nulltoleranz gegenüber raucherinnen und rauchern?!
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FOKUS<br />
NULLTOLERANZ GEGENÜBER<br />
RAUCHERINNEN UND RAUCHERN?!<br />
Von Vera Sohmer. Rauchen gefährdet Ihre Karriere: In den USA<br />
stellen immer mehr Firmen nur noch Nicht<strong>raucherinnen</strong> <strong>und</strong> Nichtraucher<br />
ein. Eine Praxis, die man in der Schweiz mit Befremden<br />
beobachtet. Dennoch sehen Arbeitgebende das Rauchen nicht<br />
als Privatsache.<br />
US-amerikanische Unternehmen greifen zu radikalen Massnahmen:<br />
Sie wollen keine Raucherinnen <strong>und</strong> Raucher mehr. Vor<br />
allem Spitäler <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsdienstleister fordern von ihrer<br />
Belegschaft das totale Rauchverbot, berichtete der Tagesanzeiger.<br />
Wer raucht, wird zwar nicht entlassen, muss aber mit höheren<br />
Versicherungsprämien rechnen, wenn er keine Entwöhnungstherapie<br />
macht.<br />
Typisch USA. Das sagt Thomas Beutler von der Arbeitsgemeinschaft<br />
Tabakprävention Schweiz. Denn im Gr<strong>und</strong>e gehe es um<br />
drohende Schadensersatzklagen. So sei der Passivraucherschutz<br />
in den Vereinigten Staaten nicht in erster Linie zum Wohle<br />
der Mitarbeitenden eingeführt worden, sondern um Kosten für<br />
Versicherungen zu senken. Um sich gegen Klagen von verschiedenster<br />
Seite zu schützen, müssen sich Unternehmen gut versichern.<br />
Die Prämien dafür fallen x-fach höher aus, wenn man<br />
Mitarbeitende im Firmengebäude rauchen lässt. Denn dann<br />
müsse man mit Millionenklagen von jenen rechnen, die durch den<br />
Passivrauch geschädigt worden sind. Vergleiche zwischen den<br />
USA <strong>und</strong> der Schweiz hinken deshalb, sagt Beutler. Und<br />
Raucherinnen <strong>und</strong> Raucher bei der Jobsuche zu benachteiligen,<br />
sei sicher nicht die Lösung (siehe Interview).<br />
Tolerante Schweiz. Schweizer Firmen sehen dies ähnlich: Entscheidend<br />
für eine Einstellung sei die berufliche Qualifikation<br />
<strong>und</strong> die persönliche Eignung, heisst es bei Coop. «Wir fragen<br />
beim Bewerbungsgespräch nicht nach, ob jemand raucht»,<br />
lautet die Auskunft bei der Swisscom. Und die Suva betont:<br />
«Für uns wäre eine solche Personalpolitik inakzeptabel.»<br />
Und unhaltbar sei die Behauptung, wonach rauchende Mitarbeitende<br />
weniger leisten als nichtrauchende: Jede Stelle beinhalte<br />
klar definierte Aufgaben <strong>und</strong> Ziele. Und diese müssten erreicht<br />
werden, unabhängig davon, ob jemand rauche oder nicht.<br />
Trend: rauchfreie Firmen. Dennoch betrachten viele Unternehmen<br />
das Rauchen nicht als Privatsache. Es liegt im Trend, sich<br />
an den Kosten für Nichtraucher-Kurse zu beteiligen, beispielsweise<br />
an jenen des Lungenliga-Projekts «Unternehmen rauchfrei».<br />
Arbeitnehmende tun damit nach Angaben der Initiatoren<br />
etwas für ihre Ges<strong>und</strong>heit, während Arbeitgebende von gesünderen<br />
Mitarbeitenden profitieren sollen. Und nicht zuletzt<br />
erhofft man sich, die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage<br />
zu senken. Nach Angaben der Weka-Verlagsgruppe fehlen<br />
rauchende Mitarbeitende im Durchschnitt drei Tage mehr<br />
pro Jahr als nichtrauchende Kollegen. Dies deshalb, weil Raucherinnen<br />
<strong>und</strong> Raucher anfälliger seien für Krankheiten <strong>und</strong><br />
schlechter regenerierten. Das verursache im Betrieb höhere<br />
Kosten. Hinzu kommt ein volkswirtschaftliches Problem: Ein<br />
Viertel der jährlich 9000 tabakbedingten Todesfälle in der<br />
Schweiz treffen Personen, die das 65. Altersjahr noch nicht erreicht<br />
haben.<br />
Hilfe im Kampf gegen Glimmstängel. Wer raucht, ist sich darüber<br />
im Klaren, dass er oder sie sich schadet, betont die<br />
Lungenliga. Bekannt sei darüber hinaus, dass 50 Prozent aufhören<br />
wollen. Hier setzt das Projekt «Unternehmen rauchfrei»<br />
an. Denn mit professionellem Coaching ist der Verzicht eher zu<br />
erreichen als allein. Ob die Kurse langfristigen Erfolg bringen,<br />
ist offen. Kurz danach sind viele Raucherinnen <strong>und</strong> Raucher<br />
motiviert <strong>und</strong> kommen ohne Glimmstängel aus, hat man bei<br />
Coop beobachtet. Wie es nach einem <strong>und</strong> nach zwei Jahren<br />
aussieht, müssen Auswertungen zeigen.<br />
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FOKUS – INTERVIEW<br />
«SUCHTKRANKE SOLLTEN<br />
BEI DER ARBEITSSUCHE NICHT<br />
DISKRIMINIERT WERDEN»<br />
Von Vera Sohmer. Keine Raucherinnen <strong>und</strong><br />
Raucher mehr einstellen, ist der falsche<br />
Weg, sagt Thomas Beutler von der Arbeitsgemeinschaft<br />
Tabakprävention Schweiz.<br />
Wirksamer ist, für rauchfreie Arbeitsplätze<br />
zu kämpfen.<br />
Wie werten Sie das Vorgehen verschiedener<br />
US-Unternehmen, keine rauchende<br />
Mitarbeitende mehr einzustellen? Dies ist<br />
unserer Ansicht nach nicht der richtige<br />
Weg. Suchtkranke sollten bei der Arbeitssuche<br />
nicht diskriminiert werden. Einschränkungen<br />
beim Zigarettenkonsum im <strong>und</strong><br />
um den Betrieb begrüssen wir hingegen.<br />
Eine Vorgehensweise wie in den USA<br />
wäre für die Schweiz also keine Option?<br />
Aus unserer Sicht nicht. Der Nutzen einer<br />
solchen Auslese scheint uns nicht klar.<br />
Es gibt keine guten Gründe, nur Nicht<strong>raucherinnen</strong><br />
<strong>und</strong> Nichtraucher einzustellen.<br />
Welchen Schutz geniessen Nicht<strong>raucherinnen</strong><br />
<strong>und</strong> Nichtraucher in Schweizer<br />
Betrieben? In der Schweiz sind Arbeitnehmende<br />
nur ungenügend vor Passivrauch<br />
geschützt. Das Passivrauchschutzgesetz<br />
vom Mai 2010 verbietet<br />
den Konsum von Zigaretten in öffentlich<br />
zugänglichen Räumen <strong>und</strong> an Arbeitsplätzen,<br />
die von mehreren Personen<br />
benutzt werden. Ausnahmen sind<br />
Restaurationsbetriebe mit weniger als<br />
80 Quadratmetern <strong>und</strong> Rauchräume<br />
in Restaurationsbetrieben. Einzelne<br />
Kantone haben umfassendere Regelungen<br />
eingeführt. Dennoch entspricht<br />
keine den internationalen Empfehlungen.<br />
Die WHO-Rahmenkonvention zur<br />
Tabakkontrolle empfiehlt, alle Arbeitsplätze<br />
ohne Ausnahmen rauchfrei zu<br />
machen. Nur so können Arbeitnehmende<br />
vor den ges<strong>und</strong>heitlichen Folgen des<br />
Tabakrauchs geschützt werden.<br />
Was halten Sie von der Idee, von<br />
Raucherinnen <strong>und</strong> Rauchern bei der<br />
Einstellung eine risikoabhängige<br />
Krankenversicherung zu verlangen?<br />
Nichts, dies ist eine Entsolidarisierung<br />
der Gesellschaft. Raucher <strong>und</strong> Raucherinnen<br />
leiden an einer Suchterkrankung<br />
<strong>und</strong> sollten auch so behandelt werden.<br />
Bei Personen, die täglich rauchen, kann<br />
nicht mehr von einer willentlichen<br />
Handlung gesprochen werden. Denn der<br />
durchschnittliche Raucher, die durchschnittliche<br />
Raucherin konsumiert etwas<br />
mehr als 14 Zigaretten pro Tag.<br />
Links:<br />
Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention<br />
Schweiz: www.at-schweiz.ch<br />
Projekt «Unternehmen rauchfrei»:<br />
www.unternehmenrauchfrei.ch<br />
Wäre dies in der Schweiz rechtlich<br />
möglich? Ja, schlussendlich ist es den<br />
einzelnen Unternehmen überlassen,<br />
wen sie einstellen oder nicht. Es gibt<br />
keine Regeln, die vorschreiben, dass<br />
es die qualifiziertesten Personen sein<br />
müssen. Zudem kann man jede Angestellte,<br />
jeden Angestellten mit der<br />
im Vertrag vorgesehenen Frist kündigen.<br />
Eine Kündigung muss auch nicht<br />
begründet werden – so könnte ein<br />
Unternehmen auch alle rauchenden<br />
Mitarbeitenden einfach entlassen.<br />
Leisten Raucherinnen <strong>und</strong> Raucher<br />
weniger, auch deshalb, weil sie einen<br />
Teil der Arbeitszeit mit Rauchpausen<br />
«vergeuden»? Dazu gibt es keine<br />
Hinweise. Zudem muss man hier<br />
verschiedene Faktoren bedenken,<br />
wie die Dauer <strong>und</strong> die Anzahl der<br />
Pausen. Eher problematisch ist, dass<br />
es unter den Mitarbeitenden zu<br />
Spannungen kommen kann. Daher<br />
empfehlen wir klare Regeln – etwa,<br />
sich ausstempeln zu müssen, wenn<br />
man rauchen geht.<br />
Vera Sohmer arbeitet als freie Journalistin <strong>und</strong><br />
schreibt unter anderem für die «Handelszeitung»<br />
<strong>und</strong> den «Beobachter».<br />
«Raucher <strong>und</strong><br />
Raucherinnen leiden<br />
an einer Suchterkrankung<br />
<strong>und</strong> sollten<br />
auch so behandelt<br />
werden.»<br />
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