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Regionalität und europäischer Kontext Solisten-Orchesterkonzert

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FRAU & MUSIK<br />

entdeckt an diesem Land <strong>und</strong> an der<br />

Gegend: Die Wanderungen, die Kultur<br />

in Zürich, in Feldkirch <strong>und</strong> in der<br />

Umgebung; auch in Liechtenstein wird<br />

sehr viel angeboten. Diese Mischung<br />

zwischen Kultur <strong>und</strong> Natur ist für mich<br />

ideal <strong>und</strong> so habe ich beschlossen, hier<br />

zu bleiben.<br />

HW: Mit Monica <strong>und</strong> Mariann<br />

Steegmann, den Töchtern des Vaduzer<br />

Wirtschaftsanwalts Josef Steegmann,<br />

haben Sie beruflich zusammen<br />

gearbeitet?<br />

ER: Mit Monica habe ich ein Buch<br />

herausgebracht mit Erinnerungen von<br />

Pianistinnen. Mit Mariann hat sich<br />

eine tiefe Fre<strong>und</strong>schaft entwickelt <strong>und</strong><br />

ich konnte ihr noch beim Aufbau einer<br />

Stiftung helfen, die heute ihren Namen<br />

trägt. Mariann hat mir Wohnrecht<br />

auf Lebenszeit gegeben; auch für die<br />

Arbeit in der Mariann-Steegmann-<br />

Fo<strong>und</strong>ation, die ich vertrete.<br />

Mariann wollte Frauen in Kunst <strong>und</strong><br />

Musik fördern. Vorerst haben wir uns<br />

auf die Förderung von Komponistinnen<br />

<strong>und</strong> Musikwissenschaftlerinnen bzw.<br />

von Projekten, die „Frau <strong>und</strong> Musik“<br />

zum Inhalt haben, konzentriert. Der<br />

Aufbau einer eigenen Stiftung für<br />

Bildende Kunst ist ein weiterer Schritt,<br />

den sie in ihrem Testament schon<br />

geregelt hat. Eine ganz tolle Sache, die<br />

Mariann da gemacht hat.<br />

HW: Hatten Sie vorher schon Kontakt<br />

in die Region?<br />

ER: Nein. Das war das Abenteuer<br />

für mich: Mit Liechtensteinern <strong>und</strong><br />

Liechtensteinerinnen ins Gespräch<br />

zu kommen <strong>und</strong> die sehr eigenartige<br />

Entwicklung dieses Landes auch<br />

mitzubekommen – von einem armen<br />

Agrarland zu einem reichen, auch<br />

industriell tätigen Land, das 16 Banken<br />

beherbergt <strong>und</strong> viel Geld besitzt, im<br />

Gegensatz zum armen Berlin.<br />

Dieses Land ist katholisch, ich bin<br />

evangelisch. Diese Kontraste, diese<br />

Unterschiede in der historischen<br />

Entwicklung <strong>und</strong> in der Mentalität<br />

der Menschen sind sehr reizvoll <strong>und</strong><br />

interessant für mich.<br />

HW: Setzen Sie neben der Arbeit für<br />

die Mariann-Steegmann-Fo<strong>und</strong>ation<br />

Ihre Forschungen fort?<br />

ER: Ich arbeite kontinuierlich weiter<br />

am Themenkreis „Frau <strong>und</strong> Musik“.<br />

Seit Ende der 70er Jahre mache<br />

ich das – nur mit dem Unterschied,<br />

dass es sich ausgeweitet hat. Es geht<br />

nicht alleine nur um Frauen. Die<br />

Gender-Forschung beinhaltet auch die<br />

erkenntnistheoretische Auslotung der<br />

Geschlechterrollen. Und das meint<br />

eben auch die Männerrollen.<br />

Wenn ich jetzt Richard Wagners<br />

Werk nehme, geht es um weiblich<br />

konnotierte Dinge <strong>und</strong> männlich<br />

konnotierte. Das heißt, es kann<br />

auch eine Männerfigur traditionell<br />

Weibliches enthalten. Diese Dinge<br />

sind übergreifend über das biologische<br />

Geschlecht.<br />

HW: Ihr Schwerpunkt hat sich von<br />

der „Frau in der Musik“ auf die<br />

umfassende Gender-Forschung<br />

erweitert. Gibt es noch andere<br />

Themen?<br />

ER: Ja <strong>und</strong> Nein. Ich denke, die<br />

Konzentration auf einige wenige<br />

Themen bringt mehr, weil man dann in<br />

die Tiefe gehen kann.<br />

Es gibt den Themenbereich Filmmusik,<br />

der mich sehr interessiert. Sehr stark<br />

ist bei mir auch die Opernforschung.<br />

Aber auch da wieder in Bezug<br />

auf die Geschlechterrollen: Wie<br />

die Komponisten einesteils die<br />

Stereotypen ihrer Zeit übernommen<br />

haben, aber andrerseits auch darüber<br />

hinausgegangen <strong>und</strong> in neue Welten<br />

vorgestoßen sind. Es ist sehr<br />

interessant, wie die Frauenrollen<br />

von Verdi, Massenet <strong>und</strong> anderen<br />

transzendiert werden.<br />

HW: In welchem Sinn <strong>und</strong> in welche<br />

Richtung transzendiert?<br />

ER: Diese Komponisten übernehmen<br />

beispielsweise die klassische<br />

Einteilung in femme fragile <strong>und</strong><br />

femme fatale – also die böse Frau <strong>und</strong><br />

die zarte, sich aufopfernde Frau. Aber<br />

sie geben dann diesen zarten Frauen<br />

innere Stärke <strong>und</strong> Kraft, die man<br />

eigentlich in diesen Rollen nicht so<br />

vermutet – <strong>und</strong> sie wachsen dann über<br />

sich hinaus. Zum Beispiel „Brünhilde“<br />

bei Wagner, die von der Walküre<br />

zu einer Liebenden mutiert, also ihr<br />

ganzes Walkürendasein verliert, aber<br />

als liebende, sich unterordnende<br />

Frau dann über sich hinauswächst.<br />

Das sind schon ganz interessante<br />

Beobachtungen, wo man staunt über<br />

die Entwicklung.<br />

HW: An <strong>und</strong> für sich würde man<br />

meinen, dass Sie eine Entwicklung<br />

in die andere Richtung propagieren<br />

„müssten“ …<br />

ER: Nein, die Zeiten sind vorbei!<br />

Das war in den 70er Jahren. Da haben<br />

aus allen Fächern die Frauen über ihre<br />

Forschungen berichtet <strong>und</strong> ich fing<br />

an, zu überlegen: Wo gibt es denn<br />

Frauen in der Musikkultur? Dann<br />

stieß ich auf Clara Schumann, Fanny<br />

Hensel, auf diese ersten Frauen, <strong>und</strong><br />

habe gemerkt: Die wurden ja gar nicht<br />

wahrgenommen. Daraus erwuchs<br />

eine Art Empörung, wie das ja im<br />

Feminismus üblich war: Warum sind<br />

diese Frauen vergessen <strong>und</strong> ignoriert<br />

worden? Das ging so etwa zehn Jahre,<br />

in denen man versucht hat, vergessene<br />

Komponistinnen auszubuddeln <strong>und</strong> auf<br />

die Gründe für die Ignorierung dieser<br />

Frauen hinzuweisen.<br />

Dann hat sich das etwas verändert.<br />

Jetzt wird in der Gender-Forschung<br />

auch versucht, die Chancen, die es für<br />

Frauen gegeben hat, herauszuarbeiten.<br />

Sie waren eben nicht nur Opfer,<br />

sondern haben – manchmal mit List<br />

<strong>und</strong> Tücke, manchmal versteckt,<br />

manchmal offen – dagegen aufbegehrt.<br />

Die jüngere Frauengeneration, die<br />

forscht, hat diese Opferhaltung<br />

satt. Und das kann ich sehr gut<br />

nachvollziehen. Es ist jetzt einfach<br />

auch die andere Richtung da, dass<br />

man die Frauen, die gekämpft oder die<br />

Komponistinnen, die Neues geschaffen<br />

haben, heraushebt. Ich warne nur<br />

immer wieder davor, dass man die<br />

Unterdrückungen nicht ganz vergisst.<br />

Man darf nicht gänzlich ins Andere<br />

Marbod Fritsch

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