25 Abs. 2 WEG - IVD
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Fokus <strong>WEG</strong>:<br />
Die Sanierung im Wohnungseigentum<br />
- Update -<br />
Dr. Martin Suilmann<br />
Kammergericht Berlin
Überblick<br />
1. Die Sanierung von Wohnungseigentumsanlagen:<br />
Begriffsbestimmung und Überblick über die gesetzlichen<br />
Regelungen<br />
2. Modernisierungsmaßnahme und Mehrheitserfordernisse<br />
3. Die Grenzen der Mehrheitsmacht bei Modernisierungen<br />
4. Modernisierung und ihre Finanzierung (Kostenverteilung)<br />
5. Modernisierung und Stimmrechts- und<br />
Kostenverteilungsregelungen in der Teilungserklärung<br />
6. Vorbereitung und Durchführung der Beschlussfassung durch<br />
den Verwalter<br />
7. Die Finanzierung der Sanierungsmaßnahme
Die Sanierung von Wohnungseigentumsanlagen:<br />
Begriffsbestimmung und Überblick über die gesetzlichen Regelungen<br />
Was ist Instandhaltung und Instandsetzung (§ 21<br />
<strong>Abs</strong>. 5 Nr. 2 <strong>WEG</strong>)?<br />
• Alle Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, den<br />
bestehenden Zustand der im gemeinschaftlichen<br />
Eigentum stehenden Einrichtungen und Anlagen zu<br />
erhalten bzw. einen früheren Zustand<br />
wiederherzustellen.<br />
• Für Beschlussfassung ist einfache Mehrheit<br />
ausreichend (§ 21 <strong>Abs</strong>. 3 <strong>WEG</strong>).
Die Sanierung von Wohnungseigentumsanlagen:<br />
Begriffsbestimmung und Überblick über die gesetzlichen Regelungen<br />
Was ist modernisierende Instandsetzung (§ 22 <strong>Abs</strong>.<br />
3 <strong>WEG</strong>)?<br />
• Alle Maßnahmen, die durch einen schon<br />
bestehenden oder absehbaren<br />
Instandsetzungsbedarf veranlasst sind, mit denen<br />
aber die vorhandene Anlage oder Einrichtung über<br />
eine bloße Reparatur hinaus technisch auf einen<br />
aktuellen Stand gebracht werden soll.<br />
• Für Beschlussfassung ist einfache Mehrheit<br />
ausreichend (§ 21 <strong>Abs</strong>. 3 <strong>WEG</strong>).
Beispiele für eine modernisierende Instandsetzung (§ 22<br />
<strong>Abs</strong>. 3 <strong>WEG</strong>)?<br />
• Erneuerung einer veralteten<br />
Heizungsanlage<br />
• Umrüstung eines Fahrstuhls zur Senkung<br />
der Defektanfälligkeit<br />
• Sanierung eines Flachdaches durch<br />
Anbringung eines Pultdaches
Die Sanierung von Wohnungseigentumsanlagen: Begriffsbestimmung und<br />
Überblick über die gesetzlichen Regelungen<br />
Was ist eine bauliche Veränderung im Sinne von §<br />
22 <strong>Abs</strong>. 1 <strong>WEG</strong> ?<br />
• Bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die<br />
über die Instandhaltung und Instandsetzung<br />
hinausgehen. Änderung des vorherigen Zustands,<br />
Umgestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums.<br />
• Erforderlich ist grds. die Zustimmung aller<br />
Wohnungseigentümer; nur Wohnungseigentümer,<br />
die nicht benachteiligt werden, müssen nicht<br />
zustimmen.
§ 22 <strong>WEG</strong><br />
Besondere Aufwendungen, Wiederaufbau<br />
(1) 1 Bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsmäßige<br />
Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums<br />
hinausgehen, können beschlossen oder verlangt werden, wenn jeder<br />
Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in<br />
§ 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. 2 Die Zustimmung ist nicht<br />
erforderlich, soweit die Rechte eines Wohnungseigentümers nicht in der in Satz 1<br />
bezeichneten Weise beeinträchtigt werden.<br />
(2) 1 Maßnahmen gemäß <strong>Abs</strong>atz 1 Satz 1, die der Modernisierung entsprechend §<br />
555 b Nr. 1 - 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches oder der Anpassung des<br />
gemeinschaftlichen Eigentums an den Stand der Technik dienen, die Eigenart der<br />
Wohnanlage nicht ändern und keinen Wohnungseigentümer gegenüber anderen<br />
unbillig beeinträchtigen, können abweichend von <strong>Abs</strong>atz 1 durch eine Mehrheit von<br />
drei Viertel aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer im Sinne des § <strong>25</strong> <strong>Abs</strong>. 2<br />
und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen werden. 2 Die<br />
Befugnis im Sinne des Satzes 1 kann durch Vereinbarung der<br />
Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.<br />
(3) Für Maßnahmen der modernisierenden Instandsetzung im Sinne des § 21 <strong>Abs</strong>.<br />
5 Nr. 2 verbleibt es bei den Vorschriften des § 21 <strong>Abs</strong>. 3 und 4.
Wann unterfallen bauliche Maßnahmen und<br />
Aufwendungen dem Anwendungsbereich des § 22 <strong>Abs</strong>. 2<br />
<strong>WEG</strong>?<br />
Die Maßnahmen müssen dienen der<br />
‣ Modernisierung entsprechend § 555 b Nr. 1 – 5<br />
des Bürgerlichen Gesetzbuches oder<br />
‣ der Anpassung des gemeinschaftlichen<br />
Eigentums an den Stand der Technik.
Modernisierungsmaßnahmen nach § 555 Nr.1 – 5 BGB<br />
Modernisierungsmaßnahmen sind bauliche Veränderungen,<br />
1. durch die in Bezug auf die Mietsache Endenergie nachhaltig<br />
eingespart wird (energetische Modernisierung)<br />
2. durch die nicht erneuerbare Primärenergie nachhaltig<br />
eingespart oder das Klima nachhaltig geschützt wird, sofern<br />
nicht bereits eine energetische Modernisierung nach Nummer<br />
1 vorliegt,<br />
3. durch die der Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöht<br />
wird,<br />
4. durch die der Wasserverbrauch nachhaltig reduziert wird,<br />
5. durch die die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer<br />
verbessert werden,<br />
….
Modernisierungsmaßnahmen nach § 555 Nr. 4 – 5 BGB:<br />
Zu den Maßnahmen,<br />
‣ die den Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig<br />
erhöhen oder<br />
‣ die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer<br />
verbessern<br />
können gehören:<br />
• Anbringung eines Fahrstuhls,<br />
• Einbau einer Türöffnungs- oder Gegensprechanlage,<br />
• Anbau eines Balkons,<br />
• Errichtung von Kinderspielplätzen oder Grünanlagen.
Modernisierungsmaßnahmen nach § 555b Nr. 1 – 2<br />
BGB:<br />
Zu den Maßnahmen, durch die nachhaltig Endenergie oder<br />
nicht erneuerbare Primärenergie eingespart oder das Klima<br />
nachhaltig geschützt wird<br />
können gehören:<br />
• Anbringung einer Wärmedämmung an der (ansonsten<br />
nicht instandsetzungsbedürftigen) Außenfassade,<br />
• Anschluss an Fernwärmeversorgung (Kraft-Wärme-<br />
Koppelung), wenn vorhandene Heizanlage nicht<br />
erneuerungsbedürftig,<br />
• Einbau neuer wärmedämmender Fenster;<br />
• Sonnenkollektoren.
Die Sanierung von Wohnungseigentumsanlagen:<br />
Begriffsbestimmung und Überblick über die gesetzlichen Regelungen<br />
Maßnahmen nach § 22 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>WEG</strong> dürfen<br />
beschlossen werden mit sog. qualifizierter Mehrheit,<br />
nämlich mit der<br />
• Mehrheit von drei Viertel aller stimmberechtigten<br />
Wohnungseigentümer im Sinne des § <strong>25</strong> <strong>Abs</strong>. 2 <strong>WEG</strong><br />
und<br />
• mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile.
§ <strong>25</strong> <strong>Abs</strong>. 2 <strong>WEG</strong>:<br />
1<br />
Jeder Wohnungseigentümer hat eine Stimme. 2 Steht ein<br />
Wohnungseigentum mehreren gemeinschaftlich zu, so<br />
können sie das Stimmrecht nur einheitlich ausüben.<br />
Das bedeutet:<br />
• Die <strong>Abs</strong>timmung erfolgt nach Köpfen, ein ggfs.<br />
vereinbartes Stimmrecht nach Objekten oder<br />
Miteigentumsanteilen bleibt außer acht,<br />
• es muss eine Mehrheit von ¾ aller stimmberechtigten,<br />
nicht aber lediglich der an der <strong>Abs</strong>timmung<br />
teilnehmenden Wohnungseigentümer gegeben sein.
Wann darf eine energiesparende Modernisierungsmaßnahme nicht mit<br />
(qualifizierter) Stimmenmehrheit nach § 22 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>WEG</strong> beschlossen<br />
werden?<br />
Die Maßnahme darf nach § 22 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>WEG</strong><br />
• nicht die Eigenart der Wohnanlage ändern und<br />
• keinen Wohnungseigentümer gegenüber anderen<br />
unbillig beeinträchtigen.
Wann darf eine energiesparende Modernisierungsmaßnahme nicht mit<br />
(qualifizierter) Stimmenmehrheit beschlossen werden?<br />
Beispiel 1:<br />
• Die Gemeinschaft beschließt zum Zwecke der<br />
Energieeinsparung einen Austausch der vorhandenen<br />
(noch nicht instandsetzungsbedürftigen Fenster), aber<br />
zugleich auch, dass die vorhandenen bodentiefen<br />
(französischen) Holzfenster verkleinert und gegen<br />
Kunstofffenster ausgetauscht werden sollen.<br />
• Ein Mehrheitsbeschluss nach § 22 <strong>Abs</strong>. 2 ist unzulässig,<br />
wenn eine Veränderung der Eigenart der Wohnanlage<br />
bejaht werden muss.
Wann darf eine energiesparende Modernisierungsmaßnahme nicht mit<br />
Stimmenmehrheit beschlossen werden?<br />
Beispiel 2:<br />
• Die Gemeinschaft beschließt über eine Vielzahl von<br />
Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen im<br />
Paket ab, wobei einige Maßnahmen (wegen der<br />
damit einhergehenden Veränderung der<br />
Wohnanlage) der Zustimmung aller Wohnungseigentümer<br />
bedürfen.<br />
• Im Falle einer Anfechtungsklage wäre zu prüfen, ob<br />
der Beschluss ganz oder nur teilweise für ungültig<br />
erklärt werden muss.
Fallbeispiel 1:<br />
• Die Wohnungseigentümer beschließen zunächst im Jahr<br />
1999, die in der Mehrhausanlage vorhandenen<br />
Schornsteine zu verschließen.<br />
• Im Jahr 2007 beschließt die Versammlung mit 7:1<br />
Stimmen: Der Beschluss aus dem Jahr 1999 wird<br />
aufgehoben; die Schornsteine werden wieder zur<br />
Nutzung freizugeben.<br />
• Dem überstimmten Kläger wird aufgegeben, auf seine<br />
Kosten den von ihm (eigenmächtig) zurück gebauten<br />
Schornstein wieder herzustellen. Für den Fall des<br />
fruchtlosen Ablaufs der hierzu gesetzten Frist wird die<br />
Hausverwaltung ermächtigt, die Wiederherstellung des<br />
Schornsteins unter Einschaltung eines Anwalts<br />
durchzusetzen.
BGH v. 18.2.2011 – V ZR 82/10, NJW 2011, 1221:<br />
‣ Bei der gestatteten Wiederherstellung der Schornsteine<br />
handelt es sich um eine bauliche Veränderung, die von<br />
den Wohnungseigentümern als<br />
Modernisierungsmaßnahme nach § 22 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>WEG</strong><br />
beschlossen werden kann. Die Wiederherstellung der<br />
Schornsteine führt zu einer nachhaltigen Erhöhung des<br />
Gebrauchswerts des Wohnungseigentums.<br />
‣ Keine unbillige Benachteiligung im Sinne von § 22 <strong>Abs</strong>.<br />
2 <strong>WEG</strong>, wenn es sämtlichen Wohnungseigentümer<br />
freisteht, von der beschlossenen Möglichkeit Gebrauch<br />
zu machen, den Schornstein wieder funktionsfähig<br />
herzurichten.
BGH v. 18.2.2011 – V ZR 82/10, NJW 2011, 1221:<br />
‣ Soweit den Klägern aufgegeben wird, den Schornstein<br />
wieder herzustellen, ist der Beschluss nichtig. Den<br />
Wohnungseigentümern fehlt die Kompetenz,<br />
Leistungspflichten außerhalb des Bereichs der<br />
gemeinschaftlichen Kosten und Lasten durch<br />
Mehrheitsbeschluss zu begründen. Dies gilt auch im<br />
Zusammenhang mit dem Rückbau (unzulässiger)<br />
baulicher Veränderungen.<br />
‣ Die Wohnungseigentümer können lediglich darüber<br />
befinden, den Anspruch aus §§ 15 <strong>Abs</strong>. 3 <strong>WEG</strong>, 1004<br />
BGB gerichtlich geltend zu machen und diesen<br />
Anspruch der Gemeinschaft zur Ausübung zu<br />
übertragen (sog. Ansichziehen; § 10 <strong>Abs</strong>. 6 Satz 3<br />
<strong>WEG</strong>).
Die Kosten der Maßnahme und ihre Verteilung unter<br />
den Wohnungseigentümern:<br />
Die Verteilung der Kosten der baulichen Maßnahme<br />
erfolgt entweder,<br />
• nach dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel des §<br />
16 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>WEG</strong>,<br />
• nach dem in der Teilungserklärung vereinbarten<br />
Kostenverteilungsschlüssel (z.B. Nutzfläche statt<br />
Miteigentumsanteile),<br />
• durch besondere Beschlussfassung nach § 16 <strong>Abs</strong>. 4<br />
<strong>WEG</strong>.
§ 16 <strong>WEG</strong> Nutzungen, Lasten und Kosten<br />
(2) Jeder Wohnungseigentümer ist den anderen<br />
Wohnungseigentümern gegenüber verpflichtet, die Lasten des<br />
gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung,<br />
Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines<br />
gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums<br />
nach dem Verhältnis seines Anteils (<strong>Abs</strong>atz 1 Satz 2) zu tragen.<br />
(4) 1 Die Wohnungseigentümer können im Einzelfall zur<br />
Instandhaltung oder Instandsetzung im Sinne des § 21 <strong>Abs</strong>. 5 Nr. 2<br />
oder zu baulichen Veränderungen oder Aufwendungen im Sinne des<br />
§ 22 <strong>Abs</strong>. 1 und 2 durch Beschluss die Kostenverteilung<br />
abweichend von <strong>Abs</strong>atz 2 regeln, wenn der abweichende Maßstab<br />
dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die<br />
Wohnungseigentümer Rechnung trägt. 2 Der Beschluss zur<br />
Regelung der Kostenverteilung nach Satz 1 bedarf einer Mehrheit<br />
von drei Viertel aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer im<br />
Sinne des § <strong>25</strong> <strong>Abs</strong>. 2 und mehr als der Hälfte aller<br />
Miteigentumsanteile.
Fallbeispiel 2:<br />
Die Eigentümergemeinschaft beschließt gegen die<br />
Stimmen des späteren Klägers die Sanierung des<br />
Schwimmbades. Das Bad soll nicht nur in Stand<br />
gesetzt, sondern unter Einbeziehung eines Teils der<br />
ehemaligen Hausmeisterwohnung um einen<br />
Ruheraum erweitert werden. Die Anfechtungsklage<br />
blieb erfolglos, da die Anfechtungsfrist nicht<br />
eingehalten war. Der Kläger wendet sich nun<br />
dagegen, dass in der Jahresabrechnung die Kosten<br />
der Schwimmbadsanierung und –erweiterung nach<br />
Miteigentumsanteilen verteilt werden und er anteilig<br />
beteiligt wird.
Die Anwendbarkeit der Kostenregelung des § 16<br />
<strong>Abs</strong>. 6 <strong>WEG</strong>:<br />
§ 16 <strong>Abs</strong>. 6 <strong>WEG</strong>:<br />
1<br />
Ein Wohnungseigentümer, der einer Maßnahme<br />
nach § 22 <strong>Abs</strong>. 1 nicht zugestimmt hat, ist nicht<br />
berechtigt, einen Anteil an Nutzungen, die auf einer<br />
solchen Maßnahme beruhen, zu beanspruchen; er<br />
ist nicht verpflichtet, Kosten, die durch eine solche<br />
Maßnahme verursacht sind, zu tragen. 2 Satz 1 ist bei<br />
einer Kostenverteilung gemäß <strong>Abs</strong>atz 4 nicht<br />
anzuwenden.
BGH v. 11.11.2001 – V ZR 65/11, NZM 2012, 174:<br />
1. Es liegt wegen der Umgestaltung des zuvor anders<br />
genutzten Raums keine modernisierende<br />
Instandsetzung vor.<br />
2. Eine Modernisierungsmaßnahme im Sinne von § 22<br />
<strong>Abs</strong>. 2 <strong>WEG</strong> liegt nicht vor, weil die Maßnahme aus<br />
Sicht eines verständigen Wohnungseigentümers<br />
keine sinnvolle Neuerung darstellt, die geeignet ist,<br />
den Gebrauchwert der Sache zu erhöhen. Die<br />
Einbeziehung des zuvor anders genutzten Raums<br />
ist keine gebrauchswerterhöhende Maßnahme.<br />
3. Es liegt eine bauliche Veränderung nach § 22 <strong>Abs</strong>. 1<br />
<strong>WEG</strong> vor; Beschluss ist bestandskräftig, da nicht<br />
rechtzeitig angefochten.
BGH v. 11.11.2001 – V ZR 65/11, NZM 2012, 174:<br />
4. Stimmt ein Wohnungseigentümer einer baulichen<br />
Maßnahme gem. § 22 <strong>Abs</strong>. 1 <strong>WEG</strong> nicht zu, ist er<br />
gemäß § 16 <strong>Abs</strong>. 6 Satz 1 Halbsatz 2 von den damit<br />
verbundenen Kosten befreit; es kommt nicht darauf<br />
an, ob seine Zustimmung gem. § 22 <strong>Abs</strong>. 1 i.V.m. §<br />
14 Nr. 1 <strong>WEG</strong> erforderlich war oder nicht.<br />
5. Er kann die Kostenfreistellung auch nach<br />
Bestandskraft des Beschlusses über die<br />
Durchführung der baulichen Maßnahme verlangen,<br />
sofern der Beschluss die Kostenverteilung nicht<br />
abschließend regelt.
Folgerungen für die Verwalterpraxis:<br />
‣ Aufgrund eines von der Versammlung gefassten und in<br />
Bestandskraft erwachsenen Beschlusses muss der nicht<br />
zustimmende Wohnungseigentümer lediglich die<br />
bauliche Maßnahme dulden.<br />
‣ Wenn der Beschluss nicht auch eine Regelung über die<br />
Kostentragung trifft, dürfen die nicht zustimmenden<br />
Wohnungseigentümer nicht an den Sanierungskosten<br />
einschließlich der Folgekosten beteiligt werden.<br />
‣ Um dies zu vermeiden, muss jeder Sanierungsbeschluss<br />
eine Kostentragungsregelung enthalten.
Modernisierungsmaßnahmen und vom Gesetz abweichende<br />
Regelungen in der Teilungserklärung:<br />
• Grundsatz: Die Wohnungseigentümer dürfen die<br />
gesetzlichen Regelungen in der Teilungserklärung<br />
abbedingen und andere Regelungen treffen.<br />
• Ausnahme: Die gesetzlichen Regelungen in § 16<br />
<strong>Abs</strong>. 4 <strong>WEG</strong> und § 22 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>WEG</strong> können durch<br />
Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht<br />
eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.<br />
• Zulässig sind aber Regelungen, die eine<br />
Beschlussfassung erleichtern.
Modernisierungsmaßnahmen und vom Gesetz abweichende<br />
Regelungen in der Teilungserklärung.<br />
Beispiel 1 (unzulässige, weil einschränkende Regelung):<br />
Maßnahmen baulicher Veränderungen der äußeren<br />
Gestaltung, die über die ordnungsgemäße<br />
Instandhaltung oder Instandsetzung des<br />
gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, dürfen<br />
nur mit einstimmigen Beschluss der<br />
Wohnungseigentümer vorgenommen werden dürfen.
Modernisierungsmaßnahmen und vom Gesetz abweichende<br />
Regelungen in der Teilungserklärung.<br />
Beispiel 2 (zulässige, weil nicht einschränkende Regelung):<br />
Bauliche Veränderungen an Gemeinschaftsanlagen und -einrichtungen,<br />
die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung<br />
hinausgehen und die allen Eigentümern zugute kommen, z.B.<br />
Umstellung der Heizungsanlage auf eine andere Energiequelle,<br />
Anschluss an das Breitbandkabelnetz, Veränderungen der Einrichtungen<br />
für die Müllentsorgung, sind zulässig, wenn die Maßnahme der Erhaltung<br />
des Wertes oder einer sinnvollen und zumutbaren Verbesserung der<br />
Anlage, insbesondere einer Anpassung an den technischen Fortschritt<br />
sowie an einen gestiegenen Lebens- und Wohnstandard dient, wenn sie<br />
nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung<br />
erforderlich erscheint oder wenn sie aufgrund behördlicher Auflagen<br />
geboten ist. Solche Veränderungen bedürfen der Zustimmung der<br />
Eigentümerversammlung mit einer 2/3 Mehrheit der anwesenden<br />
Eigentümer.
Modernisierungsmaßnahmen und vom Gesetz abweichende<br />
Regelungen in der Teilungserklärung.<br />
Beispiel 3<br />
Bauliche Veränderungen am Gebäude sind im Rahmen<br />
folgender Bedingungen zulässig:<br />
Bauliche Veränderungen, die die Substanz, die Statik sowie<br />
den Gesamtcharakter und das äußere Erscheinungsbild der<br />
Anlage betreffen, sind nur aufgrund eines Beschlusses, dem<br />
9/10 aller Eigentümer zugestimmt haben müssen, zulässig.<br />
Bauliche Veränderungen, die nur einen bestimmten Kreis von<br />
Eigentümer betreffen, sei es, dass sie von der Maßnahme<br />
Nutzen haben, mit Folgekosten belastet sein können oder von<br />
der Maßnahme über das in § 14 <strong>WEG</strong> bestimmte Maß hinaus<br />
beeinträchtigt werden, sind nur aufgrund eines Beschlusses,<br />
dem 8/10 dieser betroffenen Eigentümer zugestimmt haben<br />
müssen, zulässig.
Die Vorbereitung der Beschlussfassung durch den Verwalter:<br />
• Einholung von (regelmäßig drei)<br />
Kostenvoranschlägen<br />
• Einberufung der Versammlung<br />
• Abfassung der Tagesordnung und Entwerfen der<br />
Beschlussanträge<br />
• Bei vermietetem Wohnungseigentum:<br />
1. Hinweis auf Ankündigungspflicht (§ 555a <strong>Abs</strong>. 2 und<br />
§ 555c BGB) und<br />
2. auf die Möglichkeit der Mieterhöhung (§ 559 <strong>Abs</strong>. 1<br />
BGB);<br />
3. Ist die Umlage von Betriebskosten für eine neue<br />
Anlage (z.B. Aufzug) auf den Mieter möglich?
Die Durchführung und Leitung der Versammlung durch den<br />
Verwalter:<br />
• Feststellung der Beschlussfähigkeit (§ <strong>25</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>WEG</strong>)<br />
• Klärung der zur Beschlussannahme erforderlichen<br />
Mehrheiten; ggfs. Erörterung mit den<br />
Wohnungseigentümern; Gefahr für Verwalter: Grobes<br />
Verschulden bei der Feststellung der erforderlichen<br />
Mehrheiten kann Schadensersatzpflicht auslösen (§ 49<br />
<strong>Abs</strong>. 2 <strong>WEG</strong>)<br />
• Bei mehreren geplanten Maßnahmen oder bei<br />
gleichzeitiger Regelung der Kostentragung ist zu<br />
erörtern, ob Paketbeschluss oder Einzelbeschlüsse bzgl.<br />
Maßnahme und Kostentragung. § 16 <strong>Abs</strong>. 6 <strong>WEG</strong><br />
vermeiden!<br />
• Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses;<br />
bei unklaren Mehrheitsverhältnisses kann Verkündung<br />
ggfs. unterbleiben.
Rechtsfolgen bei fehlerhafter Feststellung und Verkündung<br />
des Beschlussergebnisses:<br />
• Ist die Beschlussfeststellung fehlerhaft, können und<br />
müssen die Wohnungseigentümer die<br />
Ungültigerklärung des festgestellten Beschlusses im<br />
Wege der Anfechtungsklage, ggfs. verbunden mit<br />
einer positiven Beschlussfeststellungsklage,<br />
betreiben.<br />
• Der Beschluss ist daher lediglich anfechtbar und<br />
nicht nichtig. Dies gilt auch, wenn für eine in den<br />
Anwendungsbereich des § 22 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>WEG</strong> fallende<br />
Maßnahme entgegen der Feststellung des<br />
Verwalters die erforderliche Mehrheit verfehlt.
Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen<br />
Darf eine Wohnungseigentümergemeinschaft und –<br />
wenn ja – unter welchen Voraussetzungen in einer<br />
Eigentümerversammlung die Aufnahme eines Kredits<br />
zur Deckung des erforderlichen Finanzbedarfs der<br />
Wohnungseigentümergemein-schaft beschließen?
Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen<br />
BGH v. 28.9.2012 – V ZR <strong>25</strong>1/11, BGHZ 195, 22 = NJW 2012, 3719:<br />
1. Es liegt in der Kompetenz der Wohnungseigentümer, die<br />
Aufnahme eines Kredits zur Deckung des Finanzbedarfs<br />
der Wohnungseigentümergemeinschaft zu beschließen.<br />
2. Die Beschlussfassung der Gemeinschaft muss den<br />
Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung genügen.<br />
3. Der Wohnungseigentümergemeinschaft fehlt aber die<br />
Kompetenz, den Wohnungseigentümern eine<br />
gesamtschuldnerische Haftung durch<br />
Mehrheitsbeschluss aufzubürden. § 10 <strong>Abs</strong>. 8 <strong>WEG</strong><br />
ordnet ausdrücklich nur eine teilschuldnerische<br />
persönliche Außenhaftung an.
Wann entspricht die Aufnahme eines Kredits zur Deckung des<br />
Finanzierungsbedarfs den Grundsätzen ordnungsmäßiger<br />
Verwaltung?<br />
OLG Hamm v. 14.5.2012 – 15 Wx <strong>25</strong>1/11:<br />
1. Die Kreditaufnahme entspricht nur in engen Grenzen den<br />
Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Voraussetzung ist, dass<br />
die Pflicht zur gemeinsamen Kostentragung und die allgemeine<br />
Treuepflicht der Miteigentümer eine Darlehensaufnahme praktisch<br />
zwingend gebieten.
Wann entspricht die Aufnahme eines Kredits zur Deckung des<br />
Finanzierungsbedarfs den Grundsätzen ordnungsmäßiger<br />
Verwaltung?<br />
OLG Hamm v. 14.5.2012 – 15 Wx <strong>25</strong>1/11:<br />
2. Bereits entstandene (laufende) Kosten und<br />
zwingend notwendige Ausgaben (z.B. Aufwendungen<br />
für Heizmaterial im Winter) dürfen grundsätzlich<br />
durch ein Darlehen abgedeckt werden. Die<br />
Darlehenshöhe muss in einem angemessenen<br />
Verhältnis zur Wirtschaftskraft der Gemeinschaft<br />
stehen.
- Ende -<br />
Dr. Martin Suilmann<br />
Kammergericht Berlin