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Aufbruch 1.0 - Stadtgespräche Rostock

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0.34 __ //// REZENSIONEN: GELESENES<br />

Rezensionen<br />

Die Sicherheitsgesellschaft - Soziale Kontrolle im 21. Jahrhundert<br />

STEFAN NADOLNY IST MITGLIED DES SOZIALE BILDUNG E.V. (SOBI)<br />

Es ist wohl keinem entgangen, dass wir in einer Zeit des gesellschaftlichen<br />

Wandels leben. In den politischen und sozialwissenschaftlichen<br />

Diskursen wird dieser Wandel mit verschiedensten Namen versehen.<br />

Begriffe wie Wissensgesellschaft, Kommunikationsgesellschaft, Informations-<br />

oder Bildungsgesellschaft sind einige der Versuche, die tiefgreifenden<br />

Veränderungen begrifflich zu fassen. Keiner davon ist jedoch<br />

geeignet, die Transformation in Gänze unter einen Hut zu bekommen.<br />

Allenfalls werden Facetten beleuchtet.<br />

Anfang des Jahres ist ein Buch das einen weiteren Benennungsversuch<br />

im Titel trägt in der zweiten, völlig überarbeiteten Auflage erschienen:<br />

„Die Sicherheitsgesellschaft – Soziale Kontrolle im 21.<br />

Jahrhundert“. Besonders ist schon die Zusammensetzung der Autoren:<br />

ein Soziologe, Tobias Singelstein, und der aus <strong>Rostock</strong> stammende<br />

Rechtsanwalt Peer Stolle. Die Kombination soziologischer und juristisch-kriminologischer<br />

Perspektive hat sich gelohnt. Es ist ein Buch<br />

entstanden, das es gestattet, sich außerhalb alltäglicher medialer Inszenierung<br />

der Gefahrenabwehr - sei es gegenüber Terrorismus, organisierter<br />

Kriminalität oder Globalisierungskritikern - mit den grundlegenden<br />

und uns alle betreffenden Veränderungen zu beschäftigen.<br />

Die Autoren betonen, dass soziale Kontrolle nichts Neues und nicht<br />

grundsätzlich zu verteufeln sei. Soziale Kontrolle meint erstmal nur<br />

„sowohl staatliche als auch private Mechanismen und Techniken, mit<br />

denen eine Gesellschaft oder eine sonstige soziale Gruppe versucht,<br />

ihre Mitglieder dazu anzuhalten, den von ihr aufgestellten Normen<br />

als Verhaltensanforderungen Folge zu leisten“.<br />

Kritisch nachgefragt werden müsse, wer welche Normen aufstellt und<br />

mit welchen Mitteln durchsetzen kann. Zur Beantwortung dieser<br />

Frage bedienen sich Singelstein, Stolle und die anderen Beiträger der<br />

marxistisch inspirierten Perspektive der Regulationstheorie. Diese<br />

legt ihr Hauptaugenmerk auf Veränderungen der ökonomischen<br />

Grundlagen der Gesellschaft, welche immer auch Veränderungen in<br />

der Kultur, in der Politik, im Recht und im Sozialem sowohl nach<br />

sich zieht als auch als Bedingung hat.<br />

Die Autoren geben einen guten Überblick über diese, miteinander<br />

zusammenhängenden Veränderungen: „Die Globalisierung und Internationalisierung<br />

der Produktions- und Marktbeziehungen, die Flexibilisierung<br />

der Arbeits- und Sozialverhältnisse, die Privatisierung<br />

staatlicher Aufgaben, der Umbau des Wohlfahrtsstaates und die (...)<br />

soziokulturellen Veränderungen haben zu einer stärkeren Ausdifferenzierung<br />

der sozialen Lagen und zu einer zunehmenden sozialen<br />

Desintegration und Verunsicherung geführt.“ Die Entwicklungen<br />

werden zudem von interessen- oder ideologiegeleiteten Akteuren aus<br />

Wirtschaft, Politik und Religion forciert, die darauf drängen, staatliche<br />

und private Kontrolle als Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen<br />

auf immer weitere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens auszuweiten.<br />

Während früher die Sozialkontrolle darauf abzielte, ein festes Normenleitbild<br />

durchzusetzen und davon abweichendes Verhalten der<br />

Gesellschaftsmitglieder entweder zu disziplinieren oder durch fürsorgliche<br />

Integrations- und Wohlfahrtsangebote (soziale Sicherheit<br />

statt innere Sicherheit) abzustellen, liegt das Hauptaugenmerk der<br />

heutigen Sicherheitsgesellschaft auf einer flexiblen, „versicherungsmathematischen“<br />

(Durch-)Setzung von Verhaltensanforderungen je<br />

nach Kontext und Situation. Dabei steht das „empirisch Normale“,<br />

d.h. die von der Mehrheit als gültig und notwendig angesehenen Verhaltensanforderungen,<br />

im Vordergrund. Es ist immer auch situationsund<br />

kontextabhängig und kann leicht beeinflusst werden.<br />

Während Sozialkontrolle früher eher nach Eintritt eines Normenverstoßes<br />

griff, hat die Sicherheitsarchitektur unserer heutigen Gesellschaft<br />

präventiven Charakter, mit dem vermeintlichen Risiken begegnet<br />

werden soll:<br />

„Dieser Vorstellung zufolge lassen sich bestimmte Kriterien ausmachen,<br />

die das Eintreten abweichenden Verhaltens statistisch betrachtet<br />

wahrscheinlicher werden lassen und daher als Risikofaktoren klassifiziert<br />

werden können.“ In dieser Logik werden z.B. sozial Benachteiligte<br />

bzw. Ausgeschlossene, wie ALG II-EmpfängerInnen, Jugendliche<br />

ohne und mit niedrigem Bildungsabschluss, Menschen mit Migrationshintergrund<br />

etc. leicht als „Risikopopulation“ wahrnehmbar,<br />

die einer besonderen und umfassenden Behandlung bedürfen. Die Institutionen<br />

zur Kontrolle der Verhaltensanforderungen sind dann<br />

auch nicht mehr allein auf die Bekämpfung von Kriminalität ausgerichtet<br />

und auf Polizei und Gerichte beschränkt, sondern finden sich<br />

in den Agenturen für Arbeit, Jobcentern, sozialpädagogischen Ein-

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