Trotz wichtiger Erfolge können sich die Forscher mit dem bisher Erreichten nicht <strong>zu</strong>frieden geben. Denn zwischen dem, was die Experten im Labor an neuen Therapieansätzen entwickeln, und dem, was vom Patienten als Erfolg empfunden wird – also Heilung oder bedeutend verlängerte Lebenszeit mit <strong>zu</strong>dem verbesserter Lebensqualität – herrscht ein erhebliches Missverhältnis. »Wir haben für viele Tumorerkrankungen molekulare Targets identifiziert, beispielsweise Gene, die die Zellteilung oder das Zellsterben fördern, und wir sind auch imstande, diese Gene pharmakologisch oder genetisch <strong>zu</strong> modulieren«, erklärt Schmitt. »Wir können derartige »Todesgene« im Labor anschalten und die Zelle stirbt, doch beim Patienten funktioniert das in vielen Fällen überhaupt nicht.« Stirbt die Zelle nicht, weil sie vielleicht von Nachbarzellen dahingehend beeinflusst wird, weil sie eine Wechselwirkung mit dem Immunsystem eingegangen ist oder sie sich in Nischen des Körpers befindet, wo sie besonders geschützt ist? »Es könnte erfolgversprechend sein, neue therapeutische Ansätze <strong>zu</strong> entwickeln, die nicht die Tumorzelle selbst, sondern eine an sich gutartige Nachbarzelle oder Zellen des Immunsystems treffen«, sagt Schmitt. Um Fragen dieser Art nach<strong>zu</strong>gehen und darauf basierend neue Therapien <strong>zu</strong> entwickeln, und auch Biomarker, mit denen der Effekt der Therapie an einer Blutprobe gemessen werden kann, bedarf es einer besonderen Ausbildung der richtigen Köpfe – eine Zielset<strong>zu</strong>ng, die Mediziner Schmitt und seine Partner mit der Etablierung von der BSIO erreichen wollen. Besonders wichtig ist den Initiatoren der integrative Aspekt, der auch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen beinhaltet. Insbesondere Natur<strong>wissen</strong>schaler und Kliniker sollen lernen, die jeweilige »Sprache« des Anderen <strong>zu</strong> verstehen. Im Labor stirbt die Zelle, doch beim Patienten funktioniert das in vielen Fällen nicht »Dies ist nicht so selbstverständlich, wie es klingen mag«, erklärt Schmitt. »Noch heute beklagen Mediziner, wie wenig molekular-experimentelles Wissen sie im Studium vermittelt bekommen, das ihnen hil, molekulare Hintergründe von Erkrankungen <strong>zu</strong> verstehen.« Auf der anderen Seite haben Natur<strong>wissen</strong>schaler häufig keine plastische Vorstellung davon, welches klinische Bild beispielsweise hinter einer Tumorzelllinie in Zellkultur steht. »Bench to Bedside«, zwischen Labortisch und Krankenbett, heißt diese enge Form der Zusammenarbeit. Die 25 Mitglieder zählende BSIO-Faculty will auch ganz ungewöhnliche Brückenschläge wagen. So werden die Krebsforscher mit Sozial<strong>wissen</strong>schalern <strong>zu</strong>sammenarbeiten und Verhaltensmuster von Krebs ergründen. Sie interessieren sich dabei beispielsweise dafür, wie Gesellschaen auf Krisen wie Kriege oder Verknappung reagieren, mit dem Ziel, die Erkenntnisse in tumorbiologische Modelle <strong>zu</strong> übertragen. »Auch eine Tumorzelle muss Energie- oder Nährstoffknappheit überwinden, um sich weiter über den Körper ausdehnen <strong>zu</strong> können«, sagt Schmitt. Er und seine Kollegen wollen es schaffen, mit neuen, zielgerichteten Therapien erfolgreicher <strong>zu</strong> behandeln, Nebenwirkungen bei ansonsten unnötig behandelten Patienten <strong>zu</strong> vermeiden und nicht <strong>zu</strong>letzt auf diese Weise trotz immer teurerer Therapien Behandlungskosten ein<strong>zu</strong>sparen. In the lab the cell will die, but that oen doesn‘t work at all in real patiens 34
MEDIZIN / MEDICINE 35