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Pure Physik

Artikel Andrea von Kerssenbrock, erschienen in Pferderevue 3/2013 Mächtigkeitsspringprüfungen polarisieren wie kaum andere Bewerbe im Springsport und führen meist zu emotional geführten Diskussionen. Doch wie gesundheitsschädlich sind sie für das Pferd tatsächlich?

Artikel Andrea von Kerssenbrock, erschienen in Pferderevue 3/2013
Mächtigkeitsspringprüfungen polarisieren wie kaum andere Bewerbe im Springsport und führen meist zu emotional geführten Diskussionen. Doch wie gesundheitsschädlich sind sie für das Pferd tatsächlich?

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70 SPORT Mächtigkeitsspringen<br />

FOTO: W. ERNST<br />

Der Hochsprung bei einer Mächtigkeitsspringprüfung wird in sehr ruhigem Tempo angeritten –<br />

das Pferd kann sich gut auf die massiv wirkende Mauer konzentrieren und sie taxieren.<br />

Mächtigkeitsspezialist Big Charly (mit Roland Fischer,<br />

Wiener Stadthalle, 1990) war fit bis ins hohe Alter.<br />

FOTO: W. ERNST<br />

wird der Wallach gewissenhaft gymnastiziert,<br />

alle 14 Tage gesprungen und regelmäßig<br />

ausgeritten. Bei guten Bodenverhältnissen<br />

steht auch ein paar Stunden auf<br />

der Koppel nichts im Wege. Mit seinen<br />

14 Jahren ist „Springbombe“ Lance Missile<br />

pumperlg’sund und hat es besser getroffen,<br />

als so manches Freizeitpferd. Denn er darf<br />

tun, was er gut kann und was ihm obendrein<br />

Spaß macht.<br />

Fit bis ins hohe Alter<br />

Besonders Mächtigkeitspferde sind auffallend<br />

oft gegen 15 Jahre oder älter. Mit Lance<br />

Missile hatte Konlechner seinen ersten<br />

Grand-Prix-Sieg bereits in der Tasche, als<br />

dieser acht Jahre alt war, das Talent zur Puissance<br />

hat sich jedoch erst später herausgestellt.<br />

Immer wieder kristallisiert sich die<br />

enorme Sprungkraft über einzelne Hindernisse<br />

zufällig heraus. Doppelbegabungen<br />

kommen vor, sind aber eher selten.<br />

Ikarus vom oberösterreichischen Springreiter<br />

und -trainer Roland Fischer war so<br />

ein Doppeltalent. Fischer erinnert sich gerne<br />

an seinen Mächtigkeitscrack, der es auf<br />

über 20 Sb-Siege brachte, den letzten im<br />

stolzen Pferdealter von 19 Jahren. Daneben<br />

startete er bei zwei Europameisterschaften<br />

(Aachen und Hickstead) und wurde mit der<br />

Mannschaft Dritter bei den olympischen<br />

Ersatzspielen in Rotterdam. „Der war echt<br />

ein harter Hund“, und bekräftigt, „eine<br />

richtige Rossantur“. Nach seiner Zeit im<br />

internationalen Sport erlebte der Wallach<br />

seinen 33. Geburtstag bei bester Gesundheit<br />

bis er aufgrund von Orientierungsund<br />

Hilflosigkeit eingeschläfert werden<br />

musste. Rechnet man nach, ergeben das<br />

ebensoviele Koppel- wie Turnierjahre –<br />

und das ohne Sportverletzungen und organische<br />

Leiden.<br />

Auch Fischers zweiter Mächtigkeitsspezialist<br />

Big Charly absolvierte ebenso fit wie<br />

Stallgenosse Ikarus seine aktiven Jahre im<br />

Spitzensport. 18-jährig platzierte er sich<br />

als Lehrpferd mit einer jungen Reiterin im<br />

Freudenauer Derby. Für Roland Fischer<br />

ist dies nur logisch, denn er arbeitet seine<br />

Pferde wie Sportler. Sie haben keinen<br />

Stehtag, aber eine Winterpause. Daran<br />

halten die Fischers seit Jahren fest – „wie<br />

früher“, sagt der Familienvater, dessen<br />

Kinder mittlerweile ebenfalls erfolgreich<br />

im Sport reiten. Für ihn ist es das schönstes<br />

Gefühl, wenn die Pferde im Herbst top-fit<br />

sind. Wenn sie die Pause nicht brauchen,<br />

aber bekommen.<br />

Eine Frage der Konzentration<br />

Pferde im internationalen Spitzensport<br />

müssen konditionell und mental immer in<br />

Schuss sein. Egal, ob es sich um Dressur-,<br />

Vielseitigkeits- oder eben Springpferde<br />

handelt. Im Sb-Springen spielen zwei wesentliche<br />

Faktoren mit: die hohe Konzentration,<br />

mit der die Sprünge angeritten<br />

werden, und das herabgesetzte Tempo,<br />

das eine ideale Linie und einen perfekten<br />

Absprung erlaubt. Damit wird das Risiko<br />

eines Strauchelns oder gar Sturzes stark<br />

reduziert. Wenngleich die Dramatik eines<br />

Sturzes – nicht zuletzt aufgrund des geringen<br />

Tempos – ungleich höher erscheint<br />

als im „normalen“ Parcours, wo alles recht<br />

schnell geht.<br />

Zum Glück verlaufen Abgänge meist für<br />

beide glimpflich. FEI Tierarzt Mahringer<br />

kann sich jedenfalls an keine Mächtigkeitsprüfung<br />

erinnern, in der ein Pferd sich verletzt<br />

hat. Hingegen behandelt er laufend<br />

Verletzungen von Pferden aus verschiedenen<br />

anderen Disziplinen. Mahringer findet<br />

ohnedies den Profisport vielfach verantwortungsvoller<br />

als den Amateursport.<br />

BerufsreiterInnen riskieren für einen Mauersprung<br />

mitnichten die Gesundheit ihres<br />

Pferdes!<br />

pferderevue 3 | 2013

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