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Mein Bewusstsein versteht davon nichts

Ich konnte noch träumen. Das war doch auch etwas Schönes. Natürlich musste ich mich sofort näher erkundigen. Sonja hieß sie, war verheiratet und hatte ein Kind, dass sie nach ihrem Examen bekommen hatte. Wenn sie es als Historikerin geschafft hatte, im Wissenschaftsbetrieb zu bleiben, musste sie schon eini­ges vorzuweisen haben. Ihre Dissertation wollte ich mir mal ansehen. Jetzt schrieb sie an ihrer Habilitation, wollte also Professorin werden. Entsetzlich, warum musste diese Frau für mich so unerreichbar sein? Wenn sie wüsste, wie glücklich sie mich machen würde, dachte ich und musste über meine eigene Idiotie lachen. Meine liebe Guilia, ich habe dich so lieb, aber jetzt muss ich ein­fach an Sonja denken. In meinen Gedanken bewegte sich Frau Dr. Lenhardt nur noch als Sonja. Natürlich war es völlig abstrus, an irgendeine Art von Be­ziehung zu denken, es war nur einfach ein Genuss, sie jede Woche zu hören. Im Laufe des Semesters hatte ich Sonja doch noch näher kennengelernt. Wir redeten uns sogar mit Vornamen an, aber plötzlich war sie verschwunden. Hatte sich wohl anderswo auf einen Lehrstuhl beworben. Auch wenn sie nicht mehr da war und ich sie voraussichtlich nie wiedersehen würde, aus meiner Gedanken- und Traumwelt würden die Bilder und Visionen von Sonja nie wieder verschwinden. Ob Eric Sonja doch wiedertraf und was sich daraus entwickelte, erzählt die Geschichte.

Ich konnte noch träumen. Das war doch auch etwas Schönes. Natürlich musste ich mich sofort näher erkundigen. Sonja hieß sie, war verheiratet und hatte ein Kind, dass sie nach ihrem Examen bekommen hatte. Wenn sie es als Historikerin geschafft hatte, im Wissenschaftsbetrieb zu bleiben, musste sie schon eini­ges vorzuweisen haben. Ihre Dissertation wollte ich mir mal ansehen. Jetzt schrieb sie an ihrer Habilitation, wollte also Professorin werden. Entsetzlich, warum musste diese Frau für mich so unerreichbar sein? Wenn sie wüsste, wie glücklich sie mich machen würde, dachte ich und musste über meine eigene Idiotie lachen. Meine liebe Guilia, ich habe dich so lieb, aber jetzt muss ich ein­fach an Sonja denken. In meinen Gedanken bewegte sich Frau Dr. Lenhardt nur noch als Sonja. Natürlich war es völlig abstrus, an irgendeine Art von Be­ziehung zu denken, es war nur einfach ein Genuss, sie jede Woche zu hören. Im Laufe des Semesters hatte ich Sonja doch noch näher kennengelernt. Wir redeten uns sogar mit Vornamen an, aber plötzlich war sie verschwunden. Hatte sich wohl anderswo auf einen Lehrstuhl beworben. Auch wenn sie nicht mehr da war und ich sie voraussichtlich nie wiedersehen würde, aus meiner Gedanken- und Traumwelt würden die Bilder und Visionen von Sonja nie wieder verschwinden. Ob Eric Sonja doch wiedertraf und was sich daraus entwickelte, erzählt die Geschichte.

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Opern für uns und gab viel Geld dafür aus. Sie war sonst auch gern in die Oper<br />

gegangen, aber der Virus hatte sie erst richtig durch meine überschwängliche<br />

Freude befallen. <strong>Mein</strong>e erste Oper mit einer bekannten, großen Sängerin war<br />

im Urlaub 'Carmen' mit Teresa Berganza. Ob es mehr an der Oper lag oder<br />

mehr an Teresa Berganza, das konnte ich nicht festmachen, jedenfalls blieb<br />

'Carmen' bei mir für lange Zeit die Sensation. Nicht nur von der Musik und den<br />

wundervollen Stimmen waren mein Kopf und mein Herz voll, auch vieles von<br />

den oft skurrilen Geschichten und Texten hatte sich mir eingeprägt, lag mir<br />

leicht auf der Zunge, und manches konnte ich fast ganz auswendig. Als Kind<br />

lernst du eben leichter und mit Musik geht’s noch einmal viel schneller. Ein<br />

Mädchen, das Elisa hieß, und die ich schon ganz nett fand, musste ich<br />

trotzdem immer als Elsa von Brabant titulieren. „Eric, warum nennst du mich<br />

so? Du bist doch sonst ganz o. k., warum musst du mich immer ärgern?“ fragte<br />

sie. Ich erklärte ihr, dass es sich dabei eher um anerkennende<br />

Ehrenbezeichnung handle. Obwohl ich sie ja keineswegs deshalb so genannt<br />

hatte, sondern einfach aus Jux, wollte sie es genau erklärt haben und staunte<br />

nur, nicht über Elsa sondern über mich. Fast die gesamte Schulzeit über<br />

blieben wir eng befreundet.<br />

Das tumbe Ohr<br />

Wir schenken unseren Ohren viel zu wenig Beachtung. Erklären sie sogar zu einem<br />

begrenzten Wahrnehmungsorgan, wenn man sie mit den Hörleistungen<br />

mancher Tiere vergleicht, aber das ist ja bei unseren Augen nicht anders. Nur<br />

wenn wir jemanden sehen, wissen alle, dass wir uns sofort ein Bild von der<br />

Person machen. Beim Hören ist das keineswegs anders. Die Stimme ruft genauso<br />

Assoziationen zu Charakteren wach, zu der sie uns als passend erscheinen.<br />

Wir können nicht mit jemandem zusammenleben, dessen Geruch wir nicht<br />

ertragen, unsere Augen darf sein Anblick nicht kränken, aber für mich ist eindeutig<br />

das Vordringliche, welchen Eindruck die Stimme meiner Freundin auf<br />

mich macht. Darin sehe ich das Bild von ihr, auch wenn es später etwas zu korrigieren<br />

gilt. Automatisch geschieht das so. Die schöne Stimme einer Frau regt<br />

von ganz allein mein Sympathieempfinden an. Bei manchen Rundfunksendern<br />

scheinen fast nur wundervolle Frauen zu arbeiten. Manchmal kann es ein Genuss<br />

sein, sie nur die Nachrichten sprechen zu hören. Wie wir bei unseren Augen<br />

immer nur das sehen, was wir sehen wollen, selektieren unsere Ohren<br />

ebenso. Neben dem trüben Blick, der nicht viel erkennt, gibt es noch viel häufiger<br />

das tumbe Ohr, das unsensibel ist, Differenzen nicht wahrnimmt und mit<br />

dem Gehörten nicht viel anzufangen weiß. Für wie unbedeutend die Menschen<br />

den Klang ihrer Stimme halten, mag auch daran ersichtlich sein, dass es kaum<br />

originäre Bezeichnungen gibt, alles sind übertragene oder entlehnte Begriffe.<br />

Eine Stimme klingt hart oder sanft, rau oder warm, hundert Bezeichnungen<br />

aber im Grunde alle metaphorisch.<br />

<strong>Mein</strong> <strong>Bewusstsein</strong> <strong>versteht</strong> <strong>davon</strong> <strong>nichts</strong> – Seite 4 von 31

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