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VDV - Das Magazin

Ausgabe 5 - Dezember 2013

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<strong>VDV</strong><br />

<strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

Was uns bewegt. Wen wir bewegen. Ausgabe Dezember 2013<br />

Verantwortungsbewusste Politiker<br />

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Unterwegs auf riskanten Wegen<br />

Die Gefahren des EU-Eisenbahnpaketes Seite 6<br />

Stuttgart: Über Berg und Tal<br />

bei Eis und Schnee<br />

Seite 10<br />

Bochum: Wasser sprüht<br />

Schienenquietschen weg.<br />

Seite 14<br />

Harz: Mittendrin und<br />

mächtig unter Dampf<br />

Seite 24


Inhalt<br />

22 Sicher mit dem Rollator: KVG-<br />

Auszubildende schult Senioren.<br />

14 Quietschfrei: Bogestra-Bahnen<br />

fahren jetzt leiser.<br />

24 Malerisch: Mit historischen<br />

Dampfloks durch den Harz<br />

10 Schnee und Eis: ÖPNV in Stuttgart<br />

bereitet sich auf den Winter vor.<br />

18 Märklin unter Dampf:<br />

Vor Weihnachten ist Hochsaison.<br />

3 Editorial<br />

Vertagt und verschoben<br />

4 <strong>VDV</strong> im Bild<br />

Staufrei zum Weihnachtsmarkt<br />

6 Titelstory<br />

Viertes EU-Eisenbahnpaket<br />

auf risikoreichen Wegen<br />

10 Reportage<br />

Alles bereit für den Winter:<br />

Sonderschichten mit der Zacke<br />

14 Hintergrund<br />

Wasserstrahl sprüht lästiges<br />

Quietschen weg.<br />

2 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


Editorial<br />

Vertagt und<br />

verschoben<br />

Unsere Branche steht vor wichtigen politischen<br />

Weichenstellungen. Derzeit werden in Brüssel und<br />

Berlin die Rahmenbedingungen für die Verkehrsunternehmen<br />

neu gesteckt. Vor allem das Vierte<br />

EU-Eisenbahnpaket greift unter Umständen tief in<br />

unsere Geschäftsmodelle und unternehmerischen<br />

Entscheidungen ein. Ob auf dieser Grundlage eine<br />

dauerhaft belastbare Basis für diese Entscheidungen<br />

entsteht, darf bezweifelt werden. Scheinbar sind sich<br />

auch die EU-Parlamentarier im Verkehrsausschuss<br />

nicht sicher, denn die ursprünglich für Ende November<br />

geplante Abstimmung wurde auf Mitte Dezember<br />

vertagt. Wie der <strong>VDV</strong> die Gefahren und Folgen des<br />

Vierten Eisenbahnpaketes einschätzt, erfahren Sie<br />

ausführlich auf den folgenden Seiten.<br />

Unterdessen besteht auch in Berlin Klarheit, welche<br />

Wahlversprechen Einzug in den Koalitionsvertrag<br />

gefunden haben. In der Politik gibt es ein neues Problembewusstsein<br />

für die Finanzierung unserer Verkehrsinfrastruktur:<br />

Die Verhandlungspartner haben<br />

den Abbau des Sanierungsstaus erstmals zur zentralen<br />

Aufgabe einer Bundesregierung gemacht. Überjährig<br />

verfügbare Haushaltsmittel sollen bei langfristigen<br />

Infrastrukturprojekten endlich die erforderliche<br />

Verlässlichkeit und Planungssicherheit bringen –<br />

ein Vorhaben, das wir ausdrücklich begrüßen.<br />

<strong>Das</strong> klare Bekenntnis im Koalitionsvertrag, für<br />

die Verkehrsinfrastruktur eine bessere Finanzierungsgrundlage<br />

zu schaffen, gilt jedoch nur für die<br />

Verkehrswege des Bundes. Anlass zur Sorge gibt,<br />

dass eine Aussage zur Finanzierung kommunaler<br />

Verkehrswege fehlt. Auch die Entscheidung zur<br />

überfälligen Anschlussregelung des GVFG und des<br />

Entflechtungsgesetzes – zwei Säulen der ÖPNV-<br />

Finanzierung in Deutschland – wurde in die neue<br />

Föderalismuskommission von Bund und Ländern<br />

verschoben. Die neue Bundesregierung muss sich<br />

im Zusammenspiel mit den Ländern ihrer Verantwortung<br />

bewusst sein, bei der Planung und Finanzierung<br />

zeitnah verlässliche Lösungen vorzulegen:<br />

Daran werden wir sie auch in der kommenden<br />

Legislaturperiode weiterhin erinnern.<br />

Herzlichst Ihr<br />

Jürgen Fenske<br />

18 Hintergrund<br />

Zu Besuch im Märklin-Werk in<br />

Göppingen<br />

22 U20<br />

Oft entscheiden Kleinigkeiten:<br />

Sicher mit dem Rollator im Bus<br />

unterwegs<br />

24 Unterwegs im Netz<br />

Harzer Schmalspurbahnen:<br />

Mittendrin und mächtig<br />

unter Dampf<br />

28 Grenzenlos<br />

In Istanbul verbindet ein<br />

Bahntunnel Orient und Okzident.<br />

30 Abgefahren<br />

Die Redaktion wünscht frohe<br />

Weihnachten!<br />

„<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“ finden Sie<br />

auch im Internet als E-Paper unter<br />

www.vdv.de/das-magazin<br />

<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 3


<strong>VDV</strong> im Bild<br />

4 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


<strong>VDV</strong> im Bild<br />

Staufrei und ohne Parkplatzsuche<br />

Wenn kurz vor dem Fest der Ansturm auf die<br />

Kaufhäuser und die Weihnachtsmärkte seinem<br />

Höhepunkt entgegengeht, bedeutet das für die<br />

Verkehrsunternehmen viel Arbeit. Aber es lohnt<br />

sich: Denn Busse und Bahnen entlasten die<br />

ohnehin schon vollen Innenstädte – auch wenn<br />

sie dem Weihnachtsmarkt nur selten so nahekommen<br />

wie die Dresdner Verkehrsbetriebe<br />

dem Striezelmarkt (Foto). ÖPNV-Kunden können<br />

den vorweihnachtlichen Zauber genießen: ohne<br />

Parkplatzsuche und oft sogar staufrei.<br />

<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 5


Titelstory<br />

KOMMENTAR<br />

EU-Eisenbahnpaket<br />

auf<br />

<strong>Das</strong> Vierte<br />

risikoreichen<br />

Wegen<br />

Der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments<br />

will noch vor Weihnachten in erster Lesung<br />

über die Berichte zum Vierten Eisenbahnpaket<br />

abstimmen. Aus Sicht des <strong>VDV</strong><br />

kommentieren Dr. Martin Henke (Foto, l.),<br />

Geschäftsführer Eisenbahnverkehr, und<br />

Reiner Metz, Geschäftsführer ÖPNV, die<br />

zentralen Themen:<br />

„In diesen Wochen mangelt es nicht an Gelegenheit<br />

für grundsätzliche Weichenstellungen beim öffentlichen<br />

Verkehr. Dabei ragt das<br />

Gesetzgebungsverfahren<br />

für das Vierte EU-Eisenbahnpaket<br />

heraus, da es die Ge-<br />

„Dauerhaft belastbare<br />

Rahmenbedingungen als schäftsmodelle nahezu aller<br />

Grundlage unternehmerischer<br />

Entscheidungen ob sie nun Eisenbahnen,<br />

<strong>VDV</strong>-Unternehmen betrifft,<br />

lassen sich so nicht<br />

Straßenbahnen oder Busse,<br />

schaffen.“<br />

Infrastruktur oder Verkehr<br />

betreiben, staatlichen, kommunalen<br />

oder privaten Hintergrund<br />

haben. Auffällig ist, in wie rascher Folge<br />

umfassende Veränderungen an den Rahmenbedingungen<br />

unserer Branche auf die Tagesordnung<br />

gesetzt werden. Mit der Umsetzung des ,Recasts’<br />

der bisherigen EU-Eisenbahnpakete, die jetzt ansteht,<br />

wird derzeit eine Großbaustelle der Gesetzgebung<br />

eingerichtet.<br />

Gleichzeitig wird mit dem Vierten Eisenbahnpaket<br />

eine weitere umfassende Baustelle aufgemacht,<br />

die zum Teil das gleiche Terrain betrifft und Maßnahmen<br />

enthält, die in früheren Phasen aus gutem<br />

Grund verworfen wurden. Ohne das Bild eines<br />

Bauprojektes überstrapazieren zu wollen, hat es<br />

auch Vorhaben wie der Hamburger Elbphilharmonie<br />

nicht gut getan, dauernd umzuplanen, während<br />

bereits gebaut wurde. Dauerhaft belastbare Rahmenbedingungen<br />

als Grundlage unternehmerischer<br />

Entscheidungen lassen sich so nicht schaffen.<br />

Ein Beispiel hierfür ist das Thema der Organisation<br />

der Eisenbahnen. Mit ideologischer Hartnäckigkeit<br />

versucht die EU-Kommission, ihren immer wieder<br />

gescheiterten Ansatz einer Trennung zwischen<br />

Verkehr und Infrastruktur durchzusetzen. Im Entwurf<br />

des Vierten Eisenbahnpaketes steht dies zwar<br />

nicht explizit, jedoch werden Bedingungen für die<br />

Fortführung der Integration aufgestellt, die aufgrund<br />

des bürokratischen Aufwandes nicht wirtschaftlich<br />

tragbar sein dürften. Im Blickfeld der Kommission<br />

stehen die großen integrierten Ex-Staatsbahnunternehmen.<br />

Sie trifft mit ihren Regelungen aber<br />

auch viele kleine integrierte Unternehmen, die<br />

hierzulande zu den Keimzellen des Wettbewerbes<br />

zählen. Diese Unternehmen können sich Aufwand<br />

6 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


Titelstory<br />

<strong>Das</strong> Vierte EU-Eisenbahnpaket –<br />

kurz gefasst<br />

Die EU-Kommission will mehr Wettbewerb und eine stärkere Liberalisierung<br />

nicht nur im Eisenbahn-, sondern auch im Bus- und Tramverkehr.<br />

Um die Marktöffnung stärker voranzutreiben, schlägt sie im<br />

Vierten Eisenbahnpaket umfangreiche und zum Teil weitreichende<br />

Änderungen für die Marktordnung, die Organisation der Unternehmen<br />

und die Kompetenzen der Aufsichts- und Sicherheitsinstitutionen<br />

vor. Unter anderem soll dies auch durch eine Revision der<br />

Verordnung 1370/2007 geschehen, wodurch das erst Anfang 2013<br />

verabschiedete Personenbeförderungsgesetz (PBefG) in Deutschland<br />

infrage gestellt würde. Für die ÖPNV-Unternehmen hätte das erneute<br />

Rechtsunsicherheiten zur Folge, zum Beispiel bei der Direktvergabe<br />

an interne Betreiber. Der <strong>VDV</strong> und seine Mitglieder, aber auch zahlreiche<br />

andere europäische Eisenbahn- und ÖPNV-Betreiber lehnen<br />

die Vorschläge der EU-Kommission mit dem Hinweis auf unnötige<br />

Überbürokratisierung zu großen Teilen ab.<br />

<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 7


Titelstory<br />

KOMMENTAR<br />

für eine weitere Verkomplizierung<br />

der Rechnungslegung und<br />

der personellen Abschottung<br />

zwischen Infrastruktur und Verkehr<br />

schlicht nicht leisten. Die<br />

kleineren Unternehmen könnten<br />

auch zu Leidtragenden der vorgesehenen Zentralisierung<br />

bisheriger Kompetenzen und Aufgaben<br />

nationaler Aufsichtsbehörden bei der Europäischen<br />

Eisenbahnagentur ERA werden. Der Verkehr mit<br />

dieser in der abgelegenen französischen Provinzstadt<br />

Valencienne angesiedelten Behörde über Sprachgrenzen<br />

hinweg dürfte kaum geeignet sein, die<br />

bürokratischen Herausforderungen kleinerer<br />

Unternehmen zu verringern. So schadet die EU-<br />

Kommission der Branchenvielfalt, für die sie sich<br />

vorgeblich einsetzt.<br />

Ein weiteres zentrales Thema des Vierten Eisenbahnpaketes<br />

sind massive Änderungen der 2009<br />

in wesentlichen Teilen in Kraft getretenen<br />

EG-Verordnung Nr. 1370/2007. Hier strebt die<br />

EU-Kommission eine allgemeine Ausschreibungspflicht<br />

bei Eisenbahnpersonenverkehrsdiensten<br />

an. In Deutschland müssen bereits heute Eisenbahnverkehrsverträge<br />

in aller Regel ausgeschrieben<br />

werden. Daher hätte dieses Thema relativ entspannt<br />

diskutiert werden können, wenn nicht<br />

die Kommission den Bogen hier völlig überspannt<br />

hätte.<br />

Unter dem Vorwand, die Ausschreibung von Eisenbahnverkehren<br />

in ganz Europa sicherzustellen,<br />

schlägt die Kommission umfassende bürokratische<br />

Regularien mit gravierenden Auswirkungen auch<br />

auf die Vergabe von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen<br />

bei Bus und Tram (Straßenbahn, U-Bahn<br />

„So schadet die<br />

EU-Kommission der<br />

Branchenvielfalt, für<br />

die sie sich vorgeblich<br />

einsetzt.“<br />

usw.) vor. Als langjähriger Beobachter<br />

fühlt man sich an die<br />

Zeit vor dem 2006 gefundenen<br />

politischen Kompromiss zur<br />

Verordnung 1370 zwischen<br />

Europäischem Parlament (EP),<br />

Mitgliedsstaaten (Ministerrat) und Kommission<br />

erinnert. Denn die Kommission hat nicht nur viele<br />

ihrer seinerzeit im Wesentlichen gescheiterten<br />

Vorschläge im neuen Gewande aufgewärmt, sondern<br />

auch zusätzliche Themen aufgemacht wie etwa<br />

einen verbindlichen Plan als Maßstab für die<br />

Verkehrsgestaltung und -finanzierung und deren<br />

Rechtskontrolle vor Ort und durch die Kommission.<br />

<strong>Das</strong> Vorlegen solch massiver und neuer Änderungsvorschläge<br />

wundert, weil Teil des seinerzeit –<br />

unter Beteiligung der Kommission – zustande<br />

gekommenen Kompromisses war, dass fünf Jahre<br />

nach Inkrafttreten der Verordnung 1370 aufgrund<br />

von Fortschrittsberichten der Mitgliedsstaaten erwogen<br />

werden sollte, ob und gegebenenfalls welche<br />

Änderungen der Verordnung notwendig sein könnten.<br />

Die Kommission hat ihre Vorschläge vier Jahre<br />

nach Inkrafttreten, und ohne auch nur einen Fortschrittsbericht<br />

abzuwarten, vorgelegt.<br />

Im EP, in dessen Spielfeld das Paket in erster<br />

Lesung nun liegt, bevor sich der Ministerrat hierzu<br />

positionieren wird, werden diese Vorschläge teils<br />

kritisch gesehen, in einzelnen Punkten werden<br />

allerdings sogar noch Verschärfungen gefordert:<br />

So soll etwa nach den Vorstellungen des Berichterstatters<br />

im Verkehrsausschuss des EP für<br />

Direktvergaben – auch bei Bus und Tram – eine<br />

allgemeine Rechtfertigungspflicht eingeführt<br />

werden, die in der Praxis unerfüllbare Voraussetzungen<br />

hätte.<br />

Mehr Wettbewerb und eine stärkere Liberalisierung<br />

nicht nur im Eisenbahn-, sondern auch im<br />

Bus- und Tramverkehr: <strong>Das</strong> strebt die EU-Kommission<br />

an.<br />

8 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


Titelstory<br />

Zumindest bei diesem Dokument des Vierten<br />

Eisenbahnpaketes besteht die Gefahr, dass nicht der<br />

Wettbewerb dem Ziel eines besseren öffentlichen<br />

Personenverkehrs dient, sondern dass dieser das<br />

Objekt zur Verwirklichung von theoretischen<br />

Marktordnungsdogmen der Kommission ist. Aus<br />

gesamtwirtschaftlicher und Kundensicht bleibt<br />

also dringend zu hoffen, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren<br />

der 2006 gefundene und ausgewogene<br />

Kompromiss zur Verordnung 1370<br />

weitgehend aufrechterhalten bleiben wird.“<br />

Für Direktvergaben – auch<br />

bei Bus und Tram – soll eine<br />

Rechtfertigungspflicht eingeführt<br />

werden.<br />

Zu den Gefahren des Vierten Eisenbahnpaketes haben der <strong>VDV</strong> und „Transport for London“<br />

ein gemeinsames Positionspapier vorgelegt. Hier die Kernforderungen:<br />

Keine Abschaffung aller<br />

Direktvergaben durch<br />

Einführung einer nicht<br />

erfüllbaren Rechtfertigungspflicht<br />

Keine Änderungen für<br />

Bus und Tram<br />

Schlanke Nahverkehrspläne<br />

statt<br />

bürokratischer<br />

Regelungswut<br />

Keine Einmischung<br />

der EU in die Behördenstruktur<br />

Vernünftiges Verhältnis<br />

von Wettbewerb und<br />

Direktvergabe im Eisenbahnverkehr<br />

Weitere Infos und Stellungnahmen<br />

des <strong>VDV</strong> zum<br />

Vierten Eisenbahnpaket können<br />

auch im Internet nachgelesen<br />

werden unter<br />

www.vdv.de/<br />

4.-eu-eisenbahnpaket.pdfx?forced=true<br />

<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 9


Reportage<br />

17<br />

Prozent<br />

Steigung schafft Stuttgarts<br />

Zacke auch bei Eis und<br />

Schnee mühelos – die<br />

Linie 10 ist eine<br />

Zahnradbahn.<br />

Sonderschichten<br />

mit der Zacke<br />

Vor dem Winter haben alle Verkehrsteilnehmer Respekt. Auch Busse und<br />

Bahnen. Zum Beispiel in Stuttgart: Dort sind steile Strecken bei Eis und<br />

Schnee eine besondere Herausforderung.<br />

10 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


Reportage<br />

Auf die Zacke ist Verlass. Wenn eiskalte Flocken<br />

schier ohne Ende vom Himmel fallen und auf den<br />

Straßen nicht mehr viel geht, fährt Stuttgarts mehr<br />

als 125 Jahre alte Zahnradbahn Sonderschichten. Vom<br />

Marienplatz in der City mit bis zu 17 Prozent Steigung<br />

hinauf in den Stadtteil Degerloch – und wieder hinab.<br />

Üblicherweise hat die Zacke ab 21 Uhr Ruhe, und die<br />

wenigen späten Gäste auf dieser Linie der Stuttgarter<br />

Straßenbahnen AG (SSB) fahren stattdessen Taxi.<br />

Doch wenn der Winter Baden-Württembergs Landeshauptstadt<br />

in den Griff nimmt, dann bleibt die<br />

Bahn mit dem ungewöhnlichen Spitz- und Markennamen<br />

schon mal bis zum Betriebsschluss um 0.30<br />

Uhr im Einsatz. Und das dank ihrer „Zacken“, ihres<br />

Zahnrad-Antriebs, unbeeindruckt von Blitzeis oder<br />

Dauerschnee.<br />

<strong>Das</strong> ist Dienst an den Kunden – von denen es an<br />

solchen Tagen weit mehr gibt als bei weniger problematischen<br />

Witterungsverhältnissen, vorwiegend<br />

umsteigende Auto- und Radfahrer: „Stuttgart liegt<br />

zwar fern von den Alpen, doch bei heftigen Wintereinbrüchen<br />

ist es bei uns zumindest voralpin“, erklärt<br />

Winfried Reichle, bei der SSB Unternehmensbereichsleiter<br />

Infrastruktur. <strong>Das</strong> liegt an den besonderen<br />

topographischen Gegebenheiten der Schwaben-<br />

Metropole. Ihr Zentrum befindet sich gerade mal<br />

220 Meter über dem Meeresspiegel, die zum Teil<br />

städtisch dicht bebauten Höhen rundherum türmen<br />

sich bis zu 525 Meter auf. „Über Berg und Tal“ heißt<br />

das Mitarbeiter-<strong>Magazin</strong> der SSB nicht zufällig, denn<br />

die 55 Bus- und 17 Stadtbahn-Linien müssen auf<br />

ihrem rund 560 Kilometer langen Streckennetz<br />

immer wieder rauf und runter.<br />

werden, bei der Stadtbahn sind es bis zu 90 Promille,<br />

also neun Prozent“, beschreibt Johann Schmickl, SSB-<br />

Unternehmensbereichsleiter Betrieb: „<strong>Das</strong> ist für<br />

Schienenfahrzeuge schon ungewöhnlich und vergleichbar<br />

einer Adhäsionsbahn im Gebirge.“ Mit entsprechenden<br />

Konsequenzen an heftigen Wintertagen:<br />

Dann sind es eher die Bahnen als die Busse, die die<br />

Verbindung zwischen Bergen und Tal aufrechterhalten.<br />

Denn die langen Züge in der traditionellen gelben<br />

Lackierung fahren weitgehend auf eigenen Trassen<br />

und auch außerhalb der City oft in schnee- und eisfreien<br />

Tunnelabschnitten. Rund 500 Weichen hat die<br />

SSB mit Heizungen ausgestattet. „In aller Regel“, so<br />

Schmickl, „kommen wir mit der Stadtbahn auch bei<br />

winterlichen Verhältnissen überall gut hin.“<br />

Neuralgische Punkte gibt es gleichwohl. Kreuzungen<br />

mit dem Individualverkehr wie etwa an der Haltestelle<br />

Olgaeck, wo Autos auf glatter Fahrbahn schnell die<br />

freie Fahrt blockieren. Oder die Linie U 15 hinauf in<br />

Richtung Fernsehturm, deren Gleise weitgehend in<br />

der Straße liegen. Infrastrukturmann Reichle: „Rillenschienen,<br />

die sind besonders kritisch. Wenn in den<br />

Rillen der Schneematsch gefriert, haben wir ein Problem.“<br />

Auch Weicheneis kann sich bilden, trotz der<br />

Heizung: „<strong>Das</strong> machen wir dann händisch wieder frei,<br />

wir sind ja nicht in den Alpen.“ <strong>Das</strong> ist dann Sache der<br />

Gleisbaubereitschaft.<br />

„Rund 25 Prozent der Strecken unserer wichtigen<br />

Innenstadtbuslinien sind Steigungsstrecken. Dort<br />

müssen Steigungen bis zu 14 Prozent bewältigt<br />

„Wir kommen mit der Stadtbahn<br />

auch bei winterlichen Verhältnissen<br />

überall gut hin.“<br />

Johann Schmickl,<br />

SSB-Unternehmensbereichsleiter Betrieb<br />

Die Züge der SSB fahren weitgehend auf eigenen Trassen.<br />

<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 11


„Aus Einzelfahrern Stammkunden<br />

zu machen – das ist unser Ziel und<br />

an den extremen Wintertagen eine<br />

hohe Kunst.“<br />

Winfried Reichle,<br />

SSB-Unternehmensbereichsleiter Infrastruktur<br />

Schweres Räumgerät: An einigen neuralgischen Punkten im Busnetz muss die SSB immer wieder<br />

den städtischen Winterdienst unterstützen.<br />

Um dieses und andere Probleme in den Griff zu bekommen,<br />

ist Generalstabsarbeit erforderlich. „Seit<br />

dem 28. Oktober ist bei uns Winter, und er geht bis<br />

Ende März“, beschreibt Reichle. In dieser Zeit ist das<br />

Unternehmen gewissermaßen ständig in Alarmbereitschaft,<br />

und es ist genau festgelegt, wer was wann<br />

wo zu tun hat. Zum Beispiel: Wenn es nachts anhaltend<br />

schneit oder zu schneien droht, dann rücken auf<br />

Anweisung des Oberverkehrsmeisters in der Leitstelle<br />

fünf Stadtbahnzüge aus, um in der nächtlichen<br />

Betriebspause alle Schienenstrecken, einschließlich<br />

aller Weichen und Kreuzungen, die ganze Nacht über<br />

regelmäßig zu befahren, damit sich keine Schneeberge<br />

auf den Trassen anhäufen oder die Oberleitung vereist.<br />

Parallel dazu müssen sich am frühen Morgen die<br />

Räum- und Streukommandos privater, von der SSB<br />

beauftragter Firmen auf den Weg machen: Zum<br />

Betriebsbeginn um 3.30 Uhr müssen Hochbahnsteige<br />

im Stadtbahnnetz und die Wege dorthin sowie Zugänge<br />

zu Betriebseinrichtungen oder Toiletten geräumt<br />

sein. Es wird gestreut, Split und Salz. In drei<br />

Silos lagert das Streugut, insgesamt rund 350 Tonnen.<br />

„Auch ein extrem schneereiches Wochenende darf<br />

nicht dazu führen, dass die Vorräte weitgehend aufgebraucht<br />

werden. Dann brauchen wir schnellstens<br />

Nachschub“, berichtet Johann Schmickl.<br />

Im Busbetrieb kann sich die SSB weitgehend auf den<br />

städtischen Räum- und Streudienst verlassen. Allerdings,<br />

so Schmickl: „An bestimmten Steigungs- und<br />

Gefällstrecken müssen wir uns im Interesse unserer<br />

Fahrgäste oftmals selbst helfen.“ Im Betriebshof<br />

Gaisburg werden im Winter eigene Streufahrzeuge<br />

einsatzklar gehalten; Busfahrer mit dem Lkw-Führerschein<br />

rücken bei Bedarf aus, um an der Weiterfahrt<br />

gehinderten Kollegen zu helfen.<br />

Dresden: Schnee schleudern<br />

Die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) müssen tief im Osten<br />

der Republik immer wieder mit knackigen Wintereinbrüchen<br />

rechnen. Im Dezember vergangenen Jahres lagen laut<br />

Wetteronline.de bis zu 26 Zentimeter Schnee, im Januar<br />

flockten sich die Eiskristalle sogar auf 30 Zentimeter hoch.<br />

Winterdienst bei den DVB heißt deshalb immer wieder: Tiefschnee-Beseitigung<br />

im Gleis- und Haltestellenbereich. Dafür<br />

verfügt das Unternehmen über zwei Schneepflüge, die vor die<br />

Straßenbahn gespannt werden können. Bei noch mehr weißer<br />

Pracht gibt es auch eine Schneeschleuder, die vielseitig einsetzbar<br />

ist: Sie ist an einem Zwei-Wege-Fahrzeug montiert<br />

und kann deshalb sowohl Schienenstrecken als auch Haltestellenbereiche<br />

gründlich räumen. Der Mühe Lohn ist oft<br />

gering: Fahrgäste, so ein Sprecher, meckern schnell schon<br />

über ein paar Verspätungsminuten – meist die, die sonst<br />

Auto fahren.<br />

Aber: Auf der Straße in der Landeshauptstadt und in<br />

über 20 Umland-Kommunen, in die die SSB auch<br />

fährt, ist es in der Regel nicht der Bus, der Probleme<br />

macht – es ist der Individualverkehr. Schmickl:<br />

„Wenn und wo der nicht läuft, fangen wir uns enorme<br />

Verspätungen ein.“<br />

Auch deshalb freut sich das Unternehmen über Umsteiger,<br />

die im Winter das Auto in der Garage lassen.<br />

In den Monaten Januar und Februar verzeichnen<br />

12 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


Reportage<br />

Unverzichtbar in Stuttgart: Auch die Gelenkbusflotte<br />

überwindet Steigungen oder Gefälle von bis zu 14 Prozent.<br />

Berlin: Räumen lassen<br />

Busse und Bahnen einen deutlich höheren Fahrgastund<br />

entsprechenden Umsatzanteil mit Einzelfahrscheinen.<br />

Winfried Reichle: „Aus den Einzelfahrern<br />

Stammkunden zu machen – das ist unser Ziel. An den<br />

extremen Wintertagen ist das eine hohe Kunst.“<br />

www.ssb-ag.de<br />

800 Tram- und etwa 6.500 Bushaltestellen – damit sind die<br />

Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit Abstand Spitzenreiter<br />

unter den deutschen ÖPNV-Unternehmen. In der Hauptstadt,<br />

in der winterliche Minustemperaturen auch schon<br />

mal an 30 Grad heranreichen, hatten unterschiedliche und<br />

komplizierte Regelungen beim Räumen und Streuen immer<br />

wieder zu Problemen geführt. <strong>Das</strong> ist seit dem Winter<br />

2011/2012 anders: Nach einer Änderung des Straßenreinigungsgesetzes<br />

müssen die Berliner Stadtreinigungsbetriebe<br />

(BSR) bei allen Bus- und einer großen Anzahl von Straßenbahnhaltestellen<br />

für sichere Zugangswege sorgen. Damit, so<br />

die BVG, seien frühere Missverständnisse, zum Beispiel mit<br />

Anrainern und Hausbesitzern über Schneeschippen an<br />

Haltestellen, dank der klaren Zuständigkeiten der BSR jetzt<br />

beseitigt – und zumindest die Haltestellenbereiche überall<br />

besser geräumt.<br />

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Hintergrund<br />

Wasserstrahl<br />

lästiges Quietschen<br />

sprüht<br />

weg<br />

In Herne rollen die Straßenbahnen der Linie<br />

306 seit Kurzem wesentlich leiser durch den<br />

Stadtteil Eickel. Dort spritzen die Fahrzeuge<br />

der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen<br />

AG (Bogestra) Wasser auf die Schienen<br />

und senken so ihren Geräuschpegel bei engen<br />

Kurvenfahrten. Die Idee dazu stammt von<br />

den eigenen Mitarbeitern.<br />

Wanne-Eickel, Station Eickel Kirche: In Richtung<br />

Bochum Hauptbahnhof nimmt eine Variobahn Fahrt<br />

auf – um ihr Tempo gleich wieder zu verlangsamen.<br />

Eingerahmt von Wohn- und Geschäftshäusern führen<br />

die Schienen direkt auf den Turm der Johanneskirche<br />

zu und machen dann fast im 90-Grad-Winkel eine<br />

Rechtskurve. Weiter geht es einige Meter geradeaus,<br />

dann folgt ein ebenso enger Bogen nach links, an dessen<br />

Ende schon die nächste Station „Auf der Wenge“<br />

in Sicht kommt. Bis vor Kurzem nahmen bei kaltem<br />

trockenen Wetter die Bahnen der Linie 306 die<br />

„Eickeler Kurve“ noch mit einem lauten Quietschen.<br />

Nun sind nur noch die Fahrgeräusche zu hören, wie<br />

sie allgemein üblich und bekannt sind.<br />

Nach Anwohnerbeschwerden hat die Bogestra alle<br />

elf Fahrzeuge, die auf der Linie zwischen den Hauptbahnhöfen<br />

von Bochum und Wanne-Eickel verkehren,<br />

mit einem System ausgestattet, das den<br />

Geräuschpegel in den engen Kurven spürbar senkt –<br />

der Schienenkopfbenetzungsanlage. Der Name ist<br />

sperrig, das Prinzip aber intelligent einfach. „Es ähnelt<br />

dem der Scheibenwaschanlage beim Auto, nur völlig<br />

anders verwendet“, erläutert Bogestra-Mitarbeiter<br />

Sebastian Koch, einer der Erfinder der Anlage. Aus<br />

nachträglich eingebauten Tanks unter dem Cockpit<br />

der Bahn wird Wasser zu zwei Düsen gepumpt, die<br />

dann den Schienenkopf vor den vorderen Rädern benetzen.<br />

Dadurch wird das sogenannte Ruckgleiten –<br />

es tritt in der Regel bei trockener, kalter Witterung<br />

auf – vermieden. Dieses entsteht in engen Kurven,<br />

wenn sich das Fahrwerk der Variobahn quer versetzt.<br />

Dann haften die Räder, rutschen kurz und haften<br />

wieder. Die Folge sind Schwingungen, die den unangenehmen<br />

Quietschton der Schiene erzeugen. Was<br />

die Quietschgeräusche hervorruft, nämlich die Verwendung<br />

von Fahrwerken anstelle von Drehgestellen,<br />

bringt auf der anderen Seite direkte Vorteile für die<br />

Fahrgäste. Die Variobahn ist zu 100 Prozent niederflurig.<br />

Durch die zusätzliche Technik wird nun beides erreicht:<br />

ein optimal barrierefreies Fahrzeug und die<br />

Reduzierung der Quietschgeräusche. Jetzt geht die<br />

Bogestra in ihren ersten Winter, in dem sie im kompletten<br />

Fuhrpark einer Linie diese Anlage einsetzt,<br />

die die Geräusche einfach wegsprüht. „<strong>Das</strong> hatten<br />

wir den Anwohnern versprochen“, erläutert Sebastian<br />

Koch. Schließlich soll die Akzeptanz der Linie 306<br />

Prima-Wettbewerb<br />

Prima: <strong>Das</strong> steht für „Produktivitätssteigerung<br />

und<br />

Innovation durch Mitarbeiterbeteiligung“.<br />

Wenn<br />

sich die Teilnehmer dieses<br />

Wettbewerbs einmal<br />

jährlich im osthessischen<br />

Hohenroda treffen, geht<br />

es neben den guten Ideen<br />

vor allem um Teamgeist, Austausch, Wirtschaftlichkeit<br />

und gute Zusammenarbeit. Durchaus mit sportlichem<br />

Ehrgeiz: Denn es gilt, sich unter den 14 namhaften Unternehmen,<br />

die sich derzeit beteiligen, durchzusetzen.<br />

Und das schweißt zusammen: Der Wettbewerb eignet<br />

sich gut dazu, Mitarbeiter zu motivieren und Teams zu<br />

entwickeln. „Wir würden uns freuen, wenn vor allem<br />

mehr mittlere und kleinere Verkehrsunternehmen mitmachen<br />

würden“, erläutert André Kränzke (Foto), Leiter<br />

Verkehrsbetrieb bei den Stadtwerken Osnabrück und<br />

eines von drei Verwaltungsratsmitgliedern bei Prima.<br />

Infos gibt es im Prima-Kontaktbüro bei der Bremer<br />

Straßenbahn AG unter prima@bsag.de und unter<br />

www.prima-wettbewerb.de<br />

14 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


Hintergrund<br />

Mit Wasser gegen Geräusche:<br />

Nachträglich eingebaute Düsen benetzen<br />

den Kopf der Straßenbahnschiene.<br />

<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 15


Hintergrund<br />

Sebastian Koch (l.) und Lothar Skuginna<br />

programmieren die Steuerung der Benetzungsanlage<br />

(Foto o.). Eine Variobahn der Bogestra<br />

rollt durch die Eickeler Kurve (Foto r.).<br />

nicht leiden. „Wir wollen, dass die Straßenbahn nicht<br />

als Störfaktor wahrgenommen wird“, erläutert Pressesprecher<br />

Christoph Kollmann.<br />

Eineinhalb Jahre haben Sebastian Koch, Lothar Skuginna<br />

und ihre Kollegen des Bereichs Infrastruktur<br />

und Fahrzeuge getüftelt, bis sie Ende 2012 eine Referenztram<br />

auf die Strecke schicken konnten – schon<br />

fast eine Ingenieursleistung. Der Sommer und der<br />

Herbst 2013 wurden genutzt, um Erfahrungen mit<br />

dem Erprobungsträger zu sammeln, bevor rechtzeitig<br />

zum Beginn der kalten Jahreszeit die Nachrüstung<br />

aller elf Bahnen der Linie 306 abgeschlossen wurde.<br />

Per GPS erkennt die Steuerung der Anlage, wann die<br />

Bahn sich der Eickeler Kurve nähert. Der Rest funktioniert<br />

automatisch, schließlich soll der Fahrer nicht<br />

abgelenkt werden.<br />

Die neu ausgestatteten Bahnen haben zahlreiche<br />

Brems- und Fahrversuche hinter sich, und die<br />

Bogestra-Mitarbeiter haben den Nachweis erbracht,<br />

45<br />

Fahrzeuge<br />

– also die gesamte<br />

Variobahn-Flotte der<br />

Bogestra – sollen für einen<br />

sechsstelligen Eurobetrag<br />

umgerüstet werden.<br />

dass keine sicherheitsrelevanten Systeme und Eigenschaften<br />

der Bahnen verändert wurden. So konnte<br />

die für Nordrhein-Westfalen zuständige Technische<br />

Aufsichtsbehörde (TAB) dem Einsatz der modifizierten<br />

Bahnen ebenfalls zustimmen. Zu besonderen<br />

Ehren kam die Erfindung beim bundesweiten<br />

„Prima“-Wettbewerb (s. Infobox Seite 14), der Ideen<br />

und Projekte der Mitarbeiter von Nahverkehrsunternehmen<br />

auszeichnet: Hier belegte das Bogestra-Team<br />

im Frühjahr 2013 den ersten Platz.<br />

In der Entwicklungsphase kam Unterstützung von<br />

Kollegen der Essener Verkehrs-AG. Die teilten ihre<br />

Erfahrungen mit, die sie mit einem System gesammelt<br />

hatten, das einen Festschmierstoff nutzt. Der kann in<br />

Herne jedoch nicht zum Einsatz kommen, weil sich<br />

die Linie 306 die Eickeler Kurve mit dem Individualverkehr<br />

teilt und ein Festschmierstoff somit nicht<br />

infrage kommt. Deshalb lässt die Bogestra an ihre<br />

Schienenköpfe nur Wasser und gegebenenfalls Frostschutzmittel.<br />

Die Flüssigkeit verdunstet im Winter<br />

schneller als sie gefrieren kann.<br />

Um ein Fahrzeug mit der Schienenkopfbenetzungsanlage<br />

nachzurüsten, die für den Serienumbau beim<br />

Fahrzeughersteller Stadler als Gesamtpaket bestellt<br />

wurde, benötigen die Werkstattmitarbeiter rund eine<br />

Woche. Und der Einbau geht weiter. Ziel ist es, nach<br />

und nach alle Variobahnen damit auszustatten. Investieren<br />

wird die Bogestra für die Ausrüstung ihrer gesamten<br />

Variobahn-Flotte – insgesamt 45 Fahrzeuge –<br />

einen hohen sechsstelligen Eurobetrag.<br />

16 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


Hintergrund<br />

Muhterem Bükrücü (Foto o.) verdrahtet im<br />

Straßenbahncockpit die Steuerung der Schienenkopfbenetzungsanlage,<br />

während Sebastian Koch<br />

die Halterung des GPS-Empfängers<br />

montiert (Foto r.).<br />

Weitere Infos unter<br />

www.bogestra.de<br />

+++ E-Ticketing<br />

+++ Integriertes Fahrgeldmanagement +++<br />

Echtzeit-Fahrgastinformation astinformation +++ Software +++ Verkehrsmanagement eme +++<br />

Sicherheitssysteme +++ Infotainmentsysteme teme +++ und<br />

weitere +++<br />

1. Tag:<br />

CEO day<br />

18.- 20.<br />

Februar 2014<br />

Messe Karlsruhe<br />

ruhe<br />

Veranstalter:<br />

er:<br />

Partner


50.000<br />

Lokomotiven<br />

verlassen jährlich<br />

das Märklin-Werk in<br />

Göppingen, ein Vielfaches<br />

davon zusätzlich das Zweigwerk<br />

im ungarischen Győr.<br />

Ritzel, Achse,<br />

Kurbelzapfen<br />

18 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


Hintergrund<br />

Märklin fährt wieder unter Volldampf: Die<br />

Geschäftsführung wagt den Spagat zwischen<br />

Kinderzimmer und Modellbahnkeller.<br />

Vor Weihnachten ist Hochsaison bei Märklin. „In<br />

der Gießerei wird in drei Schichten gearbeitet“, sagt<br />

Florian Sieber, der 28-jährige Geschäftsführer des<br />

154 Jahre alten „Herstellers feiner Metallspielwaren“.<br />

50.000 Lokomotiven verlassen jährlich das<br />

Werk in Göppingen, ein Vielfaches davon zusätzlich<br />

das Zweigwerk im ungarischen Győr. Gerade kommen<br />

die ersten Gussgehäuse der neuen E 93 aus<br />

den Maschinen. Eines dieser „deutschen Krokodile“,<br />

hochdetailliert, mit Digitaldecoder und vielen<br />

Soundfunktionen, wird 2014 für die Insider Club<br />

Mitglieder für 350 Euro erhältlich sein.<br />

Beim Gang durch das Gründerzeitgebäude in<br />

Göppingen (Foto u.), in dem so viele Kinder- und<br />

Erwachsenenträume wahr wurden und werden,<br />

vermittelt nichts mehr den Eindruck, dass das Unternehmen<br />

von 2009 bis 2012 durch eine Insolvenz<br />

– verbunden mit harten Spar- und Rationalisierungsmaßnahmen<br />

– gegangen ist. Sie kostete<br />

Hunderte Mitarbeiter den Job. Siebers Geschäftsführerkollege<br />

Wolfrad Bächle, durch und durch<br />

Märklin-Techniker, fasst die Insolvenzperiode mit<br />

wenigen Worten zusammen: „Wir haben jedes Produkt<br />

auf den Prüfstand gestellt und im Zweifel darauf<br />

verzichtet. Erst jetzt können wir uns wieder an<br />

strategische Produkte wagen, die erst nach einigen<br />

Jahren ihre Investitionen einbringen.“<br />

<strong>Das</strong> Traditionsunternehmen wagt unter der Regie<br />

der neuen Eigentümerfamilie Sieber, der die Simba<br />

Dickie Group mit Marken wie Schuco, Big und anderen<br />

gehört, einen Spagat zwischen extremen Zielgruppen:<br />

den Kindern, die es an die kleinen Bahnen<br />

heranzuführen gilt, und den Modellbahnern, die auf<br />

Vorbildtreue und oft auch auf präzise Nachvollziehbarkeit<br />

realistischer Betriebsabläufe Wert<br />

legen. Florian Sieber war es, der seinen Vater<br />

Michael weichklopfte, bis es zur Übernahme kam.<br />

Nach einer Werksbesichtigung war er angefixt:<br />

„Was da an Know-how dahintersteckt – einfach<br />

ein einzigartiges Produkt.“<br />

Bächle verweist darauf, dass sich eine H0-Dampflok<br />

(Maßstab 1:87) aus bis zu 300 Einzelteilen zusammensetzt<br />

und sich die Entwicklungskosten<br />

inklusive Formen und Werkzeugen auf eine<br />

Million Euro belaufen können. Die Loks der Spurweite<br />

1 im Maßstab 1:32 übertreffen die H0-Fahrzeuge<br />

noch. <strong>Das</strong> neueste Modell der populären<br />

P8-Dampflok raucht bei der Vorführung im Testcenter<br />

synchron mit dem kräftigen Sound nicht nur<br />

aus dem Schlot, sondern auch aus der Pfeife und<br />

unten aus den Zylindern. „Damit setzen wir auch in<br />

dieser Spurweite neue Maßstäbe“, versichert Sieber.<br />

Wie wird dieser Spagat konkret? Florian Sieber<br />

stellt das Kinderprogramm neu auf. Die preiswerten<br />

Startsets mit batteriebetriebenen ICEs und Güterzügen<br />

bekommen ein vereinfachtes Gleissystem,<br />

„damit die Kinder sich das Zimmer damit zupflastern<br />

können“. Er versichert zugleich, dass er „am<br />

Vier Jahre des Zitterns<br />

Zur Spielwarenmesse 2009 wollte Märklin eigentlich sein<br />

150-jähriges Bestehen feiern. Stattdessen meldete die damalige<br />

Geschäftsführung am Vortag der Messe Insolvenz an. Insolvenzverwalter<br />

Michael Pluta entließ teure Berater und verringerte die<br />

Zahl der Bereichsleiter von 16 auf fünf. Interimsgeschäftsführer<br />

Kurt Seitzinger strich unrentable Produkte. Aus Lagerverkäufen<br />

wurden Investitionen finanziert. Im Frühjahr 2013 übernahm der<br />

Simba Dickie-Spielwarenkonzern unter Michael Sieber Märklin.<br />

Die Gläubiger, darunter viele ehemalige Mitarbeiter, wurden ausbezahlt.<br />

Sieber setzte seinen Sohn Florian neben Wolfrad Bächle<br />

als Geschäftsführer ein und begann zu investieren.<br />

<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 19


Hintergrund<br />

Aus bis zu 300 Einzelteilen<br />

besteht ein großes<br />

Dampflokmodell<br />

wie die Baureihe 01<br />

(Foto r.)<br />

Irmgard Schmidt (Foto<br />

l.) bemalt mit feinem<br />

Pinselstrich die Kesselringe<br />

einer Dampflok.<br />

Auf Handarbeit<br />

kommt es auch an<br />

anderen Stellen der<br />

Produktion an.<br />

„Erst jetzt können wir uns wieder<br />

an strategische Produkte wagen,<br />

die erst nach einigen Jahren ihre<br />

Investitionen einbringen.“<br />

Wolfrad Bächle,<br />

Geschäftsführer Märklin<br />

klassischen H0-Segment nichts verändern“<br />

wird. Die Batteriestartsets werden<br />

vorerst weiter von externen Lieferanten<br />

bezogen, aber andererseits soll die Modellbahn-Produktion<br />

aller Spurweiten<br />

weitestgehend in Göppingen und Ungarn<br />

angesiedelt werden.<br />

Der Gang durch die Hallen führt an<br />

neuen computergesteuerten Maschinen<br />

vorbei, die schnell Präzisionsteile auswerfen,<br />

etwa kleine und kleinste Ritzel,<br />

Achsen und Kurbelzapfen. „Hier ein Einfamilienhaus,<br />

da ein Einfamilienhaus“,<br />

erläutert Sieber die jüngsten Investitionen<br />

in Maschinen plastisch. Wie flexibel<br />

die sein müssen, verdeutlicht der Techniker<br />

Bächle: „Wir fertigen beispielweise<br />

über 300 verschiedene Radgeometrien<br />

alleine für Loks.“<br />

Alles können die Computer gesteuerten<br />

Anlagen dann doch nicht. Irmgard<br />

Schmidt etwa ist besser als die Maschine.<br />

Sie bemalt mit einem feinen Pinsel die<br />

filigranen Kesselringe an einer Dampf-<br />

lokomotive mit goldener Farbe. 17 Kessel<br />

mit je sechs Ringen schafft sie pro<br />

Stunde, und Bächle rechnet vor: „Drei<br />

Minuten die Kesselringe, zwei Minuten<br />

die Farbe für die Pufferbohle und noch<br />

viele weitere Schablonen und Bedruckarbeitsgänge.<br />

Alles zusammen dauert es<br />

20 Minuten, allein die Farbe bei der Lok<br />

aufzubringen.“<br />

Wie nachhaltig ist das alles? Sieber bekennt<br />

sich zum langfristigen Engagement:<br />

„Wir haben den 485 Beschäftigten<br />

hier in Göppingen eine Beschäftigungsgarantie<br />

bis 2019 gegeben.“ Selbst Weihnachtsgeld<br />

gibt es dieses Jahr wieder. In<br />

Ungarn, wo saisonal zwischen 700 bis<br />

850 Menschen arbeiten, entsteht gerade<br />

eine neue Produktionshalle, um die Kapazitäten<br />

zu schaffen, auch die wichtige<br />

Spurweite N Minitrix in den eigenen<br />

Werken neu aufzubauen. Inklusive der<br />

Investitionen in Maschinen, Anlagen<br />

und Gebäude werden für das ungarische<br />

Werk in Győr zirka zehn Millionen Euro<br />

aufgewendet. Insgesamt beziffern die<br />

20 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


Geschäftsführer die Investitionen für<br />

2013 und 2014 auf rund 28 Millionen<br />

Euro, bei einem erwarteten Jahresumsatz<br />

von deutlich über 100 Millionen. Und mit<br />

großzügigen Rabatten zum Jahresende ist<br />

auch Schluss.<br />

Besucher gewinnen den Eindruck, dass<br />

mit der Sanierung des Marktführers die<br />

Zukunft der Modellbahn erst einmal gesichert<br />

ist. Und so wird auch einer ihrer<br />

prominentesten Paten weiter auf sie setzen<br />

können: „Ich habe ja als Kind schon<br />

mit der Modelleisenbahn gespielt“, bekennt<br />

der Chef der großen Bahn, Rüdiger<br />

Grube. „Sie macht neugierig auf die Bahn<br />

im Maßstab 1:1 und schafft Verständnis<br />

für den Betriebsablauf.“<br />

Gewinnspiel<br />

Digitales Startset<br />

„Regional Express“<br />

Aufbauen und in den digitalen Modelleisenbahnbetrieb<br />

einsteigen: Unter seinen Lesern verlost<br />

„<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“ ein Startset von Märklin. Wer<br />

folgende Frage richtig beantwortet, hat die Chance<br />

zu gewinnen:<br />

Wie viele Radgeometrien fertigt<br />

Märklin ungefähr für seine Loks?<br />

Schicken Sie Ihre Antwort an: Redaktion <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>,<br />

AD HOC PR, Berliner Straße 107, 33330 Gütersloh<br />

Infos zur Startpackung<br />

Die Digital-Startpackung enthält einen<br />

modernen Nahverkehrszug mit einer<br />

E-Lok der Baureihe 146.2 in Metallausführung<br />

mit eingebautem Digitaldecoder<br />

und zwei Doppelstockwagen. Mit dabei<br />

ist eine große C-Gleisanlage und eine<br />

mobile Steuerungsstation, von der aus<br />

bis zu 16 Lokfunktionen schaltbar sind.<br />

Rechtsweg und Teilnahme über gewerbliche Gewinngemeinschaften sind ausgeschlossen. Einsendeschluss: 31.1.2014<br />

www.maerklin.de<br />

Vier Fragen an Märklin-Geschäftsführer Florian Sieber (Foto)<br />

» Setzen Sie mit Ihrer Übernahme von Märklin nicht auf ein<br />

aussterbendes Hobby?<br />

Nein, ganz und gar nicht. <strong>Das</strong> klassische, hochwertige Modellbahngeschäft<br />

bewegt sich auf einem stabilen Niveau. Es gibt aber einen<br />

knallharten Verdrängungswettbewerb. Deshalb wollen wir Innovationsführer<br />

in diesem Markt werden. Uns ist bewusst, dass wir den<br />

Return on Invest erst in ein paar Jahren erreichen. <strong>Das</strong> ist schon ein<br />

hohes Risiko, aber wir sind überzeugt, es ist der richtige Weg, die<br />

Wertschöpfung des Marktes zurückzuerobern.<br />

» Herr Sieber, passt die Traditionsmarke Märklin neben Plüschtieren,<br />

Gesellschaftsspielen und Bobby-Cars überhaupt in das Portfolio<br />

der zu den weltgrößten Spielwaren-Herstellern gehörenden Simba<br />

Dickie Group?<br />

Mein Vater und ich haben in der Tat lange gezögert, weil wir kaum<br />

Synergieeffekte zu unserem Sortiment sahen. Nachdem wir aber die<br />

Produktionsstätten von Märklin in Ungarn und Göppingen besucht<br />

hatten, waren wir beeindruckt von der hohen technischen Qualität,<br />

der modernen Fertigung und dem in 150 Jahren gewachsenen<br />

Know-how. <strong>Das</strong> ist ein tolles Asset!<br />

» Mit Kinderspielzeug hat das wenig zu tun ...<br />

<strong>Das</strong> stimmt. Wir sind aber die einzigen in der Branche, die neben der<br />

Präzisionsfertigung hochwertiger Modelle mit der zweiten eigenen<br />

Produktlinie auch Kinder ansprechen, also die nächste Modellbahner-<br />

Generation an das Hobby heranführen. <strong>Das</strong> bauen wir aus. Auf der<br />

Spielwarenmesse Ende Januar 2014 in Nürnberg werden wir unser<br />

neu strukturiertes Einsteiger- und Kindersegment präsentieren.<br />

» Sie sind nüchtern rechnender Betriebswirt. Schlägt Ihr Herz für die<br />

Eisenbahn?<br />

Ja natürlich! Als Kind habe ich im Keller mit dem Opa meine Märklin-<br />

Anlage aufgebaut. Und seit meinen Studententagen fahre ich sehr<br />

gerne Bahn. Es gibt keine bessere Art zu reisen.<br />

<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 21


U20<br />

Oft entscheiden<br />

Kleinigkeiten<br />

Es ist ein Thema von wachsender Bedeutung, gerade mit Blick auf den<br />

demografischen Wandel: Fahrsicherheit für Senioren im ÖPNV. Die<br />

Kraftverkehrsgesellschaft Hameln mbH (KVG) hat dazu eine breite Offensive<br />

gestartet – und bietet etwa Rollatorenschulungen für Senioren an,<br />

um Unfällen in Bussen vorzubeugen. <strong>Das</strong> Projekt von KVG, Polizei und<br />

Seniorenservicebüro hat Erfolg: Die Unfallzahlen sind rapide gesunken.<br />

Im hellen und modernen Seminarraum auf dem<br />

KVG-Betriebshof beginnt Vanessa Wolter ihren<br />

Vortrag. Die angehende „FiF“, Fachkraft im Fahrbetrieb,<br />

ist im dritten Lehrjahr und 20 Jahre<br />

alt – Anfang 2011 hatte sie gemeinsam mit ihrem<br />

Kollegen, Lehrfahrer David Witte, die Idee zu<br />

dem Rollatoren-Workshop. „Im Fahreralltag erlebt<br />

man solche Unfälle ja mit“, erklärt sie. <strong>Das</strong> war ein<br />

Auslöser. Seitdem erläutert sie den Senioren regelmäßig,<br />

worauf es im ÖPNV ankommt. Mehr als 250<br />

Teilnehmer haben ihre Vorträge bereits gehört und<br />

gelernt: Schon Kleinigkeiten entscheiden – etwa,<br />

den Rollator entgegen der Fahrtrichtung mit angezogener<br />

Feststellbremse abzustellen<br />

oder nicht hektisch zur Tür zu<br />

eilen, wenn der Bus noch gar<br />

nicht steht. Dieser theoretische<br />

Kursteil wird durch<br />

einen praktischen ergänzt,<br />

bei dem die Senioren die<br />

richtige Handhabung ihrer<br />

Geräte sowie das Ein- und<br />

Aussteigen an der Haltestelle<br />

üben. Der Workshop<br />

umfasst<br />

zwei Nachmittage.<br />

„Die Anzahl<br />

der gestürz-<br />

22 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


U20<br />

Vanessa Wolter gehört zu den<br />

Entwicklern des Workshops,<br />

bei dem unter anderen Polizist<br />

Andreas Hinz (Foto r.) den Senioren<br />

die richtige Handhabung ihrer<br />

Rollatoren erklärt.<br />

ten Fahrgäste ist seitdem um etwa 80<br />

Prozent gesunken“, sagt Heinz-Jürgen<br />

Aust, Betriebsleiter bei den „Öffis“, wie<br />

das Unternehmen in Hameln genannt<br />

wird. Eine Zahl, die auch Andreas Hinz,<br />

Verkehrssicherheitsberater der Polizeiinspektion<br />

Hameln-Pyrmont/Holzminden,<br />

bestätigt. Er gehört zu den Mitentwicklern<br />

des Seminars und ist für den<br />

Praxisteil verantwortlich. Für ihn steht<br />

fest: Durch den Workshop gewinnen die<br />

Teilnehmer ein Stück Lebensqualität.<br />

„Die Aufklärungsarbeit nimmt die Angst<br />

vorm Busfahren“, so Hinz. Und Frauke<br />

Schmidt-Windeler vom Seniorenservicebüro<br />

der Stadt ergänzt: „Die Senioren<br />

erhalten so ihre Mobilität zurück.“<br />

ausgestattet, die mobilitätseingeschränkten<br />

Personen das Einsteigen<br />

erleichtern. Weitere sollen folgen. Und<br />

nicht zuletzt werden in Hameln die<br />

Haltestellen barrierefrei ausgebaut.<br />

Mit der breit angelegten Offensive reagiert<br />

das Unternehmen auch auf den<br />

demografischen Wandel – schließlich<br />

wird die Zahl der Rollatorennutzer weiter<br />

wachsen. <strong>Das</strong> wird auch außerhalb der<br />

Rattenfängerstadt anerkannt: Für ihren<br />

Einsatz und die Mitentwicklung der<br />

Schulung erzielte Vanessa Wolter beim<br />

Wettbewerb „Unsere Besten 2012/2013“<br />

der <strong>VDV</strong>-Akademie den dritten Platz in<br />

der Kategorie Projekte.<br />

80<br />

Prozent<br />

So stark ist die Zahl der<br />

gestürzten Fahrgäste in den<br />

Bussen der KVG zurückgegangen<br />

– eine Entwicklung,<br />

mit der die „Öffis“ sehr<br />

zufrieden sind.<br />

Der Kurs ist indes nicht alles – auch<br />

bei sich selbst haben die „Öffis“ angesetzt,<br />

um die Unfälle zu reduzieren. „Es gibt<br />

da viele Puzzleteile“, beschreibt Heinz-<br />

Jürgen Aust. Dazu gehören etwa Piktogramme,<br />

die den Fahrgästen erklären,<br />

wie der Rollator richtig abgestellt werden<br />

kann. Außerdem rüstet die KVG ihre<br />

Flotte auf und um: Neue Busse ersetzen<br />

die alten Vorgänger mit Stufeneinstieg,<br />

für 30.000 Euro wurden zudem 15 Niederflurbusse<br />

mit neuen Klapprampen<br />

www.oeffis.de<br />

Worauf es im Bus ankommt: Die Rollatoren müssen entgegen der Fahrtrichtung ab-, die<br />

Bremsen festgestellt werden. <strong>Das</strong> Sitzen auf den Geräten ist riskant. Mit ähnlichen Piktogrammen<br />

arbeitet die KVG.<br />

<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 23


Unterwegs im Netz<br />

BROCKEN<br />

Ilfeld Schreiberwiese<br />

Niedersachswerfen Ost<br />

Nordhausen<br />

Krimderode<br />

Schierke<br />

Sorge<br />

Benneckenstein<br />

Tiefenbachmühle<br />

Netzkater<br />

Ilfeld Bad<br />

Ilfeld Neanderklinik<br />

Ilfeld<br />

Niedersachswerfen<br />

Herkules Markt<br />

WERNIGERODE<br />

Wernigerode-<br />

Hasserode<br />

Steinerne<br />

Renne<br />

Elend<br />

Niedersachswerfen<br />

Ilfelder Str.<br />

Drei Annen<br />

Hohne<br />

Sophienhof<br />

Eisfelder<br />

Talmühle<br />

Birkenmoor<br />

Hannover, Braunschweig, Goslar, Halberstadt,<br />

Magdeburg, Berlin, Halle (Saale), Leipzig<br />

Wernigerode Westerntor<br />

Wernigerode Hochschule Harz<br />

Hasselfelde<br />

Stiege<br />

Straßberg<br />

(Harz)<br />

Alexisbad<br />

Albrechtshaus<br />

Friedrichshöhe<br />

Güntersberge<br />

(Harz)<br />

Quedlinburg-<br />

Quarmbeck<br />

QUEDLINBURG<br />

Gernrode<br />

(Harz)<br />

Sternhaus Haferfeld<br />

Mägdesprung<br />

Drahtzug<br />

Straßberg (Harz)-<br />

Glasebach<br />

Halberstadt, Magdeburg, Berlin,<br />

Halle (Saale), Leipzig<br />

Bad<br />

Suderode<br />

Silberhütte<br />

(Anh.)<br />

Osterteich<br />

Sternhaus Ramberg<br />

Harzgerode<br />

Nordhausen<br />

Ricarda-Huch-Str.<br />

Nordhausen Altentor<br />

Kassel, Göttingen,<br />

Halle (Saale), Erfurt<br />

Nordhausen Schurzfell<br />

Nordhausen<br />

Hesseröder Str.<br />

NORDHAUSEN NORD<br />

Harzquerbahn<br />

Selketalbahn<br />

Brockenbahn<br />

24 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


Mittendrin und<br />

mächtig unter Dampf<br />

Die Harzer Schmalspurbahnen verkehren fahrplanmäßig mit historischen<br />

Lokomotiven. <strong>Das</strong> Unternehmen bewahrt seine Tradition und ist zugleich<br />

ein moderner Touristikdienstleister, der einen bedeutenden Beitrag für<br />

die Wirtschaft und die Wertschöpfung in der Region leistet.<br />

891<br />

Höhenmeter<br />

überwinden die Züge bei<br />

ihrer Fahrt von Wernigerode<br />

auf den Brocken.<br />

„Ben-necken-stein. Harz-ge-rode.“ Der<br />

kleine Junge scheint noch nicht allzu<br />

lange unter den Lesenden zu sein. Ihm<br />

kommen die ungewohnten Ortsnamen<br />

etwas holprig über die Lippen: „Niedersachs-werfen.<br />

Wer-ni-ge-rode.“ Mit<br />

seinem Zeigefinger ist er im Netzplan der<br />

Harzer Schmalspurbahnen (HSB) unterwegs<br />

und mit seinem Großvater in einem<br />

Zug der Brockenbahn. Offenbar erlebt der<br />

Junior erstmalig eine Dampflok in Aktion<br />

– wie sie dabei riecht, schrill pfeift und<br />

wie die Wasserdampfschwaden am<br />

Fenster vorbeiziehen.<br />

Matthias Wagener hätte an dieser Begebenheit<br />

seine helle Freude. „Wir wollen<br />

unser Eisenbahnerbe bewahren und die<br />

<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 25


Unterwegs im Netz<br />

Wanderer winken auf dem Brocken einem Zug der HSB zu<br />

(Foto o. l.). 25 Dampfloks hat das Unternehmen in Betrieb.<br />

An-nen Hoh-ne“. Dampflok 99 7237 hat hier Wasser<br />

nachgetankt und muss sich mächtig ins Zeug legen.<br />

Bis zum nächsten Halt in Schierke folgt ein besonders<br />

steiles Stück. Durch enge Kurven und dichte<br />

Fichtenwälder des Nationalparks Harz schlängelt<br />

sich der Zug auf 4,5 Kilometern Strecke weitere<br />

145 Höhenmeter dem Zielbahnhof entgegen.<br />

Faszination an den Dampfloks weitergeben“, sagt<br />

der HSB-Geschäftsführer. Hinter dem historischen<br />

Erscheinungsbild – die Schmalspurbahnen und ihre<br />

Anlagen stehen seit mehr als 40 Jahren unter Denkmalschutz<br />

– steckt ein modernes Unternehmen. <strong>Das</strong><br />

zeigt sich von der Fahrgastinformation über die<br />

Leit- und Sicherungstechnik, die sich auf dem neuesten<br />

Stand befindet, bis hin zu den Fahrkarten. Die<br />

sehen aus wie Pappbillets vergangener Tage, kommen<br />

aber aus dem Thermodrucker. Jährlich reisen<br />

etwa 1,2 Millionen Fahrgäste auf dem Schmalspurnetz<br />

der HSB, das sich zwischen Wernigerode und<br />

Quedlinburg im Norden und Nordhausen im Süden<br />

erstreckt. Die drei Strecken der Harzquer-, Selketalund<br />

Brockenbahn vereinigen sich auf ihren 140 Kilometern<br />

zum längsten zusammenhängenden Schmalspurnetz<br />

Deutschlands. Vor allem die Fahrt auf den<br />

Brocken ist zu jeder Jahreszeit ein spektakuläres<br />

Eisenbahnerlebnis.<br />

Der Junge hat unterdessen im Netzplan den Bahnhof<br />

gefunden, den der Zug gerade verlassen hat: „Drei<br />

Ende des 19. Jahrhunderts wurden im Harz Schmalspurbahnen<br />

gebaut, um die aufstrebende deutsche<br />

Wirtschaft mit Bodenschätzen, Holz und Erzeugnissen<br />

der Kleinindustrie zu versorgen. Von Beginn an<br />

belebten die Schmalspurbahnen im Harz den Handel,<br />

die Wirtschaft und den Fremdenverkehr. Bis heute<br />

sind sie ein wichtiger Standortfaktor. Neben den direkt<br />

bei den HSB beschäftigten 260 Eisenbahnern<br />

hängen indirekt weitere 750 Arbeitsplätze an den<br />

Bahnen, die zu den bedeutendsten touristischen Attraktionen<br />

in Sachsen-Anhalt und Thüringen zählen.<br />

Etwa ein Drittel der Fahrgäste ist allein wegen<br />

der Volldampferlebnisse in der Region und bleibt im<br />

Schnitt eineinhalb Tage länger als der durchschnittliche<br />

Kurzurlauber. Eine touristische Wertschöpfungsanalyse<br />

der Hochschule Harz drückte das vor<br />

wenigen Jahren auch in Geld aus. Demnach wird<br />

jeder achte in den Landkreisen Harz und Nordhausen<br />

touristisch erwirtschaftete Euro von den HSB<br />

generiert. „Wir sind auch für die anderen da und ein<br />

wichtiges Bindeglied der Region“, fasst Pressesprecher<br />

Dirk Bahnsen zusammen.<br />

26 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


Unterwegs im Netz<br />

Folglich sind die HSB in den Gremien und Organisationen,<br />

die den Harztourismus planen und vermarkten,<br />

gut verdrahtet. „Schließlich sind wir ein<br />

moderner Touristikdienstleister“, erläutert Geschäftsführer<br />

Matthias Wagener. Und als solcher<br />

haben die Schmalspurbahnen für alle Alters- und<br />

Interessengruppen zahlreiche Pauschalprogramme<br />

und Sonderfahrten im Angebot. Zu einem Dauerbrenner<br />

hat sich „Faust“ entwickelt. Der Tragödie<br />

erster und zweiter Teil werden auf dem Brocken als<br />

Rockoper inszeniert. Stilecht bringt der „Mephisto-<br />

Express“ die Besucher von Wernigerode aus auf<br />

den „Blocksberg“.<br />

„Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden“,<br />

schreibt Goethe in Faust II. Ein Zitat, das nicht nur<br />

in die Walpurgisnacht, sondern auch auf 99 7237<br />

passt, die unermüdlich ihren Zug den Berg hinaufschleppt.<br />

Hinter Schierke ist die Strecke noch steiler<br />

geworden. Eine Schneedecke hat sich über die Fichten<br />

gelegt, vereinzelt säumen wuchtige Granitfelsen<br />

den Weg. Kurz vor seinem Ziel umrundet der Zug<br />

das Bergplateau. Dann Ankunft im Bahnhof Brocken<br />

auf 1.125 Metern. Höher fährt keine deutsche<br />

Schmalspurbahn mit Dampf und reiner Haftung<br />

zwischen Rad und Schiene. <strong>Das</strong>s ihnen der Ausblick<br />

ins Harzpanorama an diesem Tag vorenthalten<br />

bleibt, scheint den kleinen Jungen und seinen Opa<br />

nach einer unvergesslichen Eisenbahnfahrt nicht<br />

sonderlich traurig zu machen. Nach wenigen Metern<br />

endet die Sicht im dichten Nebel – ein Grund mehr,<br />

vielleicht bei klarerem Winterwetter Norddeutschlands<br />

höchsten Gipfel erneut mit der Eisenbahn in<br />

Angriff zu nehmen.<br />

Auf Meterspur durch den Harz<br />

Seit 126 Jahren fahren im Harz Schmalspurbahnen. Die Harzer<br />

Schmalspurbahnen GmbH – eine Gesellschaft in kommunaler Trägerschaft<br />

– wurde 1991 gegründet. Zwei Jahre später übernahm sie von<br />

der Deutschen Reichsbahn Netz und Betrieb und war damit die erste<br />

nichtbundeseigene Eisenbahn der neuen Länder mit einem fahrplanmäßigen<br />

Personenverkehr. Auf der Meterspur verkehren vorwiegend<br />

mit Dampfloks bespannte Züge. Zeitgleich sind bis zu zehn der historischen<br />

Fahrzeuge im Einsatz. Zum Fuhrpark gehören 25 Dampf- und<br />

zwölf Dieselloks, zehn Triebwagen sowie eine Vielzahl historischer<br />

Reisezugwagen. Im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschafteten die<br />

HSB mit dem Verkauf von Fahrkarten und eisenbahntypischen<br />

Souvenirs einen Umsatz von mehr als zwölf Millionen Euro.<br />

www.hsb-wr.de<br />

<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 27


Grenzenlos<br />

Nachdem der Zug vor der Tunnel-Eröffnung noch einmal auf Hochglanz poliert wurde (Foto l.), ging<br />

es los: Parlamentssprecher Cemil Çiçek und Präsident Abdullah Gül (Foto o. r. , von links) brachten an<br />

der geografischen Schnittstelle zwischen Asien und Europa eine Hinweistafel an.<br />

Ein Tunnel verbindet<br />

Orient und Okzident<br />

Von dem Vorhaben hatte schon Sultan Abdülmecid vor<br />

150 Jahren geträumt, jetzt wurde es Wirklichkeit. Nach<br />

fast zehn Jahren Bauzeit hat die Türkei einen Bahntunnel<br />

unter dem Bosporus in Betrieb genommen.<br />

1,4 Kilometer lang, in etwa 56 Metern Tiefe – eine<br />

technische Meisterleistung und eines der weltweit<br />

größten Infrastrukturprojekte der vergangenen Jahre.<br />

Der Name des Ganzen: Marmaray. <strong>Das</strong> Kunstwort setzt sich<br />

zusammen aus Marmara, dem Binnenmeer südlich des Bosporus,<br />

und Ray, türkisch für Gleis. Politiker feierten den Tunnel<br />

als Jahrhundertvorhaben, Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan<br />

sprach von einem Projekt für die Menschheit. „Marmaray<br />

erleichtert die Verbindung von Kontinenten, Völkern und<br />

Ländern“, zitiert ihn das Deutsch-Türkische Journal nach der<br />

Eröffnung des Tunnels am 29. Oktober – dem 90. Jahrestag der<br />

Gründung der Republik. Nach anfänglichen technischen<br />

Schwierigkeiten läuft die Bahn nun rund.<br />

Für die Türkei ist Marmaray ein Prestigeobjekt, ohne Frage.<br />

Aber es ist auch ein Projekt von großem infrastrukturellen<br />

Nutzen – denn der Verkehr in der 14-Millionen-Einwohner-<br />

Stadt steht kurz vor dem Kollaps. Die beiden Brücken über den<br />

Bosporus, die den europäischen und den asiatischen Teil der<br />

Stadt miteinander verbinden, sind wahre Nadelöhre, über die<br />

sich täglich mehr als eine Million Fahrzeuge zwängen. Der<br />

Tunnel soll den Verkehr entlasten. 75.000 Menschen soll die<br />

neue S-Bahnlinie nach offiziellen Angaben stündlich befördern<br />

– in jede Richtung. Die Betreiber rechnen mit 1,5 Millionen<br />

Passagieren pro Tag, der Anteil der Schiene an den Verkehrsmitteln<br />

soll ihnen zufolge langfristig von derzeit vier auf 28<br />

Prozent steigen. 2015 soll zudem nicht nur der Nah-, sondern<br />

28 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


Bei der ersten Fahrt saß Präsident Abdullah Gül am Steuerpult von<br />

Marmaray, flankiert von Premier Recep Tayyip Erdogan (r.). Die türkische<br />

Führung hatte zu diesem Event zahlreiche Gäste geladen.<br />

auch der Fern- und Güterverkehr auf den Gleisen unterwegs<br />

sein. <strong>Das</strong> wäre dann die erste normalspurige Bahnverbindung<br />

zwischen Europa und Asien, das Umspuren über Osteuropa<br />

entfällt. Einige feiern Marmaray deswegen als Start einer „eisernen<br />

Seidenstraße“, die die beiden Kontinente verbindet.<br />

Noch ist das Projekt aber nicht abgeschlossen. Eine Gesamtlänge<br />

von 76 Kilometern soll die neue Bahnstrecke einmal umfassen,<br />

14 Kilometer davon sollen unterirdisch verlaufen. Daran<br />

wird noch gebaut, ebenso wie an den meisten der 40 Stationen.<br />

Doch wenn die komplette Marmaray-Linie in Betrieb geht,<br />

soll sie Halkali im Westen mit Gebze im Osten verbinden. Dem<br />

Zeitplan hinken die Macher indes mehrere Jahre hinterher.<br />

Grund für die Verzögerung war vor allem ein bedeutsamer<br />

archäologischer Fund: Beim Bau der Station Yenicapi auf europäischer<br />

Seite haben Arbeiter Überreste alter Objekte gefunden.<br />

Forscher legten später einen kompletten byzantinischen Hafen<br />

aus dem 4. Jahrhundert frei, samt 37 versunkenen Schiffen.<br />

Fast acht Jahre dauerte es, bis die Archäologen ihre Arbeiten<br />

im vergangenen Sommer abgeschlossen hatten.<br />

Jetzt feiern die Türken den ersten großen Meilenstein dieses<br />

Mammut-Projekts, das durch ein türkisch-japanisches Konsortium<br />

realisiert wird. Die Angaben zu den Kosten variieren<br />

dabei. Einige Quellen sprechen von mehr als 2,5 Milliarden<br />

Euro, andere von etwa 3,5 Milliarden oder noch mehr. Die<br />

offiziellen Stellen halten sich bedeckt.<br />

Marmaray ist nur eines einer ganzen Reihe ehrgeiziger Infrastrukturprojekte<br />

in Istanbul. Die meisten davon, etwa die dritte<br />

Brücke über den Bosporus oder der neue Flughafen, sind wegen<br />

ihrer möglichen sozialen und ökologischen Folgen jedoch umstritten.<br />

So sind in Teilen Istanbuls in den vergangenen Jahren<br />

etwa die Grundstückspreise stark gestiegen.<br />

Röhren auf dem Meeresboden<br />

Fast 1,4 Kilometer lang ist das Marmaray-Teilstück, das den<br />

Bosporus durchquert, allerdings nicht durch den Untergrund<br />

gebohrt wurde. Die Betonröhre, bestehend aus elf versenkten<br />

Tunnelelementen, wird stattdessen in einer eingespülten<br />

Röhre direkt über den Meeresboden geführt. Bei einem gebohrten<br />

Tunnel wäre das Gefälle zu groß geworden, die Züge<br />

hätten den Anstieg nicht mehr geschafft. Mit einer Tiefe von<br />

56 Metern ist Marmaray jetzt der tiefste aus versenkbaren<br />

Elementen geschaffene Tunnel der Welt.<br />

Auch die Topographie stellte die Macher vor besondere Herausforderungen:<br />

Istanbul ist stark erdbebengefährdet, die<br />

miteinander verbundenen Röhren müssen deswegen großen<br />

Scherkräften standhalten können. Marmaray soll offiziellen<br />

Angaben zufolge bis zu einem Beben der Stärke 9,0 sicher<br />

sein. Unabhängige Experten bezweifeln dies.<br />

Die Website des Betreibers: www.tcdd.gov.tr<br />

<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 29


Fröhliche<br />

Weihnachten<br />

Wenn wie beim Nordhessischen Verkehrsverbund<br />

gleich eine ganze Riege Mitarbeiter erst ins<br />

Weihnachtsmannkostüm und dann in den Bus<br />

steigt, steht der Bescherung nichts mehr im Wege.<br />

<strong>Das</strong> Team von „<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“ wünscht allen<br />

Lesern in diesem Sinne ein frohes Fest und einen<br />

guten Rutsch!<br />

Termine<br />

13. bis 14. Mai 2014<br />

11. Marktplatzveranstaltung<br />

DSLV/<strong>VDV</strong> in Siegburg<br />

In den „Siegburger Gesprächen“ diskutieren die<br />

Teilnehmer über die Zusammenarbeit zwischen<br />

Eisenbahnen und Speditionen –<br />

unter anderem anhand von<br />

Best-Practice-Beispielen.<br />

Die nächste<br />

Ausgabe von<br />

„<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“<br />

erscheint Ende<br />

Februar 2014<br />

6. bis 7. Februar 2014<br />

AEE-Fachtagung 2014<br />

in Dresden<br />

Thema sind die elektrischen<br />

Energieanlagen von Gleichstrom-Nahverkehrsbahnen.<br />

www.vdv.de/veranstaltungenpersonenverkehr.aspx<br />

www.vdv.de/veranstaltungenschienengueterverkehr.aspx<br />

Impressum<br />

<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

Herausgeber:<br />

Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (<strong>VDV</strong>)<br />

Kamekestraße 37-39, 50672 Köln<br />

Tel. 02 21/5 79 79-0<br />

E-Mail: info@vdv.de<br />

Internet: www.vdv.de<br />

Redaktion <strong>VDV</strong>:<br />

Lars Wagner (V.i.S.d.P.)<br />

Pressesprecher und Leiter Presse- und<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Anschrift der Redaktion:<br />

Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (<strong>VDV</strong>)<br />

Redaktion „<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“<br />

Leipziger Platz 8, 10117 Berlin<br />

magazin@vdv.de<br />

Realisierung, Text und Redaktion:<br />

AD HOC PR, Gütersloh: Stefan Temme (Lt.),<br />

Elena Grawe, Christian Horn<br />

Mitarbeit:<br />

Eberhard Krummheuer, Thomas Rietig<br />

Gesamtleitung und Anzeigen:<br />

Christian Horn (AD HOC PR)<br />

Tel. 0 52 41/90 39-33<br />

horn@adhocpr.de<br />

Grafik-Design:<br />

Volker Kespohl (Volker.Kespohl ı Werbung Münster)<br />

Produktion und Druck:<br />

Druckhaus Rihn, Blomberg<br />

Anzeigenpreise:<br />

Laut Mediadaten 2014<br />

Bildnachweise:<br />

Titelmotiv: Fotolia<br />

Adrian Bauch (2, 24/25); dpa (8, 26, 27, 28, 29); Dresdner<br />

Verkehrsbetriebe (4/5); Elena Grawe (2, 21, 23); Fotolia<br />

(7, 8, 9, 18, 22, 23, 30); Michael Grosler (2, 15, 16, 17);<br />

Harzer Schmalspurbahnen (24, 26, 27); Ronald Kappel (26);<br />

Kraftverkehrsgesellschaft Hameln (23); Istanbul Ulasim<br />

A.S. (28/29); Märklin (2, 18, 19, 20, 21); Nordhessischer<br />

Verkehrsverbund (30); Frank Rettig (20); Stadtwerke<br />

Osnabrück (14); Stuttgarter Straßenbahnen AG (2, 10, 11,<br />

12, 13); <strong>VDV</strong> (3, 6, 9)<br />

„<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“ erscheint alle zwei Monate (sechsmal<br />

im Jahr). Alle im <strong>Magazin</strong> erscheinenden Beiträge und<br />

Bilder sind urheberrechtlich geschützt. Außerhalb der<br />

Grenzen des Urheberrechts ist die Verwertung ohne die<br />

Zustimmung des Herausgebers nicht zulässig. <strong>Das</strong> gilt vor<br />

allem für Vervielfältigungen, Übersetzungen sowie die<br />

elektronische Speicherung und Verarbeitung.<br />

Für Anregungen, Themenvorschläge, Lob und Kritik erreichen Sie uns unter magazin@vdv.de<br />

30 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>


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