergeben, dass hinsichtlich der <strong>Kriminalisierung</strong><br />
<strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen derzeit noch eine Strafbarkeitslücke besteht.<br />
Im Bereich der Bekämpfung <strong>von</strong> atomaren und chemischen Terrorismus sowie<br />
Terrorismus mittels Biowaffen existieren zwar erste Ansätze einer multilateralen Regelung,<br />
doch handelt es sich hierbei um Instrumente der internationalen Waffenkontrolle,<br />
nicht der Strafverfolgung. <strong>Die</strong> bestehenden Regelungswerke unterliegen keinem<br />
strafrechtlichen Ansatz und halten demnach eine völkerstrafrechtliche <strong>Kriminalisierung</strong><br />
<strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Atom-, Bio- und Chemieterrorismus auf dem Gebiet <strong>des</strong> Völkervertragsrechts<br />
nicht bereit. Moderne Gefahren durch cyberterroristische Attacken<br />
werden durch keine UN-Konvention abgedeckt.<br />
II.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus nach Völkergewohnheitsrecht<br />
Nachdem im vorhergehenden Abschnitt die <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus nach Maßgabe <strong>des</strong> bestehenden Völkervertragsrechts evaluiert<br />
wurde, wird nun geprüft, ob das Völkergewohnheitsrecht entsprechende Regelungen<br />
bereithält.<br />
328 Bassiouni, Case Western Reserve Journal of International Law 1993, 15, abgedruckt in: Dugard/Wyngart<br />
(Hrsg.), International Criminal Law and Procedure, 1996, 27 (30).<br />
329 Bassiouni, International Terrorism: Multilateral Conventions, 2001, 119; ders., Introduction to International<br />
Criminal Law, 2003, 134 ff., 150.<br />
330 Siehe D`Amato, Concept of Custom in International Law, 1971.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 88<br />
1. Resolutionspraxis der UN-Generalversammlung<br />
Resolutionen der UN-Generalversammlung gelten als Indiz für das Vorliegen <strong>von</strong><br />
Völkergewohnheitsrecht. Im Folgenden werden die Resolutionen untersucht, die im<br />
Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung verabschiedetet worden sind.<br />
Der Ausgangspunkt für die Behandlung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus innerhalb der<br />
UN-Generalversammlung stellt die Friendly Relations Declaration <strong>von</strong> 1970 dar. 331<br />
Hierin verpflichten sich die Staaten:<br />
„to refrain from organizing, instigating, assisting or participating in acts of civil strife<br />
or terrorist acts in another State or acquiescing in organized activities within its territory<br />
directed towards the commission of such acts, when the acts referred to in the present<br />
paragraph involve a threat or use of force.“ 332<br />
Der Resolutionstext sieht keine Definition <strong>des</strong> „terroristischen Akts“ vor, doch verbietet<br />
die Friendly Relations Declaration eindeutig terroristische Aktivitäten. 333<br />
In den darauf folgenden Jahren wurden weitere Resolutionen durch die UN-<br />
Generalversammlung erlassen, die zum einen Maßnahmen zur Bekämpfung und Kontrolle<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus vorsahen, zum anderen seine Ursachen und politischen<br />
Hintergründe aufgriffen. 334 Im Dezember 1985 verurteilte die<br />
Generalversammlung unmissverständlich alle terroristischen Handlungen, Methoden<br />
und Praktiken als kriminelle Akte, gleich wo und wann sie begangen wurden. 335 Durch<br />
diese eindeutige <strong>Kriminalisierung</strong> terroristischer Akte und der damit zusammenhängenden<br />
Schaffung universeller Jurisdiktion kommt der 1985 Resolution normativer<br />
Charakter zu. 336 Seit dieser Resolution verurteilen alle späteren Resolutionstexte terroristische<br />
Akte als kriminell und fordern die Staaten auf, entsprechende Maßnahmen<br />
auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung zu unternehmen. Keine der Resolutionen<br />
331 UN GA Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation<br />
among States in accordance with the Charter of the United Nations („the Friendly Relations Declaration“), UN<br />
GA Res. 2625 (XXV) v. 24.10.1970.<br />
332 UN GA Res. 2625 (XXV) v. 24.10.1970, Prinzip 1, 8. Abschnitt.<br />
333 Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 519; Sunga, The Emerging System<br />
of International Criminal Law, 1997, 197.<br />
334 Siehe etwa UN GA Res. 3034 (XXVII) v. 18.12.1972 mit dem Titel: „Measures to prevent international terrorism<br />
which endagers or takes innocent human lives or jeopardizes fundamental freedoms, and study of the underlying<br />
causes of those forms of terrorism and acts of violence which lie in misery, frustration, grievance and<br />
<strong>des</strong>pair and which cause some people to sacrifice human lives, including their own, in attempt to effect radical<br />
changes“.<br />
335 UN GA Res. 40/61 v. 09.12.1985, Abschnitt 1.<br />
336 Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 519; El-Ayouty, 5 ILSA J. Int’L &<br />
Comp. L., 485 (491).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 89<br />
vermochte es jedoch, die Rechtfertigung <strong>von</strong> Terrorverhalten als legitime Ausübung<br />
<strong>des</strong> Selbstbestimmungsrechts der Völker zu überwinden. 337<br />
<strong>Die</strong> Haltung der UN-Generalversammlung änderte sich erst zu Beginn der 90er Jahre<br />
mit der Declaration on Measures to Eliminate International Terrorism 338 . <strong>Die</strong>se sieht<br />
einen Bezug zum Recht auf Selbstbestimmung und die Rechtmäßigkeit <strong>des</strong> bewaffneten<br />
Befreiungskampfes nicht mehr vor. In dieser Resolution bestimmt die UN-<br />
Generalversammlung, dass:<br />
„(1) it reiterates the condemnation of acts of terrorism as criminal;<br />
(2) it characterizes acts of terrorism as a grave violation of the purpose and principles<br />
of the United Nations;<br />
(3) it provi<strong>des</strong> that criminal acts intended or calculated to provoke a state of terror in<br />
the general public, a group or particular person for political purposes are in any<br />
circumstance unjustifiable, whatever the considerations of a political, philosophical,<br />
ideological, racial, etnic, religious or any other nature that may be invoked to<br />
justify them.“ 339<br />
<strong>Die</strong> 1994 Declaration on Measures to Eliminate International Terrorism stellt eine<br />
wichtige Weiterentwicklung in der <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
auf UN-Ebene dar. Erstens wird die Strafbarkeit terroristischen Verhaltens als krimineller<br />
Akt bestätigt; zweitens wird Terrorismus als schwere Verletzung der Ziele und<br />
Prinzipien der Vereinten Nationen bezeichnet. Drittens wird bekräftigt, dass terroristisches<br />
Verhalten unter keinen Umständen zu rechtfertigen ist, vgl. Absätze 1-3. Damit<br />
verurteilt die Resolution alle terroristischen Handlungen, Methoden und Praktiken als<br />
kriminell. Sie definiert diese als Akte, die dazu gedacht oder darauf angelegt sind, die<br />
breite Öffentlichkeit, einen bestimmten Personenkreis oder bestimmte Personen aus<br />
politischen Motiven in Schrecken zu versetzen; darüber hinaus bleibt terroristischen<br />
Verhaltensweisen jegliche Basis für eine Rechtfertigung versagt. <strong>Die</strong> Generalversammlung<br />
hat ihre seitdem bestätigt. 340<br />
337 UN GA Res. 31/102 v. 15.12.1976; UN GA Res. 32/147 v. 16.12.1977; UN GA Res. 34/145 v. 17.12.1979;<br />
UN GA Res. 36/109 v. 10.12.1981; UN GA Res. 38/130 v. 19.12.1983; UN GA Res. 40/61 v. 09.12.1985; UN<br />
GA Res. 42/159 v. 07.12.1987; UN GA Res. 44/29 v. 04.12.1989.<br />
338 UN GA Res. 49/60 v. 09.12.1994.<br />
339 UN GA Res. 49/60 v. 09.12.1994.<br />
340 UN GA Res. 50/53 v. 11.12.1995; UN GA Res. 51/210 v. 17.12.1996; UN GA Res. 53/108 v. 08.12.1998;<br />
Marauhn, in: Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Vol. 4, 2000, 850; Kittichaisaree, International<br />
Criminal Law, 2001, 228.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 90<br />
<strong>Die</strong> benannten Resolutionen stellen ein Indiz für die Existenz <strong>von</strong> Völkergewohnheitsrecht<br />
dar. Der IGH hat sowohl im Nuclear Weapons Case 341 sowie im Continental<br />
Shelf Case 342 bestätigt, dass die Resolutionspraxis der UN-Generalversammlung die<br />
opinio iuris der Staaten formen kann. Nach der Rechtsprechung <strong>des</strong> IGH können Resolutionen<br />
der UN-Generalversammlung normativen Charakter haben und die Existenz<br />
einer Regel <strong>des</strong> Völkergewohnheitsrechts oder deren Schaffung beweisen. Insbesondere<br />
gilt dies, wenn sich die Resolutionspraxis in eine eindeutige Richtung entwickelt hat<br />
und die Resolutionen <strong>von</strong> der Mehrzahl der Staatengemeinschaft angenommen worden<br />
sind. 343 Wie eine Analyse der Resolutionspraxis der Generalversammlung auf dem<br />
Gebiet der Terrorismusbekämpfung ergibt, sind die wesentlichen Resolutionen ohne<br />
Gegenstimme verabschiedet wurden. 344 Zudem verdeutlicht die jüngere Resolutionspraxis<br />
(seit Beginn der 90er Jahre) einen klaren Trend in der inhaltlichen Ausgestaltung:<br />
<strong>Die</strong> Resolutionen konzentrieren sich verstärkt auf die <strong>Kriminalisierung</strong><br />
terroristischen Verhaltens und entsprechende Bekämpfungsmaßnahmen und lassen<br />
Fragen der Ursachen und Rechtfertigung <strong>von</strong> Terrorverhalten außen vor. 345 <strong>Die</strong> Staatengemeinschaft<br />
manifestiert damit einen Wandel in der Betrachtung <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus weg vom nationalen Befreiungskampf hin zu kriminellem Verhalten.<br />
Somit lässt sie an der grundsätzlichen Ächtung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus durch<br />
das Völkerrecht keinen Zweifel.<br />
2. Resolutionspraxis <strong>des</strong> UN-Sicherheitsrates<br />
Im Gegensatz zur Resolutionspraxis der UN-Generalversammlung adressieren die Resolutionen<br />
<strong>des</strong> UN-Sicherheitsrates im Bereich <strong>des</strong> internationalen Terrorismus weniger<br />
das Phänomen <strong>des</strong> Terrorismus an sich sowie seiner Ursachen, sondern sie<br />
verurteilen konkretes Terrorverhalten; mehrheitlich einzelne Terroranschläge.<br />
a) <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> konventionellen Terrorakten<br />
Nicht erst seit den Anschlägen vom 11. September 2001 hat sich der UN-<br />
Sicherheitsrat mit der Problematik <strong>des</strong> internationalen Terrorismus befasst. Seit den<br />
90er Jahren sah sich das Gremium vermehrt mit internationalen terroristischen Aktivitäten<br />
konfrontiert, die Gegenstand mehrerer Resolutionen waren: So widmeten sich die<br />
Resolutionen 731 (1992) sowie 748 (1992) dem Attentat <strong>von</strong> Lockerbie 346 ; die Resolu-<br />
341 Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports 1996, 226, Rn. 64.<br />
342 Libyan Arab Jamahirya vs. Malta, Judgement, ICJ Reports 1985, 29, Rn. 27.<br />
343 Gegenargument aus dem Gutachten zur Atomwaffenfrage, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons,<br />
ICJ Reports 1996, 29, Rn. 70.<br />
344 Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 510 ff.<br />
345 Lambert, Terrorism and Hostages in International Law, 1990, 44.<br />
346 Vgl. S/Res/731 (1992) v. 21.01.1992 sowie S/Res/748 (1992) v. 31.03.1992, in denen der UN-Sicherheitsrat<br />
erstmals für den staatlich unterstützten Terrorismus festhält, dass die Nichterfüllung der Auflagen und Sanktionen<br />
durch Libyen eine „Bedrohung <strong>des</strong> internationalen Friedens“ darstellt.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 91<br />
tionen 1044, 1054 und 1070 (1996) verlangten die Einstellung der Unterstützung und<br />
<strong>des</strong> Aufenthaltes <strong>von</strong> Terroristen durch den Sudan 347 ; Afghanistan und das Kosovo<br />
wurden zum Gegenstand der jüngeren Resolutionspraxis hinsichtlich der Einstellung<br />
terroristischer Aktivitäten gemacht. 348 <strong>Die</strong> Resolution 1269 (1999) 349 forderte die internationale<br />
Gemeinschaft zur Bekämpfung und Verhütung terroristischer Handlungen<br />
auf; sie enthält konkrete Rahmenbedingungen für eine internationale Zusammenarbeit<br />
und Koordination auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung.<br />
Maßgebliche Beschlüsse seitens <strong>des</strong> UN-Sicherheitsrates nach dem 11. September<br />
2001 sind die Resolutionen 1368 (2001) 350 und 1373 (2001) 351 , welche die Anschläge<br />
auf New York und Washington zum <strong>völkerrechtliche</strong>n Bezugspunkt nehmen. Das UN-<br />
Gremium qualifiziert in beiden Entschlüssen Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
erstmalig als eine tatsächliche Bedrohung <strong>des</strong> Weltfriedens und der internationalen Sicherheit<br />
352 und erkennt darüber hinaus das Recht auf individuelle und kollektive<br />
Selbstverteidigung gegen internationale Terrorschläge in allgemeiner Weise an. 353 Vor<br />
allem Resolution 1373 (2001) ist mit Blick auf eine effektive Bekämpfung terroristischer<br />
Gefahren <strong>von</strong> wesentlicher Bedeutung, denn sie verpflichtet die Staaten, alle erforderlichen<br />
Maßnahmen zu ergreifen, um Terroranschläge zu unterbinden sowie<br />
jenen, die Terroraktivitäten finanzieren, planen, unterstützen und begehen, einen sicheren<br />
Zufluchtsort zu verwehren. Ferner haben die Staaten dafür Sorge zu tragen, dass<br />
Personen, die an der Finanzierung, Planung, Vorbereitung und Durchführung <strong>von</strong> Terrorakten<br />
beteiligt sind, vor Gericht gestellt werden. Terrorakte sind in den nationalen<br />
Gesetzen als schwere Verbrechen einzustufen und es muss eine dem Gewicht der Tat<br />
angemessene schwere Strafe verhängt werden. Der Resolutionstext bestimmt weiter,<br />
dass sich die Staaten untereinander größtmögliche Hilfe bei strafrechtlichen Ermittlungen<br />
oder Strafverfahren zukommen lassen und Maßnahmen ergreifen, um die Bewegungsfreiheit<br />
<strong>von</strong> internationalen Terroristen einzuschränken. <strong>Die</strong> Zeichen der Zeit<br />
erkennend, nimmt das UN-Gremium auch Bezug auf die enge und gefährliche Ver-<br />
347 Vgl. S/Res/1044 (1996) v. 31.01.1996, welche die Auslieferung der im Sudan befindlicher Attentäter nach<br />
Ägypten fordert und die Einstellung der Unterstützung und <strong>des</strong> Aufenthalt <strong>von</strong> Terroristen verlangt. Da der Sudan<br />
der Resolution 1044 (1996) nicht nachkam, ordnete der Sicherheitsrat gemäß Kap. VII UN-Charta Sanktionen<br />
an; s. S/Res/1054 (1996) v. 26.04.1996 und S/Res/1070 (1996) v. 16.08.1996.<br />
348 Vgl. S/Res/1214 (1998) v. 08.12.1998 zu Afghanistan; S/Res/1160 (1998) v. 31.03.1998 sowie S/Res/1199<br />
(1998) v. 23.09.1998 und S/Res/1203 (1998) v. 24.10.1998 zum Kosovo. Letztere hält fest, dass nicht nur die<br />
Jugoslawische Armee, sondern auch die Kosovarische Befreiungsarmee (UCK) terroristische Akte unternehmen.<br />
349 S/Res/1269 (1999) v. 19.10.1999.<br />
350 S/Res/1368 (2001) v. 12.09.2001, welche festhält, dass der UN-Sicherheitsrat „regards such acts, like any<br />
other act of international terrorism, as a threat to international peace and security.“<br />
351 S/Res/1373 (2001) v. 28.09.2001, welche festhält, dass die Terrorakte <strong>des</strong> 11. September, „like any other act<br />
of terrorism, constitute a threat to the peace and security.“<br />
352 Näher hierzu unter B. IV. 2.<br />
353 Stuby, Blätter für deutsche und internationale Politik 2001, 1330 (1335); Bruha/Bortfeld, VN 2001, 161<br />
(162); Tomuschat, EuGRZ 2002, 535 (543 f.); Frowein, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 15.09.2001, 10.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 92<br />
knüpfung zwischen dem internationalen Terrorismus und der organisierten Kriminalität,<br />
dem illegalen Drogenhandel, der Geldwäsche, dem illegalen Handel mit nuklearem,<br />
chemischem und biologischem Material sowie anderen tödlichen Substanzen. 354<br />
b) <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen<br />
Mit der Verabschiedung der Resolution 1540 (2004) 355 hat die internationale Staatengemeinschaft<br />
versucht, die vorab aufgezeigten Rechtslücken im Bereich der <strong>Kriminalisierung</strong><br />
<strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen zu schließen. Resolution 1540 (2004),<br />
welche die Kriterien einer <strong>Kriminalisierung</strong> der Aneignung <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen<br />
festlegt, stellt ein neues Instrument und einen Meilenstein in der Bekämpfung<br />
<strong>des</strong> nicht-staatlichen internationalen Terrorismus und <strong>des</strong>sen biologischer, chemischer<br />
und nuklearer Ausprägung dar. 356<br />
Inhaltlich enthält Resolution 1540 (2004) das ausdrückliche Verbot an die Staaten,<br />
nicht-staatlichen Akteuren bei der Aneignung <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen Hilfe zu<br />
leisten. Abschnitt 2 adressiert das Verhalten Privater und bestimmt, dass:<br />
„[...] all States, in accordance with their national procedures, shall adopt and enforce<br />
appropriate effective laws which prohibit any non-State actor to manufacture, acquire,<br />
possess, develop, transfer or use nuclear, chemical or biological weapons and their<br />
means of delivery, in particular for terrorist purposes, as well as attempts to engage in<br />
any of the foregoing activities, participate in them as an accomplice, assist or finance<br />
them.“ 357<br />
<strong>Die</strong> Staaten sind verpflichtet, jeglichen nicht-staatlichen Akteuren, wie etwa Terroristen<br />
oder Waffenhändlern, die Aneignung oder die Herstellung <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen<br />
zu untersagen sowie entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung dieses<br />
Verbots zu erlassen. Konkret werden die Regierungen der einzelnen Staaten angehalten,<br />
der Aneignung und Verbreitung <strong>von</strong> nuklearen, biologischen und chemischen<br />
Massenvernichtungswaffen vorzubeugen und eine dementsprechende nationale Strafverfolgung<br />
zu errichten. Darüber hinaus verpflichtet Abschnitt 3 die Staaten, strikte<br />
Exportkontrollen für nukleare, chemische und biologische Waffen und ihre Verbreitungssysteme<br />
einzuführen sowie diesbezügliche kritische Materialien, die zum<br />
Gebrauch <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen befähigen, sicherzustellen; vgl. Abschnitt 3<br />
a-d. Um die effektive Implementierung zu gewährleisten, hat der UN-Sicherheitsrat<br />
354 Dazu Wüstenhagen, in: <strong>von</strong> Schorlemer (Hrsg.), Praxishandbuch UNO, 2003, 101 (136).<br />
355 S/Res/1540 (2004) v. 28.04.2004.<br />
356 S. Statement by Ambassador Dr. Gunter Pleuger, Permanent Representative of Germany to the United Nations<br />
v. 22.04.2004, http://www.germany-un.org/archive/speeches/2004/sp_04_22_04.html.<br />
357 S/Res/1540 (2004) v. 28.04.2004, unter 2.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 93<br />
nach Maßgabe <strong>von</strong> Abschnitt 4 ein neues Committee errichtet, welches für die Dauer<br />
<strong>von</strong> zwei Jahren die nationale Umsetzung der Resolutionsinhalte überwacht. 358<br />
Der UN-Sicherheitsrat hat mit der Resolution 1540 (2004) eine richtungweisende Vorgabe<br />
zur <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen verabschiedet, weil sie die<br />
universelle, nationale Strafbarkeit <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen zuhanden nichtstaatlicher<br />
Akteure zum Gegenstand hat. Resolution 1540 (2004) schafft hier allerdings<br />
eine indirekte <strong>völkerrechtliche</strong> <strong>Kriminalisierung</strong>, da die Staaten dem <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Auftrag verpflichtet sind, nationale Strafverfolgungsmaßnahmen gegen<br />
private Aktivitäten in Bezug auf den Umgang mit Massenvernichtungswaffen einzuführen.<br />
Eine direkte <strong>völkerrechtliche</strong> <strong>Kriminalisierung</strong> erfolgt durch Resolution 1540<br />
(2004) nicht. Der Umsetzungsauftrag betreffend der <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen<br />
sieht sich zukünftig noch einigen rechtlichen Herausforderungen gegenüber,<br />
die mit der Verabschiedung eines solchen vor allem präventiven Konzepts<br />
der <strong>Kriminalisierung</strong> einhergehen. Es ist zu wünschen, dass die nationalen Strafrechtsordnungen<br />
Resolution 1540 (2004) wirksam implementieren und damit die Voraussetzung<br />
für eine universelle (nationale) <strong>Kriminalisierung</strong> privater Aktivitäten auf dem<br />
Gebiet der Massenvernichtungswaffen schaffen.<br />
<strong>Die</strong> dargelegte Resolutionspraxis <strong>des</strong> UN-Sicherheitsrates auf dem Gebiet <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus unterstreicht die Trendwende, die bereits bei der UN-<br />
Generalversammlung beobachtet werden konnte. Während frühere UN-Resolutionen<br />
noch ausschließlich staatliches Terrorverhalten adressierten, weist die jüngere Resolutionspraxis,<br />
speziell jene Entschlüsse, die nach den Anschlägen vom 11. September<br />
2001 verabschiedet wurden, auf eine Erweiterung der Adressaten (neu auch non-state<br />
actors) und <strong>des</strong> Zuständigkeitsbereiches (etwa die <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen)<br />
hin. <strong>Die</strong> Hinwendung der Staatengemeinschaft zur Verurteilung <strong>von</strong><br />
internationalem Terrorverhalten und insbesondere zur <strong>Kriminalisierung</strong> nichtstaatlicher<br />
Terroraktivitäten mittels Massenvernichtungswaffen trägt ihrem Verlangen<br />
Rechnung, der terroristischen Bedrohung für den Frieden und die internationale Sicherheit<br />
universal zu begegnen. <strong>Die</strong> aufgezeigte Resolutionspraxis <strong>des</strong> UN-<br />
Sicherheitsrates spricht für den Richtungswandel der Staaten, schwere Akte <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus als das Völkerrecht gefährdende Verbrechen einzuordnen und<br />
diesbezüglich ihre opinio iuris fortzuentwickeln. 359<br />
358<br />
Das Programm sowie erste Arbeitsergebnisse <strong>des</strong> 1540 Committee finden sich unter<br />
http://disarmament2.un.org/Committee1540/programmeofwork.html.<br />
359 Sadat, 3 Wash. U. Global Stud. L. Rev., 135.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 94<br />
3. UN Special Committees on Terrorism<br />
In die Analyse <strong>des</strong> Völkergewohnheitsrechts zur Terrorismusproblematik müssen ferner<br />
die Aktivitäten <strong>des</strong> UN Special Committees on Terrorism Eingang finden. Mit der<br />
Resolution 3034 der UN-Generalversammlung aus dem Jahr 1972 360 wurde das erste<br />
Ad Hoc Committee on International Terrorism eingerichtet, welches damit beauftragt<br />
wurde, kooperative Maßnahmen zu erarbeiten, die zu einer „zügigen Eliminierung“<br />
der Terrorismusproblematik führen. 361 Das Committee wurde in drei Unterabteilungen<br />
gegliedert, die sich einzeln mit der Frage nach der Definition <strong>des</strong> Terrorismus, den Ursachen<br />
<strong>des</strong> Terrorismus sowie mit Maßnahmen zur Bekämpfung <strong>des</strong> Phänomens befasst<br />
sahen. 362 Ein Ergebnis wurde jedoch aufgrund inhaltlicher Differenzen in keiner<br />
der Arbeitsgruppen erzielt.<br />
1996 errichtete die UN-Generalversammlung eine neues Ad Hoc Committee, 363 um ein<br />
internationales Abkommen zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge und eine<br />
Konvention über die Bekämpfung nuklearen Terrorismus zu erarbeiten sowie bestehende<br />
internationale Vertragswerke zu ergänzen. 364 Das Mandat für das 1996 Committee<br />
wird seitdem jährlich erneuert, und das Gremium widmet sich heute intensiv der<br />
Ausarbeitung eines umfassenden Terrorismusabkommens. 365<br />
Als Reaktion auf die Anschläge vom 11. Septembers 2001 hat der UN-Sicherheitsrat<br />
mit der Resolution 1373 (2001) das Counter-Terrorism Committee (CTC) errichtet,<br />
welchem die Aufgabe zukommt, die Umsetzung der Inhalte aus der Resolution 1373<br />
(2001) in den Mitgliedstaaten zu überwachen. 366 Das CTC sammelt die Länderberichte<br />
und stellt u. a. den Staaten Hilfe zur Verfügung, denen die technische Implementation<br />
der Resolutionsinhalte in ihre nationalen Rechtsordnungen Schwierigkeiten bereitet. 367<br />
Eine ähnliche Funktion kommt dem UN 1540 Committee zu, das, wie bereits angesprochen,<br />
als Special Committee die effektive Implementation der Resolutionsinhalte<br />
1540 (2004) 368 auf dem Gebiet der Massenvernichtungswaffen gewährleisten soll und<br />
für die Dauer <strong>von</strong> zwei Jahren die nationale Umsetzung überwacht. 369<br />
360 UN GA Res. 3034 (XXVII) v. 18.12.1972.<br />
361 Lambert, Terrorism and Hostages in International Law, 1990, 36.<br />
362 S. Report of the Ad Hoc Committee on International Terrorism, UN GAOR, 28 th Sess., Supp. 28, para. 3; UN<br />
Doc. A/9028 (1973).<br />
363 UN GA Res. 51/210 v. 17.12.1996.<br />
364 S. http://www.un.org/law/terrorism/ (11.08.2003). Ein weiteres Ergebnis der Arbeit <strong>des</strong> 1996 Committees<br />
stellt das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung <strong>des</strong> Terrorismus dar, vgl. UN GA<br />
Res. 54/109 v. 09.12.1999.<br />
365 UN GA Res. 56/88 v. 12.12.2001, Abschnitt 16.<br />
366 S/Res/1373 (2001) v. 18.09.2001. Näher zur CTC s. Williams, VN 2002, 213 ff.<br />
367 S. http://www.un.org/sc/ctc.<br />
368 S/Res/1540 (2004) v. 28.04.2004. Zum Resolutionsinhalt s. o. unter C. II. 2. b).<br />
369 S/Res/1540 (2004) v. 28.04.2004, Abschnitt 4.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 95<br />
Während in der Zeit <strong>des</strong> Kalten Krieges das Ad Hoc Committee on International Terrorism<br />
größtenteils blockiert war und das Gremium sich nicht auf wirksame Gegenmaßnahmen<br />
sowie auf eine einheitliche Definition einigen konnte, zeigt sich die<br />
Arbeit der seit 1996 existierenden Ad Hoc Committee mehr versprechend. Zu einer Einigung<br />
auf eine allgemein anerkannte Terrorismusdefinition konnten die UN Special<br />
Committees on Terrorismus zwar bislang nicht beitragen. Dennoch has Counter-<br />
Terrorism Committee seit seiner Errichtung durch den UN-Sicherheitsrat 2001 beeindruckende<br />
Arbeit geleistet und konnte sehr zur universellen Umsetzung der Resolutionsinhalte<br />
1373 (2001) und zur Harmonisierung der nationalen<br />
Terrorismusvorschriften weltweit beitragen. 370 Ein ähnlicher Erfolg wird sich vom<br />
neuesten 1540 Committee <strong>des</strong> UN-Sicherheitsrates im Bereich der Proliferation <strong>von</strong><br />
Massenvernichtungswaffen erwartet. <strong>Die</strong> stetige Erweiterung der Aufgaben und Zuständigkeiten<br />
der benannten UN Special Committees on Terrorism spricht dafür, dass<br />
sich die Problematik <strong>des</strong> internationalen Terrorismus <strong>von</strong> einer nationalen zu einer internationalen<br />
Materie entwickelt hat und innerhalb der Vereinten Nationen mittlerweile<br />
als Phänomen vorrangiger Priorität wahrgenommen wird mit dem Ziel, die<br />
internationale <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> Terrorismus zu erreichen.<br />
4. International Law Commission<br />
a) Entwürfe zum Draft Code of Crimes against the Peace and Security of<br />
Mankind<br />
<strong>Die</strong> International Law Commission (ILC) ist in der Terrorismusproblematik einem traditionellen<br />
Ansatz gefolgt:<br />
„International terrorism is terrorism organised and carried out by a State against State,<br />
whereas internal terrorism is organised and carried out in the territory of a State by nationals<br />
of that State. Internal Terrorism comes under internal law, since it does not endanger<br />
international relations.“ 371<br />
Der 1991 Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind adressiert<br />
in Art. 24 den Terrorismus, allerdings bezieht sich die Norm nur auf die individuelle<br />
Strafbarkeit staatlicher Repräsentanten. <strong>Die</strong> ILC sieht im Staatsterrorismus die eindeu-<br />
370 Siehe dazu ausführlich http://www.un.org/sc/ctc.<br />
371 Vgl. YBILC (1990), Vol. II, Document A/CN/.4/Ser.A/190 Add. 1 (part 2), 28, para. 1 of the commentary on<br />
Art. 16 Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind. 1954 bezog sich die ILC erstmals in<br />
ihrem Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind auf „terroristische Handlungen“. Unter<br />
den zwölf Tatbeständen, die in dem Entwurf <strong>völkerrechtliche</strong> Verbrechen darstellen und eine individuelle strafrechtliche<br />
Verantwortlichkeit begründen, zählt auch die „Vornahme, Anstiftung oder Duldung durch staatliche<br />
Behörden <strong>von</strong> organisierten Handlungen zur Begehung <strong>von</strong> Terrorakten in einem anderen Staat.“. Dazu Wüstenhagen,<br />
in: <strong>von</strong> Schorlemer (Hrsg.), Praxishandbuch UNO, 2003, 101 (103).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 96<br />
tig größere Bedrohung und lässt den privaten Terrorismus außen vor. 372 <strong>Die</strong> Qualität<br />
<strong>von</strong> Art. 24 <strong>des</strong> Draft Code als Norm <strong>des</strong> Völkerstrafrechts wurde innerhalb der Staatengemeinschaft<br />
bezweifelt, da sie unter strafrechtlichen Gesichtspunkten zu unbestimmt<br />
schien. So kritisierte u. a. Australien, dass der Terminus „internationaler<br />
Terrorismus“ nicht im besonderen Zusammenhang mit Gewalt aufgeführt wird. Andere<br />
Staaten sahen Art. 24 <strong>des</strong> Draft Code zu eng, da nicht-staatliche Terrorformen keinen<br />
Eingang in die Norm gefunden haben. 373<br />
Der Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind aus dem Jahr<br />
1996 lehnte die Vorarbeiten <strong>des</strong> 1991 Entwurfs weitgehend ab und enthielt eine neue<br />
Basis der völkerrechtlich strafwürdigen Verbrechen. 374 Im Gegensatz zu seinem Vorläufer<br />
aus dem Jahr 1991, der zwölf <strong>völkerrechtliche</strong> Straftatbestände benannt hat,<br />
enthielt der 1996 Draft Code nur noch fünf Tatbestände. 375 Der 1996 Draft Code verkörperte<br />
im Wesentlichen das „Nürnberger Recht“ – alle Straftaten, die Eingang in das<br />
Rechtsdokument gefunden haben, zeichneten sich dadurch aus, dass sie das „zivilisatorische<br />
Gefüge zerstören“. 376 <strong>Die</strong> ILC erwog zwar zunächst auch die Aufnahme <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus als eigenständiges <strong>völkerrechtliche</strong>s Verbrechen in den 1996<br />
Entwurf, doch entschied man sich letztlich dagegen. Der frühe 1996 Entwurfstext definierte<br />
den internationalen Terrorismus als:<br />
„undertaking, organizing, facilitating, financing, encouraging or tolerating acts of violence<br />
against another State directed at persons or property and of such nature as to create<br />
a state of fear in the minds of public figures, groups or persons or the general<br />
public in order to compel the aforesaid State to grant advantages or to act in specific<br />
way.“ 377<br />
Der Ausschluss <strong>des</strong> internationalen Terrorismus aus dem finalen 1996 Draft Code basierte<br />
auf drei Gründen: Zum einen konnte eine konkrete Definition <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus, die dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz entspricht, nicht<br />
gefunden werden. Im Gegensatz zu den Tatbeständen <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong>, <strong>des</strong> Verbrechens<br />
gegen die Menschlichkeit, <strong>des</strong> Kriegsverbrechens und der Aggression fehlte<br />
372 Sunga, The Emerging System of International Criminal Law, 1997, 202.<br />
373 Ebenda.<br />
374 Siehe Kritik dazu bei Allain/Jones, EJIL 1997, 100 (117).<br />
375 Folgende Verbrechen haben Eingang in den 1996 Draft Code of Crimes against the Peace and Security of<br />
Mankind gefunden: Aggression, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Verbrechen gegen<br />
UN-Personal. S. Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2000, Vol. 1, 500 (Fn. 10); Tomuschat,<br />
EuGRZ 1998, 1 (4).<br />
376 Tomuschat, EuGRZ 1998, 1 (2).<br />
377 Report of the ILC on the Work of its Forty-Sevenths Session, GAOR Supp. No. 10 (A/50/10), para. 109;<br />
Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2000, Vol. 1, 514.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 97<br />
zum anderen die Anerkennung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus als Völkerrechtsverbrechen.<br />
Schließlich gab es Zweifel daran, dass terroristischen <strong>Akten</strong> die Schwere<br />
eines Verbrechens gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit innewohnt. 378<br />
Da sich der 1996 Draft Code nur auf Verbrechen mit einer gesteigerten Schwere bezog,<br />
bedürfte es zusätzlicher Kriterien, damit Terrorverbrechen die geforderte <strong>völkerrechtliche</strong><br />
Dimension erreichten. 379<br />
b) Entwürfe zum IStGH-Statut<br />
Neben der Kodifizierung eines Völkerstrafgesetzbuches befasste sich die ILC auch mit<br />
der Ausarbeitung eines Statuts für den Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) und<br />
legte in ihrer 44. Sitzung vom Juli 1992 erstmals einen vorläufigen Entwurf vor. <strong>Die</strong><br />
sachliche Zuständigkeit <strong>des</strong> IStGH sollte sich gemäß Art. 22 auf a) Völkermord;<br />
b) schwere Verletzungen der Genfer Abkommen (1949) und deren Zusatzprotokoll I<br />
(1977); c) Flugzeugentführung; d) unrechtmäßige Gefährdung der zivilen Luftfahrt;<br />
e) Apartheid; f) Verbrechen gegen international geschützte Personen, einschließlich<br />
Diplomaten; g) Geiselnahme; h) unrechtmäßige Gefährdung der maritimen Seefahrt<br />
und auf dem Kontinentalschelf verankerter Plattformen beschränken. 380<br />
Auffallend an dem ersten Entwurf ist, dass es sich nur bei den in Art. 22 a), b) und g)<br />
genannten Delikte um klassische Straftatbestände <strong>des</strong> Völkerstrafrechts handelt; die<br />
übrigen Tatbestände sind lediglich als Gegenstand internationaler Strafverfolgungskooperation<br />
einzuordnen. Durch die Aufnahme der Delikte Flugzeugentführung, Verbrechen<br />
gegen international geschützte Personen sowie unrechtmäßige Gefährdung der<br />
zivilen Luft- und Seefahrt ist eine eindeutige Hinwendung der geplanten internationalen<br />
Strafgerichtsbarkeit zu terroristischen Delikten erkennbar. <strong>Die</strong> Art. 23 – 27 <strong>des</strong><br />
Entwurfes ermöglichten sachliche Zuständigkeitserweiterungen, etwa durch den UN-<br />
Sicherheitsrat oder aufgrund der Bindung <strong>von</strong> Vertragsstaaten an andere <strong>völkerrechtliche</strong><br />
Abkommen mit völkerstrafrechtlichen Bestimmungen, die nicht in Art. 22 genannt<br />
sind. 381 Damit konnte auch eine Vielzahl an weiteren, nicht in dieser Vorschrift näher<br />
spezifizierten Anti-Terrorismus-Abkommen Eingang in den ersten IStGH-Entwurf<br />
finden.<br />
Nach weiteren Beratungen und Diskussionen konnte sich die ILC in der 46. Sitzung<br />
1994 auf einen Draft Statute of the International Criminal Court einigen. <strong>Die</strong> Rege-<br />
378 Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2000, Vol. 1, 515; Tomuschat, EuGRZ 1998, 1<br />
(5).<br />
379 Allain/Jones, EJIL 1997, 100 (102).<br />
380 Ausführlich dazu Boister, Journal of Armed Conflict Law 1998, 27 ff.; Ahlbrecht, Geschichte der <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, 1999, 340.<br />
381 Ahlbrecht, Geschichte der <strong>völkerrechtliche</strong>n Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, 1999, 341.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 98<br />
lung der sachlichen Zuständigkeit erfuhr im 1994 Entwurf zum IStGH-Statut gegenüber<br />
dem vorläufigen Entwurf <strong>von</strong> 1992 eine völlige Neugestaltung. Art. 20 enthielt<br />
nunmehr folgende Tatbestände: a) Völkermord, b) Aggression sowie c) schwere Verletzungen<br />
der Gesetze und Gebräuche <strong>des</strong> Krieges im bewaffneten Konflikt (Kriegsverbrechen);<br />
d) Verbrechen gegen die Menschlichkeit und e) völkervertragliche<br />
Verbrechen – diese sind im Einzelnen aufgelistet im Anhang <strong>des</strong> Statuts –, deren Begehung<br />
schwere Verbrechen <strong>von</strong> <strong>völkerrechtliche</strong>r Bedeutung darstellen. 382<br />
Mit den Verbrechen <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong>, der Aggression, der Verbrechen gegen die<br />
Menschlichkeit und <strong>des</strong> Kriegsverbrechens haben die vier <strong>völkerrechtliche</strong>n Verbrechen<br />
Eingang in das 1994 Statut gefunden, die heute nach geltendem Völkerrecht<br />
strafbar sind. Ihre Strafbarkeit kann nicht auf vertragliche Verpflichtungen reduziert<br />
werden. 383 Weitere Straftatbestände bildeten die in <strong>völkerrechtliche</strong>n Abkommen normierten<br />
Verbrechen, soweit es sich um „außerordentlich ernste Verbrechen mit internationaler<br />
Betroffenheit handelt“. 384 Über Art. 20 e) wurden so die schweren<br />
Verletzungen der Genfer Abkommen (1949) und ihres Zusatzprotokolls (1977) und die<br />
bereits im Entwurf <strong>von</strong> 1992 benannten Straftaten gemäß der Anti-Terrorismus-<br />
Abkommen (Flugzeugentführung und Verbrechen gegen international geschützte Personen<br />
sowie unrechtmäßige Gefährdung der zivilen Luft- und Seefahrt) einbezogen.<br />
Der Unterschied zu dem ersten Entwurf besteht darin, dass Art. 20 e) nur Anwendung<br />
findet, wenn der Staat <strong>des</strong> Täters zugleich Vertragsstaat <strong>des</strong> jeweiligen <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Abkommens ist. 385 Der <strong>von</strong> der ILC 1994 vorgelegte Entwurf <strong>des</strong> Statuts für einen<br />
IStGH sah demnach eine Einbeziehung terroristischer Straftaten in den Bereich<br />
der Jurisdiktion ratione materiae vor, wenn auch nur in der Form eines Verweises auf<br />
bestimmte, durch <strong>völkerrechtliche</strong> Verträge geächtete treaty crimes. 386 Akte <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus fielen damit unter Art. 20 a) bis e) <strong>des</strong> 1994 Entwurfs, wobei<br />
sich in einer Vielzahl <strong>von</strong> Fällen Art. 20 e) als einschlägige Norm herausgestellt hat.<br />
382 Art. 20 <strong>des</strong> 1994 Draft Statute of the International Criminal Court: „The Court has jurisdiction in accordance<br />
with this Statute with respect to the following crimes:<br />
(a) the crime of genocide;<br />
(b) the crime of aggression;<br />
(c) serious violations of the laws and customs applicable in armed conflict;<br />
(d) crimes against humanity;<br />
(e) crimes, established under or pursuant to the treaty provisions listed in the Annex, which, having regard to<br />
the conduct alleged, constitute exceptionally serious crimes of international concern.“<br />
383 Graefrath, in: Hankel/Stuby (Hrsg.), Strafgerichte gegen Menschheitsverbrechen, 1995, 295 (305).<br />
384 Blanke/Molitor, AVR 2001, 142 (146); Boister, Journal of Armed Conflict Law 1998, 27 (33). Das Kriterium<br />
der besonderen Schwere der Tat wird durch Art. 35 (c) <strong>des</strong> 1994 Entwurfs bestätigt, der besagt, dass der IStGH<br />
einen Sachverhalt auch aufgrund mangelnder Schwere ablehnen kann.<br />
385 Ahlbrecht, Geschichte der <strong>völkerrechtliche</strong>n Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert, 1999, 342.<br />
386 Oeter, <strong>Die</strong> Friedens-Warte 2001, 11 (14).
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 99<br />
Bemerkenswert ist, dass sich sechs <strong>von</strong> vierzehn der im Anhang aufgeführten treaty<br />
crimes auf den Terrorismus bezogen. 387<br />
Der endgültige ILC-Entwurf, welcher als Grundlage <strong>des</strong> <strong>völkerrechtliche</strong>n Abkommens<br />
zur Errichtung <strong>des</strong> Römischen Statuts 1998 erfolgreich verabschiedet werden<br />
konnte, vermeidet letztlich einen derart umfassenden Vorschlag zur sachlichen Zuständigkeit<br />
<strong>des</strong> Strafgerichtshofs. 388 <strong>Die</strong> Staaten einigten sich schließlich darauf, dass<br />
anzuwenden<strong>des</strong> Recht sämtlich in dem Statut festzulegen ist und Verweise auf nationale<br />
Vorschriften oder <strong>völkerrechtliche</strong> Abkommen nicht enthalten sind. <strong>Die</strong> Zuständigkeit<br />
<strong>des</strong> IStGH ist somit auf die Tatbestände Völkermord, Kriegsverbrechen,<br />
Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Aggression als die traditionell anerkannten<br />
Völkerrechtsverbrechen beschränkt. Obwohl der internationale Terrorismus somit<br />
nicht im IStGH-Statut aufgeführt ist, zeugen die Arbeiten der ILC zum Vertragsentwurf<br />
vom Willen der Staatengemeinschaft, im Rahmen der Errichtung <strong>des</strong> IStGH Akte<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus der direkten Völkerstrafgerichtsbarkeit zu unterstellen.<br />
389<br />
Auch wenn das Bemühen um die Einbeziehung terroristischer Straftaten in die Jurisdiktion<br />
<strong>des</strong> IStGH letztlich nicht erfolgreich war, bedeutet dies nicht, dass terroristische<br />
Handlungen nicht durch das Statut adressiert werden sollten. Das Statut <strong>von</strong> Rom<br />
ist als Gründungsdokument zum IStGH vorrangig eine <strong>völkerrechtliche</strong> Vereinbarung<br />
zur Errichtung <strong>des</strong> Strafgerichtshofs. Weder sollte das Dokument eine inhaltlichen Definition<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus enthalten noch zur Begründung seiner unmittelbaren<br />
Strafbarkeit nach Völkerrecht dienen. Zu einer Einigung ist die<br />
Staatengemeinschaft aus konkreten inhaltlichen Gründen nicht gelangt; so konnte die<br />
Frage nach der Aufnahme <strong>von</strong> Freiheitskämpfern in einen möglichen terroristischen<br />
Straftatbestand bis zur Verabschiedung <strong>des</strong> Rom-Statuts nicht geklärt werden. 390 Statt<strong>des</strong>sen<br />
einigte man sich darauf, die Bewertung terroristischer Straftaten und deren<br />
mögliche Aufnahme in das Statut auf eine zukünftige Revisionskonferenz zu vertagen.<br />
391 Gemäß Art. 121 IStGH-Statut findet die Revisionskonferenz sieben Jahren<br />
nach Inkrafttreten <strong>des</strong> Statuts statt; sie ist im Jahr 2009 vorgesehen. Angesichts der<br />
Aktualität und der Intensität terroristischer Bedrohung ist dieser Zeitraum zu lang bemessen.<br />
<strong>Die</strong> Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit, insbesondere jene vom<br />
387 Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2000, Vol. 1, 515.<br />
388 Der finale ILC-Entwurf ist abgedruckt in Bassiouni, The Statute of the International Criminal Court, A<br />
Documentary History, 1998, 234 f.<br />
389 Dazu Schabas, Introduction ICC, 2001, 21, 27; Oeter, <strong>Die</strong> Friedens-Warte 2001, 11 (14).<br />
390 Cassese, Vortrag im Rahmen <strong>des</strong> Symposiums „Enforcing International Law against Terrorism“, Mai 2002<br />
(Mitschrift im Beseitz der Autorin).<br />
391 Final Act [<strong>des</strong> Statuts], Annex I, Res. E.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 100<br />
11. September 2001 und nachfolgende Terroranschläge, haben das Bedrohungspotential<br />
<strong>von</strong> Terrorhandlungen dramatisch bestätigt und eindringlich verdeutlicht, dass moderne<br />
Erscheinungsformen <strong>des</strong> internationalen Terrorismus einer <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Strafverfolgung bedürfen.<br />
III. Internationaler Terrorismus als eigenständiges <strong>völkerrechtliche</strong>s<br />
Verbrechen<br />
Wie die vorhergehende Untersuchung <strong>des</strong> Völkervertragsrechts und Völkergewohnheitsrechts<br />
in Bezug auf den internationalen Terrorismus gezeigt hat, ist die <strong>Kriminalisierung</strong><br />
<strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus fest im gegenwärtigen Völkerrecht<br />
verankert. <strong>Die</strong>se <strong>Kriminalisierung</strong> erfolgt grundsätzlich indirekt. Sie ist zwar nicht<br />
immer einheitlich, doch sich das Völkerrecht eindeutig für die Strafbarkeit <strong>von</strong> terroristischen<br />
Handlungen aus.<br />
Hinsichtlich der Klassifizierung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus als eigenständiges<br />
Völkerrechtsverbrechen befindet sich die Völkerrechtsentwicklung in vollem Fluss.<br />
<strong>Die</strong> Frage, ob internationaler Terrorismus als solcher als <strong>völkerrechtliche</strong>s Verbrechen<br />
qualifiziert, hat durch die Ereignisse vom 11. September 2001 und der nachfolgenden<br />
Entwicklungen enorm an Aktualität gewonnen. Wie die Ausführungen in Abschnitt B<br />
zur neuen Dimension internationaler Terrorakte belegen, machen das moderne terroristische<br />
Bedrohungspotential einerseits und der Grad der Verletzung internationaler<br />
Rechtsgüter andererseits eine <strong>völkerrechtliche</strong> Neubewertung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
als eigenständiges Völkerrechtsverbrechen unumgänglich. 392 Im Einzelnen ist<br />
die Einordnung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus als Völkerstraftat jedoch umstritten.<br />
1. Vorliegen eines Völkerrechtsverbrechens<br />
Ein Völkerrechtsverbrechen liegt vor, wenn ein Verbrechen eine eigenständige Norm<br />
<strong>des</strong> Völkerstrafrechts verletzt, wenn es also eine direkte Strafbarkeit nach Völkerrecht<br />
begründet. 393 Im <strong>völkerrechtliche</strong>n Schrifttum besteht mehrheitlich Übereinstimmung<br />
darin, dass die Zugehörigkeit einer Norm zum Völkerstrafrecht engen Voraussetzungen<br />
unterliegt: <strong>Die</strong> Norm muss danach erstens ein individuell schuldhaftes Unrecht be-<br />
392 So auch Sadat, Wash. U. Global Stud. L. Rev. 2005, 135 (145 ff.); Krajewski, Antworten <strong>des</strong> geltenden Völkerrechts<br />
auf den internationalen Terrorismus, Impulsreferat für den Arbeitskreiskreis „<strong>Die</strong> Rolle <strong>des</strong> Völkerrechts<br />
in einer globalisierten Welt“ der Heinrich-Böll-Stiftung am 16.01.2004 in Berlin; Zappalà, EJIL 2001,<br />
595 (595); Almond, in: Han (Hrsg.), Terrorism and Violence, 1993, 397; Rubin, in: Han (Hrsg.), Terrorism and<br />
Political Violence, 1993, 214.<br />
393 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 1. Teil, Rn. 71; Triffterer, Dogmatische Untersuchungen zur Entwicklung <strong>des</strong><br />
materiellen Völkerstrafrechts seit Nürnberg, 1966, 9; Bremer, Nationale Strafverfolgung internationaler Verbrechen<br />
gegen das humanitäre Völkerrecht, 1999, 45 f.; Gardocki, ZStR 1986, 703 ff.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 101<br />
schreiben und als Rechtsfolge Strafe androhen. Zweitens muss die Norm Teil der Völkerrechtsordnung<br />
sein. Drittens muss die Strafbarkeit unabhängig <strong>von</strong> der Umsetzung<br />
<strong>des</strong> Tatbestan<strong>des</strong> in nationales Recht bestehen. 394<br />
Eindeutige Völkerrechtsverbrechen sind die sog. Kernverbrechen (core crimes), namentlich<br />
die Kriegsverbrechen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, der Völkermord<br />
und das Aggressionsverbrechen. 395 Sie haben Eingang in das Rom-Statut<br />
gefunden und unterliegen der Zuständigkeit <strong>des</strong> Internationalen Strafgerichtshofs. 396<br />
Der Rückgriff auf die Kernverbrechen als bislang einzige, universal akzeptierte Völkerrechtsverbrechen<br />
liegt einer engen Definition <strong>des</strong> <strong>völkerrechtliche</strong>n Verbrechens<br />
zugrunde, welche mit dem Zweck <strong>des</strong> Völkerstrafrechts korrespondiert, „den Frieden,<br />
die Sicherheit und das Wohl der Welt“ als die höchsten Güter der Völkergemeinschaft<br />
zu schützen. 397 Deshalb sind nur „schwerste Verbrechen, welche die internationale<br />
Gemeinschaft als Ganzes berühren“ 398 als Völkerrechtsverbrechen anerkannt. Sie sind<br />
dadurch gekennzeichnet, dass die Begehung insbesondere das Produkt staatlichen oder<br />
staatlich unterstützten Handelns ist. 399 Ob über die Kernverbrechen hinaus weitere Delikte<br />
direkt nach Völkerrecht strafbar sind, ist nicht eindeutig geklärt.<br />
Einige Stimmen in der Literatur vertreten durchaus einen weiteren Begriff <strong>des</strong> Völkerstrafrechts<br />
und beziehen weitere Delikte, etwa den Rauschgifthandel, die Folter oder<br />
den Terrorismus, in den Kreis der <strong>völkerrechtliche</strong>n Verbrechen ein. 400<br />
2. Vorliegen eines transnationales Verbrechens<br />
Weil eine universell gültige Terrorismusdefinition und damit ein eigenständiger <strong>völkerrechtliche</strong>r<br />
Terrorismustatbestand fehlt, geht die herrschende Meinung da<strong>von</strong> aus,<br />
dass der internationale Terrorismus bislang kein Völkerrechtsverbrechen darstellt – er<br />
müsse vielmehr als transnationales Verbrechen klassifiziert werden. 401<br />
394 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 1. Teil, Rn. 72; Cassese, International Criminal Law, 2003, 136 f.; Jescheck,<br />
in: Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Vol. 2, 1999, 1120; Jescheck/Weigend, Lehrbuch<br />
<strong>des</strong> Strafrechts, AT, 1996, 123; Dahm, Zur Problematik <strong>des</strong> Völkerstrafrechts, 1956, 47.<br />
395 Vgl. zum Begriff „Kernverbrechen“ Zimmermann, ZaöRV 1998, 47 (48); Jescheck, in: Bernhardt (Hrsg.),<br />
Encyclopedia of Public International Law, Vol. 2, 1999, 1120; Manske, Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />
als Verbrechen an der Menschheit, 2003, 274.<br />
396 Vgl. Art. 5 IStGH-Statut.<br />
397 Präambel Abs. 3 IStGH-Statut.<br />
398 Vgl. Abs. 4 und 9 der Präambel <strong>des</strong> IStGH-Statuts.<br />
399 So etwa die ILC, Yearbook of the International Law Commission 1986, Vol. II, 41.<br />
400 So etwa Cassese, International Criminal Law, 2003, 24.<br />
401 Drumbl, Human Rights Quarterly 2002, 323 (334); Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-<br />
Commentary, 2002, Vol. 1, 518.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 102<br />
Unter den Begriff der transnationalen Verbrechen 402 werden solche Verbrechen gefasst,<br />
die sich gegen ein internationales Rechtsgut oder Interesse richten und deren Begehung<br />
mehr als nur einen Staat betrifft oder Opfer aus mehr als einen Staat<br />
gefährdet. 403 Transnationale Verbrechen sind – im Gegensatz zu Völkerrechtsverbrechen<br />
– nicht eigenständig und unmittelbar strafbar. Bezüglich dieser Verbrechen wird<br />
eine Ahndung durch ein internationales Strafgericht nicht für erforderlich erachtet. Das<br />
Völkerrecht verpflichtet hier lediglich die Staaten zur Strafbarerklärung. Transnationale<br />
Verbrechen sind vorwiegend in internationalen Abkommen normiert 404 , ihre Anerkennung<br />
muss daher durch jeden Staat eigenständig erfolgen. Grundlage der<br />
Verfolgung und Bestrafung dieser Kategorie <strong>von</strong> Verbrechen ist die nationale Durchführungsnorm<br />
und nicht unmittelbar das Völkerrecht. Es besteht somit lediglich eine<br />
indirekte, durch die innerstaatliche Rechtsordnung vermittelte, Strafbarkeit nach Völkerrecht.<br />
405 Als wichtigste transnationale Verbrechen sind Folter 406 , Menschenhandel<br />
407 , Straftaten gegen den Luftverkehr 408 und die Schifffahrt 409 , Geiselnahme 410 ,<br />
bestimmte Formen der Betäubungsmittelkriminalität 411 und Terrorismus zu nennen.<br />
3. Einstufung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus neuer Dimension in die Systematik<br />
<strong>des</strong> Völkerstrafrechts<br />
Für einige der Delikte in der Kategorie der transnationalen Verbrechen gilt, dass sie<br />
ipso jure in die Kategorie der Völkerrechtsverbrechen platziert werden können. Trans-<br />
402 <strong>Die</strong> Begrifflichkeiten variieren, und so werden transnationale Verbrechen in der Literatur auch als „internationale<br />
Verbrechen im weiteren Sinne“, „international crimes strictu largo“, „international delicts“ bzw. „sonstige<br />
internationale Verbrechen“ erfasst.<br />
403 Vgl. Bassiouni: „Those international criminal law normative proscriptions that affect an international protected<br />
interest, and whose commission involves more than one state or harms victims from more than one state.,<br />
Bassiouni, Introduction to International Criminal Law, 2003, 122.<br />
404 Vgl. unter C. I.<br />
405 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 1. Teil, Rn. 100; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984,<br />
§ 430; Bremer, Nationale Strafverfolgung internationaler Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht, 1999,<br />
71 f.; Manske, Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Verbrechen an der Menschheit, 2003, 273.<br />
406 Übereinkommen gegen die Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen<br />
oder Strafe v. 10.12.1984, BGBl. 1990 II, 246.<br />
407 Vgl. diverse Abkommen gegen den Mädchen- und Frauenhandel, Abkommen v. 18.05.1904, RGBl. 1905,<br />
695; Übereinkommen vom 04.05.1910, RGBl. 1913, 31; Übereinkommen vom 30.09.1921, RGBl. 1924 II, 180,<br />
202.<br />
408 (Tokioter) Abkommen über strafbare und bestimmte andere an Bord <strong>von</strong> Luftfahrzeugen begangene Handlungen<br />
v. 14.09.1963, BGBl. 1969 II, 123; (Haager) Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Inbesitznahme<br />
<strong>von</strong> Luftfahrzeugen v. 16.12.1970, BGBl. 1972 II, 1506; (Montrealer) Übereinkommen zur<br />
Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt v. 23.09.1972, BGBl. 1977 II,<br />
1230.<br />
409 (Genfer) Übereinkommen über die Hohe See v. 29.04.1958, BGBl. 1972 II, 1091; Seerechtsübereinkommen<br />
der Vereinten Nationen v. 10.12.1982, BGBl. 1994 II, 1799; Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher<br />
Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt v. 10.03.1988, BGBl. 1990 II, 496.<br />
410 Internationales Übereinkommen gegen die Geiselnahme v. 18.12.1979, BGBl. 1980 II, 1361.<br />
411 Einheitsübereinkommen über Suchtstoffe v. 30.03.1962, BGBl. 1973 II, 1354; Übereinkommen über psychotrope<br />
Stoffe v. 21.02.1971, BGBl. 1976 II, 1478; Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten<br />
Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen v. 20.12.1988, BGBl. 1993 II, 1137.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 103<br />
nationale Verbrechen können dann die Schwelle zum Völkerrechtsverbrechen überschreiten,<br />
wenn die Tat die nötige Intensität und Schwere aufweist und die Kriterien<br />
<strong>des</strong> Völkerrechtsverbrechens erfüllen. 412<br />
<strong>Die</strong>ser engen Begrenzung der Völkerrechtsverbrechen liegt zweifelsohne eine wertende<br />
Betrachtung zugrunde. Aber es besteht auch das Bedürfnis, dass durch das Völkerstrafrecht<br />
gerade und ausschließlich die schwersten internationalen Verbrechen, die<br />
eine individuelle Verantwortlichkeit nach sich ziehen, geahndet werden sollen. <strong>Die</strong><br />
Einbeziehung weiterer Verbrechen, die sich weniger gegen die höchsten Rechtsgüter<br />
der internationalen Gemeinschaft, sondern eher gegen solche <strong>des</strong> nationalen Rechts<br />
richten, birgt die Gefahr in sich, die besonders schützenswerten Rechtsgüter der Völkergemeinschaft<br />
zu trivialisieren, damit den Strafverfolgungsmechanismus aufzuweichen<br />
und diesem die notwendige Effektivität zu nehmen. 413<br />
Terroristische Straftaten wurden bislang als transnationale Verbrechen behandelt, zum<br />
einen aus „politischer <strong>Die</strong>nlichkeit“, zum anderen, weil es sich bei herkömmlichen<br />
Terrortaten um Akte einzelner Individuen oder nicht-staatlicher Gruppierungen handelte,<br />
und erheblicher Schaden internationaler Tragweite nicht entstanden ist. 414 Ausgehend<br />
<strong>von</strong> der dargelegten neuen Dimension <strong>des</strong> internationalen Terrorismus spricht<br />
vieles für eine systematische Neubewertung. Terrorakte, insbesondere mittels Massenvernichtungswaffen,<br />
sind eine Gefahr für die höchsten Rechtsgüter der Völkergemeinschaft,<br />
also Rechtsgüter, an deren Erhalt die Menschheit ein allgemeines Interesse<br />
hat. 415 Ohne Zweifel erreichen internationale terroristische Gewaltakte damit die für<br />
eine völkerstrafrechtliche Erfassung gebotene Dimension. Daher wird <strong>von</strong> namhaften<br />
Völkerrechtlern die Auffassung vertreten, nach Völkergewohnheitsrecht sei internationaler<br />
Terrorismus nunmehr eine Völkerstraftat. 416 Der UN-Sicherheitsrat stützt diese<br />
Auffassung, indem er in seinen jüngeren Resolutionen zum internationalen Terrorismus<br />
diesen als „criminal“ bzw. “threat to international peace and security“ klassifiziert.<br />
417<br />
Andererseits ist für den völkergewohnheitsrechtlichen Straftatbestand <strong>des</strong> Terrorismus<br />
erforderlich, dass eine auf einer Rechtsüberzeugung der Staaten basierende Staaten-<br />
412 Vgl. soeben unter C. III. 1.<br />
413 Bremer, Nationale Strafverfolgung internationaler Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht, 1999, 74;<br />
Bassiouni, Introduction to International Criminal Law, 2003, 122.<br />
414 Bassiouni, Introduction to International Criminal Law, 2003, 122.<br />
415 Näher dazu Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 1. Teil, Rn. 73 ff.<br />
416 Etwa Cassese, International Criminal Law, 2003, 120 ff.<br />
417 S/Res/1269 (1999) v. 19.10.1999; S/Res/1368 (2001) v. 12.09.2001; S/Res/1373 (2001) v. 28.09.2001;<br />
S/Res/1377 (2001) v. 12.11.2001; S/Res/1456 (2003) v. 20.01.2003.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 104<br />
praxis nachweisbar ist, nach der eine entsprechende Strafbarkeit – und nicht nur<br />
Strafwürdigkeit – tatsächlich existiert. <strong>Die</strong>ser Nachweis ist jedoch – derzeit – kaum zu<br />
erbringen. <strong>Die</strong> vorhergehende Evaluation <strong>des</strong> multilateralen Vertragsregimes sowie<br />
<strong>des</strong> Völkergewohnheitsrecht im Bereich der Terrorismusbekämpfung hat ergeben, dass<br />
ein Konsens der Staatengemeinschaft über die konkrete Strafbarkeit <strong>des</strong> einschlägigen<br />
Terrorverhaltens und der zu schützenden Rechtsgüter nicht vorliegt. Aus diesem<br />
Grunde ist der herrschenden Lehre zu folgen, dass die Existenz einer Völkerstraftat<br />
Terrorismus bislang nicht besteht. 418<br />
In der Tendenz ist die Entwicklung klar vorgezeichnet: <strong>Die</strong> gesicherte völkerstrafrechtliche<br />
Erfassung <strong>von</strong> internationalem Terrorismus dürfte wohl nur eine Frage der<br />
Zeit sein. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die zukünftige völkerstrafrechtliche<br />
Diskussion wesentlich <strong>von</strong> der Frage der Erfassung terroristischer Gewaltakte<br />
geprägt sein wird.<br />
IV. Zwischenergebnis<br />
<strong>Die</strong> Analyse <strong>des</strong> Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrechts in Abschnitt C hat ergeben,<br />
dass Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus im Völkerrecht bislang nur indirekt<br />
kriminalisiert werden. <strong>Die</strong> bestehenden Anti-Terrorismus-Abkommen nehmen klassische<br />
Formen <strong>von</strong> Terrorgewalt zum Regelungsinhalt und stufen diese als thematisch<br />
eingrenzbare Handlungen einzelner Individuen oder kleiner Gruppierungen ein, bei<br />
denen es sich um transnationale Gewaltaktionen ohne Eintritt erheblicher Schäden mit<br />
internationaler Tragweite handelt. Terroristische Straftaten klassifizieren damit derzeit<br />
(noch) als transnationale Verbrechen, da ihnen bislang die nötige Schwere der Tat und<br />
der nötige Konsens der Staatengemeinschaft über die Strafbarkeit abgesprochen werden<br />
muss. Dadurch ist eine direkte <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> Terrorakten im Völkerrecht<br />
bislang unterblieben.<br />
Nicht <strong>von</strong> der Hand zu weisen ist allerdings, dass moderne und insbesondere atypische<br />
Terrorformen das Völkerrecht vor neue Herausforderungen stellen und die<br />
Staatengemeinschaft zwingen, die traditionellen Regelungsmuster zu überdenken. <strong>Die</strong><br />
Arbeiten an einer umfassenden Terrorismuskonvention sowie der Durchbruch in der<br />
internationalen <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen durch die Resolution<br />
1540 (2004) zeugen <strong>von</strong> dem Willen der Staatengemeinschaft, das enge Konzept der<br />
418 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 1. Teil, Rn. 73; Oeter, <strong>Die</strong> Friedens-Warte 2001, 11 ff.; Jeßberger, in: Deutsches<br />
Institut für Menschenrechte (Hrsg.), Menschenrechtliche Erfordernisse bei der Bekämpfung <strong>des</strong> Terrorismus,<br />
2002, 22 ff.
C. <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene 105<br />
Kernverbrechen mit Blick auf die Einordnung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
möglicherweise zu erneuern.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit <strong>des</strong> internationalen Terrorismus unter<br />
dem IStGH-Statut<br />
Nachdem in Abschnitt B herkömmliche und neue Terrorformen vorgestellt wurden<br />
und deren völkervertrags- sowie völkergewohnheitsrechtliche <strong>Kriminalisierung</strong> in Abschnitt<br />
C erfasst werden konnte, ist nun zu analysieren, welche Möglichkeiten der internationalen<br />
Gemeinschaft zur Verfügung stehen, schwere Akte <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus strafrechtlich zu verfolgen. <strong>Die</strong> Anti-Terrorismus-Abkommen legen den<br />
Fokus klar auf die Strafverfolgung durch nationale Gerichte. Angesichts der Anschläge<br />
vom 11. September 2001 und <strong>des</strong> gestiegenen Bedrohungspotentials durch moderne<br />
Terrorakte sind herkömmliche Formen der Strafverfolgung zu überdenken. Abschnitt<br />
D macht sich die Untersuchung zur Aufgabe, welche Foren zur Pönalisierung internationaler<br />
Terrorakte in Betracht kommen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob Akte<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus unter die Zuständigkeit <strong>des</strong> neuen Internationalen<br />
Strafgerichtshofs fallen und als eines der im IStGH-Statut normierten Völkerrechtsverbrechen<br />
zu qualifizieren sind.<br />
I. Strafrechtliche Instanzen zur Verfolgung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus<br />
<strong>Die</strong> strafrechtliche Verfolgung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus kann durch<br />
nationale sowie durch internationale Gerichte erfolgen. Angesichts <strong>des</strong> dezentralen<br />
Charakters <strong>des</strong> Völkerrechts bietet sich zunächst die nationale Gerichtsbarkeit für die<br />
Strafverfolgung an. Ausgehend <strong>von</strong> deren Defiziten in der Verfolgung und Durchsetzung<br />
<strong>des</strong> <strong>völkerrechtliche</strong>n Strafanspruchs ist im Weiteren zu untersuchen, welche<br />
strafrechtlichen Instanzen auf der internationalen Ebene für die Verfolgung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong><br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus zur Verfügung stehen.<br />
1. Nationale Strafverfolgung<br />
<strong>Die</strong> nationale Strafverfolgung gehört zum unantastbaren Kernbestand der Hoheitsgewalt<br />
eines jeden Staates und geht, da sie ureigenster Ausfluss <strong>von</strong> nationaler Souveränität<br />
ist, der internationalen Strafverfolgung vor. Somit kommt für Taten <strong>des</strong><br />
internationalen Terrorismus zunächst die nationale Strafgewalt als angemessene Strafverfolgungsinstanz<br />
in Betracht.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 107<br />
a) Nationale Gerichte<br />
aa) Räumliche Jurisdiktion<br />
Internationale Terroristen können als Straftäter überall dort vor Gericht gestellt werden,<br />
wo ein Staat nach seinem Recht im völkerrechtlich zulässigen Rahmen Jurisdiktion<br />
ausüben kann. 419 Insbesondere bei grenzüberschreitendem, internationalem<br />
Terrorismus unterliegen die Täter dabei selten nur einer staatlichen Strafgewalt, sondern<br />
mitunter mehreren. Entscheidend ist hier, nach welchen Anknüpfungskriterien die<br />
Strafverfolgung durch einen Staat erfolgen kann.<br />
Nach dem vorherrschenden Territorialitätsprinzip wird der Staat <strong>des</strong> Tatortes immer<br />
über Strafgewalt hinsichtlich der auf seinem Territorium begangenen Terrorakte verfügen.<br />
420 Strafgewalt hat auch der Heimatstaat <strong>des</strong> Täters aufgrund <strong>des</strong> aktiven Personalitätsprinzips.<br />
421 Im Rahmen <strong>des</strong> (völkerrechtlich umstrittenen) passiven<br />
Personalitätsprinzips reklamieren auch die Herkunftsstaaten der Opfer zunehmend<br />
Strafgewalt. 422 Ferner darf ein Staat im Ausland begangene Terrortaten verfolgen,<br />
wenn sie seine Sicherheit, Integrität, Souveränität oder andere wichtige Regierungsfunktionen<br />
gefährden oder verletzen. 423 <strong>Die</strong>ses Schutzprinzip 424 greift auch dann, wenn<br />
ein Erfolg der Terrortat auf heimischem Boden nicht zu verzeichnen ist.<br />
In den meisten Fällen entkommen internationale Terroristen nach einem Terroranschlag<br />
ins Ausland, so dass sich in der Strafverfolgung insbesondere das Prinzip der<br />
stellvertretenden Strafrechtspflege als praxisnah erweist. 425 Gemäß dem Grundsatz aut<br />
dedere aut iudicare 426 müssen hiernach Terroristen, deren Überstellung verlangt wird,<br />
ausgeliefert oder im Falle der Verweigerung der Auslieferung vor eigene Gerichte gestellt<br />
werden. 427<br />
419 Flory, in: Higgins/Flory (Hrsg.), Terrorism and International Law, 1997, 30 (31). Zur Theorie <strong>des</strong> Strafanwendungsrechts<br />
s. ferner Oehler, in: Oehler (Hrsg.), Festschrift für Heinrich Grützner, 1970, 110 ff.<br />
420 Oehler, Internationales Strafrecht, 1983, Kap. 4, Rn. 152 ff.; Münchau, Terrorismus auf See aus <strong>völkerrechtliche</strong>r<br />
Sicht, 1994, 140.<br />
421 Oehler, Internationales Strafrecht, 1983, Kap. 12, Rn. 702 ff.<br />
422 Kokott/Doehring/Buergenthal, Grundzüge <strong>des</strong> Völkerrechts, 2003, Rn. 342; Oeter, <strong>Die</strong> Friedens-Warte 2001,<br />
11 (16); Rubin, in: Han (Hrsg.), Terrorism and Political Violence, 1993, 383 f.<br />
423 Viele nationale Jurisdiktionen erweitern ihr Territorialkonzept auf Taten, die Auswirkungen auf das Staatgebiet<br />
haben; diese Ausweitung ist jedoch umstritten. Vgl. Schabas, Introduction ICC, 2001, 63.<br />
424 Oehler, Internationales Strafrecht, 1983, Kap. 7, Rn. 542 ff.<br />
425 Kokott/Doehring/Buergenthal, Grundzüge <strong>des</strong> Völkerrechts, 2003, Rn. 343.<br />
426 Rebmann, NJW 1985, 1735 (1738).<br />
427 Das Prinzip <strong>des</strong> ursprünglichen aut dedere aut punicare geht auf Hugo Grotius zurück, der die Regel <strong>des</strong> allgemeinen<br />
Völkerrechts aufstellte, dass der Zufluchtsstaat das „natürliche“ Recht und die Pflicht habe, die angeklagte<br />
Person entweder dem ersuchenden Staat zu übergeben, oder sie unter seinen eigenen Gesetzen zu<br />
bestrafen. <strong>Die</strong> Wortwahl <strong>von</strong> Grotius (aut dedere aut punire) hat Bassiouni kritisiert: <strong>Die</strong>se Formel impliziere,<br />
dass die angeklagte Person schuldig sei und schlägt anstatt aut dedere aut iudicare vor. Dazu Wiessner, <strong>Die</strong><br />
Funktion der Staatsangehörigkeit, 1989, 208 (Fn. 996); Rupprecht, Kriminalistik 1991, 769 (770).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 108<br />
Handelt es sich bei Terrorakten um solche Taten, die für alle Staaten gleich gefährlich<br />
sind und geht es um den Schutz <strong>von</strong> Rechtsgütern, an deren Erhaltung die gesamte<br />
Staatengemeinschaft ein Interesse hat, kann schließlich auch das Universalitätsprinzip<br />
zur Strafverfolgung internationaler Terroristen greifen. 428 Nach diesem beteiligen sich<br />
nationale Gerichte an der <strong>völkerrechtliche</strong>n Strafverfolgung <strong>von</strong> Individuen aufgrund<br />
universeller Jurisdiktion. 429 Das Universalitätsprinzip (oder auch Weltrechtsprinzip)<br />
ist für solche Straftaten anerkannt, die weder im Inland stattgefunden haben noch gegen<br />
eigene Staatsangehörige gerichtet waren, aber aufgrund ihrer Schwere z.B. einen<br />
Völkermord oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. 430 Sofern Akte<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus die entsprechende Intensität aufweisen und die Tatbestandsmerkmale<br />
eines anerkannten <strong>völkerrechtliche</strong>n Verbrechens erfüllen, findet das<br />
Weltrechtsprinzip Anwendung. <strong>Die</strong>s ist dann der Fall, wenn es sich bei dem Terrorschlag<br />
um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt, wie dies nach überwiegender<br />
Auffassung bei den Anschlägen vom 11. September 2001 vertreten wird. 431<br />
Internationale Terroristen der nationalen Strafgerichtsbarkeit zu unterstellen und sie<br />
z.B. in dem Staat <strong>des</strong> Begehungsortes abzuurteilen, bietet den Vorteil <strong>des</strong> direkten<br />
Zugriffs auf die Straftäter, auf Zeugen und Beweise. 432 Für die Strafverfolgung auf na-<br />
428<br />
Paech/Stuby, Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen, 2001, 414; Kokott/Doehring/Buergenthal,<br />
Grundzüge <strong>des</strong> Völkerrechts, 2003, Rn. 342 ff.; Frowein, ZaöRV 2002, 879 (893);<br />
Schabas, Introduction ICC, 2001, 60.<br />
429 So klagte bereits Belgien Kriegsverbrechen gegen Zivilisten aus Ruanda an; Deutschland verurteilte Kriegsverbrecher<br />
aus Jugoslawien. Dazu Slaughter/Burke-White, HarvILJ 2002, 1 (9, Fn. 40, 41). Zurückhaltend dagegen<br />
der IGH in seinem Urteil Belgium v. Congo v. 14.02.2002, der das Weltrechtsprinzip nicht zu den<br />
kodifizierten Regeln <strong>des</strong> Völkerrechts zählt und einen Anknüpfungspunkt fordert. Dazu Spinedi, EJIL 2002, 895<br />
ff.; Wirth, EJIL 2002, 877 ff. Belgien hat aufgrund <strong>des</strong> internationalen Drucks das umstrittene Genozid-Gesetz<br />
<strong>von</strong> 1993 nun zurückgezogen, vgl. „Abschied vom Genozid-Gesetz in Belgien“, in: Neue Zürcher Zeitung v.<br />
14.07.2003, 4. Ferner Pejic, RICR 2002, 13 (24), (27); Vandermeersch, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims,<br />
and International Responsibility, 2003, 331 (335).<br />
430 Nach Satzger ergibt sich der <strong>völkerrechtliche</strong> Anknüpfungspunkt für die Anwendung nationalen Strafrechts<br />
im Rahmen <strong>des</strong> Weltrechtsprinzips aus dem Unwertgehalt der Taten selbst. Vgl. Satzger, NStZ 2002, 125 (131).<br />
Das neue deutsche VStG verfügt nunmehr die Geltung <strong>des</strong> Weltrechtsprinzips für alle im VStG bezeichneten<br />
Verbrechen, „auch wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist.“ Bei Völkerrechtsverbrechen<br />
ist damit deutsches Strafrecht stets anwendbar, gleichgültig wo, <strong>von</strong> wem oder gegen wen<br />
die Taten begangen worden sind. S. Werle/Jeßberger, JZ 2002, 725 (729). Grundlegend zur universellen Jurisdiktion<br />
s. Ratner/Abrams, Accountability for Human Rights Atrocities in International Law, 1997; Roht-Arriaza,<br />
Impunity and Human Rights in International Law and Practice, 1995; Burke-White, in: Yepes-Enriquez/Tabassi<br />
(Hrsg.), Treaty Enforcement and International Cooperation in Criminal Matters with Special Reference to the<br />
Chemical Weapons Convention, 2002, 77 (80).<br />
431 Schabas/Olivier, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims, and International Law, 2003, 270 ff.; Stuby, Blätter<br />
für deutsche und internationale Politik 2002, 1330 (1338); Frowein, ZaöRV 2001, 879 (893).<br />
432 <strong>Die</strong>se Arbeit kann eine internationale Gerichtsbarkeit in der Form nicht leisten, da sie für die rasche Sammlung<br />
<strong>von</strong> Beweisen und vor-Ort-Untersuchungen auf die unmittelbare Hilfe der Staaten angewiesen ist. Vgl.<br />
auch Bruer-Schäfer, Der Internationale Strafgerichtshof, 2001, 224; Cassese, EJIL 1999, 143 (158). Unter dem<br />
IStGH-Statut wird ein Großteil der Untersuchung in der Praxis durch die Mitgliedstaaten durchgeführt, allerdings<br />
stehen Verhör, Durchsuchung, Beschlagnahme und ähnliche Maßnahmen unter dem besonderen Schutz<br />
<strong>des</strong> Statuts: Nationale Gesetze variieren hier sehr, so dass der IStGH - vor dem Hintergrund, dass es sich der Gerichtshof<br />
nicht erlauben kann, durch die Übernahme nationaler Untersuchungspraktiken Menschenrechte zu ver-
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 109<br />
tionaler Ebene spricht ferner, dass ein Verfahren vor Ort dem Genugtuungsgedanken<br />
<strong>des</strong> primär betroffenen Bevölkerungsteils oder eines Staates als Opfer eines schweren<br />
internationalen Terrorschlags Rechnung trägt.<br />
Im Hinblick auf die Strafverfolgung <strong>von</strong> internationalen Terroristen stehen der nationalen<br />
Strafverfolgung aber wesentliche rechtliche und praktische Bedenken entgegen.<br />
Zunächst kann es in einem Staat an einer unabhängigen Gerichtsbarkeit fehlen, so dass<br />
ein rechtsstaatliches Strafverfahren zur Bewertung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
nicht gewährleistet ist. Des Weiteren ist auf das Versagen staatlicher Instanzen<br />
hinzuweisen, Terrorverbrechen überhaupt zu verfolgen. Wie jüngere Geschehnisse<br />
beispielsweise in Bosnien, Ruanda, Somalia oder Liberia gezeigt haben, kann es infolge<br />
bürgerkriegsähnlicher Zustände zur Handlungsunfähigkeit der jeweiligen Regierung<br />
und damit zum Wegfall effektiver Staatsgewalt kommen (sog. failed state-<br />
Problematik). 433 Ist ein Staat nicht mehr handlungsfähig, ist es ihm auch nicht möglich,<br />
Strafgewalt über begangene Akte und Akteure <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
auszuüben. Wie ferner der Fall Afghanistan und die Machtübernahme durch die Taliban<br />
zeigte 434 , kann auch ein „stabilisiertes de facto Regime“, welches die Voraussetzungen<br />
der Staatlichkeit auf dem <strong>von</strong> ihm beherrschten Gebiet erfüllt, entsprechende<br />
Handlungsfähigkeit hinsichtlich der Strafverfolgung vermissen lassen. 435 <strong>Die</strong> Durchsetzung<br />
eines nationalen Strafanspruchs ist hier nicht möglich, <strong>des</strong>halb muss eine internationale<br />
Gerichtsbarkeit auf dem Gebiet der terroristischen Strafverfolgung<br />
greifen.<br />
Letztlich ist auf die Unterschiedlichkeit einzelner, nationaler Strafrechtssysteme hinzuweisen,<br />
die bei der Verfolgung <strong>von</strong> internationalen Terroristen Probleme aufwerfen<br />
kann. 436 Nationales Straf- und Strafverfahrensrecht, angewandt auf im Prinzip identische<br />
terroristische Sachverhalte, kann im Einzelnen <strong>von</strong>einander differieren und folglich<br />
zu unterschiedlichsten Ergebnissen in der Strafverfolgung und damit zu<br />
Rechtsunsicherheit führen. Nicht ausgeschlossen ist, dass, je nachdem in welchem<br />
Land ein internationaler Terrorist ein Attentat begeht oder gefasst wird, der Täter einer<br />
letzen - durch sein Statut eigene Maßstäbe setzt, wenn es um die Behandlung der Rechte <strong>des</strong> Einzelnen im Untersuchungs-<br />
und Vorverfahren geht. Vgl. Schabas, Introduction ICC, 2001, 107.<br />
433 Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., 2004, § 5, Rn. 11; Thürer, in: Thürer/Herdegen/Hohloch, BDGV 1996, 9 ff.;<br />
Pradetto, Aus Politik und Zeitgeschichte 2001, 24 (25, Fn. 5), (35).<br />
434 Dazu Wolfrum/Philipp, in: <strong>von</strong> Schorlemer (Hrsg.), Praxishandbuch UNO: <strong>Die</strong> Vereinten Nationen im Lichte<br />
globaler Herausforderungen, 2003, 145 (153 ff.)<br />
435 Zum de facto Regime Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., 2004, § 8, Rn. 15; Bothe, in: GrafVitzthum (Hrsg.), Völkerrecht,<br />
3. Aufl., 2004, VIII., Rn. 14; Frowein, Das facto-Regime im Völkerrecht, 1968.<br />
436 Almond, in: Han (Hrsg.), Terrorism and Political Violence, 1993, 199; Bruer-Schäfer, Der Internationale<br />
Strafgerichtshof, 2001, 225 f; Tournaye, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims, and International Law, 2003,<br />
298 (298).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 110<br />
nur geringfügigen oder auch keiner Strafe unterfällt, weil ein Ermittlungsverfahren<br />
nicht aufgenommen oder dieses eingestellt wurde. 437 Eine solche Praxis führt mitunter<br />
nicht nur zu Rechtsunsicherheit, sondern auch zu mangelndem Vertrauen unter den<br />
Staaten. So ist z. B. zweifelhaft, ob das Angebot der Taliban, eine Strafverfolgung der<br />
Attentäter vom 11. September 2001 und ihre Verurteilung nach arabischem Recht vorzunehmen,<br />
westliche Akzeptanz gefunden hätte. 438<br />
Erleidet ein Staat einen schweren Terrorschlag, können sich zudem Zweifel an der Objektivität<br />
der nationalen Gerichtsbarkeit ergeben, insbesondere dann, wenn eine Nation<br />
durch den Terrorakt in Mitleidenschaft gezogen wurde und über die Schuldfrage durch<br />
Geschworene entschieden wird; das Gerichtssystem also auf einem Jurysystem basiert.<br />
439 Zwar ist auch hier grundsätzlich <strong>von</strong> der Gewährung eines rechtsstaatlichen<br />
Strafprozesses auszugehen, doch ist eine Beeinträchtigung der Unparteilichkeit aufgrund<br />
gesteigerter emotionaler Wertung <strong>des</strong> Lebenssachverhalts durchaus möglich.<br />
Bei der praktischen Umsetzung <strong>des</strong> Prinzips der stellvertretenden Strafrechtspflege<br />
kommt das Problem der mangelnden Auslieferungspraxis hinzu, welche die nationale<br />
Strafverfolgung entscheidend behindern kann. <strong>Die</strong> meisten Anti-Terrorismus-<br />
Abkommen räumen der Auslieferung gegenüber der stellvertretenden Strafrechtspflege<br />
den Vorrang ein, dennoch wird die Durchführung der in den Konventionen niedergelegten<br />
internationalen Rechtshilfe bislang als eher zurückhaltend bewertet. 440 <strong>Die</strong><br />
mangelnde Auslieferungspraxis ist zurückzuführen auf die Auslieferungsausnahme bei<br />
politischen Delikten (political exception rule), wonach die Staaten das Ersuchen um<br />
die Überstellung <strong>von</strong> Terroristen aufgrund <strong>von</strong> Tatbeständen, die in engerem oder weiterem<br />
Sinne mit den politischen Verhältnissen im Staat <strong>des</strong> Begehungsortes stehen, ablehnen<br />
können. Damit ist die Effektivität <strong>von</strong> Auslieferungsverträgen insgesamt zu<br />
relativieren. Je nach ihren politischen oder ideologischen Präferenzen definieren die<br />
Staaten das „politische Delikt“ unterschiedlich. 441 Sie haben damit weitgehende Entscheidungsfreiheit,<br />
ob sie einen verfolgten Terrorist überstellen oder eine Auslieferung<br />
verweigern. Mitunter wird die Auslieferungsausnahme der political exception rule <strong>von</strong><br />
437 Zu zwischenstaatlichen Kompetenzkonflikten auf dem Gebiet <strong>des</strong> Strafrechts s. Linke, in: Oehler (Hrsg.),<br />
Festschrift für Heinrich Grützner, 1970, 85 ff.<br />
438 “Taliban Rebuffs Pakistani Clerics´ Call for Bin Ladin“, in: The Washington Post v. 30.09.2001, A2. Vogel,<br />
HarvILJ 2002, 53 ff.<br />
439 International Bar Association, International Terrorism: Legal Challenges and Responses. A Report by the International<br />
Bar Association‘s Task Force on Terrorism, 2003, 143; Burke-White, in: Yepes-Enriquez/Tabassi<br />
(Hrsg.), Treaty Enforcement and International Cooperation in Criminal Matters with Special Reference to the<br />
Chemical Weapons Convention, 2002, 77 (78).<br />
440 Stuby, Blätter für deutsche und internationale Politik 2002, 1330 (1338); Rubin, in: Han (Hrsg.), Terrorims<br />
and Political Violence, 1993, 219 ff.; <strong>von</strong> Bubnoff, Auslieferung, Verfolgungsübernahme, Vollstreckungshilfe,<br />
1988, 8.<br />
441 Dazu Kokott, ZaöRV 1991, 603; Davy, ZAR 2003, 43 (45).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 111<br />
Staaten auch angeführt, um Terroristen Zuflucht, Unterstützung mit Geldmitteln oder<br />
gar in Form <strong>von</strong> Waffenlieferungen zu gewähren. Aus diesem Grund findet vielfach<br />
die Kampfausbildung <strong>von</strong> Terroristen im Ausland statt. Einige nationale Rechtsordnungen<br />
(für Deutschland z. B. § 6 Abs. 1 IRG) sowie einzelne multilaterale Abkommen<br />
442 weisen zwar darauf hin, dass schwerste Straftaten – insbesondere solche gegen<br />
das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit – nicht durch, wie auch<br />
immer geartete, politische Beweggründe zu rechtfertigen seien und die political exception<br />
rule bei terroristischen <strong>Akten</strong> nicht greife. Im <strong>völkerrechtliche</strong>n Schrifttum hat<br />
sich diese Auffassung aber noch nicht universell durchgesetzt. 443 Auch erkennen die<br />
existierenden internationalen Anti-Terrorismus-Abkommen in ihrer Mehrzahl den politischen<br />
Charakter der <strong>von</strong> ihnen erfassten Straftaten als Rechtfertigungsgrund an. 444<br />
<strong>Die</strong> Ereignisse vom 11. September 2001 haben dem Erfordernis nach Funktionstüchtigkeit<br />
internationaler Rechtshilfe Nachdruck verliehen. <strong>Die</strong> Resolution 1373 <strong>des</strong> UN-<br />
Sicherheitsrates 445 weist ausdrücklich auf die Verpflichtung der Staaten zur Auslieferung<br />
oder selbständigen Strafverfolgung <strong>von</strong> internationalen Terroristen hin, so dass<br />
das Prinzip aut dedere aut iudicare für terroristische Gewalttaten heute als anerkannt<br />
gelten muss. 446 Ob dieses Prinzip auch zwingend universelle Anwendung findet, verbleibt<br />
angesichts der Existenz <strong>von</strong> Terrorismus unterstützenden Staaten, die internationalen<br />
Terroristen einen sog. safe haven gewähren, allerdings weiter fraglich. 447<br />
Im Zusammenhang mit der Auslieferung internationaler Terroristen stellt sich ein zusätzliches<br />
Problem: Erwartet die Straftäter vor nationalen Gerichten die Verhängung<br />
der To<strong>des</strong>strafe, sind insbesondere die europäischen Staaten an das 6. Zusatzprotokoll<br />
442 S. Art. 4 <strong>des</strong> Auslieferungsübereinkommens zwischen den Staaten der Arabischen Liga v. 03.11.1954<br />
(Agreement between the Arab League States Concerning the Extradition of Fugitive Offenders); Art. 27 der<br />
Konvention über die Zusammenarbeit in Fragen der Rechtspflege der Organisation Commune Africaine et Malgache<br />
(OCAM) v. 12.09.1961; Art. 1 <strong>des</strong> Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung <strong>des</strong> Terrorismus v.<br />
27.01.1977. Dazu s. Hailbronner/Olbrich, AVR 1986, 434 (443 ff.).<br />
443 Ausführlich dazu Stein, <strong>Die</strong> Auslieferungsausnahme bei politischen Delikten, 1983, 168 ff.<br />
444 Stein, <strong>Die</strong> Auslieferungsausnahme bei politischen Delikten, 1983, 170.<br />
445 S/Res/1373 (2001) v. 28.09.2001, para. 2 (e) besagt, dass: „States shall [...] ensure that any person who is participates<br />
in financing, planning, preparation or perpetration of terrorist acts or in supporting terrorist acts is<br />
brought to justice and ensure that, in addition to any other measure against them, such terrorists acts are established<br />
as serious criminal offences in domestic laws and regulations and that the punishment duly reflects the seriousness<br />
of such acts.“.<br />
446 Frowein, ZaöRV 2001, 879 (898).<br />
447 So musste angesichts der Begleitumstände die Ernsthaftigkeit der Bemühungen der Taliban, die für den<br />
11. September 2001 verantwortlichen Terroristen zu verhaften, bezweifelt werden. <strong>Die</strong> Taliban kamen der<br />
Pflicht nicht nach, Osama bin Ladin auszuliefern; statt<strong>des</strong>sen bereiteten sie weiterhin einen safe haven für die Al<br />
Kaida. Dazu Krajewski, AVR 2002, 183 (205); Pejic, RICR 2002, 13 (26); ferner “Keine eindeutigen Beweise”,<br />
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 28.10.2002, 3.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 112<br />
der EMRK gebunden und folglich gehalten, eine Auslieferung zu verweigern. 448 Entsprechende<br />
Auslieferungshindernisse finden sich zudem im Internationalen Pakt über<br />
bürgerliche und politische Rechte sowie seinen Fakultativprotokollen und in der Folterkonvention.<br />
449<br />
bb) Sachliche Jurisdiktion<br />
Terroristische Handlungen sind in den meisten Rechtsordnungen weitgehend nach nationalem<br />
Strafrecht als „gewöhnliche“ Delikte strafbar. 450 <strong>Die</strong>s führt dazu, dass man -<br />
sofern ein eigenständiger Straftatbestand <strong>des</strong> Terrorismus im nationalen Recht nicht<br />
gegeben ist 451 - terroristische Aktionsformen unter herkömmliche Straftatbestände wie<br />
Mord, Totschlag, Geiselnahme, Nötigung, Brandstiftung oder diverse Sprengstoffdelikte<br />
subsumiert. Da kaum eine nationale Strafrechtsordnung Normen bezüglich <strong>des</strong><br />
Umgangs mit und <strong>des</strong> Gebrauchs <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen bereithält, muss<br />
auch hier auf „gewöhnliche“ Delikte bzw. bestehende Tatbestände ausgewichen werden,<br />
um eine <strong>Kriminalisierung</strong> der entsprechenden Verhaltensweisen zu erreichen. 452<br />
448 Vgl. Europäische Kommission für Menschenrechte, Application No. 22742/93, Aylor-Davis v. France, in:<br />
European Commission of Human Rights, Decision and Reports 76-B (1994), 164 (170); Frowein, ZaöRV 2001,<br />
879 (898); van Dijk/van Hoof, Theory and Practice of the European Convention on Human Rights, 1998, 680;<br />
Wolny, in: Sutter/Zelger (Hrsg.), 30 Jahre EMRK-Beitritt der Schweiz, 2005, 329 ff. Für Frowein gehen die Regeln<br />
<strong>des</strong> 6. Zusatzprotokolls der EMRK aber nicht soweit, dass sie europäischen Staaten die Vorlage <strong>von</strong> Dokumenten<br />
im Wege der Rechtshilfe verbieten, s. Frowein, ZaöRV 2001, 879 (884). „Dänen liefern keine irakischen<br />
Gefangenen mehr aus“, http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,312685,00.html (08.10.2004). S. auch die<br />
Leitentscheidung zur Konventionswidrigkeit der Auslieferung bei drohender To<strong>des</strong>strafe Soering vs. The United<br />
Kingdom, Urteil v. 07.07.1989, aufbereitet in EuGRZ 1989, 314 ff. Zum Auslieferungsverbot bei drohender To<strong>des</strong>strafe<br />
s. auch <strong>von</strong> Bubnoff, Auslieferung, Verfolgungsübernahme, Vollstreckungshilfe, 1988, 11; „Ausbau der<br />
Rechtshilfe EU - USA“, in: Zürcher Zeitung v. 25.06.2003, 2.<br />
449 Vgl. Art. 6 und 7 <strong>des</strong> Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte v. 19.12.1966, BGBl.<br />
1973 II, 1534; Art. 3 UN-Folterkonvention v. 10.12.1984, BGBl. 1990 II, 247. Dazu Bremer, Nationale Strafverfolgung<br />
internationaler Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht, 1999, 42 ff.; so auch UN-Special Rapporteur<br />
Koufa, Specific Human Rights Issues: New Priorities, in particular Terrorism and counter-Terrorism,<br />
Working Paper by the Commission on Human Rights, E/CN.4/Sub.2/2004/40 v. 25.06.2004, 5; Dugard/van den<br />
Wyngaert, AJIL 1998, 187 (196 ff.).<br />
450 Wie Vercher trefflich festhält: „The majority of scheduled offences are normal offences taken from the ordinary<br />
criminal law and are not listed as special or political. However, they acquire a different character as soon as<br />
they are treated as scheduled offences.”. Vgl. Vercher, Terrorism in Europe, 1992, 297. Siehe auch Vest,<br />
ZStR 2003, 46 (49 ff.); Satzger, NStZ 2002, 125 (126); <strong>von</strong> Selle, NJW 2000, 992 ff.; Wilkinson, Terrorism versus<br />
Democracy, 2000, 102; Müller, „Sonderrecht für Terroristen?“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v.<br />
28.01.2003, 10; Stein, AVR 1992, 38 (39); Almond, in: Han (Hrsg.), Terrorism and Violence, 1993, 199 (204);<br />
Schrader, Kriminalistik 2002, 570 (570); Schabas/Olivier, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims, and International<br />
Law, 2003, 270 (275); BMJ, Regierungsentwurf für ein deutsches Völkerstrafgesetzbuch, BR-Drucks.<br />
14/8524 v. 13.03.2002, 12.<br />
451 Vgl. das Beispiel Großbritannien, welches neuen Terrorismus als eigenständiges Verbrechen in seinem nationalen<br />
Recht verankert hat. Ein eigener Straftatbestand <strong>des</strong> Terrorismus existiert im deutschen Recht nicht. Ein<br />
solcher wurde auch nicht durch die beiden Sicherheitspakete <strong>des</strong> deutschen Gesetzgebers aus dem Jahr 2001 e-<br />
tabliert. Eine Definition kann einzig in den Berichten <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>amtes für Verfassungsschutz gefunden werden.<br />
Das Schweizerische Strafgesetzbuch sanktioniert die Beteiligung wie auch die Unterstützung krimineller Organisationen<br />
(Art. 260ter) und die Geldwäscherei (Art. 305bis). <strong>Die</strong> in diesem Zusammenhang stehenden Gelder<br />
können gesperrt und konfisziert werden (Art. 59). Dazu „Terrorismus neu im Strafgesetzbuch“, in: Neue Zürcher
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 113<br />
So nimmt etwa das deutsche Strafgesetzbuch einzig in § 129 a und § 129 b Bezug auf<br />
den Terrorismus: Es stellt in § 129 a die Bildung terroristischer Vereinigungen unter<br />
Strafe; ferner eröffnet der neue § 129 b den Zugriff auf ausländische Terrorvereinigungen.<br />
453 Ein Rückgriff auf diese herkömmlichen Straftatbestände hat jüngst zur<br />
Strafverfolgung internationaler Terroristen geführt. So wurden nach den Terroranschlägen<br />
vom 11. September 2001 in Deutschland mehr als siebzig Strafverfahren gegen<br />
Personen mit islamisch-fundamentalistischem Hintergrund eingeleitet. 454 In den<br />
Fällen Mzoudi und El-Motassadeq konnten die Angeklagten aufgrund <strong>von</strong> Beweisschwierigkeiten<br />
nicht wegen der ihnen zur Last gelegten Terrortaten verurteilt werden:<br />
Knapp zwei Jahre nach Beginn <strong>des</strong> weltweit zweiten Gerichtsverfahrens im Zusammenhang<br />
mit den Anschlägen vom 11. September 2001 gegen Abdelghani Mzoudi bestätigte<br />
der Bun<strong>des</strong>gerichtshof (BGH) erst jüngst den Freispruch vom<br />
Terrorismusvorwurf. Das erstinstanzliche Gericht hatte Mzoudi mangels Beweisen<br />
vom Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung<br />
in Tateinheit mit Beihilfe zum Mord an min<strong>des</strong>tens 3066 Menschen freigesprochen.<br />
455 Auch musste der erste Prozess gegen einen mutmaßlichen Helfer der<br />
Zeitung v. 28.06.2002, 13. Nach dem 11. September 2001 hat der Bun<strong>des</strong>rat im Eilverfahren folgende neue Terrorismusnorm<br />
ausgearbeitet:<br />
Artikel 260quinquies <strong>des</strong> Strafgesetzbuches (Terrorismus):<br />
1. Wer ein Gewaltverbrechen begeht, um die Bevölkerung einzuschüchtern oder einen Staat oder eine internationale<br />
Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen, wird mit Zuchthaus bestraft.<br />
2. In besonders schweren Fällen, namentlich wenn durch die Tat viele Menschen verletzt oder getötet werden,<br />
kann der Täter mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft werden.<br />
3. Strafbar ist auch der Täter, der die Tat im Ausland verübt. Artikel 6bis ist anwendbar.<br />
Artikel 260sexies <strong>des</strong> Strafgesetzbuches (Finanzierung <strong>des</strong> Terrorismus):<br />
Wer in der Absicht, ein Verbrechen nach Artikel 260quinquies zu finanzieren, Vermögenswerte sammelt<br />
oder zur Verfügung stellt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.<br />
S. dazu „Panikgesetz mit blossem Symbolwert“, in: Neue Zürcher Zeitung v. 02.08.2002, 13.<br />
452 <strong>Die</strong> Bun<strong>des</strong>republik Deutschland konnte auf dem Gebiet der Biowaffen eine entsprechende Gesetzgebung<br />
verabschieden. So sehen sowohl das Kriegswaffenkontrollgesetz v. 20.04.1961 (mit zahlreichen Neuerungen)<br />
sowie das Aussenwirtschaftsgesetz v. 26.06.2001 strafrechtliche Sanktionen im Falle <strong>des</strong> Gesetzesbruchs vor. S.<br />
Legislation in the Federal Republic of Germany on the Prohibition of Biological Weapons, Fifth Review Conference<br />
of the States Parties to the Convention on the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling<br />
of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on their Destruction, Geneva, 19.11. - 07.12.2001,<br />
BWC/CONF.V/5 v. 02.10.2001. In dem Strafverfahren gegen Moussaoui hat ein amerikanisches Bun<strong>des</strong>gericht<br />
in Alexandria dem Angeklagten die Verschwörung zum Einsatz <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen vorgeworfen, s.<br />
„Moussaoui erklärt sich für unschuldig“, in: Neue Züricher Zeitung v. 03.01.2002, 2. Ferner Burke-White, in:<br />
Yepes-Enriquez/Tabassi (Hrsg.), Treaty Enforcement and International Cooperation in Criminal Matters with<br />
Special Reference to the Chemical Weapons Convention, 2002, 77 (78).<br />
453 Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., 2004, § 129 a, Rn. 1 ff.; § 129 b, Rn. 1 ff.; „Terror-Paragraph soll erweitert<br />
und verengt werden“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 22.04.2002, 1. Von einem nur geringen praktischen<br />
strafrechtlichen Nutzwert <strong>des</strong> § 129 s StGB sprechen <strong>von</strong> Plottwitz, ZRP 2002, 351 (352 ff.); Rauschenberger,<br />
Kriminalistik 2001, 772 ff.; Rudolphi, ZRP 1979, 214 (215 ff.) sowie Düx, ZRP 2003, 189 (190).<br />
454 Dazu Nehm, NJW 2002, 2665 (2667 f.). Vgl. ferner die neue Bun<strong>des</strong>gesetzgebung auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung,<br />
BGBl. 2002 I, 361; BGBl. 2002, I, 3142; www.cilip.de/terror/gesetze.htm (21.11.2005).<br />
455 BGH, Urteil vom 09.06.2005 - 3 StR 269/04 (OLG Hamburg) = BGH, NJW 2005, 2322 ff. Der Mangel an<br />
Beweisen lag der Tatsache zugrunde, dass sowohl US-<strong>Die</strong>nste als auch deutsche Sicherheitsbehörden wichtige<br />
Beweise und potentielle Zeugen aus nationalen Sicherheitsgründen vom Gericht ferngehalten hatten. Vgl. näher<br />
dazu „Im Zweifel für Mzoudi“, http://www.spiegel.de/panaroma/0,1518,285080,00html (05.02.2004); „Urteil,
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 114<br />
Attentäter vom 11. September 2001, El Motassadeq, im Jahr 2005 neu verhandelt<br />
werden. Nachdem der Angeklagte im Februar 2003 wegen Beihilfe zum Mord in 3066<br />
Fällen sowie zum versuchten Mord und zur gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit<br />
mit Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Haftstrafe <strong>von</strong> 15<br />
Jahren verurteilt worden ist 456 , hob der BGH dieses Urteil 2004 wegen Fehlern in der<br />
Beweiswürdigung auf und verwies das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das<br />
OLG Hamburg zurück. 457 Im zweiten Prozess ließ das OLG Hamburg die Anklage<br />
wegen Beihilfe zum Mord fallen und verurteilte den Angeklagten wegen Mitgliedschaft<br />
in einer terroristischen Vereinigung zu einer Haftstrafe <strong>von</strong> sieben Jahren.<br />
<strong>Die</strong> Strafverfolgung auf der Grundlage nationaler Strafnormen weist allerdings insoweit<br />
<strong>völkerrechtliche</strong> Defizite auf, als dass sie die unterschiedlichen terroristischen<br />
Gewaltformen zwar als „einfache“ Vergehen oder Verbrechen unter Strafe stellen, jedoch<br />
den eigentlichen <strong>völkerrechtliche</strong>n Unrechtsgehalt <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus nicht spezifisch erfassen. 458 Angesichts der Anwendung schwerster physischer<br />
Gewalt mit der Qualität zwischenstaatlicher Auseinandersetzungen steht fest,<br />
dass der Unrechtsgehalt <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus über den Unrechtsgehalt<br />
<strong>von</strong> nationalen Strafnormen hinausgeht. Sofern internationale terroristische<br />
Gewaltakte die Zivilgesellschaft als Ganzes bedrohen, den Frieden und die<br />
internationale Sicherheit tangieren oder den Einsatz <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen<br />
beinhalten, kommt ihnen eine <strong>völkerrechtliche</strong> Qualität zu, deren spezifischer Unrechtsgehalt<br />
auch völkerrechtlich erfasst werden muss. <strong>Die</strong>s ist bei der Anwendung<br />
herkömmlicher Strafnormen <strong>des</strong> nationalen Rechts in der Regel auszuschließen. Indem<br />
sich die nationale Strafgewalt der Pönalisierung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
im Rahmen „einfacher“ Vergehen oder Verbrechen zuwendet, unterbleibt eine<br />
adäquate Ahndung der Verletzung auch <strong>völkerrechtliche</strong>r Schutzgüter durch nationale<br />
Analyse: Tauziehen bis zum Schluss“, http://www.portale.web.de/Schlagzeilen,Prozesse/?msg_id=4312914<br />
(05.02.2004).<br />
456 Vgl. German Federal Prosecuting Attorney General Lays Down Indictment For Involvement In September 11<br />
Attacks, Press Release 25/2002 v. 30.08.2002, http://www.it4m.net/7ecb/061/news/index.php?Artikel=84;<br />
„Höchststrafe im ersten Prozess zum 11. September“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.02.2003, 1; „Hohe<br />
Strafen im Hamburger Kaida-Prozess“, in: Neue Zürcher Zeitung v. 20.02.2003, 1. S. auch Federal Prosecutor<br />
General lays further indictment for involvement in 9/11, Press Release 17/2003 v. 09.05.2003;<br />
http://www.it4m.net/7ecb/061/news/index.php?Artikel=117.<br />
457 BGH, Urteil vom 04.03.2004 - 3 StR 218/03 (OLG Hamburg) = BGH, NJW 2004, 1259 ff.<br />
458 Satzger, NStZ 2002, 125 (126); Tran-Tam, in: Bassiouni/Nanda (Hrsg.), A Treatise on International Criminal<br />
Law, Vol. 1, 1973, 493; ähnlich Solera, RICR 2002, 145 (149). Vgl. auch Waldmann, der gegen die Herabstufung<br />
<strong>von</strong> Terrorismus zu einem Fall „normaler“ Kriminalität argumentiert; Waldmann, Terrorismus, 1998, 189.<br />
So auch BMJ, Regierungsentwurf für ein deutsches Völkerstrafgesetzbuch, BR-Drucks. 14/8524 v. 13.03.2002,<br />
12; ferner beispielhaft die vergleichende Synopse der Bestimmungen <strong>des</strong> Rom-Statuts und dem deutschen StGB<br />
<strong>von</strong> Werle/Meseke vom Mai 1999 (Unterlagen im Besitz der Autorin).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 115<br />
Gerichte. 459 Ausgehend <strong>von</strong> diesen Defiziten der nationalen Strafnormen - den <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Unrechtsgehalt <strong>von</strong> internationalen Terrorakten zu verfolgen - tritt das Erfordernis<br />
einer internationalen Strafgerichtsbarkeit für Akte <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus zu Tage.<br />
b) Militärgerichte<br />
Bei terroristischen Verbrechen mit Kriegsbezug ist es den Staaten möglich, diese vor<br />
einem Militärgericht – einem Unterfall der nationalen Gerichtsbarkeit – abzuurteilen.<br />
460 .<br />
Damit der sachliche Zuständigkeitsbereich der Militärgerichte eröffnet ist, muss ein<br />
bewaffneter Konflikt vorliegen. <strong>Die</strong> Jurisdiktion <strong>von</strong> Militärgerichten erstreckt sich in<br />
aller Regel auf kriegsspezifische, widerrechtliche Verhaltensweisen, die sich als Verletzungen<br />
<strong>des</strong> humanitären Völkerrechts darstellen. Insbesondere die Einordnung <strong>von</strong><br />
nicht-staatlichen <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus in den Rahmen eines bewaffneten<br />
Konflikts erweist sich als äußerst komplex und umstritten. <strong>Die</strong> Problematik besteht<br />
darin, dass individuelle Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus unabhängig vom<br />
Bestehen eines bewaffneten Konflikts lanciert werden und oftmals keinen Nexus zwischen<br />
der Terrortat und dem Vorliegen eines bewaffneten Konflikts aufweisen, sondern<br />
punktuell und unerwartet <strong>von</strong> autonom agierenden Terrorakteuren ausgeführt<br />
werden. Um terroristische Handlungen unter die Militärgerichtsbarkeit zu einzuordnen,<br />
bedarf es daher grundlegend der Anerkennung <strong>von</strong> internationalen Terroristen als<br />
an einem bewaffneten Konflikt beteiligte Personen.<br />
Ob internationalen Terroristen nach dem humanitären Kriegsvölkerrecht der Status<br />
<strong>von</strong> Kombattanten zugesprochen werden soll, ist sehr umstritten. 461 Im klassischen<br />
Kriegsvölkerrecht, wie es in der HLKO <strong>von</strong> 1907 462 zum Ausdruck kommt, ergibt sich<br />
der Kombattantenstatus aus folgenden drei Voraussetzungen: Erstens muss ein ver-<br />
459 Einzig das deutsche Völkerstrafgesetzbuch trifft nunmehr die Anforderungen zur Durchsetzung eines <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Strafanspruchs (Pönalisierungsobliegenheit) und hat damit Vorbildfunktion für andere Rechtsordnungen.<br />
Das VStGB passt das deutsche materielle Recht an das Rom-Statut an. S. dazu Werle/Jeßberger, JZ<br />
2002, 725 (729); diess., Criminal Law Forum 2002, 191 ff.; Werle, JZ 2001, 885 (890); Satzger, NStZ 2002, 125<br />
ff.; Zimmermann, NJW 2002, 3068 (3068); ders., ZRP 2002, 99 ff.; „Weltpolitik im Landgericht“, in: Der Spiegel<br />
2002, 111; Braum, Europäische Strafgesetzlichkeit, 2003, 115 f.; BMJ, Regierungsentwurf für ein deutsches<br />
Völkerstrafgesetzbuch, BR-Drucks. 14/8524 v. 13.03.2002, 12.<br />
460 So haben die USA spezielle Militärgerichte für Ausländer eingerichtet, die <strong>des</strong> Terrorismus Verdächtige aburteilen<br />
sollen.<br />
461 Ausführlich dazu u. a. Kurth, ZRP 2002, 404 ff.; Katyal/Tribe, Y. L. J. 2002, 1259 (1260); Kotzur, AVR<br />
2002, 454 (476 f.). Vgl. ferner „Gericht bestätigt Haft für „Kombattanten“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v.<br />
10.01.2003, 2; „Anhörung über Gefangene in Guantàmo beantragt“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v.<br />
22.01.2002, 7; Müller, „Auch „Freischärler“ haben Rechte“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 22.01.2002,<br />
7; Rubin, in: Han (Hrsg.), Terrorism and Political Violence, 1993, 379.<br />
462 Haager Landkriegsordnung vom 18.10.1907 (HLKO); RGBl. 1910, 107.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 116<br />
antwortlicher Vorgesetzter identifizierbar sein. Zweitens müssen Kombattanten an einem<br />
Abzeichen erkennbar sowie ihre Waffen offen tragen. Drittens sind die Gesetze<br />
und Gebräuche <strong>des</strong> Krieges zu beachten. Das Zusatzprotokoll I (ZP I) mildert die Anforderungen,<br />
die an den Kombattantenstatus zu stellen sind, weil gemäß Art. 44 III ZP<br />
I nunmehr das offene Tragen <strong>von</strong> Waffen bereits für die Annahme als rechtmäßiger<br />
Kombattant ausreichen soll. 463 <strong>Die</strong>se Ausweitung zeigt sich für die Aufnahme <strong>von</strong><br />
Terroristen in den Kreis <strong>von</strong> Kombattanten jedoch wenig handhabbar. Angesichts der<br />
verdeckten Vorgehensweise internationaler Terroristen, die ihre Waffen gerade nicht<br />
offen tragen, und der Tatsache, dass Terroristen einen zivilen Status vortäuschen und<br />
menschenverachtende Terrormethoden anwenden, ist internationalen Terroristen die<br />
Zuerkennung eines Kombattantenstatus zu versagen. 464 Mangelt es Terrorakteuren an<br />
der Kombattanteneigenschaft, ist damit die Zuständigkeit eines Militärgerichts nicht<br />
gegeben und eine diesbezügliche nationale Strafverfolgung greift nicht.<br />
Selbst wenn man die Kombattanteneigenschaft internationaler Terroristen bejahte,<br />
sprechen prozessuale Aspekte gegen eine Zuständigkeit der Militärgerichte für Terrorakte.<br />
Verfahrensrechtliche Garantien sind weit weniger vorhanden und ausgeprägt als<br />
dies bei ordentlichen Gerichten der Fall ist. Sowohl Deutschland als auch die USA<br />
sind Vertragsparteien <strong>des</strong> Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte<br />
und daher gehalten, jedermann, der <strong>von</strong> einer Staatsgewalt wegen <strong>des</strong> Vorwurfs einer<br />
Straftat verfolgt wird, die in Art. 9 und Art. 14 <strong>des</strong> Paktes normierten<br />
Min<strong>des</strong>tgarantien zu gewähren. Zwar sind diese <strong>völkerrechtliche</strong>n Garantien nach Art.<br />
2 <strong>des</strong> Paktes nur auf Personen anwendbar, die sich im Gebiet <strong>des</strong> betreffenden Staates<br />
befinden und <strong>des</strong>sen Herrschaftsgewalt unterstehen. Ein Freibrief für Vertragsparteien,<br />
sich bei Hoheitsakten im Ausland <strong>von</strong> diesen rechtlichen Bindungen zu befreien, besteht<br />
damit aber gleichwohl nicht. 465<br />
Insbesondere die unter Berufung auf die Military Order vom 13. November 2001 eingerichteten<br />
sog. military commissions, die den US-Streitkräften fast unbeschränkte<br />
Vollmachten zur Ingewahrsamnahme und Aburteilung <strong>von</strong> fremden Staatsangehörigen<br />
überträgt 466 , lassen Zweifel an der Gewährung <strong>von</strong> Min<strong>des</strong>tgarantien aufkommen: Ursprüngliche<br />
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Rechtsgrundlage wegen fehlender<br />
Auskünfte über die nähere Zusammensetzung solcher Kommissionen oder der<br />
463 I. Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 08.06.1977, BGBl. II 1991, 968.<br />
464 Kurth, ZRP 2002, 404 (405); Münchau, Terrorismus auf See aus <strong>völkerrechtliche</strong>r Sicht, 1994, 48.<br />
465 Tomuschat, EuGRZ 2001, 535 (545); “Is Torture ever justified?”, in: Economist v. 11.01.2003, 11.<br />
466 S. Detention, Treatment, and Trial of Certain Non-Citizens in the War against Terrorism, §§ 3(a), 4(b), 66<br />
Fed. Reg. 57,833 (Nov. 13, 2001). Zur Verfassungswidrigkeit derartiger Militärgerichte unter USamerikanischen<br />
Recht s. Katyal/Tribe, Y. L. J. 2002, 1259 (1260).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 117<br />
Länge der Haftdauer sowie dem Mangel an institutioneller Vorkehrung für eine angemessene<br />
Verteidigung 467 werden zwar durch die Military Commission Order No. 1<br />
vom 21. März 2002 468 korrigiert und die military commissions näher ausgestaltet. <strong>Die</strong>s<br />
kann aber nicht gänzlich überzeugen. So ist auch weiterhin eine Berufung ausgeschlossen;<br />
das letztverbindliche Urteil soll entweder beim US-Präsidenten oder beim<br />
Verteidigungsminister liegen. Aus tatsächlichen und prozessualen Gründen muss der<br />
Einsatz der Militärgerichtsbarkeit zur Strafverfolgung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus folglich als sehr kritisch bewertet werden. 469<br />
c) Nationale Gerichte im Ausland<br />
Denkbar ist auch, nationale Gerichtsbarkeit über terroristische Taten auf ausländischem<br />
Territorium auszuüben. Der Prozess gegen die mutmaßlichen, libyschen Attentäter<br />
<strong>von</strong> Lockerbie ist ein Beispiel für dieses Modell. 470 <strong>Die</strong> Einrichtung eines<br />
derartigen Spezialgerichts in einem Drittland kann der Gefahr mangelnder Objektivität<br />
und Unparteilichkeit eines nationalen Gerichtsverfahrens im Staat <strong>des</strong> Tatortes entgegenwirken.<br />
<strong>Die</strong>ser Variante nationaler Gerichtsbarkeit im Ausland stehen allerdings<br />
die gleichen Kritikpunkte entgegen, wie sie auch bei der Ausübung nationaler Gerichtsbarkeit<br />
auf eigenem Staatsgebiet vorzufinden sind. So kann auch hier das Vorliegen<br />
unterschiedlicher nationaler Strafrechtssysteme und eine unterschiedliche<br />
Behandlung <strong>von</strong> Terrorakten durch die staatlichen Justizbehörden beobachtet werden.<br />
Ob das Ermittlungsverfahren gegen einen terroristischen Straftäter zur Anklage führt,<br />
ob ein Freispruch oder eine Verurteilung mit hoher oder geringfügiger Strafe erfolgt,<br />
hängt vom Recht <strong>des</strong> jeweiligen Staates ab, der den Prozess im Ausland führt. Aufgrund<br />
der z. T. erheblich <strong>von</strong>einander abweichenden nationalen Rechtsordnungen besteht<br />
Rechtsunsicherheit.<br />
467 Tomuschat, EuGRZ 2001, 535 (545); „Kritik an den Prozessen gegen Gefangene in Guantànamo“, in: Neue<br />
Zürcher Zeitung v. 09.07.2003, 3.<br />
468 Military Commission Order No. 1 v. 21.03.2002, ILM 2002, 725.<br />
469 So auch Paust, Mich. J. Int’l L. (23) 2001, 1 ff.; Burke-White, in: Yepes-Enriquez/Tabassi (Hrsg.), Treaty Enforcement<br />
and International Cooperation in Criminal Matters with Special Reference to the Chemical Weapons<br />
Convention, 2002, 77 (83); “Kritik an Prozessen gegen Gefangene in Guantanamo”, in: Neue Zürcher Zeitung v.<br />
09.07.2003, 2.<br />
470 Im Fall Lockerbie kam es am 21. Dezember 1988 zu einem Bombenattentat auf ein Flugzeug der PAN AM-<br />
Fluglinie, bei dem bei der britischen Ortschaft Lockerbie 259 Passagiere und 11 Einwohner den Tod fanden. Der<br />
Fall zog eines der umfangreichsten Ermittlungsverfahren nach sich; ferner rief er komplexe <strong>völkerrechtliche</strong><br />
Rechtsfragen auf. Ende 1991 forderten die USA Libyen zunächst zur Auslieferung der libyschen Attentäter für<br />
einen Prozess vor einem US-amerikanischen Gericht auf. Trotz wiederholter Aufforderungen durch den UN-<br />
Sicherheitsrat (S/Res/731 (1992) v. 21.01.1992 und S/Res/748 (1992) v. 31.03.1992), dem amerikanischen Auslieferungsersuchen<br />
nachzukommen, weigerte sich Libyen. Erst 1999 einigten sich die Parteien darauf, in den<br />
Niederlanden ein schottisches Gericht einzurichten und die mutmaßlichen, libyschen Attentäter sodann der<br />
schottischen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen. <strong>Die</strong> Täter wurden am 05. April 1999 an die Niederlande ausgeliefert.<br />
Der Prozess gegen die beiden mutmasslichen Terroristen endete am 31. Januar 2001 mit einem Freispruch<br />
und einem Urteil über 20 Jahre Haft. S. Paech/Stuby, Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen,<br />
2001, 413.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 118<br />
2. Internationale Strafverfolgung<br />
Da es der nationalen Strafverfolgung mitunter an Terrorismus spezifischen Strafnormen<br />
mangelt oder sich Defizite in der Verfolgung und Durchsetzung <strong>des</strong> <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Strafanspruchs nachweisen lassen, setzt sich die Arbeit im Folgenden mit den<br />
strafrechtlichen Instanzen auf internationaler Ebene auseinander, die zur Verfolgung<br />
<strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus zur Verfügung stehen.<br />
a) Internationales Tribunal auf Koalitionsbasis<br />
Eine erste Möglichkeit bietet ein internationales Tribunal auf Koalitionsbasis verschiedener<br />
Staaten. Damit wäre ein Forum internationaler Strafverfolgung geschaffen,<br />
ohne dass es einer umfassenden internationalen Gerichtsbarkeit bedürfte. 471<br />
Eine Koalition aus unterschiedlichen Völkerrechtssubjekten könnte sich dafür entscheiden,<br />
ein internationales Tribunal zur Aburteilung terroristischer Verbrechen aufgrund<br />
eines <strong>völkerrechtliche</strong>n Vertrags zu gründen. Bei den Urhebern eines derartigen<br />
Strafgerichts kann es sich zum einen um Staaten handeln. Als Beispiel dient hier die<br />
Schaffung <strong>des</strong> Kriegsverbrechertribunals <strong>von</strong> Nürnberg aufgrund <strong>des</strong> Londoner Abkommens<br />
über die Verfolgung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der europäischen<br />
Achsenmächte vom 08. 08. 1945. 472 Andererseits ist es denkbar, eine<br />
internationale Gerichtsbarkeit durch eine <strong>völkerrechtliche</strong> Vereinbarung zwischen einem<br />
Staat und den Vereinten Nationen zu etablieren. Beispiele hierfür sind das neu geschaffene<br />
UN-Sondergericht für Sierra Leone 473 bzw. die Special Panels für<br />
Kambodscha. 474<br />
Es hat materiell-rechtliche und praktische Vorteile, ein Sondertribunal für die Aburteilung<br />
internationaler Terrorakte im Rahmen einer Koalition vertraglich zu errichten.<br />
Eine Koalition <strong>von</strong> einigen Partnern hat bessere Aussichten, sich auf eine Terroris-<br />
471 Gem. Art. 34 Abs. 1 IGH-Statut besteht keine Zuständigkeit <strong>des</strong> IGH für Taten <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
durch Individuen und nicht-staatliche Einheiten, da vor dem IGH nur Staaten auftreten.<br />
472 Bestandteil <strong>des</strong> Vertrages war das als Anhang beigefügte Statut <strong>des</strong> Internationalen Militärgerichtshofes<br />
(IMT); s. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., 2004, § 41, Rn. 14.<br />
473 Vgl. S/Res/1315 (2000) v. 14.08.2000; S/2000/915 v. 04.10.2000 (Report of the Secretary-General on the establishment<br />
of a Special Court for Sierra Leone) sowie S/Res/1346 (2001) v. 30.03.2001. Hintergrund für die Errichtung<br />
<strong>des</strong> Sondergerichts ist der seit 1991 andauernde Konflikt in Sierra Leone, welcher insbesondere durch<br />
den Einsatz <strong>von</strong> Kindersoldaten und die weitverbreitete Praxis der Verstümmelung ganzer Bevölkerungsteile gekennzeichnet<br />
war. <strong>Die</strong> Resolution 1315 (2000) v. 14.08.2000 ist nicht die Rechtsgrundlage <strong>des</strong> Gerichts, sondern<br />
ein <strong>völkerrechtliche</strong>s Abkommen zwischen Sierra Leone und den Vereinten Nationen. <strong>Die</strong> Gerichtsbarkeit <strong>des</strong><br />
Sondergerichts soll sich auf solche Personen erstrecken, die die „größte“ Verantwortung bei der Ausführung der<br />
dortigen Verbrechen haben. Fragen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit sind beim Sondergericht für Sierra<br />
Leone insofern <strong>von</strong> besonderer Bedeutung, als an vielen Verbrechen Kinder und Jugendliche als Täter (Kindersoldaten)<br />
beteiligt waren. Einen Überblick gibt Cryer, ICLQ 50 (2001), 435 ff.; Pejic, RICR 2002, 13 (19).<br />
474 UNTAET/Reg/2000 v. 15.06.2000. Dazu u. a. Pejic, RICR 2002, 13 (18).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 119<br />
musdefinition zu einigen, als dies <strong>von</strong> der gesamten Staatengemeinschaft zu erwarten<br />
ist. <strong>Die</strong> rechtlichen Grundlagen für ein Tribunal auf Koalitionsbasis können sich dabei<br />
aus Elementen der verschiedenen nationalen Rechtsordnungen der Parteien zusammensetzen.<br />
<strong>Die</strong> gemeinsam gefundene Rechtsgrundlage kann dem Tribunal gesteigerte<br />
Legitimität verschaffen, allerdings hängt vieles <strong>von</strong> der Haltung der beteiligten Staaten<br />
ab. 475 Ferner kommt den Koalitionsparteien die finanzielle, rechtliche und administrative<br />
Zusammenarbeit zugute. Zudem sprechen praktische Gesichtspunkte für dieses<br />
Modell: Wird der Prozess nicht im Land <strong>des</strong> Tatortes, sondern in einem Drittstaat der<br />
Koalition abgehalten, kann dies die Sicherheit <strong>des</strong> Prozesses steigern. Auch aus Gründen<br />
<strong>des</strong> Zeugenschutzes und der Unparteilichkeit <strong>des</strong> Gerichts ist diese Vorgehensweise<br />
sinnvoll.<br />
Da nur wenige Mitglieder der Staatengemeinschaft eine internationale Gerichtsbarkeit<br />
für Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus begründen, ist nicht da<strong>von</strong> auszugehen, dass<br />
das Urteil und die mit dem Tribunal gesetzten rechtlichen Maßstäbe ohne weiteres auf<br />
internationale Akzeptanz treffen. 476 Eine Pflicht <strong>von</strong> nicht der Koalition angehörenden<br />
Drittstaaten, dem Tribunal Beweismaterial und mutmaßliche Straftäter zur Verfügung<br />
zu stellen, besteht nicht. Eine effektive Strafverfolgung und Prozessführung kann sich<br />
erweist sich daher oft als schwierig. Zudem stehen die hohen Kosten und die komplizierte<br />
Dauer der Einrichtung einem solchen internationalen Tribunal entgegen.<br />
b) Ad Hoc Tribunal<br />
Um Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus vor ein internationales Gericht zu stellen,<br />
steht die Möglichkeit offen, ein ad hoc Gericht im Rahmen <strong>des</strong> Art. 39 UN-Charta zu<br />
errichten. Für dieses Konzept hat sich jüngst Australien eingesetzt und im Frühjahr<br />
2003 die Staatengemeinschaft dazu aufgerufen, sich für die Schaffung eines internationalen<br />
Gerichtshofes einzusetzen, der sich ausschließlich mit der Aburteilung <strong>von</strong> Terroristen<br />
befasst 477 ; Australien hat sich dabei auf Kapitel VII der UN-Charta gestützt.<br />
Vorbilder für ein derartiges Vorgehen stellen die beiden durch Sicherheitsratsbe-<br />
475 International Bar Association, International Terrorism: Legal Challenges and Responses. A Report by the International<br />
Bar Association‘s Task Force on Terrorism, 2003, 144; Hudson, International Tribunals, 1944, 234.<br />
476 Bei der Einrichtung internationaler Strafgerichtsbarkeit kann ein solches Gericht den Eindruck <strong>von</strong> Siegerjustiz<br />
vermitteln, Argwohn unter der jeweils betroffenen Bevölkerung schaffen und zu inneren Widerständen führen.<br />
<strong>Die</strong>s kann eine internationale Akzeptanz behindern. So Ostendorf, ZRP 1996, 467 (468).<br />
477 „Australien fordert Gericht für internationalen Terrorismus“, in: Neue Zürcher Zeitung v. 30.04.2003, 9. Ähnlich<br />
Marshall-Andrews, “Prepare a Court now for Bin Ladin“, in: The BBC News v. 22.10.2001,<br />
http://www.news.bbc.co.uk/hi/english/uk/newsid_1604000/1604521.stm (19.11.2001); Schabas/Olivier, in:<br />
Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims, and International Law, 2003, 270 (275); Slaughter, “Terrorism and Justice”,<br />
in: The Financial Times v. 12.10.2001; Crelinsten, Terrorism and Criminal Justice, 1978, 7.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 120<br />
schluss errichteten ad hoc Tribunale für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda dar. 478<br />
<strong>Die</strong> Errichtung <strong>von</strong> ad hoc Tribunalen auf der Grundlage <strong>von</strong> Kapitel VII der UN-<br />
Charta ist eine <strong>von</strong> mehreren Möglichkeiten <strong>des</strong> UN-Sicherheitsrates zur Aufrechterhaltung<br />
oder Wiederherstellung der internationalen Ordnung. 479 Um Kapitel VII der<br />
UN-Charta zu aktivieren, bedarf es gemäß Art. 39 UN-Charta der Feststellung <strong>des</strong><br />
UN-Sicherheitsrates, dass eine „Bedrohung <strong>des</strong> Weltfriedens und der internationalen<br />
Sicherheit“ i. S. d. Norm gegeben ist. <strong>Die</strong>se Feststellung einer Friedensbedrohung ist<br />
Bedingung für den Gebrauch der besonderen Kompetenzen <strong>des</strong> Kapitel VII der UN-<br />
Charta. 480 Wie die Ausführungen in Abschnitt B gezeigt haben, besitzt der internationale<br />
Terrorismus heute das Potential, die internationalen Beziehungen entscheidend zu<br />
beeinflussen, und ist als „Friedensbedrohung“ i. S. d. Art. 39 UN-Charta anerkannt.<br />
Dem entsprechen insbesondere die Resolutionen 1368 (2001) 481 und 1373 (2001) 482<br />
<strong>des</strong> UN-Sicherheitsrates, welche Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus explizit als<br />
„Bedrohung <strong>des</strong> Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ qualifizieren. Handlungen<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus in der Größenordnung wie jene vom 11. September<br />
2001 sind damit den Handlungsformen unter Kapitel VII der UN-Charta<br />
grundsätzlich zugänglich und können somit auch einer ad hoc Gerichtsbarkeit durch<br />
Sicherheitsratsbeschluss unterfallen.<br />
Der Vorteil eines ad hoc Tribunals der Vereinten Nationen zur Verfolgung <strong>von</strong> Taten<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus liegt in der vorrangigen Zuständigkeit <strong>des</strong> Gerichts.<br />
<strong>Die</strong> Konkurrenz zwischen nationaler und internationaler Strafverfolgung wäre nach<br />
dem Vorbild der Strafgerichte für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda 483 zu lösen;<br />
dem ad hoc Gericht stünde eine Vorrangkompetenz in der Strafverfolgung zu. Das ad<br />
hoc Gericht könnte somit die nationalen Gerichte in jedem Stadium <strong>des</strong> Verfahrens ersuchen,<br />
das Verfahren abzutreten und entsprechende Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
seiner internationalen Strafgerichtsbarkeit zu unterwerfen. Aufgrund seiner<br />
Befugnisse aus Kapitel VII der UN-Charta kann der UN-Sicherheitsrat die Mitgliedsstaaten<br />
zur Kooperation mit dem ad hoc Tribunal verpflichten. 484 <strong>Die</strong> Staaten wären so<br />
gehalten, vermeintliche Terroristen an das Tribunal auszuliefern und ebenso Beweise<br />
478 Vgl. S/Res/827 (1993) v. 25.05.1993 zur Einrichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs zur Verfolgung<br />
<strong>von</strong> Kriegsverbrechern im ehemaligen Jugoslawien sowie S/Res/955 (1994) v. 08.11.1994 zur Einrichtung <strong>des</strong><br />
Strafgerichtshofes für Ruanda.<br />
479 Frowein/Krisch, in: Simma (Hrsg.), The Charter of the Unites Nations, Vol. 1, 2002, Art. 41, Rn. 19.<br />
480 Frowein, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, 1991, Art. 39, Rn. 24.<br />
481 S/Res/1368 (2001) v. 12.09.2001, die festhält, dass der UN-Sicherheitsrat „regards such acts, like any other<br />
act of international terrorism, as a threat to international peace and security.“.<br />
482 S/Res/1373 (2001) v. 28.09.2001, die festhält, dass die Terrorakte <strong>des</strong> 11. September, „like any other act of<br />
terrorism, constitute a threat to the peace and security.“.<br />
483 Vgl. Art. 9 Abs. 2 JSTGH-Statut, ILM 1993, 1192 sowie Art. 8 Abs. 2 RSTGH-Statut, ILM 1994, 1598.<br />
484 S. Art. 25 UN-Charta. Dazu Delbrück, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, 1991, Art. 25, Rn. 11; Pejic, RICR<br />
2002, 13 (15).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 121<br />
zur Verfügung zu stellen. Das Gericht wäre nicht <strong>von</strong> den mitunter komplizierten und<br />
langwierigen Auslieferungsverfahren abhängig, dies fördert die Effizienz einer solchen<br />
Form internationaler Strafverfolgung. Ein solches ad hoc Gericht müsste dabei auf einem<br />
Statut beruhen, welches ratione materiae die Voraussetzungen für die Ausübung<br />
der Gerichtsbarkeit festlegt sowie ratione loci die Jurisdiktion auf terroristische<br />
Verbrechen in entsprechenden Regionen beschränkt. Weitere Bestimmungen über<br />
Strafandrohungen und Strafrahmen, Regelungen über Täterschaft und Teilnahme, über<br />
Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe, über die Gesetzlichkeit <strong>des</strong> Richters<br />
oder Kollisionsregeln komplettierten das Gericht und wären geeignet, allfällige<br />
Bedenken gegenüber einem Mangel an tatbestandlicher Bestimmtheit oder Unparteilichkeit<br />
ausräumen. 485<br />
Auch die Besetzung eines ad hoc Gerichts spräche für diese Alternative. <strong>Die</strong> Ernennung<br />
der Richter könnte dabei nach dem Vorbild der Strafgerichte für das ehemalige<br />
Jugoslawien und Ruanda zu vollziehen sein. Für diese Tribunale wurden die elf Richter<br />
und der Chefankläger <strong>von</strong> der UN-Generalversammlung auf Vorschlag <strong>des</strong> Sicherheitsrates<br />
gewählt. Aufgrund der Wahl durch die UN-Generalversammlung wären eine<br />
adäquate Repräsentation unterschiedlicher nationaler Rechtsordnungen sowie die<br />
Wahrung der politischen Interessen der Staaten gewährleistet. Einem entsprechend besetzten<br />
ad hoc Tribunal könnte sodann schwerlich das Argument der Parteilichkeit<br />
sowie mangelnder Akzeptanz unter der internationalen Gemeinschaft entgegengehalten<br />
werden.<br />
Allerdings zeigen die Beispiele der ad hoc Gerichte in Jugoslawien und Ruanda, dass<br />
diese Tribunale sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Zuständigkeit begrenzt sind.<br />
<strong>Die</strong> Gerichtshöfe werden auf lange oder kurze Sicht ihre Tätigkeit beenden und sodann<br />
auch wieder aufgelöst. 486 Im Gegensatz zu den auf dem Gebiet <strong>des</strong> ehemaligen Jugoslawiens<br />
und in Ruanda begangenen Völkerrechtsverbrechen handelt es sich bei <strong>Akten</strong><br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus allerdings nicht um abgeschlossene und daher zeitlich<br />
begrenzt auftretende Straftaten. Ein ad hoc Gericht, welches etwa ratione temporis auf<br />
eine bestimmte Zeitspanne beschränkt ist, stellt sich angesichts der Natur <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus und seinem unterschiedlichen Auftreten unter Anwendung variierender<br />
Mittel und wegen seiner wechselnden Ziele als eine wahrscheinlich nicht<br />
praktikable Lösung dar. Bei der Bekämpfung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus kann<br />
eben nicht anhand eines finalen Bezugspunktes angesetzt werden; es handelt sich<br />
485 Ostendorf, ZRP 1996, 467 (468).<br />
486 So erstreckt sich die Zuständigkeit <strong>des</strong> JStGH auf einen Zeitraum seit dem 01.01.1991 und einem „vom Sicherheitsrat<br />
selbst festzusetzenden Zeitpunkt nach der Wiederherstellung <strong>des</strong> Friedens“; vgl. Paech/Stuby, Völkerrecht<br />
und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen, 2001, 420 f.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 122<br />
vielmehr um die Erfassung eines Prozesses in Bewegung: Unerwartet neue Varianten<br />
und terroristische Erscheinungsformen werden hinzukommen, die es vermögen, noch<br />
vielschichtigere Facetten, Beweggründe und Besonderheiten terroristischer Aktivitäten<br />
hervorzubringen. Zudem werden Terroraktivitäten in Ort, Zeit und Wahl der Mittel variieren.<br />
<strong>Die</strong> einmalige oder, sofern die terroristische Gefahr sich zyklisch fortsetzt,<br />
mehrmalige Errichtung eines mit einer <strong>von</strong> vornherein festgelegten, zeitlichen Zuständigkeit<br />
versehenen ad hoc Gerichts erscheint daher nicht geeignet. Ein internationales<br />
Strafgericht permanenter Natur bietet sich hier an.<br />
Gegen das Konzept einer internationalen ad hoc Gerichtsbarkeit für Akte <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus sprechen die erheblichen Kosten für die Errichtung und den Aufbau<br />
eines solchen Gerichts. 487 Insbesondere trägt der Einwand, dass die durch<br />
Sicherheitsbeschluss errichteten Straftribunale als Hilfsorgane <strong>des</strong> Sicherheitsrates<br />
fungieren und daher auch durch diesen finanziert werden müssen. Angesichts <strong>des</strong><br />
knappen UN-Budgets ergeben sich hier Schwierigkeiten, die die Effektivität <strong>des</strong> Tribunals<br />
beeinflussen können. Im Gegensatz zu ad hoc Gerichten wird bei einem ständigen<br />
Strafgerichtshof die finanzielle Hauptlast <strong>von</strong> den Mitgliedsstaaten getragen. Da<br />
ein ad hoc Gericht, welches sich den Erfordernissen und auch Fluktuationen <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus anpasst, bei Terroraktionen <strong>von</strong> schwerwiegender Tragweite<br />
ggf. mehrmals einberufen bzw. erneut errichtet werden müsste und hierdurch erhebliche<br />
Kosten entstünden, erscheint diese Möglichkeit ökonomisch wenig sinnvoll. Hingegen<br />
können bei einem ständigen Strafgericht, auch wenn die Terrorbedrohung<br />
phasenweise wieder abnimmt, die für den Terrorismus veranschlagten Kosten auf andere<br />
Zuständigkeitsbereiche eines solchen Tribunals übertragen und, sofern erforderlich,<br />
auch wieder zu Zwecken der Terrorismusbekämpfung reaktiviert werden.<br />
Darüber hinaus wiegt der politische Aspekt der Errichtung eines neuen ad hoc Gerichts<br />
schwer. Das Gericht wird aufgrund Sicherheitsratsbeschluss errichtet; beim Sicherheitsrat<br />
handelt es sich um ein politisches Organ, welches auf der Grundlage <strong>des</strong><br />
Opportunitätsprinzips agiert. Bei der Einrichtung <strong>des</strong> Gerichts durch Sicherheitsratsbeschluss<br />
besteht die Gefahr, dass ein oder mehrere ständige Mitglieder <strong>des</strong> Sicherheitsrates<br />
aus politischen Gründen ihr Veto einlegen und so die Errichtung hinauszögern<br />
oder gänzlich vereiteln. Ferner mag die Befürchtung der Einbuße an staatlicher Souveränität<br />
aufgrund internationaler Strafgewalt das ad hoc Konzept nicht tragen. 488<br />
487 Burke-White, in: Yepes-Enriquez/Tabassi (Hrsg.), Treaty Enforcement and International Cooperation in<br />
Criminal Matters with Special Reference to the Chemical Weapons Convention, 2002, 77 (84).<br />
488 Dazu Stuby, in: Hankel/Stuby (Hrsg.), Strafgerichte gegen Menschheitsverbrechen, 1995, 429 (457).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 123<br />
Wesentliches Argument gegen die Errichtung eines temporären ad hoc Tribunals zur<br />
Aburteilung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus ist aber, dass ein funktionstüchtiges<br />
Instrument ständiger internationaler Strafgerichtsbarkeit bereits etabliert ist:<br />
<strong>Die</strong> Staatengemeinschaft sprach sich 1998 mit großer Mehrheit für die Errichtung <strong>des</strong><br />
IStGH aus, welcher am 1. Juli 2002 seine Tätigkeit aufnahm. Es besteht ein geeignetes<br />
Gremium für die internationale Strafgerichtsbarkeit. Fraglich ist, ob sich für Handlungen<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus eine Zuständigkeit <strong>des</strong> IStGH begründen lässt.<br />
Angesichts der unter den Staaten vorherrschenden Akzeptanz <strong>des</strong> neuen IStGH ist jedenfalls<br />
fest da<strong>von</strong> auszugehen, dass den Staaten an einer Aushöhlung der Autorität<br />
<strong>des</strong> IStGH durch die Errichtung einer weiteren, parallel operierenden internationalen<br />
ad hoc Gerichtsbarkeit – etwa einem speziellen Anti-Terrorismus-Gericht auf ad hoc<br />
Basis – nicht gelegen ist. <strong>Die</strong> erneute Beiziehung eines auf Kapitel VII UN-Charta errichteten<br />
Tribunals zur Ahndung schwerer Verletzungen <strong>des</strong> Völkerrechts durch die<br />
Staaten ist wegen der Errichtung <strong>des</strong> IStGH zukünftig faktisch ausgeschlossen.<br />
c) Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH)<br />
<strong>Die</strong> Analyse zur Verfügung stehender Foren nationaler und internationaler Strafverfolgung<br />
für schwerwiegende terroristische Aktionsformen zeigt, dass die Notwendigkeit<br />
einer permanenten internationalen Strafgerichtsbarkeit besteht.<br />
Voraussetzung hierfür ist aber zunächst, dass Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus,<br />
die nach dem 1. Juli 2002 - dem Inkrafttreten <strong>des</strong> IStGH-Statuts - begangen wurden,<br />
überhaupt <strong>von</strong> den im Statut normierten Kernverbrechen Völkermord (Art. 6 IStGH-<br />
Statut), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 7 IStGH-Statut), Kriegsverbrechen<br />
(Art. 8 IStGH-Statut) sowie Aggression (Art. 5 IStGH-Statut) erfasst werden. Das<br />
IStGH-Statut enthält bislang keinen eigenen Tatbestand <strong>des</strong> internationalen Terrorismus,<br />
obwohl <strong>des</strong>sen Aufnahme im Rahmen der Staatenkonferenz <strong>von</strong> Rom 1998<br />
durchaus diskutiert worden ist. 489 Zu einer Einigung konnte man aus inhaltlichen<br />
Gründen nicht gelangen und so ist die Bewertung terroristischer Straftaten und deren<br />
mögliche Aufnahme in das IStGH-Statut einer zukünftigen Revisionskonferenz überlassen,<br />
die gem. Art. 121 <strong>des</strong> Statuts erst sieben Jahre nach Inkrafttreten <strong>des</strong> Statuts,<br />
also für 2009, vorgesehen ist. 490 Eine Ausweitung der internationalen Gerichtsbarkeit<br />
auf Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus ist daher nur möglich, sofern deren Subsumtion<br />
unter die Tatbestände <strong>des</strong> IStGH gelingt –dies wird im folgenden Abschnitt untersucht.<br />
Ob auch in der Praxis Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus Eingang in die<br />
489 Vgl. Proposals Submitted by Algeria, India, Sri Lanka and Turkey on Art. 5, UN Doc. A/CONF.183/C.1/L.27<br />
und A/CONF.183/C.1/L.27/Corr.1; Schabas, Introduction ICC, 28.<br />
490 Final Act [<strong>des</strong> Statuts], Annex I, Res. E.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 124<br />
Rechtsprechung <strong>des</strong> IStGH finden, muss die zukünftige Arbeit und Spruchpraxis <strong>des</strong><br />
Gerichtshofs zeigen. 491<br />
<strong>Die</strong> Ahndung <strong>von</strong> terroristischen <strong>Akten</strong> durch den IStGH ist derzeit noch eine theoretische<br />
Frage. 492 Denn anders als die beiden ad hoc Tribunale ist der IStGH nicht mit<br />
vorrangiger Jurisdiktionsbefugnis ausgestattet. Ein Verfahren vor dem IStGH ist nur<br />
zulässig ist, wenn die nationale Justiz nicht willens oder fähig ist, einen in ihre Zuständigkeit<br />
fallenden Sachverhalt zu verfolgen und der Fall die erforderliche Schwere<br />
aufweist. 493 <strong>Die</strong>ser wesentliche Grundsatz der Komplementarität <strong>des</strong> Gerichtshofes ist<br />
in den Art. 17 ff. IStGH-Statut geregelt; hiernach hängt es <strong>von</strong> der Effizienz und<br />
Ernsthaftigkeit der nationalen Strafverfolgung ab, ob der IStGH einen Fall an sich ziehen<br />
darf. Wurde ein terroristischer Sachverhalt bereits <strong>von</strong> einem Nationalstaat ermittelt<br />
oder strafrechtlich verfolgt oder ist die in Rede stehende terroristische Tat nicht<br />
ausreichend schwer, wäre ein Verfahren vor dem IStGH wegen Strafklageverbrauchs<br />
grundsätzlich unzulässig. Auf die Vertragsstaaten fällt somit die Hauptverantwortung<br />
für die strafrechtliche Verfolgung der im Statut normierten Verbrechen; die IStGH-<br />
Gerichtsbarkeit arbeitet ergänzend. 494<br />
Sofern die Gerichtsbarkeit <strong>des</strong> IStGH greift, wäre eine geeignete Instanz der Verfolgung<br />
und Durchsetzung <strong>des</strong> <strong>völkerrechtliche</strong>n Strafanspruchs bezüglich schwerer Akte<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus gefunden. Gelingt es dem IStGH, Jurisdiktion auch<br />
über Verbrechen <strong>des</strong> internationalen Terrorismus zu errichten oder Terrortaten mit den<br />
im Statut verankerten Kernverbrechen zu erfassen, wären damit auch Verbesserungen<br />
auf der Ebene der prozessualen Durchsetzung der Strafansprüche zu erwarten: <strong>Die</strong><br />
Überstellung terroristischer Straftäter an den IStGH wäre leichter zu erreichen als die<br />
Auslieferung an den Staat <strong>des</strong> Tatortes oder den Heimatstaat der Opfer. <strong>Die</strong>ses praktische<br />
Argument trägt insbesondere dann, wenn es sich bei den Gewahrsamsstaaten um<br />
solche handelt, die internationalen Terroristen Unterstützung oder einen safe haven<br />
gewähren. Zählen Terrorismus unterstützende Staaten zu den Parteien <strong>des</strong> Rom-<br />
Statuts, wären „Terrorstaaten“ aufgrund ihrer Mitgliedschaft im IStGH nun zur Straf-<br />
491 Von den 499 Mitteilungen aus 66 Ländern, die bislang beim IStGH in Den Haag eingegangen sind, stehen<br />
zunächst die Ermittlungen in Bezug auf schwere Menschenrechtsverletzungen in Kongo-Kinshasa im Vordergrund.<br />
S. Communications Received by the Prosecutor of the ICC, Press Release v. 16.07.2003.<br />
492 Rubin sieht daher weitaus geeignetere Alternativen als jene <strong>des</strong> internationalen Strafrechts z. B. in der Verhängung<br />
<strong>von</strong> moralischen Sanktionen, Import oder Export-Kontrollen oder der Einreichung zivilrechtlicher Klagen<br />
in den USA gegen Terrorismus unterstützende Staatsoberhäupter. Rubin, HarvILJ 2002, 65 ff. Hierbei<br />
handelt es sich aber primär um Maßnahmen gegen Staaten, die nicht die individuelle Verantwortlichkeit internationaler<br />
Terroristen betreffen; ders., in: Han (Hrsg.), Terrorism and Political Violence, 1993, 380. Ähnlich auch<br />
Olsen, RICR 2002, 173 ff.; Stein, AVR 1992, 38 (41 ff.).<br />
493 Schabas, Introduction ICC, 2001, 69 f.; Ambos, NJW 1998, 3743 (3744); Cassese, EJIL 1999, 144 (158 f.).<br />
494 Vgl. Präambel Abs. 10, Art. 1, S. 2 ICC-Statut. Werle, JZ 2001, 886; Solera, RICR 2002, 145 (150); Pejic,<br />
RICR 2002, 13 (21); Bartelt, AVR 2005, 187 (188).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 125<br />
verfolgung terroristischer Akte verpflichtet. Althergebrachte politische Auslieferungsvorbehalte<br />
oder eine unzureichende nationale Strafverfolgung könnten so überwunden<br />
werden. 495 Im Falle <strong>des</strong> Unterlassens nationaler Strafverfolgung oder anderer Hindernisgründe<br />
einer effektiven Strafverfolgung würde nunmehr - dies nach Maßgabe <strong>des</strong><br />
Grundsatzes der Komplementarität - die Gerichtsbarkeit <strong>des</strong> IStGH greifen. 496 <strong>Die</strong> internationale<br />
Terrorismusbekämpfung stieße nicht mehr an bekannte Grenzen staatlicher<br />
Souveränität und bestehende Rechtslücken im Hinblick auf die Strafverfolgung<br />
<strong>von</strong> <strong>völkerrechtliche</strong>n Verletzungshandlungen könnten geschlossen werden.<br />
3. Zwischenergebnis<br />
Mit den bisher vorhandenen nationalen und internationalen Strafverfolgungsinstrumenten<br />
kann der Herausforderung, die der internationale Terrorismus bezüglich der<br />
Strafverfolgung an die Staatengemeinschaft stellt, begegnet werden – die Erfolgsaussichten<br />
sind dabei unterschiedlich. Nationalen Gerichten kann es an Terrorismus spezifischen<br />
Strafnormen oder an der Ernsthaftigkeit bzw. Fähigkeit der Strafverfolgung<br />
internationaler Terrorsachverhalte fehlen. Hauptgrund für den Ruf nach einer internationalen<br />
Strafgerichtsbarkeit für Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus ist aber das Defizit<br />
nationaler Gerichte, den spezifisch <strong>völkerrechtliche</strong>n Unrechtsgehalt schwerer<br />
Terrorakte, die sich gegen die Zivilgesellschaft als solche richten und zugleich eine<br />
friedens- bzw. sicherheitsbedrohende Dimension aufweisen, zu erfassen. Hier ist die<br />
internationale Strafgerichtsbarkeit gehalten, das verletzte Normbewusstsein der internationalen<br />
Gemeinschaft wiederherzustellen. Der IStGH bietet eine geeignete Plattform<br />
für die Behandlung internationaler Terrorakte und zeichnet sich zudem als<br />
langfristiges Lösungsmuster aus. Zwar enthält das IStGH-Statut keinen eigenen Tatbestand<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus, doch können Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
<strong>von</strong> den bestehenden Tatbeständen erfasst werden. <strong>Die</strong> internationale<br />
Strafgerichtsbarkeit soll dabei die nationalen Kompetenzen zur Strafverfolgung terroristischer<br />
Verbrechen zwar nicht ersetzen, sie muss diese aber ergänzen, um bestehende<br />
Strafbarkeitslücken zu schließen.<br />
495 Jeßberger, in: Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg.), Menschenrechtliche Erfordernisse bei der Bekämpfung<br />
<strong>des</strong> Terrorismus, 2002, 22 ff; Solera, RICR 2002, 145 (148), (158 ff.). Für den IStGH als Weltstrafgerichtshof<br />
für internationale Terroristen s. auch Wilkinson, Terrorism versus Democracy, 2000, 44 f.<br />
496 Art. 17-19 IStGH-Statut. S. dazu Werle/Jeßberger, JZ 2002, 725 (726); Bleich, in: Bassiouni C. M. (Hrsg.),<br />
The International Criminal Court: Observations and Issues Before the 1997 - 98 Preparatory Committee, 1997,<br />
231 ff.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 126<br />
II. <strong>Die</strong> Strafbarkeit <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus unter<br />
dem IStGH-Statut<br />
Terroristische Gewaltakte können nur dann im IStGH-Statut Beachtung finden, wenn<br />
sie unter die Tatbestände <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong>, der Kriegsverbrechen, der Verbrechen<br />
gegen die Menschlichkeit oder der Aggression subsumiert werden können. Zu prüfen<br />
ist daher, ob Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus eines der vier anerkannten Völkerrechtsverbrechen<br />
darstellen.<br />
Zur Prüfung sind der jeweilige <strong>völkerrechtliche</strong> Tatbestand <strong>des</strong> IStGH-Statuts sowie<br />
die <strong>von</strong> der Vorbereitungskommission ausgearbeiteten Verbrechenselemente 497 heranzuziehen.<br />
<strong>Die</strong> Fertigstellung der Verbrechenselemente gilt als ein Meilenstein in der<br />
Entwicklung <strong>des</strong> Völkerstrafrechts. Es handelt sich hierbei um einen Katalog <strong>von</strong> Bedingungen,<br />
Zusammenhängen, Einstellungen und Absichten, die für die Erfüllung der<br />
Tatbestände <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong> (Art. 6 IStGH-Statut), <strong>des</strong> Verbrechens gegen die<br />
Menschlichkeit (Art. 7 IStGH-Statut), der Kriegsverbrechen (Art. 8 IStGH-Statut) und<br />
der Aggression (Art. 5 IStGH-Statut) vorliegen müssen. <strong>Die</strong> Verbrechenselemente<br />
konkretisieren die im Statut definierten Delikte und unterstützen den Gerichtshof in<br />
seiner Rechtsfindung.<br />
Allerdings entfalten diese Verbrechenselemente gegenüber dem Strafgerichtshof keine<br />
Bindungswirkung. Sowohl die Verbrechenselemente als auch die Verfahrensregeln <strong>des</strong><br />
IStGH sind den Bestimmungen <strong>des</strong> Statuts untergeordnet und somit als subsidiäre<br />
Rechtsquellen anzusehen und sollen gemäß Art. 9 IStGH-Statut dem Gerichtshof bei<br />
der Auslegung und Anwendung der in Art. 6 bis 8 IStGH-Statut normierten Kernverbrechen<br />
„helfen“. Als Auslegungshilfe haben sie letztlich nur deklaratorische und<br />
systematisierende Funktion 498 - auch wenn nicht bindend, sind sie jedoch für das im<br />
IStGH-Statut enthaltende materielle Strafrecht <strong>von</strong> grundlegender Bedeutung. 499 Das<br />
Konzept der unterstützenden Auslegung durch die Verbrechenselemente stellt dabei<br />
im Völkerstrafrecht ein Novum dar, welches den meisten nationalen Rechtsordnungen<br />
unbekannt ist. 500 <strong>Die</strong>se Art der Auslegungshilfe entstammt der US-amerikanischen<br />
Strafgesetzgebung: Inhaltliche Vorgaben sollen den Richter strikt an die Strafnorm<br />
binden und so eine einheitliche Rechtsprechung sicherstellen. Mit Bezug auf den<br />
497 International Criminal Court, Elements of Crimes, U.N. Doc. PCNICC/2000/1/Add.2 (2000).<br />
498 Ambos, NJW 2001, 405 (406).<br />
499 Vest, ZStR 2003, 46 (47); Schabas, Introduction ICC, 2001, 29.<br />
500 Vogel, ZStR 2002, 372 (389).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 127<br />
IStGH hat dieses Modell eine Modifikation erfahren, weil die Verbrechenselemente<br />
lediglich als Auslegungshilfe bei der Ausübung <strong>des</strong> richterlichen Ermessens dienen. 501<br />
Für die Prüfung der einzelnen, <strong>völkerrechtliche</strong>n Verbrechenstatbestände enthält das<br />
IStGH-Statut keine Hierarchie. 502 In der vorliegenden Analyse wird die Prüfung anhand<br />
der im IStGH-Statut festgelegten Reihenfolge der einzelnen Tatbestände vorgenommen.<br />
1. Internationaler Terrorismus als Völkermord<br />
Indem Akte <strong>des</strong> Terrorismus die Tötung und die schwere Körperverletzung <strong>von</strong> einer<br />
Vielzahl <strong>von</strong> Personen beinhalten, könnten sie zunächst unter den <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Tatbestand <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong> gemäß Art. 6 IStGH-Statut fallen.<br />
a) Inhaltliche Ausgestaltung <strong>des</strong> Art. 6 IStGH-Statut<br />
aa) Objektiver Tatbestand<br />
In erster Linie schützt Art. 6 IStGH-Statut die physische und soziale Existenz nationaler,<br />
rassischer, religiöser oder ethnischer Gruppen <strong>von</strong> Menschen. 503 Objektiv setzt die<br />
Erfüllung <strong>des</strong> Völkermordtatbestan<strong>des</strong> voraus, dass der Täter eine der in Art. 6 IStGH-<br />
Statut umschriebenen Tathandlungen gegen Mitglieder einer der genannten Gruppen<br />
vornimmt. Art. 6 IStGH-Statut erfasst dabei jede der folgenden Handlungen:<br />
(a)<br />
(b)<br />
(c)<br />
Tötung <strong>von</strong> Mitgliedern einer Gruppe;<br />
Verursachung <strong>von</strong> schweren körperlichen oder seelischem Schaden an Mitgliedern der<br />
Gruppe;<br />
vorsätzliche Auferlegung <strong>von</strong> Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind,<br />
ihre körperliche Vernichtung ganz oder teilweise herbeizuführen;<br />
501 Kaul, VN 2001, 215 (215 f.)<br />
502 Es hat im Rahmen der Verhandlungen zum IStGH-Statut Vorschläge gegeben, dass anhand der Rechtsprechung<br />
der Militärtribunale <strong>von</strong> Nürnberg und Tokio sowie <strong>des</strong> JStGH und RStGH eine Hierarchie nachgewiesen<br />
werden kann. S. Schabas, Introduction ICC, 2001, 25.<br />
503 Vest, ZStR 2001, 457 (476).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 128<br />
(d) Verhängung <strong>von</strong> Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe<br />
gerichtet sind;<br />
(e) gewaltsame Überführung <strong>von</strong> Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.“ 504<br />
Da Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus in ihrer Eigenschaft als primär punktuell vorgetragene<br />
Gewalthandlungen nicht darauf angelegt sind, das Schicksal einer Gruppe<br />
(etwa durch Geburtenverhinderung oder die gewaltsame Überführung <strong>von</strong> Kindern in<br />
eine andere Gruppe) langfristig zu manipulieren, finden die Art. 6 lit. c – lit. e IStGH-<br />
Statut im Rahmen der Terrorismusproblematik keine Anwendung. Bei der Frage nach<br />
der Einbeziehung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus in den Straftatbestand <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong><br />
kommen daher nur Art. 6 lit. a und lit. b IStGH-Statut als Prüfungs-maßstab in<br />
Betracht.<br />
Ausgehend <strong>von</strong> Art. 6 IStGH-Statut sowie den Verbrechenselementen zu dieser Norm<br />
müssen die Opfer einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe angehören.<br />
Politische oder soziale Gruppen werden durch Art. 6 IStGH-Statut nicht erfasst,<br />
obwohl dies <strong>von</strong> einigen Staaten im Rahmen der Vorbereitungsarbeiten zum<br />
IStGH vorgebracht worden ist. 505 Der Vorschlag, die Gruppenmerkmale <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong><br />
entsprechend zu erweitern und im neuen Statut unterzubringen 506 , erhielt <strong>von</strong><br />
der Staatengemeinschaft jedoch nur ungenügende Unterstützung und wurde im weiteren<br />
Verlauf der Verhandlungen fallengelassen. 507 Mit Blick auf das objektive quantitative<br />
Element <strong>des</strong> Tatbestan<strong>des</strong> erfordern weder das Völkergewohnheitsrecht noch Art.<br />
504 Der Wortlaut der Norm ist dabei identisch mit den Vorgaben der Völkermordkonvention <strong>von</strong> 1948. Art. 6<br />
IStGH-Statut gibt Wort für Wort Art. II der Völkermordkonvention und damit eine Regel <strong>des</strong> Völkergewohnheitsrechts<br />
wieder. Mit Art. III Völkermordkonvention korrespondiert Art. 6 IStGH-Statut aber nur teilweise:<br />
Nach Völkergewohnheitsrecht ist die Verschwörung zum Völkermord verboten; Art. 6 IStGH-Statut sieht diese<br />
Tatbestandvoraussetzung allerdings nicht vor. Statt<strong>des</strong>sen enthält Art. 25 III lit. e IStGH-Statut den eigenständigen<br />
Tatbestand der Aufstachelung zum Völkermord. Zum ius cogens-Charakter <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong> s. Van<br />
Schaak, Y. L. J. 1997, 2259 ff. Auch stellt das Verbrechen <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong> einen unabkömmlichen Straftatbestand<br />
<strong>des</strong> JStGH (Art. 4 (2)) und <strong>des</strong> RStGH (Art. 2 (2)) dar. <strong>Die</strong> Rechtsprechungspraxis dieser beiden Organe<br />
hat es ermöglicht, die Definition und Interpretation <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong> zu verdeutlichen bzw. zu konkretisieren.<br />
Vgl. insbesondere die Rechtsprechung <strong>des</strong> JStGH im Fall The Prosucutor v. Akayesu, ICTY, Urteil v.<br />
02.09.1998 (Case No. RSTGH-96-4-T), abgedruckt in: Klip/Suiter (Hrsg.), Annotated Leading Cases of International<br />
Criminal Tribunals, 2001, RSTGH 1994-1999, 399.<br />
505 Report of the Ad Hoc Committee on the Establishment of an International Criminal Court, UN Doc. A/50/22,<br />
S. 12, Rdn. 61; Report of the Preparatory Committee on the Establishment of an International Criminal Court,<br />
UN Doc. A/51/22, Vol. 1, 17 Rdn. 59; “Israeli UN Delegation Concerned over International Criminal Court Proposal”,<br />
in: Jerusalem Post v. 13.08.1996, 12; Van Schaak, Y. L. J. 1997, 2259 (2260).<br />
506 Ausführlich zu den Gruppenmerkmalen <strong>des</strong> Genozids s. Schabas, Genocide in International Law, 2000,<br />
102 ff.; ders., Introduction ICC, 2001, 32.<br />
507 In der endgültigen, <strong>von</strong> der Preparatory Commission vorgelegten Fassung <strong>des</strong> vorläufigen IStGH-Statuts,<br />
wurde die Völkermordbestimmung mit folgender Fußnote versehen: „The Preparatory Committee took note of<br />
the suggestion to examine the possibility of addressing „social and political“ groups in the context of the crimes<br />
against humanity”. UN Doc. A/AC.249/1998/CRP.8, 2. Vgl. Schabas, in: Triffterer (Hrsg.), Commentary on the<br />
Rome Statute, 1999, Art. 6, Rn. 6.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 129<br />
6 IStGH-Statut, dass Völkermord eine Vielzahl an Opfern voraussetzen muss. 508 Solange<br />
die entsprechenden Voraussetzungen der Norm erfüllt sind, kann die Tötung <strong>von</strong><br />
einer oder mehreren Personen Völkermord darstellen. 509 Hier zeigen sich die Verbrechenselemente<br />
als sehr innovativ: Sie bestimmen, dass die Voraussetzungen <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong><br />
bereits dann vorliegen können, wenn sich die Tathandlung nur gegen eine<br />
Person richtet. 510<br />
bb) Subjektiver Tatbestand<br />
<strong>Die</strong> subjektive Tat <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong> setzt die Absicht voraus, eine nationale, ethnische,<br />
rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören. Neben<br />
dem ohnehin erforderlichen subjektiven Element der Strafbarkeit (Art. 30 IStGH-<br />
Statut) setzt Art. 6 IStGH-Statut darüber hinaus das Vorliegen einer speziellen Zerstörungsabsicht<br />
(dolus specialis) voraus. 511 Dem Tatbestand <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong> wohnt<br />
damit eine quantitative Motivation inne. 512 <strong>Die</strong> spezielle Zerstörungsabsicht erfordert<br />
den zielgerichteten Willen <strong>des</strong> Täters, eine Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören,<br />
also Absicht im technischen Sinne, wie sie dem deutschen Strafrecht als dolus directus<br />
1. Gra<strong>des</strong> bekannt ist. 513<br />
<strong>Die</strong> besondere Problematik der Genozidabsicht liegt dabei in ihrer Beweisbarkeit. Bei<br />
vielen Tätern, die an einem Völkermord beteiligt sind, ist eine Bestrafung nach<br />
Art.6 IStGH-Statut nicht möglich, weil ihnen das (quantitative) Wissen und die spezifische<br />
Motivation fehlen bzw. diese nicht nachgewiesen werden kann. Wie die subjektiven<br />
Anforderungen darüber hinaus konkret ausgestaltet sind, wird der neue<br />
Strafgerichtshof zukünftig <strong>von</strong> Fall zu Fall zu entscheiden haben. 514<br />
508 Vgl. auch Elements of Crimes Art. 6 (a) und (b):<br />
„1. The perpetrator killed one or more persons.<br />
2. The Perpetrator causes serious bodily or mental harm to one or more persons.“<br />
509<br />
Vgl. The Prosecutor vs. Jelisic, ICTY, Urteil v. 14.12.1999 (Jelisic, TC), Rn. 100; Cassese, in:<br />
Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 347; van Schaak, Y. L. J. 1997, 2259 (2263);<br />
Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 3. Teil, Rn. 582; Schabas, in: Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute,<br />
1999, Art. 6, Rn. 9; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 2005, § 15 Rn. 19.<br />
510 Vgl. Eser, in: Schönke/Schröder, 26. Aufl., 2001, § 220 a, Rn. 4. Dagegen wendet sich Cassese, der diese<br />
Voraussetzung weder aus Art. 6 IStGH-Statut herausliest noch sie durch das Völkergewohnheitsrecht abgedeckt<br />
sieht. Vgl. Cassese in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 349.<br />
511 Vgl. Art. 6 (a) und (b) IStGH-Statut, Elements of Crimes: „3. The Perpetrator intended to <strong>des</strong>troy, in whole or<br />
in part, that national, ethnic, racial or religious group.“. Zu den subjektiven Elementen ausführlich Kittichaisaree,<br />
International Criminal Law, 2001, 72 ff.<br />
512 Schabas, Introdcution ICC, 2001, 24; a. A. Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary,<br />
2002, Vol. 1, 349.<br />
513 Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 2005, § 15 Rn. 15.<br />
514 Ambos, NJW 2001, 405 (406).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 130<br />
b) Subsumtion <strong>des</strong> internationalen Terrorismus unter Art. 6 IStGH-Statut<br />
<strong>Die</strong> ILC hat in ihrer Kommentierung zu Art. 20 <strong>des</strong> 1994 Draft Statute of the International<br />
Criminal Court 515 zum Tatbestand <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong> festgehalten, dass Akte<br />
<strong>des</strong> Terrorismus unter bestimmten Voraussetzungen als Völkermord qualifiziert werden<br />
können:<br />
„A systematic campaign of terror by some groups against the civilian population would<br />
fall within the category of crimes under general international law in subparagraph (d)<br />
[crimes against humanity], and if motivated on ethnic or racial grounds, also subparagraph<br />
(a) [genocide]“.<br />
Obwohl Art. 20 <strong>des</strong> ILC-Entwurfs <strong>von</strong> 1994 im Rom-Statut keine Beachtung gefunden<br />
hat, lässt sich diese rechtliche Bewertung <strong>von</strong> Terrorakten als Völkermord dann aufrechterhalten,<br />
wenn terroristische Handlungen den Voraussetzungen <strong>des</strong> heutigen Art.<br />
6 IStGH-Statut entsprechen: Konkret müssen Terrorhandlungen die Tötung <strong>von</strong> Mitgliedern<br />
einer Gruppe oder die Verursachung <strong>von</strong> schweren körperlichen oder seelischen<br />
Schäden an Mitgliedern der Gruppe beinhalten und in direkter Absicht<br />
vorgenommen werden, eine ethnische, rassische oder religiöse Gruppe zu zerstören.<br />
Terroristische Gewaltakte, insbesondere solche mittels Massenvernichtungswaffen,<br />
sind durch schwere Gewalt gekennzeichnet, in deren Vordergrund die vorsätzliche<br />
Verursachung <strong>des</strong> To<strong>des</strong> eines anderen Menschen sowie schwere Körperverletzungen<br />
an einer Vielzahl <strong>von</strong> Menschen stehen. Terrorakte zielen darauf ab, eine Bevölkerung<br />
oder einzelne Teile hier<strong>von</strong> einzuschüchtern und ein Klima <strong>des</strong> Terrors zu erzeugen.<br />
Sie führen dadurch bei den Opfern zu erheblichen und langfristigen Beeinträchtigungen.<br />
Schwere Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus mittels konventioneller und Massenvernichtungswaffen<br />
erfüllen damit die objektiven Voraussetzungen <strong>des</strong><br />
Völkermor<strong>des</strong>.<br />
Im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand ist fraglich, ob internationale Terrorakte<br />
den Anforderungen an das Vorliegen eines Völkermor<strong>des</strong> genügen. Während Mord<br />
515 Vgl. Art. 20 <strong>des</strong> 1994 Draft Statute of the International Criminal Court: „The Court has jurisdiction in accordance<br />
with this Statute with respect to the following crimes:<br />
(a) The crime of genocide;<br />
(b) The crime of aggression;<br />
(c) Serious violations of the laws and customs applicable in armed conflict;<br />
(d) Crimes against humanity;<br />
(e) Crimes, established under or pursuant to the treaty provisions listed in the Annex, which, having<br />
regard to the conduct alleged, constitute exceptionally serious crimes of international concern.“.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 131<br />
und schwere Körperverletzung sowohl dem Völkermord als auch Terrorakten immanent<br />
sind, ist die Motivation jeweils unterschiedlich. 516 Individuelle Terrorhandlungen<br />
werden verübt, um einen Staat, eine Bevölkerung, einzelne Bevölkerungsteile oder internationale<br />
Organisationen einzuschüchtern und so den Gegner in Verwirklichung eines<br />
bestimmten politischen Zieles zu einer Reaktion zu veranlassen. Internationalen<br />
Terroristen geht es aber weniger darum, eine ganze Volksgruppe auszulöschen; im<br />
Mittelpunkt der terroristischen Zielsetzung steht grundsätzlich vielmehr, einen Staat,<br />
die Gesellschaft oder das internationale System zu schwächen, um ihren politischen<br />
Forderungen Nachdruck zu verleihen. <strong>Die</strong> Erfassung terroristischer Gewaltakte als<br />
Völkermord ist daher wegen der fehlenden Absicht der Zerstörung einer nationalen,<br />
ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe grundsätzlich abzulehnen.<br />
Bei <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Staatsterrorismus muss jedoch eine andere rechtliche Bewertung erfolgen.<br />
Werden Gewalthandlungen wie schwere Körperverletzungen oder Tötungen <strong>von</strong><br />
amtlichen Organen eines Staates gegen einen Teil der eigenen Bevölkerung (z. B. eine<br />
ethnische oder religiöse Minderheit) oder gegen die Bevölkerung eines besetzten Gebietes<br />
vorgenommen, um etwa die Autorität und Macht <strong>des</strong> Staates im betroffenen<br />
Staatsgebiet durchzusetzen, können derartige Handlungen einen Völkermord darstellen.<br />
Aber auch in diesen Fällen muss dem staatlichen Akteur die konkrete Zerstörungsabsicht<br />
der Gruppe explizit nachgewiesen werden. <strong>Die</strong>s kann sich im Einzelnen<br />
als schwierig erweisen, wie etwa die Rechtsprechung <strong>des</strong> Strafgerichtshofes für das<br />
ehemalige Jugoslawien (JStGH) mit Bezug zum Terrorismus im Fall Jelisic belegt. 517<br />
<strong>Die</strong> willkürliche Tötung <strong>von</strong> Zivilisten ließ zwar auf das Vorliegen <strong>von</strong> Völkermord<br />
im terroristischen Kontext schließen, der Gerichtshof sah hierin aber nicht die Absicht<br />
<strong>des</strong> Täters, eine bestimmte Gruppe zu vernichten. 518<br />
c) Zwischenergebnis<br />
<strong>Die</strong> Schwierigkeiten, Terroristen das subjektive Element der speziellen Zerstörungsabsicht<br />
einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe nachzuweisen,<br />
führen dazu, dass internationale Terrorhandlungen regelmäßig nicht unter den Tatbestand<br />
<strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong> subsumiert werden können. Art. 6 IStGH-Statut ist damit<br />
nicht oder nur in sehr wenigen Fällen zur <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus geeignet.<br />
516 International Bar Association, International Terrorism: Legal Challenges and Responses. A Report by the International<br />
Bar Association‘s Task Force on Terrorism, 2003, 157.<br />
517 The Prosecutor vs. Jelisic, ICTY, Urteil v. 14.12.1999 (Jelisic, TC), Rn. 104: “He wanted to terrorise them.”.<br />
518 The Prosecutor vs. Jelisic, ICTY, Urteil v. 14.12.1999, (Jelisic, TC), Rn. 108: “[...] he killed arbitrarily rather<br />
than with the clear intention to <strong>des</strong>troy a group.”. Dazu auch Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-<br />
Commentary, 2002, Vol. 1, 342.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 132<br />
2. Internationaler Terrorismus als Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />
Nach dem derzeitigen Stand <strong>des</strong> Völkerstrafrechts kommt aber eine Klassifizierung<br />
schwerster terroristischer Gewalttaten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Betracht.<br />
519 <strong>Die</strong> individuelle Verantwortlichkeit für Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />
wurde erstmals in den Nürnberger Prozessen begründet; seitdem hat dieser Straftatbestand<br />
insbesondere durch die Rechtsprechungspraxis <strong>des</strong> JStGH und <strong>des</strong> Strafgerichtshofes<br />
für Ruanda (RStGH) eine konsequente Weiterentwicklung erfahren. 520<br />
a) Inhaltliche Ausgestaltung <strong>des</strong> Art. 7 IStGH-Statut<br />
Der komplexe Tatbestand <strong>des</strong> Verbrechens gegen die Menschlichkeit stellt in der Regel<br />
staatlich organisierte oder staatlich gedeckte unmenschliche Verhaltensweisen unter<br />
Strafe, die in ihrem Ausmaß die internationalen Menschenrechtsstandards massiv<br />
verletzen. 521 In der Vergangenheit setzte die Vorschrift neben den geschriebenen Tatbestandsmerkmalen<br />
weitere ungeschriebene voraus; diese haben in Art. 7 IStGH-Statut<br />
keinen Niederschlag gefunden. So ist zum einen eine Verbindung zwischen Verbrechen<br />
gegen die Menschlichkeit und dem Vorliegen eines bewaffneten Konflikts nicht<br />
mehr erforderlich. 522 Zum anderen ist - mit Ausnahme <strong>von</strong> Art. 7 Abs. 1 lit. h IStGH-<br />
Statut – nicht notwendig, dass sich der Angriff gegen eine politische, rassische, nationale,<br />
ethnische, kulturelle, religiöse Gruppierung oder Geschlechtergruppe richtet.<br />
Ein konkreter Bezug zum Terrorismus ist Art. 7 IStGH-Statut nicht zu entnehmen,<br />
obwohl ein solcher im Rahmen der Vorarbeiten zum IStGH-Statut <strong>von</strong> einigen Staaten<br />
vorgebracht worden ist. So haben sich Algerien, Indien, Sri Lanka und die Türkei ver-<br />
519 Vgl. Cassese, EJIL 2001, 993 ff.; Byers, ICLQ 2002, 401 ff.; Tomuschat, EuGRZ 2001, 525 ff.; Greenwood,<br />
International Affairs 2002, 301 ff.; Stahn, ZaöRV 2001, 183 (244 ff.); Brown, Holding Armed Groups and Terrorist<br />
Organizations Accountable for Crimes Against Humanity and War Crimes, and for “Terrorist Offences”<br />
under International Anti-Terrorism-Conventions, Abo Akademi Institute for Human Rights, (2002),<br />
http://www.abo.fi/institut/imr/norfa/duncan.pdf; Burke-White, in: Yepes-Enriquez/Tabassi (Hrsg.), Treaty Enforcement<br />
and International Cooperation in Criminal Matters with Special Reference to the Chemical Weapons<br />
Convention, 2002, 77 (84). Dagegen argumentierend Schabas/Olivier, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims,<br />
and International Law, 2003, 270 (276).<br />
520 S. hierzu die ausführliche Rechtsprechungspraxis <strong>des</strong> JStGH und RStGH in: Arnold, The ICC as a New Instrument<br />
for Repressing Terrorism, 2004, 246 ff.; Tournaye, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims, and International<br />
Law, 2003, 298 ff. Zur Historie <strong>des</strong> Tatbestan<strong>des</strong> vgl. Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-<br />
Commentary, 2002, Vol. 1, 353; Bassiouni, Crimes against Humanity in International Law, 1999, 44 ff.<br />
521 Bruer-Schäfer, Der Internationale Strafgerichtshof, 2001, 163.<br />
522 Vgl. u. a. The Prosecutor vs. Kupreskic, JSTGH, Urteil v. 16.01.2000 (Case No. IT-95-16), Rn. 577 und 581<br />
sowie den Report of the Secretary-General bezüglich Absatz 2 der Sicherheitsratsresolution 808, UN Doc.<br />
S/25704 (1993), der besagt, dass: “crimes against humanity are aimed at any civilian population and are prohibited<br />
regardless of whether they are committed in an armed conflict, international or internal character.”. S. Stahn,<br />
ZaöRV 2002, 138 (245); Pejic, RICR 2002, 13 (22).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 133<br />
geblich für die Aufnahme <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Terrorismus als Untertatbestände <strong>des</strong><br />
Verbrechens gegen die Menschlichkeit in Art. 7 IStGH-Statut eingesetzt. 523<br />
aa) Objektiver Tatbestand<br />
Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut enthält eine Liste <strong>von</strong> elf Delikten <strong>des</strong> Verbrechens gegen<br />
die Menschlichkeit, die alle im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs<br />
gegen die Zivilbevölkerung begangen werden müssen. Neben der Aufzählung<br />
der einzelnen Straftatbestände enthält Art. 7 Abs. 2 IStGH-Statut Legaldefinitionen für<br />
jede der genannten Tathandlungen. Im Zusammenspiel mit den Verbrechenselementen<br />
zu Art. 7 IStGH-Statut ermöglichen es diese, die in Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut beschriebenen<br />
Delikte konkret zu umreißen und Inhalt und Reichweite der einzelnen<br />
Handlungen festzulegen.<br />
(1) Einzeltatbestände <strong>des</strong> Art. 7 Abs. 1 lit. a – lit. k IStGH-Statut<br />
Da nur die schwersten, die internationale Gemeinschaft betreffenden, Verbrechen im<br />
IStGH-Statut Berücksichtigung finden sollen, sind folgende Verbrechen in den Sammelkatalog<br />
an „Menschenrechtsverletzungen“ in Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut aufgenommen<br />
worden: <strong>Die</strong> traditionellen Einzeltatbestände der Verbrechen gegen die<br />
Menschlichkeit, insbesondere die<br />
• vorsätzliche Tötung (Art. 7 Abs. 1 lit. a),<br />
• Ausrottung (Art. 7 Abs. 1 lit. b),<br />
• Versklavung (Art. 7 Abs. 1 lit. c),<br />
• Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung (Art. 7 Abs. 1 lit. d)<br />
sowie<br />
• Verfolgung aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen<br />
Gründen (Art. 7 Abs. 1 lit. h)<br />
wurden unter Berücksichtigung jüngerer Entwicklungen durch weitere Tatbestände ergänzt.<br />
Dazu gehören zum einen die Tathandlungen, die zusätzlich im Statut <strong>des</strong> JStGH<br />
und <strong>des</strong> RStGH niedergelegt sind. <strong>Die</strong>se beinhalten die<br />
523 Vgl. A/CONF/183/C.1/L.27. Folgende Formulierung <strong>des</strong> Terrorismustatbestan<strong>des</strong> wurde vorgeschlagen:<br />
“Any act of terrorism, in all its forms and manifestations involving the use of indiscriminate violence, is a crime<br />
committed against persons or property intended or calculated to provoke a state of terror, fear and insecurity in<br />
the minds of the general public or population resulting in death or serious bodily injury to mental or physical<br />
health and serious damage to property irrespective of any consideration and purpose of a political, ideological,<br />
philosophical, racial, ethnic, religious or such other nature that may be invoked to justify it.”. Vgl. Robinson, in:<br />
Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 497 (517).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 134<br />
• Freiheitsentziehung (Art. 7 Abs. 1 lit. e),<br />
• Folter (Art. 7 Abs. 1 lit. f) sowie<br />
• Vergewaltigung und sexuelle Sklaverei (Art. 7 Abs. 1 lit. g).<br />
Zudem haben zwei neue Tatbestände Eingang in das Statut gefunden:<br />
• das Verbrechen <strong>des</strong> zwangsweisen Verschwindenlassens <strong>von</strong> Personen (Art. 7 Abs. 1<br />
lit. i) und die<br />
• Apartheid (Art. 7 Abs. 1 lit. j).<br />
Mit der Einbeziehung<br />
• „anderer unmenschlicher Handlungen ähnlicher Art“ (Art. 7 Abs. 1 lit. k)<br />
ist letztlich eine Generalklausel formuliert worden, die solche Verhaltensweisen als<br />
Verbrechen gegen die Menschlichkeit qualifiziert, mit denen „vorsätzlich großes Leiden<br />
oder schwere Verletzungen <strong>des</strong> Körpers oder der physischen oder psychischen<br />
Gewalt verursacht werden“, vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. k IStGH-Statut. Der RStGH hat im<br />
Fall Akayesu Bezug auf die Generalklausel genommen und darunter die erzwungene<br />
Nacktheit <strong>von</strong> Tutsi-Frauen subsumiert. 524 Im Gegensatz zur Rechtsprechungspraxis<br />
<strong>des</strong> RStGH grenzt das IStGH-Statut die Anwendung der Generalklausel ein, indem<br />
Art. 7 Abs. 1 lit. k IStGH-Statut bestimmt, dass die fraglichen Akte in Format und<br />
Schwere körperlichen Leiden entsprechen müssen. Aus diesem Grunde ist fraglich, ob<br />
damit auch weiterhin sexuelle Handlungen unter die Klausel fallen. Abzuwarten bleibt,<br />
wie der neue Strafgerichtshof in der Auslegung <strong>von</strong> „anderen Handlungen“ verfahren<br />
wird. 525<br />
(2) „Handlungen im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs<br />
gegen die Zivilbevölkerung“<br />
Damit ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Art. 7 IStGH-Statut vorliegt,<br />
müssen die Einzeltatbestände <strong>des</strong> Art. 7 Abs. 1 lit. a – lit. k IStGH-Statut aus objektiver<br />
Sicht im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung<br />
erfolgen. <strong>Die</strong> inhaltlichen Vorgaben der Kriterien <strong>des</strong> „ausgedehnten“<br />
oder „systematischen“ Angriffs korrespondieren sowohl mit der Rechtsprechungspraxis<br />
<strong>des</strong> JStGH als auch der <strong>des</strong> RStGH, welche damit eine (wertvolle) Interpretations-<br />
524 The Prosecutor vs. Akayesu, RStGH, Urteil v. 02.09.1998 (Akayesu, TC), Rn. 597-599, 687, 688. Annotated<br />
Leading Cases, 2001, 399 ff. oder 37 ILM, 1399, Rn. 515; Schabas, Introduction ICC, 2001, 39.<br />
525 Schabas, Introduction ICC, 2001, 39.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 135<br />
hilfe geben. 526 Traditionell musste es sich – nach der Definition der Nürnberger<br />
Kriegsverbrechertribunale – bei diesen Merkmalen um einen groß angelegten oder systematischen<br />
Angriff handeln, der <strong>von</strong> einem Staat, einer Regierung oder einer ähnlichen<br />
Einheit toleriert wird. 527 Das IStGH-Statut definiert diese Anforderungen nicht.<br />
<strong>Die</strong> Verbrechenselemente zu Art. 7 IStGH-Statut lassen die Auslegung der einzelnen<br />
Merkmale vermissen; somit bleibt deren nähere Interpretation der zukünftigen Rechtsprechung<br />
<strong>des</strong> IStGH überlassen.<br />
Für die Merkmale „ausgedehnt“ und „systematisch“ gilt generell, dass sie die mehrfache<br />
Begehung <strong>von</strong> Delikten voraussetzen, und diese in Ausführung oder zur Unterstützung<br />
der Politik eines Staates oder Organisation erfolgen muss. Sowohl das Kriterium<br />
„ausgedehnt“ als auch „systematisch“ geben somit eine gewisse Größenordnung der<br />
Angriffsquantität sowie -qualität vor: Ein isoliertes Agieren oder sporadisches Fehlverhalten<br />
– egal wie grausam im Einzelnen – wird nicht als Verbrechen gegen die<br />
Menschlichkeit angesehen; vielmehr muss die Kategorie <strong>des</strong> Verbrechens gegen die<br />
Menschlichkeit breiter verstanden werden. 528<br />
Art. 7 IStGH-Statut lässt offen, ob die Voraussetzungen <strong>des</strong> ausgedehnten oder systematischen<br />
Angriffs alternativ oder kumulativ vorliegen müssen. 529 Zwischen Art. 7<br />
Abs. 1 und Abs. 2 lit. a IStGH-Statut liegt diesbezüglich ein Widerspruch vor: Während<br />
in Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut ein ausgedehnter oder systematischer Angriff verlangt<br />
wird, definiert Art. 7 Abs. 2 lit. a IStGH-Statut den Angriff als Verhaltensweise,<br />
die in der mehrfachen Begehung der in Abs. 1 benannten Handlungen besteht („ausgedehnt“)<br />
und in Ausführung der Politik eines Staates oder einer Organisation vorgenommen<br />
wird („systematisch“). <strong>Die</strong> in Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut ursprünglich<br />
alternative Formulierung wird damit zu einer kumulativen Voraussetzung umgewandelt,<br />
die höhere Anforderungen an Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut stellt als dies ursprünglich<br />
im Vertrag vorgesehen war. 530 Tatsächlich werden in der <strong>völkerrechtliche</strong>n Praxis<br />
regelmäßig beide Kriterien erfüllt sein (kumulativ). 531<br />
526 Dixon, in: Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute, 1999, Art. 7, Rn. 12.<br />
527 Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 357.<br />
528 Vgl. Dutch Special Court of Cassation vs. Albrecht: “Crimes of this category are characterized either by their<br />
seriousness and their slavery, or by their magnitude, or by the fact that they were part of a system <strong>des</strong>igned to<br />
spread terror […].”, abgedruckt in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 357.<br />
529 Dazu Schabas, Introduction ICC, 2001, 36; Stahn, ZaöRV 2002, 183 (247); Pejic, RICR 2002, 13 (22).<br />
530 Ambos, NJW 2001, 405 (406); Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 4. Teil, Rn. 640.<br />
531 The Prosecutor vs. Blaskic, JSTGH, Urteil v. 03.03.2000 (Blaskic, TC), Rn. 207: “The fact still remains however<br />
that, in practice, these two criteria will often be difficult to separate since a wi<strong>des</strong>pread attack targeting a<br />
large number of victims generally relies on some form on planning or organisation”. S. auch Werle, Völkerstrafrecht,<br />
2003, 4. Teil, Rn. 639.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 136<br />
(a) „ausgedehnt“<br />
Hinsichtlich <strong>des</strong> Merkmals „ausgedehnt“ sind zwei Interpretationen möglich: Das<br />
Merkmal kann sich entweder auf die geographische Ausdehnung eines Angriffs beziehen<br />
oder auf die Anzahl der Opfer abstellen. 532 Der JStGH folgte in seiner Rechtsprechung<br />
zum Fall Tadić letzterer Auslegung und hat auf Akte Bezug genommen, die im<br />
großen Rahmen durchgeführt wurden und sich gegen eine Vielzahl <strong>von</strong> Opfern richteten.<br />
533 Nach Maßgabe dieser Rechtsprechungspraxis ist aber auch nicht ausgeschlossen,<br />
dass sich sogar ein einzelner Akt als „ausgedehnt“ darstellen kann: 534<br />
„[...] a crime may be wi<strong>des</strong>pread by a way of the cumulative effect of a series of inhumane<br />
acts or the singular effect of an inhumane act of extraordinary magnitude.” 535<br />
Hiernach bezieht sich das Merkmal „ausgedehnt“ nicht zwingend auf die geographische<br />
Ausdehnung <strong>des</strong> Angriffs, und so kann auch ein singulärer Angriff gegen nur eine<br />
Stadt bereits ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. 536<br />
(b) „systematisch“<br />
Für das Vorliegen <strong>des</strong> Merkmals „systematisch“ verlangen die ILC und sowohl der<br />
JStGH als auch der RStGH die Existenz eines Plans oder einer Politik hinter dem Angriff.<br />
537 Der JStGH hat das Merkmal „systematisch“ in seiner Rechtsprechung noch<br />
weiter eingegrenzt: Neben dem Vorliegen eines hinter dem Angriff stehenden Plans<br />
müssen sich die strafbaren Handlungen als unmenschliche Akte großen Ausmaßes darstellen<br />
oder zum wiederholten Male begangen worden sein. <strong>Die</strong> Einstufung <strong>des</strong> Angriffs<br />
als „systematisch“ ist ferner vom Grad der eingesetzten Ressourcen (militärische<br />
oder andere) abhängig sowie <strong>von</strong> der Beteiligung hoher Funktionsträger in der Erstellung<br />
<strong>des</strong> kriminellen Plans bzw. der Politik hinter dem Angriff. 538<br />
(c) „Angriff“<br />
Art. 7 Abs. 2 IStGH-Statut definiert den „Angriff gegen die Zivilbevölkerung“ als<br />
mehrfache Begehung der in Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut genannten Handlungen in Aus-<br />
532 International Bar Association, International Terrorism: Legal Challenges and Responses. A Report by the International<br />
Bar Association‘s Task Force on Terrorism, 2003, 151.<br />
533 The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Urteil v. 07.05.1997 (No. IT-94-1 ‘Prijedor’), Rn. 648; The Prosecutor vs.<br />
Blaskic, JSTGH, Urteil v. 03.03.2000 (Case No. IT-95-14 ‘Lasva Valley’), Rn. 206.<br />
534 S. dazu auch Vest, ZStR 2003, 46 (52); Blanke/Molitor, AVR 2001, 142 (154 f.); Ambos/Wirth, The Current<br />
Law of Crimes against Humanity, Crim. L. F. 2002, 21.<br />
535 The Prosecutor vs. Blaskic, JSTGH, Urteil v. 03.03.2000 (Blaskic, TC), Rn. 206.<br />
536 Vgl. The Prosecutor vs. Jelisic, JSTGH, Urteil v. 14.12.1999 (Jelisic, TC).<br />
537 Report ILC on the work of its 45 th session, 6. May - 26. Juli 1996, 51 UNGAOR Supp. (No. 10). 9 UN Doc<br />
A/61/10 (1996); The Prosecutor vs. Akayesu, RSTGH, Urteil v. 02.09.1998 (Case No. RSTGH 96-4-T), Rn. 580.<br />
538 Vgl. The Prosecutor vs. Kordic and Cerkez, JSTGH, Urteil v. 26.02.2001 (Case No. IT-95-12/2), Rn. 179.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 137<br />
führung oder zur Unterstützung der Politik eines Staates oder einer Organisation. 539<br />
Der Angriff muss dabei kein Angriff im militärischen Sinne sein. 540 Das Kriterium der<br />
mehrfachen Begehung ist notwendig, um einzelne Akte, die gewöhnliche Verbrechen<br />
darstellen, aus dem Anwendungsbereich der Norm herauszulösen. <strong>Die</strong>se finden im<br />
IStGH-Statut keine Beachtung, da der IStGH geschaffen wurde, um ausschließlich die<br />
besonders schweren Angriffe auf die Staatengemeinschaft zu ahnden.<br />
Wie der JStGH in seiner Rechtsprechung im Fall Tadić vorgegeben hat, muss die Politik<br />
eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs aber nicht zwingend <strong>von</strong> einem<br />
Staat ausgehen. 541 So hat die Trial Chamber in diesem Verfahren festgehalten, dass:<br />
„[...] although the policy must exist to commit these acts, it need not be the policy of a<br />
State.“ 542<br />
Dem entspricht Art. 7 Abs. 2 lit. a IStGH-Statut, wonach Angriffe gegen die Zivilbevölkerung<br />
sowohl <strong>von</strong> Staaten als auch <strong>von</strong> nicht-staatlichen Akteuren ausgeübt werden<br />
können, solange der Angriff „in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik<br />
eines Staates oder einer Organisation“ erfolgt. <strong>Die</strong>ses „Politikelement“ gilt gleichermaßen<br />
für den ausgedehnten wie für den systematischen Angriff, wobei es hier weit zu<br />
verstehen und im Sinne einer geplanten, geleiteten oder organisierten Tatbegehung zu<br />
interpretieren ist. 543 <strong>Die</strong> Vornahme der in Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut benannten Einzeldelikte<br />
darf nicht allein aus persönlichen Gründen oder spontan erfolgen, sondern<br />
muss explizit in eine Staats- oder Organisationspolitik eingefügt sein. 544 Damit ist das<br />
Vorhandensein der Politik eines Staates oder einer Organisation ausschlaggebend dafür,<br />
dass Art. 7 IStGH-Statut als völkerstrafrechtliche Norm einschlägig ist.<br />
539 Vgl. Art. 7 (3) IStGH-Statut, Elements of Crimes, Introduction: “Attack directed against a civilian population”<br />
in these context [sic] elements is understood to mean a course of conduct involving the multiple commission<br />
of acts referred to in article 7, paragraph 1, of the Statute against any civilian population, pursuant to or in<br />
furtherance of a State or organizational policy to commit such attack. The acts need not constitute a military attack.<br />
It is understood that “policy to commit such an attack” requires that the State or organization actively promote<br />
or encourage such an attack against a civilian population.”.<br />
540 Art. 7 (3) IstGH-Statut Elements of Crimes, Introduction; Stahn, ZaöRV 2002, 138 (245). Zur Interpretation<br />
<strong>des</strong> Angriffs unter dem Statut <strong>des</strong> JStGH s. The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH (Case IT-94-1-A), Decision on the<br />
Form of Indictment v. 14.11.1995, Rn. 11.<br />
541 Vgl. The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH (Case IT-94-1-A), Rn. 653 - 654: “[...] such a policy need not be formalized<br />
and be deducted from the way in which the acts occur. Notably, if the acts occur on a wide or systematic<br />
basis that demonstrate a policy the evidence in the case establishes the existence of such a policy.”.<br />
542 S. auch The Prosecutor vs. Akayesu, RSTGH, Urteil v. 02.09.1998 (Case No. RSTGH-96-4), Rn. 580. In The<br />
Prosecutor vs. Kayishema and Rizindana, RSTGH, Urteil v. 21.05.1999 (Case No. RSTGH-95-1), Rn. 126 hielt<br />
der Gerichtshof fest, dass: “to have jurisdiction [...], the Chamber must be satisfied that their actions were instigated<br />
or directed by a Government or by any other organization or group.”.<br />
543 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 4. Teil, Rn. 642.<br />
544 International Bar Association, International Terrorism: Legal Challenges and Responses. A Report by the International<br />
Bar Association‘s Task Force on Terrorism, 2003, 154.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 138<br />
Während die Definition <strong>des</strong> Begriffes „Staat“ unproblematisch ist, fragt sich, welche<br />
Anforderungen an das Vorliegen einer „Organisation“ zu stellen sind. Unstreitig sind<br />
unter den Organisationsbegriff Personenverbindungen einzuordnen, die eine de facto<br />
Autorität über ein bestimmtes Gebiet ausüben oder sich dort jedenfalls frei bewegen<br />
können. 545 Darüber hinaus müssen aber auch solche Personenverbindung als Organisation<br />
eingestuft werden, die über das sachliche und personelle Potential zur Begehung<br />
eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs auf eine Zivilbevölkerung verfügen.<br />
546 Neben paramilitärischen Einheiten kommen hier auch Terrororganisationen in<br />
Betracht. 547<br />
(d) „gegen die Zivilbevölkerung“<br />
Das Merkmal „zivil“ hat durch die Verbrechenselemente zu Art. 7 IStGH-Statut keine<br />
detaillierte Auslegung erfahren. <strong>Die</strong> Interpretation orientiert sich insofern anhand früherer<br />
Normierungen in den Statuten <strong>des</strong> JStGH und RStGH und deren Rechtsprechungspraxis.<br />
Generell werden unter „Zivilisten“ Personen jeglicher Nationalität<br />
verstanden, die sich nicht an Kriegshandlungen beteiligen oder ihre Beteiligung aufgegeben<br />
haben. 548 Ein derart weites Verständnis <strong>des</strong> Merkmals „zivil“ ist notwendig, um<br />
auch Angehörige <strong>von</strong> Streitkräften hors de combat, die sich aufgrund <strong>von</strong> Gefangennahme,<br />
Verwundung, Krankheit oder aus anderen Gründen nicht mehr an Kriegshandlungen<br />
beteiligen, mit in den Anwendungsbereich <strong>des</strong> Verbrechens gegen die<br />
Menschlichkeit aufzunehmen. 549 Mit dem Merkmal „Bevölkerung“ ist nicht die gesamte<br />
Population eines Staates oder Territoriums gemeint, sondern die mehrfache Begehung<br />
<strong>von</strong> Angriffen kollektiver Natur gegen die Menschheit im Allgemeinen. 550<br />
Damit grenzen sich die Verbrechen gegen die Menschlichkeit qualitativ <strong>von</strong> Kriegsverbrechen<br />
oder Delikten nach nationalem Recht ab, diese sind durch singuläre oder<br />
isolierte Akte gegen Personen gekennzeichnet. 551 <strong>Die</strong> Anwesenheit militärischen Per-<br />
545 Vgl. The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Urteil v. 07.05.1997 (Tadic, TC), Rn. 654: “[…] the law in relation to<br />
crimes against humanity has developed to take into account forces, which although not those of the legitimate<br />
government, have de facto control over […] or are able to move freely within, defined territory. […] without international<br />
recognition or formal status of a de jure state.”. Bestätigend The Prosevutor vs. Kupreškić et al.,<br />
JSTGH, Urteil v. 14.01.2000 (Kupreškić et al., TC), Rn. 552.<br />
546 Schabas/Olivier, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims, and International Law, 2003, 270 (273); Werle, Völkerstrafrecht,<br />
2003, 4. Teil, Rn. 645.<br />
547 So hat auch die ILC in ihren Beratungen zum 1996 Draft Code on the Peace and Security of Mankind wiederholt<br />
auf die Einbeziehung <strong>von</strong> Terroristen in den Organisationsbegriff hingewiesen. Vgl. auch Tomuschat,<br />
EuGRZ 1998, 1 (5).<br />
548 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 4 Teil, Rn. 631.<br />
549 Kittichaisaree, International Criminal Law, 2001, 95.<br />
550 Stahn, ZaöRV 2002, 138 (245).<br />
551 The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Urteil v. 07.05.1997 (No. IT-94-1), Rn. 644; Kittichaisaree, International<br />
Criminal Law, 2001, 95. Durch die Beschränkung <strong>des</strong> Angriffsobjekts auf die Zivilbevölkerung wird klargestellt,<br />
dass gegenüber Angehörigen feindlicher Truppen die Regeln <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts abschließend sind;<br />
Blanke/Molitor, AVR 2001, 142 (153).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 139<br />
sonals unter der angegriffenen Bevölkerung negiert das Merkmal „Zivilbevölkerung“<br />
nicht, doch muss sich die Bevölkerung mehrheitlich aus Zivilisten zusammensetzen. 552<br />
bb) Subjektiver Tatbestand<br />
(1) Voraussetzungen nach Maßgabe <strong>des</strong> Völkergewohnheitsrechts<br />
<strong>Die</strong> Festlegung der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen <strong>des</strong> Verbrechens gegen<br />
die Menschlichkeit hat sich im Einzelnen als kontrovers und schwierig erwiesen. <strong>Die</strong>s<br />
ist zum einen auf Defizite in der nationalen Rechtsprechungspraxis zurückzuführen,<br />
die oftmals in Vertiefung der einschlägigen objektiven Delikte und deren subjektiven<br />
Korrespondenten, aber ohne spezielle Würdigung der <strong>völkerrechtliche</strong>n Anforderungen<br />
an den subjektiven Tatbestand ergangen ist. 553 Zum anderen galt es, zunächst internationale<br />
Standards für den subjektiven Tatbestand zu setzen bzw. diese zu<br />
konkretisieren.<br />
Nationale Urteile und vor allem die Rechtsprechungspraxis <strong>des</strong> JStGH und RStGH<br />
konnten einen entscheidenden Beitrag zur völkergewohnheitsrechtlichen Ausgestaltung<br />
der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen leisten. <strong>Die</strong> Rechtsprechung konzentrierte<br />
sich dabei auf folgende Anforderungen: Für das Vorliegen <strong>des</strong> Verbrechens<br />
gegen die Menschlichkeit nach Völkergewohnheitsrecht ist zunächst erforderlich, dass<br />
der Täter mit Vorsatz hinsichtlich der Erfüllung <strong>des</strong> einschlägigen Tatbestan<strong>des</strong> und in<br />
dem Bewusstsein aller Tatumstände für dieses Delikt handelt. 554 <strong>Die</strong> Tathandlung<br />
muss ferner, im Gegensatz zu isolierten bzw. sporadischen <strong>Akten</strong>, in Kenntnis der<br />
Ausführung oder Unterstützung der Politik eines Staates oder einer Organisation erfolgen.<br />
555 Für den Täter, der nur indirekt an der Begehung <strong>von</strong> Verbrechen gegen die<br />
Menschlichkeit beteiligt ist, ist letztlich nicht erforderlich, dass er um die Erfüllung der<br />
genauen Tatumstände weiß. 556 Es genügt vielmehr, dass er die Risiken seiner Hand-<br />
552 The Prosecutor vs. Kayihema and Ruzindana, RSTGH, Urteil v. 21.05.1999 (Case No. RSTGH-95-1), Rn.<br />
128; zitierend The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Urteil v. 07.05.1997 (No. IT-94-1), Rn. 638; The Prosecutor<br />
vs. Rutaganda, RSTGH, Urteil v. 06.12.1999 (Case No. RSTGH-96-3-1), Rn. 70; The Prosevutor vs. Kupreskic<br />
et. al., JSTGH, Urteil v. 14.01.2000 (Case No. IT-95-16-T), Rn. 549.<br />
553 Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 361.<br />
554 Dazu Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 4. Teil, Rn. 651.<br />
555 The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Urteil und abweichende Meinung v. 07.05.1997 (Case No. IT-94-1-T),<br />
Rn. 659. Vgl. ferner The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Urteil v. 15.07.1999 (Tadic, AC), Rn. 248; The Prosecutor<br />
vs. Jelisić, Urteil v. 14.12.1999 (Jelisić, TC), Rn. 56; The Prosecutor vs. Kupreškić et. al., Urteil v.<br />
14.01.2000 (Kupeškić et. al., TC), Rn. 556; The Prosecutor vs. Blaškić, JSTGH, Urteil v. 03.03.2000 (Blaškić,<br />
TC), Rn. 246 ff.<br />
556 Vgl. Entscheidungen <strong>des</strong> Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Strafsachen, Vol. I, Fall 2, 6-10;<br />
Fall 4, 19-25 ff.; Fall 23, 91-5; Dixon, in: Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute, 1999, Art. 7,<br />
Rn. 15.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 140<br />
lung, die zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit führen können, erkennt bzw. erkennen<br />
musste. 557<br />
(2) Voraussetzungen gemäß Art. 7 IStGH-Statut<br />
Art. 7 IStGH-Statut orientiert sich an den Vorgaben <strong>des</strong> Völkergewohnheitsrechts,<br />
<strong>des</strong>sen spezifischen Voraussetzungen es verlangen, dass die Vornahme der Tat „in<br />
Kenntnis <strong>des</strong> Angriffs“ erfolgte. Dazu ist erforderlich, dass der Täter sich aktiv an der<br />
Tat beteiligt, vgl. Art. 30 IStGH-Statut. In subjektiver Hinsicht ist für das Verbrechen<br />
gegen die Menschlichkeit und seine untergeordneten Delikte (z. B. Mord und Folter)<br />
damit stets wenigstens bedingter Vorsatz erforderlich. Fahrlässigkeit und vorsätzliches<br />
Unterlassen sind <strong>von</strong> Art. 7 IStGH-Statut nicht umfasst, denn Verbrechen gegen die<br />
Menschlichkeit werden als so verheerend und schwer eingestuft, dass sie nicht bereits<br />
durch Fahrlässigkeit oder bloße Untätigkeit begangen werden können. 558<br />
Das Verbrechen gegen die Menschlichkeit bedingt das Vorliegen <strong>des</strong> Vorsatzes zum<br />
einen bezüglich <strong>des</strong> speziellen Deliktes, d. h. der Vorsatz muss die Verwirklichung<br />
(zumin<strong>des</strong>t) einer Tatbestandsmodalität <strong>des</strong> Art. 7 IStGH-Statut umfassen. Zum anderen<br />
muss der Vorsatz auf einen ausgedehnten oder systematischen Angriff gegen die<br />
Zivilbevölkerung gerichtet sein, wobei hier bedingter Vorsatz genügt. 559 Wie der<br />
RSTGH im Fall Kayishema festgehalten hat, ist erforderlich, dass:<br />
„The perpetrator must knowingly commit crimes against humanity in the sense that he<br />
must understand the overall context of his act. [...] Part of what transforms an individual´s<br />
act into a crime against humanity is the inclusion of the act within a greater dimension of<br />
criminal conduct; therefore an accused should be aware of this greater dimension in order<br />
to be culpable thereof. [...]“ 560<br />
Der spezifische Vorsatz, „in Kenntnis <strong>des</strong> Angriffs“ zu handeln, unterliegt dabei nicht<br />
den strengen Anforderungen, die dem Völkermord zu Eigen sind. Eine Person, die sich<br />
an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt, aber nicht weiß, dass es sich bei der<br />
Tathandlung um systematische Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung handelt, ist<br />
etwa wegen Mord und ggf. Kriegsverbrechen zu bestrafen, sie kann aber vom IStGH<br />
nicht wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit verurteilt werden. Sofern<br />
557 Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 362 f.<br />
558 Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 375. Schon früh fanden die Staaten<br />
einen Konsens darüber, dass Fahrlässigkeit grundsätzlich keine hinreichende Grundlage für eine Strafbarkeit<br />
nach dem Statut bilden sollte. Dazu Clark, ZStW 2002, 372 (378).<br />
559 Schabas, Introduction ICC, 2001, 37. Vgl. ferner BMJ, Regierungsentwurf für ein deutsches Völkerstrafgesetzbuch,<br />
BR-Drucks. 14/8524 v. 13.03.2002, 46.<br />
560 The Prosecutor vs. Kayishema and Ruzindana, RSTGH, Urteil v. 21.05.1999 (Case No. RSTGH-95-1), Rn.<br />
133 - 134.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 141<br />
aber die Kenntnis <strong>des</strong> Täters bejaht werden kann, unterliegt dieses Kriterium einer weniger<br />
engen Interpretation. Nach Maßgabe der Verbrechenselemente zu Art. 7 IStGH-<br />
Statut erfüllt eine Person auch dann den Tatbestand <strong>des</strong> Art. 7 IStGH-Statut, wenn sie<br />
keine Kenntnis <strong>von</strong> allen Charakteristika <strong>des</strong> Angriffs oder den genauen Details <strong>des</strong><br />
Plans hatte. 561 <strong>Die</strong>se Voraussetzung stellt das Ergebnis eines Kompromisses im Streit<br />
um die inhaltliche Ausgestaltung der subjektiven Anforderungen <strong>von</strong> Art. 7 IStGH-<br />
Statut dar. Während einerseits Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut nur die Kenntnis <strong>von</strong> einem<br />
Angriff auf die Zivilbevölkerung voraussetzt, wäre es andererseits zuviel verlangt, <strong>von</strong><br />
einem Beteiligten ein Wissen um die genauen Details einer hinter den Taten stehenden<br />
Politik zu erwarten. Damit würde eine Verurteilung nahezu unmöglich gemacht werden.<br />
Als Kompromiss wird auf eine Kenntnis aller Charakteristika <strong>des</strong> Angriffs oder<br />
<strong>des</strong> genauen Detailwissens einer Politik verzichtet. 562<br />
Fraglich bleibt, ob für die Erfüllung <strong>des</strong> subjektiven Tatbestan<strong>des</strong> <strong>des</strong> Art. 7 IStGH-<br />
Statut darüber hinaus das Vorliegen eines bestimmten Motivs für das Verbrechen gegen<br />
die Menschlichkeit notwendig ist. Weder die Norm selbst noch die dazugehörigen<br />
Verbrechenselemente enthalten ein solches Erfordernis. Der JStGH hat sich in seiner<br />
Rechtsprechung im Fall Tadić dazu geäußert und festgehalten, dass das Verbrechen<br />
gegen die Menschlichkeit generell keine spezifischen Motive voraussetzt. 563 Ihr Vorhandensein<br />
trägt weder zur Schuld <strong>des</strong> Täters bei noch kann ihr Mangel die Unschuld<br />
<strong>des</strong> Täters bekräftigen. 564 Insbesondere bedarf es bei dem Angriff gegen die Zivilbevölkerung<br />
nicht der speziellen politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, religiösen<br />
oder sonstigen Motivation. 565<br />
b) Subsumtion <strong>des</strong> internationalen Terrorismus unter Art. 7 IStGH-Statut<br />
Der Darstellung der objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen <strong>des</strong><br />
Verbrechens gegen die Menschlichkeit folgt die Prüfung, ob konkrete terroristische<br />
Verhaltensweisen unter die einzelnen Tatbestände <strong>des</strong> Art. 7 IStGH-Statut einzuordnen<br />
sind: Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus können im Rahmen <strong>des</strong> Art. 7 IStGH-<br />
Statut dabei zweierlei Beachtung finden. Sie können ein Delikt nach Art. 7 Abs. 1 lit. a<br />
561 Vgl. Art. 7 IStGH-Statut, Elements of Crimes: “These elements clarify requisite participation in and knowledge<br />
of a wi<strong>des</strong>pread or systematic attack against a civilian population. However, the last element should not be<br />
interpreted as requiring proof that the perpetrator had knowledge of all characteristics of the attack or the precise<br />
details of the plan or policy of the State or organization. In the case of an emerging wi<strong>des</strong>pread or systematic attack<br />
against a civilian population, the intent clause of the last element indicates that this mental element is satisfied<br />
if the perpetrator intended to further such an attack.”. S. dazu Schabas, Introduction ICC, 2001, 37; Vogel,<br />
ZStW 2002, 372 (399).<br />
562 Ambos, NJW 2001, 405 (406).<br />
563 The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Urteil v. 07.05.1997 (No. IT-94-1-T), Rn. 634 und 658 f.<br />
564 Schabas, Introduction ICC, 2001, 37.<br />
565 Einzige Ausnahme bildet hier das Delikt der Verfolgung, vgl. Art. 7 Abs. lit. h IStGH-Statut.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 142<br />
- j IStGH-Statut darstellen oder als „unmenschliche Behandlung“ im Rahmen <strong>des</strong> Art.<br />
7 Abs. 1 lit. k IStGH-Statut einzuordnen sein.<br />
aa) Vorsätzliche Tötung (Art. 7 Abs. 1 lit. a IStGH-Statut)<br />
Das Delikt der vorsätzlichen Tötung nach Art. 7 Abs. 1 lit. a IStGH-Statut scheint vordergründig<br />
auf Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus anwendbar zu ein. Gemäß den<br />
Verbrechenselementen muss der Terrorakt zum Tod einer Person oder einer Vielzahl<br />
<strong>von</strong> Personen führen und im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs<br />
gegen die Zivilbevölkerung stattfinden. Auf der subjektiven Seite ist erforderlich, dass<br />
der Täter vorsätzlich und in Kenntnis <strong>des</strong> Angriffs handelt.<br />
(1) Terrorhandlungen als vorsätzliche Tötung<br />
Ein einfacher oder kombinierter Terroranschlag beinhaltet die Vornahme mehrfacher,<br />
tödlicher Gewaltanwendungen gegen eine Person bzw. gegen eine Vielzahl <strong>von</strong> Personen.<br />
Mit Blick auf die unterschiedlichen, <strong>modernen</strong> Terrormittel ist der Tod einer<br />
Vielzahl <strong>von</strong> Menschen sowohl der konventionellen Terrorführung als auch den Ausführungsformen<br />
<strong>des</strong> Atomterrorismus, Bioterrorismus und Chemieterrorismus immanent.<br />
566 Insbesondere Massenvernichtungswaffen können auf einen Schlag den Tod<br />
ganzer Bevölkerungsteile herbeiführen. Terroranschläge mittels konventioneller Waffen<br />
in Gestalt und Größenordnung <strong>des</strong> 11. September 2001 bedienen sich Sprengstoffen<br />
oder Schusswaffen zur wahllosen Tötung zahlreicher Opfer. <strong>Die</strong> Verwendung<br />
nuklearer bzw. radiologischer Waffen verspricht noch weitaus höhere Opferzahlen, da<br />
sie innerhalb kürzester Zeit enorme Zerstörungskräfte in Form <strong>von</strong> Hitze, Druck und<br />
Strahlung freisetzen können. Werden biologische Erreger oder chemische Nervengase<br />
in der Terrorführung verwendet, kann es sich hier um die Manipulation <strong>von</strong> Lebensgrundlagen<br />
oder um direkte Eingriffe in den menschlichen Organismus handeln, die in<br />
beiden Fällen zum Tod einer Vielzahl <strong>von</strong> Menschen führen. Wenn Akte <strong>des</strong> Cyberterrorismus<br />
auf die bewusste Manipulation <strong>von</strong> Informationssystemen angelegt sind, so<br />
dass sie die Kontrolle hoch sensibler Sicherheitsbereiche beeinträchtigen und zu tödlichen<br />
Eingriffen etwa in den zivilen Luftverkehr oder zu Störungen ziviler Objekte wie<br />
atomare Anlagen oder die Infrastruktur <strong>von</strong> Krankenhäusern führen, 567 dann sind auch<br />
cyberterroristische Aktivitäten gleichermaßen unter Art. 7 Abs. 1 lit. a IStGH-Statut<br />
einzuordnen.<br />
566 Vgl. zu den möglichen Auswirkungen schwerer konventioneller sowie nuklearer, chemischer und biologischer<br />
Terroranschläge unter B. III. 1. und 2. a).<br />
567 Vgl. zu den Folgen cyberterroristischer Aktivität B. III. 1 c).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 143<br />
(2) Terrorhandlungen im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen<br />
Angriffs<br />
Erforderlich ist nach der Eingangsformulierung <strong>des</strong> Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut ferner,<br />
dass die Handlungen „im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs<br />
gegen die Zivilbevölkerung“ begangen werden. <strong>Die</strong> Verbrechenselemente definieren<br />
diesen als mehrfache Begehung der in Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut benannten Handlungen<br />
in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik eines Staates oder einer Organisation.<br />
Das Erfordernis der vorsätzlichen Tötung in Ausführung oder zur Unterstützung der<br />
Politik eines Staates oder einer Organisation kann sowohl <strong>von</strong> Staaten als auch <strong>von</strong><br />
nicht-staatlichen Akteuren erfüllt werden. Dass speziell private Akte <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus, die eine entsprechende Schwere aufweisen, ein Verbrechen gegen die<br />
Menschlichkeit darstellen können, fordert das traditionelle Verständnis dieses Tatbestan<strong>des</strong>,<br />
der bislang in der Regel auf staatliche Akteure begrenzt war. 568 Der Wortlaut<br />
<strong>des</strong> Art. 7 Abs. 2 lit. a IStGH-Statut lässt aber erkennen, dass ein Verbrechen gegen<br />
die Menschlichkeit nicht nur <strong>von</strong> Angehörigen <strong>des</strong> staatlichen Apparates begangen<br />
werden kann, sondern auch <strong>von</strong> autonom agierenden, privaten Terrorgruppierungen,<br />
sofern es sich bei diesen um eine organisatorische Einheit handelt, die eine eigene Politik<br />
aufweist. Angesichts <strong>des</strong> hohen Organisationsgra<strong>des</strong> und <strong>des</strong> Gefährdungspotential<br />
moderner Terrorgruppen müssen sie als fortentwickelt genug eingestuft werden, um<br />
als Organisation im Sinne <strong>des</strong> Art. 7 Abs. 2 lit. a IStGH-Statut eingeordnet zu werden.<br />
Indem der Anwendungsbereich <strong>des</strong> Art. 7 Abs. 2 lit. a IStGH-Statut die Politik einer<br />
Organisation in seinen Anwendungsbereich mit einbezieht, besteht die Möglichkeit,<br />
das Verhalten privater Terrorakteure, die losgelöst <strong>von</strong> staatlichen Anbindungen agieren,<br />
unter die Norm zu subsumieren. Hiermit hält das IStGH-Statut eine wesentliche<br />
Neuerung bereit und eröffnet die Gelegenheit, Terrorakte auf der <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Ebene zu kriminalisieren, die <strong>von</strong> einzelnen internationalen Terroristen oder autonom<br />
agierenden Terrorgruppierungen begangen werden.<br />
Darüber hinaus ist in Art. 7 Abs. 2 lit. a IStGH-Statut das Erfordernis einer mehrfachen<br />
Begehung <strong>des</strong> Tötungsdelikts legaldefiniert. Tatbestandsmäßig sind staatliche<br />
oder nicht-staatliche Terrorakte, die sich nur als punktuelle Gewaltanwendung darstellen,<br />
nur dann, wenn eine Bezugnahme zu vorangegangenen Terrorakten hergestellt<br />
werden kann. Entsprechend der Formulierung der Verbrechenselemente stellt bereits<br />
568 Schabas/Olivier, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims, and International Law, 2003, 270 (272); Stahn, ZaöRV<br />
2002, 183 (247); Bassiouni im Gespräch mit der Autorin (Anmerkungen bei der Autorin).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 144<br />
der Auftakt zu einer Mehrzahl <strong>von</strong> Terrorangriffen ein vollendetes Delikt dar. 569 Wie<br />
der JStGH in seiner Rechtsprechung anerkannt hat, sind auch Einzelverbrechen als<br />
Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen, solange sie sich in einen staatlichen<br />
oder organisatorischen Plan einfügen. 570 Auch wenn sich Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
oftmals durch Einzeltaten charakterisieren lassen, unterscheiden sie sich <strong>von</strong><br />
gewöhnlichen kriminellen Handlungen dadurch, dass die Einzelaktionen im Zusammenhang<br />
mit einer terroristischen Strategie stehen und eine gemeinsame terroristische<br />
Zielsetzung verfolgen. Demzufolge ist nicht erforderlich, dass ein Terrorist mehrere<br />
Anschläge begehen muss, solange sein Anschlag einem gemeinsamen, größeren terroristischen<br />
bzw. politischen Plan dient, welcher sich bereits bei anderen, früheren oder<br />
späteren Terroranschlägen manifestiert. 571<br />
Im Hinblick auf die Evaluierung der Terroranschläge vom 11. September 2001 ist<br />
festzustellen, dass die durch die Terrororganisation Al Kaida lancierten Angriffe auf<br />
das World Trade Center und das Pentagon in Verfolgung <strong>des</strong> terroristischen Plans ausgeführt<br />
wurden, unter der amerikanischen Bevölkerung hohe menschliche Verluste<br />
hervorzurufen, die Bevölkerung zu terrorisieren und so den US-amerikanischen Staat<br />
zu schwächen. In Verfolgung dieser Terrorstrategie haben der Al Kaida angehörigen<br />
Terroristen mehrere Ziele gleichzeitig attackiert und damit ihren Angriff ausgedehnt<br />
und systematisch durchgeführt. <strong>Die</strong> Attentate vom 11. September 2001 stellen sich<br />
auch aus einem anderen Grund nicht lediglich als terroristische Einzeltaten dar; man<br />
muss berücksichtigen, dass die Anschläge im Zusammenhang mit früheren Al Kaida<br />
Aktionen standen: Bereits das Bombenattentat auf das World Trade Center im Jahr<br />
1993 oder die Anschläge auf die USS Cole sowie die US-Botschaft in Nairobi (Kenia)<br />
und Dar es Salaam (Tansania) sind <strong>von</strong> der Al Kaida ausgeführt worden und weisen<br />
der Organisation eine Terrorstrategie nach, die als ausgedehnt und systematisch zu<br />
bewerten ist. 572 Ferner hat sich Al Kaida mit ihrem Organisationsgrad, ihrer Planungsexpertise<br />
und den Ausführungsmodalitäten als eine strukturierte, organisatorische Ein-<br />
569 Vest, ZStR 2003, 46 (53); Rückert/Witschel, in: Fischer (Hrsg.), International and National Prosecution of<br />
Crimes under International Law, 2001, 72 f.<br />
570 „[...] as long as there is a link with the wi<strong>des</strong>pread or systematic attack against a civilian population, a single<br />
act could qualify as a crime against humanity.“. Vgl. The Prosecutor v. Tadic, JSTGH, Urteil und abweichende<br />
Meinung v. 07.05.1997 (No. IT-94-1-T), Rn. 649.<br />
571 International Bar Association, International Terrorism: Legal Challenges and Responses. A Report by the International<br />
Bar Association‘s Task Force on Terrorism, 2003, 154.<br />
572 Zu weiteren Beispielen <strong>von</strong> Anschlägen, die vermutlich <strong>von</strong> der Al Kaida gegen US-amerikanische Einrichtungen<br />
vorgetragen wurden, s. Sharp, CJIL 2000, 37 (44), der neben den benannten Attacken die 1995 und 1998<br />
Bombenanschläge auf US-Militäreinrichtungen in Saudi-Arabien sowie die Unterstützung Bin Ladins <strong>von</strong> Aufständischen<br />
gegen US-Truppen in Somalia 1993 auflistet. Ausführlich zum Bombenanschlag auf das World Trade<br />
Center im Jahr 1993 sowie den Anschlägen auf die US-Botschaften in Afrika s. „Responding to Terrorism:<br />
Crime, Punishment, and War“, Harv. L. Rev. 2002, 1217 (1219 ff.); Veuthey, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims,<br />
and International Responsibility, 2003, 369 (375).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 145<br />
heit ausgewiesen, die eine eigene Politik verfolgt. <strong>Die</strong> Terrororganisation Al Kaida<br />
und ihre Handlungen vom 11. September 2001 erfüllen damit die Voraussetzungen der<br />
Legaldefinition <strong>des</strong> Art. 7 Abs. 2 lit. a IStGH-Statut. 573<br />
Sofern sich bei (denkbaren) künftigen schweren Bombenattentaten, dem Verbringen<br />
<strong>von</strong> Bio- oder Chemiematerial oder elektronischen Angriffen auf wichtige Informationssysteme<br />
die Existenz einer dahinter stehenden, organisatorischen Terrorstrategie<br />
nachweisen ließe, müssten auch Akte <strong>des</strong> Atom-, Bio-, Chemie- sowie Cyberterrorismus<br />
als ausgedehnte und systematische Angriffe qualifiziert werden.<br />
(3) Terrorhandlungen gegen die Zivilbevölkerung<br />
Um dem Tatbestandsmerkmal der Zivilbevölkerung in Art. 7 IStGH-Statut zu genügen,<br />
muss nicht zwingend die gesamte Population eines Staates oder Territoriums <strong>von</strong><br />
einem Terrorangriff in Mitleidenschaft gezogen werden, sondern der Angriff muss<br />
sich gegen die Menschheit im Allgemeinen richten. Terroranschläge wie jene vom<br />
11. September 2001 werden nicht gegen einzelne Individuen im Speziellen oder gegen<br />
Personen in bestimmten Städten oder auf ausgewählten Plätzen ausgeführt, sondern sie<br />
richten sich gegen die Zivilbevölkerung generell. 574 Aufgrund <strong>des</strong> unterschiedslosen<br />
Charakters solcher Terrorakte betreffen sie wahllose Opfer unter der Zivilbevölkerung.<br />
Jedermann kann jederzeit zum Opfer werden. So können auch systematisch vorgetragene<br />
Terrorakte, die <strong>von</strong> einem Staat, <strong>von</strong> einem individuellen Täter oder einer Tätergruppe<br />
gegen ein einzelnes Opfer, eine kleine Anzahl an Opfern oder gegen Tausende<br />
<strong>von</strong> Zivilisten gerichtet werden, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit geahndet<br />
werden.<br />
Mit Blick auf den 11. September 2001 und die Tatsache, dass eines der Flugzeuge auf<br />
das Pentagon gerichtet war, ist fraglich, ob auch militärisches Personal als Opfer in<br />
den Anwendungsbereich <strong>des</strong> Verbrechens gegen die Menschlichkeit fällt. Der JStGH<br />
hat im Fall Tadić die Auffassung vertreten, dass eine Anlage mehrheitlich <strong>von</strong> Zivilisten<br />
bevölkert sein muss, um als adäquates Angriffsobjekt bewertet werden zu können.<br />
Sofern der IStGH eine solche enge Auslegung <strong>des</strong> Merkmals „zivil“ verlangt, hieße<br />
das, dass der Angriff auf das World Trade Center in New York ein Verbrechen gegen<br />
573 So auch Vest, ZStR 2003, 46 (52); Bassiouni, HarvILJ 2001, 83 (101); Cassese, EJIL 2001, 994 f.; Drumbl,<br />
HRQu 2002, 323 (336); Stahn, ZaöRV 2002, 183 (248); Arnold, The ICC as a New Instrument for Repressing<br />
Terrorism, 2004, 263; International Bar Association, International Terrorism: Legal Challenges and Responses.<br />
A Report by the International Bar Association‘s Task Force on Terrorism, 2003, 153.<br />
574 Bin Ladin äußerte in einem Interview, dass nach seiner Auffassung die Twin Towers „rechtmäßige“ Ziele seien,<br />
da die Opfer nicht als Zivilisten gelten, sondern für das amerikanische System arbeiteten. S. Chamber, Bin<br />
Ladin: Yes, I did it, in: London Telegrapgh v. 11.11.2001, http://www.telegraph.co.uk/news/main/<br />
jhtml?xml=/news/2001/11/11/wbin11xml. Ferner Slaughter/Burke-White, HarvILJ 2002, 1 (3).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 146<br />
die Menschlichkeit darstellen würde; der Anflug auf das Pentagon hingegen nicht. Es<br />
ließe sich argumentieren, dass das auf das Pentagon zusteuernde Flugzeug Zivilisten<br />
an Bord hatte und sich weitere Zivilisten im Pentagon aufhielten, so dass auch dieser<br />
Angriff auf das Pentagon nicht zwingend einen Angriff auf Nicht-Zivilisten darstellte.<br />
Ebenso kann aber argumentiert werden, dass der Angriff auf das Pentagon das militärische<br />
Machtzentrum der USA treffen sollte und folglich als Angriff auf Nicht-<br />
Zivilisten geführt wurde. Letzteres würde bedeuten, dass das Tatbestandsmerkmal „zivil“<br />
nicht erfüllt wäre und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit verneint werden<br />
müsste. 575 Aus Gründen der rechtlichen Konkretisierung wäre es daher angemessener<br />
gewesen, entgegen der Definition „zivil“ im IStGH-Statut einen Ansatz entsprechend<br />
dem humanitären Völkerrecht zu wählen und der Formulierung <strong>des</strong> „Nicht-<br />
Kombattanten“ zu folgen, um hier die Lücke zum humanitären Recht zu schließen.<br />
<strong>Die</strong>se würde zur Anwendung der Genfer Konventionen führen und jene erst dann ausschließen,<br />
wenn kein bewaffneter Konflikt vorliegt. 576<br />
Momentan ist nicht absehbar, wie der IStGH das Merkmal „zivil“ auslegen wird. Es<br />
bleibt zu hoffen, dass ein Terrorangriff auf Nicht-Zivilisten während Friedenszeiten -<br />
staatlich oder privat ausgeführt, mittels konventioneller Waffentechnik oder mittels<br />
Massenvernichtungswaffen - nicht aus dem Anwendungsbereich <strong>des</strong> IStGH-Statut<br />
herausfällt, um strafrechtlich dem Charakter moderner Terrorschläge gerecht zu werden.<br />
Zu vermuten ist, dass der IStGH eine enge Definition wählen wird, welche angesichts<br />
der neuen Qualität terroristischer Gewalt und der terroristischen Fokussierung<br />
auf wahllose Opfer durchaus hinterfragt werden kann.<br />
bb) Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung (Art. 7 Abs.<br />
1 lit. d IStGH-Statut)<br />
Für Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus kann insbesondere Art. 7 Abs. 1 lit. a IStGH-Statut einschlägig<br />
sein, der die Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung<br />
zum Inhalt hat. Obwohl die Vertreibung einer Bevölkerung oder deren zwangsweise<br />
Überführung sich nicht als typische, moderne terroristische Handlungsweise abzeichnet,<br />
da sie weder zwingend die Massenvernichtung noch die Destruktion politischer<br />
Systeme beinhaltet, hat die <strong>völkerrechtliche</strong> Rechtsprechungspraxis indiziert, dass die<br />
Vertreibung der Bevölkerung eine Politik <strong>des</strong> Terrors darstellt und als Verbrechen gegen<br />
die Menschlichkeit bewertet werden kann. 577 Der JStGH hat dies hinsichtlich der<br />
575 International Bar Association, International Terrorism: Legal Challenges and Responses. A Report by the International<br />
Bar Association‘s Task Force on Terrorism, 2003, 153.<br />
576 Sadat, ICC and the Transformation of International Law, 2002, 154.<br />
577 Dazu Arnold, The ICC as a New Instrument for Repressing Terrorism, 2004, 266.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 147<br />
Vertreibung der Kosovo-Albaner sowie der Bosnischen Muslime bestätigt. 578<br />
Maßnahmen der Vertreibung und die zwangsweise Überführung der Bevölkerung lassen<br />
sich bislang ausschließlich auf staatliche Aktivitäten zurückführen, die in Ausführung<br />
der Politik eines Staates erfolgen. Es ist nicht zu erwarten, diesen<br />
Handlungsmodus bei autonom agierenden, nicht-staatlichen Terrorgruppen vorzufinden.<br />
<strong>Die</strong> Verbringung einer Vielzahl <strong>von</strong> Personen durch Ausweisung aus einem Gebiet<br />
entspricht nicht der Handlungsweise und der Zielsetzung internationaler<br />
Terroristen, da diese durch Einzel- oder Mehrfachaktionen punktuell Gewalt anwenden,<br />
um so Schrecken und Chaos unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten. <strong>Die</strong><br />
Verbringung einer Bevölkerung in ein anderes Gebiet stellt sich für private Terrorakteure<br />
als zu langwierig, aufwendig und hinsichtlich der Verfolgung moderner Terrorstrategien<br />
wenig Erfolg versprechend dar. Zu erwarten ist, dass Art. 7 Abs. 1 lit. d<br />
IStGH-Statut ausschließlich auf Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus anwendbar ist; dies aber<br />
auch nur dann, wenn die Vertreibungsmaßnahmen den Voraussetzungen <strong>des</strong> Art. 7<br />
Abs. 2 lit. d IStGH-Statut entsprechen und in Ausführung oder Unterstützung einer<br />
staatlichen Politik erfolgen.<br />
cc) Freiheitsberaubung (Art. 7 Abs. 1 lit. e IStGH-Statut)<br />
Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus stellen sich als äußerst komplexe Delikte dar und<br />
können neben der Tötung oder Sachbeschädigung auch den Freiheitsentzug beinhalten.<br />
<strong>Die</strong>s ist etwa bei Flugzeugentführungen und bei Besetzungen <strong>von</strong> maritimen oder zivilen<br />
Anlagen der Fall, auch kann die Manipulation <strong>von</strong> Informationssystemen dazu führen,<br />
Personen vorübergehend ihre Bewegungsfreiheit zu entziehen. <strong>Die</strong><br />
Verbrechenselemente verlangen, dass der Täter eine oder mehrere Personen in Gefangenschaft<br />
nimmt oder sie anderweitig ihrer körperlichen Freiheit beraubt. 579 Der Freiheitsentzug<br />
muss dabei eine ausreichende Schwere aufweisen, so dass fundamentale<br />
Regeln <strong>des</strong> Völkerrechts betroffen sind. 580<br />
<strong>Die</strong> rechtliche Bewertung individueller Terrorakte muss sich mit Blick auf das Delikt<br />
der Freiheitsberaubung zuvörderst an klassischen terroristischen Geiselnahmen orientieren,<br />
die auch im <strong>modernen</strong> Terrorkampf nicht wegzudenken sind. Der Geiselnahme<br />
ist der Freiheitsentzug immanent, so dass es bei Art. 7 Abs. 1 lit. e IStGH-Statut darauf<br />
578 Vgl. The Prosecutor vs. Krstic, JSTGH, Urteil v. 02.08.2001 (Case No. IT-98-33), Rn. 607; The Prosecutor<br />
vs. Milosevic, Second Amended Indictment v. 29.10.2001 (Case No. IT-99-37-PT)<br />
http://www.un.org./icty/indictment/English/mil-2ai011029e.htm, Rn. 53 - 59.<br />
579 Übersetzung der Autorin <strong>von</strong> Art. 7 (1) (e) IStGH-Statut, Elements of Crimes: “1. The perpetrator imprisoned<br />
one or more persons or otherwise deprived one or more persons of physical liberty.”.<br />
580 Vgl. Art. 7 (1) (e) Ziff. 2 IStGH-Statut, Elements of Crimes.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 148<br />
ankommt, das Einzeldelikt im Zusammenhang mit einem ausgedehnten oder systematischen<br />
Angriff gegen die Zivilbevölkerung und zur Unterstützung einer Politik nachzuweisen.<br />
<strong>Die</strong> den Abstürzen auf das World Trade Center und das Pentagon vorausgegangenen<br />
Freiheitsberaubungen der Passagiere in den Flugzeugen erfüllen die erforderlichen<br />
Kriterien <strong>des</strong> Art. 7 Abs. 1 lit. e IStGH-Statut. <strong>Die</strong> Angriffe müssen daher dieser Tatbestandsmodalität<br />
<strong>des</strong> Verbrechens gegen die Menschlichkeit zugeordnet werden. In<br />
Art und Ausmaß der Durchführung hat ferner die Geiselnahme im Moskauer Dubrovka<br />
Theater im Oktober 2002 die internationale Gemeinschaft erschüttert, bei der etwa<br />
700 russische Zivilisten <strong>von</strong> einem tschetschenischen Terrorkommando festgehalten<br />
wurden. Rechtlich muss die Geiselnahme hier dann als Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />
bewertet werden, sofern sich diese Terroraktion als Unterstützung <strong>des</strong> tschetschenischen<br />
Ringens um staatliche Unabhängigkeit darstellt. 581<br />
Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus können neben der Geiselnahme auch die völkerrechtswidrige<br />
Inhaftierung oder Internierung <strong>von</strong> Personen umfassen. Als Beispiele sind hier u.<br />
a. die politischen Verfolgungen und Gefangennahmen durch argentinische und chilenische<br />
Militärs in den 70er Jahren zu nennen. 582<br />
In der Gesamtschau ist für den Tatbestand <strong>des</strong> Art. 7 Abs. 1 lit. e IStGH-Statut festzuhalten,<br />
dass staatliche und nicht-staatliche Terrorhandlungen, welche die körperliche<br />
Freiheitsberaubung und Erzwingung <strong>des</strong> Freiheitsentzugs zum Gegenstand haben,<br />
dann dem Anwendungsbereich <strong>von</strong> Art. 7 Abs. 1 lit. e IStGH-Statut unterfallen, wenn<br />
sie einem ausgedehnten oder systematischen Modus unterliegen und eine diesbezügliche<br />
Politik nachzuweisen ist.<br />
dd) Folter (Art. 7 Abs. 1 lit. f IStGH-Statut)<br />
Sofern Geiseln oder sonstige Opfer während terroristischer Gewalttaten körperlichen<br />
oder seelischen Misshandlungen ausgesetzt sind, können Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
den Tatbestand der Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen.<br />
<strong>Die</strong> dem IStGH-Statut zugrunde liegende Folterdefinition folgt in weiten Teilen den<br />
Vorgaben der Folterkonvention <strong>von</strong> 1948. 583 Wesentlicher und – mit Blick auf die<br />
Einbeziehung nicht-staatlicher Terroraktivitäten in den Anwendungsbereich <strong>des</strong><br />
IStGH-Statuts – wichtigster Unterschied zur Folterkonvention ist, dass Art. 7 Abs. 1<br />
581 S. auch Arnold, The ICC as a New Instrument for Repressing Terrorism, 2004, 267.<br />
582 Vgl. Arnold, The ICC as a New Instrument for Repressing Terrorism, 2004, 266 f.<br />
583 Übereinkommen gegen Folter oder andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder<br />
Strafe v. 10.12.1984, BGBl. 1990 II, 246.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 149<br />
lit. f IStGH-Statut keine staatliche Anbindung mehr erfordert und dementsprechend<br />
Folterhandlungen <strong>von</strong> staatlichen und privaten Akteuren in den Anwendungsbereich<br />
der Norm fallen. Während die Folterkonvention in ihrer Ausgestaltung als menschenrechtliches<br />
Schutzinstrument auf den Schutz <strong>des</strong> Einzelnen vor staatlicher Repression<br />
ausgerichtet ist, liegt der Ansatzpunkt für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />
darin, jegliches Folterverhalten zu kriminalisieren, solange es sich als ausgedehnten<br />
oder systematischen Angriff auf die Zivilbevölkerung darstellt. 584<br />
Art. 7 Abs. 1 lit. f IStGH-Statut verlangt keinen speziellen, hinter der Folterhandlung<br />
stehenden Zweck. Art. 7 Abs. 1 lit. f IStGH-Statut und der Folterkonvention ist gemein,<br />
dass die Folter nicht jene Schmerzen oder Leiden umfasst, die sich aus gesetzlich<br />
zulässigen Sanktionen ergeben. 585<br />
<strong>Die</strong> Vornahme <strong>von</strong> Folterhandlungen an Zivilisten durch internationale Terrorakteure<br />
ist in vielen Konstellationen vorstellbar. Auf den ersten Blick kommen Akte physischer<br />
und psychischer Gewalthandlungen an Geiseln oder sonstigen durch Terroristen<br />
festgehaltenen Personen in Betracht. Etwa die jüngst erfolgten Geiselnahmen <strong>von</strong> ausländischen<br />
Zivilisten im Irak oder in Afghanistan können dann als Folter im Kontext<br />
der Verbrechen gegen die Menschlichkeit klassifiziert werden, wenn sich hier eine<br />
Verbindung zwischen den Attentätern und etwa der Al Kaida und deren Kampf gegen<br />
das US-amerikanische System herstellen ließe. <strong>Die</strong> Misshandlungen während der Gefangennahme<br />
und die in Aussicht gestellte und sodann öffentlich vollzogene Ermordung<br />
der betroffenen Personen stellen ein großes körperliches und seelischen Leiden<br />
dar, welches aufgrund der steigenden Häufigkeit solcher Taten und der qualvollen Art<br />
und Weise der Terrorausführung (z. B. Köpfen der Geiseln) die Menschheit im Ganzen<br />
schockiert. 586<br />
Folterhandlungen sind aber auch staatlichen Akteuren zuzuordnen, die zur Unterdrückung<br />
der eigenen Bevölkerung oftmals die Grenze zwischen staatlich erlaubter Sanktion<br />
und Folter überschreiten. Neu ist hier eine erhöhte staatliche Gewaltbereitschaft<br />
im Rahmen <strong>von</strong> zeitgenössischen Anti-Terrorismuskampagnen. Während Terroristen<br />
alle Methoden im <strong>modernen</strong> Terrorkampf einsetzen, sind dem Staat nicht alle Methoden<br />
in der Terrorismusbekämpfung erlaubt. Das Völkerrecht sieht hier einen humanitären<br />
Min<strong>des</strong>tstandard an Rechten vor, einschließlich <strong>des</strong> absoluten Verbots der Folter.<br />
584 Vgl. Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 4. Teil, Rn. 693; Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-<br />
Commentary, 2002, Vol. 1, 374.<br />
585 Vgl. Art. 7 Abs. 2 lit. e IStGH-Statut.<br />
586 S. u. a. ASIL Diskussionsforum v. 29.09.2004 über die Thematik der Geiselnahme und Folterung <strong>von</strong> zivilen<br />
Vertragsarbeitern im Irak; ASILforum@listserve.asil.org (Emails im Besitz der Autorin).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 150<br />
Insbesondere nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ist eine vermehrte<br />
Bereitschaft unter den Staaten erkennbar, gegen moderne Terrorgefahren mit massiven<br />
repressiven Mittel vorzugehen. <strong>Die</strong>se beinhalten auch die fragwürdige Praxis der gewaltsamen<br />
Inhaftierung und Misshandlung <strong>von</strong> Terrorverdächtigen beinhalten. Mit<br />
Blick auf die gestiegene Verletzbarkeit der Zivilgesellschaft durch moderne Terrorschläge<br />
sowie vor dem Hintergrund der möglichen, terroristischen Verwendung <strong>von</strong><br />
Massenvernichtungswaffen hat insbesondere das „ticking bomb“ Szenario gegenwärtig<br />
Auftrieb erhalten und die Debatte Raum gewonnen, in der darüber diskutiert wird, ob<br />
und unter welchen Umständen Folter <strong>von</strong> Terroristen akzeptabel sei. 587 Hierin liegt die<br />
Gefahr der Aufweichung <strong>des</strong> absoluten Folterverbots. Als Folter im Kontext <strong>des</strong><br />
Verbrechens gegen die Menschlichkeit können derartige Szenarien, wie die Misshandlung<br />
<strong>von</strong> Terrorverdächtigen der Prüfung <strong>des</strong> Art. 7 Abs. 1 lit. f IStGH-Statut allerdings<br />
auch nur dann unterfallen, wenn sie systematischer Natur sind und gegen<br />
Zivilisten in Ausführung oder Unterstützung einer staatlichen Agenda durchgeführt<br />
werden.<br />
ee) Verfolgung (Art. 7 Abs. 1 lit. h IStGH-Statut)<br />
Entgegen seiner Vorläufer in früheren Statuten 588 normiert das IStGH-Statut das Delikt<br />
der Verfolgung im Detail und fasst darunter den völkerrechtswidrigen, vorsätzlichen<br />
und schwerwiegenden Entzug <strong>von</strong> Grundrechten einer identifizierbaren Gruppe oder<br />
Gemeinschaft aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen, religiösen,<br />
geschlechtsspezifischen oder anderen Gründen, die mit dem Völkerrecht unvereinbar<br />
sind. 589 Art. 7 Abs. 1 lit. h IStGH-Statut unterscheidet sich vom Straftatbestand<br />
<strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong> insofern, als diese Norm auch den Schutz politischer und kultureller<br />
Gruppierungen vorsieht. Gemäß den Verbrechenselementen muss der Täter einer oder<br />
mehrerer Personen, wegen der Zugehörigkeit zu der betroffenen Gruppe oder Gemeinschaft,<br />
die Grundrechte entziehen. 590 <strong>Die</strong> Verfolgung muss dabei im Zusammenhang<br />
mit einem der Delikte <strong>des</strong> Art. 7 IStGH-Statut oder anderen Verbrechen stehen, die der<br />
sachlichen Zuständigkeit <strong>des</strong> IStGH unterfallen. 591<br />
587 Dazu Brugger, Der Staat 1996, 67 ff.<br />
588 Das Delikt der Verfolgung war Straftatbestand im Statut <strong>von</strong> Nürnberg und Tokio, Kontrollgesetz Nr. 10 und<br />
den Statuten <strong>des</strong> JSTGH und RSTGH.<br />
589 Vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. h sowie Art. 7 Abs. 2 lit. g IStGH-Statut.<br />
590 Vgl. Art. 7 (I) (h) IStGH-Statut, Elements of Crimes:<br />
1. The perpetrator severely deprived, contrary to international law, one or more persons of fundamental<br />
rights.<br />
2. The perpetrator targeted as such person or persons by reason of the identity of a group or collectivity<br />
or targeted the group or collectivity as such.<br />
591 Witschel/Rückert, in: Lee (Hrsg.), ICC, 2001, 94 (95); Robinson, AJIL 1999, 53 (55).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 151<br />
Mit Blick auf den 11. September 2001 lässt sich fragen, ob sich der Mehrfachangriff<br />
auf Ziele in den USA als Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder Gemeinschaft<br />
darstellt. Hier ist zweifelsohne Raum für unterschiedliche Argumentation gegeben:<br />
Werden die Anschläge als Angriffe auf Machtsymbole und Schaltzentralen der<br />
westlichen Zivilisation angesehen und galten die Terrorattacken nicht oder nur zweitrangig<br />
der Verfolgung der amerikanischen Bevölkerung, erfüllen sie nicht den spezifischen<br />
Tatbestand der Verfolgung. 592 Beurteilt man die Angriffe aber als direkt und<br />
vorsätzlich gegen die US-amerikanische Bevölkerung gerichtete Terroranschläge, ist<br />
eine völkerrechtswidrige Verfolgung aus nationalen oder kulturellen Gründen anzuerkennen.<br />
593<br />
Ähnlich verhält es sich mit dem Terroranschlag auf Bali am 12. Oktober 2002. Das<br />
bombardierte Objekt wurde <strong>von</strong> Al Kaida nahestehenden Terroristen <strong>des</strong>halb ausgesucht,<br />
weil sich dort ausländische Touristen, und insbesondere Australier, aufhielten.<br />
Sofern sich der Terroranschlag, der als Protest gegen Australiens Unterstützung im<br />
Kampf gegen den Terrorismus ausgeführt wurde, explizit gegen australische Zivilisten<br />
richtete, lässt er sich als Verfolgung wegen der nationalen Identität einer Gruppe i. S.<br />
v. Art. 7 Abs. 1 lit. h IStGH-Statut qualifizieren.<br />
ff)<br />
„andere unmenschliche Handlung“ (Art. 7 Abs. 1 lit. k IStGH-Statut)<br />
Für Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus kommt schließlich Art. 7 Abs. 1 lit. k<br />
IStGH-Statut in Betracht. <strong>Die</strong> Norm kriminalisiert:<br />
„andere unmenschliche Handlungen ähnlicher Art, mit denen vorsätzliche große Leiden<br />
oder eine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der geistigen<br />
oder körperlichen Gesundheit verursacht werden.“<br />
Art. 7 Abs. 1 lit. k IStGH-Statut ist eine Auffangvorschrift, die all jene Handlungen<br />
umfasst, die nicht ausführlich und als Einzeldelikte Eingang in die Verbrechen gegen<br />
die Menschlichkeit gefunden haben, aber <strong>von</strong> ihrer Intensität und Zielsetzung mit denen<br />
<strong>des</strong> Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut vergleichbar sind. 594 So ist erforderlich, dass Terrorakte<br />
vorsätzlich große Leiden hervorrufen, welche die schwere Körperverletzung<br />
oder die schwere Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit bein-<br />
592 Arnold, The ICC as a New Instrument for Repressing Terrorism, 2004, 270.<br />
593 So etwa Stahn, ZaöRV 2002, 183 (248).<br />
594 Vgl. Art. 7 (I) (k) IStGH-Statut, Elements of Crimes:<br />
1. The perpetrator inflicted great suffering, or serious injury to body or mental or physical health,<br />
by means of an inhumane act.<br />
2. Such act was of a character similar to any other act referred to in Article 7, paragraph 1, of the<br />
Statute.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 152<br />
halten. <strong>Die</strong> Bezugnahme zu anderen in Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut normierten Delikten<br />
und die konkretisierenden Definitionen zur Vorschrift sind notwendig, damit auch die<br />
Modalität <strong>des</strong> Art. 7 Abs. 1 lit. k IStGH-Statut dem völkerstrafrechtlichen Legalitätsprinzip<br />
(nullum crimen sine lege) genügt.<br />
Art. 7 Abs. 1 lit. k IStGH-Statut eröffnet einen weiten Anwendungsbereich. Mit Blick<br />
auf die Vielfältigkeit terroristischer Aktionen stellt sich die Norm als einschlägiger<br />
Auffangtatbestand für solche Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus – einschließlich<br />
Terrorismus mittels Massenvernichtungswaffen sowie Taten <strong>des</strong> Cyberterrorismus –<br />
dar, die vorsätzlich große Leiden verursachen, aber nicht als spezielles Delikt <strong>des</strong><br />
Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut strafbar sind. Sofern also neue Varianten <strong>des</strong> Atom-, Biooder<br />
Chemieterrorismus und insbesondere neue Ausführungsformen cyberterroristischer<br />
Aktivität bislang nur schwer bzw. in begrenztem Umfang Eingang in das IStGH-<br />
Statut finden, besteht mit Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut die Möglichkeit, auch diese <strong>modernen</strong><br />
sowie zukünftige Terrorformen schwerwiegenden Ausmaßes als Verbrechen<br />
gegen die Menschlichkeit zu ahnden.<br />
gg) Subjektive Tatseite: Terrorhandlungen in Kenntnis <strong>des</strong> Angriffs<br />
Neben der Erfüllung der speziellen objektiven Tatbestandsmerkmale der Einzeldelikte<br />
<strong>des</strong> Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut müssen die Terroraktionen in Übereinstimmung mit<br />
Art. 30 IStGH-Statut sowie in Kenntnis <strong>des</strong> Angriffs gegen die Zivilbevölkerung begangen<br />
worden sein. 595 Hierbei muss sich der Täter nicht nur über die Vornahme eines<br />
Terroranschlags bewusst sein, welcher (zumin<strong>des</strong>t) eine Tatbestandsvariante <strong>des</strong> Art. 7<br />
IStGH-Statut verwirklicht, sondern auch darüber, dass sich der Anschlag gegen die<br />
Zivilbevölkerung richtet und in Ausübung oder Unterstützung einer staatlichen oder<br />
kriminellen Politik erfolgt. Das voluntative, terroristische Element darf nicht aus den<br />
Umständen <strong>des</strong> Attentates abgeleitet werden, sondern muss sich in die Politik eines<br />
Staates oder einer Organisation einfügen.<br />
Das Delikt der Verfolgung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfordert neben<br />
den generellen subjektiven Voraussetzungen gemäß Art. 7, Art. 30 IStGH-Statut, dass<br />
der durch das Terrorverhalten herbeigeführte Entzug <strong>von</strong> Grundrechten eine Gruppe<br />
aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen<br />
oder aus geschlechtsspezifischen Gründen erfolgt.<br />
595 Vgl. unter D. II. bb) (2).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 153<br />
c) Zwischenergebnis<br />
Ächtet man terroristische Formen der gewaltsamen Einschüchterung der Zivilbevölkerung<br />
durch die Einstufung der Gewaltausübung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit,<br />
so kommen neben den entsprechenden Handlungen der im Exzess handelnden<br />
Staatsorgane („Staatsterrorismus“) gleichermaßen Handlungen privater Terrororganisationen<br />
in Betracht. <strong>Die</strong> Hinwendung <strong>des</strong> Art. 7 IStGH-Statut <strong>von</strong> der Verfolgung eines<br />
staatlichen Angriffsmusters zur Aufnahme auch organisatorischer Strukturen in<br />
den Anwendungsbereich der Norm eröffnet neue juristische Möglichkeiten, nunmehr<br />
auch das Verhalten nicht-staatlicher Akteure unter das Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />
zu fassen. 596 Indem die staatliche Anbindung nicht mehr absolut ist, besitzt<br />
Art. 7 IStGH-Statut - insbesondere mit Blick auf die <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> <strong>modernen</strong><br />
<strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus - progressives Interpretationspotential.<br />
<strong>Die</strong> vorangegangene Analyse hat ergeben, dass sich Art. 7 IStGH-Statut zur <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Pönalisierung <strong>von</strong> <strong>modernen</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus eignet.<br />
<strong>Die</strong> Vornahme terroristischer Gewaltakte mit konventionellen Waffen oder mittels<br />
Massenvernichtungswaffen beinhaltet naturgemäß die vorsätzliche Tötung einer Vielzahl<br />
<strong>von</strong> Menschen. Auch die bewusste Manipulation <strong>von</strong> elektronischen Daten kann<br />
den Tod vieler Menschen verursachen, so dass mitunter auch Akte <strong>des</strong> Cyberterrorismus<br />
als vorsätzliche Tötung Aufnahme in die Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />
finden. Bei privaten Terrorhandlungen sind ferner die Art. 7 Abs. 1 lit. e, lit. f, lit. h<br />
sowie Art. 7 Abs. 1 lit. k IStGH-Statut anwendbar. Insbesondere die Auffangvorschrift<br />
<strong>des</strong> Art. 7 Abs. 1 lit. k IStGH-Statut stellt eine geeignete Norm <strong>des</strong> Völkerstrafrechts<br />
dar, moderne und auch zukünftige Erscheinungsformen <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
abzudecken. Da moderne Terrorakte vielfach das Kriterium der mehrfachen Begehung<br />
erfüllen und sie eine Politik <strong>des</strong> Terrors verfolgen, können sie auch als<br />
ausgedehnte und systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung bewertet werden.<br />
Einzig das Tatbestandsmerkmal „zivil“ kann mit der Subsumtion terroristischer Verhaltensweisen<br />
unter das IStGH-Statut problematisch sein, weil dann Angriffe, wie der<br />
auf das Pentagon am 11. September 2001, nicht umfasst wären. Hier muss sich zeigen,<br />
wie der IStGH das Merkmal zukünftig auslegen wird. Wählt der Strafgerichtshof eine<br />
zu enge Definition, wäre dies angesichts der neuen Qualität terroristischer Gewalt<br />
durchaus kritikwürdig.<br />
Auch Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus können unter die benannten Einzeltatbestände <strong>des</strong><br />
Verbrechens gegen die Menschlichkeit fallen. Hinzukommen kann Art. 7 Abs. 1 lit. d<br />
596 Schabas, Introduction ICC, 2001, 37.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 154<br />
IStGH-Statut, der vorrangig eine staatliche Politik der Vertreibung der Zivilbevölkerung<br />
pönalisiert; allerdings mangelt es nicht-staatlichen Akteuren an der konkreter<br />
Zielsetzung der Verfolgung, so dass der Vorschrift bei der Ahndung <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt.<br />
3. Internationaler Terrorismus als Kriegsverbrechen<br />
Neben der Qualifizierung <strong>von</strong> internationalen Terrorakten als Verbrechen gegen die<br />
Menschlichkeit ist fraglich, ob sie auch als Kriegsverbrechen eingeordnet werden können.<br />
Der Begriff „Kriegsverbrechen“ wird in vielfältiger Form gebraucht. So werden<br />
darunter zum einen allgemein strafbare Handlungen verstanden, die im Verlaufe eines<br />
Krieges oder eines sonstigen bewaffneten Konflikts begangen werden. 597 Andere Autoren<br />
verwenden den Begriff für alle Verletzungen <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts, unabhängig<br />
<strong>von</strong> ihrer Strafbarkeit. 598 <strong>Die</strong> vorliegende Arbeit konzentriert sich darauf,<br />
terroristische Handlungen unter dem Begriff <strong>des</strong> Kriegsverbrechens nach Maßgabe <strong>des</strong><br />
Völkerstrafrechts zu erfassen und diesen eine enge, juristische Definition zu Grunde zu<br />
legen. Hiernach ist ein Kriegsverbrechen der unmittelbar nach Völkerrecht strafbare<br />
Verstoß gegen eine Regel <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts. 599<br />
Im folgenden Unterabschnitt wird geprüft, ob terroristische Gewaltakte dieser Definition<br />
entsprechen und sich als strafbarer Verstoß gegen eine Regel <strong>des</strong> humanitären<br />
Völkerrechts darstellen. <strong>Die</strong> den terroristischen Handlungen innewohnende absichtliche<br />
Tötung oder Geiselnahme <strong>von</strong> Zivilisten oder die Zerstörung <strong>von</strong> zivilem Eigentum<br />
mit dem Ziel, Schrecken unter der Bevölkerung zu verbreiten, weisen zumin<strong>des</strong>t<br />
auf eine Einbeziehung terroristischer Akte unter den Tatbestand der Kriegsverbrechen<br />
hin. In der jüngsten Vergangenheit haben Kombattanten eine Vielzahl <strong>von</strong> Aktionen<br />
durchgeführt, die ebenfalls als terroristisch eingestuft werden können, so etwa die Verstümmelung<br />
<strong>von</strong> Kämpfenden und Zivilisten, weit reichende Inhaftierungen und Folterungen,<br />
das Verschwindenlassen <strong>von</strong> Personen, Angriffe auf ganze Dörfer und Städte,<br />
Massenvergewaltigungen oder ausgedehnte und unterschiedslose Bombardierungen.<br />
Es kommen ferner der Einsatz giftiger Substanzen oder <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen<br />
als Terrorakte im Rahmen eines bewaffneten Konflikts in Betracht, so dass auch<br />
bei derartigen Gewalthandlungen die <strong>völkerrechtliche</strong> Überprüfung im Rahmen der<br />
Kriegsverbrechen angezeigt ist. 600<br />
597 Werle, Völkerstrafrecht, 2001, 5. Teil, Rn. 766.<br />
598 United States Military Manual, The Law of Land Warfare (1956), § 499, FM 27-10; abgedruckt in: Levie,<br />
Terrorism in War, 1993, 2.<br />
599 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 766.<br />
600 UN-Special Rapporteur Koufa, Specific Human Rights Issues: New Priorities, in particular Terrorism and<br />
Counter-Terrorism, Working Paper by the Commission on Human Rights, E/CN.4/Sub.2/2004/40 v. 25.06.2004,<br />
10 f.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 155<br />
a) Terrorismus und humanitäres Völkerrecht<br />
Bis zum Ende <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts wurde der Krieg als erlaubtes Mittel der Streiterledigung<br />
zwischen den Staaten und als Ausfluss ihrer Souveränität angesehen. Unter bestimmten<br />
Voraussetzungen erkennt das moderne Völkerrecht auch heute die<br />
Anwendung militärischer Gewalt als legitim an, doch ist in Kriegen und anderen bewaffneten<br />
Konflikten das ius in bello als Bestandteil <strong>des</strong> Völkerrechts streng zu beachten.<br />
<strong>Die</strong>ses erklärt bestimmte Verhaltensweisen für unzulässig, um die schädlichen<br />
Auswirkungen eines bewaffneten Konflikts auf Beteiligte und Unbeteiligte zu begrenzen.<br />
<strong>Die</strong> Konfliktparteien besitzen nunmehr kein unbeschränktes Recht in der Wahl<br />
der Methoden und Mittel der Kriegsführung, sondern müssen jene nach den Grundsätzen<br />
<strong>des</strong> humanitären Völkerrechts ausrichten. <strong>Die</strong>s gilt insbesondere auch für den Einsatz<br />
neuer Waffen und Techniken der Kriegsführung.<br />
aa) Beurteilung nach Massgabe <strong>des</strong> „Genfer Rechts“ und <strong>des</strong> „Haager Rechts“<br />
<strong>Die</strong> wichtigsten Regeln <strong>des</strong> ius in bello sind heute in den vier Genfer Abkommen <strong>von</strong><br />
1949 sowie in den beiden Zusatzprotokollen <strong>von</strong> 1977 niedergelegt. 601 <strong>Die</strong> vier Genfer<br />
Abkommen enthalten teilweise übereinstimmende Vorschriften, die z. B. den Anwendungsbereich<br />
der Abkommen in internationalen bewaffneten Konflikten regeln 602 und<br />
gleichsam Min<strong>des</strong>tstandards für nicht-internationale bewaffnete Konflikte statuieren.<br />
603 <strong>Die</strong> Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen <strong>von</strong> 1977 passen das humanitäre<br />
Völkerrecht an die veränderten Umstände und an neue Konfliktformen an. Hier<br />
werden weitere Personengruppen in den Schutzbereich <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts<br />
mit einbezogen und neuere Entwicklungen in der Kriegsführung berücksichtigt. Parallel<br />
zum „Genfer Recht“ hat sich das so genannte „Haager Recht“ entwickelt, das besonders<br />
grausame und gefährliche Kampfmethoden und Kampfmittel verbietet. 604 <strong>Die</strong><br />
Zweiteilung in das „Genfer Recht“ und das „Haager Recht“ besteht im Grundsatz bis<br />
heute fort, doch ist es zu einer immer stärkeren Annäherung und Überlagerung der<br />
beiden Rechtsmaterien gekommen. 605<br />
601 <strong>Die</strong> vier Genfer Konventionen adressieren den Schutz der Zivilbevölkerung, der Kriegsgefangenen und Verwundeten<br />
in bewaffneten Konflikten und sind wesentlicher Bestandteil <strong>des</strong> heute geltenden humanitären Völkerrechts.<br />
602 Vgl. die den allen vier Genfer Abkommen gemeinsam einführenden Art. 2.<br />
603 Vgl. den gemeinsamen Art. 3.<br />
604 Vgl. etwa das Abkommen, betreffend die Gesetze und Gebräuche <strong>des</strong> Landkrieges (Haager Abkommen) vom<br />
18.10.1907, BS 11 409, welches sich den Mitteln und Methoden der Kampfführung widmet. Darüber hinaus umfaßt<br />
das humanitäre Recht aber auch weitere Übereinkünfte, welche u. a. Verbote der Anwendung bestimmter<br />
Kampfmittelarten abdecken (chemische, biologische Waffen etc.).<br />
605 Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., 2004, § 63, Rn. 8 m.w.N.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 156<br />
In den vier Genfer Konventionen und ihren beiden Zusatzprotokollen lassen sich Terrorismus<br />
spezifische Regeln im Rahmen <strong>von</strong> Einzelbestimmungen finden. 606 <strong>Die</strong><br />
Normen, die als „schwere Verletzungen“ <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts klassifizieren,<br />
benennen keine terroristischen Gewaltakte; dies ist Einzelbestimmungen überlassen: 607<br />
So weist Art. 33 GA IV einen Terrorbezug auf, indem er jede Maßnahme zur Einschüchterung<br />
oder Terrorisierung der Zivilbevölkerung verbietet. 608 Art. 34 GA IV<br />
verbietet die Geiselnahme. 609 <strong>Die</strong> Zusatzprotokolle zeigen sich hinsichtlich <strong>des</strong> Verweises<br />
auf terroristische Handlungen umfangreicher als die Genfer Abkommen. Sowohl<br />
Art. 51 Abs. 2 ZP I als auch Art. 13 ZP II verbieten die Vornahme oder<br />
Androhung <strong>von</strong> Gewalt, wenn damit das Ziel verfolgt wird, Schrecken unter der Zivilbevölkerung<br />
zu verbreiten. Art. 4 Abs. 2 ZP II statuiert als grundlegende Garantie <strong>des</strong><br />
humanitären Völkerrechts ausdrücklich das Verbot „terroristischer Handlungen“. 610<br />
Wie der Begriff der „terroristischen Handlung“ auszulegen ist, kann dem Vertragswerk<br />
allerdings nicht entnommen werden.<br />
Das „Haager Recht“ lässt sich zuvörderst mit Blick auf die terroristische Verwendung<br />
<strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen heranziehen. Neben speziellen Verboten einzelner<br />
Waffen, die in zahlreichen Abkommen geregelt sind, konnten im Rahmen <strong>des</strong> „Haager<br />
Rechts“ allgemeine Grundsätze über verbotene Kampfmittel entwickelt werden. Führt<br />
der Einsatz verbotener Mittel und Methoden zu „überflüssigen Leiden“ oder wirken<br />
sie ihrer Natur nach unterschiedslos, so dürfen sie nicht verwendet werden. <strong>Die</strong>se Regeln<br />
sind in Art. 23 lit. e HLKO und Art. 35 Abs. 2 sowie Art. 51 Abs. 4 ZP I kodifiziert.<br />
Damit ist auch das humanitäre Völkerrecht auf Mittel und Methoden der<br />
<strong>modernen</strong> Terrorführung durch atomare, chemische oder biologische Agenzien sowie<br />
elektronische Daten anwendbar.<br />
bb) Beurteilung nach Maßgabe <strong>des</strong> Völkergewohnheitsrechts<br />
Der überwiegende Teil <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts hat den Charakter <strong>von</strong> Völkergewohnheitsrecht<br />
erlangt. <strong>Die</strong> völkergewohnheitsrechtliche Geltung <strong>des</strong> so genannten<br />
606 Vgl. etwa Art. 33 und 34 GA IV; Art. 51 Abs. 2 ZP I; Art. 4 Abs. 2 ZP II, 13 ZP II.<br />
607 Vgl. Art. 50 GA I, 51 GA II, 130 GA III, 147 GA IV, 85 ZP I.<br />
608 Art. 33 GA IV: “Keine geschützte Person darf für eine Übertretung bestraft werden, die sie nicht persönlich<br />
begangen hat. Kollektivstrafen wie auch jede Maßnahme zur Einschüchterung oder Terrorisierung sind verboten.”.<br />
609 Art. 34 GA IV: “Das Nehmen <strong>von</strong> Geiseln ist verboten.”.<br />
610 Art. 4 Abs. 2 ZP II: “Unbeschadet der allgemeinen Gültigkeit der vorstehenden Bestimmungen sind und bleiben<br />
in Bezug auf die in Absatz 1 genannten Personen jederzeit und überall verboten:<br />
(a) - (c)[...];<br />
(d) terroristische Handlungen.”
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 157<br />
„Haager Rechts“ und der vier Genfer Abkommen steht heute außer Frage. 611 Indem<br />
sich sowohl das „Haager Recht“ als auch das „Genfer Recht“ als Ausdruck geltenden<br />
Völkergewohnheitsrechts manifestieren, sind diese Regelungen unabhängig <strong>von</strong> den<br />
vertraglichen Verpflichtungen auf die an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligten<br />
Parteien anwendbar. Selbst wenn ein Staat seine Kündigung der Genfer Abkommen<br />
erklärte 612 , kann er sich dadurch nicht <strong>von</strong> seinen Verpflichtungen zum Schutz<br />
<strong>von</strong> Verwundeten, Kriegsgefangenen oder Zivilisten befreien. 613<br />
Zu diesen Pflichten aus Vertrag kommt gewohnheitsrechtliches humanitäres Völkerrecht<br />
hinzu. Dem entspricht etwa die sog. Martens‘sche Klausel, die in die Präambel<br />
<strong>des</strong> II. Haager Abkommens <strong>von</strong> 1890 aufgenommen wurde und den Schutz der Betroffenen<br />
auch gegenüber künftigen unvorhergesehenen Entwicklungen im Bereich der<br />
Kampfmittel und Kampfmethoden sichert: 614<br />
„In Fällen, die <strong>von</strong> diesem Protokoll oder anderen internationalen Übereinkünften nicht<br />
erfasst sind, verbleiben Zivilpersonen und Kombattanten unter dem Schutz und der<br />
Herrschaft der Grundsätze <strong>des</strong> Völkerrechts, wie sie sich aus feststehenden Gebräuchen,<br />
aus den Grundsätzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen <strong>des</strong> öffentlichen Gewissens<br />
ergeben.“<br />
Mag die Martens´sche Klausel ihre Grundlage auch im 19. Jahrhundert finden und<br />
sich an traditionellen Formen <strong>des</strong> klassischen Waffeneinsatzes orientiert haben, so hat<br />
sie als Generalklausel im <strong>modernen</strong> Völkerrecht - und dies insbesondere mit Blick auf<br />
zeitgenössische terroristische Erscheinungsformen - weiterhin Bestand. Schädigungshandlungen,<br />
die nicht ausdrücklich verboten sind, fallen gleichwohl nicht in einen<br />
rechtsfreien Raum, sondern haben sich ebenso an den feststehenden Gebräuchen <strong>des</strong><br />
Krieges und den Grundsätzen der Menschlichkeit auszurichten. 615 Für Mittel und Methoden<br />
der <strong>modernen</strong> Terrorführung (etwa mittels Massenvernichtungswaffen oder e-<br />
lektronischer Daten) sind die Maximen <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts nach Maßgabe<br />
<strong>des</strong> Völkergewohnheitsrechts damit gleichsam anwendbar.<br />
611 <strong>Die</strong> vier Genfer Abkommen wurden bis April 2003 <strong>von</strong> 190 Staaten ratifiziert. Vgl. Greenwood, in: Fleck<br />
(Hrsg.), Handbuch <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 1994, Nr. 125; Werle, Völkerstrafrecht,<br />
2003, 5. Teil, Rn. 783; Jescheck, GA 1981, 49 (56).<br />
612 Eine Kündigung der Genfer Abkommen ist nach Art. 63 GA I; Art. 62 GA II; Art. 142 GA III; Art. 158 GA<br />
IV möglich.<br />
613 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 783; Meron, AJIL 1987, 348 (349).<br />
614 Paech/Stuby, Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen, 2. Aufl., 2001, 604; Kimminich/Hobe,<br />
Einführung in das Völkerrecht, 7. Aufl., 2000, 464; Fischer, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., 2004, §<br />
68, Rn. 12.<br />
615 Zur Martens’schen Klausel und Atomwaffen s. Meyrowitz, in: Miller/Feinrider (Hrsg.), Nuclear Weapons and<br />
Law, 1984, 19 (24). Zur Martens’schen Klausel und Bio- und Chemiewaffen s. van Wynen Thomas/Thomas, Legal<br />
Limits on the Use of Chemical and Biological Weapons, 1970, 188 ff.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 158<br />
cc) Terrorismus und die Grundsätze <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts<br />
In der Gesamtschau <strong>des</strong> traditionellen „Haager Rechts“ und <strong>des</strong> „Genfer Rechts“ ergeben<br />
sich folgende, wesentliche Grundsätze <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts:<br />
(1) Berechtigt, kriegerische Handlungen vorzunehmen, sind nur Kombattanten,<br />
insbesondere Angehörige der Streitkräfte. 616<br />
(2) Verhalten sich Kombattanten gemäß der Regeln <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts,<br />
erfahren sie insofern eine Privilegierung, als dass sie für die Beteiligung an einem<br />
bewaffneten Konflikt nicht zur Verantwortung gezogen werden dürfen.<br />
(3) Es dürfen nur Kombattanten zum Ziel eines Angriffs gemacht werden.<br />
(4) Soweit Angriffe auf legitime militärische Ziele zu Nebenfolgen für zu schützende<br />
Personen führen, sind diese zu begrenzen.<br />
(5) Führt ein Angriff zu unverhältnismäßigen Nebenfolgen, ist auf ihn zu verzichten.<br />
(6) Bei Durchführung eines legitimen Angriffs ist auf Mittel und Methoden der<br />
Kriegsführung zu verzichten, die unnötige Leiden verursachen. 617<br />
<strong>Die</strong>se Grundsätze sind zwingend auf klassische Kriege zwischen Staaten anwendbar,<br />
doch ist fraglich, inwiefern sie auch auf neue Konfliktformen und insbesondere die<br />
moderne Terrorführung Anwendung finden können. <strong>Die</strong> Konkretisierung dieser<br />
Grundprinzipien im Hinblick auf sich immer wieder und rasch ändernde Sachlagen ist<br />
die zentrale Herausforderung für das humanitäre Völkerrecht. 618 Bewaffnete Auseinandersetzungen<br />
werden heute nicht mehr ausschließlich zwischen Staaten geführt,<br />
sondern es kommen Bürgerkriege, nationale Befreiungskriege, Auseinandersetzungen<br />
zwischen Angehörigen eines Staates oder grenzüberschreitende Terrorakte hinzu. Vor<br />
dem Hintergrund der thematischen Ausrichtung <strong>des</strong> vorliegenden Prüfungspunktes<br />
wird untersucht, wie moderne Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus in das Regelwerk<br />
<strong>des</strong> humanitären Völkerrechts einzuordnen sind.<br />
In Übereinstimmung mit den oben genannten Grundsätzen anerkennt das humanitäre<br />
Völkerrecht in folgenden Situationen das Vorliegen einer terroristischen Handlung:<br />
• Da nur Angehörige regulärer Streitkräfte am bewaffneten Konflikt teilnehmen<br />
dürfen, sind alle jene Gewalthandlungen, die <strong>von</strong> anderen Akteuren innerhalb<br />
616 Vgl. Art. 43 Abs. 2 ZP I.<br />
617 Kittichaisaree, International Criminal Law, 2001, 129; UN-Special Rapporteur Koufa, Specific Human<br />
Rights Issues: New Priorities, in particular Terrorism and Counter-Terrorism, Working Paper by the Commission<br />
on Human Rights, E/CN.4/Sub.2/2004/40 v. 25.06.2004, 8.<br />
618 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 786; Crelinsten, Terrorism and Criminal Justice, 1978, 6.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 159<br />
eines bewaffneten Konflikts vorgenommen werden, als Akte <strong>des</strong> Terrorismus<br />
zu qualifizieren.<br />
• Sofern sich Angehörige der Streitkräfte entgegen der Regeln <strong>des</strong> humanitären<br />
Völkerrechts verhalten und diese verletzen, können ihre Handlungen als terroristisch<br />
eingestuft werden.<br />
• Weder die Zivilbevölkerung oder einzelne Zivilpersonen dürfen das Ziel <strong>von</strong><br />
Angriffen sein. Werden sie zum Angriffsziel gemacht, kann sich diese Handlung<br />
als Terrorakt darstellen, insbesondere dann, wenn die Anwendung <strong>von</strong><br />
Gewalt mit dem Ziel erfolgt, Schrecken unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten.<br />
• Werden legitime militärische Einrichtungen zum Ziel <strong>von</strong> Anschlägen gemacht,<br />
treffen sie aber mehrheitlich Zivilisten, können diese Angriffe der terroristischen<br />
Qualifizierung unterfallen.<br />
• Das Vorliegen einer Terrorhandlung ergibt sich auch dann, wenn die Vornahme<br />
der Gewalthandlung auf großen Schaden sowie explizites Leiden unter der gegnerischen<br />
Konfliktpartei angelegt ist.<br />
• <strong>Die</strong>se Regeln gelten für den bewaffneten Kampf regulärer Streitkräfte und für<br />
den bewaffneten Kampf innerhalb <strong>von</strong> Befreiungsbewegungen.<br />
• Sofern es sich um nicht-international bewaffnete Konflikte handelt, greift der<br />
gemeinsame Art. 3 der Genfer Konventionen, welcher Akte <strong>des</strong> Terrorismus<br />
verbietet. 619<br />
<strong>Die</strong> herausgestellten Regeln verdeutlichen, dass Verletzungen <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts<br />
in internationalen sowie in nicht-internationalen Konflikten unter dem Begriff<br />
<strong>des</strong> Kriegsverbrechens völkerstrafrechtlich sanktioniert werden können.<br />
Terroristische Akte sind damit in bewaffneten Konflikten grundsätzlich verboten.<br />
Im Weiteren wird untersucht, ob sich diese Rahmenbedingungen auch neu in<br />
Art. 8 IStGH-Statut wieder finden, und es möglich ist, Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
als Kriegsverbrechen gemäß dem IStGH-Statut völkerrechtlich zu ahnden. 620<br />
619 Sunga, The Emerging System of International Criminal Law, 1997, 198; Almond, in: Han (Hrsg.), Terrorism<br />
and Violence, 1993, 199 (206 f.).<br />
620 Zur Praxis der ad hoc Tribunale <strong>des</strong> JStGH and RStGH unter dem Aspekt der Terrorismusproblematik s.<br />
Tournaye, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims, and International Law, 2003, 298 (300 ff.).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 160<br />
b) Inhaltliche Ausgestaltung <strong>des</strong> Art. 8 IStGH-Statut<br />
Der Tatbestand <strong>des</strong> Kriegsverbrechens ist in Art. 8 IStGH-Statut mit seinen über 40<br />
Einzeltatbeständen umfassend normiert und stellt sich als die komplexeste Strafnorm<br />
im Rom-Statut dar. <strong>Die</strong> Normstruktur <strong>des</strong> Kriegsverbrechens ist hierbei nicht mit jener<br />
<strong>des</strong> Verbrechens gegen die Menschlichkeit und <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong> vergleichbar. Während<br />
es sich bei letzteren um eigenständige Tatbestände handelt, liegt dem Kriegsverbrechen<br />
darüber hinaus ein Verstoß gegen eine Regel <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts<br />
zugrunde. Zur Verletzung dieser Regel tritt als Rechtsfolge die Strafbarkeit wegen der<br />
Verletzung eines <strong>völkerrechtliche</strong>n Vertrages oder <strong>von</strong> Völkergewohnheitsrecht hinzu.<br />
621 Im Gegensatz zu dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit und dem Völkermord<br />
ist eine abschließende <strong>völkerrechtliche</strong> Kodifizierung <strong>des</strong> materiellen Rechts der<br />
Kriegsverbrechen nicht gegeben. Art. 8 IStGH-Statut versucht diese Lücke zu schließen,<br />
indem die Norm zentrale Straftatbestände <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts in internationalen<br />
und nicht-internationalen Konflikten vorgibt, die zugleich<br />
Völkergewohnheitsrecht verkörpern.<br />
Zur Begründung der materiellen Strafbarkeit <strong>von</strong> Verletzungen <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts<br />
bestimmt das Völkergewohnheitsrecht folgende Voraussetzungen, 622 welche<br />
in Art. 8 IStGH-Statut ihren Niederschlag gefunden haben: Das fragliche Verhalten<br />
muss zunächst im Widerspruch zum humanitären Völkerrecht stehen. <strong>Die</strong> in Frage<br />
kommenden Straftatbestände sind daher mit Blick auf das zu Grunde liegende humanitäre<br />
Völkerrecht auszulegen. Ferner müssen alle Tatbestandsmerkmale der Norm gegeben<br />
sein. Darüber hinaus können nur gewichtige Verstöße gegen das humanitäre<br />
Völkerrecht Kriegsverbrechen sein.<br />
Wie bereits der 1996 Draft Code angedeutet hat, zielt das IStGH-Statut darauf ab, nur<br />
die schwersten und verwerflichsten Straftaten gegen den Frieden und die Menschenrechte<br />
zu kriminalisieren. Um den Anwendungsbereich <strong>des</strong> IStGH-Statuts auf die ausschließlich<br />
schwersten Völkerrechtsverbrechen einzugrenzen, wurde daher in die<br />
Eingangsformulierung <strong>des</strong> Art. 8 IStGH-Statut das Kriterium aufgenommen, dass die<br />
Kriegsverbrechen „als Teil eines Planes oder einer Politik oder als Teil der Begehung<br />
solcher Verbrechen in großem Umfang“ verübt worden sein müssen. 623 Einzelne<br />
Kriegsverbrechen fallen somit nicht in die Zuständigkeit <strong>des</strong> IStGH, nämlich dann,<br />
wenn die Rechtsverletzungen nicht im Zusammenhang mit einer planmäßigen oder<br />
621 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 797; Tournaye, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims, and International<br />
Law, 2003, 298 (300).<br />
622 Vgl. The Prosecutor vs. Tadic, Appeals Chamber, Beschluss v. 02.10.1995 (Tadic, AC), Rn. 94.<br />
623 Tomuschat, EuGRZ 1998, 1 (6).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 161<br />
weit verbreiteten Begehung stehen 624 ; auch dann, wenn sie sich etwa nach den Genfer<br />
Konventionen <strong>von</strong> 1949 und ihrem Zusatzprotokoll I als „schwere Verletzungen“ darstellen.<br />
Schließlich ist die Übertretung einer Norm <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts nur<br />
dann strafbar, wenn die Norm ihrem Inhalt nach auch Einzelpersonen Verhaltenspflichten<br />
auferlegt. Dem entspricht Art. 8 IStGH-Statut, denn die Vorschrift ist so ausgestaltet,<br />
dass sie eine individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit der Täter<br />
begründet.<br />
<strong>Die</strong> Prüfung <strong>des</strong> Art. 8 IStGH-Statut verlangt zunächst das Vorliegen <strong>von</strong> übergreifenden<br />
Voraussetzungen der Norm. So muss sich die fragliche Handlung in einen bewaffneten<br />
Konflikt einbetten sowie als Teil eines Planes oder einer Politik oder als Teil der<br />
Begehung <strong>von</strong> Verbrechen in großem Umfang stattgefunden haben.<br />
aa) Vorliegen eines bewaffneten Konflikts<br />
Das humanitäre Völkerrecht ist in aller Regel nur auf bewaffnete Konflikte anwendbar.<br />
625 Terrorismus spezifische Kriegsverbrechen, die sich als Verletzungen <strong>des</strong> humanitären<br />
Völkerrechts darstellen, können daher nur im Zusammenhang mit dem<br />
Vorliegen eines bewaffneten Konflikts geahndet werden. Der JStGH hat die Existenz<br />
eines bewaffneten Konflikts in folgenden Fällen anerkannt:<br />
„[...] whenever there is a resort to armed force between States or protacted armed violence<br />
between governmental authorities and organized armed groups or between such<br />
groups within a State.“ 626<br />
Wie die Definition <strong>des</strong> JStGH damit vorgibt, muss es sich im Rahmen bewaffneter<br />
Gewalt bei den Konfliktparteien um Angehörige regulärer Streitkräfte handeln oder<br />
um bewaffnete Kräfte, die mit diesen verbunden sind. Ferner kommen auch organisierte<br />
bewaffnete Gruppen als Täter in Betracht. 627 Allein einschränkende Voraussetzung<br />
ist hier einzig der zeitliche und örtliche Anwendungsbereich <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts.<br />
<strong>Die</strong> Strafbarkeit einer Konfliktparteien für Verletzungen <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts<br />
lässt sich nur dann begründen, wenn sich die fraglichen Handlungen sowohl<br />
im zeitlichen als auch örtlichen Rahmen <strong>des</strong> bewaffneten Konflikts abgespielt haben.<br />
624 Schabas, Introduction ICC, 2001, 24.<br />
625 Es sind zwei Ausnahmen ersichtlich: <strong>Die</strong>s betrifft zum einen den Fall der Kriegserklärung, auf die keine<br />
Kampfhandlungen folgen. Zum anderen gelten die GA gemäß Art. 2 Abs. 2 auch dann, wenn einer teilweisen<br />
oder vollständigen Besetzung eines feindlichen Staates nicht mit Waffengewalt begegnet wird. S. Greenwood,<br />
in: Fleck (Hrsg.), Handbuch <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 1994, Nr. 220.<br />
626 The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Beschluss v. 02.10.1995 (Tadic, AC), Rn. 70. Bestätigt in: The Prosecutor<br />
vs. Delalic, JSTGH, Urteil v. 16.11.1998 (Delalic, TC), Rn. 183; The Prosecutor vs. Furundžija, JSTGH, Urteil<br />
v. 10.12.1998 (Furundžija, TC), Rn. 59.<br />
627 Stahn, ZaöRV 2002, 183 (194).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 162<br />
Der JStGH hat den Anwendungsbereich <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts für einen vorliegenden<br />
bewaffneten Konflikt wie folgt definiert:<br />
„International humanitarian law applies from the initiation of such armed conflict and<br />
extends beyond the cessation of hostilities until a general conclusion of peace is<br />
reached; or, in the case of internal conflicts, a peaceful settlement is achieved. Until that<br />
moment, international humanitarian law continues to apply in the whole territory of the<br />
warring State or, in the case of an internal conflict, the whole territory under the control<br />
of a party, whether or not actual combat takes place“. 628<br />
Demnach können Kriegsverbrechen nicht nur am Ort und während der Kampfhandlungen<br />
begangen werden, sie müssen sich jedoch zwingend in den bewaffneten Konflikt<br />
einbetten.<br />
Art. 8 IStGH-Statut übernimmt diese Voraussetzung <strong>des</strong> Vorliegens eines bewaffneten<br />
Konflikts, doch definiert die Norm die Konflikthandlung nicht. Allein die Verbrechenselemente<br />
weisen darauf hin, dass Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut im Rahmen <strong>des</strong> bestehenden<br />
Regelungswerkes <strong>des</strong> internationalen bewaffneten Konflikts zu<br />
interpretieren ist. 629 Damit ein Kriegsverbrechen im Sinne <strong>des</strong> IStGH-Statuts geahndet<br />
werden kann, muss also eine strafbare Verletzung <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts im<br />
Rahmen eines bewaffneten Konflikts vorliegen. Das Kriegsverbrechen muss dabei<br />
nicht nur während, sondern in Verbindung mit einem bewaffneten Konflikt erfolgen.<br />
Es muss folglich ein Nexus zwischen dem kriminellen Verhalten und dem bewaffneten<br />
Konflikt nachweisbar sein. <strong>Die</strong> Frage, ob eine solche Verbindung zwischen einer terroristischen<br />
Handlung und dem Vorliegen eines bewaffneten Konflikts existiert, erweist<br />
sich oftmals als sehr schwierig und muss im Rahmen einer<br />
Einzelfallentscheidung geklärt werden.<br />
(1) Staatsterrorismus und bewaffneter Konflikt<br />
Entsprechend der Vorgaben <strong>des</strong> JStGH zum Vorliegen eines bewaffneten Konflikts<br />
können Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus dann einem bewaffneten Konflikt unterfallen, wenn<br />
ein Staat als Konfliktpartei an einer bewaffneten Auseinandersetzung beteiligt ist und<br />
er im Rahmen dieser Auseinandersetzung terroristische Handlungen vornimmt. <strong>Die</strong>s<br />
ist sowohl im Rahmen eines zwischenstaatlichen als auch innerstaatlichen Konflikts<br />
möglich. In beiden Konstellationen ist allein entscheidend, dass die Terrorhandlungen<br />
einem Staat zurechenbar sind.<br />
628 The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Urteil v. 02.10.1995 (Tadic, AC), Rn. 70.<br />
629 Vgl. Einleitung zu Art. 8 IStGH-Statut, Elements of Crimes.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 163<br />
Um Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus zu begehen, muss der Täter im Rahmen einer bewaffneten<br />
Auseinandersetzung eine terroristischen Handlung vornehmen und den bewaffneten<br />
Streitkräften eines Staates angehören oder sonst mit diesen verbunden sein. 630<br />
Zwischen dem im Rahmen der bewaffneten Auseinandersetzung ausgeführtem Terrorakt<br />
und dem Staat ist demnach ein Zurechnungszusammenhang erforderlich. Da Staaten<br />
in erster Linie durch das humanitäre Völkerrecht verpflichtet werden, müssen sie<br />
sich auch Taten <strong>von</strong> Angehörigen ihrer Streitkräfte zurechnen lassen. Das gleiche gilt<br />
für Angehörige <strong>von</strong> Milizen und Freiwilligenkorps. 631 Im Fall <strong>von</strong> zwischenstaatlichen<br />
Auseinandersetzungen ergeben sich hier nur wenige Schwierigkeiten. Ein zwischenstaatlicher<br />
Konflikt liegt vor, wenn ein Staat unmittelbar Waffengewalt gegen den völkerrechtlich<br />
geschützten Bereich eines anderen Staates einsetzt. 632<br />
Wesentlich problematischer kann der Nachweis <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Staatsterrorismus in innerstaatlichen<br />
bewaffneten Konflikten sein. Sofern in bewaffneten Konflikten, die sich<br />
auf ein Staatsgebiet beschränken, der Staat ausgewiesene Partei <strong>des</strong> Konflikts ist, gelten<br />
obige Ausführungen zum Vorliegen <strong>von</strong> Staatsterrorismus entsprechend. <strong>Die</strong> rechtliche<br />
Einordnung ist hingegen komplizierter, wenn innerstaatliche<br />
Auseinandersetzungen sich zwar auf ein Staatsgebiet beschränken, hier aber Staaten<br />
die Konfliktparteien, etwa durch Waffenlieferungen, unterstützen, ohne selbst militärisch<br />
aktiv zu werden. Hier können nur dann Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus nachgewiesen<br />
werden, wenn die Terrorhandlungen einer Konfliktpartei dem sie unterstützenden Staat<br />
zugerechnet werden können und diese Konfliktpartei gleichsam als Werkzeug <strong>des</strong><br />
Staates zu betrachten ist. <strong>Die</strong> Frage, wann ein sich Staat die Handlungen <strong>von</strong> Personen<br />
zurechnen lassen muss, die nicht de iure als seine Organe (Streitkräfte, Polizeikräfte<br />
etc.), sondern nur de facto mit ihm in Verbindung stehen, hat das humanitäre Völkerrecht<br />
nicht abschließend beantwortet. 633 Art. 4 Buchstabe A Abs. 1 GA III verlangt,<br />
dass Mitglieder <strong>von</strong> organisierten Verbänden einer Konfliktpartei „angehören“ müssen.<br />
Der JStGH hat das Merkmal der Zugehörigkeit in seiner Tadić-Entscheidung konkretisiert<br />
und festgehalten, dass für die staatliche Zurechnung eine weit reichende<br />
Kontrolle (overall control) <strong>des</strong> Betätigungsfel<strong>des</strong> der in Rede stehenden Gruppierung<br />
630 Im Kriegsfall lässt sich darüber hinaus gemäß Art. 29 GA IV ebenso das Verhalten <strong>von</strong> Personen zurechnen,<br />
die zwar nicht den regulären staatlichen Streitkräften angehören, aber für den Staat kriegswichtige Aufgaben<br />
wahrnehmen. Hier ist ein Staat für das Verhalten seiner „Beauftragten“ verantwortlich. Beauftragte im Sinne<br />
dieser Vorschrift sind nicht nur Angehörige der Streitkräfte oder ähnlicher Organisationen, sondern auch Beamte,<br />
Richter und andere staatliche Aufgabenträger. S. dazu Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., 2004, § 40, Rn.<br />
3 ff., 10 ff. Auch sie können Kriegsverbrechen begehen, allerdings drängt sich diese Konstellation mit Blick auf<br />
Art. 8 IStGH-Statut und die gewaltsame Begehung <strong>von</strong> Terrorakten nur zweitrangig auf.<br />
631 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 840.<br />
632 Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., 2004, § 66, Rn. 4 ff.<br />
633 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 828.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 164<br />
erforderlich ist. 634 Hierfür reiche es nicht aus, dass der Staat die Gruppe mit Material,<br />
Waffen oder Finanzen versorgt, sondern es wird verlangt, dass der Staat die militärischen<br />
Operationen koordiniere oder die allgemeine Planung unterstütze. Es sei aber<br />
nicht notwendig, dass der Staat dem Anführer oder einzelnen Mitgliedern spezifische,<br />
gegen das Völkerrecht verstoßende Handlungen befiehlt. 635 Um sich das Verhalten<br />
auch <strong>von</strong> Einzelpersonen oder einzelnen Personengruppen zurechnen zu lassen, die<br />
nicht militärisch organisiert sind, greift das Kriterium der weit reichenden Kontrolle<br />
hier nicht, sondern der Staat muss hinsichtlich der Einzeltat spezifische Anweisungen<br />
gegeben oder sich die Handlungen im Nachhinein durch öffentlich bekundete Zustimmung<br />
zu eigen gemacht haben. 636<br />
Anhand dieser <strong>völkerrechtliche</strong>n Zurechnungsvoraussetzungen ist es möglich, etwa die<br />
Anschläge vom 11. September 2001 einer <strong>völkerrechtliche</strong>n Bewertung zu unterziehen<br />
um die Frage zu beantworten, ob die Attentate als Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus im Rahmen<br />
eines bewaffneten Konflikts einzuordnen sind. <strong>Die</strong> Anschläge auf das World Trade<br />
Center sowie das Pentagon sind nachweislich <strong>von</strong> Mitgliedern der Al Kaida<br />
ausgeführt worden und die Organisation hat sich ausdrücklich dazu bekannt. 637 Um die<br />
Terroranschlägen als Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus zu qualifizieren, müssten die Taten<br />
Afghanistan, respektive den Taliban zuzurechnen sein. So müssten die Taliban die<br />
Organisation Al Kaida insgesamt kontrolliert, deren Organisation und Ausführung der<br />
Anschläge koordiniert bzw. unterstützt haben. <strong>Die</strong> autonome Struktur der Al Kaida<br />
sowie die nach den Anschlägen ermittelten Beweise sprechen eindeutig gegen eine<br />
Kontrolle der Attentate durch das System der Taliban. Durch logistische Hilfeleistungen<br />
oder der Gewährung eines safe haven für Mitglieder der Al Kaida in Afghanistan<br />
mögen die Taliban Operationen der Al Kaida Hilfe geleistet haben, doch haben die Taliban<br />
die Organisation und deren Betätigungen weder koordiniert noch waren sie an<br />
der Planung <strong>von</strong> Terroranschlägen entscheidend beteiligt. <strong>Die</strong> Anschläge vom 11. September<br />
2001 sind demzufolge nicht als Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus im Rahmen eines<br />
bewaffneten Konflikts einzuordnen.<br />
634 The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Urteil v. 15.07.1999 (Tadic, AC), Rn. 137. Der JStGH nimmt hier eine<br />
Weiterentwicklung der Zurechnungsvoraussetzungen vor: Der IGH sah im Nicaragua-Fall für die staatliche Zurechnung<br />
lediglich eine wirksame Kontrolle (effective control) als erforderlich an. Vgl. IGH, Urteil v.<br />
27.06.1986 (Nicaragua vs. USA), in: ICJ Reports 1986, Rdn. 115.<br />
635 The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Urteil v. 15.07.1999 (Tadic, AC), Rn. 131.<br />
636 The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Urteil v. 15.07.1999 (Tadic, AC), Rn. 137.<br />
637<br />
Vgl. etwa David Bamber, Bin Ladin: Yes, I Did It, London Telegraph v. 11.11.2001,<br />
http://www.news/telegraph.co.uk/news/main/jhtml?xml=/news/2001/11/11/wbin11.xml.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 165<br />
(2) Nicht-staatlicher Terrorismus und bewaffneter Konflikt<br />
Für die Bewertung <strong>von</strong> individuellen <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus als<br />
Kriegsverbrechen ist <strong>von</strong> entscheidender Bedeutung, dass nicht-staatliche Terrorakte<br />
ebenfalls die Voraussetzung <strong>des</strong> bewaffneten Konflikts erfüllen. Lässt sich ein Nexus<br />
zwischen der privaten Terrortat und dem bewaffneten Konflikt nicht herstellen, scheidet<br />
auch hier ihre rechtliche Beurteilung unter dem Tatbestand <strong>des</strong> Kriegsverbrechens<br />
i. S. v. Art. 8 IStGH-Statut <strong>von</strong> vornherein aus. <strong>Die</strong> Nichtexistenz eines bewaffneten<br />
Konflikts ist demnach ein Ausschlussgrund für eine weitere rechtliche Prüfung.<br />
<strong>Die</strong> Einordnung <strong>von</strong> privaten <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus in den Rahmen<br />
eines bewaffneten Konflikts ist äußerst komplex und strittig. <strong>Die</strong> Problematik besteht<br />
darin, dass individuelle Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus unabhängig vom Bestehen<br />
eines bewaffneten Konflikts verübt werden und sie oftmals keine Verbindung zwischen<br />
der Terrortat und dem Vorliegen eines bewaffneten Konflikts aufweisen,<br />
sondern punktuell und unerwartet <strong>von</strong> autonom agierenden Terrorakteuren ausgeführt<br />
werden. <strong>Die</strong> Bewertung der Anschläge vom 11. September 2001 zeigt, dass die Meinungen<br />
darüber weit auseinander gehen, ob nicht-staatliche Terroranschläge einen<br />
kriegerischen Akt darstellen bzw. das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts begründen<br />
können.<br />
Zunächst weisen die sprachlichen Reaktionen auf die benannten Attacken darauf hin,<br />
private Terrorakte dem Recht <strong>des</strong> bewaffneten Konflikts zuzuordnen. Bei den Angriffen<br />
vom 11. September 2001 ist in den Medien und der Literatur überwiegend <strong>von</strong> einem<br />
„Krieg“ gesprochen worden; dennoch waren sich alle Beobachter einig, dass es<br />
sich hier um einen terroristischen Akt gehandelt habe. 638 So hat etwa US-Präsident<br />
Bush erklärt, dass man es mit einen „Krieg“ nicht nur gegen die Vereinigten Staaten,<br />
sondern gegen die gesamte westliche Zivilisation zu tun habe. 639 Ähnlich drückte sich<br />
New Yorks Bürgermeister Guiliani im Rahmen einer Sonderdebatte der UN-<br />
Generalversammlung aus, als er die Anschläge vom 11. September 2001 als grundlosen<br />
„kriegerischen“ Akt bezeichnete, der sich nicht nur gegen die Stadt selbst, sondern<br />
638<br />
Zur Kriegsrhetorik ausführlich Kotzur, AVR 2002, 454 ff.; s. auch Hess, in: Prittwitz/Baurmann/Günther/Kuhlen<br />
u. a. (Hrsg.), FS für Klaus Lüderssen, 2002, 489 (489 f.); Terwilliger/Cooperstein/Gunnarson/Blumenthal/Parker,<br />
The War on Terrorism: Law Enforcement or National Security.<br />
The Federalist Society 2001, http://www.fed-soc.org/Publications/Terrorism/militarytribunals.htm.<br />
639 S. Regierungserklärung v. 13.09.2001. In einer Ansprache vor dem Amerikanischen Kongress neun Tage<br />
nach dem 11. September 2001 verglich Präsident Bush die Anschläge darüber hinaus mit den japanischen Angriffen<br />
auf Pearl Harbor, welche für die USA den Eintritt in den Zweiten Weltkrieg bedeuteten. S. President<br />
George W. Bush, Address to a Joint Session of Congress and the American People, 20th Sept. 2001,<br />
http://www.whitehouse.gov/news/releases/2001/09/20010920-8.html; Kotzur, AVR 2002, 454 (454 f.); Tomuschat,<br />
EuGRZ 2001, 535 (535 f.).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 166<br />
gegen die Idee einer freien und offenen Zivilgesellschaft gerichtet habe. 640 In einem<br />
Interview stellte Bin Ladin das World Trade Center als legitimes militärisches Angriffsobjekt<br />
dar, da die Opfer nicht Zivilisten seien, sondern für das „kriegerische“<br />
amerikanische System gearbeitet hätten. 641 Letztlich ist auch die Auffassung vertreten<br />
worden, dass ein Terrorkrieg, wie er sich etwa durch die Anschläge vom<br />
11. September 2001 manifestiert habe, kein Fall für die Strafjustiz, sondern für den<br />
Generalstab sei. Indem polizeiliche Maßnahmen nur auf das einheimische Territorium<br />
begrenzt seien, wären sie nicht in der Lage, einen Kader <strong>von</strong> internationalen Tätern<br />
auszuschalten, der global operiere und keine Strafe fürchte. Ein kriegerischer Terrorangriff<br />
auf eine militärische Kommandozentrale und die Zivilbevölkerung, dies hätten<br />
die Angriffe auf das Pentagon verdeutlicht, sei nicht mehr mit einem Akt politischer<br />
Kriminalität vergleichbar und daher dem Kriegsrecht zu unterstellen. 642<br />
Unabhängig <strong>von</strong> der Bewertung moderner Terrorakte in den Medien oder durch die<br />
betroffenen Konfliktparteien, kann die Beurteilung der fraglichen Verhaltensweisen<br />
nur anhand rechtlicher Maßstäbe überzeugen. Für eine rechtliche Bewertung der Tat<br />
ist nicht entscheidend, ob die Konfliktparteien die fragliche Auseinandersetzung als<br />
Krieg ansehen oder sie so bezeichnen. 643 Handlungen <strong>von</strong> internationalen Terroristen<br />
können nicht als Kriegshandlungen betrachtet werden, nur weil die Akteure selbst oft<br />
da<strong>von</strong> überzeugt sind, einen „Krieg“ zu führen, sei es gegen ein Gesellschaftssystem<br />
oder gegen einen Staat. 644 Der oben dargestellte, wiederholte Gebrauch <strong>des</strong> Ausdrucks<br />
„Krieg“ ist insofern im rechtlichen Sinne falsch. Zwar muss heute kein „Krieg“ mehr<br />
nach herkömmlichen Maßstäben zwischen zwei oder mehreren Staaten geführt werden,<br />
sondern vielmehr muss ein „bewaffneter Konflikt“ vorliegen. 645 Bei den Akteuren<br />
muss es sich nicht mehr ausschließlich um uniformierte Soldaten regulärer Streitkräfte<br />
handeln, die Konfliktparteien müssen nicht einen Staat repräsentieren, und ferner muss<br />
eine am Konflikt beteiligte Organisation nicht der einer traditionellen Armee entsprechen.<br />
Zwingend erforderlich ist allein, dass sich die Akteure in einem bewaffneten<br />
Konflikt engagieren, <strong>des</strong>sen Existenz bei der Vornahme <strong>von</strong> willkürlichen, autonom<br />
begangenen Terrorakten fraglich ist.<br />
640 Wüstenhagen, in: <strong>von</strong> Schorlemer (Hrsg.), Praxishandbuch UNO, 2003, 101 (138).<br />
641<br />
David Bamber, Bin Ladin: Yes, I Did It, London Telegraph v. 11.11.2001,<br />
http://www.news/telegraph.co.uk/news/main/jhtml?xml=/news/2001/11/11/wbin11.xml; Slaughter/Burke-White,<br />
HarvILJ 2002, 1 (3).<br />
642 Skofsky, Zeiten <strong>des</strong> Schreckens, 2002, 182; Report of the National Commission on Terrorism, Countering the<br />
Campaign Threat of International Terrorism, 1999, http://www.fas.org/irp/threat/commission.html; Responding<br />
to Terrorism: Crime, Punishment, and War, Harv. L. Rev. 2002, 1217 (1222).<br />
643 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 817.<br />
644 Kilian, NZWehrr 1982, 121 (125).<br />
645 Zu Entwicklung und Wandlung <strong>des</strong> Kriegsbegriffs im Völkerrecht s. Kotzur, AVR 2002, 454 (461 f.).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 167<br />
Eine Unterscheidung zwischen Krieg und Terrorismus ist unbedingt nötig, da es sich<br />
hier um zwei verschiedene Rechtsregime handelt. In praktisch allen Bemühungen der<br />
Vereinten Nationen, das Problem <strong>des</strong> Terrorismus rechtlich einzuordnen, wurde klar<br />
zwischen Terrorismus einerseits und bewaffnetem Konflikt andererseits unterschieden:<br />
646 Einerseits existiert das traditionelle Kriegsrecht (das „Haager Recht“ und das<br />
„Genfer Recht“) bzw. <strong>des</strong>sen Zusammenfassung unter dem (neueren) Begriff <strong>des</strong> humanitären<br />
Völkerrechts. Das humanitäre Völkerrecht ist eindeutig definiert und zeichnet<br />
sich durch klare Durchsetzungsmechanismen aus. Ausgehend <strong>von</strong> diesen Vorgaben<br />
ist es zwar innerhalb <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts nicht entscheidend, ob es sich um<br />
einen zwischenstaatlichen Konflikt, einen Bürgerkrieg oder einen nationalen Befreiungskrieg<br />
handelt, denn sofern sich diese Konfliktarten nur als ernst genug herausstellen<br />
und als bewaffneter Konflikt einzuordnen sind, unterfallen sie dem Rechtsregime<br />
<strong>des</strong> humanitären Völkerrechts. Das humanitäre Völkerrecht ist dann lex specialis, welches<br />
– andererseits – das Rechtsregime <strong>des</strong> Terrorismus verdrängt. 647 Durch die eingangs<br />
formulierte Definition <strong>des</strong> Terrorismus lassen sich Akte <strong>des</strong> Terrorismus gerade<br />
<strong>von</strong> anderen Formen <strong>des</strong> gewalttätigen Konflikts, wie etwa <strong>von</strong> bewaffneten Konflikten,<br />
Guerillaaktionen, Revolutionen, Staatsstreichen oder gemeiner Gewaltkriminalität,<br />
unterscheiden. Indem Terrorismus heute zwar nicht als gemeine, aber doch als besondere<br />
Form der Gewaltkriminalität angesehen wird, zeigt sich darin die explizite Abwendung<br />
<strong>von</strong> der Materie <strong>des</strong> Kriegsrechts. 648 Terrorismus ist ein Problem in<br />
Friedenszeiten, welches auch mit friedlichen Mittel zu bekämpfen ist. 649<br />
Insbesondere stellt die Anwendung <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts auf Gewalthandlungen<br />
eine Privilegierung dar: <strong>Die</strong> im Rahmen eines bewaffneten Konflikts begangenen<br />
Taten werden nicht nach den allgemein anwendbaren Normen <strong>des</strong> Strafrechts geahndet.<br />
So kann z.B. der Täter geltend machen, dass im bewaffneten Kampf zwischen legitimen<br />
Konfliktparteien das Töten <strong>des</strong> Gegners erlaubt ist. Eine solche Legitimation<br />
besitzt eine aus dem Verborgenen operierende Terrorgruppe aber gerade nicht, und es<br />
646 UN-Special Rapporteur Koufa, E/CN.4/Sub.2/2001/31, 13 ff.; Stahn, ZaöRV 2002, 183 (194).<br />
647 UN-Special Rapporteur Koufa, Specific Human Rights Issues: New Priorities, in particular Terrorism and<br />
Counter-Terrorism, working paper by the Commission on Human Rights, E/CN.4/Sub.2/2004/40 v. 25.06.2004,<br />
7; diess., E/CN.4/Sub.2/2001/31, 14; Stahn, ZaöRV 2002, 183 (206).<br />
648 Hess, KJ 2002, 450 (451). Bereits 1982 hatte die International Law Association (ILA) den Vorschlag verfolgt,<br />
Akte <strong>des</strong> Terrorismus unter das Kriegsrecht einzuordnen und sie als „schwere Verletzungen“ der Genfer<br />
Konventionen einzuordnen; die Versammlung war sich der Vermischung der beiden unterschiedlichen Rechtsmaterien<br />
wohl bewußt. Vgl. Fourth Interim Report of the Committee on International Terrorism of the International<br />
Law Association v. 02 09 1982, in: ILA, Report of the Sixtieth Conference (Montreal 1982), 349-454. Vgl.<br />
auch Rubin, in: Han (Hrsg.), Terrorism and Political Violence, 1993, 377 ff.<br />
649 Elagab, International Law: Documents Relating to Terrorism, 1995, V; UN-Special Rapporteur Koufa, Specific<br />
Human Rights Issues: New Priorities, in particular Terrorism and Counter-Terrorism, Working Paper by the<br />
Commission on Human Rights, E/CN.4/Sub.2/2004/40 v. 25.06.2004, 10.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 168<br />
ist nicht erkennbar, warum eine Ausweitung <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts auf Terroristen<br />
erfolgen soll. 650<br />
Vor dem Hintergrund dieses sowohl systematischen als auch rechtspolitischen Einwan<strong>des</strong><br />
wird in der Literatur die Anwendbarkeit <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts auf internationale<br />
Terrorakte zumeist pauschal verneint. 651 Doch gilt es, bei dem Versuch<br />
einer allgemeinen Einordnung <strong>von</strong> Terrorismus unter die Normen <strong>des</strong> Kriegsverbrechens<br />
zu differenzieren. Im Einzelfall können terroristische Akte durchaus Kriegsverbrechen<br />
sein, nämlich dann, wenn sie sich als Kriegshandlungen im Rahmen<br />
internationaler bewaffneter oder nicht-bewaffneter Konflikte darstellen.<br />
Für das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts gibt das Völkerrecht klare Vorgaben<br />
und hält fest, dass ein bewaffneter Konflikt nur zwischen Staaten oder zwischen organisierten<br />
bewaffneten Gruppen geführt werden kann. 652 <strong>Die</strong> Definition <strong>des</strong> JStGH<br />
deckt gleichwohl moderne Gewaltanwendungen ab und adressiert sowohl traditionelle<br />
zwischenstaatliche Kriege als auch Bürgerkriege. Ferner kann sie unter Umständen<br />
auch Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus erfassen. So können gegenseitige Angriffe<br />
<strong>von</strong> organisierten Banden einen bewaffneten Konflikt darstellen; eine einzelne organisierte<br />
Gruppe kann ebenfalls an einem bewaffneten Konflikt teilnehmen, sofern sie<br />
mehrfache Angriffe gegen zivile oder militärische Ziele verübt. 653 Angriffe <strong>von</strong> einzelnen,<br />
organisierten Gruppierungen müssen dabei nach Plan und systematisch vorgetragen<br />
werden – sie dürfen nicht zufällig erfolgen. 654<br />
Eindeutig nicht unter einen bewaffneten Konflikt einzuordnen sind hingegen brutale<br />
Angriffe <strong>von</strong> Zivilisten gegen Zivilisten. Handelt es sich um Tathandlungen aus privater<br />
Motivation, stellt diese Verhaltensweise keine bewaffnete Handlung dar, auch<br />
wenn der Gewaltakt während eines bewaffneten Konflikts stattfindet. 655 Zivilisten<br />
können nur dann Kriegsverbrechen begehen, wenn ein funktionaler Zusammenhang<br />
zwischen der Tat und einer Konfliktpartei hergestellt werden kann. <strong>Die</strong>s ist dann der<br />
Fall, wenn die private Tat <strong>von</strong> einer Konfliktpartei angeordnet oder geduldet worden<br />
650 So auch Kotzur, AVR 2002, 454 (477).<br />
651 Bruha, AVR 2002, 282 (411 ff.); Kotzur, AVR 2002, 454 (476 f.); Stahn, ZaöRV 2002, 183 (195 ff.).<br />
652 „[...] whenever there is a resort to armed force between States or protacted armed violence between governmental<br />
authorities and organized armed groups or between such groups within a State.“ Vgl. The Prosecutor vs.<br />
Tadic, JSTGH, Beschluss v. 02.10.1995 (Tadic, AC), Rn. 70. Bestätigt in: The Prosecutor vs. Delalic, JSTGH,<br />
Urteil v. 16.11.1998 (Delalic, TC), Rn. 183; The Prosecutor vs. Furundžija, JSTGH, Urteil v. 10.12.1998 (Furundžija,<br />
TC), Rn. 59.<br />
653 Vgl. The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Urteil v. 07.05.1997 (Tadic, TC), Rn. 562; Ambos, Der Allgemeine<br />
Teil <strong>des</strong> Völkerstrafrechts, 2002, 53.<br />
654 Vgl. The Prosecutor vs. Kunaric, JSTGH, Urteil v. 22.02.2001, Rn. 439: “Crimes are deemed systematic<br />
based on the organized nature of the acts of violence and the improbability of their random nature.”.<br />
655 Bothe, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 388.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 169<br />
ist, denn damit macht die Konfliktpartei derartige Handlungen zum Bestandteil ihrer<br />
Politik. 656 Sofern es allerdings an der staatlichen Zurechnung mangelt, können Gewaltakte<br />
<strong>von</strong> Zivilisten nicht als private Terrorhandlungen in einem bewaffneten Konflikt<br />
eingeordnet werden. Terrorakte, die <strong>von</strong> einzelnen Terroristen oder autonomen<br />
Terrorgruppierungen ausgehen, werden gerade nicht aus privaten Motiven vorgenommen,<br />
sondern verfolgen einen klar politischen Hintergrund. Hierin zeigt sich gerade<br />
der Unterschied zwischen <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Terrorismus und gemeiner Gewaltkriminalität.<br />
Festzuhalten bleibt, dass es für die Vornahme <strong>von</strong> Terrorismus spezifischen Kriegsverbrechen<br />
nicht erforderlich ist, dass bei Begehung der Tat Kampfhandlungen stattfinden.<br />
Entscheidend ist vielmehr, dass der terroristische Gewaltakt während eines<br />
bewaffneten Konflikts begangen wurde. Untersucht man die rechtliche Qualität der<br />
Terroranschläge vom 11. September 2001, so wird sehr schnell deutlich, dass die Beweisführung<br />
für das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts in Fällen nicht-staatlicher<br />
Terrorhandlungen an ihre Grenzen stößt: <strong>Die</strong> Anschläge in New York und Washington<br />
D.C. fanden in Friedenszeiten statt. <strong>Die</strong> Vereinigten Staaten haben sich zum Zeitpunkt<br />
<strong>des</strong> 11. September 2001 nicht in einem Kriegszustand befunden, weder mit der Al<br />
Kaida noch mit Afghanistan oder den Taliban. Auch kann Bin Ladin nicht als Führer<br />
einer nationalen Befreiungsbewegung angesehen werden, die im Rahmen einer militärischen<br />
Operation gegen die USA agierte. 657 Formal wurde ein Kriegszustand erst mit<br />
dem US-Angriff auf Afghanistan am 7. Oktober 2001 eingeleitet. Für den Fall, dass<br />
später ein Kriegszustand zwischen zwei Konfliktparteien eingetreten ist, kann ein<br />
nachfolgender bewaffneter Konflikt nicht das Vorliegen eines Kriegsverbrechens begründen.<br />
658 Zu dieser Bewertung kommt etwa das Parlament <strong>des</strong> Europarates, das die<br />
Terrorangriffe vom 11. September 2001 nicht als Kriegsakte, sondern als kriminelle<br />
Handlungen klassifiziert. 659 Dem hat sich der UN-Sicherheitsrat angeschlossen und<br />
den Terroranschlägen die Qualität eines Kriegsverbrechens abgesprochen.<br />
Für die Mehrzahl moderner, nicht-staatlicher Terrorschläge ist diese rechtliche Bewertung<br />
zu übernehmen: Nicht-staatliche internationale Terrorakte erfolgen aus dem Verborgenen<br />
heraus, richten sich wahllos gegen unterschiedslose Ziele und werden<br />
punktuell ausgeführt. Verheerende Mordanschläge auf die Zivilbevölkerung stellen<br />
656 The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Urteil v. 07.05.1997 (Tadic, TC); Rn. 574 f. Zur Staatenverantwortlichkeit<br />
für das Verhalten <strong>von</strong> Privatpersonen s. Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, 2004, § 40, Rn. 29; Werle, Völkerstrafrecht,<br />
2003, 5. Teil, Rn. 842.<br />
657 Paust, There is No Need to Revise the Laws of War in Light of September 11th, The ASIL Society of International<br />
Law, Task Force on Terrorism, http://www.asil.org/taskforce/paust.pdf (Nov. 2002). A. A. etwa Slaughter/Burke-White,<br />
HarvILJ 2002, 1 (5), (8), welche die Meinung vertreten, dass die Angriffe <strong>des</strong> 11. September<br />
2001 der Definition <strong>des</strong> JStGH entsprechen und es sich bei diesen um formal „bewaffnete Angriffe“ handelt.<br />
658 Drumbl, Human Rights Quarterly 2002, 332 (336).<br />
659 Resolution <strong>des</strong> Europarates, Res. 1258 (2001) v. 26.10.2001.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 170<br />
keine Kriegshandlung dar, sondern sind Verbrechen, wegen derer die Täter und deren<br />
Hintermänner vor Gericht zu stellen sind. 660<br />
Letztlich ist argumentiert worden, dass Akte <strong>des</strong> nicht-staatlichen internationalen Terrorismus<br />
als neue Form der Kriegsführung gegen demokratische Gesellschaften und<br />
Einrichtungen anzusehen seien. So wird <strong>von</strong> Teilen der Wissenschaft die Auffassung<br />
vertreten, dass sich – indem die Definition <strong>des</strong> Terrorismus zwischen dem Terrorakt<br />
als krimineller Verhaltensform und möglichen neuen Formen der Kriegsführung<br />
schwanke – das Symptom einer <strong>völkerrechtliche</strong>n Übergangsperiode zeige. 661 Andere<br />
Autoren plädieren hingegen für die Einordnung <strong>von</strong> Terrorakten unter ein erweitertes<br />
bzw. „flexibles“ Kriegsrecht. 662 Ob bezüglich der Terrorismusproblematik <strong>von</strong> der<br />
Herausbildung einer neuen Kategorie <strong>des</strong> „bewaffneten transnationalen Konflikts“ 663<br />
auszugehen ist, an dem sich Staaten und nicht-staatliche Akteure, die nicht mehr der<br />
Kontrolle <strong>von</strong> Staaten unterliegen, beteiligen, bleibt abzuwarten. Auch wenn eine derartige<br />
neue, bewaffnete Konfliktform zukünftig hergeleitet werden kann, bleibt unklar,<br />
ob hier das humanitäre Völkerrecht anzuwenden ist. 664 Aus dogmatischer Sicht muss<br />
eine Erweiterung <strong>des</strong> traditionellen Kriegsrechts auf Konflikte zwischen Staaten und<br />
privaten Terrornetzwerken abgelehnt werden. 665<br />
Festzuhalten ist, dass Akte <strong>des</strong> nicht-staatlichen Terrorismus nur in wenigen Fällen die<br />
Voraussetzungen eines bewaffneten Konflikts erfüllen, da sie mehrheitlich losgelöst<br />
<strong>von</strong> einer kriegerischen Form der Auseinandersetzung begangen werden. Nichtstaatliche<br />
Terrorhandlungen in Friedenszeiten unterfallen nicht dem humanitären Völkerrecht;<br />
sie sind damit <strong>von</strong> vornherein nicht als Kriegsverbrechen zu qualifizieren.<br />
Sie können auch nicht einem modifizierten Kriegsrecht unterstellt werden. Grundsätzlich<br />
sind auf staatliche und nicht-staatliche Terrorakte die Regeln <strong>des</strong> humanitären<br />
Völkerrechts nur dann anwendbar, wenn ein bewaffneter Konflikt vorliegt, in <strong>des</strong>sen<br />
Rahmen die fraglichen Akte begangen werden und sich die terroristischen Handlungen<br />
einer am bewaffneten Konflikt beteiligten Partei zurechnen lassen. Es ist insbesondere<br />
bei <strong>modernen</strong>, autonom agierenden Terrorvereinigungen schwierig, eine Verbindung<br />
zum bewaffneten Konflikt herzustellen. Doch ist nicht auszuschließen, dass auch pri-<br />
660 Tomuschat, EuGRZ 2001, 535 (535 f.).<br />
661 Hess, KJ 2002, 450 (464, Fn. 44).<br />
662 Vgl. Stahn, ZaöRV 2002, 183 (195).<br />
663 Glöckner, NJW 2002, 2693.<br />
664 Drumbl, HRQu 2002, 332 (336, Fn. 50).<br />
665 Dazu Stahn, ZaöRV 2002, 183 (196).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 171<br />
vate Terrororganisationen Partei eines bewaffneten Konflikts sind und terroristische<br />
Akte im Einzelfall durchaus Kriegsverbrechen sein können. 666<br />
bb) Kriegsverbrechen als Teil eines Planes oder Politik<br />
Ist ein Zusammenhang zwischen dem Terrorverhalten und einem bewaffneten Konflikt<br />
gegeben, müssen Kriegsverbrechen gemäß Art. 8 IStGH-Statut „insbesondere als Teil<br />
eines Planes oder einer Politik oder als Teil der Begehung solcher Verbrechen in großem<br />
Umfang“ verübt werden. Art. 8 IStGH-Statut fordert nicht zwingend eine staatliche<br />
Anbindung; die Norm formuliert als Voraussetzung nur, dass sich das fragliche<br />
Verhalten in einen Plan oder eine Politik oder als Teil der Begehung solcher Verbrechen<br />
in großem Umfang einfügen muss. 667<br />
<strong>Die</strong> Begehung in großem Umfang impliziert dabei den Akt als Teil einer fortgesetzten<br />
Reihe <strong>von</strong> Taten. Isolierte Akte, die <strong>von</strong> einzelnen Angehörigen der Streitkräfte oder<br />
einzelnen Zivilisten während eines bewaffneten Konflikts begangen werden, fallen<br />
damit grundsätzlich nicht in die Zuständigkeit <strong>des</strong> IStGH, es sei denn solche Akte gehören<br />
zum Plan oder Politik einer kommandierenden Autorität. 668 Nach dem Wortlaut<br />
der Norm müssen Kriegsverbrechen aber „insbesondere“ im Zusammenhang mit einem<br />
Plan oder der Politik der großflächigen Verbreitung <strong>von</strong> Kriegsverbrechen stehen.<br />
Danach ist es aber ebenso möglich, dass ein singulärer und isolierter Akt, der nicht im<br />
Rahmen eines Planes oder einer Politik stattfindet, unter Umständen gleichwohl der<br />
Jurisdiktion <strong>des</strong> IStGH unterfällt. Eine isolierte Tathandlung kann demnach unter Umständen<br />
bereits ein Kriegsverbrechen im Sinne <strong>von</strong> Art. 8 IStGH-Statut sein. 669 Mit<br />
Blick auf die Vornahme <strong>von</strong> Terrorakten innerhalb eines bewaffneten Konflikts ist<br />
dies etwa dann der Fall, wenn ein Anschlag quantitativ und qualitativ ein solches<br />
Ausmaß annimmt, dass es unangemessen wäre, ihn nicht der Jurisdiktion <strong>des</strong> IStGH zu<br />
unterwerfen.<br />
666 Vor den Anschlägen <strong>des</strong> 11. September 2001 wurde internationalen Terrorakten grundsätzlich nicht die entsprechende<br />
Schwere zugeordnet, um sie für eine Behandlung unter dem humanitären Völkerrecht zu qualifizieren.<br />
S. Chadwick, Self-Determination, Terrorism and International Humanitarian Law of Armed Conflict, 1996,<br />
128; Bassiouni, HarvILJ 2002, 83 (97 ff.); UN-Special Rapporteur Koufa, Specific Human Rights Issues: New<br />
Priorities, in particular Terrorism and Counter-Terrorism, working paper by the Commission on Human Rights,<br />
E/CN.4/Sub.2/2004/40 v. 25.06.2004, 14.<br />
667 Vgl. The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Urteil v. 07.05.1997 (Tadic, TC), Rn. 573: “[...] it is not, however,<br />
necessary to show that the armed conflict was occurring at the exact same time and place of the proscribed acts<br />
allged to have occurred [...] nor is it necessary that the crime alleged takes place during combat, but that it be<br />
part of a policy or of a practice officially endorsed or tolerated by one of the parties to the conflict [...].”.<br />
668 Bothe, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 380; International Bar Association,<br />
International Terrorism: Legal Challenges and Responses. A Report by the International Bar Association‘s Task<br />
Force on Terrorism, 2003, 155; Safferling, Jura 2004, 56 (56).<br />
669 So auch Fenrick, in: Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute, 1999, Art. 8, Rn. 4.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 172<br />
Ausgehend <strong>von</strong> der (theoretischen) Annahme, dass die Anschläge vom 11. September<br />
2001 im Rahmen eines bewaffneten Konflikts erfolgt wären und man anerkennt, dass<br />
sie darüber hinaus den Teil eines Planes bzw. die Politik der Al Kaida verfolgt hatten,<br />
das amerikanische System zu schwächen und <strong>des</strong>sen Zivilbevölkerung zu terrorisieren,<br />
erfüllen diese Anschläge die Voraussetzung der Begehung im Rahmen einer übergeordneten<br />
Politik. Ordnet man die Anschläge in die Reihe weiterer Terrorattacken der<br />
Al Kaida ein, könnten sie auch „als Teil der Begehung solcher Verbrechen in großem<br />
Umfang“ angesehen werden. Sofern ähnliche Terrorhandlungen im Rahmen eines breit<br />
angelegten Terrorplanes lanciert werden, genügen sie der hier geprüften Voraussetzung.<br />
Begehen staatliche Funktionsträger oder nicht-staatliche Akteure, die sich einer<br />
militanten Organisation zuordnen lassen, schwere terroristische Handlungen, die den<br />
Tatbestand eines Kriegsverbrechens erfüllen, ist der Zusammenhang ihrer Tat mit dem<br />
bewaffneten Konflikt gemäß Art. 8 Abs. 1 IStGH-Statut unter Umständen ebenso zu<br />
bejahen, ohne dass es auf Übereinstimmung der Tat mit der offiziellen Politik einer<br />
Konfliktpartei ankommt. 670<br />
In der Gesamtschau der übergreifenden Voraussetzungen der Kriegsverbrechen ergibt<br />
sich Folgen<strong>des</strong>: Werden terroristische Akte innerhalb eines bewaffneten Konflikts und<br />
insbesondere in Übereinstimmung mit einem Plan oder einer offiziellen Politik begangen,<br />
können sie gemäß Art. 8 IStGH-Statut den einzelnen Tatbestandsmodalitäten der<br />
Kriegsverbrechen unterliegen.<br />
bb) Systematik <strong>von</strong> Art. 8 IStGH-Statut<br />
(1) Objektiver Tatbestand<br />
Ausgehend <strong>von</strong> den vertraglichen und völkergewohnheitsrechtlichen Voraussetzungen<br />
für die Verletzung <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts fasst das IStGH-Statut die Kriegsverbrechen<br />
nunmehr in Art. 8 zusammen. <strong>Die</strong> Normt teilt sich dabei in drei Unterkategorien<br />
auf. Absatz 1 befasst sich mit der sachlichen Zuständigkeit <strong>des</strong> IStGH<br />
hinsichtlich der Verfolgung <strong>von</strong> Kriegsverbrechen. Absatz 2 definiert die Kriegsverbrechen<br />
und Absatz 3 hält eine Sicherheitsklausel hinsichtlich einiger Definitionselemente<br />
<strong>von</strong> Kriegsverbrechen bereit. 671 Ordnungsprinzip <strong>des</strong> Statuts ist dabei die<br />
Unterscheidung zwischen Verbrechen im internationalen bewaffneten und im nichtinternationalen<br />
bewaffneten Konflikt:<br />
670 Dadurch unterscheiden sich die Kriegsverbrechen auch <strong>von</strong> den Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die<br />
einen ausgedehnten oder systematischen Angriff erfordern.<br />
671 Bothe, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 380.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 173<br />
‣ Regelungen für den internationalen bewaffneten Konflikt:<br />
• Art. 8 Abs. 2 (a) IStGH-Statut übernimmt die Regelungen über schwere<br />
Verletzungen der Genfer Abkommen.<br />
• Art. 8 Abs. 2 (b) IStGH-Statut enthält mit den „anderen schweren Verstößen<br />
gegen [...] Gesetze und Gebräuche“ <strong>des</strong> Krieges all diejenigen Tatbestände,<br />
die sich aus anderen Rechtsquellen ergeben und im internationalen bewaffneten<br />
Konflikt anwendbar sind.<br />
‣ Regelungen für den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt:<br />
• Art. 8 Abs. 2 (c) IStGH-Statut erfasst die in Art. 3 Genfer Abkommen I bis<br />
IV enthaltenen Tatbestände für bewaffnete Konflikte, die keinen internationalen<br />
Charakter aufweisen.<br />
• Art. 8 Abs. 2 (e) IStGH-Statut greift diejenigen Tatbestände auf, die sich aus<br />
anderen Quellen als den Genfer Abkommen ergeben und die im nichtinternationalen<br />
bewaffneten Konflikt anwendbar sind.<br />
Den Auslöser für die Einbeziehung <strong>von</strong> Kriegsverbrechen, die innerhalb nichtinternationaler<br />
bewaffneter Konflikte begangen werden, in das IStGH-Statut gaben das<br />
RStGH-Statut 672 sowie die Rechtsprechungspraxis <strong>des</strong> JStGH. Wegweisend war auch<br />
hier die Tadić-Entscheidung der Appeals Chamber <strong>des</strong> JStGH vom 2. Oktober 1995, in<br />
der der Gerichtshof u. a. festhält, dass auch Bürgerkriegsverbrechen zu „Verletzungen<br />
der Gesetze und Gebräuche <strong>des</strong> Krieges“ führen können. 673 Art. 8 IStGH-Statut hat<br />
diese Entwicklung nachvollzogen und in Art. 8 Abs. 2 (c) IStGH-Statut Verletzungen<br />
<strong>des</strong> gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen für strafbar erklärt. Durch Art. 8 Abs.<br />
2 (e) IStGH-Statut werden diese Regelungen um weitere Straftatbestände, die dem<br />
Personenschutz dienen und vor allem auf Regelungen <strong>des</strong> ZP II beruhen, ergänzt. Im<br />
Ergebnis ist damit nach dem IStGH-Statut und in Übereinstimmung mit dem Völkergewohnheitsrecht<br />
der Schutz <strong>von</strong> Personen in den nicht-internationalen bewaffneten<br />
Konflikten mit dem Schutz <strong>von</strong> Personen in internationalen bewaffneten Konflikten<br />
vergleichbar. 674 Somit stellt Art. 8 IStGH-Statut die Verletzungen <strong>des</strong> in internationalen<br />
und nicht-internationalen bewaffneten Konflikten anwendbaren humanitären Völkerrechts<br />
unter Strafe.<br />
672 Vgl. Art. 4 RStGH-Statut, der die Zuständigkeit <strong>des</strong> Strafgerichtshofs auch für die Verletzung <strong>des</strong> gemeinsamen<br />
Art. 3 Abs. 1 GA I bis IV sowie <strong>von</strong> Art. 4 Abs. 2 ZP II normiert.<br />
673 The Prosecutor vs. Tadic, JSTGH, Beschluss v. 02.10.1995 (Tadic, AC), Rn. 120 ff.; Blanke/Molitor, AVR<br />
2001, 142 (157).<br />
674 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 808.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 174<br />
<strong>Die</strong> Regelung in Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut ist allerdings sehr unübersichtlich. <strong>Die</strong><br />
Unterscheidung zwischen Verbrechen im internationalen und im nicht-internationalen<br />
bewaffneten Konflikt trägt nicht zur Vereinfachung der Normstruktur bei; sie scheint<br />
vielmehr veraltet, insbesondere weil sich beide Konfliktarten assimiliert haben. Es wäre<br />
es zweckmäßiger, den Tatbestand der Kriegsverbrechen nach materiellen Gesichtspunkten<br />
zu ordnen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Vereinfachung wird sich<br />
die weitere Analyse an dem <strong>von</strong> Werle vorgeschlagenen Konzept der Systematisierung<br />
der Kriegsverbrechen ausrichten, der die Unterscheidung anhand der Kategorien zum<br />
Schutz <strong>von</strong> Personen und Eigentum auf der einen Seite (nach Maßgabe <strong>des</strong> „Genfer<br />
Rechts“) sowie verbotenen Mitteln und Methoden der Kriegsführung (nach Maßgabe<br />
<strong>des</strong> „Haager Rechts“) auf der anderen Seite vornimmt. 675<br />
Für die weitere Prüfung ergibt sich hieraus eine Einteilung in Kriegsverbrechen gegen<br />
Personen (II. 3. c) aa) ), Kriegsverbrechen gegen das Eigentum (II. 3. bb) ), Kriegsverbrechen<br />
<strong>des</strong> Einsatzes verbotener Kampfmethoden (II. 3. cc) ) sowie Kriegsverbrechen<br />
<strong>des</strong> Einsatzes verbotener Kampfmittel (II. 3. dd) ). <strong>Die</strong> Einteilung der<br />
Kriegsverbrechen unter diese, nach materiellen Kriterien herausgebildeten Abschnitte<br />
erlaubt es, die Prüfung der verschiedenen Terrorformen im Weiteren übersichtlich darzustellen.<br />
Moderne Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus richten sich gegen verschiedene<br />
Angriffsobjekte (Personen, Eigentum) und können durch unterschiedliche<br />
verbotene Kampfmethoden und Kampfmittel (Atomterrorismus, Bioterrorismus, Chemieterrorismus,<br />
Cyberterrorismus) ausgeführt werden.<br />
(2) Subjektiver Tatbestand<br />
<strong>Die</strong> Tathandlungen der Kriegsverbrechen müssen nicht nur objektiv vorliegen, es müssen<br />
zudem auch die – <strong>von</strong> der jeweiligen Tathandlung abhängigen – subjektiven Voraussetzungen<br />
erfüllt sein. Grundsätzlich gilt auch hier Art. 30 IStGH-Statut. Der<br />
subjektive Tatbestand setzt nach Art. 30 IStGH-Statut voraus, dass der Täter mit Vorsatz<br />
(„intent“) und Wissen („knowledge“) gehandelt hat. Nach der deutschen Strafrechtsdogmatik<br />
scheint diese Aufsplittung in Wissen und Vorsatz tautologisch, da<br />
Vorsatz gemeinhin als Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung definiert<br />
wird. 676 Das Völkerstrafrecht verzichtet aber auf Begriffsidentitäten mit nationalen Pa-<br />
675 Vgl. Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 813 ff.; ders. JZ 2001, 885 (893 f.). <strong>Die</strong>ser Systematik folgt<br />
auch das deutsche Völkerstrafgesetzbuch, vgl. § 8 - 12 VStGB, BGBl. 2002 I, 2254; s. auch Begründung zum<br />
Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung <strong>des</strong> Völkerstrafgesetzbuches v. 22.06.2001, 53; dazu Werle/Jeßberger,<br />
JZ 2002, 725 (728). <strong>Die</strong>se vereinfachte Systematik wird darüber hinaus <strong>von</strong> Nichtregierungsorganisationen<br />
begrüßt, s. Gemeinsame Stellungnahme der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und <strong>des</strong><br />
Komitees für ein effektives Völkerstrafrecht (CoEICL) zum Referentenentwurf <strong>des</strong> Völkerstrafgesetzbuches, unter<br />
II. 4 (der Stellungnahme); Zimmermann, NJW 2002, 3068 (3070).<br />
676 Vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch <strong>des</strong> Strafrechts, AT, 1996, § 29 II 2.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 175<br />
rallelerscheinungen und erfordert eine eigenständige Interpretation. Aus diesem Grund<br />
müssen bei der Analyse <strong>des</strong> Art. 30 IStGH-Statut die subjektiven Anforderungen im<br />
Hinblick auf die jeweiligen objektiven Deliktsmerkmale der Norm unter völkerstrafrechtlichen<br />
Vorgaben untersucht werden; dabei ist eine strikte Trennung erforderlich.<br />
Damit ist auch im Rahmen <strong>von</strong> Art. 8 IStGH-Statut bei der Bestimmung <strong>des</strong> voluntativen<br />
Elements zunächst zu unterscheiden, ob es sich auf das inkriminierte Verhalten<br />
oder die herbeigeführte Folge beziehen muss: So muss sich der Vorsatz <strong>des</strong> Täters<br />
gemäß Art. 30 Abs. 2 IStGH-Statut zum einen darauf erstrecken, dass der Täter die<br />
Tathandlung mit dolus directus 1. Gra<strong>des</strong> begangen hat (Art. 30 Abs. 2 a IStGH-<br />
Statut); zum anderen muss er hinsichtlich <strong>des</strong> Erfolges diese Folge wollen oder sich ihrer<br />
wenigstens bewusst sein (Art. 30 Abs. 2 b IStGH-Statut), was dem deutschen dolus<br />
directus 2. Gra<strong>des</strong> entspricht. Verlangt wird also letztlich eine Kombination aus dolus<br />
directus 1. und 2. Gra<strong>des</strong>. 677 Damit werden die unter Wissen und Wollen anzusiedelnden,<br />
schwächeren Vorsatzformen <strong>des</strong> dolus eventualis oder der recklessness nicht berücksichtigt.<br />
<strong>Die</strong> im englischen Strafrecht mit recklessness bezeichnete Figur ist nach<br />
deutschen Maßstäben als bewusste Fahrlässigkeit wie auch Eventualvorsatz zusammenzufassen.<br />
Zu beachten ist, dass zur Erfüllung <strong>des</strong> subjektiven Tatbestan<strong>des</strong> gleichwohl kumulativ<br />
das Wissenselement hinzutreten muss. Das (völkerstrafrechtliche) Wissenselement<br />
fordert, dass der Täter sich bewusst war, dass ein Umstand existiert oder dass eine<br />
Folge bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge eintreten wird, Art. 30 Abs. 3 IStGH-<br />
Statut. Für die innere Tatseite der Kriegsverbrechen bedeutet dies, dass der Täter in<br />
Kenntnis der tatsächlichen Umstände gehandelt haben muss, aus denen sich das Vorliegen<br />
eines bewaffneten Konflikts ergibt. Das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts<br />
ist damit nicht nur objektive Bedingung der Strafbarkeit oder Voraussetzung der Zuständigkeit<br />
<strong>des</strong> IStGH, sondern sie muss sich auch in der Tätervorstellung widerspiegeln.<br />
678 <strong>Die</strong> rechtliche Bewertung, ob es sich um einen internationalen oder nichtinternationalen<br />
bewaffneten Konflikt handelt, ist durch den Täter nicht erforderlich,<br />
doch muss er sich der faktischen Umstände gewahr sein, seine Handlungen im Rahmen<br />
eines bewaffneten Konflikts auszuführen. 679<br />
677 Ambos, Der Allgemeine Teil <strong>des</strong> Völkerstrafrechts, 2002, 770. Der vollständige Bedeutungsgehalt <strong>von</strong><br />
Art. 30 IStGH-Statut ist im Einzelnen umstritten. <strong>Die</strong>s liegt nicht zuletzt daran, dass es sich bei der vorliegenden<br />
Norm um einen Kompromiss handelt, der vielerlei Rechtstraditionen und Rechtsverständnisse in sich vereinigt.<br />
Vgl. grundlegend Ambos, Der Allgemeine Teil <strong>des</strong> Völkerstrafrechts, 2002, 718 ff.; Piragoff, in: Triffterer<br />
(Hrsg.), Commentary on the Rome Statute, 1999, Art. 30; sowie Clark, ZStR 2002, 377 ff.<br />
678 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 845.<br />
679 Vgl. Einführung zu Art. 8 IStGH-Statut, Elements of Crimes. Ferner vgl. Ambos, NJW 2001, 405 (407); International<br />
Bar Association, International Terrorism: Legal Challenges and Responses. A Report by the Interna-
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 176<br />
<strong>Die</strong> subjektive Schwelle ist damit hoch angesiedelt (Wissen oder Absicht). Fraglich<br />
ist, ob eine Strafbarkeit eines nur eventualvorsätzlichen oder mit recklessness handelnden<br />
Täters nach Völkerstrafrecht generell ausscheidet. <strong>Die</strong>s ist insbesondere bei<br />
den Tathandlungen <strong>des</strong> Art. 8 IStGH-Statut umstritten, die nach herrschender Meinung<br />
im Einzelnen geringere Vorsatzerfordernisse aufweisen: So verwenden eine Reihe <strong>von</strong><br />
Vorschriften <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut den Begriff „vorsätzlich“ (wilful), um die<br />
subjektive Tatseite zu kennzeichnen. Hier ist ein niedrigeres Vorsatzerfordernis anzunehmen,<br />
da der Begriff dort nach herrschender Meinung so verstanden wird, dass er<br />
auch die bewusste Fahrlässigkeit (recklessness) mit einschließt. 680 Ein geringeres Vorsatzerfordernis<br />
wird auch für alle Verbrechen angenommen, die auf die Bestimmungen<br />
über schwere Verletzungen der Genfer Abkommen und deren gemeinsamen Artikel 3,<br />
welcher die Vornahme terroristischer Handlungen regelt, zurückführen. 681 <strong>Die</strong>se Einbeziehung<br />
<strong>von</strong> Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit (recklessness) ermöglicht<br />
dabei die Öffnungsklausel <strong>des</strong> Art. 30 Abs. 1 IStGH-Statut, wonach die dargestellte<br />
Konzeption der subjektiven Verbrechensmerkmale (Wissen und Absicht) nur dann<br />
eingreift, wenn „nichts anderes bestimmt ist“. Gemäß Art. 30 Abs. 1 IStGH-Statut<br />
kann es demnach im Einzelnen zu Modifikationen hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen<br />
sowohl durch die Verbrechenselemente als auch durch Völkergewohnheitsrecht<br />
kommen. 682<br />
Mehrheitlich hält das humanitäre Völkerrecht jedoch Tatbestände bereit, bei denen<br />
bewusste Fahrlässigkeit (recklessness) unzureichend ist; dies betrifft insbesondere die<br />
Tatbestände, die Angriffe auf nicht-militärische Ziele verbieten. Hier ist regelmäßig<br />
zielgerichtetes Handeln erforderlich. In der Gesamtschau ergibt sich damit für den subjektiven<br />
Tatbestand der Kriegsverbrechen nach Art. 8 IStGH-Statut, dass sich jede<br />
schematische Herangehensweise an den subjektiven Tatbestand der Kriegsverbrechen<br />
verbietet. In der Regel ist für die subjektive Seite festzuhalten, dass der Täter mit Absicht<br />
hinsichtlich der speziellen Tathandlung (z. B. Tötung, vorsätzliche Zerstörung<br />
<strong>von</strong> Eigentum) agieren muss und sich zudem darüber bewusst sein muss, im Rahmen<br />
einer bewaffneten Auseinandersetzung zu handeln. Hinsichtlich weiterer subjektiver<br />
Voraussetzungen für eine Strafbarkeit ist auf die jeweils einschlägigen Tatbestandsmodalitäten<br />
abzustellen. Mit Blick auf die Terrorismusproblematik ist bei Terrorismus<br />
spezifischen Kriegsverbrechen der Vorsatz in Form eines besonderen Terrorvorsatzes<br />
tional Bar Association‘s Task Force on Terrorism, 2003, 155; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht,<br />
2005, § 15, Rn. 65. Zu den subjektiven Elementen <strong>des</strong> Kriegsverbrechens näher s. Ambos, Der Allgemeine<br />
Teil <strong>des</strong> Völkerstrafrechts, 2002, 778 ff.<br />
680 Ambos, Der Allgemeine Teil <strong>des</strong> Völkerstrafrechts, 2002, 805; Satzger, Internationales und Europäisches<br />
Strafrecht, 2005, § 14, Rn. 25.<br />
681 The Prosecutor vs. Blaskic, JSTGH, Urteil v. 03.03.2000 (Blaskic, TC), Rn. 151, 182.<br />
682 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 283.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 177<br />
nachzuweisen. Der Täter muss hiernach Terror und Schrecken unter der Zivilbevölkerung<br />
verbreiten wollen. 683<br />
c) Subsumtion <strong>des</strong> internationalen Terrorismus unter Art. 8 IStGH-Statut<br />
Anhand der einzelnen Tatmodalitäten <strong>des</strong> Art. 8 IStGH-Statut erfolgt abschließend die<br />
Prüfung, ob internationale Terrorakte als Kriegsverbrechen geahndet werden können.<br />
Wie bereits aufgezeigt, folgt der objektive Tatbestand <strong>des</strong> Art. 8 IStGH-Statut dem<br />
Ordnungsprinzip der Unterscheidung in Verbrechen im internationalen bewaffneten<br />
und im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt. Auf diese Unterscheidung wird in<br />
der weiteren Darstellung nur dann gesondert eingegangen, wenn für die Konfliktarten<br />
abweichende Regelungen gelten.<br />
aa) Terrorismus spezifische Kriegsverbrechen gegen Personen<br />
(1) Geschützter Personenkreis<br />
Kriegsverbrechen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Privilegierung für Kombattanten<br />
enthalten. <strong>Die</strong> Tötungen und Verletzungen, die während der Kampfhandlungen<br />
<strong>von</strong> Kombattanten an anderen Kombattanten verübt werden, sind nicht<br />
tatbestandsmäßig, solange die Regeln <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts eingehalten werden.<br />
<strong>Die</strong> <strong>völkerrechtliche</strong>n Tatbestände müssen daher festlegen, unter welchen Voraussetzungen<br />
die Tötung und Verletzung <strong>von</strong> Personen verboten und strafbar ist.<br />
<strong>Die</strong> Regelungen zum geschützten Personenkreis sind deutlich auf internationale Konflikte<br />
ausgerichtet. Dem Schutz der Genfer Abkommen und ihrer Zusatzprotokolle unterfallen<br />
in aller Regel nur Personen, die nicht oder nicht mehr an den<br />
Kampfhandlungen teilnehmen und daher Opfer einer „schweren Verletzung“ der Abkommen<br />
werden können. Der Begriff der „geschützten Person“ bestimmt sich für die<br />
einzelnen Genfer Abkommen unterschiedlich, da er abhängig vom jeweiligen Schutzzweck<br />
<strong>des</strong> zutreffenden Abkommens ist. 684<br />
Grundsätzlich unterfallen Zivilisten dem Schutz <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts. Ferner<br />
dienen die Genfer Abkommen I bis III dem Schutz <strong>von</strong> kranken, verwundeten und<br />
schiffbrüchigen Soldaten und Kriegsgefangenen. Bei dieser Personengruppe handelt es<br />
sich ausschließlich um Angehörige bewaffneter Streitkräfte, die auch eines speziellen<br />
Schutzes vor Terrorangriffen bedürfen. <strong>Die</strong>se Gruppe ist jedoch nur selten Opfer moderner<br />
Terrorattacken: Terroristische Gewaltakte zielen mehrheitlich auf am Kampf<br />
683 Cassese, International Criminal Law, 2003, 127.<br />
684 Vgl. Art. 13 GA I; Art. 13 GA II; Art. 4 GA III; Art. 13 GA IV.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 178<br />
unbeteiligte Zivilisten als primäre Angriffsobjekte ab, so dass ihrem Schutz eine besondere<br />
Bedeutung im Rahmen der Terrorismusproblematik zukommt. 685 Zivilisten<br />
werden ferner durch das Genfer Abkommen IV geschützt, sofern sie sich auf dem Gebiet<br />
bzw. in der Gewalt einer gegnerischen Konfliktpartei befinden. 686 Wenn sich Zivilisten<br />
in einem <strong>von</strong> der gegnerischen Konfliktpartei kontrollierten Gebiet befinden,<br />
handelt es sich zumeist um Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus. Bei nicht-staatlichen Terroranschlägen,<br />
die punktuell ausgeführt werden und keine direkte Kontrolle eines Kampfgebietes<br />
erfordern, ist nicht ersichtlich, dass die Regelungen <strong>des</strong> IV. Genfer<br />
Abkommens einschlägig sind.<br />
Für nicht-internationale bewaffnete Konflikte bestimmt der gemeinsame Art. 3 der<br />
Genfer Abkommen, dass Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten beteiligt<br />
sind, einschließlich der Mitglieder der Streitkräfte, die aufgrund <strong>von</strong> Krankheit,<br />
Verwundung, Gefangennahme oder anderen Ursachen nicht mehr an den Kampfhandlungen<br />
teilnehmen, zu schützen sind. Art. 4 Abs. 1 ZP II enthält eine ähnliche Regelung.<br />
Art. 8 Abs. 2 lit. c IStGH-Statut hat diese Definition übernommen, wie die<br />
Verbrechenselemente belegen. 687 <strong>Die</strong>se offene Bestimmung <strong>des</strong> zu schützenden Personenkreises<br />
eignet sich insbesondere für moderne bewaffnete Konflikte nichtinternationalen<br />
Charakters.<br />
(2) Vorsätzliche Tötung 688 (Art. 8 Abs. 2 lit. a (i); Art. 8 Abs. 2 lit. c (i)<br />
IStGH-Statut)<br />
<strong>Die</strong> im international bewaffneten Konflikt begangene Tötung geschützter Personen ist<br />
nach Art. 8 Abs. 2 lit. a (i) IStGH-Statut strafbar. Hierbei handelt es sich um eine<br />
schwere Verletzung im Sinne aller vier Genfer Abkommen. 689 Eine entsprechende<br />
Strafbarkeit für den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt enthält Art. 8 Abs. 2<br />
lit. c (i) IStGH-Statut, der auf den gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen zurückgeht.<br />
690 <strong>Die</strong> Tatbestandsmerkmale der „vorsätzlichen Tötung“ („wilful killing“) sind<br />
mit denjenigen der vorsätzlichen Tötung innerhalb der Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />
identisch. Art. 8 IStGH-Statut sagt jedoch nichts darüber aus, mit welchen<br />
Mitteln und auf welche Weise die Tötung vollzogen werden muss, so dass hier alle<br />
Tötungsvarianten (inklusive mittels Massenvernichtungs- oder Cyberwaffen) in Be-<br />
685 Cassese, International Criminal Law, 2003, 127; Veuthey, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims, and International<br />
Responsibility, 2003, 369 (372).<br />
686 Vgl. Art. 4 Abs. 1 GA IV.<br />
687 Vgl. Art. 8 Abs. 2 lit. c IStGH-Statut, Elements of Crimes, 2. „Such person or persons were either hors de<br />
combat, or were civilians, medical personnel, or religious personnel taking no active part in the hostilities.”.<br />
688 „War Crime of Wilful Killing“.<br />
689 Vgl. Art. 50 GA I; Art. 51 GA II; Art. 130 GA III; Art. 147 GA IV.<br />
690 Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. a GA I – IV. S. auch Art. 4 lit. a RStGH-Statut.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 179<br />
tracht kommen können. Einzige Voraussetzung der Tötung ist, dass das Handeln <strong>des</strong><br />
Täters kausal und objektiv zurechenbar für den Tod <strong>des</strong> Opfers sein muss.<br />
Nach den Verbrechenselementen zu Art. 8 Abs. 2 lit. a (i) IStGH-Statut setzt die objektive<br />
Tatseite in internationalen bewaffneten Konflikten die Tötung einer unter dem<br />
Schutz der Genfer Abkommen stehenden Person voraus. Typische Tathandlungen sind<br />
z. B. die Tötung <strong>von</strong> Kriegsgefangenen oder internierten Zivilisten ohne Gerichtsverfahren,<br />
die im Verhungern resultierende Verweigerung oder Kürzung <strong>von</strong> Lebensmitteln<br />
für Kriegsgefangene oder Misshandlungen <strong>von</strong> Kriegsgefangenen, die zum Tode<br />
führen. 691 Entsprechende Handlungen an Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten<br />
beteiligt sind, oder an gefangenen Kämpfern erfüllen auch im nichtinternationalen<br />
bewaffneten Konflikt den Tatbestand der Tötung. Nehmen Angehörige<br />
staatlicher Streitkräfte unmittelbare Tötungshandlungen oder tödliche Misshandlungen<br />
an Kriegsgefangenen oder Zivilisten vor, können sich ihre Taten als Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus<br />
darstellen und als Kriegsverbrechen qualifiziert werden, wenn durch die<br />
Vornahme dieser Akte Terror verbreitet werden soll. Sofern autonome Gruppen im<br />
Rahmen eines bewaffneten Konflikts nicht-internationalen Charakters Terrorangriffe<br />
auf Leib und Leben <strong>von</strong> Zivilisten oder in Gefangenschaft befindliche Kämpfer begehen,<br />
erfüllen sie ebenso die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Norm.<br />
Für die innere Tatseite verlangt Art. 8 Abs. 2 lit. a. (i) i. V. m. Art. 30 IStGH-Statut,<br />
dass der Täter wissentlich und willentlich getötet hat. Der Tatbestand der Tötung ist<br />
darüber hinaus durch das Merkmal „wilful“ gekennzeichnet, welches allerdings in den<br />
Verbrechenselementen keinen Niederschlag erfahren hat. Wie bereits den Ausführungen<br />
zum subjektiven Tatbestand der Kriegsverbrechen zu entnehmen ist, kann schon<br />
nach dem Wortlaut <strong>des</strong> Art. 8 IStGH-Statut oft ein geringerer subjektiver Maßstab angelegt<br />
werden, insbesondere soweit im Englischen „wilful“ für ausreichend erklärt<br />
wird. Hier wird dann die mit recklessness bezeichnete Figur mit einbezogen, die nach<br />
deutschen Maßstäben als bewusste Fahrlässigkeit wie auch Eventualvorsatz anzusehen<br />
ist. In Abkehr <strong>von</strong> Art. 30 IStGH-Statut bedeutet dies für den Tatbestand der vorsätzlichen<br />
(„wilful“) Tötung ein geringeres Vorsatzerfordernis, nämlich dass der Täter in<br />
Bezug auf den Tod der geschützten Person vorsätzlich gehandelt haben muss oder zumin<strong>des</strong>t<br />
unter leichtfertiger Missachtung menschlichen Lebens dem Opfer tödliche<br />
Verletzungen zufügt hat. 692 Nimmt ein Terrorist den To<strong>des</strong>eintritt einer geschützten<br />
691 Kittichaisaree, International Criminal Law, 2001, 142.<br />
692 The Prosecutor vs. Delalic et al., JSTGH, Urteil v. 16.11.1998 (Delalic u. a., TC), Rn. 439. Nach der Rechtsprechung<br />
<strong>des</strong> RStGH muss der Täter gewusst haben, dass die dem Opfer zugefügte Verletzung wahrscheinlich<br />
<strong>des</strong>sen Tod verursachen würde, vgl. The Prosecutor vs. Akayesu, RSTGH, Urteil v. 02.09.1998 (Akayesu, TC),<br />
Rn. 589. Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 869.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 180<br />
Person als Folge seines Gewaltverhaltens in Kauf, liegt Vorsatz im Sinne <strong>von</strong> Art. 8<br />
Abs. 2 lit. a. (i) i. V. m. Art. 30 IStGH-Statut vor.<br />
(3) Misshandlungstatbestände<br />
<strong>Die</strong> Kriegsverbrechen der Folter, der vorsätzlichen Verursachung großer Leiden, der<br />
schweren Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit und<br />
der unmenschlichen oder grausamen Behandlung können unter dem Oberbegriff der<br />
sog. Misshandlungstatbestände zusammengefasst werden. Derartige Misshandlungstatbestände<br />
finden sich in Art. 8 Abs. 2 lit. a (ii), (iii) und lit. c (i) IStGH-Statut.<br />
(a) Folter (Art. 8 Abs. 2 lit. a (ii), 1. Alt.; Art. 8 Abs. 2 lit. c (i), 4. Alt.<br />
IStGH-Statut)<br />
<strong>Die</strong> Folter stellt in der Systematik der Misshandlungstatbestände den speziellsten Tatbestand<br />
dar 693 und wird in den Vorschriften der Genfer Abkommen über die schweren<br />
Verletzungen sowie im gemeinsamen Artikel 3 der Abkommen verboten. 694 <strong>Die</strong> Tatbestandsvoraussetzungen<br />
sind in allen Fällen identisch. 695 Im IStGH-Statut ist das<br />
Kriegsverbrechen der Folter in Art. 8 Abs. 2 lit. a (ii) 1. Alt. für den internationalen<br />
bewaffneten Konflikt und in Art. 8 Abs. 2 lit. c (i) 4. Alt. für den nicht-internationalen<br />
bewaffneten Konflikt normiert.<br />
<strong>Die</strong> Verbrechenselemente zu Art. 8 Abs. 2 lit. a (ii) IStGH-Statut definieren die Folter<br />
als die Zufügung großer körperlicher und seelischer Schmerzen. Damit die Folter als<br />
Kriegsverbrechen strafbar ist, muss die Misshandlung in Übereinstimmung mit Art. 1<br />
Abs. 1 Folterkonvention bestimmten Zwecken dienen, wie etwa der Informationsgewinnung,<br />
Erlangen eines Geständnisses, Bestrafung, Entwürdigung oder aus anderen<br />
Gründen, die auf diskriminierenden Gründen basieren. 696 Hierin unterscheidet sich die<br />
Folter als Kriegsverbrechen <strong>von</strong> der Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.<br />
Es wird da<strong>von</strong> ausgegangen, dass die in den Verbrechenselementen benannten Motive<br />
nicht abschließend sind und es ausreichend ist, wenn sie als Teil eines Motivbündels<br />
vorliegen. 697 Subjektiv wird vorsätzliches Handeln vorausgesetzt, Art. 30 IStGH-<br />
Statut.<br />
693 The Prosecutor vs. Delalic et al., JSTGH, Urteil v. 16.11.1998 (Delalic et al., TC), Rn. 442.<br />
694 So hat die Rechtsprechungspraxis <strong>des</strong> JStGH und RStGH die Awendung der Folterkonvention auf das humanitäre<br />
Völkerrecht bestätigt. Vgl. The Prosecutor vs. Furundzja, JSTGH, Urteil v. 10.12.1998, Rn. 159, 38 ILM<br />
(1999), 317; The Prosecutor vs. Akayesu, RSTGH, Urteil v. 02.10.1998, Rn. 593, 37 ILM (1998), 1399.<br />
695 The Prosecutor vs. Delalic, JSTGH, Urteil v. 16.11.1998 (Delalic u. a., TC), Rn. 442 f., 452 ff.; The Prosecutor<br />
vs. Musema, RSTGH, Urteil v. 27.01.2000 (Musema, TC), Rn. 285. S. auch Art. 2 lit. b JStGH-Statut und<br />
Art. 4 lit. a RStGH-Statut.<br />
696 Vgl. Art. 8 Abs.2 lit. a (ii) IStGH-Statut, Elements of Crimes, Nr. 2.<br />
697 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 880.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 181<br />
(b) Verursachen <strong>von</strong> Leiden und Gesundheitsschäden 698 (Art. 8 Abs. 2 lit. a<br />
(iii) IStGH-Statut)<br />
Art. 8 Abs. 2 lit. a (iii) IStGH-Statut regelt die vorsätzliche Verursachung großer Leiden<br />
oder die schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit.<br />
Zur Erfüllung <strong>des</strong> objektiven Tatbestan<strong>des</strong> muss eine im Sinne der Genfer<br />
Abkommen geschützte Person großes Leid erfahren und langfristige Nachteile bezüglich<br />
seiner Fähigkeit, einen normalen und konstruktiven Lebenswandel zu führen, da<strong>von</strong>tragen.<br />
699 Im Gegensatz zum Kriegsverbrechen der Folter muss die Verursachung<br />
<strong>von</strong> Leiden keinen vom Täter verfolgten Zweck erfüllen. Insofern erfüllt je<strong>des</strong> Kriegsverbrechen<br />
der Folter zugleich den Tatbestand der vorsätzlichen Verursachung großer<br />
Leiden. 700 Neben körperlichen Leiden sind auch psychische Leiden vom Tatbestand<br />
erfasst, etwa unzulässige Strafmaßnahmen (z. B. Isolationshaft). 701<br />
Der Nachweis, ob die Verursachung „vorsätzlich“ erfolgte, die Beeinträchtigung<br />
„schwer“ ist und ob „große Leiden“ verursacht wurden, kann sich mitunter als schwierig<br />
herausstellen. Weder die Genfer Konventionen noch die Verbrechenselemente definieren<br />
diese Tatbestandsvoraussetzungen genauer. 702 <strong>Die</strong> innere Tatseite verweist auf<br />
„wilfully causing suffering“ und entsprechend <strong>des</strong> subjektiven Tatbestan<strong>des</strong> der Tötung<br />
wird hierunter Vorsatz als auch recklessness als strafbares Verhalten erfasst.<br />
(c) Unmenschliche oder grausame Behandlung (Art. 8 Abs. 2 lit. a (ii),<br />
2. Alt; Art. 8 Abs. 2 lit. c (i), 3. Alt. IStGH-Statut)<br />
Für internationale bewaffnete Konflikte ist der Tatbestand der unmenschlichen Behandlung<br />
in Art. 8 Abs. 2 lit. a (ii) 2. Alt. IStGH-Statut einschlägig. Vergleichbare Fälle<br />
in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten werden vom Auffangtatbestand der<br />
grausamen Behandlung in Art. 8 Abs. 2 lit. c (i) 3. Alt. IStGH-Statut erfasst. <strong>Die</strong>ses<br />
Kriegsverbrechen beruht auf den Vorschriften über die schweren Verletzungen der<br />
vier Genfer Konventionen sowie auf deren gemeinsamen Artikel 3. Unabhängig <strong>von</strong><br />
der unterschiedlichen Terminologie in den benannten Tatbeständen haben sowohl die<br />
„grausame Behandlung“ als auch die „unmenschliche Behandlung“ dieselben sachlichen<br />
Voraussetzungen. 703<br />
698 „War Crime of wilfully causing suffering“.<br />
699 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 882; The Prosecutor vs. Krstic, JSTGH, Urteil v. 02.08.2001<br />
(Krstic, TC), Rn. 513.<br />
700 The Prosecutor vs. Delalic, JSTGH, Urteil v. 16.11.1998 (Delalic, TC), Rn. 442.<br />
701 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 883.<br />
702 Bothe, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 393.<br />
703 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 894; Zimmermann, in: Triffterer (Hrsg.), Commentary on the<br />
Rome Statute, 1999, Art. 8, Rn. 274.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 182<br />
Der Tatbestand der unmenschlichen oder grausamen Behandlung stellt sich als Auffangtatbestand<br />
dar, der verschiedene schwere Verletzungen erfasst. 704 Den Verbrechenselementen<br />
zu Art. 8 Abs. 2 lit. a (ii) 2. Alt. sowie zu Art. 8 Abs. 2 lit. c (i) 3. Alt.<br />
IStGH-Statut lässt sich keine eindeutige Definition dafür entnehmen, was genau eine<br />
„unmenschliche“ oder „grausame“ Behandlung darstellt. Sie weisen nur darauf hin,<br />
dass der Täter der geschützten Person eine Art physischen oder seelischen Schaden<br />
verursachen muss. Hier ist auf die Rechtsprechungspraxis <strong>des</strong> Jugoslawientribunals<br />
sowie <strong>des</strong> EGMR zurückzugreifen, letzterer konnte in seiner vielfältigen Spruchpraxis<br />
zu Art. 3 EMRK das Vorliegen einer „unmenschlichen Behandlung“ konkretisieren. 705<br />
So etwa greift der Tatbestand dann, wenn ein Handeln die Merkmale der Folter nicht<br />
vollständig erfüllt. 706 Ferner erstreckt sich der Tatbestand auf die Verursachung großer<br />
Leiden und Gesundheitsschäden und die Verletzung der Menschenwürde, die dann gegeben<br />
ist, wenn das Opfer unmenschlichen Bedingungen ausgesetzt wird. 707 <strong>Die</strong> unmenschliche<br />
oder grausame Behandlung stellt sich demnach als Misshandlung<br />
geringerer Intensität dar, als dies bei der Folter der Fall ist, doch entspricht der Taterfolg<br />
demjenigen der Verursachung großer körperlicher bzw. seelischer Leiden. 708 Auf<br />
der subjektiven Tatseite ist Vorsatz erforderlich, vgl. Art. 30 IStGH-Statut.<br />
(d) Subsumtion<br />
Werden Zivilisten <strong>von</strong> Terroristen im Rahmen eines bewaffneten Konflikts misshandelt,<br />
können diese Tathandlungen die Kriegsverbrechen der Folter, der Verursachung<br />
<strong>von</strong> Leiden und Gesundheitsschäden sowie der unmenschlichen oder grausamen Behandlung<br />
erfüllen. Misshandlungen an Zivilisten sind dabei <strong>von</strong> staatlichen und privaten<br />
terroristischen Akteuren gleichermaßen denkbar.<br />
Jüngste Bilder und Berichte <strong>von</strong> Folterungen und Misshandlungen <strong>von</strong> Insassen <strong>des</strong><br />
Gefängnisses Abu Ghraib, ausgeübt <strong>von</strong> Soldatinnen und Soldaten der Koalitionstruppen<br />
im Irak, belegen die vermehrte Anwendung staatlicher Gewalt im Rahmen der internationalen<br />
Terrorismusbekämpfung. 709 <strong>Die</strong> in den Medien allgegenwärtigen Photos<br />
704 The Proscutor vs. Delalic, JSTGH, Urteil v. 16.11.1998 (Delalic, TC), Rn. 442, 543 ff.<br />
705 Vgl. u. a. Ireland vs. The United Kingdom, EGMR, Urteil v. 18.01.1978, A 25; Tomasi, EGMR, Urteil v.<br />
27.08.1992, A-241-A; The Prosecutor vs. Delalic, JSTGH, Urteil v. 16.11.1998 (Delalic, TC), Rn. 511 ff.;<br />
Wolny, in: Sutter/Zelger (Hrsg.), 30 Jahre EMRK-Beitritt der Schweiz, 2005, 329 (340 ff.)<br />
706 The Prosecutor vs. Delalic, JSTGH, Urteil v. 16.11.1998 (Delalic, TC), Rdn. 542.<br />
707 The Prosecutor vs. Delalic, JSTGH, Urteil v. 16.11.1998 (Delalic, TC), Rdn. 544.<br />
708 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 895.<br />
709<br />
Vgl. unter vielen Hersh, Chain of Command, 2004, 1 ff.; „The Road to Abu Grhaib“,<br />
http://www.hrw.org/reports/2004/usa0604/. Unbeirrt <strong>von</strong> den Folterberichten aus US-Militärgefängnissen hatte<br />
die Bush-Regierung Anfang Juni 2004 im UN-Sicherheitsrat zunächst die Verlängerung <strong>von</strong> UN-Resolution<br />
1487 (2003) beantragt. S. dazu Kress, „Amerikas großes Vermächtnis“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v.<br />
12.07.2002, 6; „Erleichterung über Kompromiss“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 15.07.2002, 2; Herbst,<br />
EuGRZ 2002, 581 ff. <strong>Die</strong>se Resolution garantierte US-Bürgern grundsätzlich Immunität vor dem IStGH, auch
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 183<br />
dokumentieren Misshandlungen schwersten Ausmaßes durch Angehörige der US-<br />
Militärpolizei, <strong>von</strong> brutaler Gewaltanwendung gegenüber Inhaftierten bis hin zu ihrer<br />
sexuellen Erniedrigung. 710 Ein Anfang Mai 2004 an die Öffentlichkeit gelangter Bericht<br />
<strong>des</strong> Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) stellt fest, dass das US-Militär nicht<br />
nur in Abu Grhaib, sondern im gesamten Gefängnissystem in Irak Mittel und Methoden<br />
zur Informationsgewinnung einsetzt, die einen klaren Verstoß gegen die III. und<br />
IV. Genfer Konvention darstellen. 711 Der Bericht geht über die Misshandlungen in der<br />
Haftanstalt Abu Grhaib hinaus und verdeutlicht, dass es bereits bei der Festnahme zum<br />
modus operandi gehöre, den festgenommenen Personen mit übertriebener Gewaltanwendung<br />
zu begegnen und sie entwürdigender Erniedrigung auszusetzen. <strong>Die</strong> Folter<br />
und folterähnlichen Maßnahmen werden dabei klar aus Gründen der Informationsgewinnung,<br />
dem Erlangen eines Geständnisses, der Bestrafung und der Entwürdigung<br />
feindlicher Kämpfer oder vermutlicher Kämpfer vorgenommen und erfüllen damit die<br />
subjektive Tatseite der Folter. <strong>Die</strong> angewandten Verhörmethoden beinhalten die Isolierung<br />
<strong>von</strong> Gefangenen, der Entzug <strong>von</strong> Licht und Schlaf, das Erzeugen <strong>von</strong> Stress (etwa<br />
durch Befragung durch eine weibliche Soldatin), bis zu 20stündige Verhöre, zum<br />
Teil in körperlich belastenden Positionen oder das Verhüllen der Gefangenen in Kapuzen<br />
bei Verhör oder Transport. 712 <strong>Die</strong> Zahl der <strong>von</strong> Folter und folterähnlichen Maßnahmen<br />
betroffenen Gefangenen in den Hafteinrichtungen der Koalitionstruppen im<br />
Irak und Afghanistan ist bislang unklar. 713 Weder sind der Öffentlichkeit die Namen<br />
der Betroffenen bekannt gegeben worden noch gibt es eindeutige Informationen über<br />
Inhalt und Ausmaß der Misshandlungen. Im Juni 2004 gab die US-Armee bekannt, eibei<br />
UN-geführten Friedensmissionen. Damit könnten nur US-Gerichte amerikanische Kriegsverbrechen ahnden.<br />
Vor dem Hintergrund der Folterungen in Abu Grhaib mussten aber die USA - aufgrund mangelnder Unterstützung<br />
im UN-Sicherheitsrat - diesen Entwurf zur Verlängerung <strong>von</strong> Res. 1487 zurückziehen. S. Lynch, “U.S. Alters<br />
its Plan for Exemption at Court”, in: Washington Post v. 23.06.2004.<br />
710 S. u. a. “New Details of Prison Abuse”, in: Washington Post v. 21.05.2004. Ausführlich zum Folterskandal<br />
im Irak s. Heinz/Arend, Internationale Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte, 2004, 58 ff.; “Panel Urges<br />
Overhaul of Inmate Rules”, in: The New York Times v. 25.08.2005, A 10; “Findings on Abu Grhaib: Sadism,<br />
Deviant Behavior and a Failure of Leadership”, in: The New York Times v. 25.08.2004, A 11; “Inquiry Faults<br />
Intelligence Unit for Abuses in Iraqi Prison”, in: The New York Times v. 25.08.2004.<br />
711 Vgl. Report of the International Committee of the Red Cross (ICRC) on the Treatment by the Coalition<br />
Forces of Prisoners of War and other Protected Persons by the Geneva Conventions in Iraq during Arrest, Internment<br />
and Interrogation v. Februar 2004, http://www.truthout.org/mm_01/4.rcr.iraq.pdf. Zur Situation in Afghanistan<br />
s. Crimes of War Project, Prisoner Abuse, Torture and Killing by U.S. Forces in Afghanistan<br />
Uncovered by Journalist with Crimes of War Project, 21.09.2001, http://www.crimesofwar.org (Email <strong>des</strong><br />
Berichts im Besitz der Autorin).<br />
712 Heinz/Arend, Internationale Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte, 2004, 66; „Schreie, Isolierung,<br />
Stress“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 23.06.2004. Zu Inhalt und Rechtsmäßigkeit der sog. „fünf Techniken“,<br />
die unter staatlichen Behörden kursieren und vermutlich derzeit im Anti-Terrorkampf eingesetzt werden<br />
s. Wolny, in: Sutter/Zelger (Hrsg.), 30 Jahre EMRK-Beitritt der Schweiz, 2005, 329 (341).<br />
713 Zu den menschenrechtsverletzenden Bedingungen in afghanischen Gefängnissen und zur Existenz <strong>von</strong> informellen<br />
Gefängnissen s. Bassiouni, Situation of Human Rights in Afghanistan, Report of the Independent Expert<br />
of the Commission on Human Rights v. 01.09.2004, 20 f. (Report im Besitz der Autorin).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 184<br />
ne Vielzahl <strong>von</strong> To<strong>des</strong>fällen und Misshandlungen in ihren Militärgefängnissen zu untersuchen<br />
und Kriegsgerichtsverfahren gegen die Verantwortlichen einzuleiten. 714<br />
Derartige staatliche Aktionen der Folter und Misshandlung an Kriegsgefangenen sind<br />
klar als Kriegsverbrechen der Folter und den durch Folter mit verwirklichten Kriegsverbrechen<br />
der Verursachung <strong>von</strong> Leiden und Gesundheitsschäden sowie der unmenschlichen<br />
oder grausamen Behandlung zu qualifizieren. Werden die<br />
Misshandlungen mit dem Ziel ausgeübt, feindliche Kombattanten oder die Zivilbevölkerung<br />
zu terrorisieren, sind sie auch als Terrorismus spezifische Kriegsverbrechen<br />
gegen Personen einzuordnen.<br />
(4) Geiselnahme (Art. 8 Abs. 2 lit. a (viii), Art. 8 Abs. 2 lit. c (iii) IStGH-<br />
Statut)<br />
<strong>Die</strong> Geiselnahme wird in Art. 8 Abs. 2 lit. a (viii) IStGH-Statut für den internationalen<br />
bewaffneten Konflikt und in Art. 8 Abs. 2 lit. c (iii) IStGH-Statut für den nichtinternationalen<br />
bewaffneten Konflikt geregelt. In internationalen bewaffneten Konflikten<br />
sind vornehmlich Zivilisten vor Geiselnahme geschützt; während in nichtinternationalen<br />
bewaffneten Konflikten der geschützte Personenkreis gemäß <strong>des</strong> gemeinsamen<br />
Art. 3 der Genfer Abkommen I bis IV neben Zivilisten auch ehemalige<br />
Kombattanten erfasst. <strong>Die</strong> Tatbestandsvoraussetzungen sind für beide Konfliktarten<br />
gleich. 715 Nach den Verbrechenselementen setzt der Tatbestand der Geiselnahme voraus,<br />
dass der Täter sich einer oder mehrerer Personen bemächtigt und diese gefangen<br />
hält oder auf andere Weise als Geisel nimmt. 716 Darüber hinaus muss der Täter drohen,<br />
das Opfer zu töten, zu verletzen oder den Zustand der Gefangennahme aufrecht zu erhalten.<br />
717 Auf der inneren Tatseite verlangt Art. 30 IStGH-Statut Vorsatz sowie die besondere<br />
Absicht <strong>des</strong> Täters, einen Staat, eine internationale Organisation, eine<br />
natürliche oder juristische Person oder eine Personengruppe durch die Geiselnahme zu<br />
einer Handlung oder Unterlassung zu zwingen. 718 Der Täter muss sich durch die Ge-<br />
714 Dazu ausführlich Report of the Independent Panel to Review Department of Defense (DoD) Detention Operations<br />
(sog. Schlesinger Report) v. 24.08.2004, http://www.defenselink.mil/news/Aug2004/<br />
d20040824finalreport.pdf; Heinz/Arend, Internationale Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte, 2004, 66;<br />
„Abuse Judge May Give Immunity for Testimony by Officers”, in: The New York Times v. 25.08.2004, A 11.<br />
715 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 943.<br />
716 Vgl. Art. 8 Abs. 2 lit. a (viii) und Art. 8 Abs. 2 lit. c (iii) IStGH-Statut, Elements of Crimes, Ziff. 1: “The perpetrator<br />
seized, detained or otherwise held hostage one or more persons.”.<br />
717 Vgl. Art. 8 Abs. 2 lit. a (viii) und Art. 8 Abs. 2 lit. c (iii) IStGH-Statut, Elements of Crimes, Ziff. 2: “The perpetrator<br />
threatened to kill, injure or continue to detain such person or persons.”.<br />
718 Vgl. Art. 8 Abs. 2 lit. a (viii) und Art. 8 Abs. 2 lit. c (iii) IStGH-Statut, Elements of Crimes, Ziff. 3: “The perpetrator<br />
intended to compel a State, an international organization, a natural or legal person or a group of persons<br />
to act or refrain from acting as an explicit or implicit condition for the safety or the release of such person or persons.”.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 185<br />
fangennahme also ein Zugeständnis oder einen Vorteil <strong>von</strong> der gegnerischen Konfliktpartei<br />
erhoffen. 719<br />
Um die terroristische Geiselnahme als Kriegsverbrechen zu qualifizieren, muss sie<br />
sich im Rahmen eines bewaffneten Konflikts abgespielt haben und die Bemächtigung<br />
bzw. Gefangennahme einer oder mehrerer am bewaffneten Konflikt unbeteiligten Personen<br />
beinhalten. Zur Erfüllung <strong>des</strong> Tatbestan<strong>des</strong> ist die Tötung <strong>von</strong> Geiseln nicht erforderlich,<br />
denn die terroristische Geiselnahme selbst stellt bereits ein eigenes<br />
Kriegsverbrechen dar, wenn sie in der Absicht durchgeführt wird, etwa die Freilassung<br />
<strong>von</strong> Gefangenen zu erpressen oder den Gegner zur Einstellung militärischer Operationen<br />
zu zwingen. <strong>Die</strong> Nötigung zur Vornahme oder Unterlassung bestimmten militärischen<br />
Handelns kann dabei das Motiv bei sowohl staatlichen als auch privaten<br />
Terroraktivitäten sein. Terroristische Geiselnahmen, die mit der Absicht vorgenommen<br />
werden, etwa gefangene Terroristen freizupressen, sind eher nicht-staatlichen Akteuren<br />
zuzuordnen.<br />
(5) Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung (Art. 8<br />
Abs. 2 lit. a (vii) 1. und 2. Alt., Art. 8 Abs. 2 lit. b (viii) 2. Alt. IStGH-<br />
Statut<br />
Wurde unter dem Tatbestand <strong>des</strong> Verbrechens gegen die Menschlichkeit bereits die<br />
Tatbestandsvariante der Vertreibung oder zwangsweisen Überführung der Bevölkerung<br />
für Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus untersucht, ist im Rahmen der Kriegsverbrechen<br />
hierauf zurückzukommen. Art. 8 Abs. 2 lit. a (vii) 1. und 2. Alt. IStGH-Statut sowie<br />
Art. 8 Abs. 2 lit. b (viii) 2. Alt. IStGH-Statut stellen die rechtswidrige Vertreibung o-<br />
der Überführung geschützter Personen unter Strafe. Fraglich ist, ob diese Regelungen<br />
auch im terroristischen Kontext einschlägig sind.<br />
Da der Tatbestand enge Parallelen zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Vertreibung<br />
oder zwangsweisen Überführung der Bevölkerung aufweist, ist vorliegend auf<br />
<strong>des</strong>sen Analyse und Ergebnisse zu verweisen: Für die Vertreibung oder zwangsweisen<br />
Überführung der Bevölkerung als Kriegsverbrechen ergibt sich demnach, dass derartige<br />
Maßnahmen vorrangig nur bei staatlichen Aktivitäten vorzufinden sind, da sie der<br />
herkömmlichen nicht-staatlichen, punktuell ausgerichteten Terrorstrategie widersprechen.<br />
Sofern ein Staat im Rahmen eines bewaffneten Konflikts und aus Gründen der<br />
Terrorisierung der Bevölkerung geschützte Personen aus ihrem Wohngebiet unfreiwillig<br />
und unrechtmäßig verbringt oder aus ihrem Staatsgebiet vertreibt, handelt es sich<br />
719 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 947; The Prosecutor vs. Blaskic, JSTGH, Urteil v. 03.03.2000<br />
(Blaskic, TC), Rn. 158.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 186<br />
um terroristische Akte der Vertreibung oder zwangsweisen Überführung der Bevölkerung,<br />
die ein Kriegsverbrechen darstellen.<br />
bb) Terrorismus spezifische Kriegsverbrechen gegen das Eigentum<br />
Neben dem Schutz menschlichen Lebens stellt das IStGH-Statut fünf Tatbestände der<br />
Enteignung bzw. Zerstörung <strong>von</strong> Sachen unter Strafe, die im Rahmen <strong>des</strong><br />
Art. 8 IStGH-Statut als Kriegsverbrechen aufgeführt sind. Terrorakte sind durch die<br />
Zerstörung <strong>von</strong> Sacheigentum gekennzeichnet, so dass im Weiteren zu prüfen ist, ob<br />
Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus Kriegsverbrechen gegen das Eigentum darstellen.<br />
(1) Enteignungsdelikte<br />
Kriegsverbrechen gegen das Eigentum können zunächst als Enteignungstatbestände<br />
ausgestaltet sein. So sind gemäß Art. 8 Abs. 2 lit. a (iv) 2. Alt., Art. 8 Abs. 2 lit. b (xiii)<br />
1. Alt. und Art. 8 Abs. 2 lit. e (xii) 2. Alt. IStGH-Statut die Aneignung, Beschlagnahme<br />
und Plünderung <strong>von</strong> Eigentum als Kriegsverbrechen zu bestrafen. Den Tathandlungen<br />
ist gemein, dass der Entzug einer Sache gegen oder ohne den Willen <strong>des</strong><br />
Berechtigten erfolgt und auf einen nicht unerheblichen Zeitraum angelegt ist. 720 <strong>Die</strong><br />
Enteignungsdelikte sind aber auf bestimmte, besonders gefährdete und schutzbedürftige<br />
Tatobjekte beschränkt. So werden nur feindliche Sachen geschützt; ferner ist die<br />
Aneignung oder Beschlagnahme insbesondere <strong>von</strong> Krankenhäusern, Sanitätsschiffen<br />
und Sanitätsflugzeugen sowie sonstigem zur medizinischen Versorgung erforderlichen<br />
Materials strafbar. 721 Vor Plünderungen werden Städte oder Ansiedlungen geschützt.<br />
722<br />
Terroristische Verhaltensweisen sind zwar durch Eigentumsverletzungen gekennzeichnet,<br />
aber anders als die Enteignungstatbestände <strong>des</strong> Art. 8 IStGH-Statut nicht auf<br />
den langwierigen Entzug einer Sache oder deren persönliche Aneignung gerichtet.<br />
Terroristische Gewaltakte zielen vielmehr darauf ab, gewaltsam, zerstörend, verlustreich<br />
und schädigend zu wirken, um die betroffene Zivilbevölkerung oder den Staat zu<br />
terrorisieren. Der dauerhafte Entzug bzw. die Einverleibung fremden Sacheigentums<br />
steht eindeutig nicht im Vordergrund moderner Terrorstrategie. Terroristische Gewaltakte<br />
werden daher nur selten als Enteignungsdelikte zu subsumieren sein, womit die<br />
Regelungen der Art. 8 Abs. 2 lit. a (iv) 2. Alt., Art. 8 Abs. 2 lit. b (xiii) 1. Alt. und Art.<br />
720 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 973.<br />
721 Vgl. Art. 19, 20, 33 - 36 GA I; Art. 22 - 28, 38, 39 GA II; Art. 18, 21, 22 GA IV; s. dazu auch<br />
Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Band I/3, 2002, 1063; Zimmermann, in: Triffterer (Hrsg.), Commentary<br />
on the Rome Statute, 1999, Art. 8, Rn. 144.<br />
722 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 979.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 187<br />
8 Abs. 2 lit. e (xii) 2. Alt. IStGH-Statut grundsätzlich keine einschlägigen, <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Strafnormen für Terrorakte darstellen.<br />
(2) Zerstörungsdelikte<br />
Da Terrorismus spezifische Eigentumsverletzungen auf die Zerstörung <strong>von</strong> Sachen<br />
und Einrichtungen ausgerichtet sind, könnten sie den Tatbestand der Kriegsverbrechen<br />
gemäß Art. 8 Abs. 2 lit. a (iv), Art. 8 Abs. 2 lit. b (xiii) und Art. 8 Abs. 2 lit. e (xii)<br />
IStGH-Statut erfüllen. Neben den vorliegend aufgeführten Delikten wird die Zerstörung<br />
<strong>von</strong> Sachen auch durch jene Tatbestände kriminalisiert, die verbotene Kampfmethoden<br />
erfassen, so dass es bei der Analyse terroristischer Handlungen hier zu<br />
Überschneidungen der einzelnen Zerstörungsdelikte kommen kann.<br />
Art. 8 Abs. 2 lit. a (iv), Art. 8 Abs. 2 lit. b (xiii) und Art. 8 Abs. 2 lit. e (xii) IStGH-<br />
Statut beschränken die Strafbarkeit <strong>von</strong> Zerstörungshandlungen auf geschütztes Eigentum<br />
im Sinne der Genfer Abkommen. Unter den <strong>völkerrechtliche</strong>n Schutzbereich fallen<br />
dabei sowohl feindliches ziviles als auch staatliches Eigentum. <strong>Die</strong> Zerstörung –<br />
die bloße Beschädigung genügt nicht – muss ein gewisses Ausmaß erlangen und darf<br />
militärisch nicht zwingend geboten sein. <strong>Die</strong> subjektive Tatseite erfordert Vorsatz,<br />
Art. 30 IStGH-Statut.<br />
Moderne Terrorakte sind durch die Anwendung schwerster physischer Gewalt mittels<br />
konventioneller Waffen, Massenvernichtungswaffen oder elektronischer Daten gekennzeichnet.<br />
Insbesondere der Einsatz <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen zu Terrorzwecken<br />
enthält eine erhebliche Zerstörungskraft. Terrorangriffe können sich dabei<br />
gleichermaßen gegen staatliche und zivile Einrichtungen richten und diese zerstören.<br />
Der den Kriegsverbrechen innewohnende Grundsatz, dass die Zerstörung <strong>von</strong> Sachen<br />
militärisch erforderlich sein muss, greift gerade bei der Vornahme <strong>von</strong> Terrorakten<br />
nicht. Bei Terrorakten besteht nie eine militärische Notwendigkeit 723 , so dass sie ihrer<br />
Natur nach und unter der zwingenden Voraussetzung, dass sie im Rahmen eines bewaffneten<br />
Konflikts erfolgen, die Tatbestände der Art. 8 Abs. 2 lit. a (iv), Art. 8 Abs. 2<br />
lit. b (xiii) und Art. 8 Abs. 2 lit. e (xii) IStGH-Statut erfüllen und somit Kriegsverbrechen<br />
gegen das Eigentum darstellen.<br />
723 Zum Einsatz <strong>von</strong> Bio- und Chemiewaffen gegen feindliches Eigentum unter dem Blickpunkt militärischer<br />
Notwendigkeit s. van Wynen Thomas/Thomas, Legal Limits on the Use of Chemical and Biological Weapons,<br />
1970, 194 ff., 208 ff.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 188<br />
cc) Terrorismus spezifische Kriegsverbrechen <strong>des</strong> Einsatzes verbotener<br />
Kampfmethoden<br />
Indem sich Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus durch eine verdeckte Kampfführung<br />
auszeichnen, die sich hauptsächlich gegen Zivilisten und zivile Objekte richtet, könnten<br />
Terrorakte ferner als Kriegsverbrechen <strong>des</strong> Einsatzes verbotener Kampfmethoden<br />
zu qualifizieren sein.<br />
Mit dem Einsatz verbotener Kampfmethoden als Kriegsverbrechen werden hauptsächlich<br />
Angriffe auf nicht-militärische Ziele kriminalisiert. Art. 8 Abs. 2 lit. b (i), (ii), (ix)<br />
und (xxiv) sowie Art. 8 Abs. 2 lit. e (i), (ii) und (iv) IStGH-Statut stellen unmittelbare<br />
Angriffe auf Zivilisten, zivile und vergleichbare Objekte unter Strafe. Art. 8 Abs. 2 lit.<br />
b (iv) IStGH-Statut erfasst unverhältnismäßige Begleitschädigungen. In Übereinstimmung<br />
mit dem Völkergewohnheitsrecht normieren diese Verbote eines der grundlegendsten<br />
Prinzipien <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts: den Schutz <strong>von</strong> Personen und<br />
Objekten, die keine militärischen Ziele sind. <strong>Die</strong>ser Schutz gilt im bewaffneten Konflikt<br />
allerdings nicht absolut: Angriffe, die gegen legitime militärische Ziele geführt<br />
werden, aber zu Begleitschäden an Zivilpersonen oder an zivilen Objekten führen, sind<br />
dann nicht tatbestandsmäßig, wenn sie als verhältnismäßig beurteilt werden können. 724<br />
Da sich Terrorangriffe nur selten gegen eindeutig militärische Objekte richten, sondern<br />
sie vielmehr darauf abzielen, schweren Schaden unter der Zivilbevölkerung anzurichten<br />
oder das staatliche Gefüge nachhaltig zu schädigen, dürften sie die Kriterien <strong>des</strong><br />
legitimen Angriffsziels und der Verhältnismäßigkeit in den meisten Fällen nicht erfüllen,<br />
so dass für sie die <strong>völkerrechtliche</strong> Privilegierung <strong>von</strong> erlaubten, sog. zivilen Kollateralschäden<br />
entfällt. Mehrheitlich müssen Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus als<br />
verbotene Kampfmethoden eingeordnet werden.<br />
(1) Angriffe auf die Zivilbevölkerung (Art. 8 Abs. 2 lit. b (i), Art. 8 Abs. 2<br />
lit. e (i) IStGH-Statut)<br />
Art. 8 Abs. 2 lit. b (i) IStGH-Statut für den internationalen bewaffneten Konflikt sowie<br />
Art. 8 Abs. 2 lit. e (i) IStGH-Statut für den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt<br />
stellen Angriffe auf die Zivilbevölkerung als solche oder auf einzelne Zivilisten, die<br />
sich nicht an den Kampfhandlungen beteiligen, unter Strafe. Der objektive Tatbestanderfordert<br />
einen Angriff gegen Zivilisten. Für die Strafbarkeit nach dem IStGH-Statut<br />
reicht bereits die Angriffsführung aus; der Tod oder eine schwere Verletzung <strong>des</strong> Op-<br />
724 Builder/Graubard, The International Law of Armed Conflict: Implications for the Concept of Assured Destruction,<br />
1982, 14 ff. Zu den Charakteristika chemischer und biologischer Waffen im Einsatz gegen die Zivilbevölkerung<br />
s. van Wynen Thomas/Thomas, Legal Limits on the Use of Chemical and Biological Weapons,<br />
1970, 196 ff.; Kellman, in: Bassiouni (Hrsg.), International Criminal Law, 1999, 496 ff.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 189<br />
fers wird nicht vorausgesetzt. Gemäß Art. 49 Abs. 1 ZP I ist ein Angriff jede offensive<br />
oder defensive Gewaltanwendung gegen den Gegner, der im Rahmen einer militärischer<br />
Operation stattfindet. 725 Gemäß Art. 50 Abs. 1 ZP II sind Zivilisten alle diejenigen<br />
Personen, die nicht Kombattanten sind. In subjektiver Hinsicht ist abweichend <strong>von</strong><br />
Art. 30 IStGH-Statut zielgerichtetes Handeln erforderlich. 726<br />
Nach der Arbeitsdefinition <strong>des</strong> internationalen Terrorismus in Abschnitt B werden<br />
Terrorakte als der vorsätzliche Einsatz schwerer Gewalt gegen Personen und Sachgüter<br />
definiert, der mit der Absicht ausgeführt wird, die Bevölkerung auf schwerwiegende<br />
Weise einzuschüchtern oder einen Staat oder eine internationale Organisation<br />
rechtswidrig zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu zwingen, oder die politischen,<br />
wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates zu <strong>des</strong>tabilisieren<br />
oder zu zerstören. Es liegt damit in der Natur <strong>von</strong> Terrorhandlungen, dass sie sich<br />
bewusst die Zivilbevölkerung als solche zum Angriffsziel nehmen, um durch deren<br />
Terrorisierung bestimmte politische Ziele zu erreichen. <strong>Die</strong> Schonung der Zivilbevölkerung<br />
ist bei der Vornahme <strong>von</strong> Terrorhandlungen definitionsgemäß nicht vorgesehen.<br />
Terrorangriffe zeichnen sich durch eine unterschiedslose Kampfführung und ihre zielgerichtete<br />
Ausführung aus. <strong>Die</strong>se Strategie spiegelt sich vor allem in den <strong>modernen</strong><br />
Ausformungen <strong>des</strong> internationalen Terrorismus wider, welche auf die Massenvernichtung<br />
abzielen. <strong>Die</strong> terroristische Verwendung <strong>von</strong> atomaren, biologischen und chemischen<br />
Waffen oder elektronischen Befehlszeilen dürfte – da sich Terrorakte bewusst<br />
gegen Zivilisten oder die Zivilbevölkerung als solche richten – regelmäßig gegen das<br />
Verbot <strong>des</strong> Einsatzes unterschiedsloser Waffen verstoßen und aus diesem Grunde als<br />
Kriegsverbrechen <strong>des</strong> Einsatzes verbotener Kampfmethoden strafbar sein. Sofern der<br />
Einsatz <strong>von</strong> Nuklear-, Bio-, Chemie und Cyberwaffen nicht militärischen Notwendigkeiten<br />
entspricht, und dies ist bei dem terroristischen Einsatz dieser Waffengattungen<br />
zu verneinen, stellt er sich damit als strafbare Verletzung <strong>von</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (i)<br />
IStGH-Statut dar und muss demnach zwingend als Kriegsverbrechen gemäß Art. 8<br />
Abs. 2 lit. b (i) IStGH-Statut bzw. Art. 8 Abs. 2 lit. e (i) IStGH qualifiziert werden.<br />
725 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 1002.<br />
726 Vgl. dazu Ambos, Der Allgemeine Teil <strong>des</strong> Völkerstrafrechts, 2002, 803 f.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 190<br />
(2) Angriffe auf zivile Objekte (Art. 8 Abs. 2 lit. b (ii), (xi), Art. 8 Abs. 2 lit. e<br />
(ii), (iv) IStGH-Statut)<br />
Neben Zivilisten sind gleichermaßen auch zivile Objekte vor vorsätzlichen Angriffen<br />
geschützt. Art. 8 Abs. 2 lit. b (ii) IStGH-Statut und Art. 8 Abs. 2 lit. e (ii) IStGH-Statut<br />
sind inhaltlich eng mit den Regelungen zum Schutz der Zivilbevölkerung verbunden<br />
und setzten auf der objektiven Tatseite ebenfalls einen Angriff im Sinne <strong>des</strong> Art. 49<br />
Abs. 1 ZP II voraus, der sich gegen zivile Objekte richten muss. 727 <strong>Die</strong> subjektive Tatseite<br />
erfordert über Art. 30 IStGH-Statut hinaus zielgerichtetes Handeln.<br />
Einen Sonderfall <strong>des</strong> verbotenen Angriffs auf zivile Objekte gemäß Art. 8 Abs. 2 lit. b<br />
(ii) IStGH-Statut stellen Art. 8 Abs. 2 lit. b (ix) ISTGH-Statut für den internationalen<br />
bewaffneten Konflikt und Art. 8 Abs. 2 lit. e (iv) IStGH-Statut für den nichtinternationalen<br />
bewaffneten Konflikt dar, die Angriffe auf speziell geschützte Objekte<br />
verbieten: Zu diesen gehören Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der<br />
Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit dienen sowie geschichtliche Denkmäler<br />
oder Einrichtungen für Kranke oder Verwundete. Hier entfällt der strafrechtliche<br />
Schutz nur, sofern ein Objekt zugleich ein legitimes militärisches Ziel ist. 728 Der objektive<br />
Tatbestand erfordert einen Angriff gegen eines der bezeichneten Objekte, wobei<br />
der Angriffsbegriff Art. 49 Abs. 2 ZP I entspricht. Auch hier setzt die subjektive<br />
Tatseite Absicht voraus.<br />
Wie bereits festgehalten wurde, zielen Terrorangriffe mehrheitlich darauf ab, insbesondere<br />
zivile Einrichtungen und solche <strong>von</strong> speziellem Wert für die Gesellschaft zu<br />
treffen. So wurden bei den Anschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade<br />
Center besonders symbolträchtige, zivile Gebäude ausgewählt, deren Zerstörung sich<br />
tief in das Bewusstsein der amerikanischen Nation einbrennen würde. Sofern ihnen der<br />
Nexus zu einem bewaffneten Konflikt nachgewiesen werden könnte, müssen derartige<br />
Angriffe eindeutig als Kriegsverbrechen gemäß Art. 8 Abs. 2 lit. b (ii) IStGH-Statut<br />
bzw. Art. 8 Abs. 2 lit. e (ii) IStGH-Statut, und, sofern man das World Trade Center als<br />
architektonisches Kunstwerk ansieht, auch gemäß Art. 8 Abs. 2 lit. b (ix) IStGH-Statut<br />
bzw. Art. 8 Abs. 2 lit. e (iv) IStGH-Statut eingeordnet werden.<br />
Bei der rechtlichen Bewertung <strong>des</strong> zeitgleichen Angriffs auf das Pentagon lässt sich<br />
argumentieren, dass es sich beim Pentagon um die militärische Zentrale <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />
und demnach um ein legitimes militärisches Objekt handelte, so dass jener Terroranschlag<br />
auf den ersten Blick nicht die Tatbestandsalternative <strong>des</strong> Terrorismus spezifi-<br />
727 Gemäß Art. 52 Abs. 2 S. 2 ZP I sind alle zivilen Objekte solche, die nicht militärische Ziele sind.<br />
728 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 1009.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 191<br />
schen Kriegsverbrechens <strong>des</strong> Einsatzes verbotener Kampfmethoden erfüllt. <strong>Die</strong> rechtliche<br />
Beurteilung ist hier strittig. Angesichts der terroristischen Natur <strong>des</strong> Angriffs und<br />
der Art und Weise der Kampfführung ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass sich auch der Anflug<br />
auf das Pentagon ohne jegliche militärische Notwendigkeit als vom humanitären Völkerrecht<br />
nicht gedeckte Handlung darstellt. Mit Blick auf die Vornahme <strong>von</strong> Terrorakten<br />
mittels Massenvernichtungswaffen stellen sich alle Terrorakte, welche die<br />
Freisetzung bzw. Verbreitung <strong>von</strong> nuklearen, biologischen oder chemischen Materialien<br />
gegen zivile Objekte beinhalten, sowohl als völkerrechtswidrige Tathandlungen<br />
der unterschiedslosen Kriegsführung gegen Zivilisten als auch als verbotene Angriffe<br />
mit unverhältnismäßigen Begleitschäden dar, da sich die Wirkung <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen<br />
nur schwer oder gar nicht beherrschen lässt. Ihre Verwendung verstößt<br />
daher regelmäßig gegen das Verbot <strong>des</strong> Einsatzes unterschiedsloser Waffen gemäß<br />
Art. 8 Abs. 2 lit. b. (ii) und (ix) sowie Art. 8 Abs. 2 lit. e (ii) und (iv) IStGH-Statut.<br />
dd) Terrorismus spezifische Kriegsverbrechen <strong>des</strong> Einsatzes verbotener<br />
Kampfmittel<br />
Für internationale Terrorakte mittels Massenvernichtungswaffen und elektronischer<br />
Daten sind letztlich die in Art. 8 Abs. 2 lit. b IStGH-Statut niedergelegten Einsatzverbote<br />
moderner Kampfmittel <strong>von</strong> großer Bedeutung. Auf Regelungen <strong>des</strong> „Haager<br />
Rechts“ basierend, haben die Grundsätze über verbotene Kampfmittel und Kampfmethoden<br />
ihren Niederschlag im Rom-Statut gefunden, dies allerdings nur bedingt, wie<br />
die anschließende Prüfung offen legen wird. <strong>Die</strong> Regelungen <strong>des</strong> IStGH-Statuts über<br />
die Verbrechen <strong>des</strong> Einsatzes verbotener Kampfmittel sind das Ergebnis eines politischen<br />
Kompromisses. Während der Verhandlungen zum IStGH-Statut war insbesondere<br />
umstritten, ob der Einsatz <strong>von</strong> atomaren sowie <strong>von</strong> biologischen und chemischen<br />
Massenvernichtungswaffen verboten werden soll. 729<br />
In der nachfolgenden Prüfung soll untersucht werden, ob Massenvernichtungs- und<br />
Cyberwaffen <strong>von</strong> den in Art. 8 Abs. 2 lit. b IStGH-Statut normierten Kampfmittelverboten<br />
erfasst werden. Allen Tatbeständen ist gemein, dass bereits die bloße Verwendung<br />
verbotener Kampfmittel unter Strafe gestellt ist. Auf die Tötung oder Verletzung<br />
<strong>von</strong> Personen bzw. deren Gefährdung kommt es bei diesen abstrakten Gefährdungstatbeständen<br />
nicht an. Alle Regelungen über Kampfmittelverbote begrenzt das IStGH-<br />
Statut explizit auf internationale bewaffnete Konflikte und bleibt damit hinter dem<br />
Völkergewohnheitsrecht zurück. 730 <strong>Die</strong> folgende Analyse untergliedert sich entsprechend<br />
der jeweiligen Terrormethoden zur Massenvernichtung.<br />
729 Näher dazu Kirsch/Holmes, AJIL 1999, 2 (7 f.).<br />
730 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 1080.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 192<br />
(1) Strafbarkeit <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Atomterrorismus<br />
Für die <strong>völkerrechtliche</strong> <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> internationalen Terrorakten mittels<br />
Massenvernichtungswaffen ist entscheidend, ob die Regelungen <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b<br />
IStGH-Statut Terrorakte mittels nuklearer oder radiologischer Waffen erfassen.<br />
<strong>Die</strong> <strong>völkerrechtliche</strong> Beurteilung <strong>des</strong> Einsatzes <strong>von</strong> Atomwaffen ist außerordentlich<br />
umstritten. 731 Atomwaffen zählen zu den Massenvernichtungswaffen, die durch<br />
Art. 22 HKLO und durch die Genfer Abkommen verboten zu sein scheinen. Ansatzpunkte<br />
für ein mögliches Verbot könnten demnach im Völkergewohnheitsrecht zu finden<br />
sein: In der Wissenschaft wird zwischen rechtmäßigen “kleinen“ und<br />
rechtwidrigen „großen“ Atomwaffen unterschieden. Es wird zwischen „normalen“ A-<br />
tomwaffen und so genannten „taktischen“ Atomwaffen, insbesondere Neutronenwaffen,<br />
differenziert. Andere Autoren lehnen eine derartige Kategorisierung <strong>von</strong><br />
Atomwaffen ab. Denn mag auch die Untergliederung in einzelne nukleare Waffengattungen<br />
hinsichtlich technischer Details überzeugen, ist sie rechtlich jedenfalls nicht<br />
aufrecht zu erhalten, da die Grenzziehung in „kleine“ und „große“ Atomsprengkörper<br />
angesichts <strong>des</strong> Zerstörungspotentials auch bei „kleinen“ atomaren Sprengkörpern<br />
kaum durchzusetzen sei, so dass <strong>von</strong> einer einheitlichen Bewertung <strong>von</strong> Atomwaffen<br />
als Massenvernichtungswaffen auszugehen ist. 732<br />
In der öffentlichen Meinung hat die Staatengemeinschaft überwiegend die Auffassung<br />
vertreten, dass der Einsatz <strong>von</strong> Atomwaffen das Völkerrecht verletze. <strong>Die</strong>s ist vor allem<br />
der Resolutionspraxis der UN-Generalversammlung zu entnehmen. 733 <strong>Die</strong> Staatenpraxis<br />
weist hingegen in eine andere Richtung. Abgesehen <strong>von</strong> vereinzelten<br />
Sachverhalten haben die Staaten <strong>von</strong> den Resolutionen der Generalversammlung, die<br />
auf ein Verbot <strong>von</strong> Atomwaffen abzielen, kaum Notiz genommen. 734 So gibt es bislang<br />
731 S. dazu Meyrowitz, in: Miller/Feinrider (Hrsg.), Nuclear Weapons and Law, 1984, 19 ff.; Falk, in:<br />
Miller/Feinrider (Hrsg.), Nuclear Weapons and Law, 1984, 107 ff.; Singh/McWhinney, Nuclear Weapons and<br />
Contemporary International Law, 1989.<br />
732 S. <strong>von</strong> der Heydte, in: Lexikon <strong>des</strong> Rechts, 4/50; Randelzhofer, in: Kipp u. a. (Hrsg.), FS für Frhr. <strong>von</strong> der<br />
Heydte, 1977, 471 ff.; Steinkamm, in: Rill (Hrsg.), Völkerrecht und Friede, 1985, 36 (42 f.).<br />
733 UN GA Res. 1653 (XVI), 15 U.N. GAOR Supp. (No. 17), 4, U.N. Doc. A/5100 (1961), (Declaration on the<br />
Prohibition of the Use of Nuclear and Thermo-nuclear Weapons), die festhält, dass: „any state using nuclear and<br />
thermo-nuclear weapons is to be considered as violating the Charter of the United Nations, as acting contrary to<br />
the laws of humanity, and as committing a crime against mankind and civilization.“ Resolution 1653 wurde 1978<br />
und 1980 in nachfolgenden Resolutionen mit großer Mehrheit bestätigt, s. UN GA Res. 33/71-B, 33 U.N. GAOR<br />
Supp. (No. 45), 48, U.N. Doc. 2/33/45 (1978), (Non-use of Nuclear Weapons and Prevention of Nuclear War);<br />
UN GA Res. 35/152-0, 35 U.N. GAOR Supp. (No. 48), 69, U.N. Doc. A/35/48 (1980).<br />
734 Vgl. etwa das Protokoll III über die Rüstungskontrolle, das einen Teil der Pariser Verträge v. 23.10.1954 darstellt<br />
und dem Rat der Westeuropäischen Union die Zuständigkeit einräumt, die Höhe der Bestände an atomaren<br />
Waffen zu bestimmen, die die Mitglieder der Union auf dem europäischen Festland unterhalten dürfen. Das benannte<br />
Protokoll verbietet der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland die Herstellung <strong>von</strong> Atomwaffen auf deutschem<br />
Staatsgebiet.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 193<br />
keinen <strong>völkerrechtliche</strong>n Vertrag, der die Atomwaffe als Waffe verbietet. Zwar existieren<br />
eine Anzahl <strong>völkerrechtliche</strong>r Verträge, die etwa die Weitergabe <strong>von</strong> Atomwaffen<br />
verbieten, Atomtests einschränken, atomwaffenfreie Zonen schaffen oder eine<br />
Reduzierung der Anzahl der Atomwaffen beinhalten, doch ein Verbot <strong>des</strong> Atomwaffenbesitzes<br />
enthalten sie nicht. Gleichermaßen mangelt es im Völkerrecht an einem<br />
absoluten Einsatzverbot. 735<br />
<strong>Die</strong> Kontroverse um die <strong>völkerrechtliche</strong> Bewertung <strong>von</strong> Atomwaffen hat sich auch in<br />
den Verhandlungen zum IStGH-Statut fortgesetzt. Einige Staaten plädierten für die<br />
Aufnahme <strong>des</strong> Atomwaffenverbots, doch konnten sie sich letztlich nicht durchsetzen.<br />
736 Das IStGH-Statut hält in seiner jetzigen Fassung damit keine direkte Strafbarkeit<br />
<strong>von</strong> Atomwaffen bereit. Als verbotene Kampfmittel im Sinne <strong>von</strong> Art. 8 Abs. 2 lit.<br />
b (xvii) IStGH-Statut sind Nuklearwaffen damit grundsätzlich nicht geächtet. Insbesondere<br />
gelten sie nicht als Giftwaffen, da der Giftbegriff definitionsgemäß den gezielten<br />
Einsatz der Vergiftungswirkung als Kampfmittel verlangt. 737 Zwar werden bei<br />
Kernexplosionen auch Substanzen freigesetzt, die auch giftige chemische Nebenwirkungen<br />
haben, doch haben Nuklearwaffen in der Regel primär eine Explosionswirkung,<br />
so dass ihr radioaktiver Verstrahlungseffekt eine vom Giftverbot nicht erfasste<br />
Nebenwirkung darstellt. 738 Aus dem gleichen Grund stellen sie auch keine erstickenden<br />
oder giftigen Kampfmittel im Sinne der Bestimmung <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii)<br />
IStGH-Statut dar.<br />
Der Einsatz <strong>von</strong> Atomwaffen ist durch Art. 8 Abs. 2 lit. b IStGH-Statut somit nicht<br />
verboten. <strong>Die</strong> fehlende Normierung eines Atomwaffenverbots in Art. 8 IStGH-Statut<br />
entspricht dabei der herrschenden Meinung im Völkerrecht, wonach grundsätzlich an<br />
der Rechtmäßigkeit <strong>von</strong> Atomwaffen festgehalten wird. Ausschlaggebend für diese<br />
rechtliche Einordnung ist das Gutachten <strong>des</strong> IGH zur Zulässigkeit <strong>des</strong> Einsatzes <strong>von</strong><br />
Atomwaffen, wonach deren Einsatz unter engen Voraussetzungen erlaubt ist. 739 Ein<br />
umfassen<strong>des</strong> völkergewohnheitsrechtlich anerkanntes Verbot <strong>von</strong> Atomwaffen gibt es<br />
nicht.<br />
735 Steinkamm, in: Rill (Hrsg.), Völkerrecht und Friede, 1985, 36 (43 f.); Kellman, in: Bassiouni (Hrsg.), International<br />
Criminal Law, 1999, 506.<br />
736 Bothe, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 62.<br />
737 Vgl. Steinkamm, in: Rill (Hrsg.), Völkerrecht und Friede, 1985, 36 (47 f.).<br />
738 Vgl. Antwort der Bun<strong>des</strong>regierung vom 05.10.1983, BT-Ds. 10/445, auf die Großen Anfragen <strong>des</strong> Abgeordneten<br />
Schily und der Fraktion „<strong>Die</strong> Grünen“ zu „Kriegs<strong>völkerrechtliche</strong>n Grundsätzen“ und „Kriegs<strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Verträgen“ vom 16.06.1983, BT-Ds. 10/163 und 10/164 sowie Große Anfrage der Abgeordneten Frau<br />
Beck-Oberdorf und der Fraktion „<strong>Die</strong> Grünen“ zu „Atomwaffen-Rechtsgrundlage“ vom 13.06.1983, BT-Ds.<br />
10/142. Ferner auch Peterson, § 13 VStGB - Der Einsatz verbotener Kampfmittel, 2002, 4 (Manuskript im Besitz<br />
der Autorin).<br />
739 IGH, Gutachten v. 08.07.1996 (Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons), ICJ Reports 1996, 226.<br />
Dazu Burroughs, The Legality of Threat or Use of Nuclear Weapons, 1997.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 194<br />
Gleichwohl erkennt das IGH-Gutachten die Zulässigkeit <strong>des</strong> Gebrauchs <strong>von</strong> Atomwaffen<br />
in engen Grenzen an, so dass im Regelfall die Verwendung nuklearer Waffen das<br />
Völkerrecht verletzen kann. 740 Nach Ansicht <strong>des</strong> IGH sind die völkergewohnheitsrechtlich<br />
anerkannten Kampfmittelverbote grundsätzlich auch auf Atomwaffen anwendbar.<br />
741 Sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, ist die Benutzung<br />
<strong>von</strong> nuklearen Waffen in bewaffneten Konflikten immer eine Verletzung der Regeln<br />
der Menschlichkeit, insbesondere jener zum Schutz der Zivilbevölkerung, und verstößt<br />
daher - wie bereits festgestellt - regelmäßig gegen das Verbot <strong>des</strong> Einsatzes unterschiedsloser<br />
Waffen. 742<br />
(2) Strafbarkeit <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Bioterrorismus<br />
(a) Verbot der Verwendung <strong>von</strong> Gift oder vergifteten Waffen (Art. 8 Abs. 2<br />
lit. b (xvii) IStGH-Statut)<br />
Der Tatbestand <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii) IStGH-Statut verbietet die Verwendung<br />
<strong>von</strong> Gift oder vergifteten Waffen. <strong>Die</strong> Normierung im IStGH-Statut geht auf Völkergewohnheitsrecht<br />
zurück. <strong>Die</strong> Verwendung <strong>von</strong> Gift wird seit der Verabschiedung der<br />
Haager Landkriegsordnung <strong>von</strong> 1907 als schwerer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht<br />
angesehen. 743 Art. 23 lit. a HLKO verbietet traditionell den Einsatz <strong>von</strong> Gift<br />
oder giftigen Waffen. Hinzu kommt das Einsatzverbot aus dem Genfer Giftgasprotokoll<br />
<strong>von</strong> 1925, welches nicht nur die Giftgase im engeren Sinne erfasst, sondern sich<br />
nach dem ausdrücklichen Wortlaut <strong>des</strong> Vertrages auch auf biologische Waffen erstreckt.<br />
<strong>Die</strong> Bedeutung <strong>des</strong> Begriffs „Gift“ im Sinne der HLKO wird unterschiedlich bewertet:<br />
Eine Reihe <strong>von</strong> Autoren lehnt die allgemeine Anwendung <strong>des</strong> Giftbegriffs auf giftige<br />
Kampfgase mit der Begründung ab, dass für giftige Kampfgase die Haager Erklärung<br />
über Gasgeschosse <strong>von</strong> 1899 als Spezialregelung der HLKO vorgehe. 744 Andere Autoren<br />
räumen ein, dass die Anwendung bestimmter chemischer und biologischer<br />
740 IGH, Gutachten v. 08.07.1996 (Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons), Rn. 105 (2) E: „[…] the<br />
threat or use of nuclear weapons would generally be contrary to the rules of international law applicable in<br />
armed conflict, and in particular the principles and rules of humanitarian law.”.<br />
741 IGH, Gutachten v. 08.07.1996 (Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons); ICJ Reports 1996, 226,<br />
Rn. 85 ff.; vgl. Oeter, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten,<br />
1994, Nr. 429 m.w.N.; Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 1099; Singh/McWhinney, Nuclear Weapons<br />
and Contemporary International Law, 1989, 115 ff., Kellman, in: Bassiouni (Hrsg.), International Criminal Law,<br />
1999, Vol. 1, 507 f.<br />
742 Vgl. unter D. II. 3. cc).<br />
743 Oeter, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 1994, Nr. 438;<br />
Rauch, in: Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Vol. 1, 1992, 404 ff.<br />
744 Dazu ausführlich Bothe, Das <strong>völkerrechtliche</strong> Verbot <strong>des</strong> Einsatzes chemischer und bakteriologischer Waffen,<br />
1973, 4.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 195<br />
Kampfmittel im Einzelfall den Tatbestand <strong>des</strong> Art. 23 lit. a HLKO erfüllen könne. 745<br />
<strong>Die</strong> überwiegende Anzahl der Autoren nimmt jedoch die generelle Anwendbarkeit <strong>des</strong><br />
Giftgasverbots der HLKO auf Kampfgase, wie sie z. B. im Ersten Weltkrieg verwendet<br />
wurden, an. Letztere Auffassung findet ihre Stütze in der Entstehungsgeschichte<br />
<strong>des</strong> Art. 23 lit. a HLKO. <strong>Die</strong> diesbezüglichen Debatten spiegeln wider, dass Art. 23 lit.<br />
a HLKO keine Einschränkung bei dem Gebrauch <strong>des</strong> Begriffs „Gift“ beinhalten soll.<br />
<strong>Die</strong> <strong>völkerrechtliche</strong>n Texte, auf denen die Formulierung <strong>des</strong> Giftverbots der HLKO<br />
beruht, legen aber den Schluss nahe, dass alle erdenklichen Erscheinungsformen der<br />
Verwendung <strong>von</strong> Gift im Krieg erfasst werden sollen. 746 Nach Maßgabe <strong>des</strong> Völkergewohnheitsrechts<br />
ist demnach eine weite Interpretation <strong>des</strong> Giftverbots angezeigt,<br />
welche auch biologische Waffen in den Anwendungsbereich aufnimmt. 747<br />
Das IStGH-Statut versteht unter „Gift“ all jene Substanzen, die auf Grund ihrer toxischen<br />
Eigenschaften im gewöhnlichen Verlauf schwere Gesundheitsschäden oder den<br />
Tod <strong>von</strong> Menschen verursachen. 748 <strong>Die</strong> Verbrechenselemente verwenden damit einen<br />
engen Giftbegriff und bleiben hinter dem Völkergewohnheitsrecht zurück: Es werden<br />
weder Stoffe erfasst, die etwa auf die Umwelt oder auf Tiere schädlich wirken, noch<br />
Stoffe, die weniger erhebliche Gesundheitsschäden verursachen. 749<br />
(b) Strafbarkeit <strong>des</strong> Einsatzes biologischer Massenvernichtungswaffen<br />
Fraglich ist, ob der terroristische Gebrauch <strong>von</strong> biologischen Massenvernichtungswaffen<br />
vom Giftverbot <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii) sowie Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii)<br />
IStGH-Statut erfasst ist.<br />
Einen ersten Ansatzpunkt für die Einbeziehung <strong>von</strong> Biowaffen in den Tatbestand <strong>des</strong><br />
Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii) sowie Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii) IStGH-Statut geben die Verhandlungen<br />
zum Rom-Statut, denen entsprechende Regelungsvorschläge mit Verweisungen<br />
auf die Biowaffenkonvention <strong>von</strong> 1975 vorlagen. 750 <strong>Die</strong> Frage nach der<br />
Strafbarkeit <strong>des</strong> Einsatzes <strong>von</strong> biologischen und chemischen Massenvernichtungswaf-<br />
745 Kruse, in: Strupp-Schlochhauer (Hrsg.) Wörterbuch, Bd. I, 688; Overweg, <strong>Die</strong> chemische Waffe und das<br />
Völkerrecht, 1937, 48 f.<br />
746 Mitunter ist strittig, ob <strong>von</strong> einem umfassenden Giftverbot auch andere Formen der nicht-konventionellen<br />
Kriegsführung erfasst werden sollten, wie etwa der Einsatz <strong>von</strong> Atomwaffen. Entsprechend der IGH-Praxis wird<br />
dies mehrheitlich abgelehnt. Vgl. unter D. III. 3. dd) (1); Bothe, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-<br />
Commentary, 2002, Vol. 1, 406.<br />
747 Bothe, Das <strong>völkerrechtliche</strong> Verbot <strong>des</strong> Einsatzes chemischer und bakteriologischer Waffen, 1973, 7. So auch<br />
BMJ Begründung zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung <strong>des</strong> Völkerstrafgesetzbuches zu<br />
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 (Stand: 22.06.2001), 80.<br />
748 Vgl. Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii) IStGH-Statut, Elements of Crimes, Ziff. 2: „The substance was such that caused<br />
death or serious damage to health in the ordinary courses of events, through its toxic properties.“.<br />
749 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 1085; zweifelnd Bothe, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-<br />
Commentary, 2002, Vol. 1, 379, 407.<br />
750 Vgl. Nachweise bei Cottier, in: Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute, 1999, Art. 8, Rn. 180 f.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 196<br />
fen zeigte sich jedoch <strong>von</strong> Beginn an untrennbar mit der Diskussion um die Aufnahme<br />
<strong>von</strong> Atomwaffen in das IStGH-Statut verbunden. Nachdem sich die fünf Atommächte<br />
dahingehend durchsetzen konnten, den Einsatz <strong>von</strong> nuklearen Waffen nicht durch das<br />
IStGH-Statut zu verbieten, stellte es sich als äußerst problematisch dar, ein strafrechtliches<br />
Verbot für die Verwendung biologischer und chemischer Waffen zu erreichen.<br />
Vor dem Hintergrund, dass einigen wenigen Staaten der Einsatz <strong>von</strong> Atomwaffen<br />
durch das Völkerrecht erlaubt ist und dieser Vorbehalt auch nicht durch das Rom-<br />
Statut beseitigt werden konnte, sah sich die übrige Staatengemeinschaft nicht imstande,<br />
die Verwendung <strong>von</strong> biologischen bzw. chemischen Waffen völkerrechtlich zu<br />
kriminalisieren. Vielmehr entschied man sich, die Frage der Strafbarkeit der Verwendung<br />
<strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen zu einem späteren Zeitpunkt zu klären. 751<br />
Der derzeitige Ausschluss <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen aus dem Anwendungsbereich<br />
<strong>des</strong> IStGH-Statuts basiert nicht auf rechtlichen Erwägungen, sondern ihm liegt<br />
ein politischer Kompromiss zugrunde. <strong>Die</strong>ses Ergebnis ist völkerrechtspolitisch bedauerlich,<br />
da sich einmal mehr die Realpolitik dem Recht übergeordnet zeigte. <strong>Die</strong><br />
mangelnde Normierung eines umfassenden Verbots <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen<br />
stellt sich insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Terrorismusproblematik als unbefriedigend<br />
dar. Indem die Frage der <strong>völkerrechtliche</strong>n Strafbarkeit <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen<br />
durch das IStGH-Statut „übergangen“ und auf einen späteren<br />
Zeitpunkt verlegt wurde, hat die internationale Gemeinschaft die greifbare Möglichkeit<br />
ausgelassen, Terrorakte mittels Massenvernichtungswaffen erstmalig und richtungweisend<br />
auf <strong>völkerrechtliche</strong>r Ebene zu kriminalisieren.<br />
Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte und Systematik <strong>von</strong> Art. 8 IStGH-<br />
Statut ist hinsichtlich der Strafbarkeit <strong>von</strong> biologischen Waffen festzuhalten, dass sowohl<br />
Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii) als auch Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii) IStGH-Statut kein<br />
ausdrückliches Kampfmittelverbot <strong>von</strong> Biowaffen enthält. Biologische Massenvernichtungswaffen<br />
sind damit vom Anwendungsbereich <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii)<br />
und (xviii) IStGH-Statut ausgenommen. 752 Sowohl die staatliche Verwendung <strong>von</strong> biologischen<br />
Massenvernichtungswaffen als auch der Einsatz <strong>von</strong> biologischen Waffen<br />
durch nicht-staatliche Terrorakteure sind demnach nicht nach Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii)<br />
und (xviii) IStGH-Statut strafbar.<br />
751 Schabas, Introduction ICC, 2001, 49.<br />
752 Lepage, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims, and International Responsibility, 2003, 24 (26). Anders der<br />
deutsche Gesetzgeber, der da<strong>von</strong> ausgeht, dass Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut biologische Waffen erfasst, vgl.<br />
§ 12 Abs. 2 Ziff. 2 VStGB. S. auch Begründung zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung <strong>des</strong> Völkerstrafgesetzbuches<br />
zu § 13 Abs. 1 Nr. 2 (Stand: 22. Juni 2001), 81.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 197<br />
(2) Strafbarkeit <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Chemieterrorismus<br />
(a) Chemische Waffen als Gift (Art. 8 Abs.2 lit. b (xvii) IStGH-Statut)<br />
Ausgehend <strong>von</strong> dem dargestellten, traditionell weiten Giftbegriff ist fraglich, ob die<br />
Verwendung <strong>von</strong> chemischen Waffen Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii) IStGH-Statut unterfällt<br />
und somit Akte <strong>des</strong> Chemieterrorismus eine <strong>Kriminalisierung</strong> durch das Rom-Statut<br />
erfahren.<br />
<strong>Die</strong> Verwendung <strong>von</strong> Gift und <strong>von</strong> erstickenden, giftigen oder gleichartigen Gasen<br />
sowie allen ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffen oder Verfahren ist im Krieg nach dem<br />
Genfer Giftgasprotokoll und Art. 23 lit. a HLKO völkerrechtlich verboten. Für den Bereich<br />
der Chemiewaffen gilt damit ein grundsätzliches Einsatzverbot. 753 Das Giftverbot<br />
<strong>des</strong> Art. 23 lit. a HLKO erfasst dabei traditionell chemische Substanzen.<br />
Allerdings ist umstritten, ob sich das, auf Art. 23 lit. a HLKO basierende, Giftverbot in<br />
Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii) IStGH-Statut auch für moderne chemische Agenzien einschlägig<br />
zeigt. Denn es ist keineswegs sicher, dass alle heute bekannten chemischen<br />
Kampfstoffe unter den Begriff <strong>des</strong> Giftes zu subsumieren sind.<br />
Während ein Teil der Literatur im Giftgasverbot das generelle Verbot eines militärischen<br />
Einsatzes <strong>von</strong> chemischen Substanzen sieht 754 , verneint eine andere Auffassung<br />
die direkte Anwendbarkeit insbesondere mit dem Argument, Art. 23 a HLKO erfasse<br />
nicht den Einsatz <strong>von</strong> Gaswaffen. Der Einsatz <strong>von</strong> Gaswaffen wird allgemein aber als<br />
das charakteristische Merkmal der chemischen Kriegsführung angesehen. 755 Der Streit<br />
kann vorliegend aber dahingestellt bleiben, da das IStGH-Statut für das Verbot <strong>des</strong><br />
Einsatzes <strong>von</strong> Gasen in Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii) IStGH-Statut eine eigenständige Regelung<br />
trifft. Damit erstreckt sich der Tatbestand <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii) IStGH-<br />
Statut auf den Einsatz <strong>von</strong> Giften und vergifteten Waffen sowie die Vergiftung <strong>von</strong><br />
Nahrungsmitteln, Munition oder ähnlichen Vorgehensweisen, während Art. 8 Abs. 2<br />
lit. b (xviii) IStGH-Statut den Einsatz <strong>von</strong> chemischen Kampfgasen erfasst.<br />
753 Oeter, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 1994, Nr. 434.<br />
754 So etwa Bothe, in Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of International Law, Vol. 3, 1997, 85; Ipsen, Völkerrecht,<br />
5. Aufl., 2004, § 68, Rn. 28; Oeter, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts in bewaffneten<br />
Konflikten, 1994, 434.<br />
755 Kellman, in: Bassiouni (Hrsg.), International Criminal Law, 1999, Vol. 1, 500 (Fn. 20); Detter, The Law of<br />
War, 2. Aufl., 2003, 253 ff.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 198<br />
(b) Chemische Waffen als Kampfgase und gleichartige Mittel (Art. 8 Abs. 2<br />
lit. b (xviii) IStGH-Statut)<br />
<strong>Die</strong> Verwendung <strong>von</strong> chemischen Gasen in der Terrorführung kann somit ein eigenständiges<br />
Kriegsverbrechen darstellen und daher nach Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii)<br />
IStGH-Statut strafbar sein. Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii) IStGH-Statut verbietet den Einsatz<br />
<strong>von</strong> Kampfmitteln, die erstickend, giftig oder in vergleichbarer Weise wirken. <strong>Die</strong><br />
Norm findet ihre Grundlage im Genfer Giftgasprotokoll <strong>von</strong> 1925. 756 Nach Maßgabe<br />
der Expertenkommission <strong>des</strong> UN-Generalsekretärs aus dem Jahre 1969 fallen unter<br />
das Protokoll:<br />
„[...] chemical substances, whether gaseous, liquid or solid, which might be employed because<br />
of their direct toxic effects on man, animals and plants.“ 757<br />
Neben der Vielzahl an chemischen Gasen, festen oder flüssigen Substanzen werden<br />
auch Tränengase und Herbizide erfasst. 758 <strong>Die</strong> spätere Chemiewaffenkonvention <strong>von</strong><br />
1993 (CWC) nimmt dem Wortlaut nach eine engere Definition der verbotenen chemischen<br />
Substanzen vor, indem sie solche chemischen Materialien <strong>von</strong> ihrem Anwendungsbereich<br />
ausschließt, die eine giftige Wirkung auf Pflanzen haben. 759 Sinn und<br />
Zweck der CWC war es aber nicht, die Reichweite <strong>des</strong> Genfer Giftgasprotokolls einzudämmen,<br />
so dass auch der Einsatz <strong>von</strong> Herbiziden als nach der CWC verbotenes<br />
Verhalten einzuordnen ist. <strong>Die</strong>s wird durch Nr. 7 der Präambel zur CWC bestätigt.<br />
In ständiger Weiterentwicklung werden das Genfer Protokoll <strong>von</strong> 1925 und die CWC<br />
heute weit verstanden und beziehen alle Formen der chemischen Kriegsführung mit<br />
ein. Hieran hat sich auch Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii) IStGH-Statut orientiert. Allerdings<br />
stellen die Verbrechenselemente nicht unmittelbar auf den Einsatz <strong>von</strong> Herbiziden ab<br />
und könnten somit enger verstanden werden. 760 Gemäß den Verbrechenselementen<br />
muss der Täter Gase, Flüssigkeiten oder Stoffe einsetzen, die aufgrund ihrer erstickenden<br />
oder toxischen Eigenschaften geeignet sind, den Tod oder schwere gesundheitli-<br />
756 Hierzu näher van Wynen Thomas/Thomas, Legal Limits on the Use of Chemical and Biological Weapons,<br />
1970, 71 ff.<br />
757<br />
Chemical and Bacteriological (Biological) Weapons and the Effects of the Possible Use, UN<br />
Doc. A/7575/Ref. 1, 5.<br />
758 Dazu näher Verwey, Riot Control Agents and Herbici<strong>des</strong> in War, 1977, 225; Bothe, Das <strong>völkerrechtliche</strong> Verbot<br />
<strong>des</strong> Einsatzes chemischer und bakteriologischer Waffen, 1973, 49.<br />
759 „Any chemical which is through its chemical action on life process can cause death, temporary incapacitation<br />
or permanent harm to humans and animals.“.<br />
760 Bothe, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 407.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 199<br />
che Schäden hervorzurufen. 761 Nicht strafbar ist damit der Einsatz <strong>von</strong> Reizgasen, sofern<br />
dadurch nicht erhebliche Gesundheitsschäden hervorgerufen werden. 762 Indem die<br />
Verbrechenselemente das Kriterium der „gesundheitlichen Schädigung“ für strafbarkeitsbegründend<br />
halten, weisen sie auf ein Verbot <strong>von</strong> chemischen Substanzen gegen<br />
Menschen und Tiere hin, nicht aber auf Schadstoffe gegen Pflanzen.<br />
Wegen der weiten Interpretation <strong>des</strong> Genfer Giftgasprotokolls und <strong>des</strong>sen Ausprägung<br />
im IStGH-Statut ist ein umfassen<strong>des</strong> Verbot <strong>von</strong> traditionellen und <strong>modernen</strong> Chemikalien,<br />
inklusive <strong>des</strong> Verbots <strong>von</strong> Herbiziden, die schädigende Auswirkungen auf die<br />
menschliche und tierische Gesundheit beinhalten, gegeben. 763 Wählen demnach Terroristen<br />
den gezielten Einsatz <strong>von</strong> chemischen Agenzien jeglicher Art und Herbiziden<br />
als Mittel der Kampführung, ist deren Verwendung gemäß Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii)<br />
IStGH-Statut als strafbares Verhalten einzuordnen.<br />
(c) Strafbarkeit <strong>des</strong> Einsatzes <strong>von</strong> chemischen Massenvernichtungswaffen<br />
Da Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii) IStGH-Statut eine weite Anwendung auf chemische<br />
Kampfmittel für den internationalen bewaffneten Konflikt erlaubt, ist zu klären, ob<br />
auch die Verwendung chemischer Massenvernichtungswaffen unter die Strafnorm<br />
fällt.<br />
Der Wortlaut <strong>von</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii) IStGH-Statut und die weite Auslegung <strong>des</strong><br />
Giftgasverbots sprechen für die Strafbarkeit <strong>von</strong> chemischen Massenvernichtungswaffen.<br />
764 Dem Wortlaut der Norm steht aber die eindeutig erklärte Ablehnung eines entsprechenden<br />
Straftatbestan<strong>des</strong> auf der Rom-Konferenz 1998 entgegen. Wie bei den<br />
biologischen Massenvernichtungswaffen hat auch die Aufnahme chemischer Waffen<br />
in den Strafbereich <strong>des</strong> Art. 8 IStGH-Statut im Rahmen der Vorbereitungsverhandlungen<br />
keine Beachtung erfahren. Der Vorbereitungskommission wurden zwar Regelungsvorschläge<br />
bezüglich der Behandlung <strong>von</strong> chemischen Massenvernichtungswaffen<br />
unterbreitet. 765 Doch diesbezüglich war lediglich ein (politischer)<br />
Kompromiss zu erreichen, indem die Strafbarkeit der Verwendung <strong>von</strong> chemischen<br />
761 Vgl. Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii) IStGH-Statut, Elements of Crimes, Ziff. 2: „The gas, substance or device was<br />
such that it causes death or serious damage to health in the ordinary course of events, through its asphyxiating or<br />
toxic properties.“.<br />
762 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 1088.<br />
763 So auch Gasser, RICR 2002, 547 (554).<br />
764 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 1089; Bothe, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary,<br />
2002, Vol. 1, 379, 407; Cottier, in: Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute, 1999, Art. 8, Rn. 183.<br />
Auch geht der deutsche Gesetzgeber da<strong>von</strong> aus, dass Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii) IStGH-Statut chemische Waffen<br />
erfasst, vgl. § 12 Abs. 2 Ziff. 2 VStGB. S. auch BMJ, Begründung zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur<br />
Einführung <strong>des</strong> Völkerstrafgesetzbuches zu § 13 Abs. 1 Nr. 2 (Stand: 22.06.2001), 81.<br />
765 Vgl. Nachweise bei Cottier, in: Triffterer (Hrsg.), Commentary on the Rome Statute, 1999, Art. 8, Rn. 180 f.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 200<br />
Massenvernichtungswaffen mit Verweis auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (xx) IStGH-Statut auf<br />
einen späteren Zeitpunkt terminiert wurde. Entsprechend der Entstehungsgeschichte<br />
<strong>des</strong> IStGH-Statuts sind die Staaten nur gehalten, sich mit der unmittelbaren Strafbarkeit<br />
<strong>des</strong> Einsatzes chemischer Massenvernichtungswaffen zukünftig und dann im<br />
Rahmen der Generalklausel <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xx) IStGH-Statut zu befassen.<br />
(3) Strafbarkeit <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Cyberterrorismus<br />
Das IStGH-Statut stellt in Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii) und (xviii) ausdrücklich nur die<br />
Verwendung <strong>von</strong> Gift sowie <strong>von</strong> giftigen Gasen als verbotene Kampfmittel im internationalen<br />
bewaffneten Konflikt unter Strafe. Akte <strong>des</strong> Cyberterrorismus als spezifische<br />
Kriegsverbrechen <strong>des</strong> Einsatzes verbotener Kampfmittel kommen daher nur in Betracht,<br />
sofern sie mit dem Einsatz <strong>von</strong> Gift (Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii) IStGH-Statut)<br />
und giftigen Gasen (Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii) IStGH-Statut) oder darüber hinaus mit<br />
bestimmter verbotener Munition (Art. 8 Abs. 2 lit. b (xix) IStGH-Statut) gleichzusetzen<br />
sind.<br />
Cyberterroristische Akte kennzeichnen solche Maßnahmen, die darauf abzielen,<br />
Daten- und Informationssysteme zu stören, zu verfälschen bzw. zu manipulieren. Als<br />
Waffen dieser neuen Art der Terrorführung werden dabei hauptsächlich Viren 766 ,<br />
Würmer 767 und andere Methoden 768 verwendet, die zur Beschädigung und Spionage<br />
<strong>von</strong> Software in fremde Datenverarbeitungssysteme eingeschleust und für gezielte<br />
Angriffe auf gegnerische Rechner genutzt werden können. 769 Weitere Gefahrenquellen<br />
sind so genannte Denial-of-Service-Attacken (DoS) 770 zum gezielten Angriff auf<br />
Rechnersysteme sowie andere Strahlsysteme 771 , die Hochleistungssignale aussenden<br />
und damit elektronische Ziele beeinträchtigen können. Eingesetzte Kampfmittel sind<br />
hier elektronische Befehlszeilen bzw. Daten, die weder als Giftwaffen gemäß Art. 8<br />
Abs. 2 lit. b (xvii) IStGH-Statut noch als erstickende oder giftige Kampfmittel im Sin-<br />
766 Viren sind Schadensprogramme, die sich, nachdem sie vom Benutzer aktiviert wurden, <strong>von</strong> Datei zu Datei<br />
ausbreiten; http://www.neue-oz.de/service/zis/artikel/cyber.html (13.11.2002).<br />
767 Im Gegensatz zu Viren können sich sog. Würmer ohne menschliche Mithilfe (Aktivieren) schädigend in einem<br />
Netzwerk verbreiten; http://www.neue-oz.de/service/zis/artikel/cyber.html (13.11.2002).<br />
768 Bei sog. Trojanischen Pferden oder spy chips handelt es sich um Programme, die in fremde Computersysteme<br />
zu Zwecken der Spionage <strong>von</strong> geheimen Daten oder Passwörtern eingeschleust werden. Solange sie nicht entdeckt<br />
werden, können sie Daten sammeln und über das Internet an ihre Auftraggeber senden; http://www.neueoz.de/service/zis/artikel/cyber.html<br />
(13.11.2002).<br />
769 Laqueur, The New Terrorism, 1999, 75.<br />
770 Hier schließen sich Benutzergruppen zusammen, um zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Server mit Anfragen<br />
zu überhäufen. Speziell geschriebene Computerprogramme simulieren tausende Anfragen pro Sekunde, wodurch<br />
der Server überlastet und sodann außer Funktion gesetzt wird. Zu den vielfältigen Methoden <strong>des</strong><br />
Cyberterrorismus s. Schieb, http://www.online.wdr.de/online/computer/cyberterror/terror.phtml (13.11.2002);<br />
Joyner/Lorionte, EJIL 2001, 825 (835 ff.); US-National Research Council, Information Technology for Counterterrorism:<br />
Immediate Actions and Future Possibilities, 2003, 15 f.<br />
771 Sog. „HERF (high-energy radio frequency) guns“; Laqueur, The New Terrorism, 1999, 75.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 201<br />
ne der Bestimmung <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii) IStGH-Statut qualifiziert werden<br />
können. Auch stellen elektronische Daten keine verbotene Munition im Sinne <strong>des</strong> Art.<br />
8 Abs. 2 lit. b (xix) IStGH-Statut dar, denn hierunter wird die Verwendung <strong>von</strong> Geschossen<br />
erfasst, welche sich leicht im menschlichen Körper ausdehnen. 772 Da Cyberwaffen<br />
als elektronische Befehlszeilen eindeutig nicht mit Explosivgeschossen oder<br />
Brandgeschossen vergleichbar sind 773 , werden cyberterroristische Aktivitäten auch<br />
nicht <strong>von</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xix) IStGH-Statut erfasst.<br />
(4) <strong>Die</strong> Generalklausel <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xx) IStGH-Statut<br />
Für den terroristischen Einsatz <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen sowie <strong>von</strong> Cyberwaffen<br />
bietet sich letztlich die Generalklausel <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xx) IStGH-Statut als<br />
<strong>völkerrechtliche</strong>r Straftatbestand an, auf den abschließend einzugehen ist.<br />
(a) Inhaltliche Ausgestaltung<br />
Nukleare, chemische und biologische Massenvernichtungswaffen sowie Cyberwaffen<br />
erfahren durch das IStGH-Statut derzeit keine explizite <strong>Kriminalisierung</strong> als verbotene<br />
Kampfmittel im Sinne <strong>von</strong> Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut. Festgestellt wurde, dass das<br />
IStGH-Statut in Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii) und (xviii) ausdrücklich nur die Verwendung<br />
<strong>von</strong> Gift sowie <strong>von</strong> giftigen Gasen unter Strafe stellt. <strong>Die</strong>se Bestimmungen gehen auf<br />
traditionelle <strong>völkerrechtliche</strong> Kampfmittelverbote zurück, die innerhalb der Verhandlungen<br />
zum Rom-Statut allgemein anerkannt und dementsprechend problemlos normiert<br />
wurden. Anlass zur Kontroverse gab speziell die <strong>völkerrechtliche</strong><br />
<strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> <strong>modernen</strong> chemischen und biologischen Kampfmitteln, die nur<br />
im Wege eines politischen Kompromisses gelöst werden konnte. 774 <strong>Die</strong>ser Kompromiss<br />
heißt Art. 8 Abs. 2 lit. b (xx) IStGH-Statut und ist als Generalklausel ausgestaltet.<br />
Art. 8 Abs. 2 lit. b (xx) IStGH-Statut verbietet die Verwendung <strong>von</strong> Kampfmitteln, die<br />
geeignet sind, überflüssige Leiden hervorzurufen, oder die ihrer Natur nach unterschiedslos<br />
wirken. <strong>Die</strong> Generalklausel <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xx) IStGH-Statut knüpft<br />
an die in Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii) und (xviii) IStGH-Statut niedergelegten Kampfmittelverbote<br />
an, wonach die Verwendung <strong>von</strong> Kampfmitteln, die überflüssige Leiden<br />
verursachen oder nicht zu beherrschen sind und damit unterschiedslos wirken, in internationalen<br />
bewaffneten Konflikten verboten ist. 775 Das Verbot <strong>von</strong> Kampfmitteln, die<br />
besondere Leiden verursachen, schützt dabei in erster Linie die an den Kampfhandlun-<br />
772 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 1092.<br />
773 Oeter, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 1994,<br />
Nr. 406 ff.<br />
774 Vgl. dazu unter D. III. 3. c) dd) (2) (b).<br />
775 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 5. Teil, Rn. 1095; Verthey, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims, and International<br />
Law, 2003, 369 (372); ausführlich dazu Clark, Cal. W. Int’l L. J. 1998, 379 ff.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 202<br />
gen beteiligten Kombattanten; das Verbot unterschiedslos wirkender Kampfmittel bezieht<br />
sich hingegen auf am Konflikt unbeteiligte Personen.<br />
(b) Strafbarkeit <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Chemie-, Bio- und Cyberterrorismus<br />
Unter die Kampfmittel, die besondere Leiden verursachen bzw. unterschiedslos wirken,<br />
sind zwingend biologische und chemische Massenvernichtungswaffen, mitunter<br />
auch Cyberwaffen einzuordnen. Es liegt in der Natur dieser Kampfmittel, dass sich ihre<br />
Anwendung und Wirkung nicht endgültig beherrschen und auf eine bestimmte Personengruppe<br />
beschränken lässt. Biologische und chemische Waffen wirken<br />
unterschiedslos, sind verheerend in der Konsequenz, und führen sie nicht unmittelbar<br />
zum wahllosen Tod <strong>von</strong> Kombattanten und Zivilisten, verursachen sie zumin<strong>des</strong>t<br />
langwierige Leiden der Betroffenen. <strong>Die</strong>se Folgen kann aber gleichsam auch der Einsatz<br />
<strong>von</strong> elektronischen Befehlszeilen in internationalen bewaffneten Konflikten mit<br />
sich bringen. Indem die Generalklausel <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xx) IStGH-Statut nicht<br />
auf konventionelle Waffen beschränkt ist, eröffnet die Norm die Möglichkeit, sowohl<br />
biologische und chemische Massenvernichtungswaffen als auch Cyberwaffen in ihren<br />
Anwendungsbereich mit aufzunehmen. Durch ihre weite Formulierung besitzt die Generalklausel<br />
<strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xx) IStGH-Statut das Potential, die terroristische<br />
Verwendung <strong>von</strong> biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen sowie e-<br />
lektronischen Daten zuhanden <strong>von</strong> Staaten und nicht-staatlichen Akteuren zu erfassen.<br />
In der Praxis stehen der <strong>Kriminalisierung</strong> sowohl <strong>von</strong> biologischen und chemischen<br />
Massenvernichtungswaffen als auch <strong>von</strong> elektronischen Daten jedoch die Probleme<br />
entgegen, die sich in den Vorbereitungsverhandlungen zum Rom-Statut zur Frage der<br />
Strafbarkeit der Verwendung <strong>von</strong> Bio- und Chemiewaffen zeigten und zur Aufnahme<br />
der Generalklausel in das IStGH-Statut führten: Voraussetzung ist, dass die durch die<br />
Generalklausel verbotenen Kampfmittel in einer <strong>von</strong> der Staatenversammlung <strong>des</strong><br />
IStGH-Statuts zukünftig zu verabschiedenden Verbotsliste aufgeführt sind. Gemäß<br />
Art. 121 IStGH-Statut können erste, entsprechende Vorschläge erst sieben Jahre nach<br />
Inkrafttreten <strong>des</strong> Statuts unterbreitet werden, also nicht vor dem 1. Juli 2009. Damit ist<br />
der Tatbestand <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xx) IStGH-Statut, der sich für die <strong>Kriminalisierung</strong><br />
<strong>von</strong> biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen und Cyberwaffen<br />
dem Wortlaut nach anbietet, derzeit nicht anwendbar. Auch wird sich die Regelung in<br />
absehbarer Zeit nicht anwendbar zeigen, da die Verbotsliste in einem langwierigen und<br />
umständlichen Statutänderungsverfahren zu verabschieden ist. 776 Welche Kampfmittel<br />
damit genau durch das IStGH-Statut verboten sind, ob darunter auch biologische und<br />
776 Gemäß Art. 121 Abs. 2 bis 4 IStGH-Statut setzt der Beschluss der Liste eine qualifizierte Mehrheit der Vertragsstaaten<br />
voraus und bindet diese erst, wenn sieben Achtel der Vertragsstaaten die Liste ratifiziert haben.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 203<br />
chemische Waffen oder elektronische Daten fallen, und ab wann diese Verbote greifen,<br />
ist unklar. <strong>Die</strong> Generalklausel <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xx) IStGH-Statut stellt zwar<br />
eine zukunftsweisende Regelung für die Behandlung terroristischer Gefahren durch<br />
Massenvernichtungswaffen und Cyberwaffen dar, ein einschlägiges Rechtsinstrument<br />
zur derzeitigen <strong>völkerrechtliche</strong>n <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Biound<br />
Chemie- sowie Cyberterrorismus ist sie derzeit jedoch nicht.<br />
Bei dem Problemfeld der Verwendung <strong>von</strong> elektronischen Daten als verbotene<br />
Kampfmittel kommt hinzu, dass Cyberaktionen ein relativ neuartiges Phänomen darstellen,<br />
so dass auch ein Rückgriff auf Völkergewohnheitsrecht zur Beantwortung der<br />
Frage, ob Informationen als verbotene Kampfmittel - die auch in der Generalklausel<br />
ihre Aufnahme finden - gelten, nicht möglich ist. Aus der Staatenpraxis lässt sich keine<br />
rechtliche Grundlage für die Behandlung <strong>von</strong> elektronischen Befehlszeilen als<br />
Kampfmittel ableiten – dies vor allem <strong>des</strong>halb, weil es eine ins Gewicht fallende praktische<br />
Anwendung <strong>von</strong> Angriffen im Computernetz noch nicht gibt. Es ist da<strong>von</strong> auszugehen,<br />
dass sich im Laufe der Zeit eine entsprechende Norm für das<br />
Völkergewohnheitsrecht entwickeln wird; gegenwärtig existiert sie jedoch nicht, weder<br />
in der konkreten Rechtsprechung noch in der opinio iuris. Obwohl rechtspolitisch<br />
wünschenswert, ist fraglich, ob elektronische Daten als Kampfmittel in der noch zu<br />
verabschiedenden Verbotsliste Berücksichtigung finden werden.<br />
d) Neue völkerstrafrechtliche Praxis zum Delikt <strong>des</strong> Terrorismus als Kriegsverbrechen:<br />
The Prosecutor vs. Stanislav Galic<br />
Auch wenn theoretisch möglich, ist in der Praxis eine konkrete strafrechtliche Verfolgung<br />
<strong>von</strong> Terrorismus als spezifisches Kriegsverbrechen durch die internationale<br />
Rechtsprechung unterblieben. <strong>Die</strong> Tatsache, dass eine Zivilbevölkerung durch bestimmte<br />
Maßnahmen generell terrorisiert wird, hat zwar zu <strong>völkerrechtliche</strong>n Verurteilungen<br />
wegen einschlägiger Kernverbrechen geführt, doch ist als spezielles kriminelles<br />
Verhalten Terrorismus nicht Gegenstand internationaler strafrechtlicher Rechtsprechung<br />
gemacht worden.<br />
<strong>Die</strong> internationale Strafgerichtsbarkeit hat nunmehr das Problem <strong>des</strong> Terrorismus aufgegriffen<br />
und sich im Rahmen der neueren Fallpraxis <strong>des</strong> JStGH, speziell im Fall Galic<br />
777 , dem Phänomen <strong>des</strong> Terrorismus im Rahmen der Kriegsverbrechen zugewandt.<br />
Der Fall Galic ist <strong>von</strong> besonderer Bedeutung, da er ein Novum in der Geschichte der<br />
völkerstrafrechtlichen Rechtsprechung darstellt. Zum ersten Mal hat hier ein internationaler<br />
Strafgerichtshof zur Frage <strong>des</strong> Terrordelikts als Kriegsverbrechen Stellung ge-<br />
777 The Prosecutor vs. Galic, JSTGH, Urteil v. 05.12.2003 (Case No. IT-98-29-T).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 204<br />
nommen und es damit ermöglicht, die objektiven und subjektiven Tatbestandselemente<br />
der terroristischen Tat im Rahmen der Kriegsverbrechen zu konkretisieren. 778 <strong>Die</strong> Galic-Rechtsprechung<br />
ist in der Wissenschaft bislang nur vereinzelt aufgegriffen worden<br />
779 , so dass es im Folgenden gilt, die Tatumstände <strong>des</strong> Falles und die<br />
Rechtsfindung <strong>des</strong> JStGH näher zu beleuchten und herauszustellen, unter welchen<br />
Voraussetzungen das Völkerstrafrecht das Vorliegen eines terroristischen Aktes als<br />
Kriegsverbrechen anerkennt.<br />
aa) Sachverhalt<br />
Zwischen September 1992 und August 1994 standen sich Truppen der bosnischen<br />
Armee und der Armee der Republik Srpska, einer feindlich errichteten, serbischen Enklave<br />
inmitten Bosnien-Herzegovinas, im bewaffneten Konflikt gegenüber. <strong>Die</strong><br />
Kampfhandlungen spielten sich dabei in und um die Stadt Sarajevo ab. <strong>Die</strong> Stadt war<br />
größtenteils unter Kontrolle der bosnischen Armee, doch gelang es einer Teilgruppe<br />
der srpskischen Armee, den so genannten Sarajevo Romania Corps (SRK), ab Mitte<br />
September 1992 Sarajevo zu umzingeln.<br />
General Galic war während der fraglichen Zeit der Kommandeur der SRK. Er wurde<br />
vor dem JStGH für die ab September 1992 einsetzende Terrorkampagne gegen die Zivilbevölkerung<br />
verantwortlich gemacht, in deren Verlauf Hunderte <strong>von</strong> Zivilisten<br />
durch Scharfschützen und Granatenanschläge getötet wurden. <strong>Die</strong> Vielzahl der Übergriffe<br />
durch die SRK wurde in die Innenstadt Sarajevos verlegt und direkt gegen die<br />
Zivilbevölkerung der Stadt vorgetragen. <strong>Die</strong> Beweisführung im Verfahren ergab, dass<br />
Zivilisten zum primären Ziel der Scharfschützen und Granatenwerfer gemacht wurden.<br />
Da die Übergriffe hauptsächlich am Tage stattfanden, war es Angreifern möglich zu<br />
erkennen, dass es sich bei den Opfern um Zivilisten handelte. <strong>Die</strong> hügelige Topographie<br />
um Sarajevo kam dabei der Absicht der Angreifer zugute, Scharfschützen gegen<br />
die Zivilbevölkerung einzusetzen. Zwar unternahmen die Bewohner Sarajevos den<br />
778 Eine konkrete strafrechtliche Verfolgung <strong>des</strong> Delikts “Terror gegen die Zivilbevölkerung” war durch die internationale<br />
Rechtsprechung bis zum Fall Galic unterblieben, jedoch hat die Tatsache, dass die Zivilbevölkerung<br />
durch bestimmte Maßnahmen terrorisiert wurde, zu Verurteilungen gemäß anderer völkerechtlicher Verbrechen<br />
beigetragen. Vgl. etwa The Prosecutor vs. Čelebici, JSTGH, Trial Judgment, Rn. 976, 1056, 1086-91 und 1119;<br />
The Prosecutor vs. Blaskic, JSTGH, Trial Judgment, Rn. 695, 700 und 732-3; The Prosecutor vs. Krstic, JSTGH,<br />
Trial Judgment, Rn. 533, 607, 1, 41, 44, 46, 147, 153, 292, 364, 517, 527, 537, 653, 668, 671, 677. Der Special<br />
Court for Sierra Leone hat mittlerweile zwei Anklagen aufgrund <strong>des</strong> Delikts “Akte <strong>des</strong> Terrorismus” (“terrorizing<br />
the civilian population”) in Übereinstimmung mit den gemeinsamen Art. 3 GA sowie dem ZP II erlassen,<br />
vgl. unter http://www.sc-sl.org; UN-Special Rapporteur Koufa, Specific Human Rights Issues: New Priorities, in<br />
particular Terrorism and Counter-Terrorism, Working Paper by the Commission on Human Rights,<br />
E/CN.4/Sub.2/2004/40 v. 25.06.2004, 11; Tournaye, in: Doucet (Hrsg.), Terrorism, Victims, and International<br />
Law, 2003, 298 (302).<br />
779 Cassese hat sich bislang auf die Rechtsprechung im Fall Galic berufen. S. dazu Vortrag Cassese, Symposium<br />
„Enforcing International Law Norms against Terrorism“, Mailand, 2002 (Anmerkungen bei der Autorin); ders.,<br />
International Criminal Law, 2003, 127. Vgl. neu auch Kravetz, LJIL 2004, 521 ff.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 205<br />
Versuch, sich gegen die Gewaltangriffe zu schützen, indem sie Schulen schlossen, ihren<br />
Tagesrhythmus auf die Nacht verlegten oder Stahlcontainer zum Schutz vor den<br />
Scharfschützen entlang der Straßen errichteten, doch gab es keinen absoluten Schutz<br />
vor den Terrorangriffen der SRK; kein Einwohner war irgendwo in Sarajevo sicher, 780<br />
und die benannten Terrorhandlungen der SRK führten zu einer großen Anzahl <strong>von</strong> Toten<br />
und Tausenden <strong>von</strong> verletzten Zivilisten.<br />
General Galic hat es während der fraglichen Zeit vermieden, die dargelegten Terrorattacken<br />
gegen die Zivilbevölkerung Sarajevos zu verhindern und die Täter für ihre<br />
Handlungen zu bestrafen. Aus diesem Grund wurde er vor dem Gerichtshof wegen<br />
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. 781<br />
bb) Rechtliche Bewertung durch den JStGH<br />
(1) Terrorhandlungen als Kriegsverbrechen gemäß Art. 3 JStGH-Statut<br />
Der Gerichtshof hatte sich vorliegend mit der Prüfung auseinanderzusetzen, ob das<br />
Verhalten Generals Galic als Verbrechen <strong>des</strong> Terrors (Anklagepunkt 1: „inflicting terror<br />
upon civilians“) und als Angriff auf die Zivilbevölkerung (Anklagepunkt 4 und 7:<br />
„attacks on civilians“) im Rahmen <strong>des</strong> Straftatbestan<strong>des</strong> <strong>des</strong> Kriegsverbrechens gemäss<br />
Art. 3 JStGH-Statut zu qualifizieren ist. Beide Delikte sind durch Art. 51 ZP I<br />
der Genfer Konventionen verboten und haben als Verletzung der Gebräuche <strong>des</strong> Krieges<br />
Eingang in Art. 3 JStGH-Statut gefunden. 782<br />
(a) Angriff gegen die Zivilbevölkerung als Verletzung der Gesetze und Gebräuche<br />
<strong>des</strong> Krieges<br />
Das Gericht definierte einen Angriff gegen die Zivilbevölkerung als die vorsätzliche<br />
Vornahme <strong>von</strong> Gewalthandlungen gegen diese oder einzelne Zivilisten, die nicht direkt<br />
an den Kriegshandlungen beteiligt sind, und die bei diesen zum Tod, zu schweren<br />
Körperverletzungen oder zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen. 783 Aufgrund der<br />
780 Prosecution Opening Statement, T. 562-3: „The siege of Sarajevo, as it came popularly be known, was an epsisode<br />
of such notoriety in the conflict in the former Yugoslavia that one must go back to World War II to find a<br />
parallel in European history. Not since then had a professional army conducted a campaign of unrelenting violence<br />
against the inhabitants of a European citz so as to reduce them to s state of medevial deprivation in which<br />
they were in constant fear of death. In the period covered in this Indictment, there was nowhere safe for a Sarajevan,<br />
not at home, not at school, in a hospital, from deliberate attack.”. Vgl. The Prosecutor vs. Galic, JSTGH,<br />
Urteil v. 05.12.2003 (Galic, TC), Rn. 2.<br />
781 <strong>Die</strong> Anklagepunkte beliefen sich im Einzelnen auf Verbrechen <strong>des</strong> Terrors (Anklagepunkt 1), Angriffe gegen<br />
die Zivilbevölkerung (Anklagepunkte 4 und 7), Mord (Anklagepunkt 2 und 5) sowie unmenschliche Akte gegen<br />
Zivilisten der Stadt Sarajevo. Vgl. The Prosecutor vs. Galic, JSTGH, Urteil v. 05.12.2003 (Galic, TC), Rn. 4.<br />
782 Zum Anwendungsbereich <strong>von</strong> Art. 3 JStGH-Statut und seinen Voraussetzungen s. The Prosecutor vs. Galic,<br />
JSTGH, Urteil v. 05.12.2003 (Galic, TC), Rn. 11, 16 ff.<br />
783 The Prosecutor vs. Galic, JSTGH, Urteil v. 05.12.2003 (Galic, TC), Rn. 56.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 206<br />
Beweislage im vorliegenden Fall sowie der Anzahl der Toten und Verletzten unter der<br />
Bevölkerung Sarajevos kam der Gerichtshof zum Ergebnis, dass die durch die SRK<br />
ausgeführten Scharfschützenattacken und Granatenanschläge Angriffe gegen die Zivilbevölkerung<br />
darstellten. Indem man die Angriffe wahllos gegen Zivilisten führte,<br />
wurde das Unterscheidungsprinzip im humanitären Völkerrecht verletzt, und die Taten<br />
qualifizierten als Kriegsverbrechen. Wie der Gerichtshof in seinem Urteil festhielt,<br />
handelte es sich bei den Angriffen der SRK ausdrücklich nicht um Angriffe auf legitime<br />
militärische Ziele, die den Tod der Zivilisten als sog. kollaterale Schäden unter<br />
Umständen hätten rechtfertigen können.<br />
(b) Terror gegen die Zivilbevölkerung als Verletzung der Gesetze und Gebräuche<br />
<strong>des</strong> Krieges<br />
Für das Delikt <strong>des</strong> Terrors hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Verursachung <strong>von</strong><br />
Terror als Verletzung der Gesetze und Gebräuche <strong>des</strong> Krieges anzusehen ist und Eingang<br />
in Art. 3 JStGH-Statut findet. Terror wird hiernach als Verletzungstatbestand <strong>des</strong><br />
humanitären Völkerrechts interpretiert, welches es dem Gericht ermöglichte, seine Zuständigkeit<br />
ratione materiae über die spezifischen, unter Anklage befindlichen, terroristischen<br />
Verhaltensweisen zu begründen. 784 <strong>Die</strong> Frage, ob das Verbrechen <strong>des</strong><br />
Terrors neben der Verankerung im humanitären Völkerrecht eine Grundlage auch im<br />
Völkergewohnheitsrecht findet, wurde offen gelassen, da die Zuständigkeit für den<br />
vorliegenden Fall aus Vertragsrecht begründet werden konnte. <strong>Die</strong> objektiven und subjektiven<br />
Voraussetzungen <strong>des</strong> Terrorverbrechens gegen die Zivilbevölkerung unter<br />
Art. 3 JStGH-Statut hat der Gerichtshof wie folgt umschrieben:<br />
1. Acts of violence directed against the civilian population or individual civilians not<br />
taking direct part in the hostilities causing death or serious injury to body or health<br />
within the civilian population.<br />
2. The offender willfully made the civilian population or individual civilians not taking<br />
direct part in hostilities the object of those acts of violence.<br />
3. The above offence was committed with the primary purpose of spreading terror<br />
among the civilian population. 785<br />
<strong>Die</strong>se tatbestandliche Konkretisierung zeigt auf, dass Terrorverbrechen zunächst das<br />
Vorliegen der gleichen Voraussetzungen erfordert, die dem Delikt <strong>des</strong> Angriffs gegen<br />
die Zivilbevölkerung zu Eigen sind. <strong>Die</strong> bloße Drohung mit Terror wird nicht verfolgt.<br />
In subjektiver Hinsicht ist nachzuweisen, dass der Angriff auf die Zivilbevölkerung<br />
primär mit dem Ziel erfolgte, Terror unter dieser zu verbreiten. Das Terrorverbrechen<br />
784 The Prosecutor vs. Galic, JSTGH, Urteil v. 05.12.2003 (Galic, TC), Rn. 131.<br />
785 The Prosecutor vs. Galic, JSTGH, Urteil v. 05.12.2003 (Galic, TC), Rn. 133.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 207<br />
bedarf somit einer konkreten Terrorisierungsabsicht, so dass dolus eventualis oder bewusste<br />
Fahrlässigkeit (recklessness) nicht erfasst werden. 786<br />
In Anbetracht der Beweislage hat es der Gerichtshof als erwiesen angesehen, dass die<br />
fraglichen Angriffe durch die SRK zwischen September 1992 und August 1994 mit<br />
Terrorabsicht durchgeführt wurden.<br />
(2) Terrorhandlungen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß<br />
Art. 5 JStGH-Statut<br />
Der Gerichtshof hat General Galic ferner wegen der vorsätzlichen Tötung sowie „unmenschlicher<br />
Akte gegen die Zivilbevölkerung“ gemäß Art. 5 (a) und (i) IStGH-Statut<br />
bestraft und damit zugleich die tateinheitliche Verwirklichung <strong>des</strong> Tatbestands der<br />
Verbrechen gegen die Menschlichkeit bejaht.<br />
(3) Individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit <strong>von</strong> Galic<br />
In seinem Urteil hat der Strafgerichtshof umfassend die individuelle strafrechtliche<br />
Verantwortlichkeit <strong>von</strong> General Galic begründet. In seiner Funktion als Befehlshaber<br />
der SRK kontrollierte er die Aktionen seiner Truppen und wusste daher <strong>von</strong> den begangenen<br />
Terrorverbrechen. <strong>Die</strong> Beweisaufnahme im Verfahren hat ergeben, dass die<br />
Aktionen der Scharfschützen und die Granatenangriffe unter der Kontrolle <strong>des</strong> Befehlsapparates<br />
abliefen. 787 So lag es in der Befehlsgewalt Galic diejenigen, die sich<br />
gegen seine Befehle stellten, sich entgegen der militärischen Disziplin verhielten oder<br />
die Attentate begingen, zur Verantwortung zu ziehen. 788 <strong>Die</strong>se Befehlsgewalt hat Galic<br />
nicht wahrgenommen und es unterlassen, die Terrorangriffe gegen die Zivilbevölkerung<br />
in Sarajevo zu verhindern bzw. zu stoppen. Der Gerichtshof sah es darüber hinaus<br />
als erwiesen an, dass Galic nicht nur über die Geschehnisse hinwegsah, sondern<br />
sich auch aktiv an ihnen beteiligte. Er kontrollierte den Verlauf und das Ausmaß der<br />
Terrorangriffe. Auch wenn General Galic zum Teil einzelne Angriffe beendete, nahmen<br />
die Attacken durch Scharfschützen oder mittels Granaten alsbald wieder zu. 789<br />
Eindeutig ist, dass die ausgedehnten und beinahe täglichen Angriffe gegen die Zivilbevölkerung<br />
durch die SRK nicht ohne den Willen ihres Corps Kommandeurs erfolgen<br />
konnten. <strong>Die</strong> Mehrheit <strong>des</strong> Gerichts sah es <strong>des</strong>halb als erwiesen an, dass General Galic<br />
durch seine Befehle oder durch andere Mittel der Einflussnahme die in Sarajevo<br />
786 The Prosecutor vs. Galic, JSTGH, Urteil v. 05.12.2003 (Galic, TC), Rn. 136.<br />
787 The Prosecutor vs. Galic, JSTGH, Urteil v. 05.12.2003 (Galic, TC), Rn. 738.<br />
788 The Prosecutor vs. Galic, JSTGH, Urteil v. 05.12.2003 (Galic, TC), Rn. 742. Zur vorgesetzten Verantwortlichkeit<br />
im Völkerrecht s. auch Vogel, ZStW (114) 2002, 402 (419).<br />
789 The Prosecutor vs. Galic, JSTGH, Urteil v. 05.12.2003 (Galic, TC), Rn. 745.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 208<br />
durchgeführten Terrorkampagnen mit dem Ziel beaufsichtigte, unter der Zivilbevölkerung<br />
in Sarajevo Terror zu verbreiten. <strong>Die</strong> individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit<br />
Galics war damit gegeben.<br />
(4) Analyse<br />
<strong>Die</strong> Galic-Rechtsprechung anerkennt in Art. 3 JStGH-Statut erstmalig das Terrordelikt<br />
als Kriegsverbrechen. Derzeit liegt das Urteil im Fall Galic der Berufungskammer vor.<br />
Sofern das Urteil seine Bestätigung findet, ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass diese Rechtsentwicklung<br />
auch über die Grenzen <strong>des</strong> Jugoslawientribunals hinaus an Bedeutung<br />
gewinnen und die Rechtsprechungspraxis anderer nationaler und internationaler Tribunale<br />
beeinflussen wird.<br />
e) Zwischenergebnis<br />
Grundsätzlich kommt eine Strafbarkeit <strong>von</strong> terroristischen Gewalttaten als Kriegsverbrechen<br />
nach Art. 8 IStGH-Statut nur in Betracht, wenn die Terrorakte im Rahmen<br />
eines bewaffneten Konflikts stattfinden, da die Rechtsmaterie <strong>des</strong> humanitären Völkerrechts<br />
lex specialis zur Terrorismusproblematik ist und vorrangig zur Anwendung<br />
kommt. Damit unterliegen im Rahmen <strong>von</strong> bewaffneten Konflikten begangene Taten<br />
den <strong>völkerrechtliche</strong>n Regelungen der Genfer Konventionen und ihren Zusatzprotokollen,<br />
die sowohl nicht-staatliche als auch staatliche Akte in den Anwendungsbereich der<br />
Kriegsverbrechen einordnen, wobei die Täter gemäß <strong>des</strong> gemeinsamen Art. 3 der Genfer<br />
Konventionen an das Gebot der Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kombattanten<br />
und das Verbot der unterschiedslosen Kampfführung gebunden sind.<br />
Terrorakte können Kriegsverbrechen gegen Personen darstellen, wenn sie die vorsätzliche<br />
Tötung einer Vielzahl <strong>von</strong> am Konflikt unbeteiligten Personen gemäß Art. 8 Abs.<br />
2 lit. a (i); Art. 8 Abs. 2 lit. c (i) IStGH-Statut verursachen oder die Misshandlungstatbestände<br />
der Art. 8 Abs. 2 lit. a (ii), 1. Alt.; Art. 8 Abs. 2 lit. c (i), 4. Alt.; Art. 8 Abs. 2<br />
lit. a (iii); Art. 8 Abs. 2 lit. a (ii), 2. Alt; Art. 8 Abs. 2 lit. c (i), 3. Alt. IStGH-Statut erfüllen.<br />
Im bewaffneten Konflikt können Terrorakte ebenfalls als Geiselnahme (Art. 8<br />
Abs. 2 lit. a (viii), Art. 8 Abs. 2 lit. c (iii) IStGH-Statut) ausgestaltet sein. Terrorhandlungen,<br />
die sich als Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung (Art.<br />
8 Abs. 2 lit. a (vii) 1. und 2. Alt., Art. 8 Abs. 2 lit. b (viii) 2. Alt. IStGH-Statut) darstellen,<br />
betreffen vorrangig aber nur staatliches Handeln.<br />
Sofern Terrorakte zur Zerstörung <strong>von</strong> Sacheigentum führen, liegen die Voraussetzungen<br />
der Kriegsverbrechen gegen das Eigentum nach Art. 8 Abs. 2 lit. a (iv), Art. 8<br />
Abs. 2 lit b (xiii) und Art. 8 Abs. 2 lit. e (xii) IStGH-Statut vor.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 209<br />
Angriffe auf nicht-militärische Ziele stellen das Kriegsverbrechen <strong>des</strong> Einsatzes verbotener<br />
Kampfmethoden dar. Art. 8 Abs. 2 lit. b (i), (ii), (ix) und (xxiv) sowie Art. 8 Abs.<br />
2 lit. e (i), (ii) und (iv) IStGH-Statut stellen unmittelbare Angriffe auf Zivilisten und<br />
zivile Objekte und auf vergleichbare Objekte unter Strafe. <strong>Die</strong> terroristische Verwendung<br />
<strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen und elektronischen Daten dürfte hier regelmäßig<br />
gegen das Verbot <strong>des</strong> Einsatzes unterschiedsloser Waffen verstoßen und aus diesem<br />
Grunde als Kriegsverbrechen <strong>des</strong> Einsatzes verbotener Kampfmethoden strafbar sein.<br />
Nuklearwaffen werden als verbotene Kampfmittel im Sinne <strong>von</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b<br />
(xvii) IStGH-Statut werden grundsätzlich nicht erfasst. Speziell für biologische, chemische<br />
sowie elektronische Ausführungsformen <strong>des</strong> internationalen Terrorismus sind<br />
dem Wortlaut nach jedoch die Einsatzverbote <strong>von</strong> Kampfmitteln für den bewaffneten<br />
internationalen Konflikt einschlägig, die in Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii), (xviii) und (xx)<br />
IStGH-Statut normiert sind. <strong>Die</strong>se Regelungen sind das Ergebnis eines politischen<br />
Kompromisses, der zunächst ausdrücklich nur die Verwendung <strong>von</strong> Gift und giftigen<br />
Gasen sowie <strong>von</strong> Waffen, die geeignet sind, überflüssige Leiden hervorzurufen, oder<br />
ihrer Natur nach unterschiedslos wirken, verbietet. Der Einsatz <strong>von</strong> chemischen und<br />
biologischen Massenvernichtungswaffen sowie <strong>von</strong> Cyberwaffen ist damit derzeit<br />
nicht explizit vom IStGH-Statut erfasst. Um hier eine <strong>völkerrechtliche</strong> <strong>Kriminalisierung</strong><br />
zu erreichen, ist auf die in einer <strong>von</strong> der Staatenversammlung <strong>des</strong> IStGH-Statuts<br />
zukünftig noch zu verabschiedenden Verbotsliste abzustellen. <strong>Die</strong>s führt allerdings dazu,<br />
dass der Tatbestand <strong>des</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xx) IStGH-Statut in absehbarer Zeit<br />
nicht angewendet werden kann.<br />
4. Internationaler Terrorismus als Aggression<br />
<strong>Die</strong> Anschläge vom 11. September 2001 haben verdeutlicht, dass es <strong>modernen</strong> Terrorgruppen<br />
heute mittels fortentwickelter Waffentechnologie und Terrorstrategie möglich<br />
ist, massive Angriffe vorzunehmen, welche sich typisch für die Gewaltanwendung <strong>von</strong><br />
Staaten zeigen. Auch beweist die Reaktion der Staatengemeinschaft auf die Anschläge<br />
vom 11. September 2001, dass die internationale Gemeinschaft bei verheerenden Terroranschlägen<br />
das Vorliegen eines „bewaffneten Angriffs“ nicht mehr ausschließt. Der<br />
UN-Sicherheitsrat hat sich dieser Entwicklung angeschlossen und erkennt an, dass die<br />
Schwere terroristischer Angriffe mitunter Fragen <strong>des</strong> Rechts auf Selbstverteidigung<br />
aufwerfen kann. 790 Es gilt nun abschließend zu prüfen, ob Akte <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus vom Tatbestand der Aggression erfasst werden können und sie damit als<br />
dasjenige Völkerrechtsverbrechen qualifiziert werden müssen, welches nach Maßgabe<br />
<strong>des</strong> Nürnberger Kriegsverbrechertribunals das schwerwiegendste <strong>völkerrechtliche</strong><br />
790 Vgl. S/Res/1368 (2001) v. 12.09.2001; S/Res/1373 (2001) v. 28.09.2001.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 210<br />
Verbrechen darstellt. 791 Mögen Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus auch mittlerweile<br />
eine politische Verurteilung etwa als „Akt der Aggression“ oder als „bewaffneter Angriff“<br />
erfahren, welcher das Recht auf Selbstverteidigung auslösen kann, ist sich vorliegend<br />
darauf zu konzentrieren, ob Terrorhandlungen rechtlich als Verbrechen der<br />
Aggression eine <strong>völkerrechtliche</strong> <strong>Kriminalisierung</strong> erfahren.<br />
a) Inhaltliche Ausgestaltung <strong>des</strong> Art. 5 IStGH-Statut<br />
Das Verbrechen der Aggression hat mit Art. 5 Abs. 1 lit. d Eingang in das IStGH-<br />
Statut gefunden, wobei die Aggression hier eine besondere Stellung einnimmt. Während<br />
die anderen Kernverbrechen <strong>des</strong> Statuts in den folgenden Artikeln legaldefiniert<br />
werden, ist dies bei dem Tatbestand der Aggression nicht der Fall. Wie kein anderer<br />
Tatbestand der im Statut aufgezählten Verbrechen sah und sieht sich die Aggression<br />
fortwährenden Zweifeln hinsichtlich <strong>des</strong> Inhalts, der Geltung und der Zweckdienlichkeit<br />
ihrer Bestrafung ausgesetzt. <strong>Die</strong>se Unklarheiten kamen auch in den Verhandlungen<br />
zum Rom-Statut zum Ausdruck und führten dazu, dass sich die internationale<br />
Gemeinschaft nicht auf eine Definition <strong>des</strong> Aggressionstatbestan<strong>des</strong> einigen konnte. 792<br />
Statt <strong>des</strong>sen wurde ein Kompromiss gewählt, wonach die Aggression zwar grundsätzlich<br />
zu den vier strafbaren Kernverbrechen <strong>des</strong> IStGH-Statuts zählt, die Strafgewalt<br />
diesbezüglich aber erst ausgeübt wird, nachdem der Tatbestand der Aggression in Ü-<br />
bereinstimmung mit Art. 121 und Art. 123 IStGH-Statut konkretisiert werden konnte.<br />
Art. 5 Abs. 2 IStGH-Statut hält hierzu fest:<br />
„Der Gerichtshof übt die Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression aus, sobald<br />
in Übereinstimmung mit den Artikeln 121 und 123 eine Bestimmung angenommen<br />
worden ist, die das Verbrechen definiert und die Bedingungen für die Ausübung<br />
der Gerichtsbarkeit im Hinblick auf dieses Verbrechen festlegt. <strong>Die</strong>se Bestimmung<br />
791 Traditionell beinhaltet das Verbrechen der Aggression die Strafbarkeit für das Führen eines Angriffskrieges.<br />
Art. 6 a IMT-Statut, Text abgedruckt in: Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen<br />
Militärgerichtshof Nürnberg, Bd. 1, 1947, 11. So hat der Nürnberger Gerichtshof für das Verbrechen der Aggression<br />
festgehalten: „The charges of the indictment that the defendants planned and waged aggressive war are<br />
charges of utmost gravity [...]. To initiate a war of aggression, therefore, is not only an international crime; it is<br />
the supreme international crime differing only from other war crimes in that it contains within itself the accumulated<br />
evil of the whole.“. Abgedruckt in: Ferencz, Defining International Aggression, 1975, 452. Weiter dazu<br />
Ipsen, in Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., 2004, § 42, Rn. 13 ff.; Hoffmann, Strafrechtliche Verantwortung im Völkerrecht,<br />
1962, 39 ff.; Schmitt/Quaritsch, Das internationalrechtliche Verbrechen <strong>des</strong> Angriffskrieges, 1994, 44.<br />
792 Zu den verschiedenen Vorschlägen zum Aggressionsverbrechen s. Compilation of proposals on the crime of<br />
aggression submitted at the Preparatory Committee on the Establishment of an International Criminal Court<br />
(1996 - 1999), the United Nations Diplomatic Conference of Plenipotentaries on the Establishment of an International<br />
Criminal Court (1998) and the Preparatory Commission for the International Criminal Court (1999), UN<br />
Doc. PCNICC/1999/INF/2 v. 02.08.1999, sowie UN Doc. PCNICC/1999/INF/2/Add.I v. 06.08.1999; Preliminary<br />
list of possible issues relating to the crime of aggression, UN Doc. PCNICC/2000/WGCA/RT. v.<br />
29.03.2000.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 211<br />
muss mit den einschlägigen Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen vereinbar<br />
sein.“<br />
Gemäß Art. 5 Abs. 2 IStGH-Statut liegt die Zuständigkeit <strong>des</strong> IStGH für das Verbrechen<br />
der Aggression erst vor, wenn eine noch zu schaffende Definition <strong>des</strong> Aggressionstatbestan<strong>des</strong><br />
in das Statut aufgenommen worden ist. Das Aggressionsverbrechen ist<br />
damit zwar Bestandteil <strong>des</strong> IStGH-Statuts, doch findet Art. 5 Abs. 1 lit. d IStGH-<br />
Statut derzeit keine Anwendung, da eine Vorkehrung hinsichtlich der juristischen<br />
Ausgestaltung <strong>des</strong> Aggressionstatbestan<strong>des</strong> noch nicht getroffen worden ist.<br />
Ausgehend <strong>von</strong> einer fehlenden Definition <strong>des</strong> Aggressionstatbestan<strong>des</strong> im IStGH-<br />
Statut ist es das Ziel <strong>des</strong> folgenden Abschnitts zu untersuchen, ob das geltende Völkerrecht<br />
eine Strafbarkeit <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens bereithält und ob diese es ermöglicht,<br />
internationale Terrorakte unter dem Aggressionstatbestand zu kriminalisieren.<br />
Bei der Frage nach einer Strafbarkeit der Aggression und die Aufnahme <strong>von</strong> Terrorhandlungen<br />
hic et nunc soll zunächst ein Blick auf das den Staaten bislang zur Verfügung<br />
stehende Völkerrecht geworfen werden, bevor auf die Vorschläge im Rahmen<br />
der Verhandlungen zum Rom-Statut Bezug genommen wird. Ein völkerrechtspolitischer<br />
Ausblick schließt die Analyse ab.<br />
b) Strafbarkeit der Aggression nach geltendem Völkerrecht<br />
aa) Entwicklung vor 1945<br />
<strong>Die</strong> Idee der strafrechtlichen Verfolgung <strong>von</strong> Verbrechen gegen den Frieden ist kein<br />
modernes Produkt <strong>des</strong> Völkerrechts. Seit der Antike haben angesehene Gelehrte <strong>von</strong><br />
Aristoteles bis Grotius die Rechtmäßigkeit <strong>von</strong> Krieg und Kriegsführung diskutiert,<br />
immer bemüht, den Begriff <strong>des</strong> Angriffskrieges in Rechtsregeln zu zwingen. 793 So<br />
wurde der für das Mittelalter und auch für die Neuzeit bedeutsame Begriff <strong>des</strong> „gerechten“,<br />
im Gegensatz zu dem <strong>des</strong> „ungerechten“ Krieges entwickelt, welchem in Bezug<br />
auf eine individuelle Verantwortlichkeit und Recht am Kriege eine hohe<br />
Bedeutung zukam. 794 Einen „gerechten“ Krieg focht, wer allem Anschein nach, rein<br />
formell, den Krieg in den gesetzlich festgelegten Formen begonnen hatte; einen „ungerechten“<br />
Krieg führte, wer dieses Kriterium nicht erfüllte. 795 Eine derart vereinfachende<br />
Bewertung <strong>des</strong> Kriegsbegriffes vorzunehmen, widersprach jeglichen<br />
rechtlichen Grundsätzen, doch angesichts der weiteren geschichtlichen Entwicklung<br />
793 Aristoteles, Politik, Siebentes Buch, 2. Kapitel, übersetzt <strong>von</strong>: Rolfes, 1981, 242; Grotius, Vom Recht <strong>des</strong><br />
Krieges und <strong>des</strong> Friedens, 1625.<br />
794 Berber, Lehrbuch <strong>des</strong> Völkerrechts II, 1969, 2. Kapitel, §§ 7 f.; Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte,<br />
1988, 29.<br />
795 Schlepple, Das Verbrechen gegen den Frieden, 1983, 13.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 212<br />
schien eine genauere Präzisierung abdingbar, da bis zum Ende <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />
der Krieg im Völkerrecht wohl verankert war. Der Krieg wurde als erlaubtes Mittel der<br />
Streiterledigung zwischen Staaten und als Ausfluss ihrer Souveränität angesehen, welcher<br />
einen unbestrittenen Platz einnahm, denn kein souveräner Staat ließ sich sein<br />
Recht zum Kriege anders als durch tatsächliche Machtverhältnisse einschränken. 796<br />
Auch war dem Völkerrecht eine individuelle Verantwortung <strong>von</strong> Friedensstörern nicht<br />
bekannt.<br />
Erst mit Beendigung <strong>des</strong> Ersten Weltkrieges änderte sich die Beurteilung <strong>des</strong> Rechts<br />
zum Kriege. Vor dem Hintergrund der Verheerungen <strong>des</strong> <strong>von</strong> Deutschland verursachten<br />
Krieges konzentrierten sich erste Bemühungen, kriegsbezogene Verbrechen unter<br />
internationale strafrechtliche Sanktion zu stellen. War die Auferlegung <strong>von</strong> Strafbestimmungen<br />
gegen den deutschen Kaiser in den Art. 127 ff. <strong>des</strong> Versailler Vertrages<br />
<strong>von</strong> 1919 als Vorkehrung für die rein politische Verantwortlichmachung <strong>des</strong> deutschen<br />
Staatsoberhauptes gedacht 797 , konnte auch das Kriegsverbot der Völkerbundsatzung<br />
den Mangel an strafrechtlicher Bestimmtheit nicht beseitigen. 798 <strong>Die</strong> Völkerbundsatzung<br />
ächtete den Krieg, ohne ein ausdrückliches Kriegsverbot wie auch strafrechtliche<br />
Vorschriften gegen den Urheber eines Angriffskrieges zu etablieren. 799 Sämtliche, der<br />
Völkerbundsatzung folgende Versuche, eine rechtskräftige Normierung <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens<br />
zu erzielen, schlugen fehl. 800 So konnte auch dem Briand-Kellogg-<br />
Pakt aus dem Jahre 1928 expressiv verbis keine individuelle Strafbarkeit <strong>des</strong> Angriffskrieges<br />
entnommen werden.<br />
796 Wehberg, in: Festschrift für Rudolf Laun, 1953, 379 ff.; Schlepple, Das Verbrechen gegen den Frieden, 1983,<br />
13.<br />
797 Wehberg, in: FS für Rudolf Laun, 1953, 379 (382); Oehler, Internationales Strafrecht, 1983, § 61, Rn. 1009;<br />
Blumenwitz, in: FS für Friedrich-Wilhelm Krause, 1990, 79 (80).<br />
798 Kimminich/Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 7. Aufl., 2000, 50 f.; Paech/Stuby, Völkerrecht und Machtpolitik<br />
in den internationalen Beziehungen, 2001, A. III. 1.2., 159.<br />
799 Als einzige Bestimmung der Satzung, die eine Strafe vorsieht, ist Art. 16 IV zu nennen, wonach ein Mitglied<br />
wegen Verletzung <strong>von</strong> Vertragspflichten ausgeschlossen werden kann. Vgl. Paech/Stuby, Völkerrecht und<br />
Machtpolitik in den internationalen Beziehungen, 2001, A. III. 1.2., 168; Wehberg, in: FS für Rudolf Laun,<br />
1953, 379 (384).<br />
800 Paech/Stuby, Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen, 2001, A. III. 1.2., 166 ff. Für<br />
diese Periode besonders herauszuheben sei hier das Genfer Protokoll v. 02.10.1924 „zur friedlichen Regelung<br />
der internationalen Streitfälle“, welches erstmals den Angriffskrieg als „internationales Verbrechen“ bezeichnet.<br />
Auch enthielt es erstmalig eine nähere Definition der Acts of Aggression. Eine individuelle Strafbarkeit wegen<br />
der Vorbereitung oder Durchführung eines Angriffskrieges war aber in dem Protokoll nicht vorgesehen. Siehe<br />
hierzu Blumenwitz, in: FS für Friedrich-Wilhelm Krause, 1990, 79 (81); Schmitt (Hrsg.), Das internationale<br />
Verbrechen <strong>des</strong> Angriffskrieges, 1994, 33 ff.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 213<br />
Seine erstmalige rechtliche Normierung erhielt das Aggressionsverbrechen durch das<br />
Statut <strong>des</strong> Internationalen Militärtribunals <strong>von</strong> Nürnberg (IMT-Statut). 801 Art. 6 hält<br />
fest, dass die Planung, die Vorbereitung, die Einleitung und die Durchführung eines<br />
Angriffskrieges Verbrechen sind, welche unter die Zuständigkeit <strong>des</strong> Militärgerichtshofes<br />
fallen. Im IMT-Statut war dabei die Aggression nur als eine Unterkategorie <strong>des</strong><br />
Verbrechens gegen den Frieden gedacht. 802 Daher fehlte auch eine genaue Definition<br />
der Aggression; sie war im Verbund mit anderen untergeordneten spezifischen Verhaltensweisen,<br />
die allesamt zu einer Verurteilung aufgrund Verbrechen gegen den Frieden<br />
subsumiert werden konnten, unwesentlich. 803 Durch die Normierung <strong>des</strong><br />
Verbrechens gegen den Frieden begründeten die Siegermächte eine direkte Strafbarkeit<br />
nach Völkerrecht, wissend, mit dem strafrechtlichen Tatbestand der Vorbereitung<br />
und Führung eines Angriffskrieges erstmalig für Nürnberg einen Präzedenzfall geschaffen<br />
zu haben. 804 Während die Strafbarkeit <strong>von</strong> Kriegsverbrechen auf <strong>völkerrechtliche</strong>m<br />
Gewohnheitsrecht beruhte bzw. sich aus nationalen Strafrechten ergab 805 , ist<br />
mit dem IMT-Statut die Strafbarkeit <strong>des</strong> Angriffskrieges neu und mit rückwirkender<br />
Kraft eingeführt worden. 806 <strong>Die</strong>s widersprach offensichtlich dem Grundsatz nulla crimen,<br />
nulla poena sine lege; einem der Hauptkritikpunkte an den Nürnberger Prozessen.<br />
807 Sieht man einmal <strong>von</strong> der Verletzung <strong>des</strong> Rückwirkungsverbots bei der<br />
rechtlichen Bewertung <strong>des</strong> in Nürnberg geschaffenen Angriffstatbestan<strong>des</strong> ab, so lässt<br />
vor allem die fehlende Definition der Aggression im IMT-Statut eine umfassende,<br />
neues Völkerstrafrecht setzende Wirksamkeit <strong>des</strong> Tatbestan<strong>des</strong> <strong>des</strong> Verbrechens gegen<br />
den Frieden bezweifeln. 808 Angesichts der sich daraus ergebenen hochgradigen Unbestimmtheit<br />
<strong>des</strong> Begriffs <strong>des</strong> Angriffskrieges ist in der juristischen Auseinandersetzung<br />
801 Ausführlich zu den Nürnberger und Tokioter Urteilen bezüglich <strong>des</strong> Verbrechens gegen den Frieden s. Historical<br />
review of developments relating aggression, prepared by the Secretariat, UN Doc.<br />
PCNICC/2002/WGCA/L.1 v. 21.01.2002.<br />
802 Anklagepunkt 1 der in Nürnberg verlesenen Anklageschrift beschäftigte sich mit dem „gemeinsamen Plan<br />
oder Verschwörung“ bezüglich <strong>des</strong> Verbrechens gegen den Frieden. Dazu Hummrich, Der <strong>völkerrechtliche</strong><br />
Straftatbestand der Aggression, 2001, 58.<br />
803 Gaja, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 428.<br />
804 Paech/Stuby, Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen, 2001, B. I. 8.2., 416; Oehler,<br />
Internationales Strafrecht, 1983, § 61, Rn. 1010; Bassiouni (Hrsg.), International Criminal Law, 1999, Vol. 1,<br />
320.<br />
805 Paech/Stuby, Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen, 2001, B. I. 8.2., 416; Oehler,<br />
Internationales Strafrecht, 1983, 621 ff.<br />
806 Jescheck/Weigend, Lehrbuch <strong>des</strong> Strafrechts, AT, 1996, § 14 II 2.<br />
807 Blanke/Molitor, AVR 2001, 142 (143); Paech/Stuby, Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen,<br />
2001, B. I. 8.2. 416; Oehler, Internationales Strafrecht, 1983, § 61 III, Rn. 1010; Dahm, Zur Problematik<br />
<strong>des</strong> Völkerstrafrechts, 1956, 56 ff.; Schmitt (Hrsg.), Das internationale Verbrechen <strong>des</strong> Angriffskrieges,<br />
1994, 17 ff., 79 f.; Hoffmann, Strafrechtliche Verantwortung im Völkerecht, 1962, 92; Bergengruen, NJW 1984,<br />
1084 (1085); Ambos, StV 1997, 39 (40); Bassiouni, in: Hankel/Stuby (Hrsg), Strafgerichte gegen Menschheitsverbrechen,<br />
1995, 21; auf ähnliche rechtliche Problematik näher eingehend für das Tokio-Tribunal vgl. Ipsen, in:<br />
FS für <strong>Die</strong>trich Oehler, 1985, 505 (509).<br />
808 Kranzbühler, in: FS für Erich Kaufmann, 1950, 219 (226); Blumenwitz, in: FS für Friedrich-Wilhelm Krause,<br />
1990, 79 (86); Finch, AJIL 1947, 20 (36).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 214<br />
die Frage, ob das Nürnberger Statut in der Lage war, das Aggressionsverbrechen rechtlich<br />
bindend und strafsanktionierend zu normieren, eher zu verneinen. 809<br />
Unabhängig vom Vorliegen eines klar umrissenen Tatbestan<strong>des</strong> der Aggression hat die<br />
Rechtsprechung <strong>des</strong> IMT in einigen ihrer Passagen erstmalig darauf hingewiesen, dass<br />
terroristische Verhaltensweisen als Delikt <strong>des</strong> Verbrechens gegen den Frieden eingeordnet<br />
werden können. So hat der Gerichtshof vereinzelt auf terroristische Methoden<br />
als Werkzeug zur Verfolgung einer aggressiven Politik hingewiesen. 810 Das Tribunal<br />
ordnete die Benutzung terroristischer Methoden ausdrücklich als staatliches Machtinstrument<br />
ein; Terrorhandlungen nicht-staatlicher Akteure als Delikte gegen den Frieden<br />
wurden hingegen nicht erfasst.<br />
bb) Entwicklung nach Gründung der Vereinten Nationen<br />
(1) Kodifikationsbemühungen der UN<br />
Nach Nürnberg war es für eine klare Rechtslage und künftige kompetente juristische<br />
Behandlung <strong>des</strong> Gedankens einer internationalen strafrechtlichen Verantwortlichkeit<br />
wegen der Vorbereitung und Führung eines Angriffskrieges notwendig, derartige Ansätze<br />
für einen <strong>völkerrechtliche</strong>n Straftatbestand nach Nürnberg in zwingen<strong>des</strong> Völkerrecht<br />
zu überführen. <strong>Die</strong> Generalversammlung der Vereinten Nationen nahm sich<br />
dieser Aufgabe an und bestätigte in zwei Entschließungen vom 11. Dezember 1946<br />
und vom 21. November 1947 die Principles of International Law, welche in der London<br />
Charta und dem Urteil <strong>des</strong> Nürnberger Tribunals anerkannt worden waren. 811 <strong>Die</strong><br />
dort formulierten Tatbestände und Grundsätze wurden durch die Festschreibung in den<br />
beiden Resolutionen <strong>von</strong> der Völkergemeinschaft förmlich gebilligt und dokumentierten<br />
die nach dem Ende <strong>des</strong> Zweiten Weltkrieges wohl vorherrschende opinio iuris der<br />
Staaten. 812 Das Strafrecht <strong>des</strong> Nürnberger Statuts war damit aber noch nicht allgemein<br />
verbindlich geworden 813 . Da es sich bei den Entschließungen der Generalversammlung<br />
rechtlich um nicht verbindliche Prinzipienerklärungen handelt, vermochte es die Staa-<br />
809 Selbige Unsicherheit bezüglich <strong>des</strong> Tatbestan<strong>des</strong> „Verbrechen gegen den Frieden“ schien den Alliierten wohl<br />
auch bewusst gewesen zu sein, da sie in Nürnberg und Tokio keinen Angeklagten ausschließlich wegen der<br />
Verwirklichung dieses Tatbestan<strong>des</strong> zum Tode verurteilten. Das Tribunal befand, dass nur einige wenige, die <strong>des</strong><br />
Verbrechens gegen den Frieden angeklagt waren, auch wirklich eine aktive Rolle in der Planung, Vorbereitung,<br />
Einleitung und der Durchführung eines Angriffskrieges gespielt hatten, die es wert war, daran individuelle strafrechtliche<br />
Verantwortung zu knüpfen. Für andere Fälle berief sich das Tribunal auf einen Mangel an Beweisen.<br />
Dazu Oehler, Internationales Strafrecht, 1983, § 61 III, Rn. 1010; Gaja, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-<br />
Commentary, 2002, Vol. 1, 429.<br />
810 S. die eindrückliche Recherche und die Nachweise bei Arnold, The ICC as a New Instrument for Repressing<br />
Terrorism, 2004, 313 ff.<br />
811 Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., 2004, § 42, Rn. 28; Blanke/Molitor, AVR 2001, 142 (143).<br />
812 Blumenwitz, in: FS für Friedrich-Wilhelm Krause, 1990, 79 (85); ICJ-Reports 1986, 13 (100).<br />
813 Hoffmann, Strafrechtliche Verantwortung im Völkerrecht, 1962, 94; Frowein, ZaöRV 1976, 147 (149).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 215<br />
tengemeinschaft nicht, kodifiziertes Völkerrecht zu setzen.<br />
Mit der Resolution vom 21. November 1947 hatte die Vollversammlung der neu geschaffenen<br />
Völkerrechtskommission (ILC) den Auftrag erteilt, einen Strafrechtsentwurf<br />
über Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit zu<br />
formulieren; diese legte der Generalversammlung im Jahre 1950 sieben sog. Nürnberger<br />
Prinzipien vor. 814 Hier ist neben der strafrechtlichen Verantwortlichkeit <strong>von</strong> Einzelpersonen<br />
nach Völkerrecht auch das Verbrechen gegen den Frieden aufgenommen<br />
worden. 815<br />
(2) <strong>Die</strong> „Aggressionsdefinition“ <strong>von</strong> 1974<br />
Doch erst mit der Resolution 3314 vom 14. Dezember 1974 kam die UN-<br />
Generalversammlung zu einem greifbaren Ergebnis; sie genehmigte die Definition <strong>des</strong><br />
„Angriffes“. 816 Damit schien ein Kapitel abgeschlossen, welches fünfzig Jahre zuvor<br />
im Völkerbund - allerdings ohne Erfolg - aufgenommen worden war, nämlich ein Einvernehmen<br />
unter den Mitgliedstaaten über den Begriff der Aggression zu erzielen. 817<br />
Mochte der Abschluss der Resolution einen <strong>von</strong> der Staatengemeinschaft lang ersehnten<br />
Erfolg darstellen, so schien die Wirkung der Aggressionsdefinition auf das Strafrecht<br />
dennoch als wenig ergiebig. 818<br />
Als bedeutend herauszustellen ist, dass in der Resolution 3314 erstmalig explizit erkennbar<br />
zwischen dem Begriff der Angriffshandlung (act of aggression) und dem <strong>des</strong><br />
Angriffskrieges (war of aggression) unterschieden wird. Während frühere Begriffsbestimmungen<br />
bemüht waren, die Aggression generell zu definieren oder nur ausdrücklich<br />
den Angriffskrieg als solches zu ächten, ohne niedere Aggressionsakte mit<br />
einzubeziehen, geschweige denn zu präzisieren, wurde mit der 1974 verabschiedeten<br />
Aggressionsdefinition der Versuch unternommen, eine genauere Begriffsbestimmung<br />
mit sich daraus ergebenen Rechtsfolgen zu entwickeln.<br />
Gemäß Art. 1 dieser Definition ist Aggression die Anwendung <strong>von</strong> Waffengewalt<br />
durch einen Staat gegen die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit oder politische<br />
Unabhängigkeit eines anderen Staates oder auf eine andere mit der Charta der<br />
814 Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., 2004, § 42, Rn. 28; YBILC (1950), Vol. II, 374.<br />
815 <strong>Die</strong> Definition <strong>des</strong> Verbrechens gegen den Frieden erfolgte in nahezu wörtlicher Übereinstimmung mit<br />
Art. 61 <strong>des</strong> IMT-Statuts. Vgl. Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., 2004, § 42, Rn. 28.<br />
816 Resolution 3314 (XXIX) der UN-Generalversammlung v. 14.12.1974, UN Doc. A/9631, 148 ff.; Text abgedruckt<br />
in: Müller/Wildhaber, Praxis <strong>des</strong> Völkerrechts, 1982, 491.<br />
817 Meier, AVR 1974/75, 375 (375); Stahn, ZaöRV 2002, 183 (249).<br />
818 Jescheck, GA 1981, 49 (54); Oehler, Internationales Strafrecht, 1983, § 61 IV, Rn. 1011; Hummrich, Der<br />
<strong>völkerrechtliche</strong> Straftatbestand der Aggression, 2001, 70.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 216<br />
Vereinten Nationen nicht vereinbare Art und Weise. <strong>Die</strong> Verletzung der in<br />
Art. 1 beschriebenen Schutzobjekte kann im Wesentlichen durch den Einsatz der bewaffneten<br />
Streitmacht (Invasion, Angriff, Bombardierung, Blockade), aber auch durch<br />
Partisanen (Art. 3 a-g) geschehen. In jener Aufzählung <strong>von</strong> genauer bezeichneten militärischen<br />
Handlungen und der verbindlichen Einordnung unter den Begriff der Aggression<br />
wird der eigentliche Erfolg der Resolution gesehen. 819 <strong>Die</strong> definitorische<br />
Kraft der Aufzählung der Aggressionshandlungen in Art. 3 der Resolution wird allerdings<br />
durch Art. 3 Abs. 1 insofern relativiert, als das hiernach der UN-Sicherheitsrat<br />
trotz Vorliegens einer der Fälle <strong>des</strong> Art. 3 das Vorliegen einer Angriffshandlung mit<br />
Rücksicht auf bedeutende Umstände (Art. 2) verneinen, wie auch in Fällen, die in Art.<br />
3 nicht vorgesehen sind, eine Angriffshandlung annehmen kann (Art. 4). <strong>Die</strong>se Bestimmungen<br />
räumen dem Sicherheitsrat ein Ermessen ein, was im Hinblick auf eine<br />
Pönalisierung der Aggression rechtlich zweifelhaft erscheint. Konnte man angesichts<br />
der Beschreibung der verschiedenen Merkmale <strong>des</strong> Angriffs in dieser Resolution sowie<br />
deren prinzipieller Ausnahmen (Art. 7) zumin<strong>des</strong>t theoretisch <strong>von</strong> einem Tatbestand<br />
<strong>des</strong> <strong>völkerrechtliche</strong>n Verbrechens gegen den Frieden zu sprechen wagen, so<br />
macht gerade Art. 4 dieses zunichte. Aus Art. 4 wird ersichtlich, dass die Resolution<br />
sich nicht eindeutig auf das Völkerstrafrecht bezieht, sondern allein auf Art. 39 UN-<br />
Charta. 820 Zwar fixiert die Resolution wesentliche Merkmale eines <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Delikttatbestan<strong>des</strong>, sie ermächtigt aber zugleich das Exekutivorgan der Vereinten Nationen<br />
zur Erweiterung der Tatbestandsmerkmale anhand eines konkreten Falles. <strong>Die</strong>s<br />
räumt dem Sicherheitsrat einen Beurteilungsspielraum ein und verleiht dem Begriff<br />
der Aggression eine mangelnde terminologische Schärfe. Da nicht festgelegte Tatbestandsmerkmale<br />
die ausschließliche Grundlage für eine Entscheidung, ob eine Aggression<br />
vorliegt oder nicht, bilden, ist die Frage, ob die Begriffsbestimmung der<br />
Aggressionshandlungen die rechtsstaatliche Forderung nach Bestimmtheit der gesetzlichen<br />
Grundlage erfüllen, daher zu verneinen.<br />
Art. 5 der Resolution 3314 ächtet den Aggressionskrieg. Der Aggressionskrieg wird<br />
hier als <strong>völkerrechtliche</strong>s Verbrechen normiert, der eine internationale Verantwortung<br />
nach sich zieht. 821 Mit dieser eigenen Fixierung wird der Angriffskrieg als direkt nach<br />
Völkerrecht strafbarer Akt <strong>von</strong> dem allgemeinen Begriff der Angriffshandlung heraus-<br />
819 Meier, AVR 1974/75, 375 (381); Hummrich, Der <strong>völkerrechtliche</strong> Straftatbestand der Aggression, 2001, 70.<br />
820 Schmitt/Quaritsch, Das internationalrechtliche Verbrechen <strong>des</strong> Angriffskrieges, 1994, 193; Jescheck, GA<br />
1981, 49 (54); Meier, AVR 1974/75, 375 (376); Randelzhofer, in: Simma (Hrsg.), UN-Charta, 1991, Art. 2,<br />
Ziff. 4, Rn. 19.<br />
821 <strong>Die</strong>s erfolgte in Übereinstimmung mit der „Friendly Relations-Declaration“ v. 24.10.1970, UN-Resolution<br />
2625 (XXV), die u. a. die Drohung oder Anwendung <strong>von</strong> Gewalt in den zwischenstaatlichen Beziehungen als<br />
Verletzung <strong>des</strong> Völkerrechts deklarierte und feststellt: „Ein Angriffskrieg stellt ein Verbrechen gegen den Frieden<br />
dar, das die <strong>völkerrechtliche</strong> Verantwortlichkeit auslöst.“; Text abgedruckt in: Müller/Wildhaber, Praxis <strong>des</strong><br />
Völkerrechts, 1982, 493.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 217<br />
gehoben. 822 Wie allerdings die Grenze zwischen beiden Begriffen zu ziehen ist, bleibt<br />
unklar. Im Hinblick auf die in der Resolution aufgeführten Angriffshandlungen soll es<br />
sich bei einem Angriffskrieg offensichtlich um solche schwererer und umfassenderer<br />
Art handeln. 823 Doch mangelt es dem Begriff <strong>des</strong> Angriffskrieges hierdurch an inhaltlicher<br />
Schärfe. Durch die Bezeichnung Angriffskrieg wird neben dem „einfachen“<br />
Aggressionsakt nicht nur ein weiterer Begriff in die Definition eingefügt, sondern auch<br />
darauf verzichtet, diesen näher zu definieren. 824 Rechtlich ergeben sich somit Bedenken,<br />
zumal sich an das Verbrechen <strong>des</strong> Angriffskrieges gemäß Art. 5 die internationale<br />
Verantwortung knüpft. Ob die internationale Verantwortung die staatliche oder die individuelle<br />
Verantwortlichkeit anspricht, ist ebenso wenig geklärt wie auch die sich<br />
daraus ergebenden Sanktionen. 825 Für die strafrechtliche <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> Angriffskrieges<br />
kann daher auch die Bestimmung <strong>des</strong> Art. 5 wenig überzeugen. Der Befund<br />
eines völkerstrafrechtlichen Gehalts in Art. 5 Abs. 2 der Resolution 3314 darf<br />
keineswegs mit dem Vorhandensein eines neuen <strong>völkerrechtliche</strong>n Straftatbestan<strong>des</strong><br />
gleichgesetzt werden. 826<br />
Zur Unsicherheit <strong>des</strong> Tatbestan<strong>des</strong> kommt die Unklarheit der Einschränkung der Aggression<br />
hinzu, welche in Art. 7 der Resolution festgelegt ist. Art. 7 stellt als Ausnahme<br />
vom Verbot der Aggression und <strong>des</strong> Angriffskrieges ein spezielles ius ad bellum<br />
fest, nämlich das Recht der Völker auf Selbstbestimmung, Freiheit und Unabhängigkeit.<br />
Des Weiteren darf das Aggressionsverbot ebenso wenig dem Kampf der Völker<br />
„unter Kolonial- und Rassenherrschaft oder anderen Formen der Fremdherrschaft“<br />
entgegenstehen. Ob ein Gericht bei einer derartigen Umdeutung <strong>des</strong> Begriffs <strong>des</strong> Angreifenden<br />
zu einer gesicherten Rechtsfeststellung gelangen kann, erscheint fraglich. 827<br />
Es ist daher festzuhalten, dass dem Aggressionsverbrechen durch die „Angriffsdefinition“<br />
<strong>von</strong> 1974 entscheidende Konturen verliehen wurden, ein <strong>völkerrechtliche</strong>r Straftatbestand<br />
der Aggression wurde aufgrund <strong>von</strong> Unbestimmtheit und Mangel an<br />
Verbindlichkeit jedoch nicht geschaffen. Anhaltspunkte für die Aufnahme <strong>von</strong> <strong>Akten</strong><br />
<strong>des</strong> Terrorismus als Tatbestandsausgestaltung der Aggression hält Resolution 3314<br />
ausdrücklich nicht bereit.<br />
822 Jescheck, GA 1981, 49 (54).<br />
823 Oehler, Internationales Strafrecht, 1983, § 61, Rn. 1011.<br />
824 Bruha, <strong>Die</strong> Definition der Aggression, 1980, 127.<br />
825 Blumenwitz, in: FS für Friedrich-Wilhelm Krause, 1990, 79 (89).<br />
826 Hummrich, Der <strong>völkerrechtliche</strong> Straftatbestand der Aggression, 2001, 77.<br />
827 Der Rechtfertigung für gewaltsame Eingriffe ausländischer Staaten wären kaum Grenzen gesetzt, als auch<br />
kriegführende Parteien die Rechtmässigkeit ihres Handelns mit dem weit reichenden Recht auf Selbstbestimmung<br />
begründen würden.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 218<br />
(3) Der ILC-Entwurf <strong>von</strong> 1991<br />
<strong>Die</strong> seit 1954 ruhenden Arbeiten an einer Definition eines Aggressionstatbestan<strong>des</strong><br />
und der Kodifikation <strong>des</strong> Völkerstrafrechts wurden <strong>von</strong> der ILC Anfang der 80er Jahre<br />
weitergeführt. 1981 wurde die Kommission mit der Aufgabe der Neufassung <strong>des</strong> Draft<br />
Code of Crimes against Peace and Security of Mankind betraut, deren Bericht sie im<br />
Jahre 1991 vorlegte. 828 In diesem wird die Aggression als Verbrechen aufgelistet 829<br />
sowie die Androhung einer Aggression als eigenständiger Tatbestand unter Strafe gestellt.<br />
830 Der 1991 Draft Code übernimmt in seinem Art. 15 die gesamte Definition <strong>des</strong><br />
Angriffs aus der Aggressionsdefinition <strong>von</strong> 1974, ohne hierbei zwischen war of aggression<br />
und act of aggression zu unterscheiden. In dieser Kodexfassung bleiben Einzelprobleme<br />
weiter ungelöst, so dass der Entwurf noch nicht den Anforderungen<br />
entspricht, die an ein Strafgesetz zu stellen sind. <strong>Die</strong> Strafdrohungen bleiben offen, das<br />
Delikt der Aggression wird nicht konkret beschrieben und es wird nur eine staatliche<br />
Verantwortlichkeit etabliert. Des Weiteren eröffnet der Entwurf dem Sicherheitsrat ein<br />
Ermessen bei der Tatbestandsfeststellung.<br />
(4) Der ILC-Entwurf <strong>von</strong> 1996<br />
<strong>Die</strong> Weite der Aggressionsfassung <strong>des</strong> 1991 Draft Code konnte in Anbetracht der<br />
Notwendigkeit der Erreichung eines Konsenses innerhalb der Staatengemeinschaft ü-<br />
ber die Strafbarkeit <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens keinen Bestand haben. <strong>Die</strong> überarbeitete<br />
Fassung aus dem Jahre 1996 weist daher eine reduzierte Formulierung auf, indem<br />
der Straftatbestand, kodifiziert in Art. 16 <strong>des</strong> Entwurfs, nun wieder engen Bezug auf<br />
Art. 6 (a) IMT-Statut nimmt:<br />
„Art. 16 - Crime of Aggression<br />
An individual who, as a leader or organizer, actively participates in or orders the planning,<br />
preparation, initiation or waging of aggression committed by a State shall be responsible<br />
for a crime of aggression.“<br />
Eine Definition der Aggression wird in Art. 16 <strong>des</strong> Entwurfs nicht mehr durch den<br />
Tatbestand selbst geleistet, wie dies beim ILC-Entwurf <strong>von</strong> 1991 noch der Fall war.<br />
Dennoch kommt Art. 16 eine gewichtige Bedeutung zu, da die Norm nicht mehr nur<br />
828 Blanke/Molitor, AVR 2001, 142 (144 ff.); Jescheck/Weigend, Lehrbuch <strong>des</strong> Strafrechts, AT, 1996, § 14 II 4;<br />
Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., 2004, § 42, Rn. 28; Schmitt/Quaritsch, Das internationalrechtliche<br />
Verbrechen <strong>des</strong> Angriffskrieges, 1994, 196.<br />
829 Art. 15 <strong>des</strong> Entwurfs, welcher sich auf die Bestimmungen der Aggressionsdefinition <strong>von</strong> 1974 stützt. Vgl.<br />
Reichart, ZRP 1996, 134 (136); Tomuschat, in: Hankel/Stuby (Hrsg.), Strafgerichte gegen Menschheitsverbrechen,<br />
1995, 270 (278).<br />
830 Art. 16 <strong>des</strong> Entwurfs; Text abgedruckt in: Bassiouni (Hrsg.), International Criminal Law, 1999, Vol. 1, 342;<br />
Tomuschat, in: Hankel/Stuby (Hrsg.), Strafgerichte gegen Menschheitsverbrechen, 1995, 270 (279).
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 219<br />
auf die staatliche Verantwortlichkeit, sondern nunmehr auf die strafrechtliche Verantwortung<br />
<strong>von</strong> Individuen abstellt. Art. 16 bestimmt, dass nur diejenigen Individuen zur<br />
Verantwortung zu ziehen sind, die einen aktiven und führenden Anteil an staatlicher<br />
Aggression geleistet haben. 831 Kriminelles Verhalten Einzelner unterhalb dieser<br />
Schwelle der strafbaren „Aggressionsbeteiligung“ wird somit nicht erfasst, ebenso wenig<br />
wie das Verhalten Privater in nicht-staatlicher Funktion. <strong>Die</strong> staatliche Anbindung<br />
stellt sich damit als conditio sine qua non für die Zuweisung individueller strafrechtlicher<br />
Verantwortung dar. 832 Für die Interpretation <strong>von</strong> privaten, staatlich unabhängigen<br />
<strong>Akten</strong> als Verbrechen der Aggression - mit oder ohne terroristischen Konnex - bleibt<br />
damit im Rahmen <strong>des</strong> 1996 Draft Code kein Raum.<br />
Während die Staaten durch den 1996 Draft Code verpflichtet sind, über die anderen im<br />
Code normierten Kernverbrechen nationale Jurisdiktion auszuüben, wird dies allerdings<br />
für das Aggressionsverbrechen durch Art. 8 <strong>des</strong> Draft Code explizit ausgeschlossen.<br />
Der Aggression bleibt allein ein internationales Gericht als angemessener<br />
Ort der Strafverfolgung vorbehalten. 833 Ein Staat kann zwar seine eigenen Staatsbürger<br />
wegen <strong>des</strong> Verbrechens der Aggression bestrafen, ein Zugriff auf ausländische Aggressoren<br />
bleibt der nationalen Jurisdiktion aber verwehrt. Praktisch verspricht der<br />
Entwurf <strong>von</strong> 1996 damit wenig: Weder ist die Aggression definiert noch ist eine entsprechende<br />
Plattform vorhanden, Einzelpersonen für ihr aggressives Verhalten gegen<br />
einen anderen Staat zu bestrafen. Jedoch wird aus den Kodifikationsbemühungen der<br />
ILC nun ersichtlich, dass die Staatengemeinschaft an einer <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens<br />
interessiert ist.<br />
cc) Der Aggressionstatbestand in den Verhandlungen zum IStGH-Statut<br />
<strong>Die</strong> Unstimmigkeiten der internationalen Staatengemeinschaft über Inhalt, Geltung<br />
und Zweckdienlichkeit eines Aggressionstatbestan<strong>des</strong> setzten sich in den Verhandlungen<br />
zum Rom-Statut fort. Auch trug die umstrittene Frage der Vorrangstellung <strong>des</strong><br />
UN-Sicherheitsrates bei der Feststellung einer Aggression zum Konfliktpotential unter<br />
den Staaten bei. <strong>Die</strong> Verhandlungen in Rom waren geprägt durch den Gegensatz der<br />
831 Vgl. Commentary to Art. 16 Draft Code: „A State can committ aggression only with the active participation<br />
of the individuals who have the necessary authority or power to plan, prepare, initiate or wage aggression.“<br />
S. 1996 ILC Report, 6 May - 26 July 1996, UNGAOR, 51 st Sess.Supp. No. 10, UN Doc.A/51/10, S. 15; Stahn,<br />
ZaöRV 2002, 183 (250).<br />
832 Arnold, The ICC as a New Instrument for Repressing Terrorism, 2004, 311.<br />
833 Art. 8 <strong>des</strong> Draft Code: „Without prejudice to the jurisdiction of an International Criminal Court, each State<br />
Party shall take such measures as may be necessary to establish its jurisdiction over the crimes set out in articles<br />
17, 18, 19 and 20, irrespective of where or by whom those crimes were committed. Jurisdiction over the crime<br />
set out in article 16 shall rest with an international criminal court. However, a State referred to in article 16 is not<br />
precluded from trying its nationals for the crime set out in that article.”.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 220<br />
den Strafgerichtshof befürwortenden „gleichgesinnten“ Staaten 834 und jenen Staaten,<br />
die primär um ihre Souveränität besorgt waren: 835<br />
„When the plenipotentiary negotiating session began in Rome in the summer of 1998,<br />
most States, including the European Union and about 30 States united in the Non-<br />
Aligned Movement, insisted that without the inclusion of aggression as a crime they<br />
would be unable to support the new court. Many Arab States wanted the [UN General<br />
Assembly Resolution of 14 th December 1974 on the Definition of Aggression] consensus<br />
definition, with possibly some improvements in their favour, included in the ICC-<br />
Statute. Germany´s delegate Dr. Hans-Peter Kaul, pressed various compromise solutions.<br />
India and Pakistan, busy testing new nuclear weapons, were not inclined to subject<br />
themselves to possible charges of aggression. China stressed the protection of<br />
national sovereignty. The US, mindful of military and political considerations, remained<br />
aloof on the question of including aggression and insisted on preserving the<br />
Security Council´s veto rights as guaranteed by the UN Charter. A host of real or politically<br />
motivated concerns about including aggression that had been voiced during<br />
earlier meetings remained unaltered. There was simply not enough time in Rome to<br />
reach agreement on these severe questions. In the end, the agile and adroit Chairman<br />
Philippe Kirsch of Canada found the only compromise possible – the resolution of differences<br />
was postponed to a later date.“. 836<br />
<strong>Die</strong> Mehrheit der Staaten befürwortete schließlich die Aufnahme der Aggression in<br />
das IStGH-Statut. Es wurde ein Kompromiss ausgehandelt, nach dem die Aggression<br />
als <strong>völkerrechtliche</strong>s Verbrechen im Statut etabliert wurde, die Strafgewalt diesbezüglich<br />
aber erst ausgeübt werden kann, wenn eine Definition der Aggression erarbeitet<br />
ist. Nach dem Mechanismus <strong>des</strong> Statuts hat sich die Annahme der Aggressionsdefinition<br />
nach Art. 121 und Art. 123 zu richten. Art. 123 Abs. 1 IStGH-Statut bestimmt,<br />
dass sieben Jahre nach Inkrafttreten <strong>des</strong> Statuts eine Revisionskonferenz einberufen<br />
wird, die sich mit Änderungen <strong>des</strong> Statuts befasst. Für eine Änderung bedarf es nach<br />
Art. 121 Abs. 4 IStGH-Statut einer 7/8-Mehrheit der Mitgliedstaaten. Gemäß Art. 121<br />
Abs. 1 und Abs. 5 ISTGH-Statut wird der Gerichtshof bezüglich jener Vertragsstaaten,<br />
die das ausgehandelte Ergebnis nicht annehmen, keine Gerichtsbarkeit ausüben. 837<br />
834 <strong>Die</strong>se aus etwa 50 bis 60 Staaten bestehende „like-minded group“ setzte sich vor allem aus mittelgroßen<br />
Mächten und Staaten der Dritten Welt zusammen, inklusive Großbritannien.<br />
835 <strong>Die</strong>se Gruppe wurde dominiert durch die ständigen Mitglieder <strong>des</strong> UN-Sicherheitsrates mit Ausnahme Großbritanniens.<br />
Zum Verhandlungsprozess s. Kirsch/Holmes, AJIL 1999, 2 ff.; Roggemann, Das Statut <strong>von</strong> Rom für<br />
den Ständigen Internationalen Strafgerichtshof (ICC): mit einer Einführung, 1998, 7 ff; Hummrich, Der <strong>völkerrechtliche</strong><br />
Straftatbestand der Aggression, 2001, 165 ff; Roberts, Am. U. Int´l L. Rev. 2001, 35 ff.<br />
836 Ferencz, Pace Int’l L. R. 1999, 310 f.; Fundstelle bei: Arnold, The ICC as a New Instrument for Repressing<br />
Terrorism, 2004, 319, die ebenfalls Bezug auf diese Textpassage nimmt. Zur Zusammenfassung der Verhandlungen<br />
s. auch Hummrich, Der <strong>völkerrechtliche</strong> Straftatbestand der Aggression, 2001, 165 ff.<br />
837 Näher dazu Schabas, Introduction ICC, 2001, 161 f.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 221<br />
Damit ergibt sich, dass der neu geschaffene IStGH das Verbrechen der Aggression in<br />
sein Statut mit aufgenommen hat, doch kann es erst zukünftig zu einer Strafbarkeit<br />
kommen; nämlich erst dann, wenn der Tatbestand inhaltlich definiert ist. <strong>Die</strong>s ist frühestens<br />
im Jahre 2009 der Fall. <strong>Die</strong> Euphorie über die erstmalige vertragliche Fixierung<br />
der Aggression seit Nürnberg ist angesichts der Aufschiebung der Strafgewalt<br />
über diesen Tatbestand nur bedingt zu teilen. Vor dem Hintergrund der weiter umstrittenen<br />
Fragen der inhaltlichen Ausgestaltung <strong>des</strong> Aggressionstatbestan<strong>des</strong>, dem ungeklärten<br />
Verhältnis zwischen dem Strafgerichtshof und dem UN-Sicherheitsrat bei der<br />
Feststellung einer Aggression sowie der Tatsache, dass die Aufnahme <strong>des</strong> Aggressionstatbestan<strong>des</strong><br />
in dem langwierigen und umständlichen Statutänderungsverfahren zu<br />
verabschieden ist, ist fraglich, ob die <strong>völkerrechtliche</strong> <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens<br />
tatsächlich in greifbare Nähe gerückt ist. <strong>Die</strong> unbestreitbare Notwendigkeit<br />
einer möglichst zügigen Einigung über die Definition der Aggression ist<br />
offensichtlich, da ansonsten der Weg zu einer Bestrafung der Aggression auf unabsehbare<br />
Zeit versperrt bleibt. 838<br />
dd) Draft Resolution of the Assembly of States Parties on the Continuity of<br />
Work in Respect of the Crime of Aggression<br />
In den Verhandlungen vor, während und nach der Staatenkonferenz <strong>von</strong> Rom ist die<br />
Frage der Aufnahme <strong>von</strong> Terrorakten als eine mögliche Deliktsform der Aggression<br />
weder im Allgemeinen noch im Besonderen verhandelt worden. Einziger inhaltlicher<br />
Bezugspunkt ist damit der letzte Entwurf der Vorbereitungskommission über die Definition<br />
<strong>des</strong> Aggressionsverbrechens, welcher der Staatenkonferenz im Rahmen eines<br />
Abschlussberichts im Juli 2002 vorgelegt wurde. 839 <strong>Die</strong> Staatenkonferenz hat diesen<br />
Entwurf als Draft Resolution of the Assembly of States Parties on the Continuity of<br />
Work in Respect of the Crime of Aggression übernommen und ihn zum Ausgangspunkt<br />
ihrer Arbeit für die Überprüfungskonferenz gemacht. Der Diskussionsentwurf beinhaltet<br />
sowohl die Ausformulierung einer Aggressionsdefinition als auch die entsprechenden<br />
Verbrechenselemente und fasst die bislang zur Aggression vorgebrachten<br />
Entwürfe zusammen.<br />
(1) Definitionsvorschlag <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens<br />
In einem ersten Teil beinhaltet der Entwurf eine Definition <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens<br />
sowie Bestimmungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit. Der Entwurf hält<br />
fest, dass:<br />
838 Hummrich, Der <strong>völkerrechtliche</strong> Straftatbestand der Aggression, 2001, 90.<br />
839 Report of the Preparatory Commission for the International Criminal Court (continued), Addendum, Part II,<br />
Proposals for a provision on the crime of aggression, Discussion Paper proposed by the Coordinator , UN Doc.<br />
PCNICC/2002/2/Add.2 v. 24.07.2002, 3 ff.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 222<br />
„1. For the purpose of the present Statute, a person commits a “crime of aggression”<br />
when, being in a position effectively to exercise control over or to direct the political or<br />
military action of a State, that person intentionally and knowingly orders or participates<br />
actively in the planning, preparation, initiation or execution of an act of aggression<br />
which, by its character, gravity and scale, constitutes a flagrant violation of the Charter<br />
of the United Nations.<br />
Option 1: Add “such as, in particular, a war of aggression or an act which has the<br />
object or result of establishing a military occupation of, or annexing, the territory of<br />
another State or part thereof”.<br />
Option 2: Add “and amounts to a war of aggression or constitutes an act which has<br />
the object or the result of establishing a military occupation of, or annexing, the territory<br />
of another State or part thereof”.<br />
Option 3: Neither of the above.<br />
2. For the purpose of paragraph 1, “act of aggression” means an act referred to in United<br />
Nations General Assembly resolution 3314 (XXIX) of 14 December 1974, which is determined<br />
to have been committed by the State concerned,<br />
Option 1: Add “in accordance with paragraphs 4 and 5”.<br />
Option 2: Add “subject to a prior determination by the Security Council of the<br />
United Nations”.<br />
3. The provisions of articles 25, paragraphs 3, 28 and 33 of the Statute do not apply to<br />
the crime of aggression.<br />
4. Where the Prosecutor intends to proceed with an investigation in respect of a crime of<br />
aggression, the Court shall first ascertain whether the Security Council has made a determination<br />
of an act of aggression committed by the State concerned. If no Security<br />
Council determination exists, the Court shall notify the Security Council of the situation<br />
before the Court so that the Security Council may take action, as appropriate:<br />
Option 1: under Article 39 of the Charter of the United Nations.<br />
Option 2: in accordance with the relevant provisions of the Charter of the United<br />
Nations.<br />
5. Where the Security Council does not make a determination as to the existence of an<br />
act of aggression by a State:
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 223<br />
Variant ( a ) or invoke article 16 of the Statute within six months from the date of<br />
notification.<br />
Variant ( b ) [Remove variant a.]<br />
Option 1: the Court may proceed with the case.<br />
Option 2: the Court shall dismiss the case.<br />
Option 3: the Court shall, with due regard to the provisions of Articles 12, 14 and<br />
24 of the Charter, request the General Assembly of the United Nations to make a<br />
recommendation within [12] months. In the absence of such a recommendation, the<br />
Court may proceed with the case.<br />
Option 4: the Court may request<br />
Variant ( a ) the General Assembly<br />
Variant ( b ) the Security Council, acting on the vote of any nine members,<br />
to seek an advisory opinion from the International Court of Justice, in accordance<br />
with Article 96 of the Charter and Article 65 of the Statute of the International<br />
Court, on the legal question of whether or not an act of aggression has been committed<br />
by the State concerned. The Court may proceed with the case if the International<br />
Court of Justice gives an advisory opinion that an act of aggression has been committed<br />
by the State concerned.<br />
Option 5: the Court may proceed if it ascertains that the International Court of Justice<br />
has made a finding in proceedings brought under Chapter II of its Statute that an<br />
act of aggression has been committed by the State concerned.<br />
(2) Verbrechenselemente<br />
In Ergänzung <strong>des</strong> Aggressionstatbestan<strong>des</strong> legt der Entwurf <strong>des</strong> Weiteren die Verbrechenselemente<br />
wie folgt aus:<br />
Precondition<br />
In addition to the general preconditions contained in article 12 of the present Statute, it<br />
is a precondition that an appropriate organ 3 has determined the existence of the act of<br />
aggression required by element 5 of the following Elements.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 224<br />
Elements<br />
1: The perpetrator was in a position effectively to exercise control over or to direct the<br />
political or military action of the State which committed an act of aggression as defined<br />
in element 5 of these Elements.<br />
2: The perpetrator was knowingly in that position.<br />
3: The perpetrator ordered or participated actively in the planning, preparation or execution<br />
of the act of aggression.<br />
4: The perpetrator committed element 3 with intent and knowledge.<br />
5: An “act of aggression”, that is to say, an act referred to in United Nations General<br />
Assembly resolution 3314 (XXIX) of 14 December 1974, was committed by a State.<br />
6: The perpetrator knew that the actions of the State amounted to an act of aggression.<br />
7: The act of aggression, by its character, gravity and scale, constituted a flagrant violation<br />
of the Charter of the United Nations,<br />
Option 1: Add “such as a war of aggression or an aggression which had the object<br />
or result of establishing a military occupation of, or annexing the territory of another<br />
State or part thereof”.<br />
Option 2: Add “and amounts to a war of aggression or constitutes an act which<br />
has the object or the result of establishing a military occupation of, or annexing,<br />
the territory of another State or part thereof”.<br />
Option 3: Neither of the above.<br />
8: The perpetrator had intent and knowledge with respect to element 7.<br />
Note:<br />
Elements 2, 4, 6 and 8 are included out of an abundance of caution. The “default rule”<br />
of article 30 of the Statute would supply them if nothing were said. The dogmatic requirement<br />
of some legal systems that there be both intent and knowledge is not meaningful<br />
in other systems. The drafting reflects these, perhaps insoluble, tensions.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 225<br />
(3) Analyse<br />
Es ist im Folgenden zu analysieren, wie ein Tatbestand <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens<br />
nach dem vorliegenden Definitionsentwurf und der Verbrechenselemente ausgestaltet<br />
sein könnte.<br />
(a) Objektiver Tatbestand<br />
Wie die Struktur <strong>des</strong> Entwurfs zum Aggressionsverbrechen zeigt, erfordert die Definition<br />
der Aggression in objektiver Hinsicht eine Festlegung der Aggressionshandlung<br />
und <strong>des</strong> Aggressionsobjekts <strong>des</strong> Täters. Darüber hinaus müssen die betreffenden Aggressionshandlungen<br />
einen Verstoß gegen die UN-Charta darstellen.<br />
Zur Erfüllung einer Aggressionshandlung muss nach Maßgabe <strong>des</strong> Abs. 1 <strong>des</strong> Definitionsentwurfs<br />
sowie Ziffer 3 der Verbrechenselemente der Täter die Planung, Vorbereitung,<br />
Einleitung oder die Durchführung eines Aggressionsaktes befohlen oder sich<br />
aktiv an den aufgeführten Tatbestandsalternativen beteiligt haben. Als Tathandlungen<br />
kommen das „Befehlen“, „Planen“, die „Vorbereitung“, das „Einleiten“ und die<br />
„Durchführung“ eines Aggressionsaktes in Betracht. <strong>Die</strong> Tathandlungen orientieren<br />
sich hier im Wesentlichen an den Entwicklungsstadien <strong>des</strong> Verbrechens <strong>von</strong> der Planung<br />
über die Vorbereitung, hin zur Einleitung und letztlich zur Durchführung <strong>des</strong><br />
Aggressionsaktes. 840<br />
Der Begriff der „Vorbereitung“ erfasst dem Wortlaut nach alle Maßnahmen, die der<br />
Ermöglichung der späteren Ausführungshandlungen dienen. Ebenso ist die „Planung“<br />
als Vorbereitungshandlung anzusehen, denn die Vorbereitung einer Tat umfasst notwendigerweise<br />
ihre Planung. <strong>Die</strong> Planung ist der Vorbereitung zeitlich vorgelagert und<br />
umfasst gedankliche, auf eine Konkretisierung der späteren Tat gerichtete Maßnahmen.<br />
841 Planung und Vorbereitung eines Aggressionsaktes sind aber nur strafbar, wenn<br />
es auch tatsächlich zur Einleitung <strong>von</strong> Feindseligkeiten kommt. 842 Unter der Tatalternative<br />
<strong>des</strong> „Befehlens“ ist die Anordnung der Ausführung der geplanten und vorbereiteten<br />
Tat zu verstehen. 843 Mit dem „Einleiten“ tritt das Aggressionsvorhaben in die<br />
unmittelbare Ausführungsphase ein. Durch die Tatalternative „Einleiten“ sollen auch<br />
jene Personen strafrechtlich erfasst werden, die zwar an der Entscheidung für spätere<br />
Feindseligkeiten beteiligt waren, in die eigentliche Durchführung <strong>des</strong> Aggressionsak-<br />
840 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 6. Teil, Rn. 1167.<br />
841 Hummrich, Der <strong>völkerrechtliche</strong> Straftatbestand der Aggression, 2001, 208 ff. Dass die „Planung“ der „Vorbereitung“<br />
zeitlich vorgeht, findet seine Bestätigung auch in der Reihenfolge der im Entwurf benannten Tathandlungen.<br />
842 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 6. Teil, Rn. 1169.<br />
843 Hummrich, Der <strong>völkerrechtliche</strong> Straftatbestand der Aggression, 2001, 211.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 226<br />
tes aber nicht einbezogen sind. 844 Der objektive Tatbestand ist schließlich dann erfüllt,<br />
wenn der Täter den Aggressionsakt durchführt, d. h. an der eingeleiteten Aggression<br />
mitwirkt und diese fortsetzt.<br />
<strong>Die</strong> aufgeführten Tathandlungen sind als strafbar zu bewerten, wenn der Täter durch<br />
seine Handlung an einem Aggressionsakt mitgewirkt hat. Der Entwurf und die Verbrechenselemente<br />
weisen als inkriminiertes Handlungsmittel den Aggressionsakt (act of<br />
aggression) aus, so dass zu klären ist, was hierunter zu verstehen ist. 845 Abs. 3 <strong>des</strong><br />
Entwurfs bestimmt, dass für die Auslegung <strong>des</strong> act of aggression auf die Aggressionsdefinition<br />
<strong>von</strong> 1974 abzustellen ist, auf die bereits unter D. 4. b) bb) (2) Bezug genommen<br />
wurde. Gemäß Art. 1 der Aggressionsdefinition ist Aggression als bewaffnete<br />
Gewalt eines Staates gegen die Souveränität, territoriale Unabhängigkeit oder politische<br />
Unabhängigkeit eines anderen Staates definiert. <strong>Die</strong>se abstrakt-generelle Definition<br />
wird durch Art. 3 ergänzt, der eine enumerative Aufzählung <strong>von</strong> näher<br />
bezeichneten Aggressionsakten enthält. <strong>Die</strong> Aufzählung <strong>von</strong> Aggressionsakten erfasst<br />
etwa die militärische Invasion eines Staates, die Bombardierung fremden Territoriums,<br />
die Blockade fremder Häfen oder die Entsendung bewaffneter Banden, die auf staatlichen<br />
Geheiß Gewalthandlungen in einem anderen Staat vornehmen. 846<br />
<strong>Die</strong> Auflistung der benannten Aggressionshandlungen geben Aufschluss darüber, dass<br />
ein act of aggression eine gewisse Intensität und Schwere aufweisen muss, die ein gegenüber<br />
Art. 4 Abs. 4 UN-Charta gesteigertes Maß der Gewalt erfordert. 847 Aggressionsakte,<br />
die nicht in der Aggressionsdefinition <strong>von</strong> 1974 aufgelistet sind, und eine<br />
geringere Intensität aufweisen, sind demnach selbst dann nicht strafbar, wenn sie gegen<br />
das Gewaltverbot <strong>des</strong> Art. 2 Abs. 4 UN-Charta verstoßen oder zur Selbstverteidigung<br />
nach Art. 51 UN-Charta berechtigen. 848 <strong>Die</strong> Schwelle der Strafbarkeit für<br />
Aggressionsakte ist damit hoch angesetzt und es wird sich zukünftig zeigen, ob es im<br />
Verlauf der weiteren Verhandlungen zum Aggressionsverbrechen zu einer Ausdehnung<br />
der Strafbarkeit auch auf niedere Gewaltakte kommen wird. Der momentane<br />
Entwurfstext spricht nicht dafür und es ist anzunehmen, dass sich die Staatenkonferenz<br />
auch nur auf die schwerwiegendsten Angriffe gegen einen anderen Staat wird einigen<br />
können.<br />
844 Ebenda.<br />
845 Vgl. Abs. 1 und 2 Definitionsvorschlag sowie Ziff. 1, 3, 5, 6 und 7 Elements of Crimes.<br />
846 Vgl. Art. 3 (a) bis (g) Aggressionsdefinition (Resolution 3314).<br />
847 Hummrich, Der <strong>völkerrechtliche</strong> Straftatbestand der Aggression, 2001, 203.<br />
848 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 6. Teil, Rn. 1164.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 227<br />
Grundsätzlich bleibt im vorliegenden Tatbestandsentwurf offen, ob bereits ein act of<br />
aggression zur Erfüllung <strong>des</strong> objektiven Tatbestan<strong>des</strong> ausreicht oder ob er die nötige<br />
Intensität annehmen muss, um als Aggressionskrieg (war of aggression) qualifiziert<br />
werden zu können. So nimmt der Entwurf neben dem act of aggression ebenfalls Bezug<br />
auf den Terminus war of aggression; es bleibt aber dahingestellt, wie die beiden<br />
Begriffe miteinander korrespondieren, ob sie sich bedingen oder wie die Grenze zwischen<br />
ihnen zu ziehen ist. 849 Ob zukünftig nur militärische Gewalthandlungen, die das<br />
Ausmaß und die Schwere eines war of aggression annehmen, der <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
<strong>Kriminalisierung</strong> unterfallen oder bereits einzelne acts of aggression den Voraussetzungen<br />
zur Strafbarkeit genügen, hängt <strong>von</strong> den Optionen ab, mit denen sich die Staatenkonferenz<br />
auseinandersetzen wird.<br />
Befürwortet die Staatenkonferenz Option 1 oder Option 2 zu Abs. 1 <strong>des</strong> Definitionsvorschlages<br />
bzw. zu Abs. 7 der Verbrechenselemente, so werden zukünftig nur solche<br />
Aggressionsakte kriminalisiert, die einen Angriffskrieg darstellen. Wird hingegen Option<br />
3 gewählt, so sind bereits allgemeine Angriffshandlungen, wie sie in Art. 3 der<br />
Aggressionsdefinition ihren Niederschlag gefunden haben, direkt nach Völkerrecht<br />
strafbar.<br />
Zur derzeitigen Konfusion über Inhalt und Reichweite <strong>des</strong> Aggressionstatbestan<strong>des</strong><br />
kommt hinzu, dass sowohl die Angriffsdefinition <strong>von</strong> 1974 als auch der Definitionsvorschlag<br />
<strong>von</strong> 2002 ein Ermessen <strong>des</strong> UN-Sicherheitsrates vorsehen, andere Handlungen,<br />
die nicht in Art. 3 der Aggressionsdefinition aufgeführt sind, als Akte der<br />
Aggression einzustufen. 850 Konnte die Auflistung <strong>von</strong> konkreten Aggressionshandlungen<br />
in Art. 3 der Aggressionsdefinition zumin<strong>des</strong>t einen Rückschluss auf bestimmte,<br />
strafwürdige Verhaltensweisen geben, so weicht Art. 4 der Aggressionsdefinition bzw.<br />
Option 2 <strong>von</strong> Abs. 2 <strong>des</strong> Definitionsentwurfs dieses Min<strong>des</strong>tmaß an strafrechtlicher<br />
Bestimmtheit auf. <strong>Die</strong> im Entwurf normierten Tatbestandsmerkmale eines act of aggression<br />
bilden nicht die ausschließliche Rechtsgrundlage für die Strafwürdigkeit eines<br />
aggressiven Verhaltens, sondern es können die Tatbestandsmerkmale eines<br />
Aggressionsaktes zusätzlich durch eine, rechtlich nicht vorab fixierte Ermessensentscheidung<br />
<strong>des</strong> UN-Sicherheitsrates im konkreten Einzelfall erweitert werden. <strong>Die</strong>s widerspricht<br />
klar den Voraussetzungen, die nach Maßgabe <strong>des</strong> Grundsatzes nullum<br />
crimen, nulla poena sine lege an ein Strafgesetz zu stellen sind. 851<br />
849 Vgl. Option 1 bis 3 zu Abs. 1 Definitionsvorschlag sowie Option 1 bis 3 zu Abs. 7 Elements of Crimes.<br />
850 Vgl. Art. 4 Aggressionsdefinition und Abs. 2 Option 2 Definitionsvorschlag.<br />
851 So auch Arnold, The ICC as a New Instrument for Repressing Terrorism, 2004, 327.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 228<br />
Als zusätzliches Erfordernis sieht der Definitionsentwurf in objektiver Hinsicht den<br />
Bruch der Chartavorschriften vor. Ein derartiger Zusatz ermöglicht es, die Fälle der<br />
nach den Vorschriften der UN-Charta erlaubten Gewaltanwendungen <strong>von</strong> dem Vorwurf<br />
der Strafbarkeit auszunehmen. Zwar würde der IStGH auch ohne ausdrückliche<br />
Aufnahme dieses Zusatzes die erlaubten Fälle der Selbstverteidigung gemäß Art. 51<br />
UN-Charta sowie Kollektivmaßnahmen nach Art. 39 ff. UN-Charta nicht als rechtswidrig<br />
ansehen können, doch liegt der Wert <strong>des</strong> ausdrücklichen Verweises hier in seiner<br />
klarstellenden Funktion. 852<br />
Letztlich ist als objektives Erfordernis der Strafbarkeit das Objekt der Aggressionshandlung<br />
zu benennen. Aggressionsobjekt ist ein anderer Staat. 853 Unter Bezugnahme<br />
auf Art. 2 Abs. 4 UN-Charta sowie Art. 1 der Aggressionsdefinition aus dem Jahre<br />
1974 muss sich die staatliche Gewalthandlung gegen die Souveränität, territoriale Integrität<br />
oder politische Unabhängigkeit eines anderen Staates richten, um als Aggression<br />
zu gelten.<br />
(b) Täterkreis<br />
Ausgehend <strong>von</strong> dem Definitionsvorschlag und den dazugehörigen Verbrechenselementen<br />
wird – in Übereinstimmung mit den Grundsätzen <strong>von</strong> Nürnberg und Tokio –<br />
heute das Aggressionsverbrechen als „Führungsverbrechen“ eingeordnet. 854 Der Tatbestandsvorschlag<br />
und die Verbrechenselemente beziehen sich eindeutig auf diejenigen<br />
Personen als Täter, die im Rahmen einer political or military action of a State<br />
entsprechende Tathandlungen vornehmen. 855 Damit ist der Täterkreis <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens<br />
klar auf den relativ kleinen militärischen und politischen Führungskreis<br />
eines Staates beschränkt. Täter der Aggression können nur staatliche Akteure<br />
sein, die als Organe <strong>des</strong> Staates oder in <strong>des</strong>sen Auftrag handeln. Entscheidend für ihre<br />
Einordnung als Täter ist stets die tatsächliche Möglichkeit zur Leitung und Kontrolle,<br />
nicht ihre Rechtsstellung. 856 Der Täter muss zwar nicht notwendigerweise die eigentliche<br />
Entscheidung über Krieg und Frieden treffen, aber sich doch an Aktivitäten beteiligen,<br />
die für die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder das Führen einer<br />
Aggressionsaktes <strong>von</strong> wesentlicher Bedeutung sind. 857<br />
852 Dazu Hummrich, Der <strong>völkerrechtliche</strong> Straftatbestand der Aggression, 2001, 217.<br />
853 Im Einklang mit der herrschenden Meinung zur Auslegung <strong>von</strong> Art. 2 Abs. 4 UN Charta fallen hierunter auch<br />
befriedete de facto Regime. S. Bothe, in: Vitzthum, Völkerrecht, 1997, 8. Abschn. I, Rn. 14.<br />
854 Das IMT-Statut und das IMTFE-Statut enthielten zwar keine ausdrückliche Beschränkung <strong>des</strong> Täterkreises,<br />
aber den in Nürnberg und Tokio gesprochenen Urteilen lässt sich entnehmen, dass als Täter eines Verbrechens<br />
gegen den Frieden nur die Angehörigen der politischen und militärischen Führung in Frage kamen.<br />
855 Vgl. Abs. 1 <strong>des</strong> Definitionsvorschlages und Ziff. 1 Elements of Crimes.<br />
856 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 6. Teil, Rn. 1165.<br />
857 Gaja, in: Cassese/Gaeta/Jones (Hrsg.), ICC-Commentary, 2002, Vol. 1, 427 (437 f.); Dinstein, War, Aggression<br />
and Self-Defense, 3. Aufl., 2001, 122 f.; Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 6. Teil, Rn. 1165.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 229<br />
(c) Subjektiver Tatbestand<br />
Auf der subjektiven Tatseite muss die Planung, die Vorbereitung, das Befehlen, die<br />
Einleitung oder die Durchführung eines Aggressionsaktes vorsätzlich begangen werden.<br />
858 Über die vorsätzliche Begehung der im objektiven Tatbestand beschriebenen<br />
Handlungen hinaus muss der Täter einen aggressionsspezifischen Zweck verfolgen<br />
und zusätzlich eine Aggressionsabsicht (animus aggressionis) aufweisen. 859 Erst die<br />
Einbeziehung <strong>des</strong> mit der bewaffneten Gewalt verfolgten Zwecks macht die Bezeichnung<br />
eines Handelns als „aggressiv“ möglich und rechtfertigt die Bestrafung wegen<br />
<strong>des</strong> Aggressionsverbrechens. <strong>Die</strong> Aggressionsabsicht setzt voraus, dass der Täter <strong>von</strong><br />
der aggressiven Zielsetzung der Gewaltanwendung Kenntnis hatte und dennoch an der<br />
Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Durchführung der Aggression mitgewirkt hat.<br />
Option 2 <strong>von</strong> Abs. 1 <strong>des</strong> Definitionsentwurfs schreibt dem animus aggressionis gleichermaßen<br />
das Resultat einer militärischen Besetzung oder Annexion zu und stellt dadurch<br />
sicher, dass der Aggressionszweck in subjektiver Hinsicht im Tatbestand fixiert<br />
ist. Strebt danach ein Täter mit einem durch die UN-Charta verbotenen Angriff gegen<br />
die territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit eines anderen Staates <strong>des</strong>sen<br />
militärische Besetzung oder gar Annexion an, ist der subjektive Tatbestand verwirklicht.<br />
c) Subsumtion <strong>des</strong> internationalen Terrorismus unter den Entwurf zum Aggressionsverbrechen<br />
aa) Nicht-staatlicher Terrorismus als Aggression<br />
Bei der Prüfung, ob Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus den Tatbestandsvoraussetzungen<br />
<strong>des</strong> Aggressionsverbrechens genügen, erkennt man schnell, dass sich für die<br />
Strafbarkeit <strong>von</strong> individuellen Terrorakten, vorgenommen durch non-state actors, als<br />
mögliche Tatbestandsalternative der Aggression Probleme ergeben. Hintergrund hierfür<br />
ist die Eingrenzung <strong>des</strong> Täterkreises auf ausschließlich staatliche Akteure. Der<br />
Tatbestand der Aggression beinhaltet die Anwendung bewaffneter Gewalt durch einen<br />
Staat gegen die Souveränität, territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines<br />
anderen Staates. <strong>Die</strong>se Qualifizierung kann damit einzig Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus<br />
erfassen; Handlungen <strong>des</strong> privaten, staatlich unabhängigen Terrorismus, sind<br />
eindeutig nicht in den derzeitigen Entwurf zum Aggressionsverbrechen aufgenommen.<br />
Mögen sich moderne Terrorgruppierungen auch durch eine komplexe, mitunter global<br />
vernetzte Organisationsstruktur auszeichnen, welche ihnen die Gefährlichkeit und die<br />
858 Vgl. Ziff. 3 Elements of Crimes.<br />
859 Werle, Völkerstrafrecht, 2003, 6. Teil, Rn. 1170; Hummrich, Der <strong>völkerrechtliche</strong> Straftatbestand der Aggression,<br />
2001, 218 f.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 230<br />
Größenordnung staatlichen Gewaltpotentials verleiht, 860 so fehlt ihnen doch das zur<br />
<strong>Kriminalisierung</strong> erforderliche Element, eine effektive Möglichkeit zur Leitung und<br />
Kontrolle über die politischen oder militärischen Aktionen eines Staates auszuüben. 861<br />
Moderne Terrorgruppen sind heute weniger durch hierarchische Führung und schon<br />
gar nicht durch eine Kontrolle über einen Staat gekennzeichnet, sondern die Organisation<br />
nicht-staatlicher Terrorgruppen erfolgt autonom und zumeist selbständig durch<br />
flexible und untereinander vernetzte private Terrorzellen, die keinen Zugang zu staatlichen<br />
Entscheidungsgremien besitzen. 862<br />
So können selbst schwerste Angriffe gegen die Souveränität und territoriale Integrität<br />
eines anderen Staates, wie etwa die Terrorschläge vom 11. Septembers 2001, nicht als<br />
strafbares Aggressionsverhalten eingeordnet werden, da diese durch eine private Terrorgruppe<br />
vorgenommen wurden, welche keinerlei staatliche Anbindung aufweist, und<br />
der Angriff somit nicht als „Führungsverbrechen“ qualifiziert werden kann. 863 Aus<br />
diesem Grund lässt sich mit Blick auf das Verbrechen der Aggression auch unter keinen<br />
Umständen eine individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit <strong>von</strong> Bin Ladin für<br />
seine Kontrolle und Leitung der Anschläge <strong>des</strong> 11. September 2001 begründen, da für<br />
eine solche conditio sine qua non ein staatlicher Bezug erforderlich ist, der hier nicht<br />
hergeleitet werden kann. Zu keinem Zeitpunkt gehörte das Netzwerk der Al Kaida den<br />
Taliban an, noch besaßen die Taliban effektive Kontrolle über den Terrorapparat dieser<br />
Organisation.<br />
Ausgehend <strong>von</strong> der Intensität und Schwere moderner Terrorangriffe ist diesen zuzugestehen,<br />
dass sie durchaus einen act of aggression nach Maßgabe der im Entwurf inkorporierten<br />
Art. 3 lit. a bis lit. g Aggressionsdefinition darstellen können. Auftreten<br />
und Wirkung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus kann dem militärischen Bombardement,<br />
der Invasion fremden Staatsgebietes oder dem Wirken bewaffneter Banden auf fremdem<br />
Boden gleichkommen. Doch bedarf es zur <strong>völkerrechtliche</strong>n <strong>Kriminalisierung</strong><br />
<strong>von</strong> Aggressionsakten auch hier der Vornahme der entsprechenden Gewalthandlungen<br />
durch staatliche Einheiten, wie dies der Definitionsentwurf und die Verbrechenselemente<br />
belegen. 864 Sofern militärische Einheiten eines Staates Terrorhandlungen in der<br />
Größenordnung vornehmen, die einem act of aggression gemäss Art. 3 Aggressionsdefinition<br />
entsprechen, können sie als Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus der Strafbarkeit der<br />
860 Dazu etwa Tomuschat, EuGRZ 2002, 535 (540); Krajewski, AVR 2002, 183 (188 ff.)<br />
861 Vgl. Art. 1 Definitionsvorschlag: „[...] being in a position effectively to exercise control over or to direct the<br />
political or military actions of a State [...]“.<br />
862 S. dazu unter B. 3. c).<br />
863 So auch Arnold, The ICC as a New Instrument for Repressing Terrorism, 2004, 332.<br />
864 Vgl. Abs. 2 Definitionsvorschlag und Ziff. 5 und 6 Elements of Crimes.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 231<br />
Aggression unterstellt werden; nicht-staatliche Terrorformen sind hingegen nicht als<br />
Aggressionsakte im Sinne <strong>des</strong> Entwurfs zu qualifizieren.<br />
bb) Staatsterrorismus als Aggression<br />
Ob staatliche Aggressionsakte definitiv dem Aggressionsverbrechen unterfallen und<br />
somit eine <strong>völkerrechtliche</strong> <strong>Kriminalisierung</strong> erfahren, kann vorliegend nicht mit an<br />
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Der Entwurf weist acts<br />
of aggression als inkriminierte Verhaltensweisen aus, doch ist bislang nicht abschließend<br />
geklärt, ob jene das Ausmaß und die Intensität aufweisen müssen, die sie als war<br />
of aggression qualifizieren. <strong>Die</strong> im Entwurf enthaltenen Optionen zur inhaltlichen<br />
Ausgestaltung <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens lassen diese Frage offen. Somit bleibt abzuwarten,<br />
für welchen Vorschlag sich die Staatenkonferenz entscheiden und wie hoch<br />
sie die Strafbarkeitsschwelle ansetzen wird. <strong>Die</strong> Klärung dieser definitorischen Unstimmigkeit<br />
hat aber ebenfalls wiederum nur Konsequenzen für die rechtliche Bewertung<br />
<strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Staatsterrorismus, da nur jene den Voraussetzungen eines war of<br />
aggression genügen.<br />
Befürwortet die Staatenkonferenz die Option, dass zukünftig nur solche Aggressionsakte<br />
kriminalisiert werden sollen, die auch einen Angriffskrieg darstellen, so kann sich<br />
mit Blick auf die Terrorproblematik hier allerdings eine Regelungslücke eröffnen, die<br />
es Staaten erlaubt, nicht-staatliche Terrorgruppen zu unterstützen, die Anschläge unterhalb<br />
der Schwelle eines war of aggression begehen, ohne dass sie eine Strafverfolgung<br />
durch den IStGH zu erwarten hätten. 865 <strong>Die</strong> staatliche Verwendung <strong>von</strong><br />
Massenvernichtungswaffen gegen einen anderen Staat als Mittel der Terrorführung<br />
dürfte dabei regelmäßig beide Tatbestandsalternativen erfüllen und sowohl als act of<br />
aggression und – angesichts ihrer verheerenden Wirkungen auf das Territorium und<br />
die Bevölkerung eines fremden Staates – als auch als war of aggression einzuordnen<br />
sein. Auf eine Unterscheidung der beiden Termini kommt es bei dem staatlichen Einsatz<br />
<strong>von</strong> atomaren, biologischen oder chemischen Waffen demnach nicht an, und eine<br />
derartige Ausgestaltung staatlicher Gewalt wird zwingend den Tatbestand <strong>des</strong> Verbrechens<br />
der Aggression erfüllen.<br />
<strong>Die</strong> subjektive Tatseite <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens verlangt, dass dem Aggressor<br />
Vorsatz und eine Aggressionsabsicht nachzuweisen ist. Sofern der Täter dem militärischen<br />
oder politischen Führungskreis angehört und er bewusst und in Kenntnis der aggressiven<br />
Zielsetzung die Vornahme <strong>von</strong> staatlichen Terrorakten mit der Qualität <strong>von</strong><br />
Aggressionshandlungen befiehlt oder sich daran aktiv beteiligt, erfüllt er die Voraus-<br />
865 So auch Arnold, The ICC as a New Instrument for Repressing Terrorism, 2004, 332.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 232<br />
setzungen, die an den subjektiven Tatbestand <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens zu stellen<br />
sind. Der erforderliche animus aggressionis ist insbesondere bei dem staatlichen Einsatz<br />
<strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen zu bejahen, da für die militärische oder politische<br />
Führungsriege der aggressive Gehalt dieses Waffeneinsatzes offensichtlich ist.<br />
d) Zwischenergebnis<br />
Der Tatbestand der Aggression ist nicht nur das schwerwiegendste <strong>völkerrechtliche</strong><br />
Verbrechen, er ist zugleich auch derjenige Tatbestand, <strong>des</strong>sen Bestrafung den erheblichsten<br />
Eingriff in die Souveränität eines Staates mit sich bringt. <strong>Die</strong> Problematik der<br />
individuellen Verantwortlichkeit für die Begehung <strong>von</strong> Aggressionsakten stellte daher<br />
eine der schwierigsten Fragen dar, der sich die Staatengemeinschaft vor, während und<br />
nach der IStGH-Gründungskonferenz gegenüber sah. Mit der vertraglichen Verankerung<br />
<strong>des</strong> Aggressionsverbrechens in Art. 5 IStGH-Statut wurde ein Kompromiss gefunden,<br />
der auf der einen Seite die Notwendigkeit der grundsätzlichen Aufnahme <strong>des</strong><br />
Aggressionsverbrechens in das Statut anerkennt, auf der anderen Seite aber eine Einigung<br />
über die wesentlichen Tatbestandsmerkmale auf einen späteren Zeitpunkt hinausschiebt.<br />
Gemäß Art. 5 Abs. 2 IStGH-Statut kann die Strafgewalt <strong>des</strong><br />
Gerichtshofes über das Verbrechen der Aggression erst ausgeübt werden, wenn eine<br />
Definition der Aggression ausgearbeitet ist. <strong>Die</strong>s ist frühestens im Jahr 2009 der Fall.<br />
Bis dahin sieht sich der IStGH nicht in der Lage, Akte der Aggression völkerrechtlich<br />
zu kriminalisieren. Insofern kann momentan auch eine tatsächliche Einordnung <strong>von</strong><br />
Terrorakten unter diesen <strong>völkerrechtliche</strong>n Tatbestand nicht erfolgen.<br />
Anhand der Entwürfe der Vorbereitungskommission, die als Arbeitsgrundlage <strong>von</strong> der<br />
Staatenkonferenz übernommen worden sind, lässt sich jedoch rechtswissenschaftlich<br />
erfassen, was das Aggressionsverbrechen für die <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus bereithält. Inhaltlich konzentriert sich die derzeit gültige<br />
Entwurfsfassung <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens auf den Umriss objektiver und subjektiver<br />
Tatbestandsmerkmale sowie auf die Beteiligung <strong>des</strong> UN-Sicherheitsrates an der<br />
Strafverfolgung <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens. 866 <strong>Die</strong> objektiven Merkmale legen die<br />
Aggression eindeutig als „Führungsverbrechen“ aus, so dass als Täter ausschließlich<br />
nur staatliche Akteure in Betracht kommen. Gewaltakte <strong>des</strong> nicht-staatlichen Terrorismus<br />
sind – unabhängig <strong>von</strong> ihrer Intensität und Schwere sowie der Verletzung geschützter<br />
staatlicher Interessen – nicht strafbewehrt und können derzeit nicht unter den<br />
Tatbestand der Aggression subsumiert werden.<br />
866 Vgl. Draft Resolution of the Assembly of States Parties on the Continuity of Work in Respect of the Crime of<br />
Aggression. Report of the Preparatory Commission for the International Criminal Court (continued), Addendum,<br />
Part II, Proposals for a provision on the crime of aggression, Discussion Paper proposed by the Coordinator<br />
, UN Doc. PCNICC/2002/2/Add.2 v. 24.07.2002, 3 ff.
D. <strong>Die</strong> Strafbarkeit unter dem IStGH-Statut 233<br />
Der Täterkreis jener staatlichen Akteure, die das Aggressionsverbrechen begehen können,<br />
ist dabei klar auf den relativ kleinen militärischen und politischen Führungskreis<br />
eines Staates beschränkt. Entscheidend für ihre Einordnung als Täter ist die effektive<br />
Möglichkeit zur Leitung und Kontrolle <strong>von</strong> terroristischen Aktivitäten, die für die Planung,<br />
Vorbereitung, Einleitung oder das Führen eines Aggressionsaktes <strong>von</strong> wesentlicher<br />
Bedeutung sind. Ob sich die Vornahme der terroristischen Handlung als act of<br />
aggression oder als war of aggression darstellen muss, lässt der Entwurf offen. Es<br />
bleibt die Aufgabe der Staatenkonferenz festzulegen, wie hoch die Schwelle der Strafbarkeit<br />
künftig anzusetzen ist. So sehr die objektiven Merkmale der Aggression im<br />
weiteren Verlauf der Arbeiten der Staatenkonferenz auch präzisiert werden, alle denkbaren<br />
Fälle der Aggression werden nicht zu erfassen sein. <strong>Die</strong> staatliche Verwendung<br />
<strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen gegen einen anderen Staat als Mittel der Terrorführung<br />
dürfte jedoch alle inhaltlichen Hürden <strong>des</strong> Aggressionsverbrechens übersteigen<br />
und aus diesem Grunde zwingend den Tatbestand der Aggression erfüllen. Sofern eine<br />
juristisch adäquate Tatbestandsgrundlage für das Verbrechen der Aggression ausgearbeitet<br />
werden kann, die den <strong>völkerrechtliche</strong>n Anforderungen an ein Strafgesetz entspricht,<br />
ist hiermit die Möglichkeit gegeben, den staatlichen Gebrauch <strong>von</strong><br />
Massenvernichtungswaffen zukünftig auf der <strong>völkerrechtliche</strong>n Ebene zu kriminalisieren.
E. Resümee<br />
Terroristen sind zuvörderst Straftäter nach Maßgabe <strong>des</strong> nationalen Rechts. Nationale<br />
Strafnormen stellen sich als griffiges Instrumentarium dar, sofern Terrorismus als<br />
„gewöhnliches“ Verbrechen angesehen wird. Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus<br />
können so als herkömmliche kriminelle Verhaltensweisen unter einzelne Straftatbestände<br />
<strong>des</strong> nationalen Rechts subsumiert werden.<br />
Moderne Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus stellen jedoch keine „gewöhnlichen“<br />
Verbrechen mehr dar. Sie zeichnen sich durch eine neue Dimension terroristischer<br />
Gewalt aus, die über den Unrechtsgehalt <strong>von</strong> nationalen Strafnormen hinausgeht. Indem<br />
Terrorakte die Zivilgesellschaft als Ganzes sowie den Frieden und die internationale<br />
Sicherheit bedrohen, heben sie sich unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten<br />
<strong>von</strong> Verbrechen <strong>des</strong> innerstaatlichen Strafrechts ab. Ihnen kommt eine <strong>völkerrechtliche</strong><br />
Qualität zu, folglich muss auch ihr spezifischer Unrechtsgehalt völkerrechtlich erfasst<br />
werden. Eine adäquate Ahndung der Verletzung <strong>völkerrechtliche</strong>r Schutzgüter und die<br />
Abgeltung <strong>des</strong> <strong>völkerrechtliche</strong>n Unrechtsgehalts internationaler Terrorakte sind nur<br />
durch die Errichtung einer internationalen Strafgewalt möglich. <strong>Die</strong>se soll die nationalen<br />
Kompetenzen zur Strafverfolgung terroristischer Verbrechen zwar nicht ersetzen,<br />
sie muss diese aber ergänzen, um bestehende Strafbarkeitslücken zu schließen.<br />
Bislang existiert eine derartige Regelung zur Bestrafung <strong>des</strong> Terrorismus im<br />
Völkerrecht allerdings nicht. Zwar besteht eine Vielzahl <strong>von</strong> universellen und<br />
regionalen Abkommen zur Bekämpfung <strong>des</strong> internationalen Terrorismus; diese<br />
verpflichten die Vertragsstaaten aber lediglich zu konkreten Verhaltensnormen<br />
bezüglich einzelner Terrorgefahren. Gegenstand dieser Anti-Terrorismus-Abkommen<br />
sind typische Aktionsformen terroristischer Gewalt, wie etwa Flugzeugentführungen,<br />
Geiselnahme oder Sprengstoff-delikte, sie betreffen damit nur einen Ausschnitt <strong>des</strong><br />
terroristischen Handlungsspektrums. Der internationale Terrorismus neuer Dimension<br />
zeichnet sich aber gerade durch atypische Aktionsformen (schwere konventionelle<br />
Terroranschläge und solche mittels Massenvernichtungs-waffen und elektronischer<br />
Daten) aus. In diesen Bereichen greifen die herkömmlichen Regelungswerke<br />
schlichtweg zu kurz: <strong>Die</strong> Anti-Terrorismus-Abkommen auf UN-Ebene beschränken<br />
sich ausschließlich auf den klassischen Bereich der internationalen Zusammenarbeit in<br />
Strafsachen. <strong>Die</strong> speziellen terroristischen Verhaltensweisen werden nur als ausliefe-
E. Resümee 235<br />
rungsfähige Delikte behandelt. Da einerseits Terrororganisationen heute weltweit<br />
operieren und andererseits die Staaten einer unterschiedlichen Auslieferungspraxis<br />
folgen, besteht in der Gesamtbetrachtung eine defizitäre Strafverfolgung. Speziell im<br />
Bereich der <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen existieren derzeit noch<br />
elementare Strafbarkeitslücken. Bei der Bekämpfung <strong>von</strong> atomarem und chemischem<br />
Terrorismus sowie Terrorismus mittels Biowaffen existieren zwar erste Ansätze einer<br />
multilateralen Regelung, doch unterliegen diese – als Waffenkontrollabkommen – keinem<br />
strafrechtlichen Ansatz. Eine <strong>völkerrechtliche</strong> <strong>Kriminalisierung</strong> <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong><br />
Bio- und Chemieterrorismus sowie <strong>von</strong> Cyberterrorismus gibt es damit nach dem Völkervertragsrecht<br />
nicht. Einzig im Bereich atomarer Terroraktivitäten ist der Staatengemeinschaft<br />
mit dem Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong><br />
Nuklearterrorismus jüngst ihr erstes kriminalisieren<strong>des</strong> Regelungswerk gelungen. Eine<br />
konsequente Anwendung der Vertragsbestimmungen wird das Risiko <strong>des</strong> nichtstaatlichen<br />
Atomterrorismus zweifellos eindämmen.<br />
Ausgehend <strong>von</strong> den Defiziten im nationalen Recht, terroristische Gewaltakte neuer<br />
Dimension zu erfassen, sowie in Ermangelung kriminalisierender Regelungen sowohl<br />
im Völkervertrags- als auch im Völkergewohnheitsrecht sieht es die Verfasserin als<br />
geboten an, die Zuständigkeit <strong>des</strong> IStGH auf Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus zu<br />
erstrecken. <strong>Die</strong> Einbeziehung <strong>des</strong> Terrorismus in den sachlichen Zuständigkeitsbereich<br />
<strong>des</strong> IStGH ist jedoch derzeit nicht vorgesehen; die Bewertung terroristischer Straftaten<br />
und deren mögliche Aufnahme in das Statut wurde auf die – gemäß Art. 123 IStGH-<br />
Statut im Jahr 2009 stattfindende – Überprüfungskonferenz vertagt. <strong>Die</strong> Aktualität und<br />
Intensität der terroristischen Bedrohung verlangen aber nach einer sofortigen Debatte<br />
über die Aufnahme <strong>des</strong> Terrorismus in das IStGH-Statut.<br />
Ausgehend <strong>von</strong> der begrenzten sachlichen Zuständigkeit <strong>des</strong> IStGH für die Kernverbrechen<br />
Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und<br />
Aggression hat die Untersuchung ergeben, dass Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus,<br />
die im Rahmen eines bewaffneten Konflikts begangen werden, gemäß Art. 8 IStGH-<br />
Statut als Kriegsverbrechen strafbar sind. Sie umfassen im Einzelnen Terrorismus spezifische<br />
Kriegsverbrechen gegen Personen, wenn sie die vorsätzliche Tötung einer<br />
Vielzahl <strong>von</strong> am Konflikt unbeteiligten Personen verursachen oder die Misshandlungstatbestände<br />
erfüllen. Sie können ebenfalls den Tatbestand der Geiselnahme nach Art. 8<br />
Abs. 2 lit. a (viii), Art. 8 Abs. 2 lit. c (iii) IStGH-Statut erfüllen. Sofern Terrorakte zur<br />
Zerstörung <strong>von</strong> Sacheigentum führen, liegen die Voraussetzungen der Kriegsverbrechen<br />
gegen das Eigentum nach Art. 8 Abs. 2 lit. a (iv), Art. 8 Abs. 2 lit b (xiii) und<br />
Art. 8 Abs. 2 lit. e (xii) IStGH-Statut vor. Als Kriegsverbrechen <strong>des</strong> Einsatzes verbotener<br />
Kampfmethoden werden gemäß Art. 8 Abs. 2 lit. b (i), (ii), (ix) und (xxiv) sowie
E. Resümee 236<br />
Art. 8 Abs. 2 lit. e (i), (ii) und (iv) IStGH-Statut terroristische Angriffe auf nichtmilitärische<br />
Ziele kriminalisiert. <strong>Die</strong> terroristische Verwendung <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen<br />
und elektronischen Daten verstößt hier regelmäßig gegen das Verbot <strong>des</strong><br />
Einsatzes unterschiedsloser Waffen und ist aus diesem Grunde als Kriegsverbrechen<br />
<strong>des</strong> Einsatzes verbotener Kampfmethoden strafbar. Indem die Generalklausel <strong>des</strong> Art.<br />
8 Abs. 2 lit. b (xx) IStGH-Statut nicht auf konventionelle Waffen beschränkt ist, eröffnet<br />
diese Norm darüber hinaus die Option, speziell biologische und chemische Massenvernichtungswaffen<br />
sowie elektronische Daten als verbotene Kampfmittel unter<br />
Strafe zu stellen.<br />
Bei der Verfolgung <strong>von</strong> ausgedehnten und systematischen Terrorangriffen gegen die<br />
Zivilbevölkerung in Friedenszeiten ist der Tatbestand <strong>des</strong> Verbrechens gegen die<br />
Menschlichkeit erfüllt. <strong>Die</strong> Weite <strong>des</strong> Tatbestan<strong>des</strong> in Art. 7 IStGH-Statut bietet hier<br />
die Möglichkeit, Terrorakte auf der <strong>völkerrechtliche</strong>n Ebene zu kriminalisieren, die<br />
<strong>von</strong> einzelnen internationalen Terroristen oder autonom agierenden Terrorgruppierungen<br />
begangen werden. Insbesondere die Auffangvorschrift <strong>des</strong> Art. 7 Abs. 1 lit. k<br />
IStGH-Statut stellt sich als geeignete Norm <strong>des</strong> Völkerstrafrechts dar, atypische und<br />
auch zukünftige Erscheinungsformen <strong>des</strong> internationalen Terrorismus abzudecken.<br />
<strong>Die</strong> Tatbestände <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong> und der Aggression sind nicht einschlägig. Hinsichtlich<br />
<strong>des</strong> Tatbestan<strong>des</strong> <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong> konnte herausgearbeitet werden, dass terroristischen<br />
Akteuren die erforderliche Zerstörungsabsicht im Einzelnen nur schwer<br />
nachzuweisen ist. Dem Tatbestand der Aggression mangelt es bislang an Rechtswirkung;<br />
ferner legen die objektiven Merkmale die Aggression eindeutig als „Führungsverbrechen“<br />
aus, so dass als Täter ausschließlich staatliche Akteure in Betracht<br />
kommen. Handlungen <strong>des</strong> nicht-staatlichen Terrorismus sind – unabhängig <strong>von</strong> ihrer<br />
Intensität und Schwere sowie der Verletzung geschützter staatlicher Interessen - damit<br />
nicht strafbewehrt. Ob der Tatbestand der Aggression zukünftig die Möglichkeit eröffnet,<br />
Akte <strong>des</strong> Staatsterrorismus aufzufangen, ist unklar. Dass die Aufnahme <strong>des</strong> Aggressionstatbestan<strong>des</strong><br />
in einem langwierigen und umständlichen Statutänderungsverfahren<br />
zu verabschieden ist, spricht gegen eine zügige Einigung vor dem Jahr 2009.<br />
Vor dem Hintergrund atypischer Terrorgefahren ist die Frage nach der <strong>völkerrechtliche</strong>n<br />
Strafbarkeit <strong>des</strong> Einsatzes <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen unter dem IStGH-<br />
Statut dringlich, dennoch wurde sie aus politischen Gründen „übergangen“ und auf einen<br />
späteren Zeitpunkt verlegt. Atomare, biologische und chemische Kampfstoffe sowie<br />
Cyberwaffen können dem Wortlaut nach als Kriegsverbrechen <strong>des</strong> Einsatzes<br />
verbotener Kampfmittel gemäß Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii), (xviii) und (xx) Eingang in<br />
das IStGH-Statut finden. Doch werden Nuklearwaffen grundsätzlich nicht vom Statut
E. Resümee 237<br />
erfasst. Für biologische, chemische sowie elektronische Ausführungsformen <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus finden diese Regelungen ebenfalls keine Anwendung, da die<br />
benannten Kampfmittel aufgrund politischer Erwägungen derzeit explizit vom IStGH-<br />
Statut ausgeschlossen sind. Um hier eine <strong>völkerrechtliche</strong> <strong>Kriminalisierung</strong> zu erreichen,<br />
ist auf die <strong>von</strong> der Staatenversammlung <strong>des</strong> IStGH-Statuts zukünftig noch zu<br />
verabschiedende Verbotsliste zu verweisen. Mit der Annahme dieses politischen<br />
Kompromisses hat die internationale Gemeinschaft die greifbare Möglichkeit ausgelassen,<br />
Terrorakte mittels Massenvernichtungswaffen erstmalig und richtungweisend<br />
auf der <strong>völkerrechtliche</strong>n Ebene zu kriminalisieren. Mag im Jahr 1998 - dem Gründungsjahr<br />
<strong>des</strong> IStGH - die terroristische Verwendung <strong>von</strong> Massenvernichtungswaffen<br />
zwar kein grundlegend neues, aber dennoch futuristisches Konzept terroristischer<br />
Ausgestaltung gewesen sein, hat sich diese Einschätzung zu Beginn <strong>des</strong> neuen Jahrtausends<br />
und spätestens mit den Anschlägen vom 11. September 2001 in eine reale Bedrohung<br />
verwandelt, die sich momentan nicht - und dies ist rechtspolitisch bedauerlich<br />
- durch das IStGH-Statut auffangen lässt.<br />
<strong>Die</strong> gewonnenen Erkenntnisse lassen sich wie folgt thesenartig zusammenfassen:<br />
1. Der internationale Terrorismus hat sich strukturell, technisch und logistisch<br />
weiterentwickelt. Akte <strong>des</strong> internationalen Terrorismus zeichnen sich durch eine<br />
neue Dimension terroristischer Gewalt aus und können heute die höchsten<br />
<strong>völkerrechtliche</strong>n Schutzgüter verletzen: Mit der Bedrohung <strong>des</strong> Weltfriedens<br />
und der internationalen Sicherheit durch internationale Terrorakte sind zwei<br />
Zielbestimmungen der Vereinten Nationen betroffen, die zugleich auch im<br />
Zentrum <strong>des</strong> Völkerstrafrechts stehen.<br />
2. Durch die Verletzung <strong>völkerrechtliche</strong>r Schutzgüter heben sich moderne Akte<br />
<strong>des</strong> internationalen Terrorismus unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten<br />
<strong>von</strong> Verbrechen <strong>des</strong> innerstaatlichen Strafrechts ab. Ihnen kommt eine besondere<br />
<strong>völkerrechtliche</strong> Qualität zu, deren spezifischer Unrechtsgehalt auch völkerrechtlich<br />
erfasst werden muss. Eine solche Erfassung ist nicht Zweck<br />
herkömmlicher Strafnormen, so dass eine adäquate Ahndung der Verletzung<br />
<strong>völkerrechtliche</strong>r Schutzgüter und der Abgeltung <strong>des</strong> <strong>völkerrechtliche</strong>n Unrechtsgehalts<br />
internationaler Terrorakte unterbleibt. Das Erfordernis einer internationalen<br />
Strafverfolgung für terroristische Gewaltakte tritt offen zu Tage.<br />
<strong>Die</strong>se soll zwar die nationalen Kompetenzen zur Strafverfolgung terroristischer<br />
Verbrechen nicht ersetzen, muss sie aber ergänzen, um das verletzte Normbewusstsein<br />
der internationalen Gemeinschaft wiederherzustellen.
E. Resümee 238<br />
3. Der gescheiterte Versuch der internationalen Staatengemeinschaft, sich auf eine<br />
allgemein anerkannte Definition <strong>des</strong> internationalen Terrorismus zu einigen, hat<br />
dazu geführt, dass die <strong>Kriminalisierung</strong> terroristischer Gewaltakte im Bereich<br />
<strong>des</strong> Völkervertragsrecht bislang einzelnen, bereichsspezifischen Anti-<br />
Terrorismus-Abkommen vorbehalten bleibt. Durch die bestehenden Konventionen<br />
werden jedoch nur typische Aktionsformen terroristischer Gewalt (z. B.<br />
Flugzeugentführungen, Geiselnahme oder Sprengstoffdelikte) erfasst. <strong>Die</strong>se<br />
speziellen terroristischen Aktionsformen sind lediglich in den nationalen<br />
Rechtsordnungen unter Strafe gestellt. Sie unterliegen nur indirekt der Strafbarkeit<br />
nach Völkerrecht; eine direkte Strafbarkeit nach Völkerrecht kann auch aus<br />
dem Völkergewohnheitsrecht nicht hergeleitet werden.<br />
4. Herkömmliche Formen <strong>des</strong> Terrorismus werden auch zukünftig der<br />
<strong>Kriminalisierung</strong> bedürfen, doch liegt der Mangel der Abkommen eindeutig<br />
darin, dass sie den neuen Herausforderungen durch atypische Terrorformen<br />
nicht gewachsen sind. Im Bereich der Bekämpfung <strong>von</strong> biologischen und chemischen<br />
Massenvernichtungswaffen existieren erste Ansätze einer multilateralen<br />
Regelung, doch handelt es sich hierbei um Instrumente der internationalen<br />
Waffenkontrolle, nicht der Strafverfolgung. Moderne Gefahren durch cyberterroristische<br />
Angriffe werden durch keine UN-Konvention abgedeckt.<br />
5. Mit dem Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> Nuklearterrorismus<br />
aus dem Jahr 2005 ist erstmalig ein <strong>völkerrechtliche</strong>s Anti-<br />
Terrorismus-Instrument verabschiedet, welches die - indirekte - <strong>Kriminalisierung</strong><br />
<strong>von</strong> Terrorakten mittels nuklearen Materialien vorsieht. Bislang mangelt es<br />
dem Übereinkommen jedoch an <strong>völkerrechtliche</strong>r Gültigkeit und damit an praktischer<br />
Bedeutung.<br />
6. Ausgehend <strong>von</strong> den materiell-rechtlichen Defiziten im Völkervertrags- und<br />
Völkergewohnheitsrecht, terroristische Gewaltakte direkt zu kriminalisieren, ist<br />
es geboten, die Zuständigkeit <strong>des</strong> IStGH auf Akte <strong>des</strong> internationalen<br />
Terrorismus zu erstrecken. Das IStGH-Statut enthält allerdings keinen eigenen<br />
Tatbestand <strong>des</strong> internationalen Terrorismus. Terroristische Gewaltakte sind aus<br />
diesem Grund unter die bestehenden <strong>völkerrechtliche</strong>n Straftatbestände - namentlich<br />
Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen<br />
und Aggression - einzuordnen.<br />
7. Der Tatbestand <strong>des</strong> Völkermor<strong>des</strong> (Art. 6 IStGH-Statut) ist wegen der in der<br />
Regel fehlenden, aber erforderlichen Zerstörungsabsicht nicht zur Kriminalisie-
E. Resümee 239<br />
rung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus geeignet. Ebenso wenig ist der<br />
Tatbestand der Aggression einschlägig.<br />
8. Für die Verfolgung <strong>von</strong> ausgedehnten und systematischen Terrorangriffen gegen<br />
die Zivilbevölkerung in Friedenszeiten ist der Tatbestand <strong>des</strong> Verbrechens<br />
gegen die Menschlichkeit einschlägig. Art. 7 IStGH-Statut ist damit eine „wertvolle“<br />
Norm zur Strafverfolgung insbesondere <strong>von</strong> schwerwiegenden, nichtstaatlichen<br />
Terrorakten.<br />
9. <strong>Die</strong> Strafbarkeit <strong>von</strong> terroristischen Gewalttaten als Kriegsverbrechen nach<br />
Art. 8 IStGH-Statut kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Terrorakte<br />
im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes stattfinden. Sie stellen sich im Einzelnen<br />
als Terrorismus spezifische Kriegsverbrechen gegen Personen und gegen<br />
das Eigentum da. Darüber hinaus erfüllen Terrorakte - insbesondere solche mittels<br />
atomarer, biologischer und chemischer Massenvernichtungs-waffen und e-<br />
lektronischen Daten - den Tatbestand der Kriegsverbrechen <strong>des</strong> Einsatzes<br />
verbotener Kampfmethoden.<br />
10. Atomare, chemische und biologische Massenvernichtungswaffen zählen nicht<br />
zu den verbotenen Kampfstoffen im Sinne <strong>von</strong> Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii), (xviii)<br />
und (xx) IStGH-Statut. Atomwaffen werden hierunter grundsätzlich nicht erfasst.<br />
Chemische und biologische Massenvernichtungswaffen sowie der Einsatz<br />
<strong>von</strong> Daten fallen zwar abstrakt unter die <strong>völkerrechtliche</strong>n Kampfmittelverbote<br />
für den internationalen bewaffneten Konflikt. Derzeit sind sie <strong>von</strong> der konkreten<br />
Strafverfolgung ausgeschlossen - der Strafbarkeit unterliegen sie erst, wenn<br />
sie Eingang in die <strong>von</strong> der Staatenversammlung <strong>des</strong> IStGH-Statuts zukünftig zu<br />
verabschiedenden Verbotsliste finden.<br />
Obgleich der Zugriff <strong>des</strong> Völkerstrafrechts auf moderne terroristische Straftaten in der<br />
Sache erst zurückhaltend besteht, spricht sich die vorliegende Arbeit ausdrücklich für<br />
die Internationalisierung der Strafbarkeit terroristischen Verhaltens aus. Sie fordert eine<br />
„Übernahme“ strafrechtlicher Befugnisse durch die internationale Gemeinschaft.<br />
<strong>Die</strong> Einordnung <strong>von</strong> <strong>Akten</strong> <strong>des</strong> internationalen Terrorismus als dem IStGH-Statut zugängliche<br />
Delikte ist dabei als „Endpunkt“ einer Entwicklung anzusehen, in der das<br />
Strafrecht schrittweise internationalisiert und zukünftig – nach Verdichtung der rechtlichen<br />
Standards – auch durchgesetzt wird.
Anhang<br />
Römisches Statut <strong>des</strong> Internationalen Strafgerichtshofs v. 17. Juli 1998<br />
(Auszug)<br />
Artikel 5<br />
Der Gerichtsbarkeit <strong>des</strong> Gerichtshofs unterliegende Verbrechen<br />
(1) <strong>Die</strong> Gerichtsbarkeit <strong>des</strong> Gerichtshofs ist auf die schwersten Verbrechen beschränkt,<br />
welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren. <strong>Die</strong> Gerichtsbarkeit <strong>des</strong><br />
Gerichtshofs erstreckt sich nach Maßgabe dieses Statuts auf folgende Verbrechen:<br />
a) das Verbrechen <strong>des</strong> Völkermords;<br />
b) Verbrechen gegen die Menschlichkeit;<br />
c) Kriegsverbrechen;<br />
d) das Verbrechen der Aggression.<br />
(2) Der Gerichtshof übt die Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression aus, sobald<br />
im Einklang mit den Artikeln 121 und 123 eine Bestimmung angenommen worden ist,<br />
die dieses Verbrechen definiert und die Bedingungen für die Ausübung dieser Gerichtsbarkeit<br />
festlegt. <strong>Die</strong>se Bestimmung muss mit den einschlägigen Bestimmungen der<br />
Charta der Vereinten Nationen vereinbar sein.<br />
Artikel 6<br />
Völkermord<br />
Für die Zwecke dieses Statuts bedeutet "Völkermord" jede der folgenden Handlungen, die in<br />
der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche<br />
ganz oder teilweise zu zerstören:<br />
a) Tötung <strong>von</strong> Mitgliedern der Gruppe;<br />
b) Verursachung <strong>von</strong> schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern<br />
der Gruppe;<br />
c) vorsätzliche Auferlegung <strong>von</strong> Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet<br />
sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
Anhang 241<br />
d) Verhängung <strong>von</strong> Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der<br />
Gruppe gerichtet sind;<br />
e) gewaltsame Überführung <strong>von</strong> Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.<br />
Artikel 7<br />
Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />
(1) Für die Zwecke dieses Statuts bedeutet "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" jede der<br />
folgenden Handlungen, die als Teil eines groß angelegten oder systematischen Angriffs<br />
gegen die Zivilbevölkerung in Kenntnis <strong>des</strong> Angriffs begangen wird:<br />
a) Mord;<br />
b) Ausrottung;<br />
c) Versklavung;<br />
d) Vertreibung oder Zwangsumsiedlung der Bevölkerung;<br />
e) Freiheitsentzug oder sonstige schwere Entziehung der körperlichen Freiheit unter<br />
Verstoß gegen die Grundregeln <strong>des</strong> Völkerrechts;<br />
f) Folter;<br />
g) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Zwangsprostitution, erzwungene Schwangerschaft,<br />
Zwangssterilisation oder jede andere Form sexueller Gewalt vergleichbarer<br />
Schwere;<br />
h) Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder Gemeinschaft aus politischen,<br />
rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, Gründen<br />
<strong>des</strong> Geschlechts im Sinne <strong>des</strong> Absatzes 3 oder aus anderen nach dem Völkerrecht<br />
universell als unzulässig anerkannten Gründen im Zusammenhang mit<br />
einer in diesem Absatz genannten Handlung oder einem der Gerichtsbarkeit<br />
<strong>des</strong> Gerichtshofs unterliegenden Verbrechen;<br />
i) Verschwindenlassen <strong>von</strong> Personen;<br />
j) das Verbrechen der Apartheid;<br />
k) andere unmenschliche Handlungen ähnlicher Art, mit denen vorsätzlich große<br />
Leiden oder eine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit<br />
oder der geistigen oder körperlichen Gesundheit verursacht wird.<br />
(2) Für die Zwecke <strong>des</strong> Absatzes 1<br />
a) bedeutet "Angriff gegen die Zivilbevölkerung" eine Verhaltensweise, die mit<br />
der mehrfachen Begehung der in Absatz 1 genannten Handlungen gegen eine<br />
Zivilbevölkerung verbunden ist, in Anwendung der auf die Verübung eines<br />
solchen Angriffs gerichteten Politik eines Staates oder einer Organisation oder<br />
zur Unterstützung dieser Politik;<br />
b) umfasst "Ausrottung" die vorsätzliche Auferlegung <strong>von</strong> Lebensbedingungen<br />
unter anderem das Vorenthalten <strong>des</strong> Zugangs zu Nahrungsmitteln und Medi-
Anhang 242<br />
kamenten-, mit denen beabsichtigt ist, die Vernichtung eines Teiles einer Bevölkerung<br />
herbeizuführen;<br />
c) bedeutet "Versklavung" die Ausübung aller oder einzelner mit dem Eigentumsrecht<br />
an einer Person verbundenen Befugnisse und umfasst die Ausübung dieser<br />
Befugnisse im Zuge <strong>des</strong> Menschenhandels, insbesondere <strong>des</strong> Handels mit<br />
Frauen und Kindern;<br />
d) bedeutet "Vertreibung oder Zwangsumsiedlung der Bevölkerung" die zwangsweise<br />
Verbringung der betroffenen Personen durch Ausweisung oder andere<br />
Zwangsmaßnahmen ohne völkerrechtlich zulässige Gründe aus dem Gebiet, in<br />
dem sie sich rechtmäßig aufhalten;<br />
e) bedeutet "Folter" den Umstand, dass einer im Gewahrsam oder unter der Kontrolle<br />
<strong>des</strong> Beschuldigten befindlichen Person vorsätzlich große körperliche oder<br />
seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden; Folter umfasst jedoch nicht<br />
Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen<br />
ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind;<br />
f) bedeutet "erzwungene Schwangerschaft" die rechtswidrige Freiheitsentziehung<br />
einer zwangsweise geschwängerten Frau in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung<br />
einer Bevölkerung zu beeinflussen oder andere schwere Verstöße<br />
gegen das Völkerrecht zu begehen. <strong>Die</strong>se Begriffsbestimmung ist nicht so auszulegen,<br />
als berühre sie innerstaatliche Gesetze im Zusammenhang mit<br />
Schwangerschaft;<br />
g) bedeutet "Verfolgung" den völkerrechtswidrigen, vorsätzlichen schweren Entzug<br />
<strong>von</strong> Grundrechten aufgrund der Identität der Gruppe oder der Gemeinschaft;<br />
h) bedeutet "Verbrechen der Apartheid" unmenschliche Handlungen ähnlicher Art<br />
wie die in Absatz 1 genannten, die im Zusammenhang mit einem institutionalisierten<br />
Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer o-<br />
der mehrerer rassischer Gruppen durch eine andere rassische Gruppe sowie in<br />
der Absicht begangen werden, dieses Regime aufrechtzuerhalten;<br />
i) bedeutet "Verschwindenlassen" <strong>von</strong> Personen" die Festnahme, den Freiheitsentzug<br />
oder die Entführung <strong>von</strong> Personen durch einen Staat oder eine politische<br />
Organisation oder mit Ermächtigung, Unterstützung oder Duldung <strong>des</strong><br />
Staates oder der Organisation, gefolgt <strong>von</strong> der Weigerung, diese Freiheitsberaubung<br />
anzuerkennen oder Auskunft über das Schicksal oder den Verbleib<br />
dieser Personen zu erteilen in der Absicht, sie für lange Zeit dem Schutz <strong>des</strong><br />
Gesetzes zu entziehen.<br />
(3) Für die Zwecke dieses Statuts wird da<strong>von</strong> ausgegangen, dass der Ausdruck "Geschlecht"<br />
sich auf die beiden Geschlechter, Mann und Frau, im gesellschaftlichen Zusammenhang<br />
bezieht. Der Ausdruck "Geschlecht" hat keine andere als die vorgenannte<br />
Bedeutung.
Anhang 243<br />
Artikel 8<br />
Kriegsverbrechen<br />
(1) Der Gerichtshof hat Gerichtsbarkeit in Bezug auf Kriegsverbrechen, insbesondere<br />
wenn diese als Teil eines Planes oder einer Politik oder als Teil einer Begehung solcher<br />
Verbrechen in großem Umfang verübt werden.<br />
(2) Für die Zwecke dieses Statuts bedeutet "Kriegsverbrechen"<br />
a) schwere Verletzungen der Genfer Abkommen vom 12. August 1949, nämlich die<br />
folgenden Handlungen gegen die nach den Bestimmungen <strong>des</strong> jeweiligen Genfer<br />
Abkommens geschützten Personen oder Güter:<br />
i) vorsätzliche Tötung;<br />
ii) Folterung oder unmenschliche Behandlung einschließlich biologischer Versuche;<br />
iii) vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der<br />
körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit;<br />
iv) Zerstörung und Aneignung <strong>von</strong> Eigentum, die durch militärische Erfordernisse<br />
nicht gerechtfertigt sind und in großem Ausmaß rechtswidrig und willkürlich<br />
vorgenommen werden;<br />
v) Nötigung eines Kriegsgefangenen oder einer anderen geschützten Person<br />
zum <strong>Die</strong>nst in den Streitkräften einer feindlichen Macht;<br />
vi) vorsätzlicher Entzug <strong>des</strong> Rechts eines Kriegsgefangenen oder einer anderen<br />
geschützten Person auf ein faires und ordentliches Gerichtsverfahren;<br />
vii) rechtswidrige Verschleppung oder Verschickung oder rechtswidrige Gefangenhaltung;<br />
viii) Geiselnahme;<br />
b) andere schwere Verstöße gegen die im internationalen bewaffneten Konflikt innerhalb<br />
<strong>des</strong> feststehenden Rahmens <strong>des</strong> Völkerrechts anwendbaren Gesetze und Gebräuche,<br />
nämlich jede der folgenden Handlungen:<br />
i) vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung als solche oder auf einzelne<br />
Zivilpersonen, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen;<br />
ii) vorsätzliche Angriffe auf zivile Objekte, das heißt auf Objekte, bei denen es<br />
sich nicht um militärische Ziele handelt;<br />
iii) vorsätzliche Angriffe auf Personal, Einrichtungen, Material, Einheiten oder<br />
Fahrzeuge, die an einer humanitären Hilfsmission oder friedenserhaltenden<br />
Mission im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt sind,<br />
solange sie Anspruch auf den Schutz haben, der Zivilpersonen oder zivilen<br />
Objekten nach dem internationalen Recht <strong>des</strong> bewaffneten Konflikts gewährt<br />
wird;
Anhang 244<br />
iv) vorsätzliches Einleiten eines Angriffs in der Kenntnis, dass dieser auch Verluste<br />
an Menschenleben, die Verwundung <strong>von</strong> Zivilpersonen, die Beschädigung<br />
ziviler Objekte oder weit reichende, langfristige und schwere Schäden<br />
an der natürlichen Umwelt verursachen wird, die eindeutig in keinem Verhältnis<br />
zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen<br />
Vorteil stehen;<br />
v) der Angriff auf unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude, die<br />
keine militärischen Ziele sind, oder deren Beschießung, gleichviel mit welchen<br />
Mitteln;<br />
vi) die Tötung oder Verwundung eines die Waffen streckenden oder wehrlosen<br />
Kombattanten, der sich auf Gnade oder Ungnade ergeben hat;<br />
vii) der Missbrauch der Parlamentärflagge, der Flagge oder der militärischen Abzeichen<br />
oder der Uniform <strong>des</strong> Fein<strong>des</strong> oder der Vereinten Nationen sowie der<br />
Schutzzeichen der Genfer Abkommen, wodurch Tod oder schwere Verletzungen<br />
verursacht werden;<br />
viii) die unmittelbare oder mittelbare Überführung durch die Besatzungsmacht<br />
<strong>von</strong> Teilen ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das <strong>von</strong> ihr besetzte Gebiet o-<br />
der die vollständige oder teilweise Verschleppung oder Überführung der Bevölkerung<br />
<strong>des</strong> besetzten Gebiets innerhalb oder außerhalb dieses Gebiets;<br />
ix) vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der<br />
Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, auf geschichtliche<br />
Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und<br />
Verwundete, sofern es sich nicht um militärische Ziele handelt;<br />
x) die Verstümmelung <strong>von</strong> Personen, die sich in der Gewalt einer gegnerischen<br />
Partei befinden, oder die Vornahme medizinischer oder wissenschaftlicher<br />
Versuche jeder Art an diesen Personen, die nicht durch deren ärztliche, zahnärztliche<br />
oder Krankenhausbehandlung gerechtfertigt sind oder in ihrem Interesse<br />
durchgeführt werden und zu ihrem Tod führen oder eine ernste Gefahr<br />
für ihre Gesundheit darstellen;<br />
xi) die meuchlerische Tötung oder Verwundung <strong>von</strong> Angehörigen <strong>des</strong> feindlichen<br />
Volkes oder Heeres;<br />
xii) die Erklärung, dass kein Pardon gegeben wird;<br />
xiii) die Zerstörung oder Beschlagnahme feindlichen Eigentums, sofern diese<br />
nicht durch die Erfordernisse <strong>des</strong> Krieges dringend geboten ist;<br />
xiv) die Erklärung, dass Rechte und Forderungen <strong>von</strong> Angehörigen der Gegenpartei<br />
aufgehoben, zeitweilig ausgesetzt oder vor Gericht unzulässig sind;<br />
xv) der Zwang gegen Angehörige der Gegenpartei, an den Kriegsunternehmungen<br />
gegen ihr eigenes Land teilzunehmen, selbst wenn sie bereits vor Ausbruch<br />
<strong>des</strong> Krieges im <strong>Die</strong>nst <strong>des</strong> Kriegführenden standen;<br />
xvi) Plünderung einer Stadt oder Ansiedlung, selbst wenn sie im Sturm genommen<br />
wurde;<br />
xvii) die Verwendung <strong>von</strong> Gift oder vergifteten Waffen;
Anhang 245<br />
xviii)die Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase sowie aller<br />
ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffe oder Vorrichtungen;<br />
xix) die Verwendung <strong>von</strong> Geschossen, die sich im Körper <strong>des</strong> Menschen leicht<br />
ausdehnen oder flachdrücken wie beispielsweise Geschosse mit einem den<br />
Kern nicht ganz umschließenden oder mit Einschnitten versehenen harten<br />
Mantel;<br />
xx) der Einsatz <strong>von</strong> Waffen, Geschossen, Stoffen und Methoden der Kriegführung,<br />
die ihrer Art nach überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden verursachen<br />
oder die unter Verstoß gegen das internationale Recht <strong>des</strong><br />
bewaffneten Konflikts ihrer Natur nach unterschiedslos wirken; diese Waffen,<br />
Geschosse, Stoffe und Methoden der Kriegführung müssen jedoch Gegenstand<br />
eines umfassenden Verbots sein und mittels einer Änderung<br />
entsprechend den einschlägigen Bestimmungen in den Artikeln 121 und 123<br />
in einer Anlage dieses Statuts enthalten sein;<br />
xxi) die Beeinträchtigung der persönlichen Würde, namentlich eine erniedrigende<br />
und entwürdigende Behandlung;<br />
xxii) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Zwangsprostitution, erzwungene<br />
Schwangerschaft im Sinne <strong>des</strong> Artikels 7 Absatz 2 Buchstabe f, Zwangssterilisation<br />
oder jede andere Form sexueller Gewalt, die ebenfalls eine schwere<br />
Verletzung der Genfer Abkommen darstellt;<br />
xxiii) Benutzung der Anwesenheit einer Zivilperson oder einer anderen geschützten<br />
Person, um Kampfhandlungen <strong>von</strong> gewissen Punkten, Gebieten oder<br />
Streitkräften fernzuhalten;<br />
xxiv) vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, Material, Sanitätseinheiten, Sanitätstransporte<br />
und Personal, die im Einklang mit dem Völkerrecht mit den<br />
Schutzzeichen der Genfer Abkommen versehen sind;<br />
xxv) die vorsätzliche Aushungerung <strong>von</strong> Zivilpersonen als Methode der Kriegführung<br />
durch die Vorenthaltung <strong>von</strong> Gegenständen, die für ihr Überleben unverzichtbar<br />
sind, namentlich durch die vorsätzliche Behinderung <strong>von</strong><br />
Hilfslieferungen, wie sie nach den Genfer Abkommen vorgesehen sind;<br />
xxvi) Zwangsverpflichtung oder Einziehung <strong>von</strong> Kindern unter fünfzehn Jahren in<br />
die nationalen Streitkräfte oder ihre Verwendung zur aktiven Teilnahme an<br />
Feindseligkeiten;<br />
c) im Fall eines bewaffneten Konflikts, der keinen internationalen Charakter hat,<br />
schwere Verstöße gegen den vier Genfer Abkommen vom 12. August 1949 gemeinsamen<br />
Artikel 3, nämlich die Verübung jeder der folgenden Handlungen gegen Personen,<br />
die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschließlich der<br />
Angehörigen der Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen,<br />
die durch Krankheit, Verwundung, Gefangennahme oder eine andere Ursache<br />
kampfunfähig geworden sind:
Anhang 246<br />
i) Gewalt gegen das Leben und die Person, namentlich Tötung jeder Art, Verstümmelung,<br />
grausame Behandlung und Folter;<br />
ii) Beeinträchtigung der persönlichen Würde, namentlich erniedrigende und<br />
entwürdigende Behandlung;<br />
iii) Geiselnahme;<br />
iv) Verurteilungen und Hinrichtungen ohne vorhergehen<strong>des</strong> Urteil eines ordentlich<br />
bestellten Gerichts, das die allgemein als unerlässlich anerkannten<br />
Rechtsgarantien bietet;<br />
d) Absatz 2 Buchstabe c findet Anwendung auf bewaffnete Konflikte, die keinen internationalen<br />
Charakter haben; er gilt somit nicht für Fälle innerer Unruhen und Spannungen,<br />
wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten oder andere ähnliche<br />
Handlungen;<br />
e) andere schwere Verstöße gegen die im bewaffneten Konflikt, der keinen internationalen<br />
Charakter hat, innerhalb <strong>des</strong> feststehenden Rahmens <strong>des</strong> Völkerrechts anwendbaren<br />
Gesetze und Gebräuche, nämlich jede der folgenden Handlungen:<br />
i) vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung als solche oder auf einzelne<br />
Zivilpersonen, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen;<br />
ii) vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, Material, Sanitätseinheiten, Sanitätstransporte<br />
und Personal, die im Einklang mit dem Völkerrecht mit den<br />
Schutzzeichen der Genfer Abkommen versehen sind;<br />
iii) vorsätzliche Angriffe auf Personal, Einrichtungen, Material, Einheiten oder<br />
Fahrzeuge, die an einer humanitären Hilfsmission oder friedenserhaltenden<br />
Mission im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt sind,<br />
solange sie Anspruch auf den Schutz haben, der Zivilpersonen oder zivilen<br />
Objekten nach dem internationalen Recht <strong>des</strong> bewaffneten Konflikts gewährt<br />
wird;<br />
iv) vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der<br />
Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, auf geschichtliche<br />
Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und<br />
Verwundete, sofern es sich nicht um militärische Ziele handelt;<br />
v) Plünderung einer Stadt oder Ansiedlung, selbst wenn sie im Sturm genommen<br />
wurde;<br />
vi) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Zwangsprostitution, erzwungene<br />
Schwangerschaft im Sinne <strong>des</strong> Artikels 7 Absatz 2 Buchstabe f, Zwangssterilisation<br />
und jede andere Form sexueller Gewalt, die ebenfalls einen schweren<br />
Verstoß gegen den vier Genfer Abkommen gemeinsamen Artikel 3 darstellt;<br />
vii) Zwangsverpflichtung oder Einziehung <strong>von</strong> Kindern unter fünfzehn Jahren in<br />
Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen oder ihre Verwendung zur aktiven<br />
Teilnahme an Feindseligkeiten;
Anhang 247<br />
viii) Anordnung der Verlegung der Zivilbevölkerung aus Gründen im Zusammenhang<br />
mit dem Konflikt, sofern dies nicht im Hinblick auf die Sicherheit<br />
der betreffenden Zivilpersonen oder aus zwingenden militärischen Gründen<br />
geboten ist;<br />
ix) die meuchlerische Tötung oder Verwundung eines gegnerischen Kombattanten;<br />
x) die Erklärung, dass kein Pardon gegeben wird;<br />
xi) die Verstümmelung <strong>von</strong> Personen, die sich in der Gewalt einer anderen Konfliktpartei<br />
befinden, oder die Vornahme medizinischer oder wissenschaftlicher<br />
Versuche jeder Art an diesen Personen, die nicht durch deren ärztliche,<br />
zahnärztliche oder Krankenhausbehandlung gerechtfertigt sind oder in ihrem<br />
Interesse durchgeführt werden und zu ihrem Tod führen oder eine ernste Gefahr<br />
für ihre Gesundheit darstellen;<br />
xii) die Zerstörung oder Beschlagnahme gegnerischen Eigentums, sofern diese<br />
nicht durch die Erfordernisse <strong>des</strong> Konflikts dringend geboten ist;<br />
f) Absatz 2 Buchstabe e findet Anwendung auf bewaffnete Konflikte, die keinen internationalen<br />
Charakter haben; er gilt somit nicht für Fälle innerer Unruhen und Spannungen,<br />
wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten oder andere ähnliche<br />
Handlungen. Er findet Anwendung auf bewaffnete Konflikte, die im Hoheitsgebiet<br />
eines Staates stattfinden, wenn zwischen den staatlichen Behörden und organisierten<br />
bewaffneten Gruppen oder zwischen solchen Gruppen ein lang anhaltender bewaffneter<br />
Konflikt besteht.<br />
(3) Absatz 2 Buchstaben c und e berührt nicht die Verantwortung einer Regierung, die öffentliche<br />
Ordnung im Staat aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen oder die Einheit<br />
und territoriale Unversehrtheit <strong>des</strong> Staates mit allen rechtmäßigen Mitteln zu verteidigen.
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Lebenslauf<br />
Kerstin Wolny<br />
Geboren 1974 in Magdeburg (Deutschland); Studium der Rechtswissenschaften an der<br />
Universität Bremen (2000: Erstes Juristisches Staatsexamen) und am Dickinson College,<br />
USA. Zunächst wissenschaftliche Assistentin im Wissenschaftlichen Beirat der<br />
Bun<strong>des</strong>regierung für globale Umweltveränderungen (WBGU) in Berlin/Heidelberg<br />
(2000); sodann wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Völkerrecht, Internationales<br />
Wirtschaftsrecht und Europarecht der Universität St. Gallen bei Frau Prof. Dr.<br />
Dr. Juliane Kokott, Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (2000-2003); Lehrbeauftragte<br />
für Völkerrecht an der Universität St. Gallen (2003); International Fellow<br />
am International Human Rights Law Institute, DePaul University, Chicago (USA) bei<br />
Prof. Cherif Bassiouni (2004) – Stipendium im Rahmen <strong>des</strong> Schweizerischen Nationalfonds<br />
(SNF). Zuletzt wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches<br />
Recht, Völkerrecht und Rechtsphilosophie der Juristischen Fakultät der Friedrich-<br />
Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bei Prof. Bernd Grzeszick (2005-2006).<br />
Seit April 2005 Rechtsreferendarin im Ausbildungsbezirk <strong>des</strong> Oberlan<strong>des</strong>gerichts<br />
Nürnberg (Deutschland).