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Alexa Jung und schön durch Liebe

„Es ist so wunderschön heute Abend. Viel zu schade, um schon nach Hause zu gehen. Sollen wir noch etwas essen?“ fragte sie mich auf der Rückfahrt. „Eigentlich möchte ich viel lie­ber etwas trinken.“ sinnierte sie „Constantin,“ sagte sie plötzlich fast würde­voll, „du hast noch Ferien und ich habe ein Wochenendhaus. Da gibt es etwas zu trinken.“ Sie fragte gar nicht, ob wir dort hinfahren sollten, und ich sagte auch nichts dazu. An der nächsten Ecke bog sie ab und fuhr auf die Autobahn. „Schalten wir unsere Handys aus, dann kann uns niemand finden, dann sind wir verschollen, in ei­nem anderen Land.“ meinte Alexa. „Oder auf einem ande­ren Stern vielleicht?“ fragte ich. „Ja, schon eher. Jetzt reisen wir durch die Ga­laxis, nicht wahr?“ suchte Alexa meine Bestätigung. Die Besonderheit der Si­tuation hatte schon dazu geführt, dass wir nur mit gedämpfter Stimme spra­chen. Wir fuhren hier raus, damit Alexa ein Glas Wein trinken konnte? Wohl kaum. Aber was sonst? Das war keinem von uns beiden klar. Sobald wir das Haus betreten hatten, schienen wir es aber zu wissen.

„Es ist so wunderschön heute Abend. Viel zu schade, um schon
nach Hause zu gehen. Sollen wir noch etwas essen?“ fragte
sie mich auf der Rückfahrt. „Eigentlich möchte ich viel lie­ber
etwas trinken.“ sinnierte sie „Constantin,“ sagte sie plötzlich
fast würde­voll, „du hast noch Ferien und ich habe ein
Wochenendhaus. Da gibt es etwas zu trinken.“ Sie fragte
gar nicht, ob wir dort hinfahren sollten, und ich sagte auch nichts
dazu. An der nächsten Ecke bog sie ab und fuhr auf die Autobahn.
„Schalten wir unsere Handys aus, dann kann uns niemand finden,
dann sind wir verschollen, in ei­nem anderen Land.“ meinte Alexa.
„Oder auf einem ande­ren Stern vielleicht?“ fragte ich. „Ja,
schon eher. Jetzt reisen wir durch die Ga­laxis, nicht wahr?“
suchte Alexa meine Bestätigung. Die Besonderheit der Si­tuation
hatte schon dazu geführt, dass wir nur mit gedämpfter Stimme
spra­chen. Wir fuhren hier raus, damit Alexa ein Glas Wein
trinken konnte? Wohl kaum. Aber was sonst? Das war keinem
von uns beiden klar. Sobald wir das Haus betreten hatten,
schienen wir es aber zu wissen.

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Evimad<br />

<strong>Alexa</strong><br />

<strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong><br />

Widerspenstigkeit, Nonkonformismus<br />

<strong>und</strong> Renitenza<br />

Erzählung<br />

L'âge ne vous protège pas des dangers de l'amour.<br />

Mais l'amour, dans une certaine mesure,<br />

vous protège des dangers de l'âge.<br />

Jeanne Moreau<br />

„Es ist so w<strong>und</strong>erschön heute Abend. Viel zu schade, um schon<br />

nach Hause zu gehen. Sollen wir noch etwas essen?“ fragte<br />

sie mich auf der Rückfahrt. „Eigentlich möchte ich viel lieber<br />

etwas trinken.“ sinnierte sie „Constantin,“ sagte sie plötzlich<br />

fast würdevoll, „du hast noch Ferien <strong>und</strong> ich habe ein<br />

Wochenendhaus. Da gibt es etwas zu trinken.“ Sie fragte<br />

gar nicht, ob wir dort hinfahren sollten, <strong>und</strong> ich sagte auch nichts<br />

dazu. An der nächsten Ecke bog sie ab <strong>und</strong> fuhr auf die Autobahn.<br />

„Schalten wir unsere Handys aus, dann kann uns niemand finden,<br />

dann sind wir verschollen, in einem anderen Land.“ meinte <strong>Alexa</strong>.<br />

„Oder auf einem anderen Stern vielleicht?“ fragte ich. „Ja,<br />

schon eher. Jetzt reisen wir <strong>durch</strong> die Galaxis, nicht wahr?“<br />

suchte <strong>Alexa</strong> meine Bestätigung. Die Besonderheit der Situation<br />

hatte schon dazu geführt, dass wir nur mit gedämpfter Stimme<br />

sprachen. Wir fuhren hier raus, damit <strong>Alexa</strong> ein Glas Wein<br />

trinken konnte? Wohl kaum. Aber was sonst? Das war keinem<br />

von uns beiden klar. Sobald wir das Haus betreten hatten,<br />

schienen wir es aber zu wissen.<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 1 von 22


<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Inhalt<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong>.................................................4<br />

Elternhäuser................................................................................... 4<br />

Lara................................................................................................ 4<br />

Steuerberatung..............................................................................5<br />

Five O'Clock Tea............................................................................. 8<br />

Constantin <strong>und</strong> <strong>Alexa</strong>......................................................................8<br />

Berührungen...................................................................................9<br />

Oper <strong>und</strong> Konzert.........................................................................10<br />

Namenlos..................................................................................... 11<br />

Reise <strong>durch</strong> die Galaxis.................................................................12<br />

Trennung...................................................................................... 13<br />

Ausweinen.................................................................................... 14<br />

Soll ich ein Negligé anziehen?......................................................15<br />

Ich weiß nicht wer ich bin............................................................17<br />

Festtage....................................................................................... 18<br />

Keine Braut im tollen Kleid........................................................... 19<br />

Schutz vor den Gefahren des Alters..............................................20<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 2 von 22


<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong><br />

Elternhäuser<br />

Die meisten Paare leben in Wohnungen, wenn sie aber Kinder bekommen sind<br />

sie ein Haus, ein Elternhaus. Wie Reihenhäuser, Einfamilienhäuser <strong>und</strong> so weiter<br />

gibt es auch unter den Elternhäusern die unterschiedlichsten Typen. Ich bin<br />

in einem wohlbehüteten Elternhaus aufgewachsen. Bei Mittelschicht- oder<br />

Oberschichtelternhäusern ist das häufig der Fall, aber auch hier kann das Elternhaus<br />

zerrüttet sein. Bei Prekären oder Unterschichtelternhäusern ist es<br />

nicht selten so. Die Kinder sind die Leidtragenden, weil ihnen viele Chancen,<br />

Möglichkeiten <strong>und</strong> Angebote, die andere haben, fehlen, <strong>und</strong> weil sie schon früh<br />

mit außergewöhnlichen Problemen belastet werden. Wenn sie zur Schule kommen,<br />

liegt ihr Bildungstand oft weit hinter dem der anderen Kinder zurück, <strong>und</strong><br />

im Verhalten zeigen sie nicht selten Auffälligkeiten. Sie sind es, die man nach<br />

kurzer Zeit von den regulären Schulen aussondert <strong>und</strong> zu Spezialschulen<br />

schickt, weil sie angeblich dort eine besondere Förderung erhalten. Dass diese<br />

Förderung an den Sonderschulen noch nie etwas Besonderes bewirkte <strong>und</strong> die<br />

benannten Defizite beseitigte, hätte man schon immer feststellen können. Es<br />

war aber verboten, um das bequeme System des Religierens nicht zu gefährden.<br />

Pädagogisch war es vom Gr<strong>und</strong>ansatz her immer widersinnig, <strong>durch</strong> Aussonderung<br />

den Weg zur Gemeinschaft finden zu wollen. Das wollte aber niemand<br />

von den in Sonderpädagogik involvierten hören. Die Gedanken Franco<br />

Basaglias, der in Italien die Situation der Ausgeschlossenen in den Psychiatrischen<br />

Anstalten analysierte, <strong>und</strong> deren Aufhebung bewirkte, sorgten auch dafür,<br />

dass in Italien das Sonderschulwesen aufgelöst wurde.<br />

Ich hatte Sonderpädagogik studiert <strong>und</strong> mich besonders für die, wie man es<br />

nannte 'Pädagogik der Geistigbehinderten' interessiert, wegen der basalen Formen<br />

menschlichen Lernens, mit denen sich kein Lehrer mehr beschäftigen<br />

musste, weil sie selbstverständlich schon im Kleinkindalter zu Hause vermittelt<br />

worden waren. Von Spracherwerb bis Mengenauffassung, Räumlichkeitsvorstellungen<br />

<strong>und</strong> Zeitverständnis, der gesamte Bereich der Wahrnehmung <strong>und</strong> Kognition<br />

wären mein Gebiet, hatte ich gedacht. Tatsächlich fehlte den Kindern in<br />

der Schule vieles, eine Reihe hatte auch diagnostizierte Krankheiten, aber über<br />

achtzig Prozent schienen schlicht frühkindlich verwahrlost zu sein, kamen aus<br />

diesen sogenannten prekären Elternhäusern, in denen niemand zu wissen schien<br />

oder geben konnte, was das Kind gebraucht hätte.<br />

Lara<br />

Bei Lara war das aber alles ganz anders. Sie hatte Trisomie 21 beziehungsweise<br />

ein Down Syndrom, konnte aber bereits lesen, als sie zur Schule kam. Andere<br />

Schülerinnen oder Schüler mit Down Syndrom, die lesen konnten, gab es<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 3 von 22


an der Schule nicht. Beim Elternsprechtag war auch die Omi mitgekommen.<br />

Sie interessierte sich am meisten dafür, was wie gelernt werden solle. Was wir<br />

machen würden, waren für Lara Kleinigkeiten, die sie selbstverständlich längst<br />

beherrschte. Neu würde für sie die Erfahrung sein, mit den anderen neun<br />

ungewöhnlichen Kindern zusammen zu sein. Der Omi war es gelungen, Lara in<br />

einem normalen Kindergarten bei ihnen direkt in der Nähe unterzubringen. Ein<br />

einzelner Sonderfall. Von Integration oder gar Inklusion hatte noch niemand<br />

etwas gehört. Ich allerdings schon, wusste dass es in Hamburg <strong>und</strong> Berlin<br />

Elterninitiativen gab <strong>und</strong> brachte im Personalrat das Gespräch darauf. Dem<br />

Schulrat schien das auch völlig unbekannt. Eine Sitzung später hatte er sich<br />

k<strong>und</strong>ig gemacht, sprach von der 'italienischen Seuche' <strong>und</strong> wie stolz wir auf<br />

unser deutsches Sonderschulsystem sein könnten. Ich fragte Laras Eltern,<br />

warum sie ihr Kind nicht bei einer anderen Schule angemeldet hätten. „Wo<br />

denn?“ fragte die Omi, „An einer Schule für Lernbehinderte etwa, wo sich die<br />

Prollkinder versammeln <strong>und</strong> raueste Sitten in großen Klassen herrschen?<br />

Normale Gr<strong>und</strong>schule das schafft sie nicht, auch wenn sie schon lesen kann.<br />

Nach einigen Wochen wäre sie sowieso hierher gekommen.“ Ich ließ mir noch<br />

erklären, wo sie Laras Förderbedarfe sähen. Das wusste alles am besten die<br />

Omi.<br />

Steuerberatung<br />

Die Omi sei ihre aller, aller beste Fre<strong>und</strong>in, noch besser als Violetta, die<br />

Hausangestellte ihrer Eltern, ließ mich Lara wissen. Frau Langenbach, Laras aller,<br />

allerbeste Fre<strong>und</strong>in kam sie auch öfter von der Schule abholen. Wir wechselten<br />

immer ein paar Worte, <strong>und</strong> sie fragte mich, ob ich es für richtig hielte,<br />

dass sie Lara abhole. „Für absolut richtig, Frau Langenbach.“ meinte ich dazu,<br />

„Tun sie das so oft wie nur eben möglich. Ich halte diese Schulbusse so, wie<br />

das jetzt läuft, für ein Übel.“ Frau Langenbach grinste. Sie kam jetzt jeden<br />

Nachmittag. „Brauchen sie denn gar nicht zu arbeiten?“ fragte ich sie mal im<br />

Scherz. „Ich lasse arbeiten, Herr Berger.“ reagierte sie lächelnd. „Die Mädels<br />

sind so gut, die schaffen das auch ohne mich. Ich habe eine Steuerberatungspraxis,<br />

<strong>und</strong> mit drei<strong>und</strong>sechzig habe ich doch wohl ein wenig Altersteilzeit verdient.<br />

Ich mache für mich nur noch Vormittagstermine. Da habe ich auch noch<br />

genug zu tun.“ „Lara mag sie ja äußerst gern. Die anderen freuen sich darüber,<br />

dass die Schule aus ist, aber Lara freut sich darauf, dass sie kommen.“ erklärte<br />

ich. „Ja, sie liebt mich ohne Ende.“ meinte Frau Langenbach, „Wenn ich meinen<br />

Fre<strong>und</strong> mal ärgern will, sage ich ihm: „Du liebst mich nicht richtig. Lara liebt<br />

mich viel mehr.““ Das sei aber böse, meinte ich dazu. „Befassen sie sich denn<br />

auch mit Einkommensteuererklärungen von kleinen Lehrern?“ fragte ich mehr<br />

im Scherz. „Ja selbstverständlich, wir haben sogar einfache Arbeiter. Wollen Sie<br />

zu mir kommen? Ich bin aber nicht billig.“ antwortete Frau Langenbach <strong>und</strong><br />

lachte. Ich sei mit meiner derzeitigen Steuerberaterin nicht sehr zufrieden.<br />

„Wenn ich sie auf Einsparungsmöglichkeiten aufmerksam machen muss, was<br />

sie da wohl noch alles übersieht, von dem ich nichts weiß?“ erläuterte ich. Mittwoch<br />

morgens hatte ich keinen Unterricht, <strong>und</strong> für die übernächste Woche<br />

machten wir einen Termin aus. Eigentlich überflüssig. Frau Langenbach gab mir<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 4 von 22


nur ein Formular, auf dem sie angekreuzt hatte, welche Unterlagen sie von mir<br />

brauche. Das hätte sie mir auch zur Schule mitbringen können. Einige erläuternden<br />

Worte sprach sie dazu, <strong>und</strong> dann redeten wir zunächst über Lara. „Ich<br />

habe meine Tochter wegen ihrer ethisch moralischen Einstellung richtiggehend<br />

bew<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> verehrt. Ich selbst hätte das nicht gekonnt. Mir wäre die Unsicherheit<br />

zu groß <strong>und</strong> die lebensverändernden Bedingungen zu stark erschienen.<br />

Jetzt liebe ich sie, was wären wir denn ohne unsere Lara. Sie ist eine absolute<br />

Bereicherung unseres Lebens, nur meine Tochter kümmert sich gar nicht<br />

um sie. Nein, das ist das falsche Wort. So kann man das nicht sagen. Sie ist<br />

immer fre<strong>und</strong>lich, für alles aufgeschlossen <strong>und</strong> liebt Lara ohne Zweifel, aber<br />

das Perspektivische scheint sie nicht zu interessieren. Ich habe mich schon vor<br />

Laras Geburt darin vertieft, bin fast zur Expertin für Trisomie-Kinder geworden.<br />

Dass sie tatsächlich lesen kann, ist mehr ein Glücksfall. Der Leselernprozess<br />

fördert primär differenzierte Wahrnehmungsfähigkeiten im visuellen, auditiven<br />

<strong>und</strong> sprachlichen Bereich, darum ging's. In den Bereichen lagen unsere Spiele,<br />

die Lara immer wieder spielen wollte. Anerkennung sucht sie wie jedes andere<br />

Kind, wie jeder andere Mensch auch. Anerkennung geben heißt <strong>Liebe</strong> schenken.“<br />

erklärte Frau Langenbach. „In der Tat, mit diesen ungeliebten oder zu<br />

wenig geliebten Kindern ist unsere Schule gut versorgt.“ meinte ich dazu. „Haben<br />

sie selbst auch Kinder?“ wollte Frau Langenbach wissen. „Sie sprechen mit<br />

einem jungen Menschen, Frau Langenbach, da ist noch nicht alles geklärt <strong>und</strong><br />

einiges <strong>durch</strong>einander. Im Prinzip würde ich schon gerne mit Kindern leben,<br />

aber meine Fre<strong>und</strong>in ist noch jünger <strong>und</strong> zur Zeit möchte sie es auf keinen Fall.<br />

Darüber hinaus sind wir auch noch nicht sehr lange zusammen, <strong>und</strong> eigentlich<br />

habe ich gr<strong>und</strong>sätzlich keine Lust auf Kleinfamilie.“ meinte ich. „Nachvollziehen<br />

kann ich das schon.“ Frau Langenbach darauf. „Ich habe meinen Mann ja auch<br />

mit drei<strong>und</strong>vierzig fortgejagt. Ich wusste einfach nicht mehr, was ich mit ihm<br />

sollte. Er war ein Produkt meiner alten Welt, <strong>und</strong> damit hatte ich mittlerweile<br />

nichts mehr zu tun.“ „Meine alte Welt war bisher, in einer Wohngemeinschaft<br />

zu leben. Der trauere ich nach. Ich wohne zum ersten mal allein.“ erklärte ich.<br />

„Das kann ich gut verstehen, aber letztendlich bleibt sie auch etwas Äußerliches.<br />

Ihr eigenes Leben zu finden <strong>und</strong> zu leben, kann sie ihnen nicht abnehmen.“<br />

war Frau Langenbachs Ansicht. „Wie meinen sie das, <strong>und</strong> was verstehen<br />

sie darunter?“ bat ich um Erläuterung. „Na ja, es gibt so eine Art Mehrheitsmeinung,<br />

auf der fast alles basiert <strong>und</strong> deren Hauptmedium die Bildzeitung ist.<br />

Das wird als Common Sense, als ges<strong>und</strong>er Menschenverstand angesehen, nur<br />

das gibt es nicht. Es gibt keine neutralen, objektiven Bilder <strong>und</strong> Meinungen, die<br />

nicht immer auf irgendwelchen Interessen beruhen. Daran habe ich, wie die<br />

meisten wohl auch, mein Leben orientiert. Mit vierzig etwa viel mir auf, dass es<br />

eine <strong>Alexa</strong>ndra selbst eigentlich gar nicht gebe, dass ich nur eine gedankenlose<br />

Hülle, ein Abklatsch dieses Mainstreams sei. Ich wollte heraus bekommen, wer<br />

ich selber wäre, wollte mich selber finden, aber ich wusste gar nicht, wo ich suchen<br />

sollte. Ich habe einfach angefangen, mich selbst zu fragen, ob ich etwas<br />

mache, weil man das so tut oder ob ich es mache, weil es mir selbst gefällt.<br />

Am Anfang ist es sehr schwer, denn sie denken immer, dass die Mainstreamansichten<br />

das wären, was ihnen auch gefiele. Sie müssen sich tatsächlich intensiv<br />

selber suchen. Mit den Klamotten hat es bei mir angefangen. Da ist es ja noch<br />

ziemlich leicht. Dass sie diese biederen Kostümchen nicht tragen, weil sie mo-<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 5 von 22


disch ihre Lust befriedigen, ist evident. Aber was? Was gefällt ihnen denn, was<br />

passt denn zu ihnen, wenn sie gar nicht wissen, wer sie sind. So hat sich das<br />

immer weiter entwickelt. Alles wurde geprüft <strong>und</strong> kritisch hinterfragt, in meinem<br />

Kopf wurde alles umgekrempelt <strong>und</strong> Mengen an Meinungsmüll entsorgt.<br />

Sehr schnell war ich schon ein anderer Mensch geworden, aber es ist ein Prozess,<br />

der nicht endet <strong>und</strong> nie enden sollte. Aber sie erwecken auch nicht den<br />

Anschein völlig dem Mainstream verfallen zu sein.“ erklärte Frau Langenbach<br />

lächelnd. „In bin ein Ausb<strong>und</strong> an Widerspenstigkeit, Nonkonformismus <strong>und</strong> Renitenza.“<br />

meinte ich <strong>und</strong> wir beide lachten. „In der Schule? Da tanzen sie über<br />

die Tische, anstatt den Schülern etwas beizubringen, so etwa?“ Frau Langenbach.<br />

„Das ist ein Ausdruck meiner psychischen Verfasstheit <strong>und</strong> nicht das<br />

blasse Bild, in dem sie die Erscheinungsform meines technologisierten Tagesverlaufs<br />

erkennen.“ reagierte ich. „Sie meinen, ich müsste genauer hinschauen,<br />

tiefer erkennen, dann würde für mich auch das in ihnen Verborgene sichtbar.<br />

Aber in der Tat, sie machen auf mich schon einen ungewöhnlichen Eindruck.<br />

Man oder ich erkennt das sofort, ob sie an der Oberfläche leben <strong>und</strong><br />

denken oder nicht. Sie erkennen tiefer. Ich bin außerordentlich froh, dass sie<br />

Laras Lehrer sind, nicht bloß, weil Lara sie mag.“ sagte Frau Langenbach. „Vielleicht<br />

sind das Residuen meiner Kindheit. Da wollte ich immer alles genau<br />

<strong>durch</strong>schauen. Wenn du ein Bonbon bekommst, dann schmeckt es süß im<br />

M<strong>und</strong>, <strong>und</strong> süß macht ein gutes Gefühl. Aber wenn deine Mutter sagt: „Ich hab'<br />

dich lieb, oder ich liebe dich.“, dann macht das auch ein gutes Gefühl, aber da<br />

ist nichts. Du siehst nichts, du schmeckst nichts <strong>und</strong> daran, dass es gut in deinen<br />

Ohren klingt, liegt es auch nicht. Da macht Musik oder wenn Mutter singt,<br />

ein gutes Gefühl. Ich wollte herausfinden, was meine Mutter genau meinte, wie<br />

sie mich dabei sah, vielleicht schenkte sie mir ja ein Bild, das ich genauso sah<br />

wie sie, ohne es zu wissen. Ich fragte sie tausend Fragen, sie lachte immer:<br />

„Ich liebe dich doch, Constantin.“ Ich bekam es nicht raus, wie <strong>Liebe</strong> schmeckt,<br />

riecht, sich anfühlt oder aussieht. Aber für meine Mutter stand fest, dass ich<br />

mal Philosophie studieren würde.“ erklärte ich. „Und wissen sie jetzt, wie <strong>Liebe</strong><br />

schmeckt, riecht <strong>und</strong> so weiter?“ scherzte Frau Langenbach. Ich grinste <strong>und</strong><br />

meinte: „Manchmal glaube ich das ein wenig. Aber wissen sie denn da Genaueres?“<br />

Frau Langenbach lachte: „Sie sind nicht nur ein guter Lehrer, sie gefallen<br />

mir auch. Sie sind ein Schelm. Aber diese Dinge sind nicht Gegenstand der<br />

Weisheit, die sich vielleicht bei manchem mit zunehmendem Alter entwickelt.<br />

Die <strong>Liebe</strong> gehört zu den allen Menschen innewohnenden Gr<strong>und</strong>bedürfnissen<br />

<strong>und</strong> ist immer da, auch bei ihnen schon, Herr Berger, trotz ihres jugendlichen<br />

Alters.“ scherzte Frau Langenbach. Ihr eigenes Lächeln wirkte häufig schelmisch<br />

<strong>und</strong> sie liebte es offensichtlich, mich mit einem verschmitzten Blick anzuschauen.<br />

Scheinbar hatte sie ja wohl etwas anderes intendiert, denn für die<br />

Überreichung eines Formulars hatte sie sich doch außerordentlich viel Zeit genommen.<br />

„Seine Steuern zu erklären gehört aber nicht zu diesen allen Menschen<br />

innewohnenden Gr<strong>und</strong>bedürfnissen, oder?“ fragte ich nach. „Eben nicht,<br />

deshalb fällt es vielen Menschen ja auch so schwer. Folglich gibt es auch wesentlich<br />

mehr Steuerberater als <strong>Liebe</strong>sberater.“ klärte mich Frau Langenbach<br />

auf. Zum ersten mal habe mir ein Gespräch mit meiner Steuerberaterin außerordentlich<br />

gut gefallen, sagte ich <strong>und</strong> Frau Langenbach bezog das gleiche auf<br />

mich als ihren K<strong>und</strong>en.<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 6 von 22


Ich meinte nach der sogenannten Steuerberatung eine Änderung unserer Gesprächsebene<br />

festzustellen. Lockerer <strong>und</strong> offener waren unsere kurzen Unterhaltungen,<br />

wenn Frau Langenbach Lara abholte. Meine Mutter habe ich immer<br />

für eine w<strong>und</strong>ervolle Frau gehalten. Als kleines Kind <strong>und</strong> auch jetzt noch, wobei<br />

es sich keineswegs um ödipale Residuen handelt. In vielfacher Hinsicht scheint<br />

sie für mich über den Dingen zu stehen, mich verblüfft ihre Offenheit <strong>und</strong><br />

Glaubwürdigkeit. Ich bin begeistert von ihr als Frau, auch wenn sie nicht meine<br />

Mutter wäre. In ihrem Wesen hatte Frau Langenbach viel Ähnlichkeiten mit ihr.<br />

Mit meiner Fre<strong>und</strong>in verstand ich mich gut, <strong>und</strong> ich selbst besaß sicher nicht<br />

den Durchblick <strong>und</strong> die Gelassenheit meiner Mutter, aber meine Fre<strong>und</strong>in kam<br />

mir oft sehr jugendlich vor, auch wenn sie nur zwei Jahre jünger war als ich.<br />

Five O'Clock Tea<br />

Frau Langenbach meinte, wenn man sage, dass das Auge mitesse, dann gehöre<br />

zu einem erfolgreichen Lernerlebnis genauso eine ansprechende Umgebung.<br />

„Na, wir haben doch schon alles nett <strong>und</strong> bunt gemacht.“ wies ich auf unseren<br />

Klassenraum hin. „Würden sie sich etwa so ihr Wohnzimmer einrichten?“ fragte<br />

Frau Langenbach. „Sie sollten mal eine Innenarchitektin konsultieren.“ „Wer<br />

soll das bezahlen?“ fragte ich darauf. „Wenn sie das wirklich wollen, könnte ich<br />

ihnen das wohl vermitteln.“ meinte Frau Langenbach. Die vielen bunten Plakate<br />

verwirrten eher, als dass sie konzentrationsfördernd wirkten <strong>und</strong> Leben vermittelten<br />

sie auch nicht. Ein großes Bild schlug sie vor <strong>und</strong> begründete es. Blumen<br />

könnten tatsächliches Leben vermitteln <strong>und</strong> Grün sei eine ausgezeichnete<br />

Farbe. Unser Klassenraum wurde umgestaltet mit zwei Blumenkübeln, für<br />

mehr reichte das Geld nicht. Dafür brachte Frau Langenbach öfter ein paar<br />

Sträußchen blühende Blumen mit. Drei weitere Kolleginnen arbeiteten auch in<br />

der Klasse. Natürlich freute sie das alles, <strong>und</strong> ohne Zustimmung des Teams<br />

konnte auch nichts verändert werden, aber Lara hatte eben eine besondere Position<br />

<strong>und</strong> alles lief über meine Beziehung zu Frau Langenbach. Das Verhältnis<br />

zu den Kolleginnen war distanzierter. Niemand äußerte sich dazu oder beklagte<br />

etwas, aber dem sozialen Klima unter uns war es nicht zuträglich. Als ob mir<br />

da<strong>durch</strong> eine herausgehobene Position zukäme, <strong>und</strong> die durfte in der Schule<br />

niemand haben. Eines Tages brachte Frau Langenbach zwei Stückchen Kuchen<br />

mit <strong>und</strong> meinte, das sei zum Five O'Clock Tea, die Engländer nähmen es mit<br />

der Zeit auch nicht mehr so genau, <strong>und</strong> außerdem tränke sie lieber einen Kaffee<br />

dazu. „Das ist sehr nett, Frau Langenbach, aber lassen sie uns das nicht<br />

wieder tun. Es könnte böses Blut unter den Kolleginnen geben.“ meinte ich<br />

dazu. „O. k., dann kommen sie mit zu mir, oder wir gehen in ein Café. Lara<br />

liebt das. Aber natürlich nur wenn sie mögen <strong>und</strong> Zeit dazu haben.“ reagierte<br />

Frau Langenbach darauf.<br />

Constantin <strong>und</strong> <strong>Alexa</strong><br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 7 von 22


„Nicht dass sie denken, ich lade sie ein, um sie positiv für Lara zu stimmen.“<br />

sagte Frau Langenbach als wir zum ersten mal im Café saßen, „Aber so einen<br />

Unfug glauben sie auch nicht, nicht wahr?“ „Na ja, mit allem was man tut, verfolgt<br />

man eine Absicht. Alles Handeln des Menschen geschieht kalkuliert.“<br />

meinte ich <strong>und</strong> lachte. Frau Langenbach sinnierte kurz <strong>und</strong> erklärte: „Sie haben<br />

im Allgemeinen schon Recht. Ich mag sie <strong>und</strong> unterhalte mich gern mit ihnen,<br />

es gefällt mir, <strong>und</strong> mein kalkulatorisches Ziel wird es sein, mir diesen Gefallen<br />

zu tun.“ Lara durfte sich ein Obststückchen aussuchen <strong>und</strong> nur das Obst essen.<br />

Darum ging's ihr auch, auf die trockenen Tortenböden war sie sowieso nicht<br />

erpicht. Wir gingen jetzt fast regelmäßig mittwochs nach der Schule ins Café.<br />

Schule <strong>und</strong> Lara waren kaum Thema, dafür alles, was uns sonst bewegte <strong>und</strong><br />

interessierte. Vor allem unterhielten wir uns viel über unsere Biografien, unser<br />

Leben, unsere Perspektiven <strong>und</strong> unsere Ansichten zu den verschiedensten<br />

Dingen. „Allmählich kommt mir das doch sehr kurios vor. Was wir alles<br />

voneinander wissen <strong>und</strong> wie wir miteinander reden, <strong>und</strong> ich erzähle das alles<br />

einem Herrn Berger <strong>und</strong> du einer Frau Langenbach, sonderbar nicht wahr? Mir<br />

wäre es lieber wenn Constantin mit <strong>Alexa</strong>ndra oder <strong>Alexa</strong> sprechen würde.<br />

Siehst du das auch so?“ fragte mich Frau Langenbach. „Und was ist dir lieber,<br />

<strong>Alexa</strong>ndra oder <strong>Alexa</strong>?“ reagierte ich. „Ich finde beides gut, nur die meisten<br />

nennen mich <strong>Alexa</strong>. Für Lara bin ich auch die Omi <strong>Alexa</strong>, ich glaube, die kennt<br />

<strong>Alexa</strong>ndra gar nicht.“ <strong>Alexa</strong> dazu. „In der Schule können wir uns ja weiter<br />

siezen, wenn dir das lieber ist.“ Nachdem wir uns einige male im Café mit den<br />

Vornamen <strong>und</strong> du angeredet hatten, gab es in der Schule beim Abholen<br />

manchmal leichte Verwirrungen. Ich musste mich konzentrieren. In meinem<br />

Kopf war eben aus der Frau Langenbach die <strong>Alexa</strong> geworden.<br />

Berührungen<br />

Ich erzählte <strong>Alexa</strong>, dass es anderswo Elterninitiativen mit Unterstützung von<br />

Wissenschaftlern <strong>und</strong> Schulräten gelungen sei, gemeinsamen Unterricht für behinderte<br />

<strong>und</strong> nicht behinderte Kinder einzurichten. „Ich seh' das ja auch so,<br />

Constantin. Die Lara gehört doch dazu, die ist doch eine von uns, genauso wie<br />

dicke Mädchen oder welche mit braunen Haaren. Das, was sie braucht, ist etwas<br />

von dem, was unsere Kinder brauchen. Es ist nichts Besonderes. So sind<br />

wir, <strong>und</strong> dazu gehört auch, das wir ein Down Syndrom haben. Dieses segregierende<br />

Denken schmerzt mich unendlich. Sie beklagen sich darüber, das ausländische<br />

Kinder nicht genügend integriert würden, <strong>und</strong> unter unseren eigenen<br />

betreiben wir Aussonderung.“ erklärte <strong>Alexa</strong> emphatisch <strong>und</strong> ihre Augen waren<br />

den Tränen nahe. Ich hätte sie gern in den Arm genommen, sie spüren lassen,<br />

wie gut ich sie verstehe, <strong>und</strong> dass ich genauso empfände wie sie, aber ich<br />

traute mich nicht. „Die Erwachsenen tun das. Als ob sie Lust dazu hätten, sagen<br />

sie: „Du gehörst nicht zu uns. Wegen eines bestimmten Merkmals gehörst<br />

du zu einer anderen Kaste.“ Und das betrifft immer die sowieso schon Benachteiligten.<br />

Das Sozialverhalten, andere auszuschließen, haben wir erlernt. Kinder<br />

kennen das nicht. Für sie gibt es so etwas nicht.“ meinte ich dazu. „Genau,<br />

genau.“ bestätigte mich <strong>Alexa</strong>. „Im Kindergarten waren die Erzieherinnen erstaunt,<br />

wie selbstverständlich die Beziehungen der anderen Kinder, die noch<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 8 von 22


nie ein Kind mit Down Syndrom erlebt hatten, zu Lara waren. Sie gehörte einfach<br />

dazu wie alle anderen auch.“ Jetzt musste ich <strong>Alexa</strong> doch einmal über den<br />

Rücken ihrer auf dem Tisch liegenden Hand streicheln. Unsere Blicke sagten,<br />

dass es uns beiden angenehm war, <strong>und</strong> unsere Mimik ließ es ein fre<strong>und</strong>lich<br />

wohlwollendes Lächeln formen. Wir hatten uns begrüßt <strong>und</strong> umarmt, aber so<br />

berührt hatte ich <strong>Alexa</strong> noch nie. Ich konnte auch nicht ausmachen, was es in<br />

mir war, das mich dazu bewegt hatte. Die berührte <strong>Alexa</strong> hatte in mir ein<br />

neues Bild bekommen. Dass wir uns mochten, daran gab es keinen Zweifel,<br />

aber die leichte Berührung stand wie eine Metapher dafür, dass wir eine<br />

Barriere überw<strong>und</strong>en hatten <strong>und</strong> uns plötzlich sehr viel näher gekommen<br />

waren. Eine Laune war es nicht, es war schon ernsthaft empf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> gefiel<br />

uns, aber perspektivisch war es bedeutungslos. <strong>Alexa</strong> hatte einen Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

ich eine Fre<strong>und</strong>in, <strong>und</strong> auch wenn ich <strong>Alexa</strong> gut leiden mochte, war sie doch<br />

sechs<strong>und</strong>dreißig Jahre älter als ich. Obwohl das keineswegs gestört, sondern<br />

unsere Gespräche eher belebt <strong>und</strong> befruchtet hatte. Wir liebten unsere<br />

gemeinsamen Gespräche, <strong>und</strong> ich war jetzt jemand, der in bestimmten<br />

Situationen gern ihre Hand streichelte <strong>und</strong> sie war eine Frau, die es sich gern<br />

gefallen ließ. Das hatte nicht nur unser Empfinden in den Händen beeinflusst,<br />

sondern wirkte sich auch auf unsere Blicke füreinander aus. Aber wer blickte<br />

sich denn da gegenseitig an? Zwei, denen es gefiel, dass sie einander gut<br />

leiden mochten. Oder war da doch mehr? Waren es eher die zwei Mitglieder<br />

einer Gang, die sich anblickten. Etwas Vertrautes, Familiäres, Verbindendes lag<br />

schon darin. Nur gute Bekannte konnten sie nicht mehr sein.<br />

Oper <strong>und</strong> Konzert<br />

Wir hatten oft über Musik gesprochen. <strong>Alexa</strong> schwärmte davon, die Sinfonien<br />

<strong>und</strong> Konzerte life zu erleben, hatte beschrieben, wie sie es erlebte, dass sie die<br />

Klangwelt dann oft wie im Rausch erfahre. <strong>Alexa</strong> ließ kein Konzert aus, <strong>und</strong><br />

auch wenn sie sich ganz in die Musik fallen ließ, nahm sie doch immer gern<br />

eine Fre<strong>und</strong>in oder Bekannte mit. Ihr Fre<strong>und</strong> war dazu nicht zu bewegen. „Hast<br />

du nicht mal Lust, dass wir beide ins Konzert gehen? Demnächst steht ein<br />

Mahler Abend an, mit Ausschnitten aus mehreren Werken.“ fragte <strong>Alexa</strong>. „Ja,<br />

natürlich, nichts lieber als das.“ stimmte ich emphatisch zu, „Aber nein, halt,<br />

ich komme nur mit, wenn du auch mal mit mir in die Oper gehst.“ erklärte ich<br />

scherzend <strong>und</strong> lachte. Ich hatte <strong>Alexa</strong> von meiner Vorliebe für Gesang erzählt,<br />

zu erklären versucht, warum ich von welchen Sängerinnen <strong>und</strong> Arien begeistert<br />

sei. Auch wenn sie interessiert gelauscht hatte, waren die Informationen über<br />

den Erzähler selbst dabei wohl größer, als der Gehalt seines verbalen Vortrags.<br />

„Du musst dich einfach offen darauf einlassen <strong>und</strong> es öfter erleben.“ hatte ich<br />

erklärt, ihr von meinem berauschenden ersten Opernbesuch <strong>und</strong> meiner Sucht<br />

nach schönen Frauenstimmen erzählt. Folglich stand zuerst der gemeinsame<br />

Mahlerabend an <strong>und</strong> später ein Opernbesuch. Sonst hatten wir nur im Café gesessen<br />

<strong>und</strong> gemeinsam geredet. Das taten wir auch weiterhin, nur hatten wir<br />

jetzt auch gemeinsame Erlebnisse. Wir sprachen darüber, was uns wie bewegt<br />

hatte, welche Bilder sich uns gezeigt hatten <strong>und</strong> welche Assoziationen geweckt<br />

worden waren. Wir öffneten uns tief füreinander <strong>und</strong> hatten Lust dazu. Wir<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 9 von 22


hörten nicht nur die gesagten Worte, den anderen dabei intensiv zu beobachten,<br />

sagte uns oft mehr über seine Persönlichkeit, <strong>und</strong> darüber konnten wir nie<br />

genug erfahren.<br />

Namenlos<br />

Wir unterhielten uns so häufig miteinander, <strong>und</strong> unsere Gespräche waren so<br />

tiefgehend, dass es schon bald keinen Menschen mehr gab, den ich so umfassend<br />

kannte <strong>und</strong> verstand, wie <strong>Alexa</strong>. „<strong>Alexa</strong>, wir sind uns ungewöhnlich nahe,<br />

verstehen uns tief, geben uns Freude <strong>und</strong> Wärme. Du bist der Mensch, den ich<br />

am besten kenne <strong>und</strong> der mein größtes Vertrauen hat. Was für einen Namen<br />

gibt es denn für unsere Beziehung? Sind wir nur gute Fre<strong>und</strong>e, oder ist es vielleicht<br />

sogar <strong>Liebe</strong>, was uns verbindet?“ fragte ich sie mal. <strong>Alexa</strong> sinnierte:<br />

„Constantin, es ist mir ziemlich gleichgültig, welchen Namen es dafür gibt. Alle<br />

Namen sind nur Verallgemeinerungen, damit man bei der Kommunikation in<br />

etwa ähnliche Vorstellungen hat. Das Bezeichnete selbst geben sie nie umfassend<br />

wieder. Wir wissen, wie unsere Beziehung ist, <strong>und</strong> sie ist gut so. Ob es<br />

einen Namen dafür gibt <strong>und</strong> welchen dann, das interessiert mich überhaupt<br />

nicht. Wir sind unsere Beziehung <strong>und</strong> benötigen keine trivialen Benennungen,<br />

um darüber kommunizieren zu können.“ Trotzdem hätte ich schon gern eine<br />

nähere Zuordnung zu den mir bekannten Kategorien gewünscht. Ich war eingenommen<br />

von <strong>Alexa</strong> <strong>und</strong> wartete schon genauso wie ihre Enkelin auf ihren<br />

nachmittäglichen Besuch. Das alberne 'Sie' war auch in der Schule längst verschw<strong>und</strong>en.<br />

Unsere Berührungsversuche hatten sich beträchtlich erweitert. In<br />

Oper <strong>und</strong> Konzert hielt man sich gegenseitig die Hand, man streichelte auch<br />

das Wänglein des anderen <strong>und</strong> gelegentlich gab es sogar einen leichten gegenseitigen<br />

Kuss auf die Lippen. Wir bedeuteten uns viel, ohne von <strong>Liebe</strong> oder Verliebtsein<br />

zu reden. Ich merkte wie wichtig <strong>und</strong> emotional erfassend mir die Beziehung<br />

zu <strong>Alexa</strong> war. Oft musste ich an sie denken, <strong>und</strong> es schien, dass mir<br />

unser Verhältnis wesentlich mehr gab <strong>und</strong> wichtiger war, als die Beziehung zu<br />

meiner Fre<strong>und</strong>in. Es kam mir vor, dass ich zu Hause öfter unzufrieden war <strong>und</strong><br />

mich zurück hielt, um Auseinandersetzungen mit meiner Fre<strong>und</strong>in zu vermeiden.<br />

Da <strong>Alexa</strong> ja eine alte Frau war, interessierte es meine Fre<strong>und</strong>in nicht, dass<br />

ich mit ihr öfter Opern <strong>und</strong> Konzerte besuchte. Auf den ersten Blick hätte ich<br />

<strong>Alexa</strong> auch als ältere Frau gesehen. Jetzt wusste ich es zwar, aber ich konnte<br />

sie so nicht mehr sehen. Meine Augen wollten die geliebte Fre<strong>und</strong>in sehen, das<br />

Bild von der alten Frau existierte nicht mehr. Das kannte ich von den Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schülern auch. Kinder, die du beim ersten Anblick wegen ihres hässlichen<br />

Aussehens bedauern möchtest, gibt es nach drei Tagen nicht mehr. Dann<br />

hast du ein wenig von ihnen kennengelernt <strong>und</strong> das ästhetisch missliche Äußere<br />

ist aus deinen Augen verschw<strong>und</strong>en. Neutrale Blicke gibt es nicht. Deine Augen<br />

wissen genau, was sie sehen wollen. Meine Augen wollten so oft wie möglich<br />

<strong>Alexa</strong> sehen. Tausend Dinge könnte ich aufzählen, was mich an <strong>Alexa</strong> erfreute<br />

<strong>und</strong> welche Assoziationen ihr Anblick in mir weckte, aber was es genau<br />

war, dass mir bei ihrem Anblick warm um's Herz wurde, konnte ich nicht ausmachen.<br />

Ich schlug vor, auch zusammen ins Kino zu gehen. Wir taten es auch<br />

einige male, nur <strong>Alexa</strong> ging nicht sehr gern ins Kino. Sie verlangte eine Garan-<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 10 von 22


tie, dass der Film sie auch bewege. Der erste Preis bei einem Festival war allein<br />

noch kein hinreichendes Argument. Sie wollte ihre Blicke nicht an überflüssige<br />

Bilderfluten verschwenden. Wir gingen lieber gemeinsam essen, ein Duett, in<br />

dem du dich abstimmst <strong>und</strong> doch deinen eigenen Part trägst. Ein w<strong>und</strong>ervolles<br />

kommunikatives Handeln <strong>und</strong> Erleben <strong>und</strong> wir machten uns immer wieder erneut<br />

einen Scherz ums Bezahlen. Im Allgemeinen empfand ich uns aber sehr<br />

zurückhaltend. Wir veranstalteten keine albernen <strong>Liebe</strong>sspielchen, sondern genossen,<br />

was uns tiefer als die Äußerlichkeiten bewegte.<br />

Reise <strong>durch</strong> die Galaxis<br />

Osterferien gab's im April, <strong>und</strong> die Temperaturen entsprachen eher denen im<br />

Juni. Der Barbier von Sevilla von Gioachino Rossini wurde in der Oper gegeben.<br />

<strong>Alexa</strong> hatte mich abgeholt. Das tat sie immer, wenn's in die Oper ging. Mit<br />

meinem Auto könne man zum Baumarkt fahren aber nicht in die Oper. Ich bezeichnete<br />

ihr Auto immer als Bugatti, das passe zu ihrem Schlitten. Ich kannte<br />

gar keinen Bugatti, wusste nicht einmal, ob sie überhaupt noch hergestellt<br />

wurden, nur dass es früher mal solche Rennwagen gab, wusste ich. <strong>Alexa</strong><br />

spielte immer die leicht Verärgerte, <strong>und</strong> reklamierte ihr Auto als ganz normales<br />

sicheres Fahrzeug. „<strong>Alexa</strong>, da bist du aber noch nicht bei dir selbst angekommen,<br />

sondern steckst in den Werbeprospekten der Autohersteller.“ versuchte<br />

ich sie weiter zu necken. „Und was meinst du, würde zu mir selber passen?“<br />

wollte sie von mir wissen. „Hm, etwas Ursprüngliches, etwas Natürliches, ein<br />

Landrover vielleicht?“ scherzte ich. „Eigentlich müsste ich dich jetzt vertrimmen.<br />

Meinst du, ich hätte gegen dich eine Chance? Bestimmt, du bist ja nur<br />

ein Schreibtischtäter.“ schätzte <strong>Alexa</strong> es ein. Unsere launige Stimmung blieb<br />

auch während der Oper erhalten. <strong>Alexa</strong> war ganz beseelt <strong>und</strong> glücklich. Gleich<br />

bei ihrem ersten Besuch hatte sie sich vom Opernvirus anstecken lassen. Besonders<br />

bei den italienischen Opern schmolz sie immer dahin <strong>und</strong> hatte anschließend<br />

nicht selten Tränen vor Glück in den Augen. „Es ist so w<strong>und</strong>erschön<br />

heute Abend. Viel zu schade, um schon nach Hause zu gehen. Sollen wir noch<br />

etwas essen?“ fragte sie mich auf der Rückfahrt. „Eigentlich möchte ich viel lieber<br />

etwas trinken.“ sinnierte sie „Constantin,“ sagte sie plötzlich fast würdevoll,<br />

„du hast noch Ferien <strong>und</strong> ich habe ein Wochenendhaus. Da gibt es etwas<br />

zu trinken.“ Sie fragte gar nicht, ob wir dort hinfahren sollten, <strong>und</strong> ich sagte<br />

auch nichts dazu. An der nächsten Ecke bog sie ab <strong>und</strong> fuhr auf die Autobahn.<br />

„Schalten wir unsere Handys aus, dann kann uns niemand finden, dann sind<br />

wir verschollen, in einem anderen Land.“ meinte <strong>Alexa</strong>. „Oder auf einem anderen<br />

Stern vielleicht?“ fragte ich. „Ja, schon eher. Jetzt reisen wir <strong>durch</strong> die Galaxis,<br />

nicht wahr?“ suchte <strong>Alexa</strong> meine Bestätigung. Die Besonderheit der Situation<br />

hatte schon dazu geführt, dass wir nur mit gedämpfter Stimme sprachen.<br />

Wir fuhren hier raus, damit <strong>Alexa</strong> ein Glas Wein trinken konnte? Wohl<br />

kaum. Aber was sonst? Das war keinem von uns beiden klar. Sobald wir das<br />

Haus betreten hatten, schienen wir es aber zu wissen. Wir fielen uns um den<br />

Hals <strong>und</strong> unsere Lippen blieben jetzt aufeinander. Die Zungen begannen miteinander<br />

zu spielen <strong>und</strong> wir küssten uns leidenschaftlich. Die alte Welt hatten<br />

wir hinter uns gelassen <strong>und</strong> mit ihr auch die Restriktionen, an die wir uns dort<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 11 von 22


geb<strong>und</strong>en sahen. <strong>Alexa</strong> holte Wein, sagte ein Wort dazu <strong>und</strong> schenkte ein. Eine<br />

sonderbare, fast andächtig gespannte Stimmung herrschte. Sonst redeten wir<br />

ununterbrochen, jetzt sagte niemand etwas. Wir saßen nebeneinander auf der<br />

Couch, blickten uns gegenseitig intensiv an <strong>und</strong> streichelten uns Gesicht <strong>und</strong><br />

Hände. Meine Fingerkuppen erforschten jede Pore der Haut von <strong>Alexa</strong>s Gesicht.<br />

Sie lächelte <strong>und</strong> formte ihren M<strong>und</strong> zum Küssen. Anschließend küsste ich ihre<br />

Wangen, die Nase, die Stirn, alles was ich von ihrem Gesicht erreichen konnte.<br />

Ich küsste ihren Hals, das Dekolleté <strong>und</strong> schob ihr Kleid über die Schulter, um<br />

sie auch dort zu küssen. „Constantin, das Kleid.“ sagte <strong>Alexa</strong> <strong>und</strong> lachte. Sie<br />

befürchtete wohl, ich würde etwas zerreißen. Ich hatte den Reisverschluss gef<strong>und</strong>en,<br />

zog ihn langsam runter, um mehr von ihrer Haut zu küssen. „Hier?“<br />

fragte <strong>Alexa</strong> „Komm mit.“ <strong>und</strong> wir gingen ins Schlafzimmer. <strong>Alexa</strong> zog ihr<br />

Abendleid aus, <strong>und</strong> wir warfen uns aufs Bett. Mit <strong>Alexa</strong> auf dem Bett liegen,<br />

sich umarmen, aneinander drücken <strong>und</strong> küssen, welcher Stern konnte das nur<br />

sein? Ich wollte ihre Haut spüren, mehr von <strong>Alexa</strong>s Haut. Meine Hand wühlte<br />

unter ihrem Hemdchen. „Zieh du auch etwas aus.“ sagte sie zu mir. Wir befühlten,<br />

streichelten <strong>und</strong> küssten alles, was uns vom anderen zugänglich war. Als<br />

ich <strong>Alexa</strong> den BH öffnen wollte, schaute sie mich mit fragenden Augen an, sagte<br />

aber nichts. Ich nickte, als ob sie gefragt hätte: „Muss das sein?“, aber ich<br />

war zu dumm, um ihn mit einer Hand zu öffnen. Wir lächelten nur. Auch jetzt<br />

herrschte diese andächtige, fast weihevolle Stimmung, in der niemand etwas<br />

sagte. Als wir endlich alles ausgezogen hatten, <strong>und</strong> <strong>Alexa</strong> nackt in meinen Armen<br />

lag, trafen sich unsere Blicke, in denen ein Gemisch aus wonnevoller<br />

Spannung lag. <strong>Alexa</strong> streichelte sanft meine Wange <strong>und</strong> flüsterte zärtlich:<br />

„Ganz leise <strong>und</strong> behutsam, Constantin, nicht war?“ <strong>und</strong> schmiegte sich an<br />

mich. Wir, die wir uns bislang nur vorsichtig gestreichelt hatten, gaben uns gegenseitig<br />

voll. Zwischen<strong>durch</strong> küssten wir uns immer wieder, konnten es beide<br />

nicht fassen. <strong>Alexa</strong> wandte ihr Gesicht zu mir. Schweißgebadet strahlte sie<br />

mich glückselig <strong>und</strong> ein wenig schelmisch an. Verschwitzt <strong>und</strong> beschmiert blieben<br />

wir einfach selig beieinander liegen, küssten uns noch ein paar mal, streichelten<br />

einander wonnevoll <strong>und</strong> schliefen dabei langsam ein. Am nächsten<br />

Morgen das gleiche, Lächeln, Anschauen, Zärtlichkeiten. „<strong>Alexa</strong>, warum sagen<br />

wir eigentlich nichts?“ wollte ich mich erk<strong>und</strong>igen. „Wird das Glück da<strong>durch</strong><br />

größer, in dem man es zerredet?“ bekam ich zur Antwort. „Wir werden also<br />

heute vornehmlich schweigend genießen, ja? Und heute Abend, werden wir da<br />

auch noch verschollen sein?“ fragte ich. „Möchtest du gerne? Aber es wird nicht<br />

das gleiche sein. Das Erlebnis der letzten Nacht können wir nicht wiederholen.<br />

Vielleicht würde es ja auch schön, aber anders. Gefühle gibt es immer nur einmal.<br />

Du kannst sie nicht wiederholen. Es ist jedes mal etwas Neues.“ erklärte<br />

<strong>Alexa</strong>. „Vielleicht lieber ein anderes mal, wenn sich wieder eine Gelegenheit ergibt?<br />

Dann bleibt es auch eher etwas Besonderes.“ schlug <strong>Alexa</strong> vor. „<strong>Alexa</strong>,<br />

ich möchte es immer. Das Besondere wäre, wenn du jeden Abend mit mir ins<br />

Bett gingest.“ meinte ich dazu. Doch das war so fern jeder Realität <strong>und</strong> brachte<br />

uns nur zum Lachen <strong>und</strong> mir eine Umarmung von <strong>Alexa</strong> ein. Es war so denkwürdig<br />

<strong>und</strong> so heilig, was wir zelebriert hatten, dass jedes Wort tatsächlich gestört<br />

hätte, aber auf der Rückfahrt schienen wir aus unserer Andacht befreit.<br />

Wir versuchten, die Arien des Barbiers nachzusingen <strong>und</strong> übten uns auch in<br />

anderen Gesängen. Den Barbier von Sevilla hatte ich auch zum ersten mal auf<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 12 von 22


Deutsch gehört. CDs italienischer Opern legt man sich natürlich auf italienisch<br />

zu. Weltberühmte Sängerinnen <strong>und</strong> Sänger singen das Gott lob nicht auf<br />

Deutsch. Nur behält man das bis auf zwei Anfangssätze immer so schlecht.<br />

<strong>Alexa</strong> meinte, sie wisse nicht, wann sie zum letzten mal gesungen habe, mit<br />

Lara Kinderliedchen schon, aber sonst müsse das in ihrer eigenen Kinder- oder<br />

Jugendzeit liegen.<br />

Trennung<br />

Innigste endlose Verabschiedung, als <strong>Alexa</strong> mich vor meiner Wohnung raus<br />

ließ. Meine Fre<strong>und</strong>in war anwesend <strong>und</strong> wollte wissen, wo ich gewesen sei.<br />

Jetzt etwas erfinden <strong>und</strong> sie belügen, das mochte ich mir selbst gegenüber<br />

nicht, aber es ihr sagen? Selbstverständlich, warum denn nicht? Ewig verschweigen,<br />

dass ich <strong>Alexa</strong> liebte, würde ich sowieso nicht. „Das ist nicht wahr.<br />

Constantin, sag das das nicht wahr ist.“ entfuhr es ihr entrüstet. Vor Entsetzen<br />

schienen ihr weitere Worte zu fehlen. Dann fragte sie noch kurz etwas, <strong>und</strong><br />

meinte, sie müsse jetzt erst mal gehen, wir redeten noch darüber. Bestimmt<br />

schockierte es sie enorm, denn unsere Beziehung kam mir nicht gleichwertig<br />

vor. Sie liebte mich sehr, das wusste ich wohl, während ich ein wenig zurückhaltender<br />

war. Jetzt hatte ich sie bestimmt verloren, was wollte sie mit einem<br />

Fre<strong>und</strong>, der lieber mit alten Damen ins Bett zu gehen schien. Nur so war es ja<br />

nicht. Es war <strong>Alexa</strong>, bei der es gleichgültig war, ob sie sich schon in fortgeschrittenen<br />

Alter befand oder in jugendlicher Blüte. Einer anderen älteren Frau<br />

hatte ich noch nie nachgeschaut, oder mich bewogen gefühlt, ihr Avancen zu<br />

machen. Dass Alter spielt keine Rolle, wenn du dich liebst, aber das kann wohl<br />

nur der <strong>Liebe</strong>nde selbst nachvollziehen. Jeanine, meine Fre<strong>und</strong>in jedenfalls<br />

nicht. Sie verglich es immer für sich <strong>und</strong> einen älteren Mann <strong>und</strong> hielt es für<br />

unvorstellbar. „Jeanine, es geht nicht um einen älteren Mann oder eine ältere<br />

Frau, es geht um den Menschen <strong>Alexa</strong>ndra, bei der das Alter schon völlig irrelevant<br />

war, bevor ich wusste, dass ich sie liebte. Das Alter siehst du zuerst,<br />

<strong>und</strong> nur das Alter, aber wenn die Beziehung tiefer ist, zeigt es sich dir nicht<br />

mehr. Deine Augen wollen den geliebten Menschen sehen, das Alter ist aus ihren<br />

Bildern verschw<strong>und</strong>en.“ erklärte ich. Wir sprachen noch länger über unsere<br />

Beziehung, <strong>und</strong> Jeanine weinte. Unsere Beziehung sei doch keine beliebige leere<br />

Hülle gewesen. Sie habe sich mit mir eine Perspektive ausgemalt. Wir hätten<br />

doch auch über gemeinsame Kinder gesprochen, ob ich das denn alles vergessen<br />

<strong>und</strong> nie daran gedacht hätte. „Schon, Jeanine, natürlich wusste ich das<br />

<strong>und</strong> habe es nicht vergessen, aber <strong>Liebe</strong> interessiert sich nicht für deine rationalen<br />

Argumente. Sie schleicht sich einfach bei dir ein <strong>und</strong> okkupiert dich. Rational<br />

hätte ich das vorher alles nie gewollt oder es sogar für unmöglich gehalten,<br />

aber <strong>Liebe</strong> ist ungemein stark <strong>und</strong> scheint oft besser zu wissen, was du<br />

willst, als du selber.“ erklärte ich. „Ich höre, was du sagst, Constantin. Trotzdem<br />

kann ich es nicht nachvollziehen. Es bleibt mir fremd. Akzeptieren werde<br />

ich es wohl müssen, aber leben kann ich damit nicht. Wenn du gleichzeitig diese<br />

<strong>Alexa</strong>ndra liebst, lässt mich das nicht in Ruh <strong>und</strong> wird mich verrückt machen.“<br />

sagte Jeanine. Viel Weiteres gab es nicht mehr zu bereden, wir beschlossen,<br />

uns zu trennen, aber weiterhin gute Fre<strong>und</strong>e zu bleiben.<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 13 von 22


Ausweinen<br />

Natürlich wollte ich keinesfalls die Beziehung zu <strong>Alexa</strong> verlieren, <strong>und</strong> ich würde<br />

auch dazu stehen, sogar in der Schule, aber ohne Jeanine? Was sie mir bedeutet<br />

hatte, schien mir erst jetzt bewusst zu werden. Dass sie meine Fre<strong>und</strong>in<br />

war, kam mir so selbstverständlich vor, als ob es so sein müsse. Unserer Beziehung<br />

hatte meine Wertschätzung gefehlt. Beziehungen zwischen zwei Menschen<br />

sind nie etwas Selbstverständliches, sondern immer etwas Besonderes.<br />

Dass dir ein anderer Mensch seine Zuneigung schenkt, ist immer ein hohes<br />

Gut, mit dem du nicht unachtsam <strong>und</strong> bedenkenlos umgehen solltest. Ich<br />

weinte, weil ich Jeanine verloren hatte, <strong>und</strong> ich erst jetzt erfassen konnte, wie<br />

bedeutsam sie für gewesen war. Sie hatte einen Platz in meiner Seele, den ich<br />

nicht gesehen hatte, aber jetzt empfand ich das Loch, das <strong>durch</strong> unsere Trennung<br />

entstanden war. Was auch immer du verlierst, nichts stimmt so traurig<br />

wie der Verlust von <strong>Liebe</strong>. Jeanines Abschied schmerzte <strong>und</strong> machte mein Herz<br />

ärmer. Hätte ich die Entwicklung meiner Beziehung zu <strong>Alexa</strong> früher anhalten<br />

sollen? Aber wie denn? Es war ja alles unbeabsichtigt, wie ein Weg mit ganz<br />

kleinen Schritten kam es mir vor. So wie du jeden Tag ein wenig älter wirst <strong>und</strong><br />

nichts davon merkst. Ich wohnte allein, aber Jeanine war eben häufig bei mir.<br />

Jetzt war ich tatsächlich völlig allein. Ich fragte <strong>Alexa</strong>, wann wir mal wieder zusammen<br />

essen gehen könnten, ich müsse mich bei ihr ausweinen. Dass ich mit<br />

<strong>Alexa</strong> geschlafen hatte, war von meinem Bewusstsein <strong>und</strong> meinem emotionalen<br />

Haushalt immer noch nicht voll erfasst. Wenn ich sonst mit Jeanine geschlafen<br />

hatte, gefiel es uns <strong>und</strong> befriedigte unser Lustempfinden, bei <strong>Alexa</strong><br />

wirkte es nach wie ein heiliges Ritual, das tatsächlich nur auf einem anderen<br />

Stern erfolgen konnte. Unsere Blicke füreinander hatten sich öfter geändert<br />

oder entwickelt. Jetzt waren wir die zwei Wissenden eines verschworenen Geheimb<strong>und</strong>es,<br />

<strong>und</strong> auch unsere Sprache, die Diktion unseres Umgangstons, hatte<br />

einen anderen Klang erhalten. Beim Essen mit ihr beweinte ich mein Schicksal.<br />

„Ich dachte, du würdest dich freuen, wenn wir jeden Abend zusammen ins<br />

Bett gingen.“ sagte <strong>Alexa</strong>, nachdem ich meinen Klagegesang beendet hatte.<br />

„Ich fände das auch w<strong>und</strong>erschön, nur dann müsstest du jeden Abend kommen.<br />

Bei mir wohnen kannst du allerdings nicht.“ erklärte sie. Ich blickte skeptisch,<br />

wusste nicht wie ernst es gemeint war, was ich davon halten sollte, <strong>und</strong><br />

was war denn mit ihrem Fre<strong>und</strong>? „Und dann würde ich Lara jeden Morgen mit<br />

zur Schule nehmen?“ fragte ich dümmlich, wie eine Übersprunghandlung, weil<br />

ich zu <strong>Alexa</strong>s Vorschlag nicht direkt etwas sagen konnte. <strong>Alexa</strong> blickte mich mit<br />

genervt hochgezogenen Augenbrauen an. „Ich habe einen Vorschlag gemacht.<br />

Was hältst du denn davon?“ fragte sie direkt. „<strong>Alexa</strong>, ich versuche es mir vorzustellen.<br />

Dass ich abends gern mit dir ins Bett ginge, ist genauso geblieben,<br />

wie ich es gesagt habe. Ich versuche mir nur die Situation auszumalen, dass<br />

ich jeden Abend zu dir fahre. Ich bin mir nicht sicher, ob das nicht ein Aufwand<br />

ist, der uns irgendwann mal zu stressig werden könnte.“ meinte ich. „Lass<br />

mich mal ein Szenario entwerfen.“ schlug <strong>Alexa</strong> vor, „Bei Bergers gibt’s jetzt<br />

kein Abendbrot mehr. Der Constantin braucht sich nicht zu überlegen, ob er<br />

sich die trockenen Schnitten reinmümmelt oder sich doch noch ein paar Brat-<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 14 von 22


kartoffeln in die Pfanne legt. Bei <strong>Alexa</strong> gibt’s Blaubeerpfankuchen <strong>und</strong> da essen<br />

wir gemeinsam, können uns unterhalten <strong>und</strong> manchmal ist Lara auch dabei. Zu<br />

stressig? Dann haben wir Zeit, können in die Oper gehen oder zu Hause Musik<br />

hören, uns etwas erzählen, du ließt mir etwas vor, alles wozu wir gerade Lust<br />

haben. Könnte dich das irgendwann bewegen, am Abend doch lieber bei dir zu<br />

bleiben?“ Ich musste lachen. „<strong>Alexa</strong>, das gefällt mir natürlich sehr gut, nur es<br />

verändert mein Leben.“ meinte ich dazu. „Aha, dein Leben hat sich doch schon<br />

verändert, so dass es dir nicht mehr gefällt. Habe ich vorhin von dir gehört.“<br />

verdeutlichte <strong>Alexa</strong>. Ich umarmte sie, <strong>und</strong> damit würden wir es so machen.<br />

Soll ich ein Negligé anziehen?<br />

Am Wochenende wollten wir damit beginnen. Es war noch Spätnachmittag als<br />

ich kam. Wir überlegten, was wir zu essen mache könnten <strong>und</strong> welche Vorlieben<br />

wir hätten. Dabei kamen wir ins Fantasieren, hatten Einfälle <strong>durch</strong> die gesamte<br />

Ernährungslandschaft <strong>und</strong> Kochkultur <strong>und</strong> vor allem viel zu lachen. Wir<br />

bereiteten gemeinsam das Abendessen zu <strong>und</strong> Lara wich nicht von unserer Seite.<br />

<strong>Alexa</strong> hatte ihr unter großen Verschwiegenheitseiden <strong>und</strong> Schwüren beim<br />

Barte des Propheten ein Geheimnis anvertraut, nämlich dass ihr Lehrer, Herr<br />

Berger, <strong>und</strong> sie sich ineinander verliebt hätten. Wir seien jetzt ein richtiges <strong>Liebe</strong>spaar<br />

wie Mami <strong>und</strong> Papi. Wann wir denn Hochzeit machen würden, habe sie<br />

zuerst wissen wollen <strong>und</strong> dann noch tausend weitere Fragen gehabt. Eine Information,<br />

die Lara wohl sehr bewegte, <strong>und</strong> deren Praxis sie jetzt genau beobachten<br />

musste. „Meine Süße, für mich ist das nicht mehr der Herr Berger, sondern<br />

der Constantin. Wenn du das schaffst <strong>und</strong> mir dein Ehrenwort gibst, dass<br />

er für dich in der Schule immer der Herr Berger bleibt, dann kannst du zu meinem<br />

Liebsten hier bei uns auch gern Constantin sagen, nicht wahr<br />

Constantin?“ Ich nickte lächelnd. Lara sah mich prüfend an, schaute zur Omi,<br />

wieder zu mir <strong>und</strong> lachte. Sie sagte aber nichts. Jetzt wurde das <strong>Liebe</strong>spaar<br />

schärfstens beobachtet. Es gab Reibeplätzchen wahlweise mit Apfelmus, Quark<br />

oder einer Pumpernickelscheibe. „Du nimmst ja nur Apfelmus, probier doch<br />

mal den Quark, Constantin. Das schmeckt viel besser.“ klärte Lara mich am<br />

Tisch auf. <strong>Alexa</strong> <strong>und</strong> ich warfen uns schmunzelnd Blicke zu, <strong>und</strong> Laras neuer<br />

Constantin probierte natürlich den Quark.<br />

„Soll ich ein Negligé anziehen? Dann hast du wieder etwas zu fummeln.“ fragte<br />

<strong>Alexa</strong> lachend als wir ins Bett gingen. Stolz führte sie ihr burg<strong>und</strong>erfarbenes<br />

Seidennégligé mit schwarzem Stickereibesatz vor. „Ich habe aber nur das eine.<br />

Sonst ziehe ich immer bloß ein großes T-Shirt an. „Es ist w<strong>und</strong>erschön, <strong>Alexa</strong>,<br />

aber das spielt doch überhaupt keine Rolle.“ meinte ich dazu. „Doch, das Kleid<br />

soll auf die Frau verweisen, die es bedeckt, verbirgt, soll sie für ihren Liebsten<br />

begehrenswert erscheinen lasen, <strong>und</strong> da möchte ich für dich schon die Schönste<br />

sein.“ reagierte <strong>Alexa</strong> lachend. „In tausend Situationen bist du für mich die<br />

Schönste, meine <strong>Liebe</strong>, aber beim zu Bett gehen vielleicht doch wohl in deinem<br />

verführerischen Negligé.“ bestätigte ich sie. „<strong>Alexa</strong>, sag mal, es ist mir eigentlich<br />

unangenehm. Wenn du meintest, dass ich es wissen müsste, würdest du<br />

es mir ja sagen. Du hast öfter von deinem Fre<strong>und</strong> gesprochen, es drängt sich<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 15 von 22


mir immer wieder auf, wie es sich denn damit verhält.“ fragte ich als wir nebeneinander<br />

im Bett lagen. „Du hast Recht, ich hätte es dir sagen müssen,<br />

aber das war nicht angenehm. Ich habe ihm nach dem Besuch im Wochenendhaus<br />

einfach gesagt, dass ich mich verliebt <strong>und</strong> einen anderen Fre<strong>und</strong> hätte. Er<br />

wollte wissen, wer das sei, <strong>und</strong> als ich es ihm gesagt habe, hat er üble Dinge<br />

von sich gegeben, dass ich ihn auf der Stelle rausschmeißen musste. Er hat<br />

sich entschuldigt <strong>und</strong> wollte mit mir reden. Aber im Gr<strong>und</strong>e hat er das Gleiche<br />

nur in einer moderaten Form wiederholt. Constantin es wurde mir so deutlich,<br />

dass die Welt, in der unsere Beziehung existiert hatte, nicht mehr die meine<br />

sein <strong>und</strong> werden sollte, <strong>und</strong> dass mich die Beziehung zwischen dir <strong>und</strong> mir<br />

selbst verändert hat. Ich glaube, ich denke <strong>und</strong> empfinde anders als sonst. Er<br />

wollte mir klar machen, dass die Beziehung zwischen ihm <strong>und</strong> mir für mich<br />

vorteilhafter sei als die zu dir, <strong>und</strong> es widerte mich an. Die Struktur seines<br />

Denkens konnte ich nicht mehr ertragen.“ erklärte <strong>Alexa</strong>. „Jetzt ist er allein.<br />

Für ältere Menschen ein besonders schweres Schicksal, denke ich.“ war mein<br />

Kommentar. „Na ja, er war ja sonst auch meistens allein, wir haben nur mal<br />

das eine oder andere zusammen unternommen. Im Gr<strong>und</strong>e waren wir immer<br />

sehr distanziert. Wir haben auch nie miteinander geschlafen. Ich sei darüber<br />

hinaus, habe ich erklärt. Aber es ist für mich wirklich so, dass ich keinen Sexualtrieb<br />

habe, der irgendwann etwas von mir verlangt.“ <strong>Alexa</strong> dazu. „Und im<br />

Wochenendhaus, was war das?“ erk<strong>und</strong>igte ich mich. „Das war ja etwas ganz<br />

anderes, Constantin.“ erklärte <strong>Alexa</strong> <strong>und</strong> lächelte. „Im Gr<strong>und</strong>e war das ja crazy,<br />

zum Wochenendhaus rauszufahren. Ich war ein bisschen high, von der<br />

Oper, dem schönen Wetter <strong>und</strong> dir. Was wir da genau wollten, wusste ich gar<br />

nicht. Ich hab' gedacht, wir trinken ein wenig, wenn wir uns unterhalten, wird’s<br />

bestimmt lustig, aber dass wir uns richtig küssen würden, habe ich schon gedacht.<br />

Das wollte ich auch gern. Nur als du mich überall küsstest, am Hals, am<br />

Dekolleté, mir das Kleid über die Schulter streiftest, um mich auch dort zu küssen,<br />

veränderte sich etwas in mir. Du sagtest nicht, dass du mich begehrst, ich<br />

spürte es. Ein w<strong>und</strong>ervolles Empfinden, das ich mir gar nicht hätte ausdenken<br />

können. Das konnte es nicht geben in meinen Wünschen, Träumen <strong>und</strong> Vorstellungen.<br />

Ich wollte es immer weiter <strong>und</strong> mehr davon <strong>und</strong> du hast mein Bedürfnis<br />

voll erfüllt. Alles war ganz sonderbar <strong>und</strong> wurde immer intensiver. Ich<br />

merkte, wie es mich erregte, ich spürte sogar, wie mir feucht wurde. Unvorstellbar,<br />

Constantin, das konnte wirklich nur auf einem anderen Stern geschehen.<br />

Eine irdische Situation war das nicht.“ erläuterte es <strong>Alexa</strong> <strong>und</strong> schmuste.<br />

„So habe ich es nicht erlebt, aber auch auf eine andere Art sehr außergewöhnlich.<br />

Jetzt verstehe ich dich auch richtig, so etwas kannst du natürlich nicht<br />

wiederholen.“ meinte ich. „Es gehört aber zu mir, <strong>und</strong> wenn wir zusammen sein<br />

werden, ist es immer Bestandteil meines Bildes.“ sagte <strong>Alexa</strong>.<br />

Am nächsten Morgen kam schon ziemlich früh Lara ins Schlafzimmer <strong>und</strong> blieb<br />

angewurzelt stehen. „Ach du Schande.“ entfuhr es <strong>Alexa</strong>. „Der Constantin ist<br />

mein Liebster, Lara. Da möchte ich vorm Einschlafen einen Kuss von ihm bekommen.<br />

Ich möchte, dass er mich streichelt <strong>und</strong> wir zusammen schmusen<br />

können. Mami <strong>und</strong> Papi schlafen doch auch in einem Bett, meine Liebste. Gib<br />

mir einen Kuss.“ erklärte <strong>Alexa</strong>. Lara stützte sich auf mich, um <strong>Alexa</strong> einen<br />

Kuss geben zu können. Sie schaute mich von oben an, prüfte, lächelte <strong>und</strong><br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 16 von 22


eugte sich zu mir runter, um mir auch einen Kuss geben zu können. Beim<br />

Rausgehen drehte sie sich noch mal um <strong>und</strong> blinzelte uns zu. „Ich habe gar<br />

nicht daran gedacht, dass sie ja am Wochenende häufig morgens kommt <strong>und</strong><br />

zu mir ins Bett krabbelt, aber sie hat es ja offensichtlich verstanden <strong>und</strong> auch<br />

akzeptiert.<br />

Ich weiß nicht wer ich bin<br />

„Aber hier wohnen kannst du nicht.“ hatte <strong>Alexa</strong> gesagt. Tatsächlich wohnte ich<br />

aber hauptsächlich bei Langenbachs. Ich hatte ein eigenes Zimmer, um gegebenenfalls<br />

abends noch arbeiten <strong>und</strong> meine Sachen, die ich hier <strong>und</strong> für die<br />

Schule brauchte unterbringen zu können. Bei mir war ich nur noch für die kurze<br />

Zeit zwischen der Schule <strong>und</strong> dem beginnenden Abend. Nach Konferenzen<br />

oder ähnlichen Veranstaltungen fuhr ich direkt zu <strong>Alexa</strong>. „Du hast gesagt, dass<br />

ich hier nicht wohnen könne, faktisch ist es aber doch fast so.“ meinte ich zu<br />

<strong>Alexa</strong>. „Ja, du hast mir schnell ganz schwere Entscheidungen abgerungen. Für<br />

meinen alten Fre<strong>und</strong> hätte ich das nicht zugelassen, aber abends im Bett nicht<br />

allein, sondern mit dir zusammen zu sein, war sehr verführerisch. Als ich mich<br />

von meinem Mann getrennt habe, war mir klar, dass ich eigenständig allein leben<br />

wollte, mich nur so selbst verwirklichen könne. Alles auf jemand anders<br />

beziehen zu müssen, das wollte ich keinesfalls mehr. Wenn ich mit jemandem<br />

zusammen sein wolle, könne ich das ja organisieren. So war es mit meinem<br />

Fre<strong>und</strong>, <strong>und</strong> ich habe kein Bedürfnis verspürt, dies zu ändern. Anders hätte ich<br />

es bei uns auch nicht gewollt. Es war ja auch so <strong>und</strong> hat uns nicht gestört.<br />

Dann hast du dich beklagt, dass du jetzt immer allein seist. Ich überlegte, was<br />

du tun könntest. Mir fiel ein, dass du gern immer mit mir ins Bett gehen würdest<br />

<strong>und</strong> zum Abendbrot, wäre es ja auch schöner, nicht allein zu sein. Was es<br />

für meine Selbständigkeit bedeutete, wie es mein Leben verändern würde, das<br />

ging mir alles rasend schnell <strong>durch</strong> den Kopf <strong>und</strong> wollte entschieden werden.“<br />

erklärte <strong>Alexa</strong>. „Dich selbst <strong>und</strong> dein eigenständiges Leben findest du in den<br />

zwei St<strong>und</strong>en nach der Schule bei dir in deiner Wohnung?“ scherzte sie. „Ich<br />

weiß nicht wer ich bin, <strong>Alexa</strong>. Damals in der WG musste ich es wohl wissen. Da<br />

gab es keine Zweifel <strong>und</strong> kein Nachdenken darüber, aber dann wusste ich nicht<br />

mehr, was mit mir war. Jeanine war nett, trotzdem sehnte ich mich nach dem<br />

Leben in der WG, <strong>und</strong> vor der möglichen Zukunft, allein mit Jeanine, Familie<br />

<strong>und</strong> Kinder, davor fürchtete ich mich. Ich wusste nicht was ich wollte, ich konnte<br />

nichts sehen, es zeigte sich mir keine Alternative, mit der ich hätte zufrieden<br />

sein können. Und plötzlich, <strong>Alexa</strong>, ist das alles irrelevant. Ich bin absolut zufrieden<br />

<strong>und</strong> glücklich wie noch nie. Wenn du mich nach meiner Perspektive<br />

fragst, sage ich zuversichtlich: „Wir werden sehen. Ich lebe heute, das ist<br />

wichtig.“, wenn du an das abwechslungsreiche Leben in der WG erinnerst, erscheint<br />

es mir strukturlos, beliebig bunt, während ich jetzt nicht weniger Abwechselung<br />

erlebe nur strukturierter. Ich empfinde mich aufgehoben <strong>und</strong> zufrieden.<br />

Es entspricht zutiefst meinem psychischen Bedürfnis, aber richtig rational<br />

erklären kann ich es gar nicht. Es kann nur unsere Beziehung sein, aus<br />

der sich das ergibt, unsere <strong>Liebe</strong>, die sich auf alles auswirkt <strong>und</strong> die allem seine<br />

Prägung gibt.“ antwortete ich. „Ich sag's ja, ein Gr<strong>und</strong>bedürfnis so stark wie<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 17 von 22


Hunger <strong>und</strong> Durst. Sie reden alle davon, was wie stark die Produktion von<br />

Glückshormonen anregt, aber die <strong>Liebe</strong> ist <strong>durch</strong> nichts zu überbieten. Ich denke,<br />

dass ich es genauso als w<strong>und</strong>ervoll erlebe wie du <strong>und</strong> ich wünsche mir,<br />

dass es noch möglichst lange genauso bleiben möge. Ich kann aber die Augen<br />

nicht davor verschließen, dass ich in zehn Jahren vier<strong>und</strong>siebzig Jahre alt sein<br />

werde, <strong>und</strong> mir graut davor. Es sind ja keine irrationalen Ängste <strong>und</strong> Phobien,<br />

die ich mir zusammen spinne, sondern alltägliche Erfahrungen der meisten<br />

Menschen in diesem Alter, dass sie von den grässlichsten Krankheiten heimgesucht<br />

werden.“ befürchtete <strong>Alexa</strong>. „Und dann werde ich dich verlassen. Hast du<br />

davor Angst?“ fragte ich. „Du frecher Schnösel. Pass nur auf, dass du mir mit<br />

deinem kindlichen Gemüt nicht über wirst, <strong>und</strong> ich mir etwas Gereifteres suche.“<br />

entgegnete sie <strong>und</strong> lachte. „<strong>Alexa</strong>, unsere <strong>Liebe</strong> ist mein Leben, du bist<br />

mein Leben. Lass uns nicht weiter über solche Vorstellung fantasieren. Weißt<br />

du denn nicht, dass die <strong>Liebe</strong> einen Schutz vor den Gefahren des Alters<br />

bietet?“ meinte ich. „Du hast ja Recht, jetzt ist es schön <strong>und</strong> das wollen wir leben,<br />

<strong>und</strong> die Zukunft? „Wir werden sehen.“, aber es ist so naheliegend <strong>und</strong><br />

drängt sich einfach manchmal auf.“ sagte <strong>Alexa</strong>, vergrub ihr Gesicht in meine<br />

Schulter <strong>und</strong> weinte.<br />

Festtage<br />

Am nächsten Abend erklärte <strong>Alexa</strong>: „Du hast völlig Recht, Constantin, es ist<br />

der absolut falsche Ansatz, sich mit potentiellen Malaisen zu quälen. Wir wollen<br />

heute leben <strong>und</strong> uns freuen, dass es uns noch so gut geht. Jeder Tag ist kostbar,<br />

jeder ges<strong>und</strong>e, glückliche Tag soll ein Festtag für uns sein. Wir werden keinen<br />

mehr im Alltagstrott verschludern. Wir werden unsere Gefühle deutlicher<br />

wahrnehmen müssen <strong>und</strong> ihnen den erforderlichen Ausdruck verleihen. Zum<br />

Beispiel, wenn du kommst, wird das keine Selbstverständlichkeit mehr sein,<br />

die sich eben jeden Tag so ereignet <strong>und</strong> die <strong>durch</strong> eine rituelle Begrüßung erledigt<br />

wird. Ich werde jeden Tag entdecken, wie sehr ich mich über dich freue<br />

<strong>und</strong> meiner Freude gebührenden Ausdruck verleihen. Im Übrigen wollte ich<br />

dich mal fragen, ob du mich in meinem Alter für selbständig genug hältst, oder<br />

ob ich noch befürchten müsste, meine Eigenständigkeit zu verlieren. Was<br />

meinst du dazu?“ Wir schmunzelten uns an, obwohl ich nicht ganz genau wusste,<br />

worauf <strong>Alexa</strong> hinaus wollte. „Ich meine, wenn da sowieso nichts mehr zu<br />

befürchten wäre, könntest du ja auch eigentlich schon direkt nach der Schule<br />

kommen.“ erklärte sie <strong>und</strong> lachte. „Ich habe mir das mal überlegt, Constantin.<br />

Es ist doch albern, wenn du nicht hier sein darfst, weil ich zwei St<strong>und</strong>en meine<br />

Eigenständigkeit pflegen muss, <strong>und</strong> abgesehen davon werde ich auf dich sowieso<br />

keine Rücksicht nehmen. Wenn du es möchtest, kannst du gerne voll<br />

hier wohnen.“ sagte <strong>Alexa</strong>. „Nein, das will ich nicht. Ich möchte nicht hier wohnen,<br />

weil du nichts dagegen hast. Ich gehe auch nicht mit dir ins Bett, weil du<br />

nichts dagegen hast.“ verdeutlichte ich meine Ansicht. <strong>Alexa</strong> machte dicke Backen<br />

<strong>und</strong> blies die Luft geräuschvoll <strong>durch</strong> die Lippen aus. „Ich bin ein Idiot,<br />

habe völligen Mist geredet.“ meinte sie. „Wenn jeder Tag ein Fest sein soll,<br />

dann musst du schon dabei sein, dann möchte ich das mit dir feiern. Da ist mir<br />

der Gedanke gekommen, das die Angelegenheit mit meiner großen Eigenstän-<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 18 von 22


digkeit ja mittlerweile absurd ist. Constantin, natürlich wünsche ich mir sehr,<br />

dass du immer hier bist. Vielleicht wollte ich ein wenig cool sein, damit du nicht<br />

den Eindruck bekommst, ich würde dich drängen. Also, nicht nur im Bett <strong>und</strong><br />

beim Abendbrot, sondern ständig wünschte ich dich bei mir.“ Ich konnte das<br />

Alleinleben <strong>und</strong> so die Eigenständigkeit bewahren theoretisch gut nachvollziehen,<br />

aber in meiner Brust schlägt kein Eremitenherz. Die Möglichkeit zur Kommunikation<br />

ist für meinen Gefühlshaushalt konstitutiv. Die Gefahr vereinnahmt<br />

zu werden <strong>und</strong> sich selber zu verlieren, kann ich zwar erkennen, aber emotional<br />

für mich persönlich nicht nachvollziehen. Es fiel mir deshalb keinesfalls<br />

schwer, meine Wohnung aufzugeben <strong>und</strong> zu <strong>Alexa</strong> zu ziehen. Jetzt lebten wir<br />

beide komplett zusammen <strong>und</strong> <strong>Alexa</strong> war ständig mit der angemessenen Festtagsgestaltung<br />

beschäftigt.<br />

Keine Braut im tollen Kleid<br />

Ich hatte da<strong>durch</strong> auch vermehrt mit Laras Eltern zu tun. Sie waren beruflich<br />

stark involviert <strong>und</strong> lobten <strong>Alexa</strong> über alles. Leider werde Lara später gar nicht<br />

voll erfassen können, was sie ihrer Omi zu verdanken habe. „Sie ist ja total<br />

verliebt, so hab' ich sie noch nie erlebt. Sie hat sich verändert. War ich eigentlich<br />

auch so glücklich, als wir frisch verliebt waren?“ fragte sie ihren Mann.<br />

Dass <strong>Alexa</strong> jeden Tag feiern wolle, an dem sie dieses Glück noch erleben könne,<br />

fanden Laras Eltern gut <strong>und</strong> absolut richtig. Wir hätten dafür volle Unterstützung<br />

von ihnen. Die Feiertage fanden immer abends im Bett ihren Ausklang.<br />

Das gemeinsame Singen auf der Rückfahrt vom Wochenendhaus hatte<br />

uns beeindruckt. Wenn wir die Arien der gestern besuchten Oper nachzusingen<br />

versuchten, kugelten wir uns meistens vor Lachen. Aber <strong>Alexa</strong> entdeckte immer<br />

wieder neues, für uns Singbares. Von revolutionären Kampfliedern bis bis<br />

melancholischen jiddischen Liedern versuchten wir uns in allem. Nachmittags<br />

wurde die CD gehört, <strong>und</strong> abends im Bett mussten wir es selber singen können.<br />

Wir lasen uns auch gern etwas vor, doch dabei sind nicht nur die Ohren<br />

der oder des Zuhörenden wach. Deine Augen betrachten den Vorleser <strong>und</strong> dein<br />

Kopf entwickelt Gedanken <strong>und</strong> Träume. In dir entsteht das Bedürfnis, dem Vorlesenden<br />

deine Zuneigung zu vermitteln, streichelst ihn mit deinen Händen<br />

oder küsst ihn mit deinen Lippen. Der oder die Vorlesende ist dem keinesfalls<br />

abgeneigt, nur die notwendige Konzentration, die zum Vorlesen benötigt wird,<br />

kann bald nicht mehr aufgebracht werden. Unsere Vorlesesessionen gestalteten<br />

sich daher meistens kurz. Wenn der Text nicht außerordentlich spannend<br />

war, sodass wir noch weiter darüber diskutierten, konnte man das Lesen eher<br />

als Vorspiel zum Schmusen <strong>und</strong> zu weiteren <strong>Liebe</strong>sspielen ansehen. Sexuell<br />

empfand ich mich als ziemlich ausgeglichen. Bei Jeanine <strong>und</strong> auch vorher nicht<br />

hatte ich je zum Sex gedrängt. Jemand von denen, die immer nur das eine<br />

wollen, war ich mit Sicherheit nicht. Aber bei <strong>Alexa</strong> schien das doch wohl so zu<br />

sein zu müssen. Es erregte mich, wenn ich nur ihre Haut berührte. <strong>Alexa</strong> lachte<br />

<strong>und</strong> erklärte scherzend, dass es an der aphrodisierend wirkenden Kreme liegen<br />

müsse, die sie extra auftrage. Es ergaben sich ja keine unangenehmen Situationen,<br />

etwa dass ich drängelte oder sie sich genötigt empfinden könnte, die<br />

Stimmung musste immer schon für uns beide passen. Dass mich die Berüh-<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 19 von 22


ung von <strong>Alexa</strong> aber regelmäßig erregte, musste auf einem libidinösen Wandel<br />

meiner erotischen Präferenzen basieren. Nur so etwas ist ja in der Regel fest<br />

verankert <strong>und</strong> ändert sich nicht so leicht. Womöglich war das Erlebnis im Wochenendhaus<br />

so gravierend <strong>und</strong> emotional so stark erfassend, dass es diese<br />

Reaktion jetzt bei mir auslöste. Bestimmt hatte das unter den Sphärenklängen<br />

galaktischer Weiten erfolgte erotische Erleben unauslöschliche, dominierende<br />

Spuren bei mir hinterlassen. So wie deine Augen nur sehen, was sie sehen wollen,<br />

wird auch dein taktiles Empfinden nicht unvoreingenommen sein. Deine<br />

Hände <strong>und</strong> Finger werden das spüren, was dein Unbewusstes sie fühlen lassen<br />

will.<br />

Ich wohnte schon längere Zeit bei <strong>Alexa</strong>, als sie eines Abends sagte: „Constantin,<br />

ich habe mir doch schon wieder böse Gedanken gemacht. Wenn ich mal<br />

krank werde oder mir etwas zustößt, dann bist du ein Nichts. Sie werden dir im<br />

Krankenhaus noch nicht einmal Auskunft über mich geben. Offiziell hast du<br />

nichts mit mir zu tun.“ „Und wie sollen wir das ändern?“ fragte ich, „Da müssten<br />

wir schon heiraten.“ „Ja, Constantin, was wäre denn so schlimm daran?<br />

Eine bürgerliche Kleinfamilie werden wir schon nicht gründen. Ich möchte auch<br />

nicht als die Braut im tollen Kleid Hochzeit feiern, es geht nur um die Bedeutung<br />

der Urk<strong>und</strong>e. Wir können es ja heimlich machen. Das Haus gehört mir<br />

<strong>und</strong> ich habe auch sonst noch einiges, wenn mir aber etwas zustoßen würde,<br />

ständest du mit leeren Händen auf der Straße. Eine unerträgliche Vorstellung<br />

für mich.“ sagte <strong>Alexa</strong>. Sonderbar, heiraten das waren fremde Welten für mich.<br />

Fre<strong>und</strong>e hatten es getan, weil sie wegen der Kinder sonst Unsummen verschenkten.<br />

Ich wusste gar nicht, wie ich reagieren <strong>und</strong> was ich sagen sollte.<br />

„Und wenn du mal ins Heim kommst, muss ich die Kosten für dich tragen.“<br />

sagte ich absichtlich provozierend. „Du unverschämter Lümmel, ich sollte dich<br />

doch vertrimmen, solange ich es noch kann.“ reagierte <strong>Alexa</strong> <strong>und</strong> stürzte sich<br />

auf mich. Ich bettelte um Gnade <strong>und</strong> versprach sie zu heiraten, hielt dieses<br />

Vorgehen aber für eine sehr ungewöhnliche Form eines Heiratsantrags. „Ich<br />

verstehe ja deine gr<strong>und</strong>sätzlichen Bedenken <strong>und</strong> Vorbehalte, Constantin, aber<br />

was bleibt uns denn sonst übrig. Die Alternative ist aus meiner Sicht jedenfalls<br />

viel unerträglicher, als der Gang zum Standesamt.“ meinte <strong>Alexa</strong>. „Ich akzeptiere<br />

deine Argumente, <strong>Alexa</strong>, aber du hast mir schon alles gegeben. Gegen<br />

das, was du mir gegeben hast, ist alles andere unbedeutend. Du hast es mir<br />

geschenkt, weil es dir selber eine Freude machte, es mir geben zu können. Das<br />

einzige, wobei wir ohne Berechnung <strong>und</strong> ohne Blick auf den eigenen Vorteil<br />

handeln, wertvoller als das Haus unserer <strong>Liebe</strong>, das wir uns geschenkt haben,<br />

kann nichts sein. Ich habe auch leichte Skrupel deiner Tochter gegenüber. Können<br />

wir das morgen früh entscheiden <strong>und</strong> nicht jetzt sofort?“ lautete mein Vorschlag.<br />

Wir alberten noch ein wenig über formvollendete Heiratsanträge <strong>und</strong><br />

ich schlief mit den Bildern über die Vorstellung, demnächst <strong>Alexa</strong>s Ehemann zu<br />

sein, ein. Am Frühstückstisch blödelten wir über Situationen, in denen wir von<br />

meinem Mann <strong>und</strong> meiner Frau sprachen. Die Angst vorm Standesamt war verschw<strong>und</strong>en.<br />

Wir würden es tun. Jetzt war ich mit fünf<strong>und</strong>dreißig verheiratet.<br />

Die Frage, ob wir Kinder wollten oder nicht, stellte sich nicht mehr. Wir hatten<br />

ja schon eine Tochter, die uns Freude genug bereitete, <strong>und</strong> jeder Tag wurde mit<br />

einem festlichen Frühstück begonnen. Auf die Hochzeitsreise wollten wir aber<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 20 von 22


nicht verzichten. Sie bestand aus einer einwöchigen Fahrt ins Wochenendhaus.<br />

Schutz vor den Gefahren des Alters<br />

<strong>Alexa</strong>s Negligé Collection hatte sich mittlerweile auf sieben erweitert. Warum?<br />

Ich kann es nur vermuten. Nie hatte ich sie dazu ermuntert oder gar erklärt,<br />

dass ich es wünsche. Auf den Gedanken, ihr zu empfehlen, etwas anzuziehen<br />

oder etwas zu tun, weil es mir gefiele, konnte <strong>und</strong> wollte ich Gott lob nicht<br />

kommen. Wenn auch unsere <strong>Liebe</strong> eine zweite gemeinsame Identität für jeden<br />

von uns geformt hatte, so blieb <strong>Alexa</strong> doch immer noch die Andere. Sie war<br />

eine eigene Person, sie konnte nie zu dem Bild werden, das ich von ihr hatte.<br />

Ich maßte mir nie an, zu wissen, wie sie entscheiden würde oder sich gar zu<br />

entscheiden hätte. Dieser andere Menschen, diese andere Persönlichkeit interessierte<br />

mich <strong>und</strong> ich liebte sie in ihr. Wenn sie etwas getragen hätte, weil ich<br />

es wünschte, hätte ich mich selbst darin erkennen können aber nicht <strong>Alexa</strong>.<br />

Natürlich fand ich diese Negligés schön, aber ich hatte sie nie dazu angeregt<br />

oder gar aufgefordert. Jedes mal, wenn sie ein neues erstanden hatte, bekam<br />

ich es vorgeführt, wurde über das Design, die fachliche Qualität <strong>und</strong> die erotische<br />

Attraktivität informiert. Ich wusste früher gar nicht, was für ein w<strong>und</strong>ervoller<br />

Stoff Seide ist, dass der leichte Glanz nicht nur dem Auge schmeichelt,<br />

sondern seine Oberfläche taktil der menschlichen Haut sehr nahe kommt. Das<br />

würde auch erklären, warum Seide schon seit ihrer Existenz so begehrt war<br />

<strong>und</strong> immer von den Menschen geliebt wurde. <strong>Alexa</strong> gefiel sich in ihren Negligés<br />

<strong>und</strong> freute sich, wenn sie mir wieder ein neues vorführen konnte.<br />

Meine Frau überlegte, ob sie Rentnerin werden <strong>und</strong> ihre Steuerberatungspraxis<br />

verkaufen sollte, aber ausschließlich begeistert war sie von diesem Gedanken<br />

nicht. <strong>Alexa</strong> empfand sich jünger <strong>und</strong> wirkte auch <strong>durch</strong> ihr legeres, sportliches<br />

Äußere so. Darüber hinaus meinte sie, gar nicht wie eine Rentnerin denken zu<br />

können. Das habe sie nie gelernt. Im Gr<strong>und</strong>e habe sie nichts gelernt. Sie komme<br />

sich immer noch vor, als ob sie wie eine junge Frau denke. „Ich dachte, du<br />

wärst mit fünf<strong>und</strong>zwanzig so doof gewesen <strong>und</strong> wärst gedankenlos in Volkesmeinung<br />

mit geschwommen.“ monierte ich. „Ja, das stimmt. Dann denke ich<br />

jetzt eben wie eine aufgeklärte junge Frau. Siehst du das nicht auch so?“ wollte<br />

<strong>Alexa</strong> von mir wissen. „Im Gr<strong>und</strong>e schon, auch wenn manche Verhaltensweisen<br />

<strong>und</strong> Gedankengänge oft noch sehr dem Kindlichen verhaftet erscheinen.“<br />

antwortete ich. Wir wussten nicht wohin mit unserem Glück <strong>und</strong> waren der festen<br />

Ansicht, dass unsere <strong>Liebe</strong> nur groß <strong>und</strong> stark genug sein müsse, dann<br />

würde sie uns schon vor den Gefahren des Alters schützen.<br />

FIN<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 21 von 22


L'âge ne vous protège pas des<br />

dangers de l'amour. Mais<br />

l'amour, dans une certaine<br />

mesure, vous protège des<br />

dangers de l'âge.<br />

Jeanne Moreau<br />

„Es ist so w<strong>und</strong>erschön heute Abend.<br />

Viel zu schade, um schon nach Hause<br />

zu gehen. Sollen wir noch etwas<br />

essen?“ fragte sie mich auf der<br />

Rückfahrt. „Eigentlich möchte ich viel<br />

lieber etwas trinken.“ sinnierte sie<br />

„Constantin,“ sagte sie plötzlich fast<br />

würdevoll, „du hast noch Ferien <strong>und</strong> ich<br />

habe ein Wochenendhaus. Da gibt es<br />

etwas zu trinken.“ Sie fragte gar nicht,<br />

ob wir dort hinfahren sollten, <strong>und</strong> ich sagte auch nichts dazu. An der nächsten<br />

Ecke bog sie ab <strong>und</strong> fuhr auf die Autobahn. „Schalten wir unsere Handys aus,<br />

dann kann uns niemand finden, dann sind wir verschollen, in einem anderen<br />

Land.“ meinte <strong>Alexa</strong>. „Oder auf einem anderen Stern vielleicht?“ fragte ich. „Ja,<br />

schon eher. Jetzt reisen wir <strong>durch</strong> die Galaxis, nicht wahr?“ suchte <strong>Alexa</strong> meine<br />

Bestätigung. Die Besonderheit der Situation hatte schon dazu geführt, dass wir<br />

nur mit gedämpfter Stimme sprachen. Wir fuhren hier raus, damit <strong>Alexa</strong> ein<br />

Glas Wein trinken konnte? Wohl kaum. Aber was sonst? Das war keinem von<br />

uns beiden klar. Sobald wir das Haus betreten hatten, schienen wir es aber zu<br />

wissen.<br />

<strong>Alexa</strong> <strong>Jung</strong> <strong>und</strong> schön <strong>durch</strong> <strong>Liebe</strong> – Seite 22 von 22

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