Albvereinsblatt_2003-5.pdf
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Mit der<br />
Sackpfeife<br />
im Köcher<br />
Von Ingmar Seiwerth<br />
Fotos: Th. Pfündel<br />
Fünf nach acht. Wieder zu spät!<br />
Aber Musikanten dürfen das ja, sie<br />
können nicht anders, heißt es bei uns,<br />
in der Volkstanzgruppe Frommern.<br />
Ich fahre auf der Landstraße, nicht<br />
auf dem Radweg, so komme ich<br />
schneller voran, obwohl ich nun bei<br />
all den Unebenheiten um so mehr<br />
aufpassen muss, dass meine Ziehharmonika<br />
nicht vom Gepäckträger<br />
fällt. Der hin- und herbaumelnde<br />
Sackpfeifenköcher auf meinem Rücken<br />
macht es mir auch nicht gerade leicht, mein<br />
Fahrrad in der Spur zu halten. Aber so ist es nun<br />
mal, wenn das elterliche Auto nicht frei ist. Gleich<br />
werde ich mein Rad hinterm Haus der Volkskunst<br />
in Dürrwangen, dem Domizil der Volkstanzgruppe<br />
Frommern, abstellen und zur Musikantenbühne<br />
eilen, wo meine Mitmusikanten schon<br />
auf das A von meiner Quetsche warten, nach<br />
dem alle anderen Instrumente ihre Stimmung<br />
ausrichten.<br />
Was treibt einen Jugendlichen wie mich dazu, meine Freizeit<br />
mit Volkstanzmusik und traditionellen Instrumenten zu<br />
verbringen? Diese Frage ist sicherlich angebracht, denn<br />
während meine Klassenkameraden schon ins Wochenende<br />
hineinfeiern, sitze ich in einem alten schwäbischen<br />
Bauernhaus und spiele Volkstanzmusik. „Volksmusik? So<br />
was gucken doch nur Omas!“ Diese Ansicht, der vor allem<br />
heute die Mehrheit meiner Generation zustimmt, war auch<br />
lange Zeit fester Bestandteil meines Weltbildes, das aber<br />
im Alter von 13 Jahren zu bröckeln begann, als ich – auf<br />
Initiative meiner Eltern, die durch Zufall die Atmosphäre<br />
des Volkstanzfestivals Balingen mitbekommen hatten –<br />
widerwillig zur Jugendtanzgruppe der Volkstanzgruppe<br />
Frommern kam. Es fiel mir anfangs sehr schwer, mich mit<br />
dem Tanzen anzufreunden, denn auch ich war von jenem<br />
Geist meiner Generation durchtränkt, der schon klassische<br />
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Paartänze als altmodisch und „uncool“ abstempelte – von<br />
Volkstanz ganz zu schweigen. Als ich aber erfuhr, dass man<br />
bei Wochenendseminaren des Schwäbischen Albvereins<br />
im Haus der Volkskunst ein Instrument erlernen konnte,<br />
dessen uriger Klang mich schon immer fasziniert hatte,<br />
zögerte ich nicht lange, mich zum Sackpfeifen-Lehrgang<br />
anzumelden. Unter Thomas Moßmanns Anweisungen gelang<br />
es mir dann auch bald, die ersten Töne aus dem ledernen<br />
Sack herauszupressen.<br />
Verstecken sinnlos<br />
Anfangs versuchte ich, sowohl meine tänzerische als auch<br />
meine musikalische Tätigkeit bei der Volkstanzgruppe vor<br />
meinen Schulfreunden zu verstecken, was sich spätestens<br />
nach meinem ersten öffentlichen Auftritt im Rahmen des<br />
alljährlichen Volkstanzfestivals als aussichtslos erwies.