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Ausgabe 01/2013 - DFS Deutsche Flugsicherung GmbH

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<strong>Ausgabe</strong> 1 – 2<strong>01</strong>3<br />

Umweltbewusst<br />

Die <strong>DFS</strong> handelt ökologisch –<br />

von der Lärmminderung bis<br />

zur Energieversorgung


Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

das <strong>DFS</strong>-Magazin widmet sich in dieser <strong>Ausgabe</strong><br />

dem Thema Umwelt. In der <strong>DFS</strong> hat der Umweltschutz<br />

hohe Priorität in der Lotsentätigkeit und<br />

der Luftraum- und Routenplanung. Aber auch in<br />

der Gebäudetechnik, der Energieversorgung oder<br />

der Abfallentsorgung ist ökologisches Handeln eine<br />

wichtige Maxime unseres Unternehmens. Umweltschutz<br />

in der <strong>Flugsicherung</strong> lässt sich folglich nicht<br />

nur auf unseren Beitrag zur Verringerung der Betroffenheit<br />

von Fluglärm reduzieren. Und doch ist es<br />

dieses Thema, bei dem Bürger und Medien ganz<br />

besonders auf die <strong>DFS</strong> schauen.<br />

Wer in der Nähe eines Verkehrsflughafens wohnt,<br />

für den ist die Minderung von Fluglärm ein dringendes<br />

und drängendes Anliegen. Die <strong>DFS</strong> hat dafür<br />

großes Verständnis. Wir arbeiten daher kontinuierlich<br />

daran, Flugrouten und Flugverfahren so zu<br />

gestalten und weiterzuentwickeln, dass möglichst<br />

wenig Bürger von Fluglärm betroffen sind. Fluglärm<br />

ist in erster Linie ein Problem in der Nähe von Flughäfen.<br />

Fragt man alle Bundesbürger, so empfinden<br />

nach einer aktuellen Umfrage des Umweltbundesamtes<br />

nur sechs Prozent der Befragten Fluglärm im<br />

Jahr 2<strong>01</strong>2 als besondere Belästigung. Dieser Wert<br />

ist seit 2006 kontinuierlich gesunken, und dies trotz<br />

eines stetig wachsenden Flugverkehrs. Aus dieser<br />

Umfrage kann man auch schließen: Die vielfältigen<br />

Investitionen in Lärmschutzmaßnahmen der Luftverkehrswirtschaft<br />

zeigen offensichtlich Wirkung.<br />

Mit ihren innovativen Flugverfahren hat die <strong>DFS</strong><br />

dazu einen wichtigen Beitrag geleistet. Und wir<br />

arbeiten weiter daran, indem wir die in der Praxis<br />

geflogenen Routen evaluieren und nach Optimierungen<br />

suchen. So ist das dreißigköpfige Team der<br />

Verfahrensplaner in der <strong>DFS</strong> ständig auf der Suche<br />

nach Lösungen für einen verbesserten Lärmschutz.<br />

Die Fluglotsen sind verpflichtet, die Flüge sicher und<br />

flüssig unter Vermeidung von unnötigem Fluglärm<br />

und Kohlendioxidemissionen zu leiten.<br />

Dabei wird es die <strong>DFS</strong> niemals allen vollständig recht<br />

machen können. Im dicht besiedelten Deutschland<br />

eine Route zu finden, von der niemand betroffen ist,<br />

ist unmöglich. Und für die geographischen Standorte<br />

von Flughäfen oder die Flugziele der Airlines ist<br />

die <strong>DFS</strong> nicht verantwortlich. Dennoch handelt die<br />

<strong>DFS</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong> in ihrem Zuständigkeitsbereich<br />

so sachorientiert und zugleich<br />

so sensibel wie möglich. Dialog und Transparenz<br />

stehen dabei für uns ganz oben auf der Agenda.<br />

Die Bürger müssen die Entscheidungen der <strong>Flugsicherung</strong><br />

jederzeit nachvollziehen können. Alternativen<br />

diskutieren wir offen. Wer über Fluglärm<br />

spricht, muss allerdings eines konstatieren: Auch<br />

wenn gegenwärtig der Luftverkehr kaum wächst,<br />

so ist das Bedürfnis der Bevölkerung nach Mobilität,<br />

gerade auch im Luftverkehr, ungebrochen. Das<br />

zeigt der Mobilitätsbericht 2<strong>01</strong>2, der dieser transmission<br />

beiliegt. Rund drei Millionen Flüge hat die<br />

<strong>DFS</strong> auch im vergangenen Jahr sicher geleitet. Darauf<br />

sind wir stolz. Denn die Sicherheit im Luftverkehr<br />

stets gewährleisten zu können, ist unsere aller<br />

erste Aufgabe.<br />

Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen<br />

Prof. Klaus-Dieter Scheurle<br />

Vorsitzender der<br />

<strong>DFS</strong>-Geschäftsführung<br />

2 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


Inhalt<br />

<strong>DFS</strong> und Umweltschutz<br />

4 Totalen Schutz gibt es nicht<br />

6 Mittler im Minenfeld<br />

Totalen Schutz<br />

gibt es nicht S. 4<br />

Betrieb<br />

9 Diplomatische Mission<br />

12 Designer mit Korsett<br />

16 Die Ruhelosen<br />

22 Zwischen Planvorgabe und Bürgerwille<br />

24 Kein Stau mehr an der Runway<br />

26 Mehr Kürzungen bitte!<br />

Interview<br />

28 „Ob Schall negativ bewertet wird, hängt<br />

von vielen Faktoren ab“<br />

Die Ruhelosen<br />

S. 16<br />

Technik<br />

32 Mit Vogelschutzzaun und „Klappenballett“<br />

34 Energie mit hohem Wirkungsgrad<br />

36 „Solar-Baby“ liefert Energie vom Dach<br />

Partner & Kunden<br />

37 „Wir arbeiten hart daran, leiser zu fliegen“<br />

FABEC intern<br />

40 Neues Programm bringt FABEC voran<br />

Energie mit hohem<br />

Wirkungsgrad S. 34<br />

<strong>DFS</strong> intern<br />

41 <strong>DFS</strong>-Nachrichten<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 3


<strong>DFS</strong> und Umweltschutz<br />

Totalen Schutz<br />

gibt es nicht<br />

Fluglärm und <strong>DFS</strong> – das scheint in der öffentlichen Wahrnehmung<br />

zusammenzugehören. Dabei hat die <strong>DFS</strong> weder einen<br />

Einfluss auf das Verkehrsaufkommen noch auf die eingesetzten<br />

Flugzeugtypen. Die <strong>DFS</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong> versucht<br />

alles, um die Lärmbelastung für die Bevölkerung so gering wie<br />

möglich zu halten. Doch ihr sind physikalische, betriebliche und<br />

rechtliche Grenzen gesetzt. Denn eines ist klar: Die Sicherheit<br />

der Flüge steht an erster Stelle.<br />

Ein bisschen ist es wie in dem<br />

Kinderspiel Schwarzer Peter.<br />

Da wird ein neuer Flughafen<br />

gebaut oder eine vierte Piste und<br />

dann, wenn es lauter zu werden droht,<br />

zeigen alle auf die Flug sicherung: Sie<br />

soll dafür sorgen, dass möglichst<br />

wenig Bürger von Fluglärm betroffen<br />

sind. Im Kinderspiel ist der Ausgang<br />

offen, in Sachen Lärmschutz<br />

landet der Schwarze Peter meist bei<br />

der <strong>Flugsicherung</strong>. Gerechtfertigt ist<br />

dies nicht: Die <strong>DFS</strong> hat von allen am<br />

Luftverkehr beteiligten Partnern die<br />

wenigsten Möglichkeiten, den Lärm<br />

zu beeinflussen.<br />

Die Aufgabe der <strong>Flugsicherung</strong> ist<br />

eine hoheitliche, geregelt in der Verfassung<br />

und dem Luftverkehrsgesetz<br />

der Bundesrepublik Deutschland. Die<br />

<strong>DFS</strong> ist als <strong>GmbH</strong> zwar organisationsprivatisiert,<br />

doch sie gehört zu 100<br />

Prozent dem Staat. Der Auftrag ist<br />

klar definiert: Die <strong>DFS</strong> soll den Flugverkehr<br />

in Deutschland sicher, pünktlich,<br />

kosteneffizient und umweltschonend<br />

regeln. Einfluss auf das Verkehrsaufkommen<br />

hat die <strong>Flugsicherung</strong> nicht.<br />

Auch welche Flugzeuge im Einsatz<br />

sind, kann sie nicht bestimmen.<br />

Die Ziele Sicherheit, Pünktlichkeit,<br />

Kosteneffizienz und Umweltschutz<br />

stehen oft nicht im Einklang miteinander.<br />

Was umweltschonend wäre,<br />

ist vielleicht nicht sicher. Was Kapazität<br />

schaffen könnte, ist vielleicht<br />

nicht kosteneffizient. Und selbst wenn<br />

man nur den Umweltaspekt betrachtet,<br />

gibt es Zielkonflikte. Was weniger<br />

Lärm verursacht, verursacht viel-<br />

4 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


leicht mehr Kohlendioxidemissionen.<br />

Flug sicherung – das ist nicht einfach<br />

mal die Entscheidung, statt linksherum<br />

rechtsherum zu fliegen. <strong>Flugsicherung</strong><br />

in Deutschland ist hochkomplex<br />

und kompliziert. Schließlich zählt<br />

der Luftraum der Bundesrepublik mit<br />

rund drei Millionen kontrollierten Flügen<br />

im Jahr zu den dichtest beflogenen<br />

weltweit. Wer so tut, als müsse<br />

allein die <strong>Flugsicherung</strong> das Lärmproblem<br />

lösen, macht es sich zu einfach.<br />

Alle Standards, die den Flugbetrieb<br />

betreffen, werden von der Internationalen<br />

Zivilluftfahrt-Organisation ICAO<br />

vorgegeben. Die <strong>DFS</strong> darf von diesen<br />

Standards nicht abweichen. Sie dienen<br />

der Sicherheit des Luftverkehrs.<br />

Jedes Flugverfahren muss grundsätzlich<br />

ICAO-konform sein. In den seltenen<br />

Ausnahmefällen, in denen die<br />

<strong>DFS</strong> die ICAO-Norm verlässt, sorgt<br />

das Bundesaufsichtsamt für <strong>Flugsicherung</strong><br />

(BAF) dafür, dass vorher alle<br />

Sicherheitsbewertungen positiv ausfallen.<br />

Was die Zielkonflikte betrifft, gilt<br />

es abzuwägen. Im Flughafennahbereich<br />

nimmt die <strong>DFS</strong> längere Routen in<br />

Kauf, um die Bevölkerung vor Lärm zu<br />

schützen. Auf der Strecke ermöglicht<br />

das Unternehmen weitgehend direktes<br />

Fliegen, sodass dort so wenig CO 2 wie<br />

möglich ausgestoßen wird.<br />

Trotz der schwierigen Umstände<br />

unternimmt die <strong>DFS</strong> täglich Anstrengungen,<br />

um zur Minderung von Fluglärm<br />

beizutragen. Verfahren und<br />

Routen werden so optimiert, dass<br />

möglichst wenige Anwohner darunter<br />

leiden. Wunder kann die <strong>DFS</strong><br />

allerdings nicht vollbringen. Im dicht<br />

besiedelten Deutschland kann es<br />

keine An- und Abflugrouten geben,<br />

von denen niemand betroffen ist. Das<br />

mussten schließlich auch die Anrainer<br />

des neuen Berliner Flughafens einsehen.<br />

Sie hatten bis zum Bundesverwaltungsgericht<br />

gegen die von der<br />

<strong>DFS</strong> geplanten Routen geklagt. Im<br />

Prozess bescheinigte das Bundesaufsichtsamt<br />

für <strong>Flugsicherung</strong> der <strong>DFS</strong><br />

eine vorbildliche Routenplanung, die<br />

unzumutbare Lärmauswirkungen auf<br />

ein Minimum beschränke. Die höchsten<br />

Verwaltungsrichter Deutschlands<br />

sahen das letztendlich ebenso.<br />

Der Streit in Berlin verdeutlicht, wie<br />

die <strong>DFS</strong> an internationale Standards<br />

gebunden ist. Die ICAO schreibt für<br />

den Parallelbetrieb der beiden Startund<br />

Landebahnen vor, dass die Abflugrouten<br />

aus Sicherheitsgründen nicht<br />

gerade, sondern um 15 Grad geknickt<br />

vom Flughafen wegführen. Würden die<br />

Flugzeuge gerade fliegen, kämen sie<br />

sich nämlich in der Luft zu nahe. Und<br />

genau diese 15 Grad lösten die Proteste<br />

in Berlin aus.<br />

Bei der <strong>DFS</strong> beschäftigen sich viele<br />

Experten aus der Unternehmenszentrale<br />

und aus den Niederlassungen<br />

damit, optimale, lärmarme Routen<br />

zu finden. Auch bereits bestehende<br />

An- und Abflugrouten werden ständig<br />

optimiert. Das bedeutet nicht zuletzt<br />

einen enormen finanziellen Aufwand<br />

für das Unternehmen. Jede Veränderung<br />

erfordert eine sorgfältige und<br />

gewissenhafte Planung und Zeit, Risiken<br />

auszuschließen.<br />

Eine besondere Herausforderung<br />

ist die Lärmminderung im dicht besiedelten<br />

Rhein-Main-Gebiet mit einem<br />

der verkehrsreichsten Flughäfen Europas.<br />

Für die Inbetriebnahme der vierten<br />

Bahn am Frankfurter Flughafen<br />

haben alle beteiligten Partner ein erstes<br />

Maßnahmenpaket „Aktiver Schallschutz“<br />

verabschiedet. Ein Bestandteil<br />

dieses Pakets ist, dass die <strong>DFS</strong><br />

im Probebetrieb verschiedene Verfahren<br />

zur Lärmminderung testet.<br />

So wird unter anderem steiler auf die<br />

Nordwest- Landebahn angeflogen –<br />

mit einem Gleitwinkel von 3,2 Grad<br />

statt des üblichen von drei Grad. Die<br />

Gegenanflüge hat die <strong>DFS</strong> um 1.000<br />

Fuß erhöht.<br />

Bei einem startenden Flugzeug<br />

beeinflusssen viele Faktoren, wie<br />

schnell es steigt. Das ist nicht allein<br />

vom Schub abhängig, sondern auch<br />

vom Flugzeugtyp, der Beladung und<br />

der Lufttemperatur. Ein voll beladener<br />

Großraumjet mit Treibstoff für<br />

einen Langstreckenflug an Bord, der<br />

an einem heißen Sommertag startet,<br />

wird trotz aller Bemühungen<br />

nicht schnell an Höhe gewinnen. Die<br />

Gesetze der Physik lassen sich nicht<br />

aushebeln.<br />

All die lärmmindernden Maßnahmen<br />

sollen die Kapazität des Frankfurter<br />

Flughafens nicht einschränken.<br />

Schließlich wurde die vierte Piste<br />

extra gebaut, um mehr Flugbewegungen<br />

zu ermöglichen und somit<br />

die Konkurrenzfähigkeit des größten<br />

deutschen Flughafens zu erhalten.<br />

Die Luftfahrt ist ein zentraler Standortfaktor<br />

und ein Wirtschaftsmotor in<br />

Europa: Rund acht Millionen Arbeitsplätze<br />

hängen direkt oder indirekt vom<br />

Luftverkehr ab.<br />

Das Bedürfnis der Bevölkerung<br />

nach Mobilität ist ungebrochen. Überall,<br />

wo geflogen wird, entstehen Lärm<br />

und Kohlendioxid. Schuld daran ist<br />

nicht die <strong>DFS</strong>, denn die generiert keinen<br />

Flugverkehr. Auch Airlines und<br />

Flughafenbetreiber sind nur mittelbare<br />

Verursacher von Fluglärm und Emissionen.<br />

Die wahren Verursacher sind<br />

jene, die das Flugzeug als Verkehrsmittel<br />

nutzen und Güter, die per Luftfracht<br />

transportiert werden, kaufen.<br />

Ein Schwarzer Peter für alle.<br />

Sandra Ciupka<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 5


<strong>DFS</strong> und Umweltschutz<br />

Mittler im Minenfeld<br />

Umweltmanagement – dieses Thema verantwortet in der <strong>DFS</strong> der Bereich Politische Angelegenheiten.<br />

Die sechs Mitarbeiter informieren, beraten und repräsentieren. Sie sind Interessensvertreter<br />

und Vermittler. Und das meist in einem gesellschaftspolitischen Minenfeld: Fluglärm.<br />

6 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


Faszination Fliegen? Davon<br />

bleibt für Fabio Ramos nach<br />

zehn Jahren <strong>DFS</strong> nicht mehr<br />

viel übrig. Der Jurist leitet bei der<br />

<strong>DFS</strong> den Bereich Politische Angelegenheiten<br />

und ist damit auch für das<br />

Umweltmanagement des Unternehmens<br />

verantwortlich. Ramos hat es<br />

beruflich nicht mit Menschen zu tun,<br />

die erfreut von ihrer letzten Flugreise<br />

berichten oder vom Rundflug mit der<br />

„Tante JU“. Nicht mit Anrufern, die sich<br />

dafür bedanken, dass die deutschen<br />

Fluglotsen jährlich rund drei Millionen<br />

Flüge sicher leiten. Viele, mit denen er<br />

in Kontakt steht, sind nicht gut auf die<br />

<strong>DFS</strong> zu sprechen. Sie machen die <strong>DFS</strong><br />

für Fluglärm verantwortlich – seien es<br />

Mandatsträger, Vertreter von Verbänden,<br />

Umweltgruppen oder Nichtregierungsorganisationen.<br />

Fluglärm und <strong>DFS</strong> scheinen in der<br />

öffentlichen Wahrnehmung zusammenzugehören.<br />

„Unsere Herkulesaufgabe<br />

ist es, klarzustellen, dass der<br />

Beitrag, den die <strong>DFS</strong> zur Minderung<br />

von Fluglärm leisten kann, verhältnismäßig<br />

gering ist“, sagt Fabio Ramos.<br />

Der Verkehr sei nun mal da – Wunder<br />

kann die <strong>Flugsicherung</strong> nicht vollbringen.<br />

Wer das Wort „Straßenverkehrslärm“<br />

in Google eingibt, bekommt<br />

34.700 Treffer angezeigt. Wer nach<br />

„Fluglärm“ sucht, wird 1.550.000-mal<br />

fündig. Das zeigt schon die Dimension,<br />

die das Thema in manchen Regionen<br />

eingenommen hat. „Fluglärm scheint<br />

für viele Menschen die schlimmste<br />

Form des Lärms zu sein“, sagt Fabio<br />

Ramos. Das bekommen er und seine<br />

Mitarbeiter täglich zu spüren. Die Aufgaben<br />

seines Bereichs erfordern deshalb<br />

hohe kommunikative Kompetenzen.<br />

Dazu gehört auch: Ruhig bleiben,<br />

wenn es unsachlich wird – was sehr<br />

oft der Fall ist, Verständnis zeigen und<br />

manchmal einfach nur zuhören.<br />

So machen es auch Gudrun Stahr<br />

und Miguel Benedicto, die als Fluglärm-<br />

und Umweltsachbearbeiter in<br />

Ramos’ Team deutschlandweite Anfragen<br />

und Fluglärmbeschwerden entgegennehmen<br />

– schriftlich oder per Telefon.<br />

„Viele Bürger, die anrufen, sind<br />

sehr verärgert und wütend. Ich höre<br />

immer erst mal nur zu, bis sie sich ein<br />

wenig beruhigt haben“, sagt Gudrun<br />

Stahr. Die Zahl der Beschwerden ist<br />

besonders hoch, wenn beispielsweise<br />

die Betriebsrichtung der Pisten am<br />

Frankfurter Flughafen wechselt.<br />

Viele Beschwerden betreffen<br />

Flüge, für die die <strong>DFS</strong><br />

nicht zuständig ist.<br />

Gelegentlich müssen sich die Fluglärmsachbearbeiter<br />

sogar Beschimpfungen<br />

anhören. In anderen Fällen<br />

übernehmen Benedicto und Stahr<br />

eher seelsorgerische Rollen. Nämlich<br />

dann, wenn die subjektiv empfundene<br />

Belastung extreme Züge zeigt. Etwa<br />

bei einem Pianisten, der an der Mosel<br />

lebt und der laut eigener Aussage so<br />

sehr unter Fluglärm leidet, dass er<br />

berufsunfähig ist. Oder bei dem Mann,<br />

der schildert, wie seine krebskranke<br />

Frau immer ein unangenehmes Kribbeln<br />

im Arm verspürt, wenn sie ein<br />

Flugzeug hört.<br />

Zudem kämpfen die beiden Fluglärmsachbearbeiter<br />

beinahe täglich<br />

gegen Verschwörungstheorien und<br />

andere Vorurteile an: So glauben<br />

einige Bürger, die Kondensstreifen<br />

bestünden aus Chemikalien, die von<br />

der Regierung versprüht werden. Sie<br />

nennen sie Chemtrails und fühlen sich<br />

von ihnen bedroht. Andere sind der<br />

irrigen Meinung, Flugzeuge ließen vor<br />

jeder Landung Kerosin ab. „Oft betreffen<br />

die Beschwerden auch Privatflugzeuge<br />

und militärisches Fluggerät<br />

– obwohl die <strong>DFS</strong> dafür nicht unmittelbar<br />

zuständig ist“, sagt Miguel Benedicto.<br />

Die <strong>DFS</strong> ist laut Umweltinformationsgesetz<br />

dazu verpflichtet, soweit<br />

möglich, alle Anfragen zu beantworten.<br />

Manchmal missbrauchen Bürger<br />

diese Auskunftspflicht und überhäufen<br />

die <strong>DFS</strong> mit vorgefertigten Massenbriefen.<br />

Andere verlangen Auskünfte,<br />

deren Sinn nicht nachvollziehbar ist<br />

und deren Beantwortung für die <strong>DFS</strong><br />

mit erheblichem Aufwand verbunden<br />

ist. Der Missbrauch wird allerdings<br />

dadurch eingedämmt, dass eine Antwort<br />

der <strong>DFS</strong> kostenpflichtig ist, und<br />

zwar dann, wenn sie mit Aufwand verbunden<br />

ist.<br />

Gregor Thamm und Christian Zwiener<br />

haben es in der Regel mit einer<br />

anderen Klientel als die Fluglärmsachbearbeiter<br />

zu tun. Die beiden Referenten<br />

im Umweltmanagement vertreten<br />

die <strong>DFS</strong> in verschiedenen nationalen<br />

und internationalen Arbeitsgruppen<br />

– etwa im europäischen <strong>Flugsicherung</strong>sprogramm<br />

SESAR oder im Bundesverband<br />

der deutschen Luftverkehrswirtschaft.<br />

„Bei meiner Arbeit<br />

geht es insbesondere darum, ausgewählte<br />

Neuerungen im Bereich Air<br />

Traffic Management auf ihre Umwelteffekte<br />

zu untersuchen“, so Gregor<br />

Thamm.<br />

Dabei stehen primär Lärm- und<br />

CO 2 -Emissionen im Fokus. „In den<br />

Arbeitsgruppen steht immer der Beitrag<br />

oder Anteil der <strong>Flugsicherung</strong> an<br />

einzelnen Umweltauswirkungen im<br />

Luftverkehr zur Diskussion.“ Thamm<br />

vertritt in den Gremien die Interessen<br />

der <strong>DFS</strong> – und umgekehrt bringt er<br />

wichtige und kritische Themen, die die<br />

<strong>DFS</strong> betreffen, ins Unternehmen.<br />

Christian Zwiener hat als Ingenieur<br />

der Fachrichtung Technische Phy-<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 7


<strong>DFS</strong> und Umweltschutz<br />

Angelegenheiten. Natürlich ist sie<br />

dabei keine neutrale Expertin, sondern<br />

zu ihrer Aufgabe gehört es, die<br />

Position der <strong>DFS</strong> zu vertreten. Rathgeber<br />

hält Kontakt zu Politikern und<br />

unterhält über die in Brüssel vertretenen<br />

Unternehmen und etwa den Bundesverband<br />

der deutschen Luftverkehrswirtschaft<br />

ein internationales<br />

sowie nationales Netzwerk. Bei ihrer<br />

Arbeit geht es zwar auch um Fluglärm<br />

und CO 2 -Emissionen, doch oft<br />

stellen sich viel grundsätzlichere Fragen,<br />

etwa zum Thema Infrastruktur.<br />

Wie bei ihren Kollegen geht es auch<br />

bei Sina Rathgebers Aufgabe darum,<br />

Themen von außen in die <strong>DFS</strong> zu tragen.<br />

„Wir müssen beispielsweise wissen,<br />

was die EU-Kommission vorhat“,<br />

so die Referentin.<br />

Beschäftigt sich hauptsächlich mit Fluglärm: Fabio Ramos<br />

sik nicht nur eine wichtige Funktion in<br />

verschiedenen externen Arbeitsgruppen,<br />

sondern berät auch <strong>DFS</strong>-intern<br />

zum Thema Umwelt. Er schult Fluglotsen-Trainees,<br />

um sie für das Thema<br />

Lärm und CO 2 -Reduktion zu sensibilisieren<br />

und ist Ansprechpartner für<br />

flugbetriebliche Fragen – etwa, wenn<br />

es um Leistungsdaten oder Schallabstrahlung<br />

von Flugzeugtypen geht.<br />

Vieles, was Laien<br />

vorschlagen, ist nicht<br />

umsetzbar.<br />

Gregor Thamm und Christian Zwiener<br />

haben die schwierige Aufgabe,<br />

das komplexe Thema <strong>Flugsicherung</strong><br />

so darzustellen, dass es auch jene verstehen,<br />

die beruflich damit nichts zu<br />

tun haben. Denn vieles, was in Arbeitsgruppen<br />

oder den Lärmkommissionen<br />

von <strong>Flugsicherung</strong>slaien vorgeschlagen<br />

wird, ist in der Praxis nicht<br />

umsetzbar oder würde die Kapazität<br />

Fotos: Sascha Rheker<br />

zu sehr einschränken. „Meine Aufgabe<br />

ist es, die Vor- und Nachteile von Verfahrensänderungen<br />

zu erläutern“, sagt<br />

Zwiener.<br />

Für die meisten Politiker ist <strong>Flugsicherung</strong><br />

ein Buch mit sieben Siegeln.<br />

Dennoch müssen sie auch zu diesem<br />

Thema wichtige Entscheidungen treffen<br />

– sei es auf kommunaler, landespolitischer<br />

oder nationaler Ebene. An<br />

dieser Stelle kommt die Aufgabe von<br />

Sina Rathgeber und Fabio Ramos ins<br />

Spiel. Die beiden stehen als Ansprechpartner<br />

für Mandatsträger bereit –<br />

Sina Rathgeber hauptsächlich auf dem<br />

europäischen Parkett, ihr Chef in Berlin.<br />

Ihre Expertenmeinung ist beispielsweise<br />

bei kleinen Anfragen in den Landesparlamenten<br />

oder im Bundestag<br />

gefragt. Auch der Petitionsausschuss<br />

greift oft auf ihr Fachwissen zurück.<br />

„Gerade in so einem Superwahljahr<br />

richten viele Politiker Fragen zum<br />

Thema Umwelt an uns“, sagt Sina<br />

Rathgeber, Referentin für Politische<br />

Das Umweltmanagement-Team ist<br />

hauptsächlich für die Fluglärmproblematik<br />

im Einsatz. „Damit sind unsere<br />

Kapazitäten zu 99 Prozent gebunden“,<br />

sagt Fabio Ramos. Wenig Zeit bleibt<br />

für andere Aufgabengebiete wie etwa<br />

ein Konzept für Nachhaltigkeit, das<br />

Aspekte wie Abfall, Wasser und Energie<br />

beinhaltet. Der Aufwand, den die<br />

<strong>DFS</strong> derzeit mit dem Thema Fluglärm<br />

betreibe, sei enorm, betont der Jurist.<br />

„Doch trotz dieses Aufwands hat die<br />

<strong>Flugsicherung</strong> leider geringe Möglichkeiten,<br />

das Lärmaufkommen zu beeinflussen.“<br />

Sandra Ciupka<br />

8 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


Betrieb<br />

Diplomatische Mission<br />

Flugrouten, Verfahren und Fluglärm – das ist das Metier von Andre Biestmann. Der ehemalige<br />

Fluglotse leitet den <strong>DFS</strong>-Bereich ATM Operations and Strategy. Zu seiner Aufgabe gehört politisches<br />

Geschick: Biestmann ist oberster Betriebler der <strong>DFS</strong> in Sachen Fluglärm und Vorsitzender<br />

der Expertengruppe Aktiver Schallschutz des Forums Flughafen & Region in FRA. transmission<br />

hat den Chef-Verfahrensplaner einen Tag lang begleitet.<br />

Andre Biestmann ist Frühaufsteher.<br />

Trotzdem kommt er<br />

an diesem Donnerstagmorgen<br />

zu spät zum Tagungshotel Domhof<br />

in Speyer. Kein Wunder, denn als<br />

er um kurz nach neun Uhr eintrifft, hat<br />

er bereits zwei Stunden Arbeit hinter<br />

sich. In seinem Büro in Langen hat er<br />

schon die Post abgearbeitet, dann<br />

folgte eine Besprechung. Außerdem<br />

mussten noch zwei kurzfristige Anfragen<br />

aus dem Betrieb beantwortet werden,<br />

bevor er sich mit dem Auto auf<br />

den Weg nach Speyer machen konnte.<br />

Um neun Uhr hätte die Vorbesprechung<br />

zur zweitägigen Klausur der<br />

Expertengruppe Aktiver Schallschutz<br />

beginnen sollen. Silvia Schütte vom<br />

Öko-Institut, Manfred Ockel, Bürgermeister<br />

der Stadt Kelsterbach, und<br />

Günter Lanz, Geschäftsführer des<br />

Umwelthauses, warten bereits auf<br />

den Vorsitzenden der Gruppe. Um<br />

Viertel nach neun hastet Biestmann<br />

in den zweiten Stock des Tagungshotels,<br />

stellt seinen Pilotenkoffer, seinen<br />

Rucksack und seine dicke Aktentasche<br />

ab – und los geht’s.<br />

Andre Biestmann ist als Leiter des<br />

Bereich ATM Operations & Strategy<br />

der oberste Betriebler der <strong>DFS</strong> in<br />

Sachen Fluglärm. Alle Verfahren, alle<br />

Flugrouten laufen über seinen Schreibtisch.<br />

Seit 2009 macht er diesen Job.<br />

Angefangen hat seine Laufbahn bei<br />

der <strong>DFS</strong> als Fluglotse im Center Bremen.<br />

Dann übernahm er immer mehr<br />

Managementaufgaben, war Projektleiter,<br />

Wachleiter und Leiter des Operativen<br />

Büros. Schließlich zog es ihn nach<br />

Langen in die Unternehmenszentrale.<br />

„Fluglotse zu sein war schön, aber<br />

ich gestalte gern. Und für das, was<br />

ich jetzt mache, ist die Vorbildung als<br />

Fluglotse absolut obligatorisch“, sagt<br />

er. Für seine Frau und die drei Kinder<br />

war der Umzug vom ländlichen Norden<br />

ins dicht besiedelte Rhein-Main-Gebiet<br />

nicht leicht. „Wir waren das weite Land<br />

gewöhnt, deshalb war das Wohnen im<br />

Reihenhaus eine große Umstellung.“<br />

Ein Diplomat, der es niemandem recht machen kann:<br />

Chef-Verfahrensplaner Andre Biestmann.<br />

Biestmann leitet in Speyer als Vorsitzender<br />

der Expertengruppe die<br />

zweitägige Klausurtagung. Der Kelsterbacher<br />

Bürgermeister Manfred<br />

Ockel, stellvertretender Vorsitzender,<br />

unterstützt ihn dabei. Die Teilnehmer<br />

wollen besprechen, welche Vorhaben<br />

in den kommenden fünf Jahren<br />

am Frankfurter Flughafen umgesetzt<br />

werden können. Die verschiedenen<br />

Arbeitsgruppen stellen die ersten<br />

Ergebnisse der Schallschutzmaßnahmen<br />

vor.<br />

Die Expertengruppe ist bunt zusammengewürfelt:<br />

Aktive und ehemalige<br />

Piloten zählen ebenso dazu wie Politiker,<br />

Vertreter des Flughafens Frankfurt,<br />

des Umweltbundesamtes, des<br />

Öko-Instituts, des <strong>Deutsche</strong>n Zentrums<br />

für Luft- und Raumfahrt sowie<br />

der Anrainergemeinden. Die Experten<br />

kennen sich inzwischen gut, viele sind<br />

per Du, die Atmosphäre ist kollegial.<br />

Doch auch an diesem Tag ist immer<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 9


Betrieb<br />

wieder zu spüren, dass die Blickwinkel<br />

und Interessen der Mitglieder unterschiedlicher<br />

nicht sein könnten. Was<br />

vorteilhaft für die Stadt Neu-Isenburg<br />

wäre, ist vielleicht weniger gut für<br />

Frankfurt. Was Offenbach entlasten<br />

könnte, verschlechtert vielleicht die<br />

Situation in Hanau. Die Piloten verweisen<br />

auf ihre Handbücher, die Bürgermeister<br />

auf ihre Wähler. Andre Biestmann<br />

ist quasi mittendrin. Und bleibt<br />

gelassen.<br />

Etwa, als er die in Planung befindlichen<br />

Abflugstrecken bei Ostwind vorstellt.<br />

Eine Route sieht vor, dass die<br />

Flugzeuge sehr lange Richtung Osten<br />

fliegen, bevor sie nach Norden abdrehen<br />

können. In der Expertengruppe<br />

kommt die Frage auf, ob auch solche<br />

Flugzeuge, die eigentlich nach Westen<br />

wollen – beispielsweise die Jets Richtung<br />

USA – für diese lange Route vorgesehen<br />

sind. Allein dies zu erwägen<br />

müsste jeden Airline-Vertreter oder<br />

Verfahrensplaner innerlich erschaudern<br />

lassen – schließlich ist kilometerlang<br />

in die falsche Richtung zu fliegen<br />

auch aus ökologischer Sicht mehr<br />

als fragwürdig. Doch jemand aus der<br />

Gruppe ist durchaus dafür, dass auch<br />

die Jets mit Zielen im Westen die ultralange<br />

Route nehmen könnten. Und<br />

Biestmann? Er bleibt diplomatisch.<br />

Und lächelt.<br />

Biestmann lächelt überhaupt sehr<br />

viel. Der 46-Jährige strahlt eine norddeutsche<br />

Gelassenheit aus. Gleich zu<br />

Beginn der Tagung hat er noch einmal<br />

erläutert, dass die <strong>DFS</strong> nicht einfach<br />

schnell Flugverfahren ändern kann:<br />

Alles muss vom Bundesaufsichtsamt<br />

für <strong>Flugsicherung</strong> genehmigt werden.<br />

„Das BAF fordert für jede Änderung<br />

eine Sicherheitsbewertung“, sagt<br />

Biestmann. Kann das segmentierte<br />

Anflugverfahren noch ausgeweitet<br />

werden? Welche Vorteile bringt die<br />

Einführung des Ground Based Augmentation<br />

System in Frankfurt? Gibt<br />

es schon erste Erkenntnisse zum steileren<br />

Anflugwinkel auf die neue Nordwest-Bahn?<br />

All diese Fragen werden<br />

am Vormittag besprochen. Zwischendurch<br />

muss sich der Vorsitzende eine<br />

kurze Auszeit nehmen und eine halbe<br />

Stunde lang seiner anderen Arbeit bei<br />

der <strong>DFS</strong> nachgehen. Manfred Ockel als<br />

Co-Vorsitzender übernimmt, Biestmann<br />

baut ein provisorisches Büro<br />

im Nebenraum auf, telefoniert und<br />

schreibt Kommentare zu geänderten<br />

Routen in Nordbayern, die demnächst<br />

veröffentlicht werden sollen. Dann faxt<br />

er das Ganze an seine Mitarbeiter in<br />

Langen.<br />

Schließlich ist Zeit für die Mittagspause.<br />

Biestmann kommt als letzter<br />

im Restaurant an, weil er sich noch<br />

kurz mit der Kollegin vom Öko-Institut<br />

besprechen musste. Er sitzt neben<br />

den Experten von Condor und Lufthansa,<br />

zwei Flugkapitänen. Auch der<br />

Leiter Infrastruktur von Fraport und<br />

der Vertreter der Vereinigung Cockpit<br />

haben an dem Tisch Platz genommen.<br />

Auszeit von der Tagung: Andre Biestmann in seinem provisorischen Büro. Fotos: Melanie Bauer<br />

10 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


Der Chef-Verfahrensplaner bei einer seiner wichtigsten Tätigkeiten: Er erläutert neue Flugrouten.<br />

Auch während des Essens sprechen<br />

sie über Verfahren – über die Steigrate<br />

der startenden Jets beispielsweise.<br />

Am Nachmittag wird Andre Biestmann<br />

seinen Vortrag über die neuen<br />

Abflugrouten bei Betriebsrichtung 07<br />

halten. Doch davor bekommt er die<br />

Post aus Langen. Perica Peric vom<br />

Teamsupport bringt den dicken Stapel<br />

an Postmappen vorbei. „Wenn ich<br />

in der Nähe von Langen bin, machen<br />

wir das immer so“, sagt Biestmann.<br />

Auch am zweiten Tag der Klausur wird<br />

Peric wieder als Bote fungieren. Biestmann<br />

erwartet ihn dann morgens um<br />

neun Uhr in Speyer.<br />

Nachmittags diskutieren die Teilnehmer<br />

nochmals engagiert. Die Vertreter<br />

der Lufthansa würden gern<br />

eine Änderung im Flugbetrieb, die die<br />

größte deutsche Fluglinie eingeführt<br />

hat, als Schallschutzmaßnahme einbringen:<br />

Lufthansa-Jets steigen mit<br />

weniger Schub und damit mutmaßlich<br />

leiser. Die Aufnahme dieser Änderung<br />

in den Katalog der Schallschutzmaßnahmen<br />

hätte zur Folge, dass<br />

die Expertengruppe diese Änderungen<br />

beobachtet und bewertet. Doch<br />

damit hat der Bürgermeister ein Problem.<br />

Er führt an, die Luftfahrtbranche<br />

hätte die Maßnahme eingebracht, um<br />

Kerosinkosten zu reduzieren, nicht um<br />

die Bürger zu entlasten. Viele können<br />

nicht nachvollziehen, weshalb es nicht<br />

dennoch unter die Fittiche der Expertengruppe<br />

kommen soll.<br />

Gegen 17 Uhr sind die Diskrepanzen<br />

dann aber beigelegt. Andre Biestmann<br />

und Manfred Ockel verabschieden<br />

einen Lufthansa-Vertreter, der<br />

die Expertengruppe wegen eines Jobwechsels<br />

verlässt. Danach löst sich<br />

die Versammlung auf. Biestmann wird<br />

gleich zusammen mit den anderen an<br />

einer Stadtführung teilnehmen. Ein<br />

gemeinsames Essen schließt daran<br />

an. Das Thema Fluglärm wird ihn an<br />

diesem Abend noch lange begleiten.<br />

Und auch am nächsten Tag. Wenn<br />

frühmorgens am Frankfurter Flughafen<br />

die ersten Jets starten, geht es<br />

für Biestmann wieder los.<br />

Sandra Ciupka<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 11


Betrieb<br />

Designer mit Korsett<br />

Gesetze. Verordnungen. Vorgaben. Physikalische Gesetzmäßigkeiten. Örtliche Besonderheiten.<br />

Mögliche Lärmauswirkungen. Und alles soll auch noch gleichzeitig bedacht und gleichwertig behandelt<br />

werden. Wieviel Handlungsspielraum bleibt da noch? Was nach einer verfahrenen Situation<br />

klingt, ist für die Verfahrensplaner der <strong>DFS</strong> tägliches Geschäft und Grundlage ihrer Arbeit. Dennoch<br />

gelingt es ihnen, jährlich bis zu 60 Flugverfahren zu ändern, zu bearbeiten oder neu zu entwerfen.<br />

12 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


Wie die routinierte Kontrolle<br />

von täglich mehr als 9.000<br />

Flügen am deutschen Himmel<br />

durch die Fluglotsen gehört auch<br />

das Planen von Flugverfahren zum<br />

alltäglichen Geschäft der <strong>DFS</strong>. Nicht<br />

immer liegen Notwendigkeit und Nachvollziehbarkeit<br />

dafür so offen auf der<br />

Hand wie bei der neuen Landebahn<br />

Nordwest in Frankfurt oder, ganz aktuell,<br />

beim Bau des Berliner Willy-Brandt-<br />

Flughafens.<br />

So, wie das Straßenverkehrsnetz<br />

immer wieder an neue Anforderungen<br />

angepasst wird, ist auch das<br />

Luftstraßennetz nicht für die Ewigkeit<br />

geschaffen. Bei dem einen führen<br />

Bürgerentscheide zum Bau von<br />

Umgehungsstraßen, bei dem anderen<br />

sind es Empfehlungen von Fluglärmkommissionen,<br />

die Änderungen<br />

an Flugverfahren herbeiführen oder<br />

Gerichtsurteile, die wichtige Aussagen<br />

zu Flugrouten treffen. Erfordert<br />

dort zunehmender Verkehr das Einrichten<br />

einer Ampelkreuzung, sind es<br />

in der Luftfahrt technologische Weiterentwicklungen<br />

z. B. der Satellitennavigation,<br />

wegen der ein Flugverfahren<br />

neu geplant werden muss. Oder<br />

die neue technische Ausstattung von<br />

Flugzeugen. Die Einrichtung von Flugbeschränkungsgebieten.<br />

Gesetzesänderungen.<br />

Oder Veränderungen im<br />

europäischen Verkehrsnetz, auf die<br />

die „Airspace Design“-Mitarbeiter der<br />

<strong>DFS</strong> reagieren müssen.<br />

„Für die wenigsten Verfahrensänderungen<br />

geben flugsicherungsbedingte<br />

Gründe den Ausschlag“, berichtet Verfahrensplaner<br />

Robert Ertler. Überwiegend<br />

gäben externe Entwicklungen<br />

den Anstoß, ein Verfahren zu überarbeiten.<br />

Seit 14 Jahren „designt“ der<br />

frühere Militärlotse den Luftraum über<br />

Deutschland – derzeit unter anderem<br />

auch den über Berlin. Für ihn und seine<br />

rund 30 Kollegen kommt die tägliche<br />

Arbeit einem Balanceakt gleich. Einem<br />

ständigen Abwägen zwischen dem<br />

Entwickeln von Flugwegen, auf denen<br />

der Verkehr sicher abgearbeitet werden<br />

kann – und ihrer Auswirkung auf<br />

das übrige Streckennetz. Zwischen<br />

der physikalischen Fliegbarkeit eines<br />

Verfahrens – und der Beachtung von<br />

Lärmschutzaspekten. Zwischen dem<br />

Einhalten gesetzlicher Grundlagen –<br />

und dem Berücksichtigen der wirtschaftlichen<br />

Aspekte, wie sie von Flughäfen<br />

und Airlines geäußert werden.<br />

Leitplanken ihrer Tätigkeit bilden<br />

die Paragraphen 27c und 29b des<br />

Luftverkehrsgesetzes. Der eine gibt<br />

die „sichere, geordnete und flüssige<br />

Abwicklung des Flugverkehrs“ vor, der<br />

andere betont den Schutz der Bevölkerung<br />

vor unzumutbarem Fluglärm.<br />

Laut Rechtsprechung kommt insbesondere<br />

dem Sicherheitsaspekt eine<br />

überragende Bedeutung zu.<br />

„Unser Handlungsspielraum<br />

ist nicht so groß, wie<br />

die Öffentlichkeit häufig<br />

denkt. Er ist extrem limitiert,<br />

wie in einem Korsett.“<br />

Auch wenn der mediale Aufschrei<br />

zuweilen harsch ausfällt und neue<br />

An- oder Abflugrouten oft auch neue<br />

(Lärm-)Betroffenheiten schaffen, so<br />

geht in den kontrovers geführten<br />

Debatten meist unter, welches Bündel<br />

an Überlegungen dem Festlegen einer<br />

Flugroute vorausgeht. Wie im Falle<br />

eines Flughafenneubaus, der neue<br />

Ein-, An- und Abflugverfahren nötig<br />

macht. Nicht involviert ist die <strong>DFS</strong><br />

beim Fällen einer standortpolitischen<br />

Entscheidung darüber, wo ein Flughafen<br />

aus- oder neu gebaut werden soll.<br />

Ebenso wenig Einfluss hat sie auf den<br />

späteren Flottenmix der Fluggesellschaften,<br />

die Flugpläne oder die Flughafenkapazität.<br />

„Im Grunde genommen<br />

beschränkt sich unsere Arbeit<br />

darauf, einmal zugelassenen Verkehr<br />

so zu verteilen, dass er von unseren<br />

Lotsen sicher und geordnet gearbeitet<br />

werden kann“, bringt es Ertler auf<br />

den Punkt.<br />

Er selbst sieht sich als „Handlungsreisender<br />

in Sachen <strong>Flugsicherung</strong>“,<br />

als Mittler zwischen Lotsen und Fluglärmkommissionen.<br />

„Unser Handlungsspielraum<br />

ist nicht so groß, wie die<br />

Öffentlichkeit häufig denkt. Er ist extrem<br />

limitiert, wie in einem Korsett –<br />

auch wenn für manchen der Himmel<br />

grenzenlos scheint“, sagt er. Zudem<br />

reagiere die Bevölkerung immer sensibler<br />

auf Fluglärm, weshalb seine<br />

kommunikativen Fähigkeiten in den<br />

vergangenen drei Jahren immer wichtiger<br />

geworden seien. „Das Schöne an<br />

meinem Job ist: Ich muss niemandem<br />

ein X für ein U vormachen. Ich sage,<br />

was Sache ist. Und das schafft Vertrauen,<br />

auch wenn ich es niemals allen<br />

recht machen kann.“<br />

Ins Spiel kommt die <strong>DFS</strong> erst im<br />

Planfeststellungsverfahren, wenn<br />

bereits wichtige Entscheidungen wie<br />

die Lage von Start- und Landebahnen<br />

stehen. Dann ist die <strong>DFS</strong> aufgefordert,<br />

eine fachliche Einschätzung für<br />

ein Flugroutengrobkonzept zu geben.<br />

„Allerdings ist vielen nicht klar“, weist<br />

Ertler hin, „dass Flugrouten nicht mit<br />

planfestgestellt werden, weil sie in<br />

diesem Stadium nur vorläufig sind.“<br />

Konkreter wird es erst viel später. Bis<br />

dahin seien viele einzelne Schritte zu<br />

gehen, bei denen insbesondere örtliche<br />

Belange eine große Rolle spielten:<br />

„Jedes Verfahren hat seine Besonderheiten.“<br />

Grundsätzlich entwirft die örtliche<br />

Niederlassung ein erstes Modell<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 13


Betrieb<br />

für die grobe Sektoreinteilung und<br />

die Verkehrsverteilung. Im Anschluss<br />

übernehmen die Verfahrensplaner aus<br />

der Unternehmenszentrale um Ertler &<br />

Co. den Feinschliff und prüfen: Reicht<br />

der kontrollierte Luftraum aus? Ist die<br />

Struktur effizient? Sind militärische<br />

und VFR-Flüge ausreichend berücksichtigt?<br />

Im nächsten Schritt schließen<br />

sie die Bevölkerungsdichte mit ein und<br />

ermitteln, wie viele Menschen von den<br />

neuen An- und Abflugstrecken betroffen<br />

wären. Auf dieser Basis entwerfen<br />

sie eine Vielzahl von Varianten, die<br />

bereits im Hinblick darauf überprüft<br />

werden, ob sie auch in der betrieblichen<br />

Umsetzung funktionieren.<br />

Die Verfahrensplaner der <strong>DFS</strong> verteilen den vorhandenen Verkehr so, dass er von den<br />

Lotsen sicher und geordnet gearbeitet werden kann. Klingt einfach, ist es aber nicht.<br />

Alle Varianten werden dann in einer<br />

Schnellzeitsimulation miteinander verglichen.<br />

In relativ kurzer Zeit durchläuft<br />

der verkehrsreichste Tag des<br />

Vorjahres die Software, die mögliche<br />

Konfliktsituationen aufdeckt, Auskunft<br />

über die Verkehrsverteilung gibt und<br />

so eine Aussage über die kapazitative<br />

Umsetzbarkeit der verschiedenen Varianten<br />

zulässt. Daran an schließt sich<br />

ein weiteres Simulationsprogramm:<br />

das Noise Impact Reduction and Optimisation<br />

System, kurz NIROS. Es<br />

simuliert die Lärmbelastung, die bei<br />

gleichem Schallpegel bei hoher Bevölkerungsdichte<br />

um so größer ausfällt.<br />

Anschließend werden die einzelnen<br />

Varianten in die deutlich aufwändigere<br />

Realzeitsimulation überführt, die<br />

einiges an Personal beansprucht: Am<br />

Simulator fliegt etwa zwei Tage lang<br />

der geplante Flottenmix in „Echtzeit“<br />

den Flughafen an, während erfahrene<br />

Fluglotsen die Verfahrensmodelle auf<br />

ihre Praxistauglichkeit hin testen.<br />

Jeder Schritt schließt mit einem<br />

Ergebnisbericht ab. Am Ende steht ein<br />

Abschlussbericht, in dem die <strong>DFS</strong> verschiedene<br />

Flugroutenvarianten inklusive<br />

ihrer betrieblichen Auswirkungen<br />

darstellt. Den stellt sie der örtlichen<br />

Fluglärmkommission (FLK) vor. Die<br />

FLK wiederum, bestehend aus Vertretern<br />

der Gemeinden, Fluggesellschaften<br />

und Flughafenbetreibern, berät<br />

die <strong>DFS</strong> insbesondere im Hinblick auf<br />

den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm.<br />

Das Ergebnis bildet ein soge-<br />

14 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


nanntes Abwägungsdokument, das<br />

dem Bundesaufsichtsamt für <strong>Flugsicherung</strong><br />

(BAF) vorgelegt wird und das<br />

aus mehreren Komponenten besteht:<br />

der grafischen Darstellung und Gegenüberstellung<br />

der Verfahrensvarianten,<br />

einer Begründung für das von der <strong>DFS</strong><br />

favorisierte Verfahren, der Besiedlungsdichte<br />

und der grafischen Abbildung<br />

der Betroffenheiten. Das BAF<br />

prüft die Argumentation und bindet<br />

verpflichtend auch das Umweltbundesamt<br />

in die Meinungsbildung ein.<br />

Ebenso wird in diesem Schritt das<br />

Bundesministerium der Justiz Teil des<br />

Abwägungsprozesses, in dem es die<br />

Einhaltung der formalen Verfahrensregeln<br />

bestätigt. Ein aufwändiger Prozess,<br />

der drei Dinge zusammenbringen<br />

soll: das gesellschaftliche Streben<br />

nach Mobilität, die Bedürfnisse von<br />

Fluglärmbetroffenen und die Wünsche<br />

der Luftfahrtbranche. Nach eigener<br />

Abwägung legt das BAF die Flugrouten<br />

durch Rechtsverordnung fest. Dies<br />

geschieht für durchschnittlich 60 Verfahren<br />

pro Jahr, wovon einzelne wiederum<br />

eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen<br />

subsumieren können – bis zu 160<br />

am Beispiel Frankfurt.<br />

Flugrouten sind Ideallinien.<br />

Die Piloten können<br />

bis zu mehrere hundert<br />

Meter davon abweichen.<br />

Robert Ertler Fotos: Melanie Bauer<br />

Neun bis 18 Monate benötigt der<br />

finale Prozess von der Entwicklung<br />

eines Flugverfahrens bis zur Festlegung<br />

durch das BAF. Im Falle von<br />

Großprojekten wie dem Neubau des<br />

Flughafens Berlin Brandenburg vergingen<br />

aber auch schon mal zwölf Jahre<br />

nach Einreichen der ersten Grobentwürfe,<br />

bis es im September 2<strong>01</strong>0 zur<br />

inhaltlichen Diskussion mit der FLK<br />

kam. Doch auch nach der Veröffentlichung<br />

bleiben Missverständnisse.<br />

Standardisierte Flugverfahren vereinfachen<br />

die Abarbeitung des Verkehrs,<br />

sie ersetzen aber nicht das Freigabesystem<br />

der Fluglotsen. Denn durch<br />

Weisung an den Piloten kann der Lotse<br />

eine davon abweichende Flugstrecke<br />

vorgeben, um sich eine gewisse Flexibilität<br />

bei der Bewältigung des Flugverkehrs<br />

zu erhalten. Zudem: Die veröffentlichten<br />

Flugrouten können nicht<br />

mit der Annahme gleichgesetzt werden,<br />

dass Piloten sie auch präzise<br />

abfliegen. Laut Rechtsprechung des<br />

Bundesverwaltungsgerichts aus dem<br />

Jahr 2000 beschreiben sie vielmehr<br />

ein „Flugerwartungsgebiet“.<br />

Demnach handelt es sich um eine<br />

Ideallinie, von der an- oder abfliegende<br />

Flugzeuge bis zu mehreren hundert<br />

Metern links und rechts beziehungsweise<br />

ober- und unterhalb abweichen<br />

können. Dass trotz der Möglichkeit,<br />

moderne GPS-Verfahren nutzen zu<br />

können, diese Abweichungen auftreten,<br />

begründet sich zum Beispiel in<br />

Ungenauigkeiten von Navigationsanlagen,<br />

vom Gewicht und jeweiligen<br />

Luftfahrzeugtyp oder den Wetterverhältnissen.<br />

In dieser Hinsicht gibt es<br />

dann eben doch noch einen wesentlichen<br />

Unterschied zur StVO, derzufolge<br />

die Breite eines Fahrstreifens<br />

um lediglich einen Meter schwanken<br />

kann – in der Spanne zwischen 2,75<br />

und 3,75 Meter.<br />

Rüdiger Mandry<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 15


Betrieb<br />

Die Ruhelosen<br />

Durch die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen sind mehr Menschen von Fluglärm betroffen<br />

als zuvor. Das Nachtflugverbot zwischen 23 und 5 Uhr soll Entlastung bringen, doch dafür drängt<br />

sich der Verkehr nun in den Randzeiten. Das ist eine Belastung für die Anwohner – und für die<br />

Fluglotsen: Ein Flugzeug, das nicht vor 23 Uhr starten kann, muss am Boden bleiben. So beginnt<br />

jeden Abend der Kampf gegen die Uhr.<br />

Es ist ein Ort der Ruhe, nur ein<br />

paar hundert Meter neben<br />

der Einflugschneise. Nicole<br />

Ladberg schenkt Sprudel ein, die Bläschen<br />

bitzeln im Glas. Ihr Mann Mirko<br />

kommt auf Socken die Treppe herunter:<br />

Der Sohn schläft, das Babyphon<br />

auf dem Esstisch schweigt. So still<br />

kann es also sein, abends um halb<br />

neun mitten in der Stadt. Keine Straßenbahn,<br />

kein Verkehr, nicht mal von<br />

den Nachbarn ist etwas zu hören.<br />

Dann ein dumpfes Grollen, das lauter<br />

wird, dann wieder leiser. Das Haus,<br />

in das die Ladbergs 2007 eingezogen<br />

sind, liegt in einer ruhigen Seitenstraße<br />

im Frankfurter Stadtteil Oberrad.<br />

Ein Neubau, massiv, die Fenster<br />

halten dicht. Dann ist auch das Grollen<br />

weg. Leise beginnt der Kühlschrank zu<br />

brummen.<br />

16 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


Natürlich ist es ein bisschen unfair,<br />

Nicole und Mirko Ladberg an einem<br />

Tag wie diesem zu besuchen. Es ist<br />

so, als würde man sich an einem autofreien<br />

Sonntag mitten auf die Umgehungsstraße<br />

stellen und sich wundern,<br />

wie ruhig es dort ist. Denn wenn die<br />

Flugzeuge am Frankfurter Flughafen<br />

aus westlicher Richtung landen und<br />

gen Osten starten, dann ist es bei<br />

den Ladbergs so wie immer: Hörbar,<br />

aber auszuhalten. „Den Fluglärm bei<br />

Ostbetrieb hatten wir immer schon,<br />

damit kann man leben“, sagt Nicole<br />

Ladberg.<br />

Schlimm sind für sie die Tage, an<br />

denen es genau anders herum ist –<br />

wenn die Flugzeuge aus Richtung<br />

Offenbach kommen und im Anflug auf<br />

die neue Nordwestbahn nur ein paar<br />

hundert Meter an ihrem Haus vorbeidonnern;<br />

an drei von vier Tagen<br />

ist das so. Unweit von ihnen hat die<br />

Stadt Frankfurt eine Messstation aufgestellt,<br />

die Ausschläge liegen zum<br />

Teil über 80 Dezibel. „Wir wussten,<br />

dass das nicht schön wird“, sagt sie.<br />

„Aber dass es mit der neuen Bahn so<br />

schlimm ist, hätten wir nie gedacht.<br />

Es ist die Hölle.“<br />

Das Reich der Finsternis ist hell<br />

erleuchtet, und seine Schaltzentrale<br />

befindet sich 65 Meter über dem Rollfeld.<br />

Am Frankfurter Flughafen weht<br />

der Wind den Nieselregen gegen<br />

die Scheiben des <strong>DFS</strong>-Towers. Zwei<br />

Platzkoordinatoren und vier Lotsen<br />

kontrollieren hier oben den Verkehr auf<br />

den Start- und Landebahnen, für jede<br />

Piste einer: Auf der Startbahn West<br />

und der Center-Bahn wird gestartet,<br />

auf der Nordwestbahn und der Südbahn<br />

gelandet. Der Abstand zwischen<br />

diesen beiden Pisten ist so groß, dass<br />

sie unabhängig voneinander betrieben<br />

werden können. Seit Inbetriebnahme<br />

der Nordwestbahn können deshalb<br />

mehr Flugzeuge landen als auf dem<br />

alten Parallelbahnsystem. Es gibt also<br />

Platz für künftiges Wachstum – auch<br />

wenn die Wirtschaftskrise erst einmal<br />

für einen leichten Rückgang der<br />

Verkehrszahlen gesorgt hat. Rund<br />

482.000 Starts und Landungen wurden<br />

2<strong>01</strong>2 in Frankfurt registriert.<br />

Alle vier Pisten werden derzeit nur<br />

tagsüber genutzt. Abends, wenn der<br />

Verkehr nachlässt, rollen rote Blinklichter<br />

über die Südbahn. Sie gehören<br />

zu den Fahrzeugen der Bautrupps,<br />

die die Piste ausbessern. „Sie wird im<br />

Moment um 21 Uhr gesperrt“, sagt<br />

Ute Dirkmann, die an diesem Abend<br />

als Supervisor im Dienst ist. Der vierte<br />

Lotse hat dann Feierabend, von da an<br />

wird vor allem auf der Nordwestbahn<br />

gelandet. Ausgenommen sind große<br />

Flugzeuge wie die Boeing 747 und die<br />

MD11, die die Bahn aus Lärmschutzgründen<br />

nicht nutzen dürfen. „Die landen<br />

dann auf der Center-Bahn“, erklärt<br />

Ute Dirkmann.<br />

„Eigentlich ist das eine<br />

sehr ruhige Gegend,<br />

vielleicht nimmt man<br />

deshalb den Flugverkehr<br />

so prominent wahr.“<br />

Wenn es nach den Ladbergs ginge,<br />

könnte das immer so sein. Dann würden<br />

die Flugzeuge bei Westbetrieb<br />

über dem Frankfurter Stadtwald anfliegen,<br />

so wie früher schon – in deutlichem<br />

Abstand zu ihrem Haus. Denn<br />

eigentlich ist die Lage für die junge<br />

Familie ideal: Ein paar Straßen weiter<br />

beginnt der Wald, in der entgegengesetzten<br />

Richtung liegen Gemüsefelder,<br />

dahinter fließt der Main. Ein Uferweg<br />

führt in die Innenstadt, manchmal ist<br />

Nicole Ladberg mit ihrem elf Monate<br />

alten Sohn im Kinderwagen dort unterwegs.<br />

Und wenn man mal weg will: Zur<br />

Autobahn ist es auch nicht weit.<br />

Früher lebten sie nicht weit von<br />

hier, in Sachsenhausen. Als sie entschieden,<br />

in Oberrad zu bauen, wussten<br />

sie natürlich, dass durch die Nordwestbahn<br />

der Fluglärm dort zunehmen<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 17


Betrieb<br />

Nach 23 Uhr gilt am Frankfurter Flughafen ein Nachtflugverbot: Ohne Ausnahmegenehmigung<br />

darf dann kein Flugzeug mehr starten oder landen.<br />

Das Nachtflugverbot ist der Preis<br />

für den Ausbau des Frankfurter Flughafens<br />

– darauf hatten sich die Beteiligten<br />

im Mediationsverfahren geeinigt.<br />

Nach viel politischem Streit und<br />

juristischem Hin und Her trat die Regelung<br />

zehn Tage nach Eröffnung der<br />

Nordwestbahn in Kraft, am 30. Oktober<br />

2<strong>01</strong>1. Während an Flughäfen wie<br />

Leipzig oder Köln/Bonn auch nachts<br />

geflogen werden darf, muss in Frankfurt<br />

jede Ausnahme genehmigt werden<br />

– zum Beispiel, wenn ein Gewitter,<br />

Schneefall oder starker Wind zu Verzögerungen<br />

führt. In den anderthalb Jahren,<br />

die die Nordwestbahn nun schon<br />

in Betrieb ist, hat es bislang rund 800<br />

solcher Ausnahmen gegeben – bei<br />

einer Dreiviertelmillion Flugbewegungen<br />

in dieser Zeitspanne.<br />

wird. Sie waren aber davon ausgegangen,<br />

dass die vierte Bahn vor allem<br />

dazu dient, zu Spitzenzeiten die anderen<br />

Pisten zu entlasten. Nun aber ist<br />

der Lärm, der vorher die Ausnahme<br />

war, zur Regel geworden. „Dass die<br />

Bahn so intensiv genutzt wird – das<br />

hatten wir nicht erwartet“, sagt Nicole<br />

Ladberg. Im Unterschied zu ihrem<br />

Mann, der für eine Krankenkasse<br />

arbeitet, hat sie nicht mal tagsüber<br />

Ruhe: Seit der Geburt ihres Sohnes<br />

arbeitet sie im Homeoffice, in einem<br />

Büro direkt unter dem Dach ihres<br />

Hauses. „Eigentlich ist das eine sehr<br />

ruhige Gegend, vielleicht nimmt man<br />

deshalb den Flugverkehr so prominent<br />

wahr“, sagt Mirko Ladberg.<br />

An Spitzentagen gibt es<br />

Starts und Landungen im<br />

Minutentakt, damit der<br />

komplette Verkehr vor<br />

23 Uhr bewältigt ist.<br />

Oben im Tower schaut Supervisor<br />

Ute Dirkmann derweil im Computer<br />

nach, wie viele Flüge noch auf sie und<br />

ihr Team zukommen. Die Arbeit in der<br />

Nachtschicht ist eine Arbeit gegen die<br />

Uhr: Nach 23 Uhr greift am Frankfurter<br />

Flughafen das Nachtflugverbot,<br />

ohne Ausnahmegenehmigung darf<br />

dann kein Flugzeug mehr starten und<br />

landen. Es gibt Tage, da zählt Ute Dirkmann<br />

um 21 Uhr noch 120 Flugpläne,<br />

das bedeutet: Starts und Landungen<br />

im Minutentakt, damit der komplette<br />

Verkehr vor 23 Uhr bewältigt ist.<br />

An solchen Tagen ist im Tower tatsächlich<br />

die Hölle los. Vor allem bei<br />

Westbetrieb, wenn die Starts auf der<br />

Center-Bahn mit den Flugzeugen auf<br />

der Startbahn West koordiniert werden<br />

müssen, was die Flughafenkapazität<br />

einschränkt. Heute dagegen wird<br />

in Richtung Osten gestartet; 91 Flüge<br />

sind es noch in den nächsten beiden<br />

Stunden. „Das ist gut machbar“, sagt<br />

sie, auch ohne Südbahn – zumindest,<br />

wenn nichts Unvorhergesehenes passiert.<br />

Aber am Flughafen, das weiß<br />

Ute Dirkmann, vergeht eigentlich kein<br />

Tag ohne etwas Unvorhergesehenes.<br />

Anwohner wie die Ladbergs sind<br />

mit dem Nachtflugverbot deshalb<br />

alles andere als glücklich. „Dass es<br />

immer wieder Ausnahmen gibt, das ist<br />

ein Unding“, kritisiert Nicole Ladberg.<br />

Zudem führe die Regelung dazu, dass<br />

sich der Lärm auf die Randzeiten verschoben<br />

hat. „Vor allem morgens zwischen<br />

fünf und halb sechs ist es die<br />

Hölle. Und abends zwischen zehn und<br />

elf auch.“ In der ersten Zeit schlief sie<br />

mit Ohrstöpseln; seit ihr Sohn auf der<br />

Welt ist, traut sie sich das nicht mehr.<br />

Ihr Mann Mirko hat den tieferen Schlaf.<br />

Ihn nervt nicht so sehr der Lärm im<br />

Schlafzimmer, sondern der Krach<br />

draußen. „Auf der Terrasse hinter<br />

dem Haus haben wir im letzten Sommer<br />

kein einziges Mal gesessen“, sagt<br />

er. „Das macht einfach keinen Spaß<br />

mehr.“<br />

Martin Bornemeier und Petra Marx<br />

gehören zu denen, die Familie Ladberg<br />

den Spaß verderben. Natürlich nicht<br />

mit Absicht: Die beiden Platzkoordinatoren<br />

im Tower Frankfurt machen<br />

einfach nur ihren Job. Ihre Aufgabe<br />

ist es, den Flugzeugen die Freigabe<br />

zum Anlassen ihrer Triebwerke zu<br />

erteilen. Jetzt, kurz vor 22 Uhr, sind<br />

gerade 20 Flugzeuge auf dem Weg<br />

vom Gate zur Bahn. 22 weitere Flug-<br />

18 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


zeuge wollen noch starten, werden<br />

also in der nächsten Stunde noch um<br />

die Anlassfreigabe bitten. Oder auch<br />

nicht. „ETH Seven – Zero – Seven, you<br />

missed your Start-up Approval Time“,<br />

ermahnt Bornemeier die Besatzung<br />

einer Boeing 787 von Ethiopian Airlines,<br />

die nach Addis Abeba will, aber<br />

noch immer am Gate steht. „Der muss<br />

jetzt bald rufen, sonst fliegt er aus der<br />

Liste.“<br />

Für die Anlassfreigabe haben die<br />

Piloten nämlich nicht beliebig viel Zeit.<br />

Damit es am Flughafen keine Staus<br />

gibt, müssen die Airlines ein festes<br />

Zeitfenster vorgeben. Es richtet sich<br />

nach der Zielzeit, zu welcher der Flieger<br />

seine Abfertigung am Boden beendet<br />

hat, die Flugzeugtüren geschlossen<br />

und die Fluggastbrücken entfernt<br />

sind. Verpasst ein Pilot dieses Fenster,<br />

muss er sich wieder ganz hinten<br />

anstellen. Bornemeier erspart dem<br />

Piloten dieses Procedere. Nach kurzem<br />

Wortwechsel trägt er im Computersystem<br />

eine korrigierte Zeit zum<br />

Anlassen ein – und schiebt das Flugzeug<br />

in der Liste wieder ganz nach<br />

oben. „Ein Service von uns“, sagt er.<br />

Aus dem Lautsprecher knackst es<br />

– ein leises Weinen dringt aus dem<br />

Gefahr für den Luftverkehrsstandort?<br />

Die Airlines sehen in der rigiden Handhabung des Nachtflugverbots eine<br />

Gefahr für den Luftverkehrsstandort Frankfurt. Sie warnen: Flüge, die wegen<br />

nicht erteilter Startfreigabe von der Piste zurückkehren müssen, schaden<br />

der Reputation des Flughafens. Wer das als Passagier einmal erlebt hat,<br />

wird unter Umständen nicht mehr über Frankfurt fliegen – und dies wegen<br />

oft nur ein oder zwei Minuten. Die Forderung der Airlines ist deshalb, dass<br />

jedes Flugzeug, das eine Rollfreigabe bekommen hat, auch starten darf.<br />

Um die durch das strikte Nachtflugverbot verschärfte Abflugsituation vor<br />

23 Uhr zu verbessern, haben die Fluggesellschaften eine Reihe von Maßnahmen<br />

initiiert. Dazu zählt unter anderem, dass Flugzeuge auf dem Vorfeld<br />

nahe der Startbahn geparkt werden, obwohl Gebäudepositionen frei sind.<br />

Die hessische Landesregierung hat allerdings deutlich gemacht, dass sie<br />

nach dem letztinstanzlichen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig<br />

vom April 2<strong>01</strong>2 an den bestehenden gesetzlichen Regelungen festhalten<br />

wird. Änderungen am Nachtflugverbot werde es nicht geben.<br />

Die Zahl der Starts und Landungen in den Randstunden (5 bis 6 und 22<br />

bis 23 Uhr) ist nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Jahresschnitt<br />

auf 133 begrenzt: Der Verkehr soll nicht abrupt einsetzen, sondern<br />

an- und abschwellen. An den meisten Tagen endet der Flugbetrieb bereits<br />

deutlich vor 23 Uhr. Einer Auswertung des Frankfurter Flughafenbetreibers<br />

Fraport zufolge startete das jeweils letzte Flugzeug eines Tages während<br />

des Winterflugplans 2<strong>01</strong>2/13 im Schnitt 10,5 Minuten vorher.<br />

Babyphon, schließlich ist das Schreien<br />

auch durch die Tür zu hören: Kein<br />

Flugzeug, nein: Ihr Sohn ist ganz von<br />

allein aufgewacht. „Eigentlich schläft<br />

er durch“, sagt Nicole Ladberg. Aber<br />

der Kleine ist krank, hat ein bisschen<br />

Fieber, wahrscheinlich liegt es daran.<br />

Sein Vater stapft die Treppe hoch, um<br />

nach ihm zu sehen. „Wenn ich merken<br />

würde, dass mein Kind unter dem<br />

Lärm leidet, würde ich wegziehen“,<br />

sagt Nicole Ladberg. Die Frage ist<br />

nur: Wohin? „Eine bezahlbare Wohnung<br />

ohne Fluglärm zu finden ist nahezu<br />

unmöglich in Frankfurt“, sagt sie.<br />

Immer wieder müssen<br />

startbereite Flugzeuge<br />

am Boden bleiben, weil<br />

sie nach 23 Uhr nicht<br />

Airlines fürchten: Wer einmal am Flughafen übernachten musste, fliegt nie wieder<br />

über Frankfurt.<br />

mehr abheben dürfen.<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 19


Betrieb<br />

Der <strong>DFS</strong>-Tower in Frankfurt ist rund um die Uhr besetzt; auch nachts ist für Notfälle immer ein Lotse da. Um 5 Uhr morgens erwacht<br />

der Flughafen zum Leben – und die Lotsen haben alle Hände voll zu tun. Auch am Abend gibt es oft Stress: Alle Flugzeuge müssen<br />

bis 23 Uhr gestartet sein.<br />

Während Mirko Ladberg den Kleinen<br />

wieder zum Schlafen bringt, ist für<br />

Markus Siebers im Tower die Pause<br />

zu Ende. Der Fluglotse löst um halb<br />

elf die Kollegin an der Center-Bahn<br />

ab, die jetzt Feierabend hat. Flug<br />

Nummer DLH 506 startet in Richtung<br />

Sao Paulo, Siebers verabschiedet ihn<br />

per Funk. Es ist 22.35 Uhr, auf der<br />

Startbahn West ist gerade das letzte<br />

Flugzeug gestartet. „Dort sind wir für<br />

heute fertig“, sagt Ute Dirkmann. Siebers<br />

gibt einer Lufthansa-Boeing 747<br />

mit Ziel Bangkok die Anweisung, hinter<br />

einer Maschine von Etihad zur Startbahn<br />

zu rollen. Alles läuft nach Plan<br />

– doch das ist nicht immer so. Immer<br />

wieder müssen startbereite Flugzeuge<br />

am Boden bleiben, weil sie wegen des<br />

Nachtflugverbots nicht mehr abheben<br />

durften. Die Airlines fordern deshalb:<br />

Ein Flugzeug, das bereits die Rollfreigabe<br />

erhalten hat, muss auch starten<br />

können. Selbst wenn es vielleicht<br />

schon ein oder zwei Minuten nach 23<br />

Uhr ist.<br />

Die Flughafenausbaugegner<br />

traten bei der OB-<br />

Wahl in Frankfurt an. Sie<br />

holten vier Prozent der<br />

Stimmen.<br />

Nicole Ladberg dagegen kämpft für<br />

ihre Nachtruhe, die für sie eh schon<br />

viel zu kurz ist – und dafür, dass es<br />

leiser wird. Seit zehn Jahren ist sie in<br />

Bürgerinitiativen gegen Fluglärm aktiv;<br />

ihr Ziel ist die Schließung der Nordwestbahn,<br />

die Ausweitung des Nachtflugverbots<br />

auf 22 bis 6 Uhr und die<br />

Reduzierung der Flugbewegungen auf<br />

380.000. Bei der OB-Wahl in Frankfurt<br />

machte sie Werbung für die Wählergemeinschaft<br />

der Flughafenausbaugegner,<br />

kurz FAG, die mit einer eigenen<br />

Kandidatin antrat und immerhin auf<br />

vier Prozent der Stimmen kam. „Der<br />

Fluglärm nervt viele, aber nur die<br />

wenigsten handeln“, sagt sie. Auch in<br />

ihrer Nachbarschaft hat sie schon ver-<br />

20 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


sucht, Mitstreiter zu aktivieren – vergeblich.<br />

„Die Bequemlichkeit ist meist<br />

größer als der Ärger.“<br />

Die Passagiere weigerten<br />

sich, aus dem Flugzeug<br />

auszusteigen. Sie wollten<br />

nicht noch eine Nacht am<br />

Flughafen verbringen.<br />

22.38 Uhr, am Tower beginnt nun<br />

langsam der Endspurt. Auf der Center-<br />

Bahn warten noch drei Abflüge auf ihre<br />

Starterlaubnis. Außerdem steht am<br />

Terminal ein hellblauer Airbus A380<br />

der Korean Airlines, der ebenfalls starten<br />

will, aber noch nicht um die Freigabe<br />

zum Anlassen gebeten hat. „Der<br />

müsste jetzt mal ein bisschen Druck<br />

machen, sonst wird es eng“, sagt Siebers.<br />

So wie bei einem Fall aus dem<br />

vergangenen Jahr, der für Schlagzeilen<br />

sorgte: Ein A321, der von Frankfurt<br />

nach Kiew fliegen sollte. Er war rechtzeitig<br />

zur Piste gerollt, verpasste aber<br />

die Startfreigabe, weil dort kurz vor<br />

23 Uhr noch mehrere Flugzeuge auf<br />

ihren Start warteten – und musste zur<br />

Vorfeldposition zurückrollen. Als die<br />

Passagiere wieder aussteigen sollten,<br />

kam es zum Protest: Mehre Dutzend<br />

Fluggäste weigerten sich. Sie hatten<br />

am Vorabend dasselbe schon einmal<br />

erlebt – und am Flughafen übernachten<br />

müssen. Gerade für Umsteigepassagiere,<br />

die kein Einreisevisum für<br />

Deutschland haben, kann die rigide<br />

Handhabung des Nachflugverbots zu<br />

einem echten Ärgernis werden. Die<br />

Airlines haben keine Möglichkeit, sie<br />

in Hotels oder Pensionen unterzubringen:<br />

Sie müssen auf Bänken und Pritschen<br />

im Transitbereich übernachten.<br />

Gelegentlich ist Nicole Ladberg<br />

auch mit dem Flugzeug unterwegs.<br />

Die Firma, für die sie arbeitet, sitzt<br />

in Japan, produziert in Frankreich und<br />

hat eine Niederlassung in Neu-Isenburg<br />

– da geht es ohne Dienstreisen<br />

nicht. Wobei viele Meetings inzwischen<br />

durch Telefon- oder Videokonferenzen<br />

ersetzt wurden. „Ich glaube, da wird<br />

sich noch viel verändern“, sagt sie.<br />

Ihre Prognose: Sinkende Nachfrage,<br />

wachsende Konkurrenz aus dem Ausland<br />

– auf Dauer, hofft sie, werde der<br />

Frankfurter Flughafen als Drehkreuz<br />

nicht überleben. „Dann fliegen alle<br />

über Istanbul. Oder Dubai, da liegt<br />

der Flughafen kilometerweit in der<br />

Wüste.“ Aus der Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt,<br />

in deren Mitte der Dubai<br />

International Airport liegt, ist kein Protest<br />

zu erwarten. Scheich Mohammed<br />

bin Rashid Al Maktoum setzt auf den<br />

Ausbau des Luftverkehrs: Der autokratische<br />

Herrscher des Landes ist fest<br />

entschlossen, Dubai zur internationalen<br />

Verkehrsdrehscheibe auszubauen.<br />

Einstweilen jedoch ist Frankfurt<br />

noch ganz schön lebendig – und Ute<br />

Dirkmann und ihr Team tun alles dafür,<br />

damit das auch so bleibt. Der größte<br />

deutsche Flughafen sichert nicht nur<br />

ihren Arbeitsplatz: Dass sich so viele<br />

Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet<br />

ansiedeln und nicht etwa in der Lünebürger<br />

Heide oder im Elbsandsteingebirge,<br />

liegt auch an der guten<br />

Verkehrsanbindung: Gerade für internationale<br />

Firmen ist ein internationales<br />

Drehkreuz wie der Frankfurter Flughafen<br />

ideal. Dort erhält das letzte Flugzeug<br />

für heute seine Startfreigabe:<br />

Um 22.43 Uhr rollte ein A320 der russischen<br />

Fluggesellschaft Aeroflot auf<br />

die Centerbahn, beschleunigt und hebt<br />

ab in Richtung Moskau. Der hellblaue<br />

A380 aus Korea steht noch immer<br />

auf seiner Parkposition, Ute Dirkmann<br />

telefoniert mit der Luftaufsicht. „Der<br />

hat ein technisches Problem, er bleibt<br />

heute Nacht hier.“<br />

Wenig später dröhnt ein dumpfes<br />

Grollen über den Dächern von Oberrad,<br />

dann ist auch das vorbei. 23 Uhr,<br />

der Flughafen macht Pause, Ute Dirkmann<br />

hat Feierabend – nur im Tower<br />

gehen die Lichter nicht aus: Er bleibt<br />

rund um die Uhr besetzt, für alle Fälle.<br />

Nicole und Mirko Ladberg verabschieden<br />

ihren Gast. Höchste Zeit, schlafen<br />

zu gehen. Auch wenn ihr Sohn<br />

durchschläft: Der Flughafen schafft<br />

es immer nur bis morgens um fünf.<br />

So ruhig ist es nur nachts: Frankfurt ist der größte Passagier- und Cargo-Flughafen<br />

Deutschlands. Fotos: Melanie Bauer (16/17, 20), Sascha Rheker (18, 19, 21)<br />

Holger Matthies und<br />

Christopher Belz<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 21


Betrieb<br />

Zwischen Planvorgabe<br />

und Bürgerwille<br />

Für die neue Nordwest-Landebahn haben die Spezialisten der <strong>DFS</strong> eine ganze Reihe spezieller Maßnahmen<br />

erarbeitet, um die Lärmbelastung für die Bürger so gering wie möglich zu halten. Ein gutes<br />

Jahr nach Eröffnung der Bahn haben sie ein erstes Fazit gezogen.<br />

Airforce six two<br />

five, runway zero seven<br />

„German<br />

left, cleared to land.”<br />

Mit diesen Worten gab der Fluglotse<br />

im Tower am 21. Oktober 2<strong>01</strong>1 die<br />

Regierungsmaschine mit Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel an Bord zur Landung<br />

frei. Um 14.40 Uhr setzte der<br />

Airbus A319 der Bundesluftwaffe auf<br />

der neuen Nordwest-Landebahn des<br />

Frankfurter Flughafens auf und eröffnete<br />

die Bahn damit offiziell. Etwa eine<br />

Stunde später begann mit der Landung<br />

eines Lufthansa-Airbus A321<br />

der reguläre Flugbetrieb auf der neuen<br />

Bahn. Mittlerweile ist die Nordwest-<br />

Landebahn seit mehr als eineinhalb<br />

Jahren in Betrieb.<br />

Bei den Bewohnern der umliegenden<br />

Kommunen gab es bereits vorher<br />

Skepsis wegen einer möglichen<br />

Zunahme des Fluglärms, nach der<br />

Inbetriebnahme der Bahn verschärfte<br />

sich der Tonfall in der öffentlichen<br />

Debatte dann nochmals. Im November<br />

2<strong>01</strong>1 rief der damalige hessische<br />

Verkehrsminister Dieter Posch deshalb<br />

die Task Force Flugwegeoptimierung<br />

ins Leben, der Vertreter aus Politik<br />

und Luftverkehrswirtschaft sowie<br />

von Kommunen und Bürgerinitiativen<br />

angehörten.<br />

„Ziel der Task Force war es in erster<br />

Linie, kurzfristige Maßnahmen zur<br />

Fluglärmminderung zu entwickeln“,<br />

sagt Andreas Völckel, im Center Langen<br />

COS (Chief of Section). Im Februar<br />

2<strong>01</strong>2 stellte die Task Force dann 20<br />

Maßnahmen in der „Allianz für Lärmschutz“<br />

dem hessischen Ministerpräsidenten<br />

Volker Bouffier vor.<br />

„Wir hatten für 2<strong>01</strong>2 das Ziel, drei<br />

Maßnahmen davon umzusetzen“, sagt<br />

Andreas Völckel, der die <strong>DFS</strong> gemeinsam<br />

mit Andre Biestmann in der Task<br />

Force vertreten hatte. „Am Ende sind<br />

es dann sogar fünf geworden.“<br />

Als erste Maßnahme hat die <strong>DFS</strong><br />

die Einführung des kontinuierlichen<br />

Sinkflugverfahrens CDO (Continuous<br />

Descent Operations) für den Flughafen<br />

Frankfurt umgesetzt – am 31. Mai<br />

ging das CDO-Verfahren in den Probebetrieb.<br />

Zuvor hatte es im Februar<br />

bereits mehrere Test-Tage gegeben.<br />

CDO bezeichnet ein Anflugverfahren,<br />

bei dem das Luftfahrzeug mit minimaler<br />

Triebwerksleistung – idealerweise<br />

im Leerlauf – sinkt und dabei Horizontalflugphasen<br />

vermeidet. Dadurch wird<br />

nicht nur Treibstoff eingespart, sondern<br />

auch der Ausstoß von CO 2 verringert.<br />

In einigen Bereichen des Flughafenumlands<br />

kann zudem mit einer<br />

Lärmreduzierung gerechnet werden.<br />

„Wann immer es möglich ist und<br />

die Verkehrslage es zulässt, wird der<br />

Lotse dem Piloten einen CDO ermöglichen“,<br />

erklärt Andreas Völckel. Derzeit<br />

liegt der Anteil der CDO-Sinkflugprofile<br />

an einzelnen Tagen bei 40 Prozent<br />

aller Anflüge. „Das ist für einen hoch<br />

frequentierten Flughafen wie Frankfurt<br />

am Main ein guter Anfang“, schätzt<br />

Andreas Nees ein, ehemals Mitglied<br />

des Programmbüros Inbetriebnahme<br />

4. Bahn, der Völckel bei allen Fragen<br />

zum Thema 4. Bahn unterstützt.<br />

Bevor das Verfahren eingeführt<br />

werden konnte, musste zunächst eine<br />

Reihe wichtiger Fragen geklärt werden:<br />

Wie soll der Sprechfunk gestaltet<br />

sein? Wann und wie wollen die Airlines<br />

die Distance-to-go übermittelt<br />

bekommen, nach der sie ihre Sinkflugrate<br />

anpassen? „Für diese Dinge war<br />

Die Nordwest-Landebahn in Frankfurt<br />

22 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


Zudem wurden die Gegenanflüge<br />

auf die Nordwest- und die Südbahn in<br />

beide Betriebsrichtungen um 1.000<br />

Fuß angehoben. Dadurch werden<br />

besonders die Gemeinden entlastet,<br />

die direkt unter dem Gegenanflug liegen.<br />

Der Gegenanflug ist der Teil des<br />

Anfluges, auf dem die Flugzeuge parallel<br />

zum Endanflug und in entgegengesetzter<br />

Flugrichtung zum Endanflug<br />

geführt werden. „Diese Maßnahme ist<br />

in eine Betriebsanweisung für die Lotsen<br />

eingeflossen, die Umsetzung ist<br />

deshalb ein Muss“, erklärt Andreas<br />

Nees.<br />

Reinhard Spors, Jens Bergold und Andreas Völckel (v. l.) setzen mit planerischem<br />

Know-how die Maßnahmen zur Fluglärmreduzierung um.<br />

viel betriebliche Expertise nötig“, sagt<br />

Andreas Völckel. „Wir haben dabei<br />

sehr eng mit den Mitarbeitern, Lotsen<br />

und den externen Partnern zusammengearbeitet.“<br />

Geplant ist, das Verfahren<br />

vom Probe- in den Regelbetrieb<br />

zu überführen.<br />

Als zweite Maßnahme erfolgte am<br />

20. September 2<strong>01</strong>2 die Verlagerung<br />

der Abflüge von drei- und viermotorigen<br />

Flugzeugen der Kategorie<br />

„Heavy“, beispielsweise der Boeing<br />

747 und des Airbus A380, von der<br />

alten Nordwest-Abflugstrecke auf die<br />

so genannte Süd-Umfliegung. Damit<br />

wurde eine Vorgabe aus dem Planfeststellungsverfahren<br />

umgesetzt, die verlangt,<br />

dass nur noch 2,4 Prozent aller<br />

Heavy-Abflüge über die alte Nordwest-<br />

Abflugroute fliegen dürfen.<br />

Bereits im Oktober des Jahres<br />

2<strong>01</strong>1 waren die kleineren und mittelgroßen<br />

Flugzeuge mit hohen Steigleistungen<br />

auf die Südumfliegung<br />

verlagert worden. Dadurch wurden<br />

die Anwohner im Main-Taunus-Kreis<br />

unmittelbar nach der Inbetriebnahme<br />

der neuen Landebahn in einer ersten<br />

Stufe bei den Abflügen entlastet.<br />

Alle zweimotorigen Luftfahrzeuge der<br />

Kategorie Heavy, wie zum Beispiel Airbus<br />

330 und Boeing 777, sollen weiterhin<br />

die herkömmlichen Nordwestabflugstrecken<br />

nutzen.<br />

Foto: Melanie Bauer<br />

Gleich drei Maßnahmen des aktiven<br />

Schallschutzes setzten die <strong>DFS</strong>-Spezialisten<br />

dann am 18. Oktober des vergangenen<br />

Jahres um. Zu ihnen gehörte<br />

das Anheben des Gleitwinkels für den<br />

Anflug auf die Nordwest-Landebahn<br />

von drei auf 3,2 Grad, wodurch sich<br />

die Flughöhen über den Städten und<br />

Gemeinden etwas erhöhten, die unter<br />

der Endanfluglinie liegen.<br />

Im Probebetrieb wird jetzt untersucht,<br />

wie sich diese Höhenveränderung<br />

auf die Schallemission auswirkt.<br />

Dafür wurde eigens ein neues Instrumentenlandesystem<br />

(ILS) am Flughafen<br />

Frankfurt installiert. „Wir hatten<br />

dabei zum Jahresende eine Nutzung<br />

von durchschnittlich 50 Prozent“,<br />

sagt Andreas Völckel. Das heißt, dass<br />

derzeit die Hälfte der ungefähr 350<br />

Flugzeuge, die täglich auf der Nordwest-Landebahn<br />

landen, mit einem<br />

Gleitwinkel von 3,2 Grad anfliegt –<br />

sowohl bei West- als auch bei Ostbetriebsrichtung<br />

der Bahn.<br />

Ebenfalls wird seit dem 18. Oktober<br />

2<strong>01</strong>2 über den Städten Mainz und<br />

Offenbach ein frühzeitiges und damit<br />

auch tieferes Eindrehen der Flugzeuge<br />

vermieden. Vorher fand dies in Flughöhen<br />

unterhalb von 4.000 Fuß (etwa<br />

1.200 Meter) statt, jetzt liegen die so<br />

genannten Eindrehfenster weiter westlich<br />

von Mainz beziehungsweise weiter<br />

östlich von Offenbach. Damit werden<br />

die betroffenen Stadtteile in Mainz und<br />

Offenbach von Fluglärm entlastet.<br />

Neben dem Thema Fluglärm müssen<br />

Völckel und seine Mitarbeiter<br />

auch eine ganze Reihe von Maßnahmen<br />

bearbeiten, welche der Kapazitätssteigerung<br />

des Flughafens dienen.<br />

„Fluglärmminderung und Kapazitätssteigerung<br />

–zwischen diesen beiden<br />

Polen bewegen wir uns, wir müssen<br />

beiden Erfordernissen Rechnung tragen“,<br />

sagt der COS. „Fraport und<br />

die Airlines erwarten von uns, dass<br />

wir die Vorgaben aus dem Planfeststellungsverfahren<br />

erfüllen.“ Und die<br />

sehen mit der 4. Bahn als Zielwert für<br />

die Zukunft 126 Flugbewegungen pro<br />

Stunde für den Flughafen vor.<br />

Etwas aber haben Völckel und Nees<br />

sowie ihre Mitarbeiter bereits erreicht:<br />

Der Blickwinkel der auf Sicherheit und<br />

Kapazität getrimmten Lotsen hat sich<br />

erweitert. „Es ist uns gelungen, den<br />

Betrieb für das Thema Fluglärm zu<br />

sensibilisieren“, sagt Andreas Völckel,<br />

der von einem Paradigmenwechsel<br />

spricht. „Da hat ein Umdenken eingesetzt.“<br />

Holger Matthies<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 23


Betrieb<br />

Kein Stau mehr<br />

an der Runway<br />

Das Verfahren Airport Collaborative Decision Making (Airport-CDM) bringt viele Vorteile für alle<br />

beteiligten Partner. Unter anderem hilft es, unnötige Triebwerkslaufzeiten und Staus an der Runway<br />

zu vermeiden. Das führt nicht nur zu einer besseren Planbarkeit der operativen Prozesse, sondern<br />

reduziert zugleich Lärm und Spritverbrauch.<br />

Bevor es Airport-CDM (Collaborative<br />

Decision-Making)<br />

gab, kam es für die Piloten<br />

darauf an, möglichst laut zu schreien.<br />

Es galt das Prinzip „First come, first<br />

served“. „Vor Airport-CDM lief es so:<br />

Wer zuerst schrie, der bekam zuerst<br />

die Freigabe zum Anlassen der Triebwerke,<br />

egal, ob er tatsächlich schon<br />

mit allem fertig war oder nicht“, sagt<br />

Erik Sinz, Referent für HUB-Kapazität<br />

im Bereich Tower und von Anfang<br />

an im Projektkernteam der <strong>DFS</strong> für<br />

das erste Airport-CDM-Verfahren in<br />

Deutschland mit dabei. „Für unsere<br />

Lotsen hatte das immer einen gewissen<br />

Überraschungseffekt.“<br />

Es konnte also passieren, dass<br />

ein Flieger an seiner Parkposition die<br />

Anlassfreigabe (Start-up Approval)<br />

bekam, dann aber erst bis zu einer<br />

Viertelstunde später die Triebwerke<br />

anließ. Das führte dazu, dass der<br />

Lotse grundsätzlich immer mehr Luftfahrzeugen<br />

die Anlassfreigabe erteilte,<br />

damit er immer eine Maschine zur<br />

Hand hatte, um die knappen Ressourcen<br />

an der Startbahn optimal ausnutzen<br />

zu können und ihm somit die Flieger<br />

an der Startbahn nicht ausgingen.<br />

Die andere Seite dieser Methode:<br />

Staus und lange Wartezeiten an der<br />

Piste, wenn plötzlich mehrere freigegebene<br />

Flugzeuge zur selben Zeit zur<br />

Startposition wollten. Die Folge davon<br />

waren unnötige Triebwerkslaufzeiten<br />

sowie – daraus resultierend – mehr<br />

Lärm und ein höherer Kerosinverbrauch,<br />

was letztlich zu Lasten der<br />

Umwelt ging.<br />

An Flughäfen mit implementiertem<br />

Airport-CDM-Verfahren gehört dieses<br />

Vorgehen heute der Vergangenheit an.<br />

Der Flughafen München war der erste<br />

europäische Flughafen, der Airport-<br />

CDM als Standardverfahren eingeführt<br />

hat: Im Juni 2007 wurde es dort vom<br />

Probe- in den Regelbetrieb überführt.<br />

Seitdem hat die CDM-Familie<br />

Zuwachs bekommen: In Deutschland<br />

gehören seit Februar 2<strong>01</strong>1 auch der<br />

Flughafen Frankfurt/Main sowie seit<br />

April 2<strong>01</strong>3 der Flughafen Düsseldorf<br />

dazu. Weitere Projekte zur Einführung<br />

von Airport-CDM laufen derzeit an den<br />

Flughäfen Berlin, Stuttgart und Hamburg.<br />

Ziel von Airport-CDM ist es, den<br />

Umdrehprozess eines Flugzeugs am<br />

Boden sowie die operative Zusammenarbeit<br />

aller daran Beteiligten schneller<br />

und transparenter zu machen. Kerngedanke<br />

ist dabei die Einführung einer<br />

Target Off-Block Time (TOBT) für jeden<br />

Flug. Die TOBT ist eine Zielzeit, an<br />

dem der Flieger seine Abfertigung am<br />

Boden beendet hat, die Flugzeugtüren<br />

geschlossen sowie die Fluggastbrücken<br />

vom Luftfahrzeug entfernt sind.<br />

Diese Zielzeit für ihre Flieger legt<br />

jede Airline selbst fest und meldet<br />

sie dem CDM-System. Das errechnet<br />

daraus automatisch einen spätesten<br />

Zeitpunkt für das Anlassen der Triebwerke,<br />

die so genannte Target Startup<br />

Approval Time (TSAT), die für alle<br />

Beteiligten transparent ist – Airlines,<br />

Flughafenbetreiber, <strong>Flugsicherung</strong>,<br />

Abfertigungsagenten, Bodenabfertigungsgesellschaften<br />

und den Network<br />

Manager, die Verkehrsflusssteuerungszentrale<br />

der europäischen<br />

<strong>Flugsicherung</strong>sorganisation EURO-<br />

CONTROL.<br />

„Wir konnten die reale<br />

Wartezeit an der Runway<br />

im ersten Jahr von durchschnittlich<br />

4:39 Minuten auf<br />

3:41 Minuten reduzieren.“<br />

War es vor Airport-CDM eine Adhoc-Entscheidung<br />

des Lotsen gewesen,<br />

welcher Maschine er wann die<br />

Freigabe erteilte, so ist dies jetzt mit<br />

der TOBT bereits 40 Minuten vor dem<br />

geplanten Ende der Abfertigung definiert.<br />

Wer fünf Minuten nach der für<br />

ihn errechneten Zeit die Triebwerke<br />

noch nicht angelassen hat, wird im<br />

System gelöscht und muss sich neu<br />

hinten anstellen. Dabei ist jede Ände-<br />

24 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


ereits bis zu drei Stunden vor dem<br />

Start an den Network-Manager übermittelt<br />

werden.<br />

Rushhour: Staus und unnötige Triebwerkslaufzeiten werden mit Airport-CDM vermieden.<br />

Das nützt auch der Umwelt. Foto: DLR<br />

rung und jede Abweichung vom Plan<br />

durch ein Tool des Systems für alle<br />

Beteiligten sofort transparent – auch<br />

dies ein Unterschied zu früher.<br />

Ein Jahr nach dem Start des Regelbetriebs<br />

in München zog Erik Sinz<br />

im Sommer 2008 ein erstes positives<br />

Fazit: „Wir konnten die reale Wartezeit<br />

an der Runway im ersten Jahr<br />

von durchschnittlich 4:39 Minuten auf<br />

3:41 Minuten reduzieren“, äußerte sich<br />

der HUB-Spezialist seinerzeit im <strong>DFS</strong>-<br />

Magazin. Der positive CDM-Trend in<br />

München hält seitdem an, wie die Auswertung<br />

der Daten für die Folgejahre<br />

belegt. Im bislang letzten Jahresbericht<br />

für 2<strong>01</strong>1 hatten sich beim Großteil<br />

der Messungen die Werte gegenüber<br />

dem Vorjahr verbessert.<br />

<strong>DFS</strong>-Spezialist Sinz freut sich<br />

besonders darüber, dass es durch<br />

Airport-CDM gelungen ist, die Wartezeit<br />

am Startbahnknopf weiter deutlich<br />

zu verringern und die ATFM Slot<br />

Adherence, die Einhaltung der vorgegebenen<br />

Abflugzeitraster (Slots), zu<br />

erhöhen. „Diese Werte sind zwei der<br />

wichtigsten Kennzahlen im Airport-<br />

CDM-Verfahren“, sagt Sinz. Die im<br />

Mai 2<strong>01</strong>1 erreichten 95 Prozent bei<br />

der Slot Adherence stellen dabei einen<br />

absoluten Spitzenwert dar.<br />

Den Grund für diesen Erfolg sieht<br />

der <strong>DFS</strong>-Spezialist im optimalen Informationsaustausch<br />

zwischen dem<br />

CDM-Flughafen und den Netzwerkverantwortlichen.<br />

„Zudem können die<br />

lokalen Partner am Flughafen durch<br />

den für alle transparenten Datenfluss<br />

besser planen“, sagt Sinz. Dadurch<br />

könne man die für den jeweiligen Flug<br />

am Flughafen herrschenden konkreten<br />

Bedingungen wie zum Beispiel variable<br />

Rollzeiten, Kapazitätseinschränkungen<br />

oder mögliche Enteisungen<br />

von Flugzeugen wesentlich genauer<br />

und aktueller erfassen.<br />

Der automatisierte Datenaustausch<br />

der CDM-Flughäfen mit dem<br />

EUROCONTROL Network Manager in<br />

Brüssel, der europaweit die Abflugzeitraster<br />

(Slots) verteilt, ermöglicht<br />

auch eine bessere Sektorauslastung:<br />

Früher erhielt die Verkehrsflusssteuerungszentrale<br />

in Brüssel den Flugplan<br />

und als nächste Information dann die<br />

Startzeit, nachdem der Flieger abgehoben<br />

hatte. Mit Airport-CDM können<br />

die errechnete Startzeit vor Ort und<br />

mögliche Abweichungen davon nun<br />

Das ermöglicht eine exaktere Vorhersage<br />

des Verkehrs in den betroffenen<br />

Sektoren. Mit anderen Worten:<br />

Die Zentrale in Brüssel erhält eher<br />

Bescheid, ob ein Flieger in München<br />

oder Frankfurt/Main möglicherweise<br />

früher oder später abhebt und kann<br />

dies bei der Slot-Berechnung und bei<br />

nötigen Anpassungen berücksichtigen.<br />

An den Airports erhofft man sich<br />

davon eine effizientere Abwicklung<br />

von Flügen mit Abflugzeitraster. Je<br />

mehr Flughäfen Airport-CDM einführen,<br />

desto dichter wird dieses europaweite<br />

Netzwerk – und desto besser<br />

können ineffiziente und unplanmäßige<br />

Flugverläufe vermieden werden.<br />

„Je mehr Flughäfen<br />

Airport-CDM einführen,<br />

desto besser.“<br />

„Das Airport-CDM-Verfahren hat<br />

sich in der Praxis bewährt“, zieht<br />

Carl Seifert, Leiter des Towers München,<br />

sechs Jahre nach dem Start<br />

des CDM-Verfahrens in München<br />

Bilanz. „Der Datenaustausch vor Ort<br />

und im europaweiten <strong>Flugsicherung</strong>snetzwerk<br />

läuft technisch stabil und<br />

erzeugt qualitativ hochwertige Planungsgrundlagen.“<br />

Statt „First come,<br />

first served“ wie früher heißt es heute<br />

mit Airport-CDM „best planned, best<br />

served“. Davon profitieren alle Beteiligten.<br />

Nicht zuletzt auch die Umwelt.<br />

Holger Matthies<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 25


Betrieb<br />

Mehr Kürzungen bitte!<br />

Die <strong>DFS</strong> hat ihr Angebot sogenannter „Direct Routes“ im März 2<strong>01</strong>3 erneut erweitert. Mehrere<br />

hundert dieser „Kurzstrecken“ gibt es derweil. Fluggesellschaften können auf diese Weise Millionen<br />

Flugmeilen einsparen – und der <strong>DFS</strong> gehen die Ideen nicht aus, wie die Situation weiter verbessert<br />

werden kann.<br />

Es war eine Erfolgsmeldung<br />

der <strong>DFS</strong>: Im Juni 2<strong>01</strong>1 wurden<br />

im Luftraum der Kontrollzentrale<br />

Karlsruhe 35 neue „Direct<br />

Routes“ eingeführt, die direkte Verbindungen<br />

und damit kürzere Wege von A<br />

nach B anboten. Das Programm „Free<br />

Route Airspace Karlsruhe“ (FRAK) –<br />

aufgelegt mit dem Ziel, die Umweltbilanz<br />

des Unternehmens zu verbessern<br />

– hatte seinen ersten Schritt<br />

gemacht. Im Juni 2<strong>01</strong>3, also nur zwei<br />

Jahre später, können die Fluggesellschaften<br />

aus 250 Strecken wählen.<br />

Die Möglichkeiten, direkt zu fliegen,<br />

sind zudem nicht mehr auf das Kontrollgebiet<br />

der Karlsruher beschränkt.<br />

Das Projekt „FRAMaK“ verknüpft<br />

Maastrichter und Karlsruher „Directs“,<br />

bringt die Anforderungen der Kunden,<br />

der Flugsicherer und der Umwelt unter<br />

einen Hut und generiert ein Angebot<br />

von insgesamt 700 Direct Routes.<br />

Im Streckennetz eines hoch komplexen<br />

Luftraums gehören Umwege<br />

dazu, um hoch frequentierte Bereiche<br />

zu entlasten. Manchmal können<br />

Flüge jedoch abgekürzt werden. Über<br />

Funk fragt der Pilot beim Lotsen nach<br />

einem „Direct“ und erhält im günstigsten<br />

Fall eine Freigabe für einen umwegfreien<br />

Flug über eine längere Distanz<br />

– unabhängig von der ursprünglich<br />

geplanten Strecke. Diese sogenannten<br />

„taktischen Directs“ gelingen vor<br />

allem nachts und am Wochenende,<br />

haben jedoch einen Nachteil: Der<br />

Treibstoff, der für die längere Strecke<br />

geplant war, wird nicht mehr benötigt<br />

und fliegt als – im wahrsten Sinne des<br />

Wortes – überflüssiges Gewicht mit.<br />

Bereits in einer für das Jahr 2<strong>01</strong>1<br />

erstellten Prognose zeigte sich das<br />

Potenzial, das sich hinter (planbaren)<br />

Direct Routes verbirgt: Bereits vor<br />

Beginn von FRAMaK wurde ein Einsparpotenzial<br />

von jährlich etwa vier<br />

Millionen Flugmeilen berechnet. Das<br />

entspricht 40.000 Tonnen weniger<br />

CO 2 in der Atmosphäre – pro Jahr. Die<br />

bisherigen Erfahrungen zeigen, dass<br />

dieses Ziel nicht zu hoch gesteckt<br />

war: Die Direct-Routen werden intensiv<br />

genutzt, die Fluggesellschaften finden<br />

bei dem großen Angebot meist<br />

etwas, das auf ihre Bedürfnisse passt.<br />

Je länger die Direct Routes<br />

sind, desto größer ist<br />

der Nutzen für Kunde und<br />

Umwelt.<br />

Neben der Streckenlänge werden<br />

bei der Flugplanung typischerweise<br />

auch Windverhältnisse, Zeitvorgaben,<br />

Überfluggebühren und die angebotenen<br />

Flughöhen berücksichtigt. Viele<br />

der Direct Routes leisten einen Beitrag<br />

dazu, einen Flug kosteneffizient<br />

durchzuführen. Aufgrund der Vielzahl<br />

der verfügbaren Alternativen können<br />

zudem überfüllte Lufträume umflogen<br />

und damit Verspätungen vermieden<br />

werden. Auch dem Umweltschutz<br />

dienen kürzere Strecken – in manchen<br />

Fällen können jedoch auch Umwege<br />

attraktiv sein: Wenn niedrigere <strong>Flugsicherung</strong>sgebühren<br />

den höheren Treibstoffverbrauch<br />

ausgleichen, nehmen<br />

die Airlines häufig auch längere Flugrouten<br />

in Kauf.<br />

Die <strong>DFS</strong> hat auf dieses komplexe<br />

Anforderungsprofil reagiert. „Wir<br />

haben für die Entwicklung von Direct-<br />

Routen nicht mehr nur die Statistik<br />

zugrunde gelegt, sondern sind mit<br />

den Fluggesellschaften in den Dialog<br />

getreten“, sagt Jürgen Regner, zuständiger<br />

Verfahrens-Referent im Center<br />

Karlsruhe. „So haben wir Streckenprofile<br />

entwickelt, die vom Tag ihrer<br />

Einführung an angenommen wurden.“<br />

Auf diese Weise hilft die <strong>DFS</strong> den Airlines,<br />

ihre Kosten zu senken und einen<br />

Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.<br />

Inzwischen geht der Ansatz über<br />

das Center Karlsruhe hinaus, denn je<br />

länger die Direct Routes sind, desto<br />

größer ist der Nutzen für Kunde und<br />

Umwelt. So haben die <strong>DFS</strong>, EUROCON-<br />

TROL und die <strong>Deutsche</strong> Lufthansa im<br />

Juni 2<strong>01</strong>2 mit der Arbeit am Projekt<br />

„Free Route Airspace Maastricht and<br />

Karlsruhe“ (FRAMaK) begonnen. Ein<br />

zentraler Punkt dabei sind Cross-border<br />

Directs, welche über die Luftraumgrenzen<br />

der Center Maastricht und<br />

Karlsruhe hinweg verlaufen und somit<br />

über noch größere Distanzen direkte<br />

Routensegmente ermöglichen. Der<br />

nächste Schritt sieht die Erweiterung<br />

von FRAMaK auf den Functional Airspace<br />

Block Europe Central (FABEC)<br />

26 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


vor. Die FABEC-Partner Frankreich<br />

und Schweiz beginnen derzeit mit der<br />

Implementierung von Direct-Routen,<br />

die dann mit den in FRAMaK geschaffenen<br />

Direct-Routen verknüpft werden.<br />

Das Konzept grenzüberschreitender<br />

„Cross-border“ Directs bleibt<br />

außerhalb des FABEC nicht unbemerkt:<br />

Auch in den Nachbarländern<br />

bemühen sich die jeweiligen <strong>Flugsicherung</strong>en,<br />

ihre eigenen Verkehrswege<br />

attraktiver zu gestalten – und investieren<br />

in die Entwicklung von Direct Routes<br />

in ihren Lufträumen. Das Ziel, im<br />

FABEC-Luftraum die Wirtschaftlichkeit<br />

und Umweltfreundlichkeit des Luftverkehrs<br />

zu erhöhen, hat dessen Grenzen<br />

schon weit überschritten.<br />

„Attraktive Directs halten Verkehr<br />

in unserem Luftraum“, erläutert Jürgen<br />

Regner den Vorteil für die <strong>DFS</strong>.<br />

„Und unsere Kunden sind zufrieden,<br />

dass sie Angebote erhalten, die auf<br />

ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind.“<br />

Gemeinsam mit der <strong>Deutsche</strong>n Lufthansa<br />

wird die <strong>DFS</strong> einen FRAMaK-<br />

Feldversuch starten: Vom Sommer<br />

2<strong>01</strong>3 an will sie auf sechs Städteverbindungen<br />

sogenannte ‚User preferred<br />

Routes‘ erproben, bei denen die Airline<br />

die Flugroute nahezu ohne Vorgaben<br />

planen kann. In einem sehr komplexen<br />

Luftraum wie dem deutschen<br />

geht dieser Versuch an die Grenzen<br />

des Machbaren. Ziel ist es, Erfahrungen<br />

zu sammeln und abzuschätzen,<br />

welches Potenzial solche vom Benutzer<br />

festgelegten Routen haben. Dabei<br />

wird aber nicht jeder Wunsch zu erfüllen<br />

sein. „Das vorhandene Routennetz<br />

ist die Bedingung für die sichere<br />

und flüssige Abwicklung der üblichen<br />

Verkehrsmengen“, sagt Regner. „Kundenwünsche<br />

nach ‚Abkürzungen‘ oder<br />

individuellen Flugrouten müssen sich<br />

diesem Ziel unterordnen.“<br />

Kundenzufriedenheit kann auch<br />

durch mehr Service erreicht werden:<br />

Die Kontrollzentrale Maastricht stellt<br />

den Airlines monatliche Nutzungsberichte<br />

zur Verfügung, die darüber<br />

informieren, welche Einsparungen<br />

erzielt wurden und welche Direct Routes<br />

zusätzlich hätten genutzt werden<br />

können. Auch Karlsruhe will seinen<br />

Kunden künftig entsprechende Auswertungen<br />

anbieten.<br />

Trotzdem hat die <strong>DFS</strong> weitere<br />

Reserven im oberen Luftraum. Im<br />

Dezember 2<strong>01</strong>2 wurde das Karlsruher<br />

Zuständigkeitsgebiet um die südlichen<br />

Sektoren über Süddeutschland<br />

und Österreich erweitert, die bislang<br />

von München aus kontrolliert wurden.<br />

Im März 2<strong>01</strong>3 konnten hier 35, im Mai<br />

2<strong>01</strong>3 noch einmal 25 neue Direct Routes<br />

eingeführt werden. Weiterhin kann<br />

mindestens zweimal jährlich mit neuen<br />

Direct Routes gerechnet werden.<br />

Dabei steht die Sicherheit selbstverständlich<br />

an erster Stelle: Neue DCT-<br />

Routen werden immer schrittweise<br />

eingeführt, um dem System Zeit für<br />

die Anpassung zu geben.<br />

Ein unerwarteter Nebeneffekt<br />

stellte sich bei einer großen europäischen<br />

Airline ein: Durch die Nutzung<br />

einer Direct-Route sank die Flugdauer<br />

unter den entsprechenden Grenzwert;<br />

der Flug, für den bislang eine dreiköpfige<br />

Cockpitcrew erforderlich war,<br />

kann fortan mit nur zwei Personen im<br />

Cockpit durchgeführt werden.<br />

Für die Umwelt zählt jedoch letztlich<br />

die Menge des verbrauchten Kerosins<br />

– und diese ist durch die Anstrengungen<br />

der <strong>DFS</strong> und ihrer Partner in<br />

den vergangenen zwei Jahren bereits<br />

erheblich gesenkt worden.<br />

Boris Pfetzing<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 27


Interview<br />

„Ob Schall negativ<br />

bewertet wird, hängt<br />

von vielen Faktoren ab“<br />

Wie wirkt Fluglärm? An den Flughäfen Frankfurt, Berlin, Köln/Bonn und Stuttgart wird diese Frage<br />

so umfassend untersucht wie nie zuvor in Europa. Prof. Dr. Rainer Guski, Umweltpsychologe an der<br />

Ruhr-Universität Bochum, leitet die Studie mit dem Titel „Noise Related Cognition and Health“, kurz<br />

NORAH. transmission sprach mit ihm über Schallpegel, Krankheitsrisiken – und darüber, warum<br />

Lautstärke allein nicht ausreicht, damit Lärm entsteht.<br />

In Frankfurt haben Sie mit der<br />

NORAH-Studie die Möglichkeit, die<br />

Lärmbelastung vor dem Ausbau mit<br />

der Belastung nach dem Ausbau zu<br />

vergleichen. Für einen Lärmforscher<br />

ist das ein Glücksfall, oder?<br />

PROF. RAINER GUSKI: In der Psychologie<br />

ist es ja durchaus üblich,<br />

in ein und derselben Untersuchungsgruppe<br />

Vorher und Nachher zu vergleichen.<br />

Dass sich beim Thema Fluglärm<br />

einmal die Chance dazu bietet,<br />

ist aber tatsächlich ein Glücksfall.<br />

NORAH ist die erste Fluglärmstudie<br />

in Deutschland, in der eine solche<br />

Änderungssituation tatsächlich einmal<br />

untersucht wird. Mein Verdacht<br />

ist: Ein Änderungsflughafen ist für die<br />

Zeit, in der sich etwas ändert, für die<br />

Betroffenen eine viel größere Belastung<br />

als ein Bestandsflughafen.<br />

Warum?<br />

GUSKI: Allein die Befürchtung, dass<br />

es lauter wird, ist eine enorme Belastung.<br />

So gesehen leben die Anwohner<br />

in Frankfurt schon seit Jahren in<br />

einer Ausnahmesituation, nicht erst<br />

seit Eröffnung der neuen Landebahn.<br />

Bei Bestandsflughäfen wird es<br />

„Ein Änderungsflughafen<br />

ist eine größere Belastung<br />

als ein Bestandsflughafen.“<br />

zwar auch lauter, wenn der Verkehr<br />

zunimmt, aber da ist die Veränderung<br />

ganz allmählich und kaum wahrnehmbar.<br />

Bei einem Ausbauflughafen dagegen<br />

steigt die Belastung sprunghaft<br />

an – und diesen Anstieg vergleichen<br />

die Betroffenen mit der Situation vorher.<br />

Wie laut es tatsächlich ist, spielt<br />

dabei gar nicht die entscheidende<br />

Rolle, das kann sowieso niemand<br />

genau hören. Die Betroffenen nehmen<br />

aber sehr genau wahr, dass es<br />

lauter ist als zuvor. Außerdem spielen<br />

psychologische Faktoren eine wichtige<br />

Rolle. Wenn die Menschen das Gefühl<br />

haben, dass man sie ernst nimmt,<br />

dass man ihnen die Wahrheit sagt,<br />

dass man sich darum bemüht, dass<br />

es leiser wird – dann nehmen sie auch<br />

den Lärm als weniger belastend wahr.<br />

Bei der Belästigungsstudie des Regionalen<br />

Dialogforums 2005 hat sich ja<br />

bereits herausgestellt, dass in Frankfurt<br />

das Vertrauen der Betroffenen in<br />

den Staat, in den Flughafenbetreiber<br />

und in die Justiz äußerst gering geworden<br />

ist. Da ist einiges schiefgelaufen.<br />

Der Lärm findet also im Kopf statt?<br />

GUSKI: Ja, da ist die Definition<br />

von Lärm: Lärm ist negativ bewerteter<br />

Schall. Ein Rockkonzert ist ja<br />

auch laut, aber wenn man die Musik<br />

mag, setzt man sich dem Krach gerne<br />

aus. Bewertet man die Quelle dagegen<br />

negativ, fühlt man sich durch<br />

den Lärm belästigt. Ob ein Schallereignis<br />

als belästigend bewertet wird<br />

oder nicht, hängt von vielen Faktoren<br />

ab. Wir können die Lärmbelästigung<br />

noch nicht hundertprozentig erklären.<br />

28 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


Aber unter den bekannten Einflüssen<br />

erklären akustische Faktoren, zum Beispiel<br />

die Höhe des Schallpegels, die<br />

wahrgenommene Belästigung etwa<br />

zur Hälfte. Die andere Hälfte machen<br />

psychologische Faktoren aus, also<br />

zum Beispiel die persönliche Lärmempfindlichkeit<br />

oder die Bewertung<br />

der Quelle. Kurz gesagt: Schall löst<br />

bei jedem Menschen Reaktionen aus,<br />

körperliche wie mentale. Wie stark<br />

diese Reaktionen sind, hängt sowohl<br />

von der Häufigkeit und Intensität des<br />

Lärms ab als auch von individuellen<br />

und sozialen Eigenschaften, Erfahrungen<br />

und Erwartungen. Und es kommt<br />

darauf an, ob die Betroffenen eine<br />

Möglichkeit haben, sich zu schützen<br />

oder einen Ausgleich zu finden, etwa<br />

durch längere Phasen der Ruhe.<br />

Wie reagiert der Körper auf Fluglärm?<br />

GUSKI: Aus Studien wissen wir,<br />

dass Fluglärm das Schlafverhalten<br />

beeinflusst und zu Aufwachreaktionen<br />

führen kann. Es ist auch nachgewiesen,<br />

dass Lärm auf lange Sicht zu<br />

einer Erhöhung des Blutdrucks führt<br />

und das Risiko von Herz- und Gefäßerkrankungen<br />

erhöht. Fluglärm kann<br />

also krank machen – das ist wissenschaftlich<br />

gesichert. Die Wissenschaft<br />

weiß aber nur sehr wenig darüber, wie<br />

genau dieser Zusammenhang aussieht.<br />

Welche Rolle spielen die Höhe<br />

des Schallpegels und die Häufigkeit<br />

und Dauer der Belastung? Können einzelne<br />

Belastungen kompensiert werden,<br />

wenn zwischen den Lärmereignissen<br />

ausreichend große Ruhephasen<br />

liegen? Über diese Zusammenhänge<br />

ist nur wenig bekannt. Das gilt auch<br />

für die Frage, ob der energieäquivalente<br />

Dauerschallpegel tatsächlich ein<br />

gutes Maß ist, Lärm zu beschreiben.<br />

Beim energieäquivalenten Dauerschallpegel,<br />

kurz L EQ , wird aus Dauer,<br />

Häufigkeit und Intensität die mittlere<br />

energetische Schallbelastung berechnet.<br />

Ist dieses Maß nicht Standard?<br />

GUSKI: Der L EQ ist ein Kompromiss,<br />

auf den man sich geeinigt hat.<br />

Mit dem wahrgenommenen Lärm hat<br />

er aber nichts zu tun: Der L EQ ist ein<br />

Rechenmaß, um die physikalische<br />

Energie des Schalls zu beschreiben<br />

– wohl wissend, dass wir Energie als<br />

solche gar nicht hören können. Die<br />

Betroffenen nehmen ja keinen rechnerischen<br />

Mittelwert wahr, sondern einzelne<br />

Flugzeuge, sobald diese einen<br />

bestimmten Pegel überschreiten.<br />

Die Schlafforscher sagen das schon<br />

lange: Für die konkrete Aufwachreaktion<br />

in der Nacht ist der L EQ völlig<br />

uninteressant. Entscheidend ist der<br />

Maximalpegel: Die Lautstärke jedes<br />

einzelnen Flugzeugs in der Nacht<br />

bestimmt die individuelle Aufwachreaktion<br />

in dieser Nacht, nicht der Mittelwert.<br />

Es gibt etliche Wissenschaftler,<br />

die die Zahl der Lärmereignisse über<br />

einem bestimmten Schwellenwert für<br />

die viel geeignetere Größe halten. Wir<br />

untersuchen bei NORAH beides, den<br />

Dauerschallpegel ebenso wie die Maximalpegelverteilung<br />

pro Stunde. So<br />

können wir sehen, was die gesundheitlich<br />

relevantere Größe ist.<br />

Was untersuchen Sie bei NORAH<br />

genau?<br />

„Bislang wird jede Lärm-<br />

art für sich betrachtet.<br />

Wir wollen untersuchen,<br />

wie sich die Wirkungen<br />

von Straßen-, Schienen-<br />

und Fluglärm addieren.“<br />

GUSKI: NORAH ist eine sehr breit<br />

angelegte Studie mit einem sehr großen<br />

Untersuchungsgebiet. Das liegt<br />

daran, dass wir den Pegelwert, ab<br />

dem wir Fluglärmwirkungen untersuchen<br />

möchten, bewusst sehr niedrig<br />

angesetzt haben – bei 40 Dezibel.<br />

Ausgehend von den Flugspuren, die<br />

uns die <strong>DFS</strong> zur Verfügung gestellt<br />

hat, haben wir berechnet, in welchen<br />

Gegenden rund um den Frankfurter<br />

Flughafen tags oder nachts ein äquivalenter<br />

Dauerschallpegel von mindestens<br />

40 Dezibel herrscht. Messen<br />

kann man das nicht, denn durch<br />

den Straßenlärm gibt es innerhalb<br />

einer Stadt fast nirgendwo mehr eine<br />

Gegend mit einem Dauerschallpegel<br />

von weniger als 40 Dezibel. Wir nutzen<br />

aber die Werte der Fluglärm-Messstationen,<br />

um unsere berechneten Werte<br />

abzugleichen. Darüber hinaus betrachten<br />

wir noch den Straßen- und Schienenlärm,<br />

der wird ebenfalls berechnet.<br />

Bei den Grenzwerten wird bislang jede<br />

Lärmart für sich allein betrachtet. Wir<br />

möchten untersuchen, ob sich die Wirkungen<br />

von Straßen-, Schienen- und<br />

Fluglärm möglicherweise addieren.<br />

Wie gehen sie vor?<br />

GUSKI: NORAH besteht aus drei<br />

Modulen. Im ersten Modul, wir nennen<br />

es das Basismodul, geht es um<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 29


Interview<br />

„Für die konkrete Aufwachreaktion<br />

in der<br />

Nacht ist der Dauerschallpegel<br />

völlig uninteressant.<br />

Entscheidend ist<br />

der Maximalpegel.“<br />

die Frage der Lebensqualität und<br />

der Belästigung durch die verschiedenen<br />

Verkehrslärmarten. Im Rhein-<br />

Main-Gebiet haben wir dazu mehr als<br />

9.000 Menschen innerhalb des Untersuchungsgebiets<br />

telefonisch befragt,<br />

und zwar in mehreren Wellen: 2<strong>01</strong>1,<br />

also vor Eröffnung der neuen Landebahn,<br />

2<strong>01</strong>2 und 2<strong>01</strong>3. Diese Umfrage<br />

beschränkt sich aber nicht nur auf<br />

Frankfurt: Mit dem gleichen Instrument<br />

wurden auch die Anwohner am neuen<br />

Berliner Hauptstadtflughafen befragt,<br />

dem zweiten Veränderungsflughafen<br />

in der Studie. Zum Vergleich untersuchen<br />

wir auch noch die Bestandsflughäfen<br />

Stuttgart und Köln/Bonn. Hier<br />

hat die Befragung aber noch nicht<br />

stattgefunden, da müssen die Datenschützer<br />

noch zustimmen.<br />

Und die anderen beiden Module?<br />

GUSKI: Im Modul zwei geht es um<br />

den Zusammenhang zwischen Fluglärm<br />

und Krankheit. Dies wird auf verschiedene<br />

Weise untersucht. Zum<br />

einen werten wir die Daten von rund<br />

1,5 Millionen Versicherten aus, die<br />

uns die Krankenkassen zur Verfügung<br />

stellen. Dabei geht es um Krankheiten,<br />

die mit Lärm in Verbindung gebracht<br />

werden – Herzinfarkte, Schlaganfälle,<br />

Brustkrebs oder Depression. Wir interessieren<br />

uns für die Neuerkrankungen<br />

in den Jahren 1997 bis 2<strong>01</strong>0.<br />

Diese Daten werden – natürlich anonymisiert<br />

– in Bezug zur Lärmbelastung<br />

gesetzt. Nach meinem Wissen<br />

gibt es bislang eine einzige Studie,<br />

die so etwas gemacht hat, und zwar<br />

in der Schweiz. Wir sind sogar noch<br />

ein bisschen genauer als die Schweizer,<br />

weil wir auch Umzüge innerhalb<br />

dieser 14-Jahres-Spanne berücksichtigen.<br />

Zusätzlich machen wir eine so<br />

genannte Fallkontrollstudie. Wir bitten<br />

die Krankenkassen, denjenigen Versicherten,<br />

die neu erkranken, einen<br />

Fragebogen zuzuschicken. Auf diese<br />

Weise können wir Faktoren erfassen,<br />

die nach Ansicht der Mediziner ebenfalls<br />

einen Einfluss auf die Erkrankung<br />

haben könnten – beispielsweise Bewegung,<br />

Ernährung oder Rauchverhalten.<br />

Warum diese zusätzliche Untersuchung?<br />

GUSKI: Wenn man diese Variablen<br />

kontrolliert, kann man den Einfluss des<br />

Fluglärms sehr viel genauer bestimmen.<br />

Das sind dann sehr harte Daten;<br />

so intensiv wie bei NORAH ist das in<br />

Europa noch nie gemacht worden.<br />

Zusätzlich wird in dem zweiten Modul<br />

der Zusammenhang zwischen Lärm<br />

und Blutdruck untersucht – und zwar<br />

im Abstand von einem Jahr, jeweils<br />

über eine Zeitspanne von 14 Tagen.<br />

Das ist ein wichtiges Bindeglied. Eine<br />

Veränderung des Blutdrucks könnte<br />

also ein Frühindikator für eine spätere<br />

Erkrankung sein. Letzter Baustein in<br />

diesem Modul ist eine Schlafstudie.<br />

Wie läuft so eine Schlafstudie ab?<br />

GUSKI: Die Untersuchung erfolgt<br />

bei den Probanden vor Ort. Dabei<br />

werden die Hirnströme untersucht,<br />

außerdem EKG- und Bewegungsdaten<br />

gesammelt – das Ganze ist also sehr<br />

aufwendig. An der Kern-Untersuchung<br />

haben zunächst 40 Flughafen-Anwohner<br />

teilgenommen. Später kamen<br />

noch einmal knapp 50 Personen hinzu.<br />

Mit der Einführung des Nachtflugverbots<br />

wurde nämlich diskutiert, welche<br />

Rolle es spielt, wenn der Verkehr von<br />

der Nacht in die Randstunden am Morgen<br />

und am Abend verschoben wird.<br />

Gerade morgens zwischen 5 und 6<br />

Uhr ist das kritisch, denn da schläft<br />

man flacher, die Aufwachwahrscheinlichkeit<br />

steigt also. Umgekehrt weiß<br />

man, dass statistisch gesehen um 23<br />

Uhr etwa die Hälfte der Bevölkerung<br />

bereits im Bett liegt und schläft – oder<br />

es zumindest versucht. Deshalb wurde<br />

entschieden, die Randstundenproblematik<br />

gesondert zu untersuchen. Als<br />

das Design der NORAH-Studie festgelegt<br />

wurde, war ein Nachtflugverbot ja<br />

noch nicht absehbar.<br />

Und worum geht es in dem dritten<br />

Modul?<br />

GUSKI: In Modul drei wollen wir<br />

untersuchen, ob Lärm eventuell die<br />

kognitive Entwicklung von Kindern<br />

behindert. Wir haben an insgesamt<br />

1.249 Kindern in 29 Schulklassen<br />

innerhalb unseres Untersuchungsgebiets<br />

getestet, wie gut sich die Kinder<br />

Dinge merken können und wie sie bei<br />

Sprachtests abschneiden. Die Tests<br />

erfolgten sozusagen unter Laborbedingungen,<br />

der Umgebungslärm<br />

wurde mit Hilfe von Kopfhörern ausgeblendet.<br />

Nun warten wir noch auf<br />

die akustischen Daten, um die Ergeb-<br />

30 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


nisse damit in Verbindung setzen zu<br />

können. Ich vermute aber, dass der<br />

Effekt nicht sehr groß sein wird. Das<br />

Problem ist, dass der soziale Status<br />

und das Bildungsniveau der Eltern<br />

einen enormen Einfluss haben. Wir<br />

haben deshalb bewusst darauf geachtet,<br />

dass die hoch belasteten Schulen,<br />

die wir untersuchen, nicht alle in sozial<br />

schwächeren Gebieten liegen. Außerdem<br />

versuchen wir, durch Befragung<br />

der Lehrer und der Eltern diese Variable<br />

zu kontrollieren. Sozialer Status<br />

ist ein riesiger moderierender Faktor.<br />

Wenn man den konstant hält, bleibt<br />

für die Wirkung des Lärms nicht viel<br />

übrig.<br />

Wann werden Sie die Ergebnisse<br />

präsentieren können?<br />

GUSKI: Ende 2<strong>01</strong>4 soll die Auswertung<br />

beendet sein. Dann geht der<br />

Bericht durch die Qualitätssicherung.<br />

Spätestens im März 2<strong>01</strong>5 sollte er<br />

dann vorliegen.<br />

Also vielleicht noch vor dem Flughafen<br />

Berlin Brandenburg, den Sie ja<br />

eigentlich mit untersuchen wollten…<br />

GUSKI: Ja, Berlin können wir wohl<br />

weitgehend vergessen. Wir können<br />

mit der Studie ja nicht warten, bis der<br />

Flughafen eröffnet ist. Um doch noch<br />

zu Ergebnissen zu kommen, müssten<br />

wir die Befragung in Berlin eigentlich<br />

wiederholen, wenn der Flughafen<br />

in Betrieb ist. Es hat sich aber noch<br />

niemand gefunden, der das bezahlen<br />

würde. Der Berliner Senat, das<br />

Umweltbundesamt, das Bundesverkehrsministerium,<br />

das Umweltministerium<br />

– bislang haben alle abgewinkt.<br />

Das ist sehr schade.<br />

Gibt es noch etwas, was bei NORAH<br />

nicht so geklappt hat wie geplant?<br />

GUSKI: Eigentlich hatten wir uns<br />

vorgenommen, auch etwas über den<br />

Erfolg der Lärmschutzmaßnahmen in<br />

Frankfurt sagen zu können. Ich fürchte<br />

nur: Da ist in den vergangenen Monaten<br />

so viel passiert, dass es nicht<br />

möglich sein wird, Konkretes über<br />

einzelne Maßnahmen zu sagen. Wir<br />

können vielleicht noch eine Aussage<br />

machen über den Erfolg der Nachtflugbeschränkung.<br />

Aber sonst hat sich<br />

seit Anfang 2<strong>01</strong>1 einfach zu viel geändert.<br />

Die neuen Flugrouten, die Eröffnung<br />

der Bahn, steilere Anflüge – das<br />

sind zu viele Faktoren, als dass man<br />

dazu eine Aussage machen könnte.<br />

Wir können unsere 9.000 Probanden<br />

ja nicht jeden Monat befragen.<br />

Die NORAH-Studie wurde vom Land<br />

Hessen beauftragt. Es übernimmt mit<br />

7,3 Millionen Euro den Großteil der<br />

Finanzierung, Fraport beteiligt sich<br />

mit einer Million. Können Sie da wirklich<br />

unabhängig forschen?<br />

GUSKI: Ja. Wir haben einen Vertrag<br />

mit der Umwelt- und Nachbarschaftshaus<br />

<strong>GmbH</strong> Kelsterbach geschlossen,<br />

einer hundertprozentigen Tochter des<br />

Landes Hessen. Darin ist festgeschrieben,<br />

was wir machen wollen, und das<br />

machen wir nun auch. Wir können<br />

natürlich nicht tun und lassen, was wir<br />

wollen – aber im Rahmen dieser Vereinbarung<br />

sind wir vollkommen unabhängig.<br />

Für die Wissenschaft ist das<br />

ein Glücksfall. Ich habe schon vor<br />

zwölf Jahren bei der <strong>Deutsche</strong>n Forschungsgemeinschaft<br />

eine solche Studie<br />

beantragt, und zwar für Berlin.<br />

Daraus wurde nichts, denen war das<br />

einfach zu teuer. Jetzt haben wir die<br />

Chance, etwas zu tun, was es bislang<br />

in Europa noch nicht gegeben hat.<br />

Natürlich kenne ich den Vorwurf, dass<br />

das Land Hessen diese Studie nur als<br />

Alibi in Auftrag gegeben hat. Es wird<br />

spannend werden zu sehen, welche<br />

Konsequenzen aus unseren Ergebnissen<br />

gezogen werden. Ich kann nur<br />

sagen: Wir als Wissenschaftler versuchen<br />

mit dieser Studie, den Verantwortlichen<br />

eine Hilfestellung zu geben,<br />

wie man es in Zukunft besser machen<br />

kann.<br />

Das Thema Lärm beschäftigt Prof.<br />

Dr. Rainer Guski seit mehr als 40<br />

Jahren. Der Psychologe ist an der<br />

Ruhr-Universität Bochum tätig, wo<br />

er die Arbeitsgruppe Umwelt- und<br />

Kognitionspsychologie leitet und<br />

an Projekten zur Lärm- und Wahrnehmungsforschung<br />

arbeitet. Von<br />

1992 bis 2000 war er Vorsitzender<br />

des <strong>Deutsche</strong>n Arbeitsrings für<br />

Lärmbekämpfung. Aktuell leitet er<br />

die Studie NORAH, die die Wirkung<br />

des Fluglärms am Frankfurter Flughafen<br />

untersucht. In seiner Freizeit<br />

beschäftigt er sich mit Architekturfotografie<br />

und macht Musik.<br />

Die Fragen stellte<br />

Christopher Belz<br />

Fotos: Marion Nelle<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 31


Technik<br />

Mit Vogelschutzzaun und<br />

„Klappenballett“<br />

Die <strong>DFS</strong> zählt zu ihren Liegenschaften etwa 500 Gebäude. Sie alle verbrauchen beträchtliche Energiemengen<br />

und Ressourcen. Angesichts der zunehmenden Dringlichkeit des Umweltschutzes sowie<br />

steigender Energiekosten spielen ökologische Aspekte deshalb im Bereich der Bauprojekte eine<br />

immer größere Rolle. Beispielhaft stehen dafür der neue Kontrollraum in München und die Sanierung<br />

des Systemhauses in Langen.<br />

Das Gebäude strahlt weiß,<br />

seine Architektur wirkt<br />

selbstbewusst, fast majestätisch<br />

und es steht in Bayern. Die Rede<br />

ist nicht von einem der Märchenschlösser<br />

Ludwig II., sondern es geht um ein<br />

Funktionsgebäude der <strong>DFS</strong> am Flughafen<br />

München. Das hochmoderne Bauwerk<br />

stellt einen Meilenstein dar: Mit<br />

dem Anbau an die bestehende Kontrollzentrale<br />

schafft die <strong>DFS</strong> den Raum,<br />

den sie für ein neues <strong>Flugsicherung</strong>ssystem<br />

sowie zusätzliche Lotsenarbeitsplätze<br />

benötigt. Der neue Kontrollraum<br />

soll später einmal bis zu 100<br />

Fluglotsenarbeitsplätze aufnehmen.<br />

Bis zum Ende 2<strong>01</strong>3 wollen Projektleiterin<br />

Andrea Strelkow und ihr Team<br />

das Gebäude an die Nutzer übergeben,<br />

mit der Planung und dem bisherigen<br />

Bauverlauf zeigt sich die Projektleiterin<br />

sehr zufrieden: „Die <strong>DFS</strong> erhält mit<br />

dem Anbau am Center München ein<br />

neues Signet. Durch die klare Kubatur<br />

und die markante Fassade präsentiert<br />

sich das Gebäude selbstbewusst und<br />

doch zurückhaltend“, sagt Strelkow.<br />

„Die Architektur greift bei Material, Farben<br />

und Formen Elemente der umliegenden<br />

Bebauung auf und fügt sich so<br />

harmonisch in die Landschaft ein.“<br />

Das neue, umweltfreundliche Gebäude der <strong>Flugsicherung</strong> in München. Foto: <strong>DFS</strong><br />

Auch der Umweltschutz hat für Planung<br />

und Bau des Gebäudes eine entscheidende<br />

Rolle gespielt. Für Neubauten<br />

im Bereich des Flughafens<br />

München gelten hohe Anforderungen:<br />

Sie müssen sich in die natürlichen<br />

Gegebenheiten und den natürlichen<br />

Kreislauf am Standort einbinden lassen<br />

– zu Wasser, zu Land und in der Luft.<br />

Das bedeutet beispielsweise, dass bei<br />

allen Bauten die sensible Grundwassersituation<br />

des Erdinger Moos geschützt<br />

werden muss. Deshalb hat die <strong>DFS</strong><br />

bei Ausschreibung und Planung den<br />

umweltschonenden und ökologischen<br />

Aspekten hohe Priorität eingeräumt.<br />

„So hat es sich für uns von selbst<br />

verboten, das Gebäude zu unterkellern“,<br />

sagt Andrea Strelkow. Wenn<br />

die Gründung des Gebäudes ansteht,<br />

werden vorher Pegel gesetzt, um den<br />

Grundwasserstand zu beobachten.<br />

Der befindet sich mit 30 Zentimeter<br />

unter Gelände in einer Lage, wo man<br />

bereits mit einem etwas zu kräftigen<br />

Spatenstich eine „Quelle“ zum Sprudeln<br />

bringen könnte. Der Boden des<br />

Baufeldes besteht fast ausschließlich<br />

aus Kies – eine „Geschiebefracht“ der<br />

Isar, die zwei Kilometer weiter westlich<br />

ihre Bahn zieht. Da diese Zusammensetzung<br />

geologisch bedeutsam ist,<br />

bestehen genaue Vorgaben, auf welche<br />

Art und Weise die Baugrube verfüllt<br />

werden muss. Dabei wird Schicht<br />

um Schicht eingebracht und penibel<br />

darauf geachtet, dass sich die einzelnen<br />

Kieslagen nicht durchmischen.<br />

Überwacht wird der gesamte Vorgang<br />

durch die so genannte „ökologische<br />

Bauleitung“ – eine Rolle, welche<br />

die <strong>DFS</strong> beim Münchener Center-<br />

Anbau erstmalig für ihre Bauprojekte<br />

eingerichtet hat. So wird das auf der<br />

gesamten bebauten Fläche anfallende<br />

32 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


Niederschlagswasser nicht in die<br />

Kanalisation oder in den flughafeneigenen<br />

Regenwasserkanal, sondern in<br />

speziell errichtete Rigolen eingeleitet.<br />

Das sind unterirdische Versickerungsbauwerke,<br />

die für einen ausgeglichenen<br />

Wasserhaushalt auf dem Grundstück<br />

sorgen.<br />

Neben „Wasser“ und „Boden“ haben<br />

Projektleiterin Strelkow und ihr Team<br />

auch beim Eingriff in den natürlichen<br />

Lebensraum „Luft“ strenge Umweltschutz-Maßstäbe<br />

angelegt: So wurde<br />

nach den Vorgaben der ökologischen<br />

Bauleitung ein spezieller, halb transparenter<br />

grüner Vogelschutzzaun errichtet,<br />

um das unmittelbar an die Baustelle<br />

grenzende Vogelschutzgebiet<br />

vor dem Scheinwerferlicht der Baustelle<br />

zu schützen.<br />

Auch im Inneren des Gebäudes<br />

wurde umweltgerecht gebaut. Dort<br />

entstehen durch die großen Rechnerräume<br />

erhebliche Mengen an<br />

Abwärme. Gewöhnlich werden die<br />

hohen Temperaturen der Abluft durch<br />

Rückkühlwerke auf dem Dach abgekühlt,<br />

bevor diese an die Umgebung<br />

abgegeben wird. So war es bisher. Im<br />

Center-Anbau jedoch wird die Abluft<br />

über Umluftkühlgeräte geführt. Diese<br />

sind konstruiert, um Wärme zurückzugewinnen<br />

und damit das Gebäude<br />

zu beheizen. Das Prinzip ist nicht neu,<br />

wurde aber in dieser Größenordnung<br />

und vor dem Hintergrund einer hohen<br />

Versorgungssicherheit noch nie angewendet.<br />

Die Kühlung der Rechner<br />

selbst erfolgt durch die so genannte<br />

„freie Kühlung“: Bei Temperaturen<br />

unter 21 Grad Celsius wird Außenluft<br />

angesaugt, welche die Anlagen zusätzlich<br />

kühlt. Die dadurch erreichte Energieeinsparung<br />

übertrifft die Vorgaben<br />

aus der Energieeinsparverordnung<br />

deutlich.<br />

Der Center-Anbau in München ist<br />

nicht das einzige Beispiel für umweltfreundliche<br />

und energiebewusste Baukonzepte<br />

bei der <strong>DFS</strong>. Davon weiß Anja<br />

Blobel zu berichten, Projektleiterin für<br />

die von 2008 bis 2<strong>01</strong>0 erfolgte Sanierung<br />

des Systemhauses auf dem <strong>DFS</strong>-<br />

Campus in Langen. Beauftragt mit Planung<br />

und Bauleitung wurde seinerzeit<br />

das Ingenieurbüro ARUP aus Berlin.<br />

„Den Ausschlag hat der umwelt- und<br />

ressourcenschonende Planungsansatz<br />

des Berliner Ingenieurbüros gegeben“,<br />

erinnert sich Anja Blobel.<br />

Der Durchbruch bei der Planung<br />

wurde seinerzeit erreicht, als die Projektleitung,<br />

der zukünftige Gebäudebetreiber<br />

sowie Vertreter der Nutzer<br />

dem Vorschlag der ARUP-Planer<br />

zum Einsatz einer Fassadenkonstruktion<br />

mit Nachtluftkühlung zustimmten.<br />

Mit dieser Konstruktion lassen<br />

sich die hohen Innenraumtemperaturen<br />

im Sommer ohne Einsatz von Klimaanlagen<br />

oder anderer aufwendiger<br />

Gebäudetechnik reduzieren. Komplettiert<br />

wird die Konstruktion durch eine<br />

hochselektive Verglasung und einen<br />

effektiven Sonnenschutz.<br />

All das zusammen spart Energie<br />

– und das wiederum Betriebskosten.<br />

„Etwa 80 bis 90 Prozent aller Kosten<br />

im Lebenszyklus eines Gebäudes fallen<br />

im laufenden Betrieb an", erklärt<br />

Projektleiterin Blobel. „Die <strong>Ausgabe</strong>n<br />

für die energetische Sanierung sind<br />

gut angelegt.“<br />

Das Prinzip der Nachtluftkühlung<br />

beruht darauf, dass in der Nacht über<br />

Fassadenöffnungen kalte Luft in das<br />

Gebäude geleitet wird und es dadurch<br />

zu einer Abkühlung der massiven Bauteile<br />

im Gebäudeinnern, wie beispielsweise<br />

Betondecken und Mauerwerkswänden,<br />

kommt. Am Tage geben diese<br />

Bauteile die kühlere Oberflächentemperatur<br />

ab und verzögern damit das<br />

Aufheizen der Raumluft.<br />

Was sich einfach anhört, erfordert<br />

eine elektronische Steuerung von<br />

öffenbaren Bauteilen in der Fassade<br />

mit Hilfe einer speziellen Computersoftware.<br />

Drei Jahre nach der Inbetriebnahme<br />

kann eine positive Zwischenbilanz<br />

gezogen werden: Sowohl<br />

die Funktionalität als auch die Wirksamkeit<br />

des „Klappenballetts“ überzeugen.<br />

Das Bauprojekte-Team der <strong>DFS</strong>/hinten von links: Leiter Stephan Huber, Andrea Michaelis,<br />

Werner Breuer, Julia Manowski, Denis Zrnic, Karl-Otto sorg, Andreas Sobolew;<br />

vorne von links: Anja Blobel, Isabella Ramon y Mena, Andrea Strelkow, Katrin Lowitz.<br />

Foto: Melanie Bauer<br />

Stephan Huber<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 33


Technik<br />

Energie mit hohem<br />

Wirkungsgrad<br />

Die <strong>DFS</strong> betreibt seit 1988 ein eigenes Blockheizkraftwerk. Zurzeit wird die <strong>DFS</strong>-Energiezentrale<br />

modernisiert. Die neue Technologie ist noch effizienter und umweltfreundlicher. Davon profitiert<br />

nicht nur die <strong>Flugsicherung</strong>.<br />

Frank Metje in seinem Element: Er ist Geschäftsführer der <strong>DFS</strong>-Tochter-<strong>GmbH</strong> „<strong>DFS</strong> Energy“.<br />

Fotos: Melanie Bauer<br />

Seit 1988 versorgt die Energiezentrale<br />

der <strong>DFS</strong> die<br />

Gebäude auf dem <strong>DFS</strong>-Campus<br />

in Langen sowie externe Abnehmer<br />

mit Strom, Dampf, Heiz- und Kaltwasser.<br />

Das funktioniert auf Basis der<br />

Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung. Durch<br />

die Verbrennung von Erdgas und Öl<br />

wird über mechanisch gekoppelte<br />

Generatoren Strom erzeugt. Wärmetauscher<br />

im Abgas- und Kühlwasserkreislaufsystem<br />

der Motoren gewinnen<br />

die Abwärme zur Erzeugung von<br />

Heißwasser und Dampf zurück. In dem<br />

sich anschließenden Prozess wird aus<br />

dem Dampf in Absorptionskältemaschinen<br />

Kaltwasser erzeugt. „Dieses<br />

Prinzip der Energiegewinnung ist auch<br />

heute noch sehr ökonomisch und ökologisch“,<br />

sagt Frank Metje, Leiter der<br />

Energiezentrale und Geschäftsführer<br />

der <strong>DFS</strong>-Tochter-<strong>GmbH</strong> „<strong>DFS</strong> Energy“.<br />

Nach 25 Jahren haben die meisten<br />

technischen Komponenten der<br />

Energiezentrale das Ende ihrer<br />

Gebrauchsdauer erreicht. Das Blockheizkraftwerk<br />

wird deshalb bis 2<strong>01</strong>4<br />

modernisiert und bei dieser Gelegenheit<br />

um etwa ein Viertel der ursprünglichen<br />

Fläche vergrößert. Damit trägt<br />

die <strong>Flugsicherung</strong> dem gestiegenen<br />

Energiebedarf Rechnung, der vor<br />

allem durch das im Bau befindliche<br />

Technikzentrum entstehen wird.<br />

Nach der Modernisierung kommen<br />

statt der heutigen Zündstrahlmotoren,<br />

die zu 90 Prozent mit Erdgas und zu<br />

34 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


zehn Prozent mit Heizöl laufen und die<br />

Stromgeneratoren antreiben, Gasturbinen<br />

zum Einsatz, die den Grundleistungsbedarf<br />

abdecken. Diese werden<br />

ergänzt durch Gasmotoren-Aggregate<br />

kleinerer Leistung, mit denen die „<strong>DFS</strong><br />

Energy“ flexibler auf schwankenden<br />

Energiebedarf reagieren kann. „Die<br />

Erzeugerkomponenten sind so konstruiert,<br />

dass sie ihren besten Wirkungsgrad<br />

erzielen, wenn sie zu 100 Prozent<br />

ausgelastet werden. Es ist also<br />

energetisch nicht sinnvoll, eine Turbine<br />

oder einen Motor in Teillast laufen zu<br />

lassen, weil man eben nur ein bisschen<br />

mehr Energie braucht“, erläutert<br />

Metje. „Die neuen Komponenten sind<br />

hinsichtlich ihrer Nennleistung unterschiedlich<br />

groß und so zusammengestellt,<br />

dass sie mit hohem Wirkungsgrad<br />

unterschiedlichen Mehrbedarf an<br />

Energie decken können.“<br />

Für die optimale Zusammenstellung<br />

der Energiekomponenten wurde<br />

der Verbrauch der vergangenen Jahre<br />

bis hin zu so genannten Viertelstundenwerten<br />

betrachtet, und das für alle<br />

Energie-Medien, also Strom, Dampf,<br />

Heizwasser und Kaltwasser. „Da der<br />

Verbrauch typischen Tag-/Nacht- und<br />

Wochentag-/Wochenend-Schwankungen<br />

unterliegt, war es wichtig, mit<br />

moderner Erzeugertechnik jederzeit<br />

darauf reagieren zu können. Das heißt,<br />

wir können einzelne Komponenten<br />

abschalten und zuschalten, ohne den<br />

Gesamtwirkungsgrad zu verschlechtern“,<br />

sagt Metje. Die Energiezentrale<br />

wird dadurch noch effizienter.<br />

Die Schwierigkeit bei der Erweiterung<br />

und Modernisierung liegt<br />

darin, dass alle Bauarbeiten und der<br />

Austausch der Technik im laufenden<br />

Betrieb stattfinden müssen. Die<br />

Energieversorgung kann nicht einfach<br />

unterbrochen oder heruntergefahren<br />

werden. 50 Millionen Euro<br />

sind für dieses Projekt veranschlagt.<br />

„Natürlich haben wir Alternativen dazu<br />

geprüft“, sagt Metje. Doch das Konzept<br />

der zentralen Energieerzeugung<br />

hat sich bewährt. „Die andere Möglichkeit,<br />

kleinere dezentrale Energieversorgungseinrichtungen<br />

zu schaffen,<br />

wäre weniger wirtschaftlich“, betont<br />

der <strong>DFS</strong>-Energy-Geschäftsführer.<br />

Ganz auf die eigene Energieversorgung<br />

verzichten kann die <strong>DFS</strong> ohnehin<br />

nicht. Das Unternehmen ist verpflichtet,<br />

sich im Ernstfall autark mit Energie<br />

versorgen zu können. Wenn das<br />

öffentliche Strom- und Gasnetz ausfällt,<br />

schaltet die Energiezentrale um<br />

in den Netzersatzbetrieb, der künftig<br />

über separate Netzersatzaggregate<br />

realisiert wird. Die Motoren der Anlage<br />

laufen dann ausschließlich mit Heizöl.<br />

Rund 240.000 Liter davon lagern künftig<br />

für diese Zwecke auf dem <strong>DFS</strong>-<br />

Campus. Die Energiemedien Dampf,<br />

Heiz- sowie Kaltwasser können ohnehin<br />

nicht von einem öffentlichen Anbieter<br />

bezogen werden, die <strong>DFS</strong> müsste<br />

sie in jedem Fall selbst erzeugen.<br />

Wie ein kleines mittelständisches<br />

Unternehmen<br />

Das Prinzip der Kraft-Wärme-Kälte-<br />

Kopplung wird auch in der modernisierten<br />

Anlage beibehalten. „Untersuchungen<br />

haben ergeben, dass dies<br />

nach wie vor für uns die effizienteste<br />

und wirtschaftlichste Art der Energieerzeugung<br />

ist“, sagt Metje. Erzeugt<br />

die Energiezentrale mehr Strom, als<br />

der Campus verbrauchen kann, speist<br />

sie die überschüssige Energie zurück<br />

in das Netz der Stadtwerke Langen.<br />

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) nimmt<br />

rund 50 Prozent der von der „<strong>DFS</strong><br />

Energy“ erzeugten Energie ab. Das<br />

Bundesinstitut für Impfstoffe braucht<br />

vor allem Dampf zum Sterilisieren.<br />

Die <strong>DFS</strong>-Tochter-<strong>GmbH</strong> ist, was den<br />

Jahresumsatz betrifft, vergleichbar<br />

mit einem kleinen mittelständischen<br />

Unternehmen.<br />

Da bei der Verbrennung von Erdgas<br />

und Heizöl Kohlendioxid frei wird,<br />

muss die <strong>DFS</strong> am Emissionshandel<br />

teilnehmen. Bis zu 25.000 Tonnen CO 2<br />

hat die Energiezentrale bisher jährlich<br />

ausgestoßen. Für diese Menge hat sie<br />

kostenlose Emissions-Zertifikate zugeteilt<br />

bekommen. Liegen die Emissionen<br />

unterhalb der zugeteilten Menge,<br />

kann die <strong>DFS</strong> die Zertifikate verkaufen.<br />

„Das ist ein zusätzlicher Anreiz für<br />

uns, noch umweltfreundlicher zu werden“,<br />

sagt Metje.<br />

Im Ernstfall autark: Die Energiezentrale erzeugt Strom, Dampf, Heiz- und Kaltwasser.<br />

Sandra Ciupka<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 35


Technik<br />

„Solar-Baby“ liefert<br />

Energie vom Dach<br />

Seit Herbst 2009 zählt die <strong>DFS</strong> zu den Großproduzenten von sauberem Strom für die Stadt Langen.<br />

Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, könnte das für die nächsten sechs Milliarden Jahre so<br />

bleiben.<br />

Lediglich neun Monate hat es<br />

gedauert, bis aus der Idee<br />

einer Photovoltaikanlage<br />

für die <strong>DFS</strong> Wirklichkeit wurde – von<br />

einer ersten Machbarkeitsstudie über<br />

die Montage auf dem Dach der <strong>Flugsicherung</strong>sakademie<br />

in Langen bis zur<br />

Inbetriebnahme im November 2009.<br />

„Genau so lange wie bis zur Geburt<br />

eines Babys“, schmunzelt <strong>DFS</strong>-Energiemanager<br />

Stephan Ninnemann, der<br />

für das Projekt verantwortlich war.<br />

Bis in spätestens sechs Milliarden<br />

Jahren die erloschene Sonne jedes<br />

Leben auf der Erde vernichtet haben<br />

wird, könnte man aus dem Sonnenlicht<br />

mittels Solarzellen elektrische Energie<br />

gewinnen. Dass die Photovoltaikanlage<br />

auf dem Dach der <strong>Flugsicherung</strong>sakademie<br />

so lange durchhält, ist<br />

unwahrscheinlich, aber mit der Montage<br />

der Anlage vor vier Jahren hat die<br />

<strong>DFS</strong> ein deutliches Signal für die Nutzung<br />

von sauberer Energie gesetzt.<br />

„Wir wollten zeigen, dass wir als Unternehmen<br />

bereit sind, unseren Beitrag<br />

zur Nutzung regenerativer Energiequellen<br />

zu leisten und dass wir nicht<br />

nur reden, sondern auch handeln“,<br />

sagt Energie manager Ninnemann.<br />

Die Anlage auf dem Dach der Akademie<br />

besteht aus 496 Solarmodulen,<br />

die auf 2.400 Quadratmetern Fläche<br />

installiert sind. Die Module hat das<br />

Unternehmen Evergreen Solar gefertigt,<br />

die eigentlichen Solarzellen wurden<br />

von einer Firma in Sachsen-Anhalt<br />

produziert, die Installation besorgte<br />

eine Fachfirma aus Nordhessen. „Uns<br />

war es wichtig, dass wir Solarzellen<br />

aus deutscher Produktion nehmen und<br />

keine aus China, auch wenn dies vielleicht<br />

preisgünstiger gewesen wäre“,<br />

sagt Ninnemann.<br />

Die Kosten für das Projekt lagen<br />

bei 300.000 Euro. Die von der Anlage<br />

jedes Jahr produzierten 95.000 Kilowattstunden<br />

Strom reichen aus, um<br />

den Bedarf von 20 Einfamilienhäusern<br />

zu decken. Der finanzielle Erlös für<br />

die <strong>DFS</strong> beträgt jährlich 50.000 Euro;<br />

die laufenden Kosten für Betrieb und<br />

Instandhaltung mit eingerechnet, wird<br />

sich die Anlage innerhalb von zehn<br />

Jahren amortisiert haben.<br />

Den gewonnenen Strom nutzt die<br />

<strong>DFS</strong> nicht selbst, sondern speist ihn<br />

in das öffentliche Netz der Stadtwerke<br />

Langen ein. „Grund dafür ist, dass wir<br />

eine konstante Energie-Zufuhr benötigen,<br />

die solartechnisch nicht gesichert<br />

ist“, erklärt Ninnemann. Zudem sei es<br />

auch die wirtschaftlichste Variante,<br />

wobei der Energiemanager betont,<br />

dass finanzielle Erwägungen für die<br />

Planung der Anlage nicht ausschlaggebend<br />

gewesen wären: „Wir wollten<br />

in erster Linie ein Signal für saubere<br />

Energien setzen. Rein wirtschaftlich<br />

betrachtet, wäre es kein Investment<br />

für uns gewesen.“<br />

Der schwierigste Teil des Projektes<br />

bestand darin, ein geeignetes Dach<br />

für die Installation der Anlage zu finden.<br />

„Wir brauchten ein Dach mit Südausrichtung,<br />

das nicht verschattet ist“,<br />

sagt Ninnemann. Bestimmte Dächer<br />

schieden deshalb von vornherein aus.<br />

Andere Dächer, die geeignet gewesen<br />

wären, kamen wegen der Statik<br />

nicht in Frage. Das Parkhaus 1, das<br />

günstige Bedingungen bot, fiel durchs<br />

Raster, weil sich die <strong>DFS</strong> die Option<br />

offenhalten wollte, das Gebäude im<br />

Bedarfsfall weiter aufzustocken.<br />

Das Dach der <strong>Flugsicherung</strong>sakademie<br />

erfüllte schließlich alle Voraussetzungen.<br />

Ninnemann gerät fast ein<br />

bisschen ins Schwärmen, wenn er von<br />

der Anlage erzählt. „Es war ein sehr<br />

schönes und spannendes Projekt“,<br />

sagt er. Dabei ist unschwer zu überhören<br />

– der Energiemanager ist verdammt<br />

stolz auf sein „Solar-Baby“.<br />

Holger Matthies<br />

36 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


Partner & Kunden<br />

„Wir arbeiten hart daran,<br />

leiser zu fliegen“<br />

Flugzeuge sind in den vergangenen Jahrzehnten immer leiser geworden. Und diese Entwicklung<br />

geht weiter. Bis zum Jahr 2050 sollen neu entwickelte Flugzeuge um 65 Prozent leiser sein als zu<br />

Beginn des Jahrtausends. So sieht es das EU-Konzept Flight Path 2050 vor. Auch die <strong>Deutsche</strong> Lufthansa<br />

AG hat sich dem Ziel verschrieben, Treibstoff- und Lärmemissionen weiter zu verringern.<br />

transmission sprach zu diesem Thema mit den Lufthanseaten Dr. Gerd Saueressig und Dr. Peter<br />

Schneckenleitner.<br />

Herr Dr. Schneckenleitner, was<br />

unternimmt die <strong>Deutsche</strong> Lufthansa<br />

AG, um Lärm und CO 2 -Emissionen zu<br />

verringern?<br />

DR. SCHNECKENLEITNER: Wir<br />

handeln nach der bekannten Vier-<br />

Säulen-Strategie zur Emissionsvermeidung.<br />

Größter Hebel dabei ist<br />

der Einsatz modernster Technologien.<br />

Aktuell haben wir 236 neue<br />

Flugzeuge im Listenwert von 22 Milliarden<br />

Euro auf unserer Bestellliste.<br />

Diese neuen Modelle sind deutlich<br />

treibstoffeffi zienter und verursachen<br />

damit weniger CO 2 -Emissionen. Und<br />

auch die Lärmemissionen sind hörbar<br />

geringer.<br />

Herr Dr. Saueressig, die Fluglärmgegner<br />

halten der LH aber vor, sie<br />

betreibe eine alte Flotte …<br />

DR. SAUERESSIG: Von den 610<br />

Flugzeugen in der aktiven Flotte<br />

der Lufthansa Group genügen 607<br />

Maschinen dem wichtigen „Minus 10<br />

EPNdB“-Kriterium des strengen international<br />

gültigen ICAO-Kapitel-4-Standards.<br />

Und wir achten bei der laufenden<br />

Flottenmodernisierung stets<br />

darauf, die besten am Markt verfügbaren<br />

Technologien einzukaufen. Denken<br />

Sie beispielsweise an die modernen<br />

Großraumflugzeuge Airbus A380<br />

Hauptlärmquelle Triebwerk Foto: DLR<br />

und Boeing 747-8, die Lufthansa Passage<br />

im Einsatz hat. Diese beiden<br />

Modelle punkten vor allem durch<br />

deutlich bessere Lärmkonturen und<br />

eine höhere Treibstoffeffizienz. Auch<br />

bei der Kontinentalflotte gilt, dass bei<br />

der laufenden Flottenerneuerung die<br />

beste am Markt verfügbare Technologie<br />

zum Einsatz kommt. Mit dem Airbus<br />

A320neo werden wir zusätzlich<br />

einen großen Sprung in Sachen Treibstoffverbrauch<br />

und Lärmreduzierung<br />

machen. Dieses Flugzeug wird von<br />

2<strong>01</strong>5 an zur Verfügung stehen. Die<br />

Lufthansa hat 100 Stück bestellt.<br />

Die Boeing 737 gilt allerdings weiterhin<br />

als lautes Muster …<br />

DR. SAUERESSIG: Die 737 ist ein<br />

älteres und damit auch etwas lauteres<br />

Muster, aber auch sie genügt den<br />

erwähnten, strengen ICAO-Standards.<br />

Doch wir lösen die Boeing 737 nach<br />

und nach durch modernere Typen ab.<br />

Aktuell betreiben wir noch 27 Flugzeuge<br />

dieses Typs und monatlich werden<br />

es weniger. Trotzdem haben wir in<br />

den vergangenen Jahren Millionenbeträge<br />

investiert, um unsere 737-Flotte<br />

in Frankfurt leiser zu machen. Die<br />

Schalldämpfer im Einlass der Triebwerke<br />

wurden erneuert. Nach Herstellerangaben<br />

führt dies an den Zertifizierungsmesspunkten<br />

zu beträchtlichen<br />

Lärmminderungen: 2,4 Dezibel weniger<br />

beim Anflug und rund 2 Dezibel<br />

weniger beim Start. Die Umrüstung<br />

der 737 war Teil des freiwilligen<br />

1. Maßnahmenpakets zum „Aktiven<br />

Schallschutz“ am Flughafen Frankfurt.<br />

Welche Möglichkeiten gibt es noch,<br />

Triebwerke leiser zu machen?<br />

DR. SAUERESSIG: Grundsätzlich<br />

sind moderne Mantelstromtriebwerke<br />

ohnehin viel leiser als Strahltriebwerke,<br />

die noch in den 80er Jahren<br />

weit verbreitet waren. Dennoch kann<br />

man weiterhin Verbesserungen erzie-<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 37


Partner & Kunden<br />

len. Bei unseren neusten Großraumflugzeugen<br />

A380 und B747-8 sind<br />

die Schalldämpfer im Treibwerkseinlass<br />

aus einem Stück gefertigt, was<br />

dazu führt, dass ein bestimmter Teil<br />

der Schallwellen gegenüber früher<br />

nicht nach außen dringen kann und im<br />

Triebwerksinneren verbleibt. Ähnliches<br />

leistet übrigens auch der neue Schalldämpfer<br />

der umgerüsteten B737. Bei<br />

der Boeing 747-8 kommt darüber hinaus<br />

noch die gezahnte Düsenaustrittskante<br />

am Triebwerk zum Einsatz. Sie<br />

bewirkt, dass weniger Verwirbelungen<br />

zwischen dem heißen Kernstrahl und<br />

dem kalten Mantelstrahl der Triebwerke<br />

auftreten.<br />

Wie messen Sie, ob Veränderungen<br />

die Flugzeuge tatsächlich leiser<br />

machen?<br />

DR. SAUERESSIG: Wir haben seit<br />

20<strong>01</strong> insgesamt fünf Überflugmessungen<br />

an drei verschiedenen Flugzeugtypen<br />

zusammen mit dem<br />

<strong>Deutsche</strong>n Zentrum für Luft- und<br />

Raumfahrt durchgeführt. Die Daten,<br />

die wir dabei sammeln, dienen zum<br />

einem dazu, Schallquellen zu identifizieren.<br />

Zum anderen tragen sie dazu<br />

bei, Fluglärmberechnungsprogramme<br />

Dr. Gerd Saueressig<br />

Foto: LH<br />

zu verbessern. Um Lärmquellen messen<br />

zu können, bedarf es eines speziellen<br />

Flugprogramms, in dem Parameter<br />

wie beispielsweise die Stellung der<br />

Klappen systematisch variiert werden.<br />

Bei normalen Flügen im Linienverkehr<br />

wären diese Messungen nicht möglich.<br />

Die Überflugmessungen mit einer<br />

Lufthansa B747-400 fanden in Schwerin/Parchim<br />

statt. Unsere Piloten flogen<br />

zur Messung an vier Tagen fast<br />

100 Mal über ein Mikrofonsystem und<br />

veränderten bei jedem Anflug die Stellung<br />

der Klappen und des Fahrwerks<br />

sowie die Geschwindigkeit, damit die<br />

Umströmungsquellen genauer untersucht<br />

werden konnten. Für die Messung<br />

hat das DLR zwei Messsysteme<br />

mit fast 300 Mikrofonen installiert.<br />

Das klingt sehr aufwendig …?<br />

DR. SAUERESSIG: Es ist in der Tat<br />

sehr aufwendig. Fluglärm zu messen<br />

ist äußerst schwierig, weil die<br />

Forscher nicht nahe an das Objekt<br />

herankommen. Um eine gute Datenqualität<br />

und eine Vergleichbarkeit zu<br />

erreichen, müssen konstante Wetterbedingungen<br />

herrschen: kaum Wind,<br />

kein Regen, eine gute Sicht. Regen<br />

und Wind würden ein so starkes Rauschen<br />

erzeugen, dass die eigentlichen<br />

Messergebnisse davon überlagert<br />

würden. Außerdem müssen die<br />

Flugzeuge regelmäßig aufgetankt werden,<br />

um das Gewicht möglichst konstant<br />

zu halten.<br />

Diese Übungsflüge kosten sehr<br />

viel Geld. Finden Sie es nicht ärgerlich,<br />

dass Billig-Airlines wie Ryanair<br />

sich an solchen Forschungsprojekten<br />

nicht beteiligen?<br />

DR. SCHNECKENLEITNER: Wir nehmen<br />

unsere Verantwortung wahr. Für<br />

andere kann und möchte ich nicht<br />

sprechen. Einige Low-Cost-Airlines<br />

operieren aber ohnehin in einem ganz<br />

anderen Umfeld und fliegen zum Beispiel<br />

abgelegene Flugplätze an, bei<br />

denen Lärmbelastung nur eine untergeordnete<br />

Rolle spielt. Lufthansa<br />

dagegen fliegt zumeist die großen,<br />

stark frequentierten und oftmals auch<br />

zentrumsnahen Flughäfen an, wo Fluglärm<br />

und Umweltschutz einen ganz<br />

anderen Stellenwert haben als in einer<br />

strukturschwachen Region.<br />

Die neue Boeing 747-8: Leiser dank gezahnter Düsenaustrittskanten am Triebwerk.<br />

Foto: LH<br />

DR. SAUERESSIG: Als größte<br />

deutsche Fluggesellschaft hat Lufthansa<br />

natürlich auch ein ganz anderes<br />

Selbstverständnis, was Umwelt-<br />

38 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


themen betrifft und ist bereit, dafür<br />

eine gesellschaftliche Verantwortung<br />

zu übernehmen.<br />

Welchen Stellenwert hat Lärmvermeidung<br />

in Ihrem Unternehmen?<br />

DR. SCHNECKENLEITNER: Lärmvermeidung<br />

hat einen sehr großen Stellenwert.<br />

Wir unternehmen sehr viel,<br />

um unseren Flugbetrieb so geräuscharm<br />

wie möglich zu gestalten, denn<br />

wir verstehen, dass das Thema Lärm<br />

bei Anrainern von großen Verkehrsflughäfen<br />

im Mittelpunkt steht. Und<br />

gleichzeitig ist Fluglärm doch primär<br />

ein lokales Problem. Eine Umfrage des<br />

Umweltbundesamts hat gezeigt, dass<br />

Fluglärm, gemessen an der Gesamtlärmbelastung,<br />

bundesweit gesehen<br />

nur eine geringe Bedeutung hat. So<br />

fühlen sich nur rund sechs Prozent<br />

der Bevölkerung von Fluglärm belästigt,<br />

17 Prozent fühlen sich aber vom<br />

Nachbarn gestört und beispielsweise<br />

15 Prozent vom Bahnverkehr.<br />

Welche Themenbereiche umfasst<br />

das Lufthansa-Um welt konzept?<br />

DR. SCHNECKENLEITNER: Wir verfolgen<br />

einen ganzheitlichen Ansatz,<br />

der auf der bereits erwähnten Vier-<br />

Säulen-Strategie beruht: Erstens eine<br />

fortschrittliche Technik, die weniger<br />

Lärm- und Kohlendioxidemissionen<br />

erzeugt. Zweitens operationelle Neuerungen,<br />

die die Treibstoff- Effizienz<br />

erhöhen. Die Säulen drei und vier<br />

betreffen infrastrukturelle Voraussetzungen,<br />

beispielsweise An- und Abflugrouten,<br />

sowie wirtschaftliche Maßnahmen,<br />

etwa den Emissionshandel.<br />

Sie sagten, die A320neo-Familie<br />

stelle einen großen Sprung dar. Ist<br />

damit im Jahr 2<strong>01</strong>5 das Maximum an<br />

Umweltfreundlichkeit erreicht?<br />

Dr. Peter Schneckenleitner<br />

Foto: LH<br />

DR. SAUERESSIG: Die Forscher<br />

gehen davon aus, dass es bis zum<br />

Jahr 2050 Technologien gibt, die das<br />

Fliegen 65 Prozent leiser machen als<br />

zu Beginn des Jahrtausends. Das sind<br />

umgerechnet beachtliche 15 Dezibel.<br />

Wir geben uns also noch nicht zufrieden.<br />

DR. SCHNECKENLEITNER: Die<br />

spezifischen Emissionen, sei es Lärm<br />

oder CO 2 , werden sich auch in Zukunft<br />

verringern. Davon bin ich überzeugt.<br />

In der Forschung werden künftig auch<br />

alternative Treibstoffe eine große<br />

Rolle spielen. Außerdem gilt es, Lärm-,<br />

Kohlendioxid- und Stickoxidemissionen<br />

gleichzeitig zu reduzieren. Heutzutage<br />

ist es noch so, dass eine Verbesserung<br />

an der einen Stelle oft zu<br />

Verschlechterungen an anderer Stelle<br />

führt. Verringert man beispielsweise<br />

den CO 2 -Ausstoß, steigt der Stickoxid-<br />

Ausstoß. Es gibt noch genug zu erfinden<br />

für die Wissenschaft.<br />

Die <strong>DFS</strong>-Mitarbeiter haben oft den<br />

Eindruck, dass die Airlines gar nicht<br />

so sehr im Fokus der Öffentlichkeit<br />

stehen, wenn es um Fluglärm geht,<br />

sondern viele Lärmgegner vor allem<br />

auf die <strong>Flugsicherung</strong> schimpfen. Wie<br />

empfinden Sie das?<br />

DR. SCHNECKENLEITNER: Die <strong>DFS</strong><br />

handelt sicherlich in einem schwierigen<br />

Umfeld, weil es bei Veränderungen<br />

von Flugrouten immer sowohl<br />

zu Entlastungen bisher Betroffener<br />

als auch zu Neubelastungen bisher<br />

nicht Betroffener kommt. Neu betroffene<br />

Anrainer artikulieren sich natürlich<br />

sehr hörbar, während man von<br />

den Entlasteten kaum etwas hört.<br />

Ich kann Ihnen aber versichern, dass<br />

andere Systempartner, wie Lufthansa<br />

oder Fraport, den Unmut von Bürgern<br />

ebenfalls deutlich zu spüren bekommen.<br />

Denken Sie nur an die Montagsdemonstrationen<br />

am Frankfurter Flughafen.<br />

Das ist auch frustrierend, oder?<br />

DR. SCHNECKENLEITNER: Das<br />

gehört dazu und es ist wichtig – für<br />

die betroffenen Anrainer und für die<br />

Flughäfen und Fluggesellschaften –,<br />

in einem kontinuierlichen und sachlichen<br />

Dialog zu stehen. Wir haben<br />

das Problem erkannt und wir arbeiten<br />

hart daran, uns stetig weiter zu verbessern<br />

und leiser zu fliegen. Alle Entscheidungen<br />

müssen transparent sein.<br />

Und es ist wichtig, dass Airlines, Flughäfen<br />

und die <strong>Flugsicherung</strong> an einem<br />

Strang ziehen.<br />

Die Fragen stellte Sandra Ciupka<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 39


FABEC intern<br />

Neues Programm bringt<br />

FABEC voran<br />

Neues Programm bringt FABEC voran<br />

Alle FABEC-Projekte der <strong>DFS</strong> sind jetzt in einem Programm mit dem Namen FABEC CC zusammengefasst.<br />

Damit setzt die <strong>DFS</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong> den Beschluss der sieben FABEC CEOs<br />

um, betriebliche Projekte zu priorisieren. Dazu gehören nicht nur die großen Luftraumumstrukturierungen,<br />

sondern auch Projekte wie das Anflugmanagementsystem X-MAN und das Air Traffic<br />

Flow Capacity Management.<br />

Leiter des neuen Programms<br />

FABEC CC ist Heinz Lang, der auf<br />

35 Jahre Erfahrung in der <strong>Flugsicherung</strong><br />

zurückgreifen kann. Der gelernte<br />

Fluglotse war die meiste Zeit seiner<br />

Berufslaufbahn an der Niederlassung<br />

Karlsruhe tätig und übernahm dort<br />

schon früh Managementaufgaben.<br />

Mit FABEC CC will er neuen Schwung<br />

in die verschiedenen FABEC-Projekte<br />

bringen. „Ich möchte schnelle Ergebnisse<br />

erzielen, denn nur Erfolge schaffen<br />

die Motivation für weitere Veränderungen“,<br />

sagt Lang. „Es ist wichtig,<br />

etwas zu bewegen, statt nur davon<br />

zu reden, dass sich etwas bewegen<br />

muss.“<br />

Treibstoffkosten senkt, sondern auch<br />

den Kohlendioxid-Ausstoß erheblich<br />

reduziert.<br />

„Nur wenn wir eine eindeutige,<br />

unternehmensweit abgestimmte Position<br />

vertreten, stellen wir sicher, dass<br />

die <strong>DFS</strong> eine maßgebliche Größe innerhalb<br />

des FABEC darstellt“, sagt Lang.<br />

Das Programm sorgt dafür, dass alle<br />

europäischen Anforderungen in die<br />

Arbeit der verschiedenen <strong>DFS</strong>-Bereiche<br />

und -Niederlassungen einfließen.<br />

Heinz Lang wird unterstützt von Ilhan<br />

Akin, stellvertretender Programmleiter<br />

und Projektleiter IP South East. Des<br />

Weiteren gehören Petra Hahn, Projektleiterin<br />

X-MAN, Markus Tschirch, Projektleiter<br />

IP CBA Land/Central West,<br />

und Dr. Morten Grandt, Projektleiter<br />

Free Route Airspace, zum Team.<br />

Bei seiner Arbeit als Koordinator<br />

und Vermittler kommt Heinz Lang<br />

auch sein langjähriges nebenberufliches<br />

Engagement als Kommunalpolitiker<br />

zu Gute. Er will verändern und<br />

gestalten. Sein Motto: Man muss es<br />

einfach nur tun.<br />

Sandra Ciupka<br />

Die einzelnen Luftraumumstrukturierungsprojekte<br />

sind alle miteinander<br />

verzahnt, betreffen aber unterschiedliche<br />

<strong>DFS</strong>-Kontrollzentralen. Das neue<br />

Programm soll dafür sorgen, dass<br />

nicht nur einzelne Center-Interessen<br />

berücksichtigt werden, sondern die<br />

Interessen des gesamten Unternehmens<br />

gewahrt bleiben. Die Luftraumumstrukturierungen<br />

sollen Engpässe<br />

im FABEC-Luftraum beseitigen<br />

und den Verkehr effizienter gestalten.<br />

Dadurch verkürzen sich die Flugstrecken<br />

erheblich, was nicht nur die<br />

Programmleiter Heinz Lang (links) und sein Stellvertreter Ilhan Akin.<br />

Foto: Sascha Rheker<br />

40 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


<strong>DFS</strong>-Nachrichten<br />

Neuer <strong>DFS</strong>-Aufsichtsrat<br />

<strong>DFS</strong> intern<br />

Die <strong>DFS</strong> hat seit Ende April turnusgemäß einen neuen Aufsichtsrat. Der Frauenanteil beträgt 50<br />

Prozent.<br />

Die sechs Sitze des Anteilseigners<br />

im Aufsichtsrat besetzen Staatssekretär<br />

Michael Odenwald, Ministerialdirektorin<br />

Dr. Martina Hinricher (beide<br />

Bundesministerium für Verkehr, Bau<br />

und Stadtentwicklung), Dr. Edeltraud<br />

Leibrock (KfW Bankengruppe), Ministerialrätin<br />

Carmen von Bornstaedt-<br />

Radbruch, Oberst i.G. Ralf Raddatz<br />

(beide Bundesministerium der Verteidigung)<br />

und Regierungsdirektorin<br />

Dr. Angelika Kreppein (Bundesministerium<br />

der Finanzen).<br />

Die drei Vertreter der Arbeitnehmer<br />

sind Dirk Wendland, Catja Gräber und<br />

Peter Schaaf. Als Vertreterin der leitenden<br />

<strong>DFS</strong>-Angestellten sitzt Andrea<br />

Wächter im Aufsichtsrat. Die Vertreter<br />

der Gewerkschaft der <strong>Flugsicherung</strong><br />

sind Markus Siebers und Volker Möller.<br />

red<br />

<strong>DFS</strong> und Fraport vereinbaren GBAS-Koopera tion<br />

Der Vorsitzende der Geschäftsführung der <strong>DFS</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong>, Prof. Klaus-Dieter<br />

Scheurle, und der Vorsitzende des Vorstands der Fraport AG, Dr. Stefan Schulte, haben einen<br />

Kooperationsvertrag zur Errichtung der satellitengestützten Präzisionsanflughilfe „Ground Based<br />

Augmentation System“ am Flughafen Frankfurt unterzeichnet.<br />

Von 2<strong>01</strong>4 an soll das Ground Based<br />

Augmentation System (GBAS) am<br />

Rhein-Main-Airport zum Einsatz kommen<br />

und damit zum ersten Mal an<br />

einem internationalen Luftverkehrsdrehkreuz<br />

in Europa. Der Frankfurter<br />

Flughafenbetreiber Fraport und die<br />

<strong>DFS</strong> erhoffen sich, dass das neue Landesystem<br />

künftig auch segmentierte<br />

oder gekurvte Anflüge ermöglicht –<br />

mit dem positiven Effekt einer Lärmentlastung.<br />

Darüber hinaus ergeben<br />

sich für Frankfurt positive Effekte hinsichtlich<br />

Wirtschaftlichkeit und Kapazität.<br />

„Die <strong>DFS</strong> treibt mit GBAS eine<br />

Zukunftstechnologie voran und nimmt<br />

damit weltweit eine Vorreiterrolle<br />

ein“, sagte <strong>DFS</strong>-Chef Prof. Klaus-Dieter<br />

Scheurle. „Damit leisten wir einen<br />

wichtigen Beitrag zu mehr Effizienz<br />

und langfristig zu lärmschonenden<br />

Die GBAS-Bodenstation empfängt die Signale der GPS-Satelliten und sendet die<br />

Korrektursignale für den Endanflug an das Flugzeug.<br />

Anflugverfahren.“ Das neue System<br />

erlaubt es nach erfolgreicher Erprobung<br />

auch, den Anfluggleitwinkel auf<br />

allen Landebahnen von derzeit 3 auf<br />

3,2 Grad anzuheben, was bislang ausschließlich<br />

auf der Landebahn Nordwest<br />

möglich ist.<br />

red<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 41


<strong>DFS</strong> intern<br />

Ortung mit Precision Approach Monitor<br />

Die <strong>DFS</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong> hat am Frankfurter Flughafen den Precision Approach Monitor,<br />

kurz PAM, in Betrieb genommen. Seit Anfang April arbeiten die Fluglotsen in der Frankfurter<br />

An- und Abflugkontrolle mit dem neuen Ortungssystem.<br />

Bei PAM wird die Positionsdarstellung<br />

der Flugzeuge auf dem<br />

Radarschirm nicht wie bisher alle<br />

fünf Sekunden erneuert, sondern im<br />

Sekundentakt. Die in dieser Größenordnung<br />

und Leistungsfähigkeit weltweit<br />

einzigartige Technik ermöglicht<br />

eine verbesserte und genauere Darstellung<br />

der Flugzeuge, die sich im<br />

An- oder Abflug des Frankfurter Flughafens<br />

befinden.<br />

Dadurch wird der ohnehin hohe<br />

Sicherheitsstandard nochmals erhöht.<br />

So können die Fluglotsen der <strong>DFS</strong><br />

beispielsweise Abweichungen von<br />

der vorgegebenen Streckenführung<br />

schneller erkennen und korrigieren.<br />

Das System wurde von der Firma<br />

Thales speziell für stark beflogene<br />

Lufträume entwickelt und wird von der<br />

<strong>DFS</strong> erstmals im Rhein-Main-Gebiet<br />

eingesetzt.<br />

red<br />

Neues Funkraster<br />

RASUM 8.33 ist eines der größten Projekte in der <strong>DFS</strong> – mit einem finanziellen Gesamtvolumen<br />

von rund 100 Millionen Euro. Bis zum Jahr 2<strong>01</strong>8 muss das Projektteam 95 Funkstellen auf das neue<br />

8,33-Kilohertz-Kanalraster umstellen. Das fordert die EU.<br />

RASUM steht für Radio Site<br />

Upgrade and Modernisation. Für die<br />

Umrüstung der 95 Funkstellen hat die<br />

<strong>DFS</strong> nur acht Jahre Zeit. Ein sehr knapper<br />

Zeitplan, denn mit der bloßen Installation<br />

von neuen Funkgeräten ist<br />

es nicht getan. Bei der Bestandsaufnahme<br />

vor Projektbeginn stellte sich<br />

nämlich heraus, dass viele Funkstellen<br />

der <strong>DFS</strong> hinsichtlich Größe, Bausubstanz<br />

und Infrastruktur für einen<br />

Parallelaufbau der neuen Technik gar<br />

nicht geeignet sind. „Wir müssen an<br />

nahezu allen der 95 Standorte entweder<br />

neu bauen oder sanieren“, sagt<br />

RASUM-Projektleiter Thomas Dehnhardt.<br />

Und das geht aus Sicherheitsgründen<br />

nur in wenigen Fällen im laufenden<br />

Betrieb. „Und jeder einzelne<br />

der 95 Funkstandorte ist, gemessen<br />

an den <strong>DFS</strong>-Projektkriterien, quasi ein<br />

eigenes Projekt“, betont Dehnhardt.<br />

Das Projektteam muss unter anderem<br />

geeignete Grundstücke finden.<br />

Um die Umrüstung von 95 Funkstellen<br />

in nur acht Jahren zu bewerkstelligen,<br />

wird in den fünf geografischen<br />

Regionen der <strong>DFS</strong> parallel geplant und<br />

realisiert. Circa 20 Funkstellen pro<br />

Region müssen umgerüstet werden,<br />

das bedeutet in acht Jahren zwei bis<br />

drei Standorte pro Region und Jahr.<br />

Glücklicherweise verfügen die restlichen<br />

Funkstellen der <strong>DFS</strong> bereits über<br />

8,33-kHz-fähige Funkgeräte, weil sie<br />

im Zuge von Produktmanagementmaßnahmen<br />

der letzten Jahre bereits<br />

umgerüstet wurden. Die Umrüstung<br />

hat das Ziel, die Frequenzknappheit zu<br />

beseitigen. Für den oberen Luftraum<br />

hat die EU den Kanalabstand bereits<br />

von 25 kHZ auf 8,33 kHz im VHF-Flugfunkband<br />

verkleinert. Dies hat Frequenzengpässe<br />

vermindert, aber nicht<br />

beseitigt. Mit einer EU-Verordnung aus<br />

dem Jahr 2<strong>01</strong>2 zur Erweiterung des<br />

8,33-kHz-Kanalabstands sollen jetzt<br />

auch im unteren Luftraum, unterhalb<br />

Flugfläche 195, mehr Frequenzen zur<br />

Verfügung gestellt werden können, um<br />

die Voraussetzung für weiteres Verkehrswachstum<br />

zu schaffen.<br />

Sandra Ciupka<br />

42 transmission 1 – 2<strong>01</strong>3


Zwei Prozent mehr<br />

Die <strong>DFS</strong> hat einen neuen Vergütungstarifvertrag. Mitte März<br />

haben Vertreter der beiden Tarifpartner den Vertrag, der rückwirkend<br />

zum 1. November 2<strong>01</strong>2 in Kraft tritt, unterzeichnet.<br />

Der Tarifvertrag läuft bis zum<br />

31. Dezember 2<strong>01</strong>3. <strong>DFS</strong> und GdF<br />

hatten sich Ende Januar auf einen<br />

Abschluss geeinigt. Demnach wird<br />

die Vergütung für die <strong>DFS</strong>-Mitarbeiter<br />

von Januar bis Dezember 2<strong>01</strong>3<br />

linear um zwei Prozent erhöht. Für<br />

die Monate November und Dezember<br />

2<strong>01</strong>2 einigten sich die Tarifpartner<br />

auf eine Einmalzahlung in Höhe<br />

von 350 Euro für Vollzeitbeschäftigte;<br />

Teilzeitbeschäftigte erhalten<br />

eine anteilige Zahlung. Für Auszubildende<br />

beträgt die Einmalzahlung<br />

200 Euro.<br />

„Der moderate Tarifabschluss<br />

trägt den wirtschaftlichen Herausforderungen<br />

der <strong>DFS</strong> Rechnung“,<br />

betonte der Vorsitzende der <strong>DFS</strong>-<br />

Geschäftsführung Prof. Klaus-Dieter<br />

Scheurle.<br />

red<br />

Impressum<br />

transmission<br />

Das Magazin der <strong>DFS</strong><br />

Herausgeber:<br />

<strong>DFS</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong><br />

Michael Kraft, Leiter<br />

Unternehmenskommunikation<br />

Redaktion:<br />

Sandra Ciupka (verantwortlich)<br />

Tel.: +49 (0)6103 707-4122<br />

E-Mail: sandra.ciupka@dfs.de<br />

Christopher Belz<br />

Tel.: +49 (0)6103 707-4121<br />

E-Mail: christopher.belz@dfs.de<br />

Holger Matthies<br />

Tel.: +49 (0)6103 707-4124<br />

E-Mail: holger.matthies@dfs.de<br />

Rüdiger Mandry (Schlussredaktion)<br />

Tel.: +49 (0)6103 707-4195<br />

E-Mail: ruediger.mandry@dfs.de<br />

Layout und Umsetzung:<br />

bsmediengestaltung, Egelsbach<br />

www.bsmediengestaltung.de<br />

Die Unterzeichner: <strong>DFS</strong>-Geschäftsführer Personal Dr. Michael Hann, GdF-Bundesgeschäftsführer<br />

Michael Schäfer und Prof. Klaus-Dieter Scheurle, Vorsitzender der<br />

<strong>DFS</strong>-Geschäftsführung. Foto: Hans-Jürgen Koch<br />

Titelbild<br />

Idee und Umsetzung –<br />

bsmediengestaltung<br />

Bildnachweis<br />

bsmediengestaltung S. 4, 14/15,<br />

27, 41<br />

Anschrift der Redaktion:<br />

<strong>DFS</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Flugsicherung</strong> <strong>GmbH</strong><br />

Redaktion transmission<br />

Am <strong>DFS</strong>-Campus 10<br />

63225 Langen<br />

E-Mail: transmission@dfs.de<br />

Nachdruck nur mit Genehmigung.<br />

transmission 1 – 2<strong>01</strong>3 43


NEUHEIT: <strong>DFS</strong> Pilot Line<br />

Von Piloten für Piloten entwickelt!<br />

Die Zubehörserie <strong>DFS</strong> Pilot Line ist speziell auf die Wünsche von Piloten ausgerichtet<br />

und besteht aus folgenden Produkten:<br />

– Flight Bag (Size S oder M)<br />

– Kniebrett<br />

– Kniebrett für iPad / iPad mini<br />

– Flight Cap<br />

Die Flight Bags bieten reichlich Platz für alles, was der Pilot im Cockpit benötigt.<br />

Herausnehmbare Unterteiler ermöglichen dem Piloten eine individuelle Aufteilung des<br />

großen Hauptfaches.<br />

Verschiedene Fächer des zweiteilig aufklappbaren Kniebretts bieten genügend<br />

Stauraum für Ihre ICAO-Karten, Karten aus der AIP VFR, Kursdreieck, Notizblock oder<br />

auch Ihr iPad.<br />

Die verstellbare Flight Cap ist die ideale Kappe für Headset-Träger, denn der Knubbel<br />

auf dem Kopf wurde weggelassen.<br />

Als Wiedererkennungsmerkmal schmückt ein abnehmbarer Button die <strong>DFS</strong> Pilot<br />

Line. Standardmäßig ist der Button mit dem <strong>DFS</strong>-Logo versehen, der jedoch nach Ihren<br />

Wünschen personalisiert werden kann. Ob Verein, Club oder Schule – wählen Sie<br />

Ihr eigenes Logo aus & schon ist die Tasche, Kniebrett oder die Kappe individualisiert.<br />

www.dfs-aviationshop.de | customer-support@dfs.de | +49(0)6103/707-1205

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