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Konflikte und Gewalt 5 - Jugendinformationszentrum

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Schwerpunkt Cybermobbing<br />

19-jährigen Internet-Nutzern Social Communitys zu<br />

den bevorzugten Aktivitäten, denen sie täglich oder<br />

mehrmals wöchentlich nachkommen. Der Anteil der<br />

Intensiv nutzerinnen <strong>und</strong> Intensivnutzer, die täglich<br />

aktiv sind, liegt mittlerweile bei 57%.<br />

Es ist in erster Linie das ganz einfache Bedürfnis<br />

nach Kommunikation, das hier bedient wird – vor<br />

allem solche, die ohne soziale <strong>und</strong> emotionale Risiken<br />

wahrgenommen werden kann. Entsprechend ist der<br />

vorherrschende Duktus auch immer locker, leicht ironisierend,<br />

nicht ernst. Hinzu kommt das in diesem<br />

Lebensabschnitt ungeheure Bedürfnis nach Selbstdarstellung,<br />

das für die Sozialen Netzwerken eine geradezu<br />

perfekte Folie bietet.<br />

Was uns aber die Sorgenfalten ins Gesicht treibt, ist<br />

das Cybermobbing. Die JIM-Studie 2012 zeigt auf,<br />

dass bereits 28% der Nutzenden von einem Vorfall<br />

durch Cybermobbing, als betroffenes Opfer oder im<br />

Fre<strong>und</strong>eskreis, berichten können. Und ich gehe davon<br />

aus, dass angesichts kräftig gestiegener Zahlen <strong>und</strong> der<br />

Schwierigkeit der Erfassung von Mobbing-Fällen der<br />

tatsächliche Wert heute weit höher liegen dürfte.<br />

Andere zu ärgern oder sich gegenseitig zu beleidigen,<br />

war immer <strong>und</strong> wird immer eine Form der<br />

Auseinandersetzung sein. Und vielfach handelt es sich<br />

hier auch nur um die auch auf dem Schulhof gelebte<br />

Flapsigkeit, mit den üblichen Foppereien <strong>und</strong> Rangeleien.<br />

Wird dieses Verhalten allerdings unter dem<br />

Einsatz von Neuen Medien über einen längeren Zeitraum<br />

gezielt dazu benutzt, um anderen Personen<br />

Schaden zuzufügen, dann kann dies nicht ohne Folgen<br />

sein <strong>und</strong> wird erst recht nicht mehr als harmlos eingestuft.<br />

Die Brisanz der sozialen Netzwerke besteht ja<br />

darin, dass wir es hier mit einer neuen Form des<br />

Publizierens zu tun haben, die den Beleidigungen <strong>und</strong><br />

Verleumdungen eine ganz neue Qualität verleihen.<br />

Bemerkenswert finde ich die Tatsache, die in einer aktuellen<br />

Studie der Universität Hohenheim veröffentlicht<br />

wurde, dass die Täterinnen <strong>und</strong> Täter meistens<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sind, die im Klassenverband<br />

gut integriert sind. Es sind in der Regel also nicht die<br />

Außenstehenden, die sich durch Cybermobbing rächen<br />

oder profilieren wollen.<br />

Die Relevanz von Sozialen Netzwerken<br />

Den Betroffenen zu raten, nicht mehr im Social Net<br />

mitzumachen, ist keine Lösung, auch wenn das immer<br />

wieder unterbreitet wird <strong>und</strong> kurzfristig vielleicht sogar<br />

unumgänglich ist. Das wäre gleichbedeutend mit<br />

dem Ratschlag, nicht mehr vor die Tür zu gehen, weil<br />

draußen Gefahr droht. Denn eines ist ganz evident: Die<br />

immense Relevanz, die die sozialen Plattformen außer<br />

für die Kommunikation mittlerweile für die Identitätsentwicklung<br />

<strong>und</strong> soziale Positionierung haben, machen<br />

ein Mitwirken für die Jugendlichen nahezu unverzichtbar.<br />

Ein wegen Mobbings erzwungener Austritt aus der<br />

Social Community kommt einem sozialen <strong>und</strong> kommunikativen<br />

Ausschluss gleich, der katastrophaler<br />

empf<strong>und</strong>en werden kann als die ursächliche Beleidigung.<br />

Zumindest ist dies eine zusätzliche Bestrafung<br />

für die Opfer.<br />

Prävention von Cybermobbing<br />

Glücklicherweise scheint die pädagogische Schockstarre<br />

angesichts des Phänomens „Cybermobbing“<br />

mittlerweile überw<strong>und</strong>en zu sein <strong>und</strong> so gibt es heutzutage<br />

doch eine Reihe von Konzepten <strong>und</strong> Hand lungsanweisungen<br />

in den Bereichen der Prävention <strong>und</strong><br />

Intervention.<br />

Prävention, also Vorbeugung, darf aber nicht mit<br />

„<strong>Konflikte</strong> vermeiden“ verwechselt werden. Jugendliche<br />

haben umfangreiche <strong>Konflikte</strong>rfahrungen <strong>und</strong><br />

können hier auch hervorragend differenzieren. Sie unterscheiden<br />

z. B. zwischen „Spaß-Streit“, „Meinungsverschiedenheit“,<br />

„Streit“ <strong>und</strong> „Mobbing“, wobei sie<br />

die letzten beiden gerne vermeiden möchten <strong>und</strong><br />

Mobbing als eindeutig „zu weit gehend“ klassifizieren.<br />

Wir müssen also zu Maßnahmen kommen, die<br />

<strong>Konflikte</strong> als Bestandteile des menschlichen Lebens<br />

einordnen, die es nicht zu vermeiden, sondern in angemessener<br />

Art <strong>und</strong> Weise auszutragen gilt. Nicht der<br />

Konflikt an sich, sondern die Eskalation des Konflikts<br />

muss problematisiert werden. Und das ist jetzt kein<br />

theoretischer Allgemeinplatz, sondern ein Gr<strong>und</strong>verständnis,<br />

das eine ganz konkrete Konsequenz zur Folge<br />

hat: Wir müssen den Jugendlichen den Raum geben,<br />

ihre <strong>Konflikte</strong> selbstbestimmt <strong>und</strong> frei auszuhandeln –<br />

wohl gemerkt, wir reden hier über die Prävention,<br />

nicht über die Intervention. Wir müssen an der Schule<br />

eine offene Streitkultur erschaffen, innerhalb derer die<br />

Jugendlichen lernen, ihre Mei nungsverschiedenheiten<br />

in Respekt <strong>und</strong> Achtung des Kontrahenten auszutragen.<br />

Unterschiede, Differenzen, Eigenarten, gegensätzliche<br />

Empfindungen, das alles gehört auf den Tisch<br />

<strong>und</strong> so weit wie möglich in angemessener Weise ausgehandelt<br />

– aber immer in Aner kennung des Andersdenkenden<br />

<strong>und</strong> Anders fühlenden.<br />

Wie sehen unsere pädagogischen Handlungsweisen<br />

angesichts einer von digitalen Medien bestimmten<br />

Welt aus, in der sich unsere Jugendlichen neuer<br />

Kommunikationsstrukturen bedienen? Was müssen<br />

wir tun, um den daraus entstehenden Konfliktpotenzialen<br />

vorzubeugen?<br />

Das Internet als Lebensraum ernst nehmen<br />

Das Internet ist nicht nur ein praktisches Instrument<br />

der Wissensvermittlung, mit dem man bequem Fakten<br />

für die Hausaufgaben recherchieren kann. Nein, es ist<br />

die größte, umfassendste <strong>und</strong> dynamischste strukturelle<br />

Umwälzung unserer Gesellschaft seit der industriellen<br />

Revolution. Das größte Hindernis hierbei ist<br />

meiner Meinung nach die immer noch vorherrschende<br />

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