Ausgabe 01/2013 - DFS Deutsche Flugsicherung GmbH
Ausgabe 01/2013 - DFS Deutsche Flugsicherung GmbH
Ausgabe 01/2013 - DFS Deutsche Flugsicherung GmbH
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<strong>Ausgabe</strong> 1 – 2<strong>01</strong>3<br />
Umweltbewusst<br />
Die <strong>DFS</strong> handelt ökologisch –<br />
von der Lärmminderung bis<br />
zur Energieversorgung
Editorial<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
das <strong>DFS</strong>-Magazin widmet sich in dieser <strong>Ausgabe</strong><br />
dem Thema Umwelt. In der <strong>DFS</strong> hat der Umweltschutz<br />
hohe Priorität in der Lotsentätigkeit und<br />
der Luftraum- und Routenplanung. Aber auch in<br />
der Gebäudetechnik, der Energieversorgung oder<br />
der Abfallentsorgung ist ökologisches Handeln eine<br />
wichtige Maxime unseres Unternehmens. Umweltschutz<br />
in der <strong>Flugsicherung</strong> lässt sich folglich nicht<br />
nur auf unseren Beitrag zur Verringerung der Betroffenheit<br />
von Fluglärm reduzieren. Und doch ist es<br />
dieses Thema, bei dem Bürger und Medien ganz<br />
besonders auf die <strong>DFS</strong> schauen.<br />
Wer in der Nähe eines Verkehrsflughafens wohnt,<br />
für den ist die Minderung von Fluglärm ein dringendes<br />
und drängendes Anliegen. Die <strong>DFS</strong> hat dafür<br />
großes Verständnis. Wir arbeiten daher kontinuierlich<br />
daran, Flugrouten und Flugverfahren so zu<br />
gestalten und weiterzuentwickeln, dass möglichst<br />
wenig Bürger von Fluglärm betroffen sind. Fluglärm<br />
ist in erster Linie ein Problem in der Nähe von Flughäfen.<br />
Fragt man alle Bundesbürger, so empfinden<br />
nach einer aktuellen Umfrage des Umweltbundesamtes<br />
nur sechs Prozent der Befragten Fluglärm im<br />
Jahr 2<strong>01</strong>2 als besondere Belästigung. Dieser Wert<br />
ist seit 2006 kontinuierlich gesunken, und dies trotz<br />
eines stetig wachsenden Flugverkehrs. Aus dieser<br />
Umfrage kann man auch schließen: Die vielfältigen<br />
Investitionen in Lärmschutzmaßnahmen der Luftverkehrswirtschaft<br />
zeigen offensichtlich Wirkung.<br />
Mit ihren innovativen Flugverfahren hat die <strong>DFS</strong><br />
dazu einen wichtigen Beitrag geleistet. Und wir<br />
arbeiten weiter daran, indem wir die in der Praxis<br />
geflogenen Routen evaluieren und nach Optimierungen<br />
suchen. So ist das dreißigköpfige Team der<br />
Verfahrensplaner in der <strong>DFS</strong> ständig auf der Suche<br />
nach Lösungen für einen verbesserten Lärmschutz.<br />
Die Fluglotsen sind verpflichtet, die Flüge sicher und<br />
flüssig unter Vermeidung von unnötigem Fluglärm<br />
und Kohlendioxidemissionen zu leiten.<br />
Dabei wird es die <strong>DFS</strong> niemals allen vollständig recht<br />
machen können. Im dicht besiedelten Deutschland<br />
eine Route zu finden, von der niemand betroffen ist,<br />
ist unmöglich. Und für die geographischen Standorte<br />
von Flughäfen oder die Flugziele der Airlines ist<br />
die <strong>DFS</strong> nicht verantwortlich. Dennoch handelt die<br />
<strong>DFS</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong> in ihrem Zuständigkeitsbereich<br />
so sachorientiert und zugleich<br />
so sensibel wie möglich. Dialog und Transparenz<br />
stehen dabei für uns ganz oben auf der Agenda.<br />
Die Bürger müssen die Entscheidungen der <strong>Flugsicherung</strong><br />
jederzeit nachvollziehen können. Alternativen<br />
diskutieren wir offen. Wer über Fluglärm<br />
spricht, muss allerdings eines konstatieren: Auch<br />
wenn gegenwärtig der Luftverkehr kaum wächst,<br />
so ist das Bedürfnis der Bevölkerung nach Mobilität,<br />
gerade auch im Luftverkehr, ungebrochen. Das<br />
zeigt der Mobilitätsbericht 2<strong>01</strong>2, der dieser transmission<br />
beiliegt. Rund drei Millionen Flüge hat die<br />
<strong>DFS</strong> auch im vergangenen Jahr sicher geleitet. Darauf<br />
sind wir stolz. Denn die Sicherheit im Luftverkehr<br />
stets gewährleisten zu können, ist unsere aller<br />
erste Aufgabe.<br />
Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen<br />
Prof. Klaus-Dieter Scheurle<br />
Vorsitzender der<br />
<strong>DFS</strong>-Geschäftsführung<br />
2 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
Inhalt<br />
<strong>DFS</strong> und Umweltschutz<br />
4 Totalen Schutz gibt es nicht<br />
6 Mittler im Minenfeld<br />
Totalen Schutz<br />
gibt es nicht S. 4<br />
Betrieb<br />
9 Diplomatische Mission<br />
12 Designer mit Korsett<br />
16 Die Ruhelosen<br />
22 Zwischen Planvorgabe und Bürgerwille<br />
24 Kein Stau mehr an der Runway<br />
26 Mehr Kürzungen bitte!<br />
Interview<br />
28 „Ob Schall negativ bewertet wird, hängt<br />
von vielen Faktoren ab“<br />
Die Ruhelosen<br />
S. 16<br />
Technik<br />
32 Mit Vogelschutzzaun und „Klappenballett“<br />
34 Energie mit hohem Wirkungsgrad<br />
36 „Solar-Baby“ liefert Energie vom Dach<br />
Partner & Kunden<br />
37 „Wir arbeiten hart daran, leiser zu fliegen“<br />
FABEC intern<br />
40 Neues Programm bringt FABEC voran<br />
Energie mit hohem<br />
Wirkungsgrad S. 34<br />
<strong>DFS</strong> intern<br />
41 <strong>DFS</strong>-Nachrichten<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 3
<strong>DFS</strong> und Umweltschutz<br />
Totalen Schutz<br />
gibt es nicht<br />
Fluglärm und <strong>DFS</strong> – das scheint in der öffentlichen Wahrnehmung<br />
zusammenzugehören. Dabei hat die <strong>DFS</strong> weder einen<br />
Einfluss auf das Verkehrsaufkommen noch auf die eingesetzten<br />
Flugzeugtypen. Die <strong>DFS</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong> versucht<br />
alles, um die Lärmbelastung für die Bevölkerung so gering wie<br />
möglich zu halten. Doch ihr sind physikalische, betriebliche und<br />
rechtliche Grenzen gesetzt. Denn eines ist klar: Die Sicherheit<br />
der Flüge steht an erster Stelle.<br />
Ein bisschen ist es wie in dem<br />
Kinderspiel Schwarzer Peter.<br />
Da wird ein neuer Flughafen<br />
gebaut oder eine vierte Piste und<br />
dann, wenn es lauter zu werden droht,<br />
zeigen alle auf die Flug sicherung: Sie<br />
soll dafür sorgen, dass möglichst<br />
wenig Bürger von Fluglärm betroffen<br />
sind. Im Kinderspiel ist der Ausgang<br />
offen, in Sachen Lärmschutz<br />
landet der Schwarze Peter meist bei<br />
der <strong>Flugsicherung</strong>. Gerechtfertigt ist<br />
dies nicht: Die <strong>DFS</strong> hat von allen am<br />
Luftverkehr beteiligten Partnern die<br />
wenigsten Möglichkeiten, den Lärm<br />
zu beeinflussen.<br />
Die Aufgabe der <strong>Flugsicherung</strong> ist<br />
eine hoheitliche, geregelt in der Verfassung<br />
und dem Luftverkehrsgesetz<br />
der Bundesrepublik Deutschland. Die<br />
<strong>DFS</strong> ist als <strong>GmbH</strong> zwar organisationsprivatisiert,<br />
doch sie gehört zu 100<br />
Prozent dem Staat. Der Auftrag ist<br />
klar definiert: Die <strong>DFS</strong> soll den Flugverkehr<br />
in Deutschland sicher, pünktlich,<br />
kosteneffizient und umweltschonend<br />
regeln. Einfluss auf das Verkehrsaufkommen<br />
hat die <strong>Flugsicherung</strong> nicht.<br />
Auch welche Flugzeuge im Einsatz<br />
sind, kann sie nicht bestimmen.<br />
Die Ziele Sicherheit, Pünktlichkeit,<br />
Kosteneffizienz und Umweltschutz<br />
stehen oft nicht im Einklang miteinander.<br />
Was umweltschonend wäre,<br />
ist vielleicht nicht sicher. Was Kapazität<br />
schaffen könnte, ist vielleicht<br />
nicht kosteneffizient. Und selbst wenn<br />
man nur den Umweltaspekt betrachtet,<br />
gibt es Zielkonflikte. Was weniger<br />
Lärm verursacht, verursacht viel-<br />
4 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
leicht mehr Kohlendioxidemissionen.<br />
Flug sicherung – das ist nicht einfach<br />
mal die Entscheidung, statt linksherum<br />
rechtsherum zu fliegen. <strong>Flugsicherung</strong><br />
in Deutschland ist hochkomplex<br />
und kompliziert. Schließlich zählt<br />
der Luftraum der Bundesrepublik mit<br />
rund drei Millionen kontrollierten Flügen<br />
im Jahr zu den dichtest beflogenen<br />
weltweit. Wer so tut, als müsse<br />
allein die <strong>Flugsicherung</strong> das Lärmproblem<br />
lösen, macht es sich zu einfach.<br />
Alle Standards, die den Flugbetrieb<br />
betreffen, werden von der Internationalen<br />
Zivilluftfahrt-Organisation ICAO<br />
vorgegeben. Die <strong>DFS</strong> darf von diesen<br />
Standards nicht abweichen. Sie dienen<br />
der Sicherheit des Luftverkehrs.<br />
Jedes Flugverfahren muss grundsätzlich<br />
ICAO-konform sein. In den seltenen<br />
Ausnahmefällen, in denen die<br />
<strong>DFS</strong> die ICAO-Norm verlässt, sorgt<br />
das Bundesaufsichtsamt für <strong>Flugsicherung</strong><br />
(BAF) dafür, dass vorher alle<br />
Sicherheitsbewertungen positiv ausfallen.<br />
Was die Zielkonflikte betrifft, gilt<br />
es abzuwägen. Im Flughafennahbereich<br />
nimmt die <strong>DFS</strong> längere Routen in<br />
Kauf, um die Bevölkerung vor Lärm zu<br />
schützen. Auf der Strecke ermöglicht<br />
das Unternehmen weitgehend direktes<br />
Fliegen, sodass dort so wenig CO 2 wie<br />
möglich ausgestoßen wird.<br />
Trotz der schwierigen Umstände<br />
unternimmt die <strong>DFS</strong> täglich Anstrengungen,<br />
um zur Minderung von Fluglärm<br />
beizutragen. Verfahren und<br />
Routen werden so optimiert, dass<br />
möglichst wenige Anwohner darunter<br />
leiden. Wunder kann die <strong>DFS</strong><br />
allerdings nicht vollbringen. Im dicht<br />
besiedelten Deutschland kann es<br />
keine An- und Abflugrouten geben,<br />
von denen niemand betroffen ist. Das<br />
mussten schließlich auch die Anrainer<br />
des neuen Berliner Flughafens einsehen.<br />
Sie hatten bis zum Bundesverwaltungsgericht<br />
gegen die von der<br />
<strong>DFS</strong> geplanten Routen geklagt. Im<br />
Prozess bescheinigte das Bundesaufsichtsamt<br />
für <strong>Flugsicherung</strong> der <strong>DFS</strong><br />
eine vorbildliche Routenplanung, die<br />
unzumutbare Lärmauswirkungen auf<br />
ein Minimum beschränke. Die höchsten<br />
Verwaltungsrichter Deutschlands<br />
sahen das letztendlich ebenso.<br />
Der Streit in Berlin verdeutlicht, wie<br />
die <strong>DFS</strong> an internationale Standards<br />
gebunden ist. Die ICAO schreibt für<br />
den Parallelbetrieb der beiden Startund<br />
Landebahnen vor, dass die Abflugrouten<br />
aus Sicherheitsgründen nicht<br />
gerade, sondern um 15 Grad geknickt<br />
vom Flughafen wegführen. Würden die<br />
Flugzeuge gerade fliegen, kämen sie<br />
sich nämlich in der Luft zu nahe. Und<br />
genau diese 15 Grad lösten die Proteste<br />
in Berlin aus.<br />
Bei der <strong>DFS</strong> beschäftigen sich viele<br />
Experten aus der Unternehmenszentrale<br />
und aus den Niederlassungen<br />
damit, optimale, lärmarme Routen<br />
zu finden. Auch bereits bestehende<br />
An- und Abflugrouten werden ständig<br />
optimiert. Das bedeutet nicht zuletzt<br />
einen enormen finanziellen Aufwand<br />
für das Unternehmen. Jede Veränderung<br />
erfordert eine sorgfältige und<br />
gewissenhafte Planung und Zeit, Risiken<br />
auszuschließen.<br />
Eine besondere Herausforderung<br />
ist die Lärmminderung im dicht besiedelten<br />
Rhein-Main-Gebiet mit einem<br />
der verkehrsreichsten Flughäfen Europas.<br />
Für die Inbetriebnahme der vierten<br />
Bahn am Frankfurter Flughafen<br />
haben alle beteiligten Partner ein erstes<br />
Maßnahmenpaket „Aktiver Schallschutz“<br />
verabschiedet. Ein Bestandteil<br />
dieses Pakets ist, dass die <strong>DFS</strong><br />
im Probebetrieb verschiedene Verfahren<br />
zur Lärmminderung testet.<br />
So wird unter anderem steiler auf die<br />
Nordwest- Landebahn angeflogen –<br />
mit einem Gleitwinkel von 3,2 Grad<br />
statt des üblichen von drei Grad. Die<br />
Gegenanflüge hat die <strong>DFS</strong> um 1.000<br />
Fuß erhöht.<br />
Bei einem startenden Flugzeug<br />
beeinflusssen viele Faktoren, wie<br />
schnell es steigt. Das ist nicht allein<br />
vom Schub abhängig, sondern auch<br />
vom Flugzeugtyp, der Beladung und<br />
der Lufttemperatur. Ein voll beladener<br />
Großraumjet mit Treibstoff für<br />
einen Langstreckenflug an Bord, der<br />
an einem heißen Sommertag startet,<br />
wird trotz aller Bemühungen<br />
nicht schnell an Höhe gewinnen. Die<br />
Gesetze der Physik lassen sich nicht<br />
aushebeln.<br />
All die lärmmindernden Maßnahmen<br />
sollen die Kapazität des Frankfurter<br />
Flughafens nicht einschränken.<br />
Schließlich wurde die vierte Piste<br />
extra gebaut, um mehr Flugbewegungen<br />
zu ermöglichen und somit<br />
die Konkurrenzfähigkeit des größten<br />
deutschen Flughafens zu erhalten.<br />
Die Luftfahrt ist ein zentraler Standortfaktor<br />
und ein Wirtschaftsmotor in<br />
Europa: Rund acht Millionen Arbeitsplätze<br />
hängen direkt oder indirekt vom<br />
Luftverkehr ab.<br />
Das Bedürfnis der Bevölkerung<br />
nach Mobilität ist ungebrochen. Überall,<br />
wo geflogen wird, entstehen Lärm<br />
und Kohlendioxid. Schuld daran ist<br />
nicht die <strong>DFS</strong>, denn die generiert keinen<br />
Flugverkehr. Auch Airlines und<br />
Flughafenbetreiber sind nur mittelbare<br />
Verursacher von Fluglärm und Emissionen.<br />
Die wahren Verursacher sind<br />
jene, die das Flugzeug als Verkehrsmittel<br />
nutzen und Güter, die per Luftfracht<br />
transportiert werden, kaufen.<br />
Ein Schwarzer Peter für alle.<br />
Sandra Ciupka<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 5
<strong>DFS</strong> und Umweltschutz<br />
Mittler im Minenfeld<br />
Umweltmanagement – dieses Thema verantwortet in der <strong>DFS</strong> der Bereich Politische Angelegenheiten.<br />
Die sechs Mitarbeiter informieren, beraten und repräsentieren. Sie sind Interessensvertreter<br />
und Vermittler. Und das meist in einem gesellschaftspolitischen Minenfeld: Fluglärm.<br />
6 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
Faszination Fliegen? Davon<br />
bleibt für Fabio Ramos nach<br />
zehn Jahren <strong>DFS</strong> nicht mehr<br />
viel übrig. Der Jurist leitet bei der<br />
<strong>DFS</strong> den Bereich Politische Angelegenheiten<br />
und ist damit auch für das<br />
Umweltmanagement des Unternehmens<br />
verantwortlich. Ramos hat es<br />
beruflich nicht mit Menschen zu tun,<br />
die erfreut von ihrer letzten Flugreise<br />
berichten oder vom Rundflug mit der<br />
„Tante JU“. Nicht mit Anrufern, die sich<br />
dafür bedanken, dass die deutschen<br />
Fluglotsen jährlich rund drei Millionen<br />
Flüge sicher leiten. Viele, mit denen er<br />
in Kontakt steht, sind nicht gut auf die<br />
<strong>DFS</strong> zu sprechen. Sie machen die <strong>DFS</strong><br />
für Fluglärm verantwortlich – seien es<br />
Mandatsträger, Vertreter von Verbänden,<br />
Umweltgruppen oder Nichtregierungsorganisationen.<br />
Fluglärm und <strong>DFS</strong> scheinen in der<br />
öffentlichen Wahrnehmung zusammenzugehören.<br />
„Unsere Herkulesaufgabe<br />
ist es, klarzustellen, dass der<br />
Beitrag, den die <strong>DFS</strong> zur Minderung<br />
von Fluglärm leisten kann, verhältnismäßig<br />
gering ist“, sagt Fabio Ramos.<br />
Der Verkehr sei nun mal da – Wunder<br />
kann die <strong>Flugsicherung</strong> nicht vollbringen.<br />
Wer das Wort „Straßenverkehrslärm“<br />
in Google eingibt, bekommt<br />
34.700 Treffer angezeigt. Wer nach<br />
„Fluglärm“ sucht, wird 1.550.000-mal<br />
fündig. Das zeigt schon die Dimension,<br />
die das Thema in manchen Regionen<br />
eingenommen hat. „Fluglärm scheint<br />
für viele Menschen die schlimmste<br />
Form des Lärms zu sein“, sagt Fabio<br />
Ramos. Das bekommen er und seine<br />
Mitarbeiter täglich zu spüren. Die Aufgaben<br />
seines Bereichs erfordern deshalb<br />
hohe kommunikative Kompetenzen.<br />
Dazu gehört auch: Ruhig bleiben,<br />
wenn es unsachlich wird – was sehr<br />
oft der Fall ist, Verständnis zeigen und<br />
manchmal einfach nur zuhören.<br />
So machen es auch Gudrun Stahr<br />
und Miguel Benedicto, die als Fluglärm-<br />
und Umweltsachbearbeiter in<br />
Ramos’ Team deutschlandweite Anfragen<br />
und Fluglärmbeschwerden entgegennehmen<br />
– schriftlich oder per Telefon.<br />
„Viele Bürger, die anrufen, sind<br />
sehr verärgert und wütend. Ich höre<br />
immer erst mal nur zu, bis sie sich ein<br />
wenig beruhigt haben“, sagt Gudrun<br />
Stahr. Die Zahl der Beschwerden ist<br />
besonders hoch, wenn beispielsweise<br />
die Betriebsrichtung der Pisten am<br />
Frankfurter Flughafen wechselt.<br />
Viele Beschwerden betreffen<br />
Flüge, für die die <strong>DFS</strong><br />
nicht zuständig ist.<br />
Gelegentlich müssen sich die Fluglärmsachbearbeiter<br />
sogar Beschimpfungen<br />
anhören. In anderen Fällen<br />
übernehmen Benedicto und Stahr<br />
eher seelsorgerische Rollen. Nämlich<br />
dann, wenn die subjektiv empfundene<br />
Belastung extreme Züge zeigt. Etwa<br />
bei einem Pianisten, der an der Mosel<br />
lebt und der laut eigener Aussage so<br />
sehr unter Fluglärm leidet, dass er<br />
berufsunfähig ist. Oder bei dem Mann,<br />
der schildert, wie seine krebskranke<br />
Frau immer ein unangenehmes Kribbeln<br />
im Arm verspürt, wenn sie ein<br />
Flugzeug hört.<br />
Zudem kämpfen die beiden Fluglärmsachbearbeiter<br />
beinahe täglich<br />
gegen Verschwörungstheorien und<br />
andere Vorurteile an: So glauben<br />
einige Bürger, die Kondensstreifen<br />
bestünden aus Chemikalien, die von<br />
der Regierung versprüht werden. Sie<br />
nennen sie Chemtrails und fühlen sich<br />
von ihnen bedroht. Andere sind der<br />
irrigen Meinung, Flugzeuge ließen vor<br />
jeder Landung Kerosin ab. „Oft betreffen<br />
die Beschwerden auch Privatflugzeuge<br />
und militärisches Fluggerät<br />
– obwohl die <strong>DFS</strong> dafür nicht unmittelbar<br />
zuständig ist“, sagt Miguel Benedicto.<br />
Die <strong>DFS</strong> ist laut Umweltinformationsgesetz<br />
dazu verpflichtet, soweit<br />
möglich, alle Anfragen zu beantworten.<br />
Manchmal missbrauchen Bürger<br />
diese Auskunftspflicht und überhäufen<br />
die <strong>DFS</strong> mit vorgefertigten Massenbriefen.<br />
Andere verlangen Auskünfte,<br />
deren Sinn nicht nachvollziehbar ist<br />
und deren Beantwortung für die <strong>DFS</strong><br />
mit erheblichem Aufwand verbunden<br />
ist. Der Missbrauch wird allerdings<br />
dadurch eingedämmt, dass eine Antwort<br />
der <strong>DFS</strong> kostenpflichtig ist, und<br />
zwar dann, wenn sie mit Aufwand verbunden<br />
ist.<br />
Gregor Thamm und Christian Zwiener<br />
haben es in der Regel mit einer<br />
anderen Klientel als die Fluglärmsachbearbeiter<br />
zu tun. Die beiden Referenten<br />
im Umweltmanagement vertreten<br />
die <strong>DFS</strong> in verschiedenen nationalen<br />
und internationalen Arbeitsgruppen<br />
– etwa im europäischen <strong>Flugsicherung</strong>sprogramm<br />
SESAR oder im Bundesverband<br />
der deutschen Luftverkehrswirtschaft.<br />
„Bei meiner Arbeit<br />
geht es insbesondere darum, ausgewählte<br />
Neuerungen im Bereich Air<br />
Traffic Management auf ihre Umwelteffekte<br />
zu untersuchen“, so Gregor<br />
Thamm.<br />
Dabei stehen primär Lärm- und<br />
CO 2 -Emissionen im Fokus. „In den<br />
Arbeitsgruppen steht immer der Beitrag<br />
oder Anteil der <strong>Flugsicherung</strong> an<br />
einzelnen Umweltauswirkungen im<br />
Luftverkehr zur Diskussion.“ Thamm<br />
vertritt in den Gremien die Interessen<br />
der <strong>DFS</strong> – und umgekehrt bringt er<br />
wichtige und kritische Themen, die die<br />
<strong>DFS</strong> betreffen, ins Unternehmen.<br />
Christian Zwiener hat als Ingenieur<br />
der Fachrichtung Technische Phy-<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 7
<strong>DFS</strong> und Umweltschutz<br />
Angelegenheiten. Natürlich ist sie<br />
dabei keine neutrale Expertin, sondern<br />
zu ihrer Aufgabe gehört es, die<br />
Position der <strong>DFS</strong> zu vertreten. Rathgeber<br />
hält Kontakt zu Politikern und<br />
unterhält über die in Brüssel vertretenen<br />
Unternehmen und etwa den Bundesverband<br />
der deutschen Luftverkehrswirtschaft<br />
ein internationales<br />
sowie nationales Netzwerk. Bei ihrer<br />
Arbeit geht es zwar auch um Fluglärm<br />
und CO 2 -Emissionen, doch oft<br />
stellen sich viel grundsätzlichere Fragen,<br />
etwa zum Thema Infrastruktur.<br />
Wie bei ihren Kollegen geht es auch<br />
bei Sina Rathgebers Aufgabe darum,<br />
Themen von außen in die <strong>DFS</strong> zu tragen.<br />
„Wir müssen beispielsweise wissen,<br />
was die EU-Kommission vorhat“,<br />
so die Referentin.<br />
Beschäftigt sich hauptsächlich mit Fluglärm: Fabio Ramos<br />
sik nicht nur eine wichtige Funktion in<br />
verschiedenen externen Arbeitsgruppen,<br />
sondern berät auch <strong>DFS</strong>-intern<br />
zum Thema Umwelt. Er schult Fluglotsen-Trainees,<br />
um sie für das Thema<br />
Lärm und CO 2 -Reduktion zu sensibilisieren<br />
und ist Ansprechpartner für<br />
flugbetriebliche Fragen – etwa, wenn<br />
es um Leistungsdaten oder Schallabstrahlung<br />
von Flugzeugtypen geht.<br />
Vieles, was Laien<br />
vorschlagen, ist nicht<br />
umsetzbar.<br />
Gregor Thamm und Christian Zwiener<br />
haben die schwierige Aufgabe,<br />
das komplexe Thema <strong>Flugsicherung</strong><br />
so darzustellen, dass es auch jene verstehen,<br />
die beruflich damit nichts zu<br />
tun haben. Denn vieles, was in Arbeitsgruppen<br />
oder den Lärmkommissionen<br />
von <strong>Flugsicherung</strong>slaien vorgeschlagen<br />
wird, ist in der Praxis nicht<br />
umsetzbar oder würde die Kapazität<br />
Fotos: Sascha Rheker<br />
zu sehr einschränken. „Meine Aufgabe<br />
ist es, die Vor- und Nachteile von Verfahrensänderungen<br />
zu erläutern“, sagt<br />
Zwiener.<br />
Für die meisten Politiker ist <strong>Flugsicherung</strong><br />
ein Buch mit sieben Siegeln.<br />
Dennoch müssen sie auch zu diesem<br />
Thema wichtige Entscheidungen treffen<br />
– sei es auf kommunaler, landespolitischer<br />
oder nationaler Ebene. An<br />
dieser Stelle kommt die Aufgabe von<br />
Sina Rathgeber und Fabio Ramos ins<br />
Spiel. Die beiden stehen als Ansprechpartner<br />
für Mandatsträger bereit –<br />
Sina Rathgeber hauptsächlich auf dem<br />
europäischen Parkett, ihr Chef in Berlin.<br />
Ihre Expertenmeinung ist beispielsweise<br />
bei kleinen Anfragen in den Landesparlamenten<br />
oder im Bundestag<br />
gefragt. Auch der Petitionsausschuss<br />
greift oft auf ihr Fachwissen zurück.<br />
„Gerade in so einem Superwahljahr<br />
richten viele Politiker Fragen zum<br />
Thema Umwelt an uns“, sagt Sina<br />
Rathgeber, Referentin für Politische<br />
Das Umweltmanagement-Team ist<br />
hauptsächlich für die Fluglärmproblematik<br />
im Einsatz. „Damit sind unsere<br />
Kapazitäten zu 99 Prozent gebunden“,<br />
sagt Fabio Ramos. Wenig Zeit bleibt<br />
für andere Aufgabengebiete wie etwa<br />
ein Konzept für Nachhaltigkeit, das<br />
Aspekte wie Abfall, Wasser und Energie<br />
beinhaltet. Der Aufwand, den die<br />
<strong>DFS</strong> derzeit mit dem Thema Fluglärm<br />
betreibe, sei enorm, betont der Jurist.<br />
„Doch trotz dieses Aufwands hat die<br />
<strong>Flugsicherung</strong> leider geringe Möglichkeiten,<br />
das Lärmaufkommen zu beeinflussen.“<br />
Sandra Ciupka<br />
8 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
Betrieb<br />
Diplomatische Mission<br />
Flugrouten, Verfahren und Fluglärm – das ist das Metier von Andre Biestmann. Der ehemalige<br />
Fluglotse leitet den <strong>DFS</strong>-Bereich ATM Operations and Strategy. Zu seiner Aufgabe gehört politisches<br />
Geschick: Biestmann ist oberster Betriebler der <strong>DFS</strong> in Sachen Fluglärm und Vorsitzender<br />
der Expertengruppe Aktiver Schallschutz des Forums Flughafen & Region in FRA. transmission<br />
hat den Chef-Verfahrensplaner einen Tag lang begleitet.<br />
Andre Biestmann ist Frühaufsteher.<br />
Trotzdem kommt er<br />
an diesem Donnerstagmorgen<br />
zu spät zum Tagungshotel Domhof<br />
in Speyer. Kein Wunder, denn als<br />
er um kurz nach neun Uhr eintrifft, hat<br />
er bereits zwei Stunden Arbeit hinter<br />
sich. In seinem Büro in Langen hat er<br />
schon die Post abgearbeitet, dann<br />
folgte eine Besprechung. Außerdem<br />
mussten noch zwei kurzfristige Anfragen<br />
aus dem Betrieb beantwortet werden,<br />
bevor er sich mit dem Auto auf<br />
den Weg nach Speyer machen konnte.<br />
Um neun Uhr hätte die Vorbesprechung<br />
zur zweitägigen Klausur der<br />
Expertengruppe Aktiver Schallschutz<br />
beginnen sollen. Silvia Schütte vom<br />
Öko-Institut, Manfred Ockel, Bürgermeister<br />
der Stadt Kelsterbach, und<br />
Günter Lanz, Geschäftsführer des<br />
Umwelthauses, warten bereits auf<br />
den Vorsitzenden der Gruppe. Um<br />
Viertel nach neun hastet Biestmann<br />
in den zweiten Stock des Tagungshotels,<br />
stellt seinen Pilotenkoffer, seinen<br />
Rucksack und seine dicke Aktentasche<br />
ab – und los geht’s.<br />
Andre Biestmann ist als Leiter des<br />
Bereich ATM Operations & Strategy<br />
der oberste Betriebler der <strong>DFS</strong> in<br />
Sachen Fluglärm. Alle Verfahren, alle<br />
Flugrouten laufen über seinen Schreibtisch.<br />
Seit 2009 macht er diesen Job.<br />
Angefangen hat seine Laufbahn bei<br />
der <strong>DFS</strong> als Fluglotse im Center Bremen.<br />
Dann übernahm er immer mehr<br />
Managementaufgaben, war Projektleiter,<br />
Wachleiter und Leiter des Operativen<br />
Büros. Schließlich zog es ihn nach<br />
Langen in die Unternehmenszentrale.<br />
„Fluglotse zu sein war schön, aber<br />
ich gestalte gern. Und für das, was<br />
ich jetzt mache, ist die Vorbildung als<br />
Fluglotse absolut obligatorisch“, sagt<br />
er. Für seine Frau und die drei Kinder<br />
war der Umzug vom ländlichen Norden<br />
ins dicht besiedelte Rhein-Main-Gebiet<br />
nicht leicht. „Wir waren das weite Land<br />
gewöhnt, deshalb war das Wohnen im<br />
Reihenhaus eine große Umstellung.“<br />
Ein Diplomat, der es niemandem recht machen kann:<br />
Chef-Verfahrensplaner Andre Biestmann.<br />
Biestmann leitet in Speyer als Vorsitzender<br />
der Expertengruppe die<br />
zweitägige Klausurtagung. Der Kelsterbacher<br />
Bürgermeister Manfred<br />
Ockel, stellvertretender Vorsitzender,<br />
unterstützt ihn dabei. Die Teilnehmer<br />
wollen besprechen, welche Vorhaben<br />
in den kommenden fünf Jahren<br />
am Frankfurter Flughafen umgesetzt<br />
werden können. Die verschiedenen<br />
Arbeitsgruppen stellen die ersten<br />
Ergebnisse der Schallschutzmaßnahmen<br />
vor.<br />
Die Expertengruppe ist bunt zusammengewürfelt:<br />
Aktive und ehemalige<br />
Piloten zählen ebenso dazu wie Politiker,<br />
Vertreter des Flughafens Frankfurt,<br />
des Umweltbundesamtes, des<br />
Öko-Instituts, des <strong>Deutsche</strong>n Zentrums<br />
für Luft- und Raumfahrt sowie<br />
der Anrainergemeinden. Die Experten<br />
kennen sich inzwischen gut, viele sind<br />
per Du, die Atmosphäre ist kollegial.<br />
Doch auch an diesem Tag ist immer<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 9
Betrieb<br />
wieder zu spüren, dass die Blickwinkel<br />
und Interessen der Mitglieder unterschiedlicher<br />
nicht sein könnten. Was<br />
vorteilhaft für die Stadt Neu-Isenburg<br />
wäre, ist vielleicht weniger gut für<br />
Frankfurt. Was Offenbach entlasten<br />
könnte, verschlechtert vielleicht die<br />
Situation in Hanau. Die Piloten verweisen<br />
auf ihre Handbücher, die Bürgermeister<br />
auf ihre Wähler. Andre Biestmann<br />
ist quasi mittendrin. Und bleibt<br />
gelassen.<br />
Etwa, als er die in Planung befindlichen<br />
Abflugstrecken bei Ostwind vorstellt.<br />
Eine Route sieht vor, dass die<br />
Flugzeuge sehr lange Richtung Osten<br />
fliegen, bevor sie nach Norden abdrehen<br />
können. In der Expertengruppe<br />
kommt die Frage auf, ob auch solche<br />
Flugzeuge, die eigentlich nach Westen<br />
wollen – beispielsweise die Jets Richtung<br />
USA – für diese lange Route vorgesehen<br />
sind. Allein dies zu erwägen<br />
müsste jeden Airline-Vertreter oder<br />
Verfahrensplaner innerlich erschaudern<br />
lassen – schließlich ist kilometerlang<br />
in die falsche Richtung zu fliegen<br />
auch aus ökologischer Sicht mehr<br />
als fragwürdig. Doch jemand aus der<br />
Gruppe ist durchaus dafür, dass auch<br />
die Jets mit Zielen im Westen die ultralange<br />
Route nehmen könnten. Und<br />
Biestmann? Er bleibt diplomatisch.<br />
Und lächelt.<br />
Biestmann lächelt überhaupt sehr<br />
viel. Der 46-Jährige strahlt eine norddeutsche<br />
Gelassenheit aus. Gleich zu<br />
Beginn der Tagung hat er noch einmal<br />
erläutert, dass die <strong>DFS</strong> nicht einfach<br />
schnell Flugverfahren ändern kann:<br />
Alles muss vom Bundesaufsichtsamt<br />
für <strong>Flugsicherung</strong> genehmigt werden.<br />
„Das BAF fordert für jede Änderung<br />
eine Sicherheitsbewertung“, sagt<br />
Biestmann. Kann das segmentierte<br />
Anflugverfahren noch ausgeweitet<br />
werden? Welche Vorteile bringt die<br />
Einführung des Ground Based Augmentation<br />
System in Frankfurt? Gibt<br />
es schon erste Erkenntnisse zum steileren<br />
Anflugwinkel auf die neue Nordwest-Bahn?<br />
All diese Fragen werden<br />
am Vormittag besprochen. Zwischendurch<br />
muss sich der Vorsitzende eine<br />
kurze Auszeit nehmen und eine halbe<br />
Stunde lang seiner anderen Arbeit bei<br />
der <strong>DFS</strong> nachgehen. Manfred Ockel als<br />
Co-Vorsitzender übernimmt, Biestmann<br />
baut ein provisorisches Büro<br />
im Nebenraum auf, telefoniert und<br />
schreibt Kommentare zu geänderten<br />
Routen in Nordbayern, die demnächst<br />
veröffentlicht werden sollen. Dann faxt<br />
er das Ganze an seine Mitarbeiter in<br />
Langen.<br />
Schließlich ist Zeit für die Mittagspause.<br />
Biestmann kommt als letzter<br />
im Restaurant an, weil er sich noch<br />
kurz mit der Kollegin vom Öko-Institut<br />
besprechen musste. Er sitzt neben<br />
den Experten von Condor und Lufthansa,<br />
zwei Flugkapitänen. Auch der<br />
Leiter Infrastruktur von Fraport und<br />
der Vertreter der Vereinigung Cockpit<br />
haben an dem Tisch Platz genommen.<br />
Auszeit von der Tagung: Andre Biestmann in seinem provisorischen Büro. Fotos: Melanie Bauer<br />
10 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
Der Chef-Verfahrensplaner bei einer seiner wichtigsten Tätigkeiten: Er erläutert neue Flugrouten.<br />
Auch während des Essens sprechen<br />
sie über Verfahren – über die Steigrate<br />
der startenden Jets beispielsweise.<br />
Am Nachmittag wird Andre Biestmann<br />
seinen Vortrag über die neuen<br />
Abflugrouten bei Betriebsrichtung 07<br />
halten. Doch davor bekommt er die<br />
Post aus Langen. Perica Peric vom<br />
Teamsupport bringt den dicken Stapel<br />
an Postmappen vorbei. „Wenn ich<br />
in der Nähe von Langen bin, machen<br />
wir das immer so“, sagt Biestmann.<br />
Auch am zweiten Tag der Klausur wird<br />
Peric wieder als Bote fungieren. Biestmann<br />
erwartet ihn dann morgens um<br />
neun Uhr in Speyer.<br />
Nachmittags diskutieren die Teilnehmer<br />
nochmals engagiert. Die Vertreter<br />
der Lufthansa würden gern<br />
eine Änderung im Flugbetrieb, die die<br />
größte deutsche Fluglinie eingeführt<br />
hat, als Schallschutzmaßnahme einbringen:<br />
Lufthansa-Jets steigen mit<br />
weniger Schub und damit mutmaßlich<br />
leiser. Die Aufnahme dieser Änderung<br />
in den Katalog der Schallschutzmaßnahmen<br />
hätte zur Folge, dass<br />
die Expertengruppe diese Änderungen<br />
beobachtet und bewertet. Doch<br />
damit hat der Bürgermeister ein Problem.<br />
Er führt an, die Luftfahrtbranche<br />
hätte die Maßnahme eingebracht, um<br />
Kerosinkosten zu reduzieren, nicht um<br />
die Bürger zu entlasten. Viele können<br />
nicht nachvollziehen, weshalb es nicht<br />
dennoch unter die Fittiche der Expertengruppe<br />
kommen soll.<br />
Gegen 17 Uhr sind die Diskrepanzen<br />
dann aber beigelegt. Andre Biestmann<br />
und Manfred Ockel verabschieden<br />
einen Lufthansa-Vertreter, der<br />
die Expertengruppe wegen eines Jobwechsels<br />
verlässt. Danach löst sich<br />
die Versammlung auf. Biestmann wird<br />
gleich zusammen mit den anderen an<br />
einer Stadtführung teilnehmen. Ein<br />
gemeinsames Essen schließt daran<br />
an. Das Thema Fluglärm wird ihn an<br />
diesem Abend noch lange begleiten.<br />
Und auch am nächsten Tag. Wenn<br />
frühmorgens am Frankfurter Flughafen<br />
die ersten Jets starten, geht es<br />
für Biestmann wieder los.<br />
Sandra Ciupka<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 11
Betrieb<br />
Designer mit Korsett<br />
Gesetze. Verordnungen. Vorgaben. Physikalische Gesetzmäßigkeiten. Örtliche Besonderheiten.<br />
Mögliche Lärmauswirkungen. Und alles soll auch noch gleichzeitig bedacht und gleichwertig behandelt<br />
werden. Wieviel Handlungsspielraum bleibt da noch? Was nach einer verfahrenen Situation<br />
klingt, ist für die Verfahrensplaner der <strong>DFS</strong> tägliches Geschäft und Grundlage ihrer Arbeit. Dennoch<br />
gelingt es ihnen, jährlich bis zu 60 Flugverfahren zu ändern, zu bearbeiten oder neu zu entwerfen.<br />
12 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
Wie die routinierte Kontrolle<br />
von täglich mehr als 9.000<br />
Flügen am deutschen Himmel<br />
durch die Fluglotsen gehört auch<br />
das Planen von Flugverfahren zum<br />
alltäglichen Geschäft der <strong>DFS</strong>. Nicht<br />
immer liegen Notwendigkeit und Nachvollziehbarkeit<br />
dafür so offen auf der<br />
Hand wie bei der neuen Landebahn<br />
Nordwest in Frankfurt oder, ganz aktuell,<br />
beim Bau des Berliner Willy-Brandt-<br />
Flughafens.<br />
So, wie das Straßenverkehrsnetz<br />
immer wieder an neue Anforderungen<br />
angepasst wird, ist auch das<br />
Luftstraßennetz nicht für die Ewigkeit<br />
geschaffen. Bei dem einen führen<br />
Bürgerentscheide zum Bau von<br />
Umgehungsstraßen, bei dem anderen<br />
sind es Empfehlungen von Fluglärmkommissionen,<br />
die Änderungen<br />
an Flugverfahren herbeiführen oder<br />
Gerichtsurteile, die wichtige Aussagen<br />
zu Flugrouten treffen. Erfordert<br />
dort zunehmender Verkehr das Einrichten<br />
einer Ampelkreuzung, sind es<br />
in der Luftfahrt technologische Weiterentwicklungen<br />
z. B. der Satellitennavigation,<br />
wegen der ein Flugverfahren<br />
neu geplant werden muss. Oder<br />
die neue technische Ausstattung von<br />
Flugzeugen. Die Einrichtung von Flugbeschränkungsgebieten.<br />
Gesetzesänderungen.<br />
Oder Veränderungen im<br />
europäischen Verkehrsnetz, auf die<br />
die „Airspace Design“-Mitarbeiter der<br />
<strong>DFS</strong> reagieren müssen.<br />
„Für die wenigsten Verfahrensänderungen<br />
geben flugsicherungsbedingte<br />
Gründe den Ausschlag“, berichtet Verfahrensplaner<br />
Robert Ertler. Überwiegend<br />
gäben externe Entwicklungen<br />
den Anstoß, ein Verfahren zu überarbeiten.<br />
Seit 14 Jahren „designt“ der<br />
frühere Militärlotse den Luftraum über<br />
Deutschland – derzeit unter anderem<br />
auch den über Berlin. Für ihn und seine<br />
rund 30 Kollegen kommt die tägliche<br />
Arbeit einem Balanceakt gleich. Einem<br />
ständigen Abwägen zwischen dem<br />
Entwickeln von Flugwegen, auf denen<br />
der Verkehr sicher abgearbeitet werden<br />
kann – und ihrer Auswirkung auf<br />
das übrige Streckennetz. Zwischen<br />
der physikalischen Fliegbarkeit eines<br />
Verfahrens – und der Beachtung von<br />
Lärmschutzaspekten. Zwischen dem<br />
Einhalten gesetzlicher Grundlagen –<br />
und dem Berücksichtigen der wirtschaftlichen<br />
Aspekte, wie sie von Flughäfen<br />
und Airlines geäußert werden.<br />
Leitplanken ihrer Tätigkeit bilden<br />
die Paragraphen 27c und 29b des<br />
Luftverkehrsgesetzes. Der eine gibt<br />
die „sichere, geordnete und flüssige<br />
Abwicklung des Flugverkehrs“ vor, der<br />
andere betont den Schutz der Bevölkerung<br />
vor unzumutbarem Fluglärm.<br />
Laut Rechtsprechung kommt insbesondere<br />
dem Sicherheitsaspekt eine<br />
überragende Bedeutung zu.<br />
„Unser Handlungsspielraum<br />
ist nicht so groß, wie<br />
die Öffentlichkeit häufig<br />
denkt. Er ist extrem limitiert,<br />
wie in einem Korsett.“<br />
Auch wenn der mediale Aufschrei<br />
zuweilen harsch ausfällt und neue<br />
An- oder Abflugrouten oft auch neue<br />
(Lärm-)Betroffenheiten schaffen, so<br />
geht in den kontrovers geführten<br />
Debatten meist unter, welches Bündel<br />
an Überlegungen dem Festlegen einer<br />
Flugroute vorausgeht. Wie im Falle<br />
eines Flughafenneubaus, der neue<br />
Ein-, An- und Abflugverfahren nötig<br />
macht. Nicht involviert ist die <strong>DFS</strong><br />
beim Fällen einer standortpolitischen<br />
Entscheidung darüber, wo ein Flughafen<br />
aus- oder neu gebaut werden soll.<br />
Ebenso wenig Einfluss hat sie auf den<br />
späteren Flottenmix der Fluggesellschaften,<br />
die Flugpläne oder die Flughafenkapazität.<br />
„Im Grunde genommen<br />
beschränkt sich unsere Arbeit<br />
darauf, einmal zugelassenen Verkehr<br />
so zu verteilen, dass er von unseren<br />
Lotsen sicher und geordnet gearbeitet<br />
werden kann“, bringt es Ertler auf<br />
den Punkt.<br />
Er selbst sieht sich als „Handlungsreisender<br />
in Sachen <strong>Flugsicherung</strong>“,<br />
als Mittler zwischen Lotsen und Fluglärmkommissionen.<br />
„Unser Handlungsspielraum<br />
ist nicht so groß, wie die<br />
Öffentlichkeit häufig denkt. Er ist extrem<br />
limitiert, wie in einem Korsett –<br />
auch wenn für manchen der Himmel<br />
grenzenlos scheint“, sagt er. Zudem<br />
reagiere die Bevölkerung immer sensibler<br />
auf Fluglärm, weshalb seine<br />
kommunikativen Fähigkeiten in den<br />
vergangenen drei Jahren immer wichtiger<br />
geworden seien. „Das Schöne an<br />
meinem Job ist: Ich muss niemandem<br />
ein X für ein U vormachen. Ich sage,<br />
was Sache ist. Und das schafft Vertrauen,<br />
auch wenn ich es niemals allen<br />
recht machen kann.“<br />
Ins Spiel kommt die <strong>DFS</strong> erst im<br />
Planfeststellungsverfahren, wenn<br />
bereits wichtige Entscheidungen wie<br />
die Lage von Start- und Landebahnen<br />
stehen. Dann ist die <strong>DFS</strong> aufgefordert,<br />
eine fachliche Einschätzung für<br />
ein Flugroutengrobkonzept zu geben.<br />
„Allerdings ist vielen nicht klar“, weist<br />
Ertler hin, „dass Flugrouten nicht mit<br />
planfestgestellt werden, weil sie in<br />
diesem Stadium nur vorläufig sind.“<br />
Konkreter wird es erst viel später. Bis<br />
dahin seien viele einzelne Schritte zu<br />
gehen, bei denen insbesondere örtliche<br />
Belange eine große Rolle spielten:<br />
„Jedes Verfahren hat seine Besonderheiten.“<br />
Grundsätzlich entwirft die örtliche<br />
Niederlassung ein erstes Modell<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 13
Betrieb<br />
für die grobe Sektoreinteilung und<br />
die Verkehrsverteilung. Im Anschluss<br />
übernehmen die Verfahrensplaner aus<br />
der Unternehmenszentrale um Ertler &<br />
Co. den Feinschliff und prüfen: Reicht<br />
der kontrollierte Luftraum aus? Ist die<br />
Struktur effizient? Sind militärische<br />
und VFR-Flüge ausreichend berücksichtigt?<br />
Im nächsten Schritt schließen<br />
sie die Bevölkerungsdichte mit ein und<br />
ermitteln, wie viele Menschen von den<br />
neuen An- und Abflugstrecken betroffen<br />
wären. Auf dieser Basis entwerfen<br />
sie eine Vielzahl von Varianten, die<br />
bereits im Hinblick darauf überprüft<br />
werden, ob sie auch in der betrieblichen<br />
Umsetzung funktionieren.<br />
Die Verfahrensplaner der <strong>DFS</strong> verteilen den vorhandenen Verkehr so, dass er von den<br />
Lotsen sicher und geordnet gearbeitet werden kann. Klingt einfach, ist es aber nicht.<br />
Alle Varianten werden dann in einer<br />
Schnellzeitsimulation miteinander verglichen.<br />
In relativ kurzer Zeit durchläuft<br />
der verkehrsreichste Tag des<br />
Vorjahres die Software, die mögliche<br />
Konfliktsituationen aufdeckt, Auskunft<br />
über die Verkehrsverteilung gibt und<br />
so eine Aussage über die kapazitative<br />
Umsetzbarkeit der verschiedenen Varianten<br />
zulässt. Daran an schließt sich<br />
ein weiteres Simulationsprogramm:<br />
das Noise Impact Reduction and Optimisation<br />
System, kurz NIROS. Es<br />
simuliert die Lärmbelastung, die bei<br />
gleichem Schallpegel bei hoher Bevölkerungsdichte<br />
um so größer ausfällt.<br />
Anschließend werden die einzelnen<br />
Varianten in die deutlich aufwändigere<br />
Realzeitsimulation überführt, die<br />
einiges an Personal beansprucht: Am<br />
Simulator fliegt etwa zwei Tage lang<br />
der geplante Flottenmix in „Echtzeit“<br />
den Flughafen an, während erfahrene<br />
Fluglotsen die Verfahrensmodelle auf<br />
ihre Praxistauglichkeit hin testen.<br />
Jeder Schritt schließt mit einem<br />
Ergebnisbericht ab. Am Ende steht ein<br />
Abschlussbericht, in dem die <strong>DFS</strong> verschiedene<br />
Flugroutenvarianten inklusive<br />
ihrer betrieblichen Auswirkungen<br />
darstellt. Den stellt sie der örtlichen<br />
Fluglärmkommission (FLK) vor. Die<br />
FLK wiederum, bestehend aus Vertretern<br />
der Gemeinden, Fluggesellschaften<br />
und Flughafenbetreibern, berät<br />
die <strong>DFS</strong> insbesondere im Hinblick auf<br />
den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm.<br />
Das Ergebnis bildet ein soge-<br />
14 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
nanntes Abwägungsdokument, das<br />
dem Bundesaufsichtsamt für <strong>Flugsicherung</strong><br />
(BAF) vorgelegt wird und das<br />
aus mehreren Komponenten besteht:<br />
der grafischen Darstellung und Gegenüberstellung<br />
der Verfahrensvarianten,<br />
einer Begründung für das von der <strong>DFS</strong><br />
favorisierte Verfahren, der Besiedlungsdichte<br />
und der grafischen Abbildung<br />
der Betroffenheiten. Das BAF<br />
prüft die Argumentation und bindet<br />
verpflichtend auch das Umweltbundesamt<br />
in die Meinungsbildung ein.<br />
Ebenso wird in diesem Schritt das<br />
Bundesministerium der Justiz Teil des<br />
Abwägungsprozesses, in dem es die<br />
Einhaltung der formalen Verfahrensregeln<br />
bestätigt. Ein aufwändiger Prozess,<br />
der drei Dinge zusammenbringen<br />
soll: das gesellschaftliche Streben<br />
nach Mobilität, die Bedürfnisse von<br />
Fluglärmbetroffenen und die Wünsche<br />
der Luftfahrtbranche. Nach eigener<br />
Abwägung legt das BAF die Flugrouten<br />
durch Rechtsverordnung fest. Dies<br />
geschieht für durchschnittlich 60 Verfahren<br />
pro Jahr, wovon einzelne wiederum<br />
eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen<br />
subsumieren können – bis zu 160<br />
am Beispiel Frankfurt.<br />
Flugrouten sind Ideallinien.<br />
Die Piloten können<br />
bis zu mehrere hundert<br />
Meter davon abweichen.<br />
Robert Ertler Fotos: Melanie Bauer<br />
Neun bis 18 Monate benötigt der<br />
finale Prozess von der Entwicklung<br />
eines Flugverfahrens bis zur Festlegung<br />
durch das BAF. Im Falle von<br />
Großprojekten wie dem Neubau des<br />
Flughafens Berlin Brandenburg vergingen<br />
aber auch schon mal zwölf Jahre<br />
nach Einreichen der ersten Grobentwürfe,<br />
bis es im September 2<strong>01</strong>0 zur<br />
inhaltlichen Diskussion mit der FLK<br />
kam. Doch auch nach der Veröffentlichung<br />
bleiben Missverständnisse.<br />
Standardisierte Flugverfahren vereinfachen<br />
die Abarbeitung des Verkehrs,<br />
sie ersetzen aber nicht das Freigabesystem<br />
der Fluglotsen. Denn durch<br />
Weisung an den Piloten kann der Lotse<br />
eine davon abweichende Flugstrecke<br />
vorgeben, um sich eine gewisse Flexibilität<br />
bei der Bewältigung des Flugverkehrs<br />
zu erhalten. Zudem: Die veröffentlichten<br />
Flugrouten können nicht<br />
mit der Annahme gleichgesetzt werden,<br />
dass Piloten sie auch präzise<br />
abfliegen. Laut Rechtsprechung des<br />
Bundesverwaltungsgerichts aus dem<br />
Jahr 2000 beschreiben sie vielmehr<br />
ein „Flugerwartungsgebiet“.<br />
Demnach handelt es sich um eine<br />
Ideallinie, von der an- oder abfliegende<br />
Flugzeuge bis zu mehreren hundert<br />
Metern links und rechts beziehungsweise<br />
ober- und unterhalb abweichen<br />
können. Dass trotz der Möglichkeit,<br />
moderne GPS-Verfahren nutzen zu<br />
können, diese Abweichungen auftreten,<br />
begründet sich zum Beispiel in<br />
Ungenauigkeiten von Navigationsanlagen,<br />
vom Gewicht und jeweiligen<br />
Luftfahrzeugtyp oder den Wetterverhältnissen.<br />
In dieser Hinsicht gibt es<br />
dann eben doch noch einen wesentlichen<br />
Unterschied zur StVO, derzufolge<br />
die Breite eines Fahrstreifens<br />
um lediglich einen Meter schwanken<br />
kann – in der Spanne zwischen 2,75<br />
und 3,75 Meter.<br />
Rüdiger Mandry<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 15
Betrieb<br />
Die Ruhelosen<br />
Durch die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen sind mehr Menschen von Fluglärm betroffen<br />
als zuvor. Das Nachtflugverbot zwischen 23 und 5 Uhr soll Entlastung bringen, doch dafür drängt<br />
sich der Verkehr nun in den Randzeiten. Das ist eine Belastung für die Anwohner – und für die<br />
Fluglotsen: Ein Flugzeug, das nicht vor 23 Uhr starten kann, muss am Boden bleiben. So beginnt<br />
jeden Abend der Kampf gegen die Uhr.<br />
Es ist ein Ort der Ruhe, nur ein<br />
paar hundert Meter neben<br />
der Einflugschneise. Nicole<br />
Ladberg schenkt Sprudel ein, die Bläschen<br />
bitzeln im Glas. Ihr Mann Mirko<br />
kommt auf Socken die Treppe herunter:<br />
Der Sohn schläft, das Babyphon<br />
auf dem Esstisch schweigt. So still<br />
kann es also sein, abends um halb<br />
neun mitten in der Stadt. Keine Straßenbahn,<br />
kein Verkehr, nicht mal von<br />
den Nachbarn ist etwas zu hören.<br />
Dann ein dumpfes Grollen, das lauter<br />
wird, dann wieder leiser. Das Haus,<br />
in das die Ladbergs 2007 eingezogen<br />
sind, liegt in einer ruhigen Seitenstraße<br />
im Frankfurter Stadtteil Oberrad.<br />
Ein Neubau, massiv, die Fenster<br />
halten dicht. Dann ist auch das Grollen<br />
weg. Leise beginnt der Kühlschrank zu<br />
brummen.<br />
16 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
Natürlich ist es ein bisschen unfair,<br />
Nicole und Mirko Ladberg an einem<br />
Tag wie diesem zu besuchen. Es ist<br />
so, als würde man sich an einem autofreien<br />
Sonntag mitten auf die Umgehungsstraße<br />
stellen und sich wundern,<br />
wie ruhig es dort ist. Denn wenn die<br />
Flugzeuge am Frankfurter Flughafen<br />
aus westlicher Richtung landen und<br />
gen Osten starten, dann ist es bei<br />
den Ladbergs so wie immer: Hörbar,<br />
aber auszuhalten. „Den Fluglärm bei<br />
Ostbetrieb hatten wir immer schon,<br />
damit kann man leben“, sagt Nicole<br />
Ladberg.<br />
Schlimm sind für sie die Tage, an<br />
denen es genau anders herum ist –<br />
wenn die Flugzeuge aus Richtung<br />
Offenbach kommen und im Anflug auf<br />
die neue Nordwestbahn nur ein paar<br />
hundert Meter an ihrem Haus vorbeidonnern;<br />
an drei von vier Tagen<br />
ist das so. Unweit von ihnen hat die<br />
Stadt Frankfurt eine Messstation aufgestellt,<br />
die Ausschläge liegen zum<br />
Teil über 80 Dezibel. „Wir wussten,<br />
dass das nicht schön wird“, sagt sie.<br />
„Aber dass es mit der neuen Bahn so<br />
schlimm ist, hätten wir nie gedacht.<br />
Es ist die Hölle.“<br />
Das Reich der Finsternis ist hell<br />
erleuchtet, und seine Schaltzentrale<br />
befindet sich 65 Meter über dem Rollfeld.<br />
Am Frankfurter Flughafen weht<br />
der Wind den Nieselregen gegen<br />
die Scheiben des <strong>DFS</strong>-Towers. Zwei<br />
Platzkoordinatoren und vier Lotsen<br />
kontrollieren hier oben den Verkehr auf<br />
den Start- und Landebahnen, für jede<br />
Piste einer: Auf der Startbahn West<br />
und der Center-Bahn wird gestartet,<br />
auf der Nordwestbahn und der Südbahn<br />
gelandet. Der Abstand zwischen<br />
diesen beiden Pisten ist so groß, dass<br />
sie unabhängig voneinander betrieben<br />
werden können. Seit Inbetriebnahme<br />
der Nordwestbahn können deshalb<br />
mehr Flugzeuge landen als auf dem<br />
alten Parallelbahnsystem. Es gibt also<br />
Platz für künftiges Wachstum – auch<br />
wenn die Wirtschaftskrise erst einmal<br />
für einen leichten Rückgang der<br />
Verkehrszahlen gesorgt hat. Rund<br />
482.000 Starts und Landungen wurden<br />
2<strong>01</strong>2 in Frankfurt registriert.<br />
Alle vier Pisten werden derzeit nur<br />
tagsüber genutzt. Abends, wenn der<br />
Verkehr nachlässt, rollen rote Blinklichter<br />
über die Südbahn. Sie gehören<br />
zu den Fahrzeugen der Bautrupps,<br />
die die Piste ausbessern. „Sie wird im<br />
Moment um 21 Uhr gesperrt“, sagt<br />
Ute Dirkmann, die an diesem Abend<br />
als Supervisor im Dienst ist. Der vierte<br />
Lotse hat dann Feierabend, von da an<br />
wird vor allem auf der Nordwestbahn<br />
gelandet. Ausgenommen sind große<br />
Flugzeuge wie die Boeing 747 und die<br />
MD11, die die Bahn aus Lärmschutzgründen<br />
nicht nutzen dürfen. „Die landen<br />
dann auf der Center-Bahn“, erklärt<br />
Ute Dirkmann.<br />
„Eigentlich ist das eine<br />
sehr ruhige Gegend,<br />
vielleicht nimmt man<br />
deshalb den Flugverkehr<br />
so prominent wahr.“<br />
Wenn es nach den Ladbergs ginge,<br />
könnte das immer so sein. Dann würden<br />
die Flugzeuge bei Westbetrieb<br />
über dem Frankfurter Stadtwald anfliegen,<br />
so wie früher schon – in deutlichem<br />
Abstand zu ihrem Haus. Denn<br />
eigentlich ist die Lage für die junge<br />
Familie ideal: Ein paar Straßen weiter<br />
beginnt der Wald, in der entgegengesetzten<br />
Richtung liegen Gemüsefelder,<br />
dahinter fließt der Main. Ein Uferweg<br />
führt in die Innenstadt, manchmal ist<br />
Nicole Ladberg mit ihrem elf Monate<br />
alten Sohn im Kinderwagen dort unterwegs.<br />
Und wenn man mal weg will: Zur<br />
Autobahn ist es auch nicht weit.<br />
Früher lebten sie nicht weit von<br />
hier, in Sachsenhausen. Als sie entschieden,<br />
in Oberrad zu bauen, wussten<br />
sie natürlich, dass durch die Nordwestbahn<br />
der Fluglärm dort zunehmen<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 17
Betrieb<br />
Nach 23 Uhr gilt am Frankfurter Flughafen ein Nachtflugverbot: Ohne Ausnahmegenehmigung<br />
darf dann kein Flugzeug mehr starten oder landen.<br />
Das Nachtflugverbot ist der Preis<br />
für den Ausbau des Frankfurter Flughafens<br />
– darauf hatten sich die Beteiligten<br />
im Mediationsverfahren geeinigt.<br />
Nach viel politischem Streit und<br />
juristischem Hin und Her trat die Regelung<br />
zehn Tage nach Eröffnung der<br />
Nordwestbahn in Kraft, am 30. Oktober<br />
2<strong>01</strong>1. Während an Flughäfen wie<br />
Leipzig oder Köln/Bonn auch nachts<br />
geflogen werden darf, muss in Frankfurt<br />
jede Ausnahme genehmigt werden<br />
– zum Beispiel, wenn ein Gewitter,<br />
Schneefall oder starker Wind zu Verzögerungen<br />
führt. In den anderthalb Jahren,<br />
die die Nordwestbahn nun schon<br />
in Betrieb ist, hat es bislang rund 800<br />
solcher Ausnahmen gegeben – bei<br />
einer Dreiviertelmillion Flugbewegungen<br />
in dieser Zeitspanne.<br />
wird. Sie waren aber davon ausgegangen,<br />
dass die vierte Bahn vor allem<br />
dazu dient, zu Spitzenzeiten die anderen<br />
Pisten zu entlasten. Nun aber ist<br />
der Lärm, der vorher die Ausnahme<br />
war, zur Regel geworden. „Dass die<br />
Bahn so intensiv genutzt wird – das<br />
hatten wir nicht erwartet“, sagt Nicole<br />
Ladberg. Im Unterschied zu ihrem<br />
Mann, der für eine Krankenkasse<br />
arbeitet, hat sie nicht mal tagsüber<br />
Ruhe: Seit der Geburt ihres Sohnes<br />
arbeitet sie im Homeoffice, in einem<br />
Büro direkt unter dem Dach ihres<br />
Hauses. „Eigentlich ist das eine sehr<br />
ruhige Gegend, vielleicht nimmt man<br />
deshalb den Flugverkehr so prominent<br />
wahr“, sagt Mirko Ladberg.<br />
An Spitzentagen gibt es<br />
Starts und Landungen im<br />
Minutentakt, damit der<br />
komplette Verkehr vor<br />
23 Uhr bewältigt ist.<br />
Oben im Tower schaut Supervisor<br />
Ute Dirkmann derweil im Computer<br />
nach, wie viele Flüge noch auf sie und<br />
ihr Team zukommen. Die Arbeit in der<br />
Nachtschicht ist eine Arbeit gegen die<br />
Uhr: Nach 23 Uhr greift am Frankfurter<br />
Flughafen das Nachtflugverbot,<br />
ohne Ausnahmegenehmigung darf<br />
dann kein Flugzeug mehr starten und<br />
landen. Es gibt Tage, da zählt Ute Dirkmann<br />
um 21 Uhr noch 120 Flugpläne,<br />
das bedeutet: Starts und Landungen<br />
im Minutentakt, damit der komplette<br />
Verkehr vor 23 Uhr bewältigt ist.<br />
An solchen Tagen ist im Tower tatsächlich<br />
die Hölle los. Vor allem bei<br />
Westbetrieb, wenn die Starts auf der<br />
Center-Bahn mit den Flugzeugen auf<br />
der Startbahn West koordiniert werden<br />
müssen, was die Flughafenkapazität<br />
einschränkt. Heute dagegen wird<br />
in Richtung Osten gestartet; 91 Flüge<br />
sind es noch in den nächsten beiden<br />
Stunden. „Das ist gut machbar“, sagt<br />
sie, auch ohne Südbahn – zumindest,<br />
wenn nichts Unvorhergesehenes passiert.<br />
Aber am Flughafen, das weiß<br />
Ute Dirkmann, vergeht eigentlich kein<br />
Tag ohne etwas Unvorhergesehenes.<br />
Anwohner wie die Ladbergs sind<br />
mit dem Nachtflugverbot deshalb<br />
alles andere als glücklich. „Dass es<br />
immer wieder Ausnahmen gibt, das ist<br />
ein Unding“, kritisiert Nicole Ladberg.<br />
Zudem führe die Regelung dazu, dass<br />
sich der Lärm auf die Randzeiten verschoben<br />
hat. „Vor allem morgens zwischen<br />
fünf und halb sechs ist es die<br />
Hölle. Und abends zwischen zehn und<br />
elf auch.“ In der ersten Zeit schlief sie<br />
mit Ohrstöpseln; seit ihr Sohn auf der<br />
Welt ist, traut sie sich das nicht mehr.<br />
Ihr Mann Mirko hat den tieferen Schlaf.<br />
Ihn nervt nicht so sehr der Lärm im<br />
Schlafzimmer, sondern der Krach<br />
draußen. „Auf der Terrasse hinter<br />
dem Haus haben wir im letzten Sommer<br />
kein einziges Mal gesessen“, sagt<br />
er. „Das macht einfach keinen Spaß<br />
mehr.“<br />
Martin Bornemeier und Petra Marx<br />
gehören zu denen, die Familie Ladberg<br />
den Spaß verderben. Natürlich nicht<br />
mit Absicht: Die beiden Platzkoordinatoren<br />
im Tower Frankfurt machen<br />
einfach nur ihren Job. Ihre Aufgabe<br />
ist es, den Flugzeugen die Freigabe<br />
zum Anlassen ihrer Triebwerke zu<br />
erteilen. Jetzt, kurz vor 22 Uhr, sind<br />
gerade 20 Flugzeuge auf dem Weg<br />
vom Gate zur Bahn. 22 weitere Flug-<br />
18 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
zeuge wollen noch starten, werden<br />
also in der nächsten Stunde noch um<br />
die Anlassfreigabe bitten. Oder auch<br />
nicht. „ETH Seven – Zero – Seven, you<br />
missed your Start-up Approval Time“,<br />
ermahnt Bornemeier die Besatzung<br />
einer Boeing 787 von Ethiopian Airlines,<br />
die nach Addis Abeba will, aber<br />
noch immer am Gate steht. „Der muss<br />
jetzt bald rufen, sonst fliegt er aus der<br />
Liste.“<br />
Für die Anlassfreigabe haben die<br />
Piloten nämlich nicht beliebig viel Zeit.<br />
Damit es am Flughafen keine Staus<br />
gibt, müssen die Airlines ein festes<br />
Zeitfenster vorgeben. Es richtet sich<br />
nach der Zielzeit, zu welcher der Flieger<br />
seine Abfertigung am Boden beendet<br />
hat, die Flugzeugtüren geschlossen<br />
und die Fluggastbrücken entfernt<br />
sind. Verpasst ein Pilot dieses Fenster,<br />
muss er sich wieder ganz hinten<br />
anstellen. Bornemeier erspart dem<br />
Piloten dieses Procedere. Nach kurzem<br />
Wortwechsel trägt er im Computersystem<br />
eine korrigierte Zeit zum<br />
Anlassen ein – und schiebt das Flugzeug<br />
in der Liste wieder ganz nach<br />
oben. „Ein Service von uns“, sagt er.<br />
Aus dem Lautsprecher knackst es<br />
– ein leises Weinen dringt aus dem<br />
Gefahr für den Luftverkehrsstandort?<br />
Die Airlines sehen in der rigiden Handhabung des Nachtflugverbots eine<br />
Gefahr für den Luftverkehrsstandort Frankfurt. Sie warnen: Flüge, die wegen<br />
nicht erteilter Startfreigabe von der Piste zurückkehren müssen, schaden<br />
der Reputation des Flughafens. Wer das als Passagier einmal erlebt hat,<br />
wird unter Umständen nicht mehr über Frankfurt fliegen – und dies wegen<br />
oft nur ein oder zwei Minuten. Die Forderung der Airlines ist deshalb, dass<br />
jedes Flugzeug, das eine Rollfreigabe bekommen hat, auch starten darf.<br />
Um die durch das strikte Nachtflugverbot verschärfte Abflugsituation vor<br />
23 Uhr zu verbessern, haben die Fluggesellschaften eine Reihe von Maßnahmen<br />
initiiert. Dazu zählt unter anderem, dass Flugzeuge auf dem Vorfeld<br />
nahe der Startbahn geparkt werden, obwohl Gebäudepositionen frei sind.<br />
Die hessische Landesregierung hat allerdings deutlich gemacht, dass sie<br />
nach dem letztinstanzlichen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig<br />
vom April 2<strong>01</strong>2 an den bestehenden gesetzlichen Regelungen festhalten<br />
wird. Änderungen am Nachtflugverbot werde es nicht geben.<br />
Die Zahl der Starts und Landungen in den Randstunden (5 bis 6 und 22<br />
bis 23 Uhr) ist nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Jahresschnitt<br />
auf 133 begrenzt: Der Verkehr soll nicht abrupt einsetzen, sondern<br />
an- und abschwellen. An den meisten Tagen endet der Flugbetrieb bereits<br />
deutlich vor 23 Uhr. Einer Auswertung des Frankfurter Flughafenbetreibers<br />
Fraport zufolge startete das jeweils letzte Flugzeug eines Tages während<br />
des Winterflugplans 2<strong>01</strong>2/13 im Schnitt 10,5 Minuten vorher.<br />
Babyphon, schließlich ist das Schreien<br />
auch durch die Tür zu hören: Kein<br />
Flugzeug, nein: Ihr Sohn ist ganz von<br />
allein aufgewacht. „Eigentlich schläft<br />
er durch“, sagt Nicole Ladberg. Aber<br />
der Kleine ist krank, hat ein bisschen<br />
Fieber, wahrscheinlich liegt es daran.<br />
Sein Vater stapft die Treppe hoch, um<br />
nach ihm zu sehen. „Wenn ich merken<br />
würde, dass mein Kind unter dem<br />
Lärm leidet, würde ich wegziehen“,<br />
sagt Nicole Ladberg. Die Frage ist<br />
nur: Wohin? „Eine bezahlbare Wohnung<br />
ohne Fluglärm zu finden ist nahezu<br />
unmöglich in Frankfurt“, sagt sie.<br />
Immer wieder müssen<br />
startbereite Flugzeuge<br />
am Boden bleiben, weil<br />
sie nach 23 Uhr nicht<br />
Airlines fürchten: Wer einmal am Flughafen übernachten musste, fliegt nie wieder<br />
über Frankfurt.<br />
mehr abheben dürfen.<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 19
Betrieb<br />
Der <strong>DFS</strong>-Tower in Frankfurt ist rund um die Uhr besetzt; auch nachts ist für Notfälle immer ein Lotse da. Um 5 Uhr morgens erwacht<br />
der Flughafen zum Leben – und die Lotsen haben alle Hände voll zu tun. Auch am Abend gibt es oft Stress: Alle Flugzeuge müssen<br />
bis 23 Uhr gestartet sein.<br />
Während Mirko Ladberg den Kleinen<br />
wieder zum Schlafen bringt, ist für<br />
Markus Siebers im Tower die Pause<br />
zu Ende. Der Fluglotse löst um halb<br />
elf die Kollegin an der Center-Bahn<br />
ab, die jetzt Feierabend hat. Flug<br />
Nummer DLH 506 startet in Richtung<br />
Sao Paulo, Siebers verabschiedet ihn<br />
per Funk. Es ist 22.35 Uhr, auf der<br />
Startbahn West ist gerade das letzte<br />
Flugzeug gestartet. „Dort sind wir für<br />
heute fertig“, sagt Ute Dirkmann. Siebers<br />
gibt einer Lufthansa-Boeing 747<br />
mit Ziel Bangkok die Anweisung, hinter<br />
einer Maschine von Etihad zur Startbahn<br />
zu rollen. Alles läuft nach Plan<br />
– doch das ist nicht immer so. Immer<br />
wieder müssen startbereite Flugzeuge<br />
am Boden bleiben, weil sie wegen des<br />
Nachtflugverbots nicht mehr abheben<br />
durften. Die Airlines fordern deshalb:<br />
Ein Flugzeug, das bereits die Rollfreigabe<br />
erhalten hat, muss auch starten<br />
können. Selbst wenn es vielleicht<br />
schon ein oder zwei Minuten nach 23<br />
Uhr ist.<br />
Die Flughafenausbaugegner<br />
traten bei der OB-<br />
Wahl in Frankfurt an. Sie<br />
holten vier Prozent der<br />
Stimmen.<br />
Nicole Ladberg dagegen kämpft für<br />
ihre Nachtruhe, die für sie eh schon<br />
viel zu kurz ist – und dafür, dass es<br />
leiser wird. Seit zehn Jahren ist sie in<br />
Bürgerinitiativen gegen Fluglärm aktiv;<br />
ihr Ziel ist die Schließung der Nordwestbahn,<br />
die Ausweitung des Nachtflugverbots<br />
auf 22 bis 6 Uhr und die<br />
Reduzierung der Flugbewegungen auf<br />
380.000. Bei der OB-Wahl in Frankfurt<br />
machte sie Werbung für die Wählergemeinschaft<br />
der Flughafenausbaugegner,<br />
kurz FAG, die mit einer eigenen<br />
Kandidatin antrat und immerhin auf<br />
vier Prozent der Stimmen kam. „Der<br />
Fluglärm nervt viele, aber nur die<br />
wenigsten handeln“, sagt sie. Auch in<br />
ihrer Nachbarschaft hat sie schon ver-<br />
20 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
sucht, Mitstreiter zu aktivieren – vergeblich.<br />
„Die Bequemlichkeit ist meist<br />
größer als der Ärger.“<br />
Die Passagiere weigerten<br />
sich, aus dem Flugzeug<br />
auszusteigen. Sie wollten<br />
nicht noch eine Nacht am<br />
Flughafen verbringen.<br />
22.38 Uhr, am Tower beginnt nun<br />
langsam der Endspurt. Auf der Center-<br />
Bahn warten noch drei Abflüge auf ihre<br />
Starterlaubnis. Außerdem steht am<br />
Terminal ein hellblauer Airbus A380<br />
der Korean Airlines, der ebenfalls starten<br />
will, aber noch nicht um die Freigabe<br />
zum Anlassen gebeten hat. „Der<br />
müsste jetzt mal ein bisschen Druck<br />
machen, sonst wird es eng“, sagt Siebers.<br />
So wie bei einem Fall aus dem<br />
vergangenen Jahr, der für Schlagzeilen<br />
sorgte: Ein A321, der von Frankfurt<br />
nach Kiew fliegen sollte. Er war rechtzeitig<br />
zur Piste gerollt, verpasste aber<br />
die Startfreigabe, weil dort kurz vor<br />
23 Uhr noch mehrere Flugzeuge auf<br />
ihren Start warteten – und musste zur<br />
Vorfeldposition zurückrollen. Als die<br />
Passagiere wieder aussteigen sollten,<br />
kam es zum Protest: Mehre Dutzend<br />
Fluggäste weigerten sich. Sie hatten<br />
am Vorabend dasselbe schon einmal<br />
erlebt – und am Flughafen übernachten<br />
müssen. Gerade für Umsteigepassagiere,<br />
die kein Einreisevisum für<br />
Deutschland haben, kann die rigide<br />
Handhabung des Nachflugverbots zu<br />
einem echten Ärgernis werden. Die<br />
Airlines haben keine Möglichkeit, sie<br />
in Hotels oder Pensionen unterzubringen:<br />
Sie müssen auf Bänken und Pritschen<br />
im Transitbereich übernachten.<br />
Gelegentlich ist Nicole Ladberg<br />
auch mit dem Flugzeug unterwegs.<br />
Die Firma, für die sie arbeitet, sitzt<br />
in Japan, produziert in Frankreich und<br />
hat eine Niederlassung in Neu-Isenburg<br />
– da geht es ohne Dienstreisen<br />
nicht. Wobei viele Meetings inzwischen<br />
durch Telefon- oder Videokonferenzen<br />
ersetzt wurden. „Ich glaube, da wird<br />
sich noch viel verändern“, sagt sie.<br />
Ihre Prognose: Sinkende Nachfrage,<br />
wachsende Konkurrenz aus dem Ausland<br />
– auf Dauer, hofft sie, werde der<br />
Frankfurter Flughafen als Drehkreuz<br />
nicht überleben. „Dann fliegen alle<br />
über Istanbul. Oder Dubai, da liegt<br />
der Flughafen kilometerweit in der<br />
Wüste.“ Aus der Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt,<br />
in deren Mitte der Dubai<br />
International Airport liegt, ist kein Protest<br />
zu erwarten. Scheich Mohammed<br />
bin Rashid Al Maktoum setzt auf den<br />
Ausbau des Luftverkehrs: Der autokratische<br />
Herrscher des Landes ist fest<br />
entschlossen, Dubai zur internationalen<br />
Verkehrsdrehscheibe auszubauen.<br />
Einstweilen jedoch ist Frankfurt<br />
noch ganz schön lebendig – und Ute<br />
Dirkmann und ihr Team tun alles dafür,<br />
damit das auch so bleibt. Der größte<br />
deutsche Flughafen sichert nicht nur<br />
ihren Arbeitsplatz: Dass sich so viele<br />
Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet<br />
ansiedeln und nicht etwa in der Lünebürger<br />
Heide oder im Elbsandsteingebirge,<br />
liegt auch an der guten<br />
Verkehrsanbindung: Gerade für internationale<br />
Firmen ist ein internationales<br />
Drehkreuz wie der Frankfurter Flughafen<br />
ideal. Dort erhält das letzte Flugzeug<br />
für heute seine Startfreigabe:<br />
Um 22.43 Uhr rollte ein A320 der russischen<br />
Fluggesellschaft Aeroflot auf<br />
die Centerbahn, beschleunigt und hebt<br />
ab in Richtung Moskau. Der hellblaue<br />
A380 aus Korea steht noch immer<br />
auf seiner Parkposition, Ute Dirkmann<br />
telefoniert mit der Luftaufsicht. „Der<br />
hat ein technisches Problem, er bleibt<br />
heute Nacht hier.“<br />
Wenig später dröhnt ein dumpfes<br />
Grollen über den Dächern von Oberrad,<br />
dann ist auch das vorbei. 23 Uhr,<br />
der Flughafen macht Pause, Ute Dirkmann<br />
hat Feierabend – nur im Tower<br />
gehen die Lichter nicht aus: Er bleibt<br />
rund um die Uhr besetzt, für alle Fälle.<br />
Nicole und Mirko Ladberg verabschieden<br />
ihren Gast. Höchste Zeit, schlafen<br />
zu gehen. Auch wenn ihr Sohn<br />
durchschläft: Der Flughafen schafft<br />
es immer nur bis morgens um fünf.<br />
So ruhig ist es nur nachts: Frankfurt ist der größte Passagier- und Cargo-Flughafen<br />
Deutschlands. Fotos: Melanie Bauer (16/17, 20), Sascha Rheker (18, 19, 21)<br />
Holger Matthies und<br />
Christopher Belz<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 21
Betrieb<br />
Zwischen Planvorgabe<br />
und Bürgerwille<br />
Für die neue Nordwest-Landebahn haben die Spezialisten der <strong>DFS</strong> eine ganze Reihe spezieller Maßnahmen<br />
erarbeitet, um die Lärmbelastung für die Bürger so gering wie möglich zu halten. Ein gutes<br />
Jahr nach Eröffnung der Bahn haben sie ein erstes Fazit gezogen.<br />
Airforce six two<br />
five, runway zero seven<br />
„German<br />
left, cleared to land.”<br />
Mit diesen Worten gab der Fluglotse<br />
im Tower am 21. Oktober 2<strong>01</strong>1 die<br />
Regierungsmaschine mit Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel an Bord zur Landung<br />
frei. Um 14.40 Uhr setzte der<br />
Airbus A319 der Bundesluftwaffe auf<br />
der neuen Nordwest-Landebahn des<br />
Frankfurter Flughafens auf und eröffnete<br />
die Bahn damit offiziell. Etwa eine<br />
Stunde später begann mit der Landung<br />
eines Lufthansa-Airbus A321<br />
der reguläre Flugbetrieb auf der neuen<br />
Bahn. Mittlerweile ist die Nordwest-<br />
Landebahn seit mehr als eineinhalb<br />
Jahren in Betrieb.<br />
Bei den Bewohnern der umliegenden<br />
Kommunen gab es bereits vorher<br />
Skepsis wegen einer möglichen<br />
Zunahme des Fluglärms, nach der<br />
Inbetriebnahme der Bahn verschärfte<br />
sich der Tonfall in der öffentlichen<br />
Debatte dann nochmals. Im November<br />
2<strong>01</strong>1 rief der damalige hessische<br />
Verkehrsminister Dieter Posch deshalb<br />
die Task Force Flugwegeoptimierung<br />
ins Leben, der Vertreter aus Politik<br />
und Luftverkehrswirtschaft sowie<br />
von Kommunen und Bürgerinitiativen<br />
angehörten.<br />
„Ziel der Task Force war es in erster<br />
Linie, kurzfristige Maßnahmen zur<br />
Fluglärmminderung zu entwickeln“,<br />
sagt Andreas Völckel, im Center Langen<br />
COS (Chief of Section). Im Februar<br />
2<strong>01</strong>2 stellte die Task Force dann 20<br />
Maßnahmen in der „Allianz für Lärmschutz“<br />
dem hessischen Ministerpräsidenten<br />
Volker Bouffier vor.<br />
„Wir hatten für 2<strong>01</strong>2 das Ziel, drei<br />
Maßnahmen davon umzusetzen“, sagt<br />
Andreas Völckel, der die <strong>DFS</strong> gemeinsam<br />
mit Andre Biestmann in der Task<br />
Force vertreten hatte. „Am Ende sind<br />
es dann sogar fünf geworden.“<br />
Als erste Maßnahme hat die <strong>DFS</strong><br />
die Einführung des kontinuierlichen<br />
Sinkflugverfahrens CDO (Continuous<br />
Descent Operations) für den Flughafen<br />
Frankfurt umgesetzt – am 31. Mai<br />
ging das CDO-Verfahren in den Probebetrieb.<br />
Zuvor hatte es im Februar<br />
bereits mehrere Test-Tage gegeben.<br />
CDO bezeichnet ein Anflugverfahren,<br />
bei dem das Luftfahrzeug mit minimaler<br />
Triebwerksleistung – idealerweise<br />
im Leerlauf – sinkt und dabei Horizontalflugphasen<br />
vermeidet. Dadurch wird<br />
nicht nur Treibstoff eingespart, sondern<br />
auch der Ausstoß von CO 2 verringert.<br />
In einigen Bereichen des Flughafenumlands<br />
kann zudem mit einer<br />
Lärmreduzierung gerechnet werden.<br />
„Wann immer es möglich ist und<br />
die Verkehrslage es zulässt, wird der<br />
Lotse dem Piloten einen CDO ermöglichen“,<br />
erklärt Andreas Völckel. Derzeit<br />
liegt der Anteil der CDO-Sinkflugprofile<br />
an einzelnen Tagen bei 40 Prozent<br />
aller Anflüge. „Das ist für einen hoch<br />
frequentierten Flughafen wie Frankfurt<br />
am Main ein guter Anfang“, schätzt<br />
Andreas Nees ein, ehemals Mitglied<br />
des Programmbüros Inbetriebnahme<br />
4. Bahn, der Völckel bei allen Fragen<br />
zum Thema 4. Bahn unterstützt.<br />
Bevor das Verfahren eingeführt<br />
werden konnte, musste zunächst eine<br />
Reihe wichtiger Fragen geklärt werden:<br />
Wie soll der Sprechfunk gestaltet<br />
sein? Wann und wie wollen die Airlines<br />
die Distance-to-go übermittelt<br />
bekommen, nach der sie ihre Sinkflugrate<br />
anpassen? „Für diese Dinge war<br />
Die Nordwest-Landebahn in Frankfurt<br />
22 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
Zudem wurden die Gegenanflüge<br />
auf die Nordwest- und die Südbahn in<br />
beide Betriebsrichtungen um 1.000<br />
Fuß angehoben. Dadurch werden<br />
besonders die Gemeinden entlastet,<br />
die direkt unter dem Gegenanflug liegen.<br />
Der Gegenanflug ist der Teil des<br />
Anfluges, auf dem die Flugzeuge parallel<br />
zum Endanflug und in entgegengesetzter<br />
Flugrichtung zum Endanflug<br />
geführt werden. „Diese Maßnahme ist<br />
in eine Betriebsanweisung für die Lotsen<br />
eingeflossen, die Umsetzung ist<br />
deshalb ein Muss“, erklärt Andreas<br />
Nees.<br />
Reinhard Spors, Jens Bergold und Andreas Völckel (v. l.) setzen mit planerischem<br />
Know-how die Maßnahmen zur Fluglärmreduzierung um.<br />
viel betriebliche Expertise nötig“, sagt<br />
Andreas Völckel. „Wir haben dabei<br />
sehr eng mit den Mitarbeitern, Lotsen<br />
und den externen Partnern zusammengearbeitet.“<br />
Geplant ist, das Verfahren<br />
vom Probe- in den Regelbetrieb<br />
zu überführen.<br />
Als zweite Maßnahme erfolgte am<br />
20. September 2<strong>01</strong>2 die Verlagerung<br />
der Abflüge von drei- und viermotorigen<br />
Flugzeugen der Kategorie<br />
„Heavy“, beispielsweise der Boeing<br />
747 und des Airbus A380, von der<br />
alten Nordwest-Abflugstrecke auf die<br />
so genannte Süd-Umfliegung. Damit<br />
wurde eine Vorgabe aus dem Planfeststellungsverfahren<br />
umgesetzt, die verlangt,<br />
dass nur noch 2,4 Prozent aller<br />
Heavy-Abflüge über die alte Nordwest-<br />
Abflugroute fliegen dürfen.<br />
Bereits im Oktober des Jahres<br />
2<strong>01</strong>1 waren die kleineren und mittelgroßen<br />
Flugzeuge mit hohen Steigleistungen<br />
auf die Südumfliegung<br />
verlagert worden. Dadurch wurden<br />
die Anwohner im Main-Taunus-Kreis<br />
unmittelbar nach der Inbetriebnahme<br />
der neuen Landebahn in einer ersten<br />
Stufe bei den Abflügen entlastet.<br />
Alle zweimotorigen Luftfahrzeuge der<br />
Kategorie Heavy, wie zum Beispiel Airbus<br />
330 und Boeing 777, sollen weiterhin<br />
die herkömmlichen Nordwestabflugstrecken<br />
nutzen.<br />
Foto: Melanie Bauer<br />
Gleich drei Maßnahmen des aktiven<br />
Schallschutzes setzten die <strong>DFS</strong>-Spezialisten<br />
dann am 18. Oktober des vergangenen<br />
Jahres um. Zu ihnen gehörte<br />
das Anheben des Gleitwinkels für den<br />
Anflug auf die Nordwest-Landebahn<br />
von drei auf 3,2 Grad, wodurch sich<br />
die Flughöhen über den Städten und<br />
Gemeinden etwas erhöhten, die unter<br />
der Endanfluglinie liegen.<br />
Im Probebetrieb wird jetzt untersucht,<br />
wie sich diese Höhenveränderung<br />
auf die Schallemission auswirkt.<br />
Dafür wurde eigens ein neues Instrumentenlandesystem<br />
(ILS) am Flughafen<br />
Frankfurt installiert. „Wir hatten<br />
dabei zum Jahresende eine Nutzung<br />
von durchschnittlich 50 Prozent“,<br />
sagt Andreas Völckel. Das heißt, dass<br />
derzeit die Hälfte der ungefähr 350<br />
Flugzeuge, die täglich auf der Nordwest-Landebahn<br />
landen, mit einem<br />
Gleitwinkel von 3,2 Grad anfliegt –<br />
sowohl bei West- als auch bei Ostbetriebsrichtung<br />
der Bahn.<br />
Ebenfalls wird seit dem 18. Oktober<br />
2<strong>01</strong>2 über den Städten Mainz und<br />
Offenbach ein frühzeitiges und damit<br />
auch tieferes Eindrehen der Flugzeuge<br />
vermieden. Vorher fand dies in Flughöhen<br />
unterhalb von 4.000 Fuß (etwa<br />
1.200 Meter) statt, jetzt liegen die so<br />
genannten Eindrehfenster weiter westlich<br />
von Mainz beziehungsweise weiter<br />
östlich von Offenbach. Damit werden<br />
die betroffenen Stadtteile in Mainz und<br />
Offenbach von Fluglärm entlastet.<br />
Neben dem Thema Fluglärm müssen<br />
Völckel und seine Mitarbeiter<br />
auch eine ganze Reihe von Maßnahmen<br />
bearbeiten, welche der Kapazitätssteigerung<br />
des Flughafens dienen.<br />
„Fluglärmminderung und Kapazitätssteigerung<br />
–zwischen diesen beiden<br />
Polen bewegen wir uns, wir müssen<br />
beiden Erfordernissen Rechnung tragen“,<br />
sagt der COS. „Fraport und<br />
die Airlines erwarten von uns, dass<br />
wir die Vorgaben aus dem Planfeststellungsverfahren<br />
erfüllen.“ Und die<br />
sehen mit der 4. Bahn als Zielwert für<br />
die Zukunft 126 Flugbewegungen pro<br />
Stunde für den Flughafen vor.<br />
Etwas aber haben Völckel und Nees<br />
sowie ihre Mitarbeiter bereits erreicht:<br />
Der Blickwinkel der auf Sicherheit und<br />
Kapazität getrimmten Lotsen hat sich<br />
erweitert. „Es ist uns gelungen, den<br />
Betrieb für das Thema Fluglärm zu<br />
sensibilisieren“, sagt Andreas Völckel,<br />
der von einem Paradigmenwechsel<br />
spricht. „Da hat ein Umdenken eingesetzt.“<br />
Holger Matthies<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 23
Betrieb<br />
Kein Stau mehr<br />
an der Runway<br />
Das Verfahren Airport Collaborative Decision Making (Airport-CDM) bringt viele Vorteile für alle<br />
beteiligten Partner. Unter anderem hilft es, unnötige Triebwerkslaufzeiten und Staus an der Runway<br />
zu vermeiden. Das führt nicht nur zu einer besseren Planbarkeit der operativen Prozesse, sondern<br />
reduziert zugleich Lärm und Spritverbrauch.<br />
Bevor es Airport-CDM (Collaborative<br />
Decision-Making)<br />
gab, kam es für die Piloten<br />
darauf an, möglichst laut zu schreien.<br />
Es galt das Prinzip „First come, first<br />
served“. „Vor Airport-CDM lief es so:<br />
Wer zuerst schrie, der bekam zuerst<br />
die Freigabe zum Anlassen der Triebwerke,<br />
egal, ob er tatsächlich schon<br />
mit allem fertig war oder nicht“, sagt<br />
Erik Sinz, Referent für HUB-Kapazität<br />
im Bereich Tower und von Anfang<br />
an im Projektkernteam der <strong>DFS</strong> für<br />
das erste Airport-CDM-Verfahren in<br />
Deutschland mit dabei. „Für unsere<br />
Lotsen hatte das immer einen gewissen<br />
Überraschungseffekt.“<br />
Es konnte also passieren, dass<br />
ein Flieger an seiner Parkposition die<br />
Anlassfreigabe (Start-up Approval)<br />
bekam, dann aber erst bis zu einer<br />
Viertelstunde später die Triebwerke<br />
anließ. Das führte dazu, dass der<br />
Lotse grundsätzlich immer mehr Luftfahrzeugen<br />
die Anlassfreigabe erteilte,<br />
damit er immer eine Maschine zur<br />
Hand hatte, um die knappen Ressourcen<br />
an der Startbahn optimal ausnutzen<br />
zu können und ihm somit die Flieger<br />
an der Startbahn nicht ausgingen.<br />
Die andere Seite dieser Methode:<br />
Staus und lange Wartezeiten an der<br />
Piste, wenn plötzlich mehrere freigegebene<br />
Flugzeuge zur selben Zeit zur<br />
Startposition wollten. Die Folge davon<br />
waren unnötige Triebwerkslaufzeiten<br />
sowie – daraus resultierend – mehr<br />
Lärm und ein höherer Kerosinverbrauch,<br />
was letztlich zu Lasten der<br />
Umwelt ging.<br />
An Flughäfen mit implementiertem<br />
Airport-CDM-Verfahren gehört dieses<br />
Vorgehen heute der Vergangenheit an.<br />
Der Flughafen München war der erste<br />
europäische Flughafen, der Airport-<br />
CDM als Standardverfahren eingeführt<br />
hat: Im Juni 2007 wurde es dort vom<br />
Probe- in den Regelbetrieb überführt.<br />
Seitdem hat die CDM-Familie<br />
Zuwachs bekommen: In Deutschland<br />
gehören seit Februar 2<strong>01</strong>1 auch der<br />
Flughafen Frankfurt/Main sowie seit<br />
April 2<strong>01</strong>3 der Flughafen Düsseldorf<br />
dazu. Weitere Projekte zur Einführung<br />
von Airport-CDM laufen derzeit an den<br />
Flughäfen Berlin, Stuttgart und Hamburg.<br />
Ziel von Airport-CDM ist es, den<br />
Umdrehprozess eines Flugzeugs am<br />
Boden sowie die operative Zusammenarbeit<br />
aller daran Beteiligten schneller<br />
und transparenter zu machen. Kerngedanke<br />
ist dabei die Einführung einer<br />
Target Off-Block Time (TOBT) für jeden<br />
Flug. Die TOBT ist eine Zielzeit, an<br />
dem der Flieger seine Abfertigung am<br />
Boden beendet hat, die Flugzeugtüren<br />
geschlossen sowie die Fluggastbrücken<br />
vom Luftfahrzeug entfernt sind.<br />
Diese Zielzeit für ihre Flieger legt<br />
jede Airline selbst fest und meldet<br />
sie dem CDM-System. Das errechnet<br />
daraus automatisch einen spätesten<br />
Zeitpunkt für das Anlassen der Triebwerke,<br />
die so genannte Target Startup<br />
Approval Time (TSAT), die für alle<br />
Beteiligten transparent ist – Airlines,<br />
Flughafenbetreiber, <strong>Flugsicherung</strong>,<br />
Abfertigungsagenten, Bodenabfertigungsgesellschaften<br />
und den Network<br />
Manager, die Verkehrsflusssteuerungszentrale<br />
der europäischen<br />
<strong>Flugsicherung</strong>sorganisation EURO-<br />
CONTROL.<br />
„Wir konnten die reale<br />
Wartezeit an der Runway<br />
im ersten Jahr von durchschnittlich<br />
4:39 Minuten auf<br />
3:41 Minuten reduzieren.“<br />
War es vor Airport-CDM eine Adhoc-Entscheidung<br />
des Lotsen gewesen,<br />
welcher Maschine er wann die<br />
Freigabe erteilte, so ist dies jetzt mit<br />
der TOBT bereits 40 Minuten vor dem<br />
geplanten Ende der Abfertigung definiert.<br />
Wer fünf Minuten nach der für<br />
ihn errechneten Zeit die Triebwerke<br />
noch nicht angelassen hat, wird im<br />
System gelöscht und muss sich neu<br />
hinten anstellen. Dabei ist jede Ände-<br />
24 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
ereits bis zu drei Stunden vor dem<br />
Start an den Network-Manager übermittelt<br />
werden.<br />
Rushhour: Staus und unnötige Triebwerkslaufzeiten werden mit Airport-CDM vermieden.<br />
Das nützt auch der Umwelt. Foto: DLR<br />
rung und jede Abweichung vom Plan<br />
durch ein Tool des Systems für alle<br />
Beteiligten sofort transparent – auch<br />
dies ein Unterschied zu früher.<br />
Ein Jahr nach dem Start des Regelbetriebs<br />
in München zog Erik Sinz<br />
im Sommer 2008 ein erstes positives<br />
Fazit: „Wir konnten die reale Wartezeit<br />
an der Runway im ersten Jahr<br />
von durchschnittlich 4:39 Minuten auf<br />
3:41 Minuten reduzieren“, äußerte sich<br />
der HUB-Spezialist seinerzeit im <strong>DFS</strong>-<br />
Magazin. Der positive CDM-Trend in<br />
München hält seitdem an, wie die Auswertung<br />
der Daten für die Folgejahre<br />
belegt. Im bislang letzten Jahresbericht<br />
für 2<strong>01</strong>1 hatten sich beim Großteil<br />
der Messungen die Werte gegenüber<br />
dem Vorjahr verbessert.<br />
<strong>DFS</strong>-Spezialist Sinz freut sich<br />
besonders darüber, dass es durch<br />
Airport-CDM gelungen ist, die Wartezeit<br />
am Startbahnknopf weiter deutlich<br />
zu verringern und die ATFM Slot<br />
Adherence, die Einhaltung der vorgegebenen<br />
Abflugzeitraster (Slots), zu<br />
erhöhen. „Diese Werte sind zwei der<br />
wichtigsten Kennzahlen im Airport-<br />
CDM-Verfahren“, sagt Sinz. Die im<br />
Mai 2<strong>01</strong>1 erreichten 95 Prozent bei<br />
der Slot Adherence stellen dabei einen<br />
absoluten Spitzenwert dar.<br />
Den Grund für diesen Erfolg sieht<br />
der <strong>DFS</strong>-Spezialist im optimalen Informationsaustausch<br />
zwischen dem<br />
CDM-Flughafen und den Netzwerkverantwortlichen.<br />
„Zudem können die<br />
lokalen Partner am Flughafen durch<br />
den für alle transparenten Datenfluss<br />
besser planen“, sagt Sinz. Dadurch<br />
könne man die für den jeweiligen Flug<br />
am Flughafen herrschenden konkreten<br />
Bedingungen wie zum Beispiel variable<br />
Rollzeiten, Kapazitätseinschränkungen<br />
oder mögliche Enteisungen<br />
von Flugzeugen wesentlich genauer<br />
und aktueller erfassen.<br />
Der automatisierte Datenaustausch<br />
der CDM-Flughäfen mit dem<br />
EUROCONTROL Network Manager in<br />
Brüssel, der europaweit die Abflugzeitraster<br />
(Slots) verteilt, ermöglicht<br />
auch eine bessere Sektorauslastung:<br />
Früher erhielt die Verkehrsflusssteuerungszentrale<br />
in Brüssel den Flugplan<br />
und als nächste Information dann die<br />
Startzeit, nachdem der Flieger abgehoben<br />
hatte. Mit Airport-CDM können<br />
die errechnete Startzeit vor Ort und<br />
mögliche Abweichungen davon nun<br />
Das ermöglicht eine exaktere Vorhersage<br />
des Verkehrs in den betroffenen<br />
Sektoren. Mit anderen Worten:<br />
Die Zentrale in Brüssel erhält eher<br />
Bescheid, ob ein Flieger in München<br />
oder Frankfurt/Main möglicherweise<br />
früher oder später abhebt und kann<br />
dies bei der Slot-Berechnung und bei<br />
nötigen Anpassungen berücksichtigen.<br />
An den Airports erhofft man sich<br />
davon eine effizientere Abwicklung<br />
von Flügen mit Abflugzeitraster. Je<br />
mehr Flughäfen Airport-CDM einführen,<br />
desto dichter wird dieses europaweite<br />
Netzwerk – und desto besser<br />
können ineffiziente und unplanmäßige<br />
Flugverläufe vermieden werden.<br />
„Je mehr Flughäfen<br />
Airport-CDM einführen,<br />
desto besser.“<br />
„Das Airport-CDM-Verfahren hat<br />
sich in der Praxis bewährt“, zieht<br />
Carl Seifert, Leiter des Towers München,<br />
sechs Jahre nach dem Start<br />
des CDM-Verfahrens in München<br />
Bilanz. „Der Datenaustausch vor Ort<br />
und im europaweiten <strong>Flugsicherung</strong>snetzwerk<br />
läuft technisch stabil und<br />
erzeugt qualitativ hochwertige Planungsgrundlagen.“<br />
Statt „First come,<br />
first served“ wie früher heißt es heute<br />
mit Airport-CDM „best planned, best<br />
served“. Davon profitieren alle Beteiligten.<br />
Nicht zuletzt auch die Umwelt.<br />
Holger Matthies<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 25
Betrieb<br />
Mehr Kürzungen bitte!<br />
Die <strong>DFS</strong> hat ihr Angebot sogenannter „Direct Routes“ im März 2<strong>01</strong>3 erneut erweitert. Mehrere<br />
hundert dieser „Kurzstrecken“ gibt es derweil. Fluggesellschaften können auf diese Weise Millionen<br />
Flugmeilen einsparen – und der <strong>DFS</strong> gehen die Ideen nicht aus, wie die Situation weiter verbessert<br />
werden kann.<br />
Es war eine Erfolgsmeldung<br />
der <strong>DFS</strong>: Im Juni 2<strong>01</strong>1 wurden<br />
im Luftraum der Kontrollzentrale<br />
Karlsruhe 35 neue „Direct<br />
Routes“ eingeführt, die direkte Verbindungen<br />
und damit kürzere Wege von A<br />
nach B anboten. Das Programm „Free<br />
Route Airspace Karlsruhe“ (FRAK) –<br />
aufgelegt mit dem Ziel, die Umweltbilanz<br />
des Unternehmens zu verbessern<br />
– hatte seinen ersten Schritt<br />
gemacht. Im Juni 2<strong>01</strong>3, also nur zwei<br />
Jahre später, können die Fluggesellschaften<br />
aus 250 Strecken wählen.<br />
Die Möglichkeiten, direkt zu fliegen,<br />
sind zudem nicht mehr auf das Kontrollgebiet<br />
der Karlsruher beschränkt.<br />
Das Projekt „FRAMaK“ verknüpft<br />
Maastrichter und Karlsruher „Directs“,<br />
bringt die Anforderungen der Kunden,<br />
der Flugsicherer und der Umwelt unter<br />
einen Hut und generiert ein Angebot<br />
von insgesamt 700 Direct Routes.<br />
Im Streckennetz eines hoch komplexen<br />
Luftraums gehören Umwege<br />
dazu, um hoch frequentierte Bereiche<br />
zu entlasten. Manchmal können<br />
Flüge jedoch abgekürzt werden. Über<br />
Funk fragt der Pilot beim Lotsen nach<br />
einem „Direct“ und erhält im günstigsten<br />
Fall eine Freigabe für einen umwegfreien<br />
Flug über eine längere Distanz<br />
– unabhängig von der ursprünglich<br />
geplanten Strecke. Diese sogenannten<br />
„taktischen Directs“ gelingen vor<br />
allem nachts und am Wochenende,<br />
haben jedoch einen Nachteil: Der<br />
Treibstoff, der für die längere Strecke<br />
geplant war, wird nicht mehr benötigt<br />
und fliegt als – im wahrsten Sinne des<br />
Wortes – überflüssiges Gewicht mit.<br />
Bereits in einer für das Jahr 2<strong>01</strong>1<br />
erstellten Prognose zeigte sich das<br />
Potenzial, das sich hinter (planbaren)<br />
Direct Routes verbirgt: Bereits vor<br />
Beginn von FRAMaK wurde ein Einsparpotenzial<br />
von jährlich etwa vier<br />
Millionen Flugmeilen berechnet. Das<br />
entspricht 40.000 Tonnen weniger<br />
CO 2 in der Atmosphäre – pro Jahr. Die<br />
bisherigen Erfahrungen zeigen, dass<br />
dieses Ziel nicht zu hoch gesteckt<br />
war: Die Direct-Routen werden intensiv<br />
genutzt, die Fluggesellschaften finden<br />
bei dem großen Angebot meist<br />
etwas, das auf ihre Bedürfnisse passt.<br />
Je länger die Direct Routes<br />
sind, desto größer ist<br />
der Nutzen für Kunde und<br />
Umwelt.<br />
Neben der Streckenlänge werden<br />
bei der Flugplanung typischerweise<br />
auch Windverhältnisse, Zeitvorgaben,<br />
Überfluggebühren und die angebotenen<br />
Flughöhen berücksichtigt. Viele<br />
der Direct Routes leisten einen Beitrag<br />
dazu, einen Flug kosteneffizient<br />
durchzuführen. Aufgrund der Vielzahl<br />
der verfügbaren Alternativen können<br />
zudem überfüllte Lufträume umflogen<br />
und damit Verspätungen vermieden<br />
werden. Auch dem Umweltschutz<br />
dienen kürzere Strecken – in manchen<br />
Fällen können jedoch auch Umwege<br />
attraktiv sein: Wenn niedrigere <strong>Flugsicherung</strong>sgebühren<br />
den höheren Treibstoffverbrauch<br />
ausgleichen, nehmen<br />
die Airlines häufig auch längere Flugrouten<br />
in Kauf.<br />
Die <strong>DFS</strong> hat auf dieses komplexe<br />
Anforderungsprofil reagiert. „Wir<br />
haben für die Entwicklung von Direct-<br />
Routen nicht mehr nur die Statistik<br />
zugrunde gelegt, sondern sind mit<br />
den Fluggesellschaften in den Dialog<br />
getreten“, sagt Jürgen Regner, zuständiger<br />
Verfahrens-Referent im Center<br />
Karlsruhe. „So haben wir Streckenprofile<br />
entwickelt, die vom Tag ihrer<br />
Einführung an angenommen wurden.“<br />
Auf diese Weise hilft die <strong>DFS</strong> den Airlines,<br />
ihre Kosten zu senken und einen<br />
Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.<br />
Inzwischen geht der Ansatz über<br />
das Center Karlsruhe hinaus, denn je<br />
länger die Direct Routes sind, desto<br />
größer ist der Nutzen für Kunde und<br />
Umwelt. So haben die <strong>DFS</strong>, EUROCON-<br />
TROL und die <strong>Deutsche</strong> Lufthansa im<br />
Juni 2<strong>01</strong>2 mit der Arbeit am Projekt<br />
„Free Route Airspace Maastricht and<br />
Karlsruhe“ (FRAMaK) begonnen. Ein<br />
zentraler Punkt dabei sind Cross-border<br />
Directs, welche über die Luftraumgrenzen<br />
der Center Maastricht und<br />
Karlsruhe hinweg verlaufen und somit<br />
über noch größere Distanzen direkte<br />
Routensegmente ermöglichen. Der<br />
nächste Schritt sieht die Erweiterung<br />
von FRAMaK auf den Functional Airspace<br />
Block Europe Central (FABEC)<br />
26 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
vor. Die FABEC-Partner Frankreich<br />
und Schweiz beginnen derzeit mit der<br />
Implementierung von Direct-Routen,<br />
die dann mit den in FRAMaK geschaffenen<br />
Direct-Routen verknüpft werden.<br />
Das Konzept grenzüberschreitender<br />
„Cross-border“ Directs bleibt<br />
außerhalb des FABEC nicht unbemerkt:<br />
Auch in den Nachbarländern<br />
bemühen sich die jeweiligen <strong>Flugsicherung</strong>en,<br />
ihre eigenen Verkehrswege<br />
attraktiver zu gestalten – und investieren<br />
in die Entwicklung von Direct Routes<br />
in ihren Lufträumen. Das Ziel, im<br />
FABEC-Luftraum die Wirtschaftlichkeit<br />
und Umweltfreundlichkeit des Luftverkehrs<br />
zu erhöhen, hat dessen Grenzen<br />
schon weit überschritten.<br />
„Attraktive Directs halten Verkehr<br />
in unserem Luftraum“, erläutert Jürgen<br />
Regner den Vorteil für die <strong>DFS</strong>.<br />
„Und unsere Kunden sind zufrieden,<br />
dass sie Angebote erhalten, die auf<br />
ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind.“<br />
Gemeinsam mit der <strong>Deutsche</strong>n Lufthansa<br />
wird die <strong>DFS</strong> einen FRAMaK-<br />
Feldversuch starten: Vom Sommer<br />
2<strong>01</strong>3 an will sie auf sechs Städteverbindungen<br />
sogenannte ‚User preferred<br />
Routes‘ erproben, bei denen die Airline<br />
die Flugroute nahezu ohne Vorgaben<br />
planen kann. In einem sehr komplexen<br />
Luftraum wie dem deutschen<br />
geht dieser Versuch an die Grenzen<br />
des Machbaren. Ziel ist es, Erfahrungen<br />
zu sammeln und abzuschätzen,<br />
welches Potenzial solche vom Benutzer<br />
festgelegten Routen haben. Dabei<br />
wird aber nicht jeder Wunsch zu erfüllen<br />
sein. „Das vorhandene Routennetz<br />
ist die Bedingung für die sichere<br />
und flüssige Abwicklung der üblichen<br />
Verkehrsmengen“, sagt Regner. „Kundenwünsche<br />
nach ‚Abkürzungen‘ oder<br />
individuellen Flugrouten müssen sich<br />
diesem Ziel unterordnen.“<br />
Kundenzufriedenheit kann auch<br />
durch mehr Service erreicht werden:<br />
Die Kontrollzentrale Maastricht stellt<br />
den Airlines monatliche Nutzungsberichte<br />
zur Verfügung, die darüber<br />
informieren, welche Einsparungen<br />
erzielt wurden und welche Direct Routes<br />
zusätzlich hätten genutzt werden<br />
können. Auch Karlsruhe will seinen<br />
Kunden künftig entsprechende Auswertungen<br />
anbieten.<br />
Trotzdem hat die <strong>DFS</strong> weitere<br />
Reserven im oberen Luftraum. Im<br />
Dezember 2<strong>01</strong>2 wurde das Karlsruher<br />
Zuständigkeitsgebiet um die südlichen<br />
Sektoren über Süddeutschland<br />
und Österreich erweitert, die bislang<br />
von München aus kontrolliert wurden.<br />
Im März 2<strong>01</strong>3 konnten hier 35, im Mai<br />
2<strong>01</strong>3 noch einmal 25 neue Direct Routes<br />
eingeführt werden. Weiterhin kann<br />
mindestens zweimal jährlich mit neuen<br />
Direct Routes gerechnet werden.<br />
Dabei steht die Sicherheit selbstverständlich<br />
an erster Stelle: Neue DCT-<br />
Routen werden immer schrittweise<br />
eingeführt, um dem System Zeit für<br />
die Anpassung zu geben.<br />
Ein unerwarteter Nebeneffekt<br />
stellte sich bei einer großen europäischen<br />
Airline ein: Durch die Nutzung<br />
einer Direct-Route sank die Flugdauer<br />
unter den entsprechenden Grenzwert;<br />
der Flug, für den bislang eine dreiköpfige<br />
Cockpitcrew erforderlich war,<br />
kann fortan mit nur zwei Personen im<br />
Cockpit durchgeführt werden.<br />
Für die Umwelt zählt jedoch letztlich<br />
die Menge des verbrauchten Kerosins<br />
– und diese ist durch die Anstrengungen<br />
der <strong>DFS</strong> und ihrer Partner in<br />
den vergangenen zwei Jahren bereits<br />
erheblich gesenkt worden.<br />
Boris Pfetzing<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 27
Interview<br />
„Ob Schall negativ<br />
bewertet wird, hängt<br />
von vielen Faktoren ab“<br />
Wie wirkt Fluglärm? An den Flughäfen Frankfurt, Berlin, Köln/Bonn und Stuttgart wird diese Frage<br />
so umfassend untersucht wie nie zuvor in Europa. Prof. Dr. Rainer Guski, Umweltpsychologe an der<br />
Ruhr-Universität Bochum, leitet die Studie mit dem Titel „Noise Related Cognition and Health“, kurz<br />
NORAH. transmission sprach mit ihm über Schallpegel, Krankheitsrisiken – und darüber, warum<br />
Lautstärke allein nicht ausreicht, damit Lärm entsteht.<br />
In Frankfurt haben Sie mit der<br />
NORAH-Studie die Möglichkeit, die<br />
Lärmbelastung vor dem Ausbau mit<br />
der Belastung nach dem Ausbau zu<br />
vergleichen. Für einen Lärmforscher<br />
ist das ein Glücksfall, oder?<br />
PROF. RAINER GUSKI: In der Psychologie<br />
ist es ja durchaus üblich,<br />
in ein und derselben Untersuchungsgruppe<br />
Vorher und Nachher zu vergleichen.<br />
Dass sich beim Thema Fluglärm<br />
einmal die Chance dazu bietet,<br />
ist aber tatsächlich ein Glücksfall.<br />
NORAH ist die erste Fluglärmstudie<br />
in Deutschland, in der eine solche<br />
Änderungssituation tatsächlich einmal<br />
untersucht wird. Mein Verdacht<br />
ist: Ein Änderungsflughafen ist für die<br />
Zeit, in der sich etwas ändert, für die<br />
Betroffenen eine viel größere Belastung<br />
als ein Bestandsflughafen.<br />
Warum?<br />
GUSKI: Allein die Befürchtung, dass<br />
es lauter wird, ist eine enorme Belastung.<br />
So gesehen leben die Anwohner<br />
in Frankfurt schon seit Jahren in<br />
einer Ausnahmesituation, nicht erst<br />
seit Eröffnung der neuen Landebahn.<br />
Bei Bestandsflughäfen wird es<br />
„Ein Änderungsflughafen<br />
ist eine größere Belastung<br />
als ein Bestandsflughafen.“<br />
zwar auch lauter, wenn der Verkehr<br />
zunimmt, aber da ist die Veränderung<br />
ganz allmählich und kaum wahrnehmbar.<br />
Bei einem Ausbauflughafen dagegen<br />
steigt die Belastung sprunghaft<br />
an – und diesen Anstieg vergleichen<br />
die Betroffenen mit der Situation vorher.<br />
Wie laut es tatsächlich ist, spielt<br />
dabei gar nicht die entscheidende<br />
Rolle, das kann sowieso niemand<br />
genau hören. Die Betroffenen nehmen<br />
aber sehr genau wahr, dass es<br />
lauter ist als zuvor. Außerdem spielen<br />
psychologische Faktoren eine wichtige<br />
Rolle. Wenn die Menschen das Gefühl<br />
haben, dass man sie ernst nimmt,<br />
dass man ihnen die Wahrheit sagt,<br />
dass man sich darum bemüht, dass<br />
es leiser wird – dann nehmen sie auch<br />
den Lärm als weniger belastend wahr.<br />
Bei der Belästigungsstudie des Regionalen<br />
Dialogforums 2005 hat sich ja<br />
bereits herausgestellt, dass in Frankfurt<br />
das Vertrauen der Betroffenen in<br />
den Staat, in den Flughafenbetreiber<br />
und in die Justiz äußerst gering geworden<br />
ist. Da ist einiges schiefgelaufen.<br />
Der Lärm findet also im Kopf statt?<br />
GUSKI: Ja, da ist die Definition<br />
von Lärm: Lärm ist negativ bewerteter<br />
Schall. Ein Rockkonzert ist ja<br />
auch laut, aber wenn man die Musik<br />
mag, setzt man sich dem Krach gerne<br />
aus. Bewertet man die Quelle dagegen<br />
negativ, fühlt man sich durch<br />
den Lärm belästigt. Ob ein Schallereignis<br />
als belästigend bewertet wird<br />
oder nicht, hängt von vielen Faktoren<br />
ab. Wir können die Lärmbelästigung<br />
noch nicht hundertprozentig erklären.<br />
28 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
Aber unter den bekannten Einflüssen<br />
erklären akustische Faktoren, zum Beispiel<br />
die Höhe des Schallpegels, die<br />
wahrgenommene Belästigung etwa<br />
zur Hälfte. Die andere Hälfte machen<br />
psychologische Faktoren aus, also<br />
zum Beispiel die persönliche Lärmempfindlichkeit<br />
oder die Bewertung<br />
der Quelle. Kurz gesagt: Schall löst<br />
bei jedem Menschen Reaktionen aus,<br />
körperliche wie mentale. Wie stark<br />
diese Reaktionen sind, hängt sowohl<br />
von der Häufigkeit und Intensität des<br />
Lärms ab als auch von individuellen<br />
und sozialen Eigenschaften, Erfahrungen<br />
und Erwartungen. Und es kommt<br />
darauf an, ob die Betroffenen eine<br />
Möglichkeit haben, sich zu schützen<br />
oder einen Ausgleich zu finden, etwa<br />
durch längere Phasen der Ruhe.<br />
Wie reagiert der Körper auf Fluglärm?<br />
GUSKI: Aus Studien wissen wir,<br />
dass Fluglärm das Schlafverhalten<br />
beeinflusst und zu Aufwachreaktionen<br />
führen kann. Es ist auch nachgewiesen,<br />
dass Lärm auf lange Sicht zu<br />
einer Erhöhung des Blutdrucks führt<br />
und das Risiko von Herz- und Gefäßerkrankungen<br />
erhöht. Fluglärm kann<br />
also krank machen – das ist wissenschaftlich<br />
gesichert. Die Wissenschaft<br />
weiß aber nur sehr wenig darüber, wie<br />
genau dieser Zusammenhang aussieht.<br />
Welche Rolle spielen die Höhe<br />
des Schallpegels und die Häufigkeit<br />
und Dauer der Belastung? Können einzelne<br />
Belastungen kompensiert werden,<br />
wenn zwischen den Lärmereignissen<br />
ausreichend große Ruhephasen<br />
liegen? Über diese Zusammenhänge<br />
ist nur wenig bekannt. Das gilt auch<br />
für die Frage, ob der energieäquivalente<br />
Dauerschallpegel tatsächlich ein<br />
gutes Maß ist, Lärm zu beschreiben.<br />
Beim energieäquivalenten Dauerschallpegel,<br />
kurz L EQ , wird aus Dauer,<br />
Häufigkeit und Intensität die mittlere<br />
energetische Schallbelastung berechnet.<br />
Ist dieses Maß nicht Standard?<br />
GUSKI: Der L EQ ist ein Kompromiss,<br />
auf den man sich geeinigt hat.<br />
Mit dem wahrgenommenen Lärm hat<br />
er aber nichts zu tun: Der L EQ ist ein<br />
Rechenmaß, um die physikalische<br />
Energie des Schalls zu beschreiben<br />
– wohl wissend, dass wir Energie als<br />
solche gar nicht hören können. Die<br />
Betroffenen nehmen ja keinen rechnerischen<br />
Mittelwert wahr, sondern einzelne<br />
Flugzeuge, sobald diese einen<br />
bestimmten Pegel überschreiten.<br />
Die Schlafforscher sagen das schon<br />
lange: Für die konkrete Aufwachreaktion<br />
in der Nacht ist der L EQ völlig<br />
uninteressant. Entscheidend ist der<br />
Maximalpegel: Die Lautstärke jedes<br />
einzelnen Flugzeugs in der Nacht<br />
bestimmt die individuelle Aufwachreaktion<br />
in dieser Nacht, nicht der Mittelwert.<br />
Es gibt etliche Wissenschaftler,<br />
die die Zahl der Lärmereignisse über<br />
einem bestimmten Schwellenwert für<br />
die viel geeignetere Größe halten. Wir<br />
untersuchen bei NORAH beides, den<br />
Dauerschallpegel ebenso wie die Maximalpegelverteilung<br />
pro Stunde. So<br />
können wir sehen, was die gesundheitlich<br />
relevantere Größe ist.<br />
Was untersuchen Sie bei NORAH<br />
genau?<br />
„Bislang wird jede Lärm-<br />
art für sich betrachtet.<br />
Wir wollen untersuchen,<br />
wie sich die Wirkungen<br />
von Straßen-, Schienen-<br />
und Fluglärm addieren.“<br />
GUSKI: NORAH ist eine sehr breit<br />
angelegte Studie mit einem sehr großen<br />
Untersuchungsgebiet. Das liegt<br />
daran, dass wir den Pegelwert, ab<br />
dem wir Fluglärmwirkungen untersuchen<br />
möchten, bewusst sehr niedrig<br />
angesetzt haben – bei 40 Dezibel.<br />
Ausgehend von den Flugspuren, die<br />
uns die <strong>DFS</strong> zur Verfügung gestellt<br />
hat, haben wir berechnet, in welchen<br />
Gegenden rund um den Frankfurter<br />
Flughafen tags oder nachts ein äquivalenter<br />
Dauerschallpegel von mindestens<br />
40 Dezibel herrscht. Messen<br />
kann man das nicht, denn durch<br />
den Straßenlärm gibt es innerhalb<br />
einer Stadt fast nirgendwo mehr eine<br />
Gegend mit einem Dauerschallpegel<br />
von weniger als 40 Dezibel. Wir nutzen<br />
aber die Werte der Fluglärm-Messstationen,<br />
um unsere berechneten Werte<br />
abzugleichen. Darüber hinaus betrachten<br />
wir noch den Straßen- und Schienenlärm,<br />
der wird ebenfalls berechnet.<br />
Bei den Grenzwerten wird bislang jede<br />
Lärmart für sich allein betrachtet. Wir<br />
möchten untersuchen, ob sich die Wirkungen<br />
von Straßen-, Schienen- und<br />
Fluglärm möglicherweise addieren.<br />
Wie gehen sie vor?<br />
GUSKI: NORAH besteht aus drei<br />
Modulen. Im ersten Modul, wir nennen<br />
es das Basismodul, geht es um<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 29
Interview<br />
„Für die konkrete Aufwachreaktion<br />
in der<br />
Nacht ist der Dauerschallpegel<br />
völlig uninteressant.<br />
Entscheidend ist<br />
der Maximalpegel.“<br />
die Frage der Lebensqualität und<br />
der Belästigung durch die verschiedenen<br />
Verkehrslärmarten. Im Rhein-<br />
Main-Gebiet haben wir dazu mehr als<br />
9.000 Menschen innerhalb des Untersuchungsgebiets<br />
telefonisch befragt,<br />
und zwar in mehreren Wellen: 2<strong>01</strong>1,<br />
also vor Eröffnung der neuen Landebahn,<br />
2<strong>01</strong>2 und 2<strong>01</strong>3. Diese Umfrage<br />
beschränkt sich aber nicht nur auf<br />
Frankfurt: Mit dem gleichen Instrument<br />
wurden auch die Anwohner am neuen<br />
Berliner Hauptstadtflughafen befragt,<br />
dem zweiten Veränderungsflughafen<br />
in der Studie. Zum Vergleich untersuchen<br />
wir auch noch die Bestandsflughäfen<br />
Stuttgart und Köln/Bonn. Hier<br />
hat die Befragung aber noch nicht<br />
stattgefunden, da müssen die Datenschützer<br />
noch zustimmen.<br />
Und die anderen beiden Module?<br />
GUSKI: Im Modul zwei geht es um<br />
den Zusammenhang zwischen Fluglärm<br />
und Krankheit. Dies wird auf verschiedene<br />
Weise untersucht. Zum<br />
einen werten wir die Daten von rund<br />
1,5 Millionen Versicherten aus, die<br />
uns die Krankenkassen zur Verfügung<br />
stellen. Dabei geht es um Krankheiten,<br />
die mit Lärm in Verbindung gebracht<br />
werden – Herzinfarkte, Schlaganfälle,<br />
Brustkrebs oder Depression. Wir interessieren<br />
uns für die Neuerkrankungen<br />
in den Jahren 1997 bis 2<strong>01</strong>0.<br />
Diese Daten werden – natürlich anonymisiert<br />
– in Bezug zur Lärmbelastung<br />
gesetzt. Nach meinem Wissen<br />
gibt es bislang eine einzige Studie,<br />
die so etwas gemacht hat, und zwar<br />
in der Schweiz. Wir sind sogar noch<br />
ein bisschen genauer als die Schweizer,<br />
weil wir auch Umzüge innerhalb<br />
dieser 14-Jahres-Spanne berücksichtigen.<br />
Zusätzlich machen wir eine so<br />
genannte Fallkontrollstudie. Wir bitten<br />
die Krankenkassen, denjenigen Versicherten,<br />
die neu erkranken, einen<br />
Fragebogen zuzuschicken. Auf diese<br />
Weise können wir Faktoren erfassen,<br />
die nach Ansicht der Mediziner ebenfalls<br />
einen Einfluss auf die Erkrankung<br />
haben könnten – beispielsweise Bewegung,<br />
Ernährung oder Rauchverhalten.<br />
Warum diese zusätzliche Untersuchung?<br />
GUSKI: Wenn man diese Variablen<br />
kontrolliert, kann man den Einfluss des<br />
Fluglärms sehr viel genauer bestimmen.<br />
Das sind dann sehr harte Daten;<br />
so intensiv wie bei NORAH ist das in<br />
Europa noch nie gemacht worden.<br />
Zusätzlich wird in dem zweiten Modul<br />
der Zusammenhang zwischen Lärm<br />
und Blutdruck untersucht – und zwar<br />
im Abstand von einem Jahr, jeweils<br />
über eine Zeitspanne von 14 Tagen.<br />
Das ist ein wichtiges Bindeglied. Eine<br />
Veränderung des Blutdrucks könnte<br />
also ein Frühindikator für eine spätere<br />
Erkrankung sein. Letzter Baustein in<br />
diesem Modul ist eine Schlafstudie.<br />
Wie läuft so eine Schlafstudie ab?<br />
GUSKI: Die Untersuchung erfolgt<br />
bei den Probanden vor Ort. Dabei<br />
werden die Hirnströme untersucht,<br />
außerdem EKG- und Bewegungsdaten<br />
gesammelt – das Ganze ist also sehr<br />
aufwendig. An der Kern-Untersuchung<br />
haben zunächst 40 Flughafen-Anwohner<br />
teilgenommen. Später kamen<br />
noch einmal knapp 50 Personen hinzu.<br />
Mit der Einführung des Nachtflugverbots<br />
wurde nämlich diskutiert, welche<br />
Rolle es spielt, wenn der Verkehr von<br />
der Nacht in die Randstunden am Morgen<br />
und am Abend verschoben wird.<br />
Gerade morgens zwischen 5 und 6<br />
Uhr ist das kritisch, denn da schläft<br />
man flacher, die Aufwachwahrscheinlichkeit<br />
steigt also. Umgekehrt weiß<br />
man, dass statistisch gesehen um 23<br />
Uhr etwa die Hälfte der Bevölkerung<br />
bereits im Bett liegt und schläft – oder<br />
es zumindest versucht. Deshalb wurde<br />
entschieden, die Randstundenproblematik<br />
gesondert zu untersuchen. Als<br />
das Design der NORAH-Studie festgelegt<br />
wurde, war ein Nachtflugverbot ja<br />
noch nicht absehbar.<br />
Und worum geht es in dem dritten<br />
Modul?<br />
GUSKI: In Modul drei wollen wir<br />
untersuchen, ob Lärm eventuell die<br />
kognitive Entwicklung von Kindern<br />
behindert. Wir haben an insgesamt<br />
1.249 Kindern in 29 Schulklassen<br />
innerhalb unseres Untersuchungsgebiets<br />
getestet, wie gut sich die Kinder<br />
Dinge merken können und wie sie bei<br />
Sprachtests abschneiden. Die Tests<br />
erfolgten sozusagen unter Laborbedingungen,<br />
der Umgebungslärm<br />
wurde mit Hilfe von Kopfhörern ausgeblendet.<br />
Nun warten wir noch auf<br />
die akustischen Daten, um die Ergeb-<br />
30 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
nisse damit in Verbindung setzen zu<br />
können. Ich vermute aber, dass der<br />
Effekt nicht sehr groß sein wird. Das<br />
Problem ist, dass der soziale Status<br />
und das Bildungsniveau der Eltern<br />
einen enormen Einfluss haben. Wir<br />
haben deshalb bewusst darauf geachtet,<br />
dass die hoch belasteten Schulen,<br />
die wir untersuchen, nicht alle in sozial<br />
schwächeren Gebieten liegen. Außerdem<br />
versuchen wir, durch Befragung<br />
der Lehrer und der Eltern diese Variable<br />
zu kontrollieren. Sozialer Status<br />
ist ein riesiger moderierender Faktor.<br />
Wenn man den konstant hält, bleibt<br />
für die Wirkung des Lärms nicht viel<br />
übrig.<br />
Wann werden Sie die Ergebnisse<br />
präsentieren können?<br />
GUSKI: Ende 2<strong>01</strong>4 soll die Auswertung<br />
beendet sein. Dann geht der<br />
Bericht durch die Qualitätssicherung.<br />
Spätestens im März 2<strong>01</strong>5 sollte er<br />
dann vorliegen.<br />
Also vielleicht noch vor dem Flughafen<br />
Berlin Brandenburg, den Sie ja<br />
eigentlich mit untersuchen wollten…<br />
GUSKI: Ja, Berlin können wir wohl<br />
weitgehend vergessen. Wir können<br />
mit der Studie ja nicht warten, bis der<br />
Flughafen eröffnet ist. Um doch noch<br />
zu Ergebnissen zu kommen, müssten<br />
wir die Befragung in Berlin eigentlich<br />
wiederholen, wenn der Flughafen<br />
in Betrieb ist. Es hat sich aber noch<br />
niemand gefunden, der das bezahlen<br />
würde. Der Berliner Senat, das<br />
Umweltbundesamt, das Bundesverkehrsministerium,<br />
das Umweltministerium<br />
– bislang haben alle abgewinkt.<br />
Das ist sehr schade.<br />
Gibt es noch etwas, was bei NORAH<br />
nicht so geklappt hat wie geplant?<br />
GUSKI: Eigentlich hatten wir uns<br />
vorgenommen, auch etwas über den<br />
Erfolg der Lärmschutzmaßnahmen in<br />
Frankfurt sagen zu können. Ich fürchte<br />
nur: Da ist in den vergangenen Monaten<br />
so viel passiert, dass es nicht<br />
möglich sein wird, Konkretes über<br />
einzelne Maßnahmen zu sagen. Wir<br />
können vielleicht noch eine Aussage<br />
machen über den Erfolg der Nachtflugbeschränkung.<br />
Aber sonst hat sich<br />
seit Anfang 2<strong>01</strong>1 einfach zu viel geändert.<br />
Die neuen Flugrouten, die Eröffnung<br />
der Bahn, steilere Anflüge – das<br />
sind zu viele Faktoren, als dass man<br />
dazu eine Aussage machen könnte.<br />
Wir können unsere 9.000 Probanden<br />
ja nicht jeden Monat befragen.<br />
Die NORAH-Studie wurde vom Land<br />
Hessen beauftragt. Es übernimmt mit<br />
7,3 Millionen Euro den Großteil der<br />
Finanzierung, Fraport beteiligt sich<br />
mit einer Million. Können Sie da wirklich<br />
unabhängig forschen?<br />
GUSKI: Ja. Wir haben einen Vertrag<br />
mit der Umwelt- und Nachbarschaftshaus<br />
<strong>GmbH</strong> Kelsterbach geschlossen,<br />
einer hundertprozentigen Tochter des<br />
Landes Hessen. Darin ist festgeschrieben,<br />
was wir machen wollen, und das<br />
machen wir nun auch. Wir können<br />
natürlich nicht tun und lassen, was wir<br />
wollen – aber im Rahmen dieser Vereinbarung<br />
sind wir vollkommen unabhängig.<br />
Für die Wissenschaft ist das<br />
ein Glücksfall. Ich habe schon vor<br />
zwölf Jahren bei der <strong>Deutsche</strong>n Forschungsgemeinschaft<br />
eine solche Studie<br />
beantragt, und zwar für Berlin.<br />
Daraus wurde nichts, denen war das<br />
einfach zu teuer. Jetzt haben wir die<br />
Chance, etwas zu tun, was es bislang<br />
in Europa noch nicht gegeben hat.<br />
Natürlich kenne ich den Vorwurf, dass<br />
das Land Hessen diese Studie nur als<br />
Alibi in Auftrag gegeben hat. Es wird<br />
spannend werden zu sehen, welche<br />
Konsequenzen aus unseren Ergebnissen<br />
gezogen werden. Ich kann nur<br />
sagen: Wir als Wissenschaftler versuchen<br />
mit dieser Studie, den Verantwortlichen<br />
eine Hilfestellung zu geben,<br />
wie man es in Zukunft besser machen<br />
kann.<br />
Das Thema Lärm beschäftigt Prof.<br />
Dr. Rainer Guski seit mehr als 40<br />
Jahren. Der Psychologe ist an der<br />
Ruhr-Universität Bochum tätig, wo<br />
er die Arbeitsgruppe Umwelt- und<br />
Kognitionspsychologie leitet und<br />
an Projekten zur Lärm- und Wahrnehmungsforschung<br />
arbeitet. Von<br />
1992 bis 2000 war er Vorsitzender<br />
des <strong>Deutsche</strong>n Arbeitsrings für<br />
Lärmbekämpfung. Aktuell leitet er<br />
die Studie NORAH, die die Wirkung<br />
des Fluglärms am Frankfurter Flughafen<br />
untersucht. In seiner Freizeit<br />
beschäftigt er sich mit Architekturfotografie<br />
und macht Musik.<br />
Die Fragen stellte<br />
Christopher Belz<br />
Fotos: Marion Nelle<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 31
Technik<br />
Mit Vogelschutzzaun und<br />
„Klappenballett“<br />
Die <strong>DFS</strong> zählt zu ihren Liegenschaften etwa 500 Gebäude. Sie alle verbrauchen beträchtliche Energiemengen<br />
und Ressourcen. Angesichts der zunehmenden Dringlichkeit des Umweltschutzes sowie<br />
steigender Energiekosten spielen ökologische Aspekte deshalb im Bereich der Bauprojekte eine<br />
immer größere Rolle. Beispielhaft stehen dafür der neue Kontrollraum in München und die Sanierung<br />
des Systemhauses in Langen.<br />
Das Gebäude strahlt weiß,<br />
seine Architektur wirkt<br />
selbstbewusst, fast majestätisch<br />
und es steht in Bayern. Die Rede<br />
ist nicht von einem der Märchenschlösser<br />
Ludwig II., sondern es geht um ein<br />
Funktionsgebäude der <strong>DFS</strong> am Flughafen<br />
München. Das hochmoderne Bauwerk<br />
stellt einen Meilenstein dar: Mit<br />
dem Anbau an die bestehende Kontrollzentrale<br />
schafft die <strong>DFS</strong> den Raum,<br />
den sie für ein neues <strong>Flugsicherung</strong>ssystem<br />
sowie zusätzliche Lotsenarbeitsplätze<br />
benötigt. Der neue Kontrollraum<br />
soll später einmal bis zu 100<br />
Fluglotsenarbeitsplätze aufnehmen.<br />
Bis zum Ende 2<strong>01</strong>3 wollen Projektleiterin<br />
Andrea Strelkow und ihr Team<br />
das Gebäude an die Nutzer übergeben,<br />
mit der Planung und dem bisherigen<br />
Bauverlauf zeigt sich die Projektleiterin<br />
sehr zufrieden: „Die <strong>DFS</strong> erhält mit<br />
dem Anbau am Center München ein<br />
neues Signet. Durch die klare Kubatur<br />
und die markante Fassade präsentiert<br />
sich das Gebäude selbstbewusst und<br />
doch zurückhaltend“, sagt Strelkow.<br />
„Die Architektur greift bei Material, Farben<br />
und Formen Elemente der umliegenden<br />
Bebauung auf und fügt sich so<br />
harmonisch in die Landschaft ein.“<br />
Das neue, umweltfreundliche Gebäude der <strong>Flugsicherung</strong> in München. Foto: <strong>DFS</strong><br />
Auch der Umweltschutz hat für Planung<br />
und Bau des Gebäudes eine entscheidende<br />
Rolle gespielt. Für Neubauten<br />
im Bereich des Flughafens<br />
München gelten hohe Anforderungen:<br />
Sie müssen sich in die natürlichen<br />
Gegebenheiten und den natürlichen<br />
Kreislauf am Standort einbinden lassen<br />
– zu Wasser, zu Land und in der Luft.<br />
Das bedeutet beispielsweise, dass bei<br />
allen Bauten die sensible Grundwassersituation<br />
des Erdinger Moos geschützt<br />
werden muss. Deshalb hat die <strong>DFS</strong><br />
bei Ausschreibung und Planung den<br />
umweltschonenden und ökologischen<br />
Aspekten hohe Priorität eingeräumt.<br />
„So hat es sich für uns von selbst<br />
verboten, das Gebäude zu unterkellern“,<br />
sagt Andrea Strelkow. Wenn<br />
die Gründung des Gebäudes ansteht,<br />
werden vorher Pegel gesetzt, um den<br />
Grundwasserstand zu beobachten.<br />
Der befindet sich mit 30 Zentimeter<br />
unter Gelände in einer Lage, wo man<br />
bereits mit einem etwas zu kräftigen<br />
Spatenstich eine „Quelle“ zum Sprudeln<br />
bringen könnte. Der Boden des<br />
Baufeldes besteht fast ausschließlich<br />
aus Kies – eine „Geschiebefracht“ der<br />
Isar, die zwei Kilometer weiter westlich<br />
ihre Bahn zieht. Da diese Zusammensetzung<br />
geologisch bedeutsam ist,<br />
bestehen genaue Vorgaben, auf welche<br />
Art und Weise die Baugrube verfüllt<br />
werden muss. Dabei wird Schicht<br />
um Schicht eingebracht und penibel<br />
darauf geachtet, dass sich die einzelnen<br />
Kieslagen nicht durchmischen.<br />
Überwacht wird der gesamte Vorgang<br />
durch die so genannte „ökologische<br />
Bauleitung“ – eine Rolle, welche<br />
die <strong>DFS</strong> beim Münchener Center-<br />
Anbau erstmalig für ihre Bauprojekte<br />
eingerichtet hat. So wird das auf der<br />
gesamten bebauten Fläche anfallende<br />
32 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
Niederschlagswasser nicht in die<br />
Kanalisation oder in den flughafeneigenen<br />
Regenwasserkanal, sondern in<br />
speziell errichtete Rigolen eingeleitet.<br />
Das sind unterirdische Versickerungsbauwerke,<br />
die für einen ausgeglichenen<br />
Wasserhaushalt auf dem Grundstück<br />
sorgen.<br />
Neben „Wasser“ und „Boden“ haben<br />
Projektleiterin Strelkow und ihr Team<br />
auch beim Eingriff in den natürlichen<br />
Lebensraum „Luft“ strenge Umweltschutz-Maßstäbe<br />
angelegt: So wurde<br />
nach den Vorgaben der ökologischen<br />
Bauleitung ein spezieller, halb transparenter<br />
grüner Vogelschutzzaun errichtet,<br />
um das unmittelbar an die Baustelle<br />
grenzende Vogelschutzgebiet<br />
vor dem Scheinwerferlicht der Baustelle<br />
zu schützen.<br />
Auch im Inneren des Gebäudes<br />
wurde umweltgerecht gebaut. Dort<br />
entstehen durch die großen Rechnerräume<br />
erhebliche Mengen an<br />
Abwärme. Gewöhnlich werden die<br />
hohen Temperaturen der Abluft durch<br />
Rückkühlwerke auf dem Dach abgekühlt,<br />
bevor diese an die Umgebung<br />
abgegeben wird. So war es bisher. Im<br />
Center-Anbau jedoch wird die Abluft<br />
über Umluftkühlgeräte geführt. Diese<br />
sind konstruiert, um Wärme zurückzugewinnen<br />
und damit das Gebäude<br />
zu beheizen. Das Prinzip ist nicht neu,<br />
wurde aber in dieser Größenordnung<br />
und vor dem Hintergrund einer hohen<br />
Versorgungssicherheit noch nie angewendet.<br />
Die Kühlung der Rechner<br />
selbst erfolgt durch die so genannte<br />
„freie Kühlung“: Bei Temperaturen<br />
unter 21 Grad Celsius wird Außenluft<br />
angesaugt, welche die Anlagen zusätzlich<br />
kühlt. Die dadurch erreichte Energieeinsparung<br />
übertrifft die Vorgaben<br />
aus der Energieeinsparverordnung<br />
deutlich.<br />
Der Center-Anbau in München ist<br />
nicht das einzige Beispiel für umweltfreundliche<br />
und energiebewusste Baukonzepte<br />
bei der <strong>DFS</strong>. Davon weiß Anja<br />
Blobel zu berichten, Projektleiterin für<br />
die von 2008 bis 2<strong>01</strong>0 erfolgte Sanierung<br />
des Systemhauses auf dem <strong>DFS</strong>-<br />
Campus in Langen. Beauftragt mit Planung<br />
und Bauleitung wurde seinerzeit<br />
das Ingenieurbüro ARUP aus Berlin.<br />
„Den Ausschlag hat der umwelt- und<br />
ressourcenschonende Planungsansatz<br />
des Berliner Ingenieurbüros gegeben“,<br />
erinnert sich Anja Blobel.<br />
Der Durchbruch bei der Planung<br />
wurde seinerzeit erreicht, als die Projektleitung,<br />
der zukünftige Gebäudebetreiber<br />
sowie Vertreter der Nutzer<br />
dem Vorschlag der ARUP-Planer<br />
zum Einsatz einer Fassadenkonstruktion<br />
mit Nachtluftkühlung zustimmten.<br />
Mit dieser Konstruktion lassen<br />
sich die hohen Innenraumtemperaturen<br />
im Sommer ohne Einsatz von Klimaanlagen<br />
oder anderer aufwendiger<br />
Gebäudetechnik reduzieren. Komplettiert<br />
wird die Konstruktion durch eine<br />
hochselektive Verglasung und einen<br />
effektiven Sonnenschutz.<br />
All das zusammen spart Energie<br />
– und das wiederum Betriebskosten.<br />
„Etwa 80 bis 90 Prozent aller Kosten<br />
im Lebenszyklus eines Gebäudes fallen<br />
im laufenden Betrieb an", erklärt<br />
Projektleiterin Blobel. „Die <strong>Ausgabe</strong>n<br />
für die energetische Sanierung sind<br />
gut angelegt.“<br />
Das Prinzip der Nachtluftkühlung<br />
beruht darauf, dass in der Nacht über<br />
Fassadenöffnungen kalte Luft in das<br />
Gebäude geleitet wird und es dadurch<br />
zu einer Abkühlung der massiven Bauteile<br />
im Gebäudeinnern, wie beispielsweise<br />
Betondecken und Mauerwerkswänden,<br />
kommt. Am Tage geben diese<br />
Bauteile die kühlere Oberflächentemperatur<br />
ab und verzögern damit das<br />
Aufheizen der Raumluft.<br />
Was sich einfach anhört, erfordert<br />
eine elektronische Steuerung von<br />
öffenbaren Bauteilen in der Fassade<br />
mit Hilfe einer speziellen Computersoftware.<br />
Drei Jahre nach der Inbetriebnahme<br />
kann eine positive Zwischenbilanz<br />
gezogen werden: Sowohl<br />
die Funktionalität als auch die Wirksamkeit<br />
des „Klappenballetts“ überzeugen.<br />
Das Bauprojekte-Team der <strong>DFS</strong>/hinten von links: Leiter Stephan Huber, Andrea Michaelis,<br />
Werner Breuer, Julia Manowski, Denis Zrnic, Karl-Otto sorg, Andreas Sobolew;<br />
vorne von links: Anja Blobel, Isabella Ramon y Mena, Andrea Strelkow, Katrin Lowitz.<br />
Foto: Melanie Bauer<br />
Stephan Huber<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 33
Technik<br />
Energie mit hohem<br />
Wirkungsgrad<br />
Die <strong>DFS</strong> betreibt seit 1988 ein eigenes Blockheizkraftwerk. Zurzeit wird die <strong>DFS</strong>-Energiezentrale<br />
modernisiert. Die neue Technologie ist noch effizienter und umweltfreundlicher. Davon profitiert<br />
nicht nur die <strong>Flugsicherung</strong>.<br />
Frank Metje in seinem Element: Er ist Geschäftsführer der <strong>DFS</strong>-Tochter-<strong>GmbH</strong> „<strong>DFS</strong> Energy“.<br />
Fotos: Melanie Bauer<br />
Seit 1988 versorgt die Energiezentrale<br />
der <strong>DFS</strong> die<br />
Gebäude auf dem <strong>DFS</strong>-Campus<br />
in Langen sowie externe Abnehmer<br />
mit Strom, Dampf, Heiz- und Kaltwasser.<br />
Das funktioniert auf Basis der<br />
Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung. Durch<br />
die Verbrennung von Erdgas und Öl<br />
wird über mechanisch gekoppelte<br />
Generatoren Strom erzeugt. Wärmetauscher<br />
im Abgas- und Kühlwasserkreislaufsystem<br />
der Motoren gewinnen<br />
die Abwärme zur Erzeugung von<br />
Heißwasser und Dampf zurück. In dem<br />
sich anschließenden Prozess wird aus<br />
dem Dampf in Absorptionskältemaschinen<br />
Kaltwasser erzeugt. „Dieses<br />
Prinzip der Energiegewinnung ist auch<br />
heute noch sehr ökonomisch und ökologisch“,<br />
sagt Frank Metje, Leiter der<br />
Energiezentrale und Geschäftsführer<br />
der <strong>DFS</strong>-Tochter-<strong>GmbH</strong> „<strong>DFS</strong> Energy“.<br />
Nach 25 Jahren haben die meisten<br />
technischen Komponenten der<br />
Energiezentrale das Ende ihrer<br />
Gebrauchsdauer erreicht. Das Blockheizkraftwerk<br />
wird deshalb bis 2<strong>01</strong>4<br />
modernisiert und bei dieser Gelegenheit<br />
um etwa ein Viertel der ursprünglichen<br />
Fläche vergrößert. Damit trägt<br />
die <strong>Flugsicherung</strong> dem gestiegenen<br />
Energiebedarf Rechnung, der vor<br />
allem durch das im Bau befindliche<br />
Technikzentrum entstehen wird.<br />
Nach der Modernisierung kommen<br />
statt der heutigen Zündstrahlmotoren,<br />
die zu 90 Prozent mit Erdgas und zu<br />
34 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
zehn Prozent mit Heizöl laufen und die<br />
Stromgeneratoren antreiben, Gasturbinen<br />
zum Einsatz, die den Grundleistungsbedarf<br />
abdecken. Diese werden<br />
ergänzt durch Gasmotoren-Aggregate<br />
kleinerer Leistung, mit denen die „<strong>DFS</strong><br />
Energy“ flexibler auf schwankenden<br />
Energiebedarf reagieren kann. „Die<br />
Erzeugerkomponenten sind so konstruiert,<br />
dass sie ihren besten Wirkungsgrad<br />
erzielen, wenn sie zu 100 Prozent<br />
ausgelastet werden. Es ist also<br />
energetisch nicht sinnvoll, eine Turbine<br />
oder einen Motor in Teillast laufen zu<br />
lassen, weil man eben nur ein bisschen<br />
mehr Energie braucht“, erläutert<br />
Metje. „Die neuen Komponenten sind<br />
hinsichtlich ihrer Nennleistung unterschiedlich<br />
groß und so zusammengestellt,<br />
dass sie mit hohem Wirkungsgrad<br />
unterschiedlichen Mehrbedarf an<br />
Energie decken können.“<br />
Für die optimale Zusammenstellung<br />
der Energiekomponenten wurde<br />
der Verbrauch der vergangenen Jahre<br />
bis hin zu so genannten Viertelstundenwerten<br />
betrachtet, und das für alle<br />
Energie-Medien, also Strom, Dampf,<br />
Heizwasser und Kaltwasser. „Da der<br />
Verbrauch typischen Tag-/Nacht- und<br />
Wochentag-/Wochenend-Schwankungen<br />
unterliegt, war es wichtig, mit<br />
moderner Erzeugertechnik jederzeit<br />
darauf reagieren zu können. Das heißt,<br />
wir können einzelne Komponenten<br />
abschalten und zuschalten, ohne den<br />
Gesamtwirkungsgrad zu verschlechtern“,<br />
sagt Metje. Die Energiezentrale<br />
wird dadurch noch effizienter.<br />
Die Schwierigkeit bei der Erweiterung<br />
und Modernisierung liegt<br />
darin, dass alle Bauarbeiten und der<br />
Austausch der Technik im laufenden<br />
Betrieb stattfinden müssen. Die<br />
Energieversorgung kann nicht einfach<br />
unterbrochen oder heruntergefahren<br />
werden. 50 Millionen Euro<br />
sind für dieses Projekt veranschlagt.<br />
„Natürlich haben wir Alternativen dazu<br />
geprüft“, sagt Metje. Doch das Konzept<br />
der zentralen Energieerzeugung<br />
hat sich bewährt. „Die andere Möglichkeit,<br />
kleinere dezentrale Energieversorgungseinrichtungen<br />
zu schaffen,<br />
wäre weniger wirtschaftlich“, betont<br />
der <strong>DFS</strong>-Energy-Geschäftsführer.<br />
Ganz auf die eigene Energieversorgung<br />
verzichten kann die <strong>DFS</strong> ohnehin<br />
nicht. Das Unternehmen ist verpflichtet,<br />
sich im Ernstfall autark mit Energie<br />
versorgen zu können. Wenn das<br />
öffentliche Strom- und Gasnetz ausfällt,<br />
schaltet die Energiezentrale um<br />
in den Netzersatzbetrieb, der künftig<br />
über separate Netzersatzaggregate<br />
realisiert wird. Die Motoren der Anlage<br />
laufen dann ausschließlich mit Heizöl.<br />
Rund 240.000 Liter davon lagern künftig<br />
für diese Zwecke auf dem <strong>DFS</strong>-<br />
Campus. Die Energiemedien Dampf,<br />
Heiz- sowie Kaltwasser können ohnehin<br />
nicht von einem öffentlichen Anbieter<br />
bezogen werden, die <strong>DFS</strong> müsste<br />
sie in jedem Fall selbst erzeugen.<br />
Wie ein kleines mittelständisches<br />
Unternehmen<br />
Das Prinzip der Kraft-Wärme-Kälte-<br />
Kopplung wird auch in der modernisierten<br />
Anlage beibehalten. „Untersuchungen<br />
haben ergeben, dass dies<br />
nach wie vor für uns die effizienteste<br />
und wirtschaftlichste Art der Energieerzeugung<br />
ist“, sagt Metje. Erzeugt<br />
die Energiezentrale mehr Strom, als<br />
der Campus verbrauchen kann, speist<br />
sie die überschüssige Energie zurück<br />
in das Netz der Stadtwerke Langen.<br />
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) nimmt<br />
rund 50 Prozent der von der „<strong>DFS</strong><br />
Energy“ erzeugten Energie ab. Das<br />
Bundesinstitut für Impfstoffe braucht<br />
vor allem Dampf zum Sterilisieren.<br />
Die <strong>DFS</strong>-Tochter-<strong>GmbH</strong> ist, was den<br />
Jahresumsatz betrifft, vergleichbar<br />
mit einem kleinen mittelständischen<br />
Unternehmen.<br />
Da bei der Verbrennung von Erdgas<br />
und Heizöl Kohlendioxid frei wird,<br />
muss die <strong>DFS</strong> am Emissionshandel<br />
teilnehmen. Bis zu 25.000 Tonnen CO 2<br />
hat die Energiezentrale bisher jährlich<br />
ausgestoßen. Für diese Menge hat sie<br />
kostenlose Emissions-Zertifikate zugeteilt<br />
bekommen. Liegen die Emissionen<br />
unterhalb der zugeteilten Menge,<br />
kann die <strong>DFS</strong> die Zertifikate verkaufen.<br />
„Das ist ein zusätzlicher Anreiz für<br />
uns, noch umweltfreundlicher zu werden“,<br />
sagt Metje.<br />
Im Ernstfall autark: Die Energiezentrale erzeugt Strom, Dampf, Heiz- und Kaltwasser.<br />
Sandra Ciupka<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 35
Technik<br />
„Solar-Baby“ liefert<br />
Energie vom Dach<br />
Seit Herbst 2009 zählt die <strong>DFS</strong> zu den Großproduzenten von sauberem Strom für die Stadt Langen.<br />
Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, könnte das für die nächsten sechs Milliarden Jahre so<br />
bleiben.<br />
Lediglich neun Monate hat es<br />
gedauert, bis aus der Idee<br />
einer Photovoltaikanlage<br />
für die <strong>DFS</strong> Wirklichkeit wurde – von<br />
einer ersten Machbarkeitsstudie über<br />
die Montage auf dem Dach der <strong>Flugsicherung</strong>sakademie<br />
in Langen bis zur<br />
Inbetriebnahme im November 2009.<br />
„Genau so lange wie bis zur Geburt<br />
eines Babys“, schmunzelt <strong>DFS</strong>-Energiemanager<br />
Stephan Ninnemann, der<br />
für das Projekt verantwortlich war.<br />
Bis in spätestens sechs Milliarden<br />
Jahren die erloschene Sonne jedes<br />
Leben auf der Erde vernichtet haben<br />
wird, könnte man aus dem Sonnenlicht<br />
mittels Solarzellen elektrische Energie<br />
gewinnen. Dass die Photovoltaikanlage<br />
auf dem Dach der <strong>Flugsicherung</strong>sakademie<br />
so lange durchhält, ist<br />
unwahrscheinlich, aber mit der Montage<br />
der Anlage vor vier Jahren hat die<br />
<strong>DFS</strong> ein deutliches Signal für die Nutzung<br />
von sauberer Energie gesetzt.<br />
„Wir wollten zeigen, dass wir als Unternehmen<br />
bereit sind, unseren Beitrag<br />
zur Nutzung regenerativer Energiequellen<br />
zu leisten und dass wir nicht<br />
nur reden, sondern auch handeln“,<br />
sagt Energie manager Ninnemann.<br />
Die Anlage auf dem Dach der Akademie<br />
besteht aus 496 Solarmodulen,<br />
die auf 2.400 Quadratmetern Fläche<br />
installiert sind. Die Module hat das<br />
Unternehmen Evergreen Solar gefertigt,<br />
die eigentlichen Solarzellen wurden<br />
von einer Firma in Sachsen-Anhalt<br />
produziert, die Installation besorgte<br />
eine Fachfirma aus Nordhessen. „Uns<br />
war es wichtig, dass wir Solarzellen<br />
aus deutscher Produktion nehmen und<br />
keine aus China, auch wenn dies vielleicht<br />
preisgünstiger gewesen wäre“,<br />
sagt Ninnemann.<br />
Die Kosten für das Projekt lagen<br />
bei 300.000 Euro. Die von der Anlage<br />
jedes Jahr produzierten 95.000 Kilowattstunden<br />
Strom reichen aus, um<br />
den Bedarf von 20 Einfamilienhäusern<br />
zu decken. Der finanzielle Erlös für<br />
die <strong>DFS</strong> beträgt jährlich 50.000 Euro;<br />
die laufenden Kosten für Betrieb und<br />
Instandhaltung mit eingerechnet, wird<br />
sich die Anlage innerhalb von zehn<br />
Jahren amortisiert haben.<br />
Den gewonnenen Strom nutzt die<br />
<strong>DFS</strong> nicht selbst, sondern speist ihn<br />
in das öffentliche Netz der Stadtwerke<br />
Langen ein. „Grund dafür ist, dass wir<br />
eine konstante Energie-Zufuhr benötigen,<br />
die solartechnisch nicht gesichert<br />
ist“, erklärt Ninnemann. Zudem sei es<br />
auch die wirtschaftlichste Variante,<br />
wobei der Energiemanager betont,<br />
dass finanzielle Erwägungen für die<br />
Planung der Anlage nicht ausschlaggebend<br />
gewesen wären: „Wir wollten<br />
in erster Linie ein Signal für saubere<br />
Energien setzen. Rein wirtschaftlich<br />
betrachtet, wäre es kein Investment<br />
für uns gewesen.“<br />
Der schwierigste Teil des Projektes<br />
bestand darin, ein geeignetes Dach<br />
für die Installation der Anlage zu finden.<br />
„Wir brauchten ein Dach mit Südausrichtung,<br />
das nicht verschattet ist“,<br />
sagt Ninnemann. Bestimmte Dächer<br />
schieden deshalb von vornherein aus.<br />
Andere Dächer, die geeignet gewesen<br />
wären, kamen wegen der Statik<br />
nicht in Frage. Das Parkhaus 1, das<br />
günstige Bedingungen bot, fiel durchs<br />
Raster, weil sich die <strong>DFS</strong> die Option<br />
offenhalten wollte, das Gebäude im<br />
Bedarfsfall weiter aufzustocken.<br />
Das Dach der <strong>Flugsicherung</strong>sakademie<br />
erfüllte schließlich alle Voraussetzungen.<br />
Ninnemann gerät fast ein<br />
bisschen ins Schwärmen, wenn er von<br />
der Anlage erzählt. „Es war ein sehr<br />
schönes und spannendes Projekt“,<br />
sagt er. Dabei ist unschwer zu überhören<br />
– der Energiemanager ist verdammt<br />
stolz auf sein „Solar-Baby“.<br />
Holger Matthies<br />
36 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
Partner & Kunden<br />
„Wir arbeiten hart daran,<br />
leiser zu fliegen“<br />
Flugzeuge sind in den vergangenen Jahrzehnten immer leiser geworden. Und diese Entwicklung<br />
geht weiter. Bis zum Jahr 2050 sollen neu entwickelte Flugzeuge um 65 Prozent leiser sein als zu<br />
Beginn des Jahrtausends. So sieht es das EU-Konzept Flight Path 2050 vor. Auch die <strong>Deutsche</strong> Lufthansa<br />
AG hat sich dem Ziel verschrieben, Treibstoff- und Lärmemissionen weiter zu verringern.<br />
transmission sprach zu diesem Thema mit den Lufthanseaten Dr. Gerd Saueressig und Dr. Peter<br />
Schneckenleitner.<br />
Herr Dr. Schneckenleitner, was<br />
unternimmt die <strong>Deutsche</strong> Lufthansa<br />
AG, um Lärm und CO 2 -Emissionen zu<br />
verringern?<br />
DR. SCHNECKENLEITNER: Wir<br />
handeln nach der bekannten Vier-<br />
Säulen-Strategie zur Emissionsvermeidung.<br />
Größter Hebel dabei ist<br />
der Einsatz modernster Technologien.<br />
Aktuell haben wir 236 neue<br />
Flugzeuge im Listenwert von 22 Milliarden<br />
Euro auf unserer Bestellliste.<br />
Diese neuen Modelle sind deutlich<br />
treibstoffeffi zienter und verursachen<br />
damit weniger CO 2 -Emissionen. Und<br />
auch die Lärmemissionen sind hörbar<br />
geringer.<br />
Herr Dr. Saueressig, die Fluglärmgegner<br />
halten der LH aber vor, sie<br />
betreibe eine alte Flotte …<br />
DR. SAUERESSIG: Von den 610<br />
Flugzeugen in der aktiven Flotte<br />
der Lufthansa Group genügen 607<br />
Maschinen dem wichtigen „Minus 10<br />
EPNdB“-Kriterium des strengen international<br />
gültigen ICAO-Kapitel-4-Standards.<br />
Und wir achten bei der laufenden<br />
Flottenmodernisierung stets<br />
darauf, die besten am Markt verfügbaren<br />
Technologien einzukaufen. Denken<br />
Sie beispielsweise an die modernen<br />
Großraumflugzeuge Airbus A380<br />
Hauptlärmquelle Triebwerk Foto: DLR<br />
und Boeing 747-8, die Lufthansa Passage<br />
im Einsatz hat. Diese beiden<br />
Modelle punkten vor allem durch<br />
deutlich bessere Lärmkonturen und<br />
eine höhere Treibstoffeffizienz. Auch<br />
bei der Kontinentalflotte gilt, dass bei<br />
der laufenden Flottenerneuerung die<br />
beste am Markt verfügbare Technologie<br />
zum Einsatz kommt. Mit dem Airbus<br />
A320neo werden wir zusätzlich<br />
einen großen Sprung in Sachen Treibstoffverbrauch<br />
und Lärmreduzierung<br />
machen. Dieses Flugzeug wird von<br />
2<strong>01</strong>5 an zur Verfügung stehen. Die<br />
Lufthansa hat 100 Stück bestellt.<br />
Die Boeing 737 gilt allerdings weiterhin<br />
als lautes Muster …<br />
DR. SAUERESSIG: Die 737 ist ein<br />
älteres und damit auch etwas lauteres<br />
Muster, aber auch sie genügt den<br />
erwähnten, strengen ICAO-Standards.<br />
Doch wir lösen die Boeing 737 nach<br />
und nach durch modernere Typen ab.<br />
Aktuell betreiben wir noch 27 Flugzeuge<br />
dieses Typs und monatlich werden<br />
es weniger. Trotzdem haben wir in<br />
den vergangenen Jahren Millionenbeträge<br />
investiert, um unsere 737-Flotte<br />
in Frankfurt leiser zu machen. Die<br />
Schalldämpfer im Einlass der Triebwerke<br />
wurden erneuert. Nach Herstellerangaben<br />
führt dies an den Zertifizierungsmesspunkten<br />
zu beträchtlichen<br />
Lärmminderungen: 2,4 Dezibel weniger<br />
beim Anflug und rund 2 Dezibel<br />
weniger beim Start. Die Umrüstung<br />
der 737 war Teil des freiwilligen<br />
1. Maßnahmenpakets zum „Aktiven<br />
Schallschutz“ am Flughafen Frankfurt.<br />
Welche Möglichkeiten gibt es noch,<br />
Triebwerke leiser zu machen?<br />
DR. SAUERESSIG: Grundsätzlich<br />
sind moderne Mantelstromtriebwerke<br />
ohnehin viel leiser als Strahltriebwerke,<br />
die noch in den 80er Jahren<br />
weit verbreitet waren. Dennoch kann<br />
man weiterhin Verbesserungen erzie-<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 37
Partner & Kunden<br />
len. Bei unseren neusten Großraumflugzeugen<br />
A380 und B747-8 sind<br />
die Schalldämpfer im Treibwerkseinlass<br />
aus einem Stück gefertigt, was<br />
dazu führt, dass ein bestimmter Teil<br />
der Schallwellen gegenüber früher<br />
nicht nach außen dringen kann und im<br />
Triebwerksinneren verbleibt. Ähnliches<br />
leistet übrigens auch der neue Schalldämpfer<br />
der umgerüsteten B737. Bei<br />
der Boeing 747-8 kommt darüber hinaus<br />
noch die gezahnte Düsenaustrittskante<br />
am Triebwerk zum Einsatz. Sie<br />
bewirkt, dass weniger Verwirbelungen<br />
zwischen dem heißen Kernstrahl und<br />
dem kalten Mantelstrahl der Triebwerke<br />
auftreten.<br />
Wie messen Sie, ob Veränderungen<br />
die Flugzeuge tatsächlich leiser<br />
machen?<br />
DR. SAUERESSIG: Wir haben seit<br />
20<strong>01</strong> insgesamt fünf Überflugmessungen<br />
an drei verschiedenen Flugzeugtypen<br />
zusammen mit dem<br />
<strong>Deutsche</strong>n Zentrum für Luft- und<br />
Raumfahrt durchgeführt. Die Daten,<br />
die wir dabei sammeln, dienen zum<br />
einem dazu, Schallquellen zu identifizieren.<br />
Zum anderen tragen sie dazu<br />
bei, Fluglärmberechnungsprogramme<br />
Dr. Gerd Saueressig<br />
Foto: LH<br />
zu verbessern. Um Lärmquellen messen<br />
zu können, bedarf es eines speziellen<br />
Flugprogramms, in dem Parameter<br />
wie beispielsweise die Stellung der<br />
Klappen systematisch variiert werden.<br />
Bei normalen Flügen im Linienverkehr<br />
wären diese Messungen nicht möglich.<br />
Die Überflugmessungen mit einer<br />
Lufthansa B747-400 fanden in Schwerin/Parchim<br />
statt. Unsere Piloten flogen<br />
zur Messung an vier Tagen fast<br />
100 Mal über ein Mikrofonsystem und<br />
veränderten bei jedem Anflug die Stellung<br />
der Klappen und des Fahrwerks<br />
sowie die Geschwindigkeit, damit die<br />
Umströmungsquellen genauer untersucht<br />
werden konnten. Für die Messung<br />
hat das DLR zwei Messsysteme<br />
mit fast 300 Mikrofonen installiert.<br />
Das klingt sehr aufwendig …?<br />
DR. SAUERESSIG: Es ist in der Tat<br />
sehr aufwendig. Fluglärm zu messen<br />
ist äußerst schwierig, weil die<br />
Forscher nicht nahe an das Objekt<br />
herankommen. Um eine gute Datenqualität<br />
und eine Vergleichbarkeit zu<br />
erreichen, müssen konstante Wetterbedingungen<br />
herrschen: kaum Wind,<br />
kein Regen, eine gute Sicht. Regen<br />
und Wind würden ein so starkes Rauschen<br />
erzeugen, dass die eigentlichen<br />
Messergebnisse davon überlagert<br />
würden. Außerdem müssen die<br />
Flugzeuge regelmäßig aufgetankt werden,<br />
um das Gewicht möglichst konstant<br />
zu halten.<br />
Diese Übungsflüge kosten sehr<br />
viel Geld. Finden Sie es nicht ärgerlich,<br />
dass Billig-Airlines wie Ryanair<br />
sich an solchen Forschungsprojekten<br />
nicht beteiligen?<br />
DR. SCHNECKENLEITNER: Wir nehmen<br />
unsere Verantwortung wahr. Für<br />
andere kann und möchte ich nicht<br />
sprechen. Einige Low-Cost-Airlines<br />
operieren aber ohnehin in einem ganz<br />
anderen Umfeld und fliegen zum Beispiel<br />
abgelegene Flugplätze an, bei<br />
denen Lärmbelastung nur eine untergeordnete<br />
Rolle spielt. Lufthansa<br />
dagegen fliegt zumeist die großen,<br />
stark frequentierten und oftmals auch<br />
zentrumsnahen Flughäfen an, wo Fluglärm<br />
und Umweltschutz einen ganz<br />
anderen Stellenwert haben als in einer<br />
strukturschwachen Region.<br />
Die neue Boeing 747-8: Leiser dank gezahnter Düsenaustrittskanten am Triebwerk.<br />
Foto: LH<br />
DR. SAUERESSIG: Als größte<br />
deutsche Fluggesellschaft hat Lufthansa<br />
natürlich auch ein ganz anderes<br />
Selbstverständnis, was Umwelt-<br />
38 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
themen betrifft und ist bereit, dafür<br />
eine gesellschaftliche Verantwortung<br />
zu übernehmen.<br />
Welchen Stellenwert hat Lärmvermeidung<br />
in Ihrem Unternehmen?<br />
DR. SCHNECKENLEITNER: Lärmvermeidung<br />
hat einen sehr großen Stellenwert.<br />
Wir unternehmen sehr viel,<br />
um unseren Flugbetrieb so geräuscharm<br />
wie möglich zu gestalten, denn<br />
wir verstehen, dass das Thema Lärm<br />
bei Anrainern von großen Verkehrsflughäfen<br />
im Mittelpunkt steht. Und<br />
gleichzeitig ist Fluglärm doch primär<br />
ein lokales Problem. Eine Umfrage des<br />
Umweltbundesamts hat gezeigt, dass<br />
Fluglärm, gemessen an der Gesamtlärmbelastung,<br />
bundesweit gesehen<br />
nur eine geringe Bedeutung hat. So<br />
fühlen sich nur rund sechs Prozent<br />
der Bevölkerung von Fluglärm belästigt,<br />
17 Prozent fühlen sich aber vom<br />
Nachbarn gestört und beispielsweise<br />
15 Prozent vom Bahnverkehr.<br />
Welche Themenbereiche umfasst<br />
das Lufthansa-Um welt konzept?<br />
DR. SCHNECKENLEITNER: Wir verfolgen<br />
einen ganzheitlichen Ansatz,<br />
der auf der bereits erwähnten Vier-<br />
Säulen-Strategie beruht: Erstens eine<br />
fortschrittliche Technik, die weniger<br />
Lärm- und Kohlendioxidemissionen<br />
erzeugt. Zweitens operationelle Neuerungen,<br />
die die Treibstoff- Effizienz<br />
erhöhen. Die Säulen drei und vier<br />
betreffen infrastrukturelle Voraussetzungen,<br />
beispielsweise An- und Abflugrouten,<br />
sowie wirtschaftliche Maßnahmen,<br />
etwa den Emissionshandel.<br />
Sie sagten, die A320neo-Familie<br />
stelle einen großen Sprung dar. Ist<br />
damit im Jahr 2<strong>01</strong>5 das Maximum an<br />
Umweltfreundlichkeit erreicht?<br />
Dr. Peter Schneckenleitner<br />
Foto: LH<br />
DR. SAUERESSIG: Die Forscher<br />
gehen davon aus, dass es bis zum<br />
Jahr 2050 Technologien gibt, die das<br />
Fliegen 65 Prozent leiser machen als<br />
zu Beginn des Jahrtausends. Das sind<br />
umgerechnet beachtliche 15 Dezibel.<br />
Wir geben uns also noch nicht zufrieden.<br />
DR. SCHNECKENLEITNER: Die<br />
spezifischen Emissionen, sei es Lärm<br />
oder CO 2 , werden sich auch in Zukunft<br />
verringern. Davon bin ich überzeugt.<br />
In der Forschung werden künftig auch<br />
alternative Treibstoffe eine große<br />
Rolle spielen. Außerdem gilt es, Lärm-,<br />
Kohlendioxid- und Stickoxidemissionen<br />
gleichzeitig zu reduzieren. Heutzutage<br />
ist es noch so, dass eine Verbesserung<br />
an der einen Stelle oft zu<br />
Verschlechterungen an anderer Stelle<br />
führt. Verringert man beispielsweise<br />
den CO 2 -Ausstoß, steigt der Stickoxid-<br />
Ausstoß. Es gibt noch genug zu erfinden<br />
für die Wissenschaft.<br />
Die <strong>DFS</strong>-Mitarbeiter haben oft den<br />
Eindruck, dass die Airlines gar nicht<br />
so sehr im Fokus der Öffentlichkeit<br />
stehen, wenn es um Fluglärm geht,<br />
sondern viele Lärmgegner vor allem<br />
auf die <strong>Flugsicherung</strong> schimpfen. Wie<br />
empfinden Sie das?<br />
DR. SCHNECKENLEITNER: Die <strong>DFS</strong><br />
handelt sicherlich in einem schwierigen<br />
Umfeld, weil es bei Veränderungen<br />
von Flugrouten immer sowohl<br />
zu Entlastungen bisher Betroffener<br />
als auch zu Neubelastungen bisher<br />
nicht Betroffener kommt. Neu betroffene<br />
Anrainer artikulieren sich natürlich<br />
sehr hörbar, während man von<br />
den Entlasteten kaum etwas hört.<br />
Ich kann Ihnen aber versichern, dass<br />
andere Systempartner, wie Lufthansa<br />
oder Fraport, den Unmut von Bürgern<br />
ebenfalls deutlich zu spüren bekommen.<br />
Denken Sie nur an die Montagsdemonstrationen<br />
am Frankfurter Flughafen.<br />
Das ist auch frustrierend, oder?<br />
DR. SCHNECKENLEITNER: Das<br />
gehört dazu und es ist wichtig – für<br />
die betroffenen Anrainer und für die<br />
Flughäfen und Fluggesellschaften –,<br />
in einem kontinuierlichen und sachlichen<br />
Dialog zu stehen. Wir haben<br />
das Problem erkannt und wir arbeiten<br />
hart daran, uns stetig weiter zu verbessern<br />
und leiser zu fliegen. Alle Entscheidungen<br />
müssen transparent sein.<br />
Und es ist wichtig, dass Airlines, Flughäfen<br />
und die <strong>Flugsicherung</strong> an einem<br />
Strang ziehen.<br />
Die Fragen stellte Sandra Ciupka<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 39
FABEC intern<br />
Neues Programm bringt<br />
FABEC voran<br />
Neues Programm bringt FABEC voran<br />
Alle FABEC-Projekte der <strong>DFS</strong> sind jetzt in einem Programm mit dem Namen FABEC CC zusammengefasst.<br />
Damit setzt die <strong>DFS</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong> den Beschluss der sieben FABEC CEOs<br />
um, betriebliche Projekte zu priorisieren. Dazu gehören nicht nur die großen Luftraumumstrukturierungen,<br />
sondern auch Projekte wie das Anflugmanagementsystem X-MAN und das Air Traffic<br />
Flow Capacity Management.<br />
Leiter des neuen Programms<br />
FABEC CC ist Heinz Lang, der auf<br />
35 Jahre Erfahrung in der <strong>Flugsicherung</strong><br />
zurückgreifen kann. Der gelernte<br />
Fluglotse war die meiste Zeit seiner<br />
Berufslaufbahn an der Niederlassung<br />
Karlsruhe tätig und übernahm dort<br />
schon früh Managementaufgaben.<br />
Mit FABEC CC will er neuen Schwung<br />
in die verschiedenen FABEC-Projekte<br />
bringen. „Ich möchte schnelle Ergebnisse<br />
erzielen, denn nur Erfolge schaffen<br />
die Motivation für weitere Veränderungen“,<br />
sagt Lang. „Es ist wichtig,<br />
etwas zu bewegen, statt nur davon<br />
zu reden, dass sich etwas bewegen<br />
muss.“<br />
Treibstoffkosten senkt, sondern auch<br />
den Kohlendioxid-Ausstoß erheblich<br />
reduziert.<br />
„Nur wenn wir eine eindeutige,<br />
unternehmensweit abgestimmte Position<br />
vertreten, stellen wir sicher, dass<br />
die <strong>DFS</strong> eine maßgebliche Größe innerhalb<br />
des FABEC darstellt“, sagt Lang.<br />
Das Programm sorgt dafür, dass alle<br />
europäischen Anforderungen in die<br />
Arbeit der verschiedenen <strong>DFS</strong>-Bereiche<br />
und -Niederlassungen einfließen.<br />
Heinz Lang wird unterstützt von Ilhan<br />
Akin, stellvertretender Programmleiter<br />
und Projektleiter IP South East. Des<br />
Weiteren gehören Petra Hahn, Projektleiterin<br />
X-MAN, Markus Tschirch, Projektleiter<br />
IP CBA Land/Central West,<br />
und Dr. Morten Grandt, Projektleiter<br />
Free Route Airspace, zum Team.<br />
Bei seiner Arbeit als Koordinator<br />
und Vermittler kommt Heinz Lang<br />
auch sein langjähriges nebenberufliches<br />
Engagement als Kommunalpolitiker<br />
zu Gute. Er will verändern und<br />
gestalten. Sein Motto: Man muss es<br />
einfach nur tun.<br />
Sandra Ciupka<br />
Die einzelnen Luftraumumstrukturierungsprojekte<br />
sind alle miteinander<br />
verzahnt, betreffen aber unterschiedliche<br />
<strong>DFS</strong>-Kontrollzentralen. Das neue<br />
Programm soll dafür sorgen, dass<br />
nicht nur einzelne Center-Interessen<br />
berücksichtigt werden, sondern die<br />
Interessen des gesamten Unternehmens<br />
gewahrt bleiben. Die Luftraumumstrukturierungen<br />
sollen Engpässe<br />
im FABEC-Luftraum beseitigen<br />
und den Verkehr effizienter gestalten.<br />
Dadurch verkürzen sich die Flugstrecken<br />
erheblich, was nicht nur die<br />
Programmleiter Heinz Lang (links) und sein Stellvertreter Ilhan Akin.<br />
Foto: Sascha Rheker<br />
40 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
<strong>DFS</strong>-Nachrichten<br />
Neuer <strong>DFS</strong>-Aufsichtsrat<br />
<strong>DFS</strong> intern<br />
Die <strong>DFS</strong> hat seit Ende April turnusgemäß einen neuen Aufsichtsrat. Der Frauenanteil beträgt 50<br />
Prozent.<br />
Die sechs Sitze des Anteilseigners<br />
im Aufsichtsrat besetzen Staatssekretär<br />
Michael Odenwald, Ministerialdirektorin<br />
Dr. Martina Hinricher (beide<br />
Bundesministerium für Verkehr, Bau<br />
und Stadtentwicklung), Dr. Edeltraud<br />
Leibrock (KfW Bankengruppe), Ministerialrätin<br />
Carmen von Bornstaedt-<br />
Radbruch, Oberst i.G. Ralf Raddatz<br />
(beide Bundesministerium der Verteidigung)<br />
und Regierungsdirektorin<br />
Dr. Angelika Kreppein (Bundesministerium<br />
der Finanzen).<br />
Die drei Vertreter der Arbeitnehmer<br />
sind Dirk Wendland, Catja Gräber und<br />
Peter Schaaf. Als Vertreterin der leitenden<br />
<strong>DFS</strong>-Angestellten sitzt Andrea<br />
Wächter im Aufsichtsrat. Die Vertreter<br />
der Gewerkschaft der <strong>Flugsicherung</strong><br />
sind Markus Siebers und Volker Möller.<br />
red<br />
<strong>DFS</strong> und Fraport vereinbaren GBAS-Koopera tion<br />
Der Vorsitzende der Geschäftsführung der <strong>DFS</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong>, Prof. Klaus-Dieter<br />
Scheurle, und der Vorsitzende des Vorstands der Fraport AG, Dr. Stefan Schulte, haben einen<br />
Kooperationsvertrag zur Errichtung der satellitengestützten Präzisionsanflughilfe „Ground Based<br />
Augmentation System“ am Flughafen Frankfurt unterzeichnet.<br />
Von 2<strong>01</strong>4 an soll das Ground Based<br />
Augmentation System (GBAS) am<br />
Rhein-Main-Airport zum Einsatz kommen<br />
und damit zum ersten Mal an<br />
einem internationalen Luftverkehrsdrehkreuz<br />
in Europa. Der Frankfurter<br />
Flughafenbetreiber Fraport und die<br />
<strong>DFS</strong> erhoffen sich, dass das neue Landesystem<br />
künftig auch segmentierte<br />
oder gekurvte Anflüge ermöglicht –<br />
mit dem positiven Effekt einer Lärmentlastung.<br />
Darüber hinaus ergeben<br />
sich für Frankfurt positive Effekte hinsichtlich<br />
Wirtschaftlichkeit und Kapazität.<br />
„Die <strong>DFS</strong> treibt mit GBAS eine<br />
Zukunftstechnologie voran und nimmt<br />
damit weltweit eine Vorreiterrolle<br />
ein“, sagte <strong>DFS</strong>-Chef Prof. Klaus-Dieter<br />
Scheurle. „Damit leisten wir einen<br />
wichtigen Beitrag zu mehr Effizienz<br />
und langfristig zu lärmschonenden<br />
Die GBAS-Bodenstation empfängt die Signale der GPS-Satelliten und sendet die<br />
Korrektursignale für den Endanflug an das Flugzeug.<br />
Anflugverfahren.“ Das neue System<br />
erlaubt es nach erfolgreicher Erprobung<br />
auch, den Anfluggleitwinkel auf<br />
allen Landebahnen von derzeit 3 auf<br />
3,2 Grad anzuheben, was bislang ausschließlich<br />
auf der Landebahn Nordwest<br />
möglich ist.<br />
red<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 41
<strong>DFS</strong> intern<br />
Ortung mit Precision Approach Monitor<br />
Die <strong>DFS</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong> hat am Frankfurter Flughafen den Precision Approach Monitor,<br />
kurz PAM, in Betrieb genommen. Seit Anfang April arbeiten die Fluglotsen in der Frankfurter<br />
An- und Abflugkontrolle mit dem neuen Ortungssystem.<br />
Bei PAM wird die Positionsdarstellung<br />
der Flugzeuge auf dem<br />
Radarschirm nicht wie bisher alle<br />
fünf Sekunden erneuert, sondern im<br />
Sekundentakt. Die in dieser Größenordnung<br />
und Leistungsfähigkeit weltweit<br />
einzigartige Technik ermöglicht<br />
eine verbesserte und genauere Darstellung<br />
der Flugzeuge, die sich im<br />
An- oder Abflug des Frankfurter Flughafens<br />
befinden.<br />
Dadurch wird der ohnehin hohe<br />
Sicherheitsstandard nochmals erhöht.<br />
So können die Fluglotsen der <strong>DFS</strong><br />
beispielsweise Abweichungen von<br />
der vorgegebenen Streckenführung<br />
schneller erkennen und korrigieren.<br />
Das System wurde von der Firma<br />
Thales speziell für stark beflogene<br />
Lufträume entwickelt und wird von der<br />
<strong>DFS</strong> erstmals im Rhein-Main-Gebiet<br />
eingesetzt.<br />
red<br />
Neues Funkraster<br />
RASUM 8.33 ist eines der größten Projekte in der <strong>DFS</strong> – mit einem finanziellen Gesamtvolumen<br />
von rund 100 Millionen Euro. Bis zum Jahr 2<strong>01</strong>8 muss das Projektteam 95 Funkstellen auf das neue<br />
8,33-Kilohertz-Kanalraster umstellen. Das fordert die EU.<br />
RASUM steht für Radio Site<br />
Upgrade and Modernisation. Für die<br />
Umrüstung der 95 Funkstellen hat die<br />
<strong>DFS</strong> nur acht Jahre Zeit. Ein sehr knapper<br />
Zeitplan, denn mit der bloßen Installation<br />
von neuen Funkgeräten ist<br />
es nicht getan. Bei der Bestandsaufnahme<br />
vor Projektbeginn stellte sich<br />
nämlich heraus, dass viele Funkstellen<br />
der <strong>DFS</strong> hinsichtlich Größe, Bausubstanz<br />
und Infrastruktur für einen<br />
Parallelaufbau der neuen Technik gar<br />
nicht geeignet sind. „Wir müssen an<br />
nahezu allen der 95 Standorte entweder<br />
neu bauen oder sanieren“, sagt<br />
RASUM-Projektleiter Thomas Dehnhardt.<br />
Und das geht aus Sicherheitsgründen<br />
nur in wenigen Fällen im laufenden<br />
Betrieb. „Und jeder einzelne<br />
der 95 Funkstandorte ist, gemessen<br />
an den <strong>DFS</strong>-Projektkriterien, quasi ein<br />
eigenes Projekt“, betont Dehnhardt.<br />
Das Projektteam muss unter anderem<br />
geeignete Grundstücke finden.<br />
Um die Umrüstung von 95 Funkstellen<br />
in nur acht Jahren zu bewerkstelligen,<br />
wird in den fünf geografischen<br />
Regionen der <strong>DFS</strong> parallel geplant und<br />
realisiert. Circa 20 Funkstellen pro<br />
Region müssen umgerüstet werden,<br />
das bedeutet in acht Jahren zwei bis<br />
drei Standorte pro Region und Jahr.<br />
Glücklicherweise verfügen die restlichen<br />
Funkstellen der <strong>DFS</strong> bereits über<br />
8,33-kHz-fähige Funkgeräte, weil sie<br />
im Zuge von Produktmanagementmaßnahmen<br />
der letzten Jahre bereits<br />
umgerüstet wurden. Die Umrüstung<br />
hat das Ziel, die Frequenzknappheit zu<br />
beseitigen. Für den oberen Luftraum<br />
hat die EU den Kanalabstand bereits<br />
von 25 kHZ auf 8,33 kHz im VHF-Flugfunkband<br />
verkleinert. Dies hat Frequenzengpässe<br />
vermindert, aber nicht<br />
beseitigt. Mit einer EU-Verordnung aus<br />
dem Jahr 2<strong>01</strong>2 zur Erweiterung des<br />
8,33-kHz-Kanalabstands sollen jetzt<br />
auch im unteren Luftraum, unterhalb<br />
Flugfläche 195, mehr Frequenzen zur<br />
Verfügung gestellt werden können, um<br />
die Voraussetzung für weiteres Verkehrswachstum<br />
zu schaffen.<br />
Sandra Ciupka<br />
42 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3
Zwei Prozent mehr<br />
Die <strong>DFS</strong> hat einen neuen Vergütungstarifvertrag. Mitte März<br />
haben Vertreter der beiden Tarifpartner den Vertrag, der rückwirkend<br />
zum 1. November 2<strong>01</strong>2 in Kraft tritt, unterzeichnet.<br />
Der Tarifvertrag läuft bis zum<br />
31. Dezember 2<strong>01</strong>3. <strong>DFS</strong> und GdF<br />
hatten sich Ende Januar auf einen<br />
Abschluss geeinigt. Demnach wird<br />
die Vergütung für die <strong>DFS</strong>-Mitarbeiter<br />
von Januar bis Dezember 2<strong>01</strong>3<br />
linear um zwei Prozent erhöht. Für<br />
die Monate November und Dezember<br />
2<strong>01</strong>2 einigten sich die Tarifpartner<br />
auf eine Einmalzahlung in Höhe<br />
von 350 Euro für Vollzeitbeschäftigte;<br />
Teilzeitbeschäftigte erhalten<br />
eine anteilige Zahlung. Für Auszubildende<br />
beträgt die Einmalzahlung<br />
200 Euro.<br />
„Der moderate Tarifabschluss<br />
trägt den wirtschaftlichen Herausforderungen<br />
der <strong>DFS</strong> Rechnung“,<br />
betonte der Vorsitzende der <strong>DFS</strong>-<br />
Geschäftsführung Prof. Klaus-Dieter<br />
Scheurle.<br />
red<br />
Impressum<br />
transmission<br />
Das Magazin der <strong>DFS</strong><br />
Herausgeber:<br />
<strong>DFS</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong><br />
Michael Kraft, Leiter<br />
Unternehmenskommunikation<br />
Redaktion:<br />
Sandra Ciupka (verantwortlich)<br />
Tel.: +49 (0)6103 707-4122<br />
E-Mail: sandra.ciupka@dfs.de<br />
Christopher Belz<br />
Tel.: +49 (0)6103 707-4121<br />
E-Mail: christopher.belz@dfs.de<br />
Holger Matthies<br />
Tel.: +49 (0)6103 707-4124<br />
E-Mail: holger.matthies@dfs.de<br />
Rüdiger Mandry (Schlussredaktion)<br />
Tel.: +49 (0)6103 707-4195<br />
E-Mail: ruediger.mandry@dfs.de<br />
Layout und Umsetzung:<br />
bsmediengestaltung, Egelsbach<br />
www.bsmediengestaltung.de<br />
Die Unterzeichner: <strong>DFS</strong>-Geschäftsführer Personal Dr. Michael Hann, GdF-Bundesgeschäftsführer<br />
Michael Schäfer und Prof. Klaus-Dieter Scheurle, Vorsitzender der<br />
<strong>DFS</strong>-Geschäftsführung. Foto: Hans-Jürgen Koch<br />
Titelbild<br />
Idee und Umsetzung –<br />
bsmediengestaltung<br />
Bildnachweis<br />
bsmediengestaltung S. 4, 14/15,<br />
27, 41<br />
Anschrift der Redaktion:<br />
<strong>DFS</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong><br />
Redaktion transmission<br />
Am <strong>DFS</strong>-Campus 10<br />
63225 Langen<br />
E-Mail: transmission@dfs.de<br />
Nachdruck nur mit Genehmigung.<br />
transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 43
NEUHEIT: <strong>DFS</strong> Pilot Line<br />
Von Piloten für Piloten entwickelt!<br />
Die Zubehörserie <strong>DFS</strong> Pilot Line ist speziell auf die Wünsche von Piloten ausgerichtet<br />
und besteht aus folgenden Produkten:<br />
– Flight Bag (Size S oder M)<br />
– Kniebrett<br />
– Kniebrett für iPad / iPad mini<br />
– Flight Cap<br />
Die Flight Bags bieten reichlich Platz für alles, was der Pilot im Cockpit benötigt.<br />
Herausnehmbare Unterteiler ermöglichen dem Piloten eine individuelle Aufteilung des<br />
großen Hauptfaches.<br />
Verschiedene Fächer des zweiteilig aufklappbaren Kniebretts bieten genügend<br />
Stauraum für Ihre ICAO-Karten, Karten aus der AIP VFR, Kursdreieck, Notizblock oder<br />
auch Ihr iPad.<br />
Die verstellbare Flight Cap ist die ideale Kappe für Headset-Träger, denn der Knubbel<br />
auf dem Kopf wurde weggelassen.<br />
Als Wiedererkennungsmerkmal schmückt ein abnehmbarer Button die <strong>DFS</strong> Pilot<br />
Line. Standardmäßig ist der Button mit dem <strong>DFS</strong>-Logo versehen, der jedoch nach Ihren<br />
Wünschen personalisiert werden kann. Ob Verein, Club oder Schule – wählen Sie<br />
Ihr eigenes Logo aus & schon ist die Tasche, Kniebrett oder die Kappe individualisiert.<br />
www.dfs-aviationshop.de | customer-support@dfs.de | +49(0)6103/707-1205