Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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Aus den Anfängen des Landes Württemberg-Hohenzollern 271<br />
schriftlichen Weisungen der Landesdirektoren an die Landräte mit der Militärregierung<br />
abgestimmt, vielfach von dieser zunächst genehmigt werden mußten.<br />
Das war sehr zeitraubend und führte auch häufig dazu, daß manches nicht gesagt<br />
werden konnte.<br />
Die Landräte und Oberbürgermeister zog es nicht gerade nach Tübingen. Die<br />
Hotelunterkünfte waren zunächst alle beschlagnahmt, die Ernährungslage schlechter<br />
als in den meisten Landstädten. Benzin war knapp. Die Regierung in Tübingen<br />
hatte nicht viel zu bieten. Stellenweise brauchten die Landräte sogar besondere<br />
Reisegenehmigungen der Kreisgouverneure. Um mit den Landräten und Oberbürgermeistern<br />
eine unmittelbare Verbindung herzustellen, wie es andere Länder,<br />
vor allem Nordwürttemberg, auch getan hatten, lud Carlo Schmid diese zu einer<br />
Tagung am 3. 11. 1945 nach Tübingen ein. Ihr folgte die nächste am 1. 12. 1945<br />
in Wangen und eine weitere am 3. 1. 1946 in Reutlingen. Monatlich traten die<br />
Landräte mit der Regierung jeweils an einem anderen Ort, meist in den Kreisstädten,<br />
zu einer ganztägigen Beratung zusammen, und zwar zunächst bis zum<br />
Mai 1947 5 .<br />
Ständige Teilnehmer waren die Landesdirektoren und deren leitende Beamte,<br />
sowie die Sachbearbeiter, die <strong>für</strong> die jeweils zur Erörterung stehenden Themen<br />
zuständig waren einerseits, die Landräte und die Oberbürgermeister von Tübingen,<br />
Reutlingen, Ravensburg und Schwenningen sowie deren Vertreter andererseits. Die<br />
Militärregierung entsandte keine Vertreter zu den Tagungen; die Kreisgouverneure<br />
beschränkten ihre Anwesenheit auf die Eröffnung. So berieten die Deutschen unter<br />
sich, was nicht nur die Verhandlungen erleichterte, sondern auch die Möglichkeit<br />
zu einer offenen Aussprache bot. Bei Anwesenheit der französischen Vertreter<br />
hätten sich die Landräte, die teilweise - vor allem zu Anfang - einem stärkeren<br />
Druck seitens der Kreisgouverneure ausgesetzt waren als die Landesdirektoren<br />
durch die Militärregierung, gescheut, Beschwerden über die Besatzungsmacht vorzubringen.<br />
Aber auch die Kritik gegenüber der eigenen Verwaltung wäre in diesem<br />
Falle aus Solidaritätsgründen unterblieben.<br />
Über jede Tagung wurde ein Protokoll abgefaßt, das allen ständigen Teilnehmern<br />
gedruckt zuging. Das Protokoll gab nur den wesentlichen Inhalt, nicht den Wortlaut<br />
der Reden wieder. Einmal standen zunächst keine geeigneten Kräfte zur Verfügung,<br />
die wie Parlamentsstenographen in der Lage gewesen wären, die Reden<br />
vollständig aufzunehmen. Vor allem aber wurden mit Rücksicht auf die französische<br />
Zensur, der auch die gedruckten Protokolle unterlagen, Streichungen und<br />
Korrekturen vorgenommen. Wären sich die Teilnehmer dieser Korrekturen nicht<br />
sicher gewesen, so hätten sie sich bei ihren Ausführungen wesentlich größere Zurückhaltung<br />
auferlegen müssen.<br />
Die Beratungen leitete Carlo Schmid, während in Nordwürttemberg der frühere<br />
sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete und zeitweilige Landesminister Keil,<br />
5 Zum Folgenden siehe die Protokolle über die Landrätetagungen der französisch besetzten<br />
Zone Württembergs und Hohenzollerns. 1. Tagung am 3. November 1945, 19. und letzte<br />
Tagung dieser Art am 24. Mai 1947.