Lebensqualität mit Sport steigern - Schweizer Paraplegiker-Gruppe
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<strong>Lebensqualität</strong><br />
<strong>mit</strong> <strong>Sport</strong> <strong>steigern</strong>
Wo ein Wille ist …<br />
Drei Menschen, drei Leben, drei Auffassungen<br />
von <strong>Sport</strong> – und eine gemeinsame<br />
Motivation, die sie verbindet. Ob behinderter<br />
<strong>Sport</strong>fan, Spitzenathletin oder Ausgleichssportler:<br />
Alle wollen durch vermehrte<br />
Bewegung eine bessere Gesundheit und<br />
höhere <strong>Lebensqualität</strong> gewinnen. Ganz am<br />
Anfang dieser Bemühungen um bessere<br />
Gesundheit steht ein sportmedizinischer<br />
Check <strong>mit</strong> Beratung und Trainingsanleitung,<br />
wie ihn die <strong>Sport</strong>medizin Nottwil (Swiss<br />
Olympic Medical Center) des <strong>Schweizer</strong><br />
<strong>Paraplegiker</strong>Zentrums anbietet. Darauf<br />
folgt meist eine Änderung des Lebensstils.<br />
Am Ende stehen mehr Bewegung und<br />
Unabhängigkeit, verbesserte Zufriedenheit<br />
und <strong>Lebensqualität</strong>.<br />
Georg Kehrli, <strong>Sport</strong>fan<br />
Texte: Mathias Haehl<br />
Bilder: Walter Eggenberger<br />
«Ich will noch lange selbständig in die Berge», sagt Georg<br />
Kehrli. Der 54-jährige Bauspengler aus Rohr AG ist querschnittgelähmt,<br />
seit er 2001 <strong>mit</strong> dem Velo frontal in einen<br />
Baum raste. Seine Freizeit verbringt der <strong>Paraplegiker</strong><br />
immer wieder in den Bergen, auf Flugplätzen oder in seiner<br />
Modellbau-Werkstatt. Der <strong>Sport</strong>fan war früher, als er<br />
im Monoskibob Pisten herunterflitzte oder Handbike-Touren<br />
machte, viel fitter. Jetzt unterzog sich Georg Kehrli in<br />
Nottwil einem Medical Check und einer Trainingsberatung:<br />
«Mit <strong>Sport</strong> will ich meine <strong>Lebensqualität</strong> <strong>steigern</strong>.»
Stefanie Barmet, Spitzenathletin<br />
Niki Wüthrich, Ausgleichssportler<br />
«Ich will mich für die U-23-EM qualifizieren», erklärt<br />
Stefanie Barmet. Die 21-jährige Mittelstreckenläuferin<br />
und Germanistikstudentin aus Egolzwil LU leidet unter<br />
leichtem Leistungsasthma, weshalb ihre Wettkampf-<br />
Erfolge unlängst nachliessen. Dank sportmedizinischer<br />
Behandlung sowie Beratung zur Optimierung des Trainings<br />
gelang es ihr, wieder das alte Leistungsniveau zu<br />
erreichen. Heute strahlt das Mitglied des erweiterten<br />
Nationalteams (Swiss Starters 2014) erneut Selbstvertrauen<br />
und Hoffnung für die Zukunft aus: Die motivierte<br />
Spitzenathletin sagt: «2013 könnte mein Jahr werden!»<br />
«Ich möchte meine Puste für die Musik stärken», sagt Niki<br />
Wüthrich. Der 37-Jährige aus Erlenbach ZH hetzt als Dirigent<br />
und Posaunist zwischen Orchesterproben, Organisationssitzungen<br />
und Konzertauftritten umher; er spielt<br />
in diversen Ensembles und dirigiert grosse Orchester. Als<br />
Profimusiker wie als Hobbyjogger gelangt er manchmal<br />
ans Ende seiner Kräfte. Eine sportmedizinische Abklärung<br />
in Nottwil zeigte, dass Wüthrich in Zukunft abwechslungsreicher<br />
trainieren und sich gesünder ernähren muss. Er<br />
verspricht: «Die Steigerung meiner Fitness soll mich zu<br />
noch mehr musikalischen Highlights führen.»
Modern. <strong>Sport</strong>medizin-Assistentin Ruth Heller<br />
begrüsst Georg Kehrli im GZI-Gebäude.<br />
Die Unabhängigkeit wahren<br />
«Für Ihre Leistungsfähigkeit und Selbständigkeit beim Älterwerden wäre es wichtig, wieder<br />
mehr <strong>Sport</strong> zu machen», sagt Dr. med. Matthias Strupler und blickt seinem Gegenüber eindringlich<br />
in die Augen. Die Worte des Chefarztes wirken motivierend, als er Georg Kehrli nach der<br />
halbtägigen sportmedizinischen Untersuchung verabschiedet. Der 54-jährige <strong>Paraplegiker</strong> fährt<br />
gut gelaunt in seinem Rollstuhl durch die grosszügig gebaute Eingangshalle des GZI (Guido A.<br />
Zäch Institut) Nottwil; er grüsst mal nach links, dann nach rechts. «Eine tolle Institution», lobt er.<br />
Kehrli bestaunt nicht nur die moderne, grosszügige Architektur und die elegante Schlichtheit<br />
des Gebäudes. Vor allem bewundert er das breit gefächerte Angebot der <strong>Sport</strong>medizin Nottwil<br />
(Swiss Olympic Medical Center): Analyse und Beratung, Motivation und Trainingsbegleitung. Das<br />
zehnköpfige Team ist unter anderem für die Betreuung von Spitzenathleten <strong>mit</strong> Behinderung<br />
zuständig, steht aber auch anderen <strong>Sport</strong>lern oder wissbegierigen Fussgängern, die Aufschluss<br />
über ihre Fitness möchten, <strong>mit</strong> Rat und Tat zur Seite.
Energisch. Beim Lungenfunktionstest<br />
bläst<br />
Kehrli nach Leibeskräften.<br />
Umfassende Untersuchung<br />
Georg Kehrli entschied sich für eine umfassende Untersuchung:<br />
medizinischer Check <strong>mit</strong> Blutuntersuchung, Lungenfunktionsund<br />
Leistungstests sowie abschliessend Ernährungs- und Trainings-Tipps.<br />
Teamchef Matthias Strupler stellt dem <strong>Paraplegiker</strong><br />
ein gutes Zeugnis aus: Herz-, Blut- und Kreislauf-Werte sind<br />
gut, die Cholesterin-Werte sind allerdings verbesserungsfähig.<br />
Der Chefarzt mahnt: «Unbedingt weniger Schokolade, Würste<br />
und fettigen Käse essen.» Eine Mahlzeit bestehe im Idealfall nur<br />
aus je einem Viertel Proteinen und Kohlenhydraten, dafür zur<br />
Hälfte aus Gemüse oder Früchten. <strong>Sport</strong>mediziner können dem<br />
Patienten sein Handicap zwar nicht nehmen, aber sie können<br />
ihm helfen beim Versuch, dieses zu kompensieren.<br />
Etwa so: «Bitte wieder mehr <strong>Sport</strong> treiben!» Denn <strong>Paraplegiker</strong><br />
wie Georg Kehrli werden, wenn sie sich nicht genug bewegen,<br />
schnell zu «Paschaplegikern». Letztere sind im Alltag immer auf<br />
andere angewiesen, viele wirft ein tragischer Unfall komplett<br />
aus der (Lebens-)Bahn. Nicht so Georg Kehrli, der 2001 bei einer<br />
Velotour eine enge Kurve unterschätzte und in vollem Tempo<br />
in einen Baum krachte. Diagnose: Wirbelsäulenbruch, Lähmung<br />
unterhalb des fünften Brustwirbels. <strong>Sport</strong> half ihm, kaum war<br />
er aus der Rehabilitation in Nottwil entlassen.<br />
Bewegungsmensch seit jeher<br />
Schon vor seinem Unfall trieb Georg Kehrli viel <strong>Sport</strong>: im Turnverein<br />
und vor allem auf Skis. Bis 60 Tage verbrachte er pro<br />
Saison im Schnee, er kurvte an Volksskirennen flink durch die<br />
Tore. Kehrli erinnert sich: «Ich war schon immer ein Bewegungsmensch.»<br />
Doch in den letzten zweieinhalb Jahren hat er das<br />
Fitnesstraining vernachlässigt, da er einen Skiunfall hatte und<br />
eine Schulter operieren lassen musste.<br />
Über Kehrlis nackten Rücken zieht sich eine Narbe von gut 20<br />
Zentimetern Länge entlang der Wirbelsäule, die Muskeln drumherum<br />
spielen lässig, als er energisch an der Handkurbel dreht.<br />
«Schön. Gut so! Super! Dranbleiben – und Vollgas! Allez! Der<br />
Endspurt kommt!», motiviert ihn <strong>Sport</strong>wissenschaftler Dr. sc. nat.<br />
Claudio Perret bei fortwährend ansteigender Belastung. Kehrli<br />
beisst auf die Zähne, verzerrt sein Gesicht, hängt vor lauter<br />
Anstrengung schon schief im Stuhl. Er dreht nochmals auf, gibt<br />
alles und bleibt dran – bis er nicht mehr kann. 163 Maximalpuls,<br />
76 geleistete Watt. Doch: «Zu wenig. Leider», kommentiert<br />
Perret, denn 100 Watt waren die Vorgabe. Ein wenig enttäuscht<br />
ist Georg Kehrli über das Resultat, leise sagt er: «Meine Arme<br />
versagten plötzlich ihren Dienst.»<br />
Elektrisch. Beim Körperfett-Messtest<br />
fliesst der Strom durch den Körper (o.).<br />
Genau. Der Bauchumfang als Risikofaktor<br />
wird gemessen (u.).
Kämpferisch. An der Handkurbel<br />
geht Georg Kehrli bis ans Li<strong>mit</strong>.<br />
Unabhängig bis ins hohe Alter bleiben<br />
Perret zeigt ihm anschliessend eine Grafik, in der tendenziell<br />
ersichtlich wird, dass Menschen im Rollstuhl<br />
durchschnittlich schon im Alter von 50plus von anderen<br />
abhängig werden, sofern sie keinerlei <strong>Sport</strong> treiben.<br />
Schon nur leicht Aktive können diese Schwelle um rund<br />
zehn Jahre auf 60 oder mehr verschieben, während<br />
sportlich sehr Aktive im Idealfall gar bis im Alter von<br />
80plus unabhängig bleiben. Georg Kehrli macht die Grafik<br />
grossen Eindruck, und beruhigt lehnt er sich zurück,<br />
als ihm Claudio Perret anhand einer Vergleichsstatistik<br />
sagt: «Sie sind noch einigermassen bei den Leuten.»<br />
Falls er aber, wie so viele Rollstuhlfahrer, <strong>Lebensqualität</strong><br />
als Unabhängigkeit von den Mitmenschen definiere, sei<br />
die Botschaft: «<strong>Sport</strong> treiben, mässig – dafür regelmässig!»<br />
Denn Georg Kehrli kam beim Leistungstest nur<br />
noch auf Dreiviertel der Leistung wie beim letzten Mal<br />
vor drei Jahren. «Die Ampel leuchtet orange», kommentiert<br />
Perret <strong>mit</strong> ernster Miene. «Mehr bewegen, mobil<br />
bleiben!»
Verträumt. Gerne möchte Modellbauer<br />
Kehrli selbst ein Flugzeug<br />
pilotieren.<br />
Technik und Mobilität<br />
Mobilität begeisterte schon den kleinen Georg, zumal eine<br />
bestimmte: Kehrli Junior war angezogen von den grossen Fliegern,<br />
die er <strong>mit</strong> seinem Onkel auf der Besucherterrasse des<br />
Zürcher Flughafens landen oder nach exotischen Destinationen<br />
abheben sah. Noch heute studiert er liebevoll ein Büchlein <strong>mit</strong><br />
alten Flugzeugen, das ihm sein Onkel 1968 geschenkt hatte,<br />
als er 10-jährig war. Er schwärmt: «Ich bin fasziniert davon,<br />
wie es der Mensch schafft, Tonnen durch die Lüfte zu bewegen.»<br />
Auch die Antriebstechnik, ob durch Propeller oder<br />
Düsen, interessiert den Bastler, der in seiner Heimwerkstatt<br />
Modelle von Jagdjets und Flugzeugträgern <strong>mit</strong> grosser Sorgfalt<br />
zusammenklebt und bemalt.<br />
Einen grossen Traum hat Georg Kehrli sich bis heute bewahrt,<br />
nämlich irgendwann selber einmal das Flugbrevet zu machen.<br />
Doch finanziell liegt das derzeit noch nicht drin, er muss den<br />
Fliegern meist von seinem Rollstuhl aus zuwinken. Aber<br />
unglücklich ist Kehrli deswegen nicht, er ist auch so agil genug,<br />
wie er findet. «Ich brauchte zwar anfangs Zeit, um mich an<br />
meine neuen Bewegungs-Grenzen zu gewöhnen.» Zu 85 bis<br />
90 Prozent ist er selbständig, sei es beim Wohnen, im Strassenverkehr<br />
und in der Freizeit.<br />
Schnell. Mit seinem Monoskibob rast der<br />
<strong>Sport</strong>fan im Winter über die Pisten.<br />
Eindrücklich. Mit <strong>Sport</strong> kann ein<br />
Querschnittgelähmter bis zu 20 Jahre<br />
länger unabhängig bleiben (l. o.).<br />
<strong>Lebensqualität</strong> <strong>steigern</strong><br />
Das soll unbedingt so bleiben. Kehrli will seinen Single-Haushalt weiterhin im<br />
Alleingang bewältigen, sein Gewicht auf maximal 73 Kilos halten und auch wieder<br />
mal den Applaus an einem <strong>Sport</strong>anlass geniessen. Deshalb erklärt er Matthias<br />
Strupler bei der Abschlussbesprechung: «Ich bin motiviert, ab sofort wieder mehr<br />
<strong>Sport</strong> zu machen, um meine <strong>Lebensqualität</strong> zu <strong>steigern</strong>.» Vielleicht wird er dann<br />
in Zukunft auch ein passendes Souvenir an die <strong>Sport</strong>medizin Nottwil schicken,<br />
da<strong>mit</strong> es der Chefarzt an die Pinnwand hängen kann. Dort prangen Struplers<br />
Passepartout-Pässe für die Paralympics in London, Peking oder Vancouver, zudem<br />
Athleten-T-Shirts oder signierte Fotos von Rollstuhlsportler Marcel Hug oder Triathletin<br />
Karin Bucher-Thürig. Georg Kehrli verspricht: «Bald gehe ich <strong>mit</strong> meinem<br />
Handbike wieder auf die Strasse. Sie haben recht, meine Work-Life-Balance lässt<br />
sich verbessern.»<br />
Informativ. <strong>Sport</strong>medizin-Nottwil-<br />
Chefarzt Matthias Strupler gibt Tipps<br />
<strong>mit</strong> auf den Weg (l. u.).
Die Bestzeit erreichen<br />
«Volle Pulle, gut so!» feuert <strong>Sport</strong>medizin-Assistentin Ruth Heller<br />
die Leichtathletin Stefanie Barmet an, die sechs Minuten lang<br />
schnell und heftig in eine gelbe Maske atmet. Die 21-Jährige<br />
keucht wie wild, beim Einatmen reisst sie den Kopf in den<br />
Nacken, beim Ausatmen bebt der ganze Körper; sogar der<br />
unscheinbare medizinische Apparat, so teuer wie ein Kleinwagen,<br />
scheint jeweils zu seufzen. Volle Pulle, Stefanie Barmet<br />
gesteht: «Das war mühsam!»<br />
Nach dieser Extrembelastung und Reizung der Lungen zur<br />
Simulation einer Wettkampf-Situation misst Heller die Lungenfunktion<br />
Barmets. Seit ihrem letzten <strong>Sport</strong>check wird sie therapiert,<br />
leidet die junge Läuferin doch unter Leistungsasthma.<br />
Was schlimm tönt, ist indes weit verbreitet: Mehr als 10 Prozent<br />
der Ausdauersportler kennen Atembeschwerden unter<br />
erhöhter Beanspruchung. Vielen kann dank Inhalieren von<br />
Medikamenten Abhilfe geboten werden, so auch Stefanie Barmet.<br />
«Die Lungenfunktion hat sich verbessert», freut sich Ruth<br />
Heller <strong>mit</strong> der Läuferin.<br />
Wieder an die europäische Spitze<br />
Auch ihre körperliche Leistung ist besser geworden, wie ein<br />
Laktat-Senketest auf dem Laufband zeigt. So<strong>mit</strong> ist ihre bisherige<br />
Bestzeit über 800 Meter, 2:06:01 Minuten, derzeit wieder<br />
in Reichweite. Und der erneute Einzug ins nationale B-Kader<br />
ebenso. Stefanie Barmet wurde 2011 an den <strong>Schweizer</strong> Meisterschaften<br />
Zweite und an den Junioren-Europameisterschaften<br />
Zehnte. An die nationale und gar europäische Spitze will<br />
sie wieder hin. Ihr grosses Ziel: im Juli 2013 an den U-23-EM<br />
im Tampere (Finnland) auf dem Zenit sein.<br />
Dafür lässt sie sich in Nottwil aufbauen, medizinisch und moralisch,<br />
<strong>mit</strong> Rat und Tat. Sie kennt das bereits. Stefanie Barmet hat<br />
schon sechs Leistungstests gemacht, «da<strong>mit</strong> optimiere ich die<br />
Steuerung meiner Trainings». Sie hört nicht nur auf ihren Körper<br />
und pflegt ihn <strong>mit</strong> ausgewogener Ernährung, sondern sie ist<br />
auch ganz Ohr, wenn sie von Chefarzt Matthias Strupler Tipps<br />
erhält. «Ich werde meine Glieder wieder vermehrt dehnen», verspricht<br />
sie. Und lacht, dass es eine Freude ist. Denn die neusten<br />
Test-Ergebnisse erleichtern sie. «Mein Weg stimmt!»<br />
Erfolgreich. Beim Laktat-Senketest<br />
wird Stefanie Barmet<br />
von Claudio Perret überwacht.
Belastend. Tiefes und schnelles<br />
Atmen reizt die Bronchien der<br />
<strong>Sport</strong>lerin (l. u.).<br />
Aufschlussreich. Das Erheben<br />
der Eisenreserve geht unter<br />
die Haut (r. u.).<br />
Kollegiales Vertrauen<br />
Sie mag die Tests beim <strong>Sport</strong>medizin-Nottwil-<br />
Team, in dem alle selber aktiv <strong>Sport</strong> treiben. «Hier<br />
fühle ich mich nicht als Patientin, denn der Umgang<br />
ist sehr kollegial – weil er auf Vertrauen<br />
basiert», sagt die Läuferin. Am liebsten würde sie<br />
gleich weiter trainieren. Doch die Zeit drängt: An<br />
der Uni Bern muss sie am selben Tag noch Seminare<br />
in Germanistik und Sozialwissenschaften<br />
besuchen.<br />
Kraftspendend. Die Studentin findet<br />
beim Lesen «Power» und Ruhe.<br />
10 bis 15 Stunden pro Woche trainiert Stefanie Barmet; abends liest sie gerne stundenlang:<br />
Romane wie der frisch verfilmte «Nachtzug nach Lissabon» von Pascal<br />
Mercier oder Fachliteratur. Sie schreibt auch selber. Für den «Willisauer Boten»<br />
porträtiert sie <strong>Sport</strong>ler und deren Lebensträume. Was ist denn ihr Lebenstraum?<br />
Dass es so weiter geht, bezeichnet sie sich doch als sehr glücklich. Sie weiss, dass<br />
der Mensch mehr erreichen kann, als er gemeinhin glaubt. Und wenn sie an die<br />
U-23-Europameisterschaften denkt, erklärt Stefanie Barmet bestimmt: «Dafür bin<br />
ich bereit, volle Pulle zu gehen! Immer.»
Beachtlich. Auf dem<br />
Testvelo erreicht Wüthrich<br />
zehn Leistungsstufen.<br />
Den Winterspeck wegblasen<br />
«Ich habe etwas zu viel Winterspeck», gesteht Niki Wüthrich. Mit nacktem Oberkörper sitzt der<br />
ambitionierte Musiker aus Erlenbach ZH auf dem EKG-Testvelo, Brust und Hände sind verkabelt,<br />
er strampelt heftig. Nachdem er bei ansteigender Belastung schon beachtliche 10 Leistungsstufen<br />
überwunden hat, will er <strong>mit</strong> Kopf und Armen nachhelfen, weil die Beine schwer werden. Doch<br />
seine Muskeln sind übersäuert, denn Niki Wüthrich hat die anaerobe Schwelle überschritten,<br />
die <strong>Sport</strong>wissenschaftler Claudio Perret «Sackgasse des Stoffwechsels» nennt. Sackgasse, weil<br />
dann die zunehmende Übersäuerung zum Testabbruch führt.<br />
Körper ist Teil des Instrumentes<br />
Winterspeck hin, Leistungsabfall her – die Werte für einen Ausgleichssportler<br />
sind sehr gut. Und die knapp zwei Kilo, die sich<br />
um seine Hüften breit machen, sind nicht Hauptgrund, weshalb<br />
der 37-Jährige auf dem Velo sitzt und die halbtägige sportmedizinische<br />
Untersuchung in Nottwil macht. Der erfolgreiche<br />
Dirigent, Musiker und Kulturmanager will sein Lieblingsinstrument<br />
noch besser blasen, den Stress besser wegstecken können.<br />
Wenn er auf seiner Posaune im Orchester Sinfonien spielt oder<br />
<strong>mit</strong> kleineren Ensembles Jazzgrössen nacheifert, sind mentale<br />
und physische Fitness entscheidend. «Mein Körper ist auch Teil<br />
des Instruments», erklärt Wüthrich. Weil er seine Karriere noch<br />
weiter vorantreiben möchte, will er auch mehr Puste dafür haben<br />
und aktiv dafür sorgen, dass ihm weder bei Konzerten noch beim<br />
Ausgleichssport der Schnauf ausgeht.<br />
Gewohnt, sich selber bis zum Äussersten zu plagen, kämpft Niki<br />
Wüthrich weiter, verzieht das Gesicht. «Du bist ein Beisser, du<br />
kannst leiden», lobt Perret. Wüthrich nickt, denn er möchte auch<br />
im Alter nicht in Abhängigkeit von anderen geraten. Abhängigkeit<br />
malt ihm Perret so aus: «Sie beginnt da<strong>mit</strong>, dass man sich<br />
die Zehennägel nicht mehr schneiden oder die Tasche im Zug<br />
nicht mehr ins Gepäckabteil hieven kann».<br />
Verbunden. Niki Wüthrich betrachtet<br />
seinen Körper als Teil des Instruments.
Macher in Beruf und <strong>Sport</strong><br />
Daran mag Niki Wüthrich gar nicht denken, denn er ist im Beruf ein Macher und will das auch<br />
im <strong>Sport</strong> werden. Er träumt davon, mal einen Halbmarathon zu laufen, so souverän, wie er als<br />
Musiker und Orchesterchef auf höchstem Niveau spielt. Mit seinen Ensembles – er dirigiert<br />
nebst dem Musikverein Meilen und der Stadtmusik Bremgarten auch die 80-köpfige Stadtmusik<br />
Zürich – will er zudem neue Publikumskreise erreichen.<br />
Rhythmisch.<br />
Das Ruhe-Elektrokardiogramm<br />
er<strong>mit</strong>telt die<br />
Herzstromkurve (o.).<br />
Entspannend. Nur selten<br />
kann sich der Musikfan dem<br />
Hörgenuss hingeben (u.).<br />
«Ich bin dankbar, dass ich gesund bin», zieht Wüthrich Bilanz. Sein Lungenvolumen überrascht:<br />
überdurchschnittliche 4,8 Liter anstatt der in seiner Alterskategorie üblichen 4,66. Daneben<br />
wirkt die negative Botschaft fast vernachlässigbar: Ihm wird leichtes anstrengungsabhängiges<br />
Asthma attestiert , das sich <strong>mit</strong> einem Spray befriedigend behandeln lässt.<br />
Dem Dirigenten hat die Betreuung des <strong>Sport</strong>medizin-Nottwil-Teams gut gefallen. «Das Wichtige<br />
wurde mir genau und verständlich erklärt, ich erlebte die Untersuchung als sehr professionell.»<br />
Jetzt, da seine Asthma-Diagnose offiziell <strong>mit</strong> Zahlen belegt ist, weiss er, was zu tun ist: «Ich<br />
werde meine zwei bis drei Trainingseinheiten pro Woche abwechslungsreicher gestalten.»<br />
Zudem will er trotz engen Terminkalenders mehr Früchte und Gemüse sitzend essen, anstatt<br />
Sandwiches und Energieriegel im Stehen zu verschlingen. «So möchte ich meine Puste für die<br />
Musik stärken.» Und er lacht: «Da<strong>mit</strong> blase ich letztlich auch meinen Winterspeck weg.»
<strong>Sport</strong>medizin Nottwil für Jedermann<br />
Die <strong>Sport</strong>medizin Nottwil ist ein Fachbereich des <strong>Schweizer</strong> <strong>Paraplegiker</strong>-Zentrums (SPZ) Nottwil, der<br />
sportmedizinische und sport orthopädische Sprechstunden anbietet. Unter der Leitung von Chefarzt<br />
Dr. med.Matthias Strupler führt das zehnköpfige Team Gesundheits- und Medical-Checks, Laktatsenke-<br />
Tests und Höhentrainings durch. Zudem sind Triathlon-Checks sowie Trainings- und Ernährungsberatung<br />
im Programm. Das Angebot der Institution, die seit 2007 das Gütesiegel «Swiss Olympic Medical<br />
Center» trägt, ist öffentlich und richtet sich an Behinderten-Athleten sowie an alle Leistungs- oder<br />
Ausgleichssportler.<br />
<strong>Sport</strong>medizin Nottwil | Guido A. Zäch Strasse 4 | CH-6207 Nottwil<br />
T +41 41 939 66 00 | F +41 41 939 66 01 | sportmedizin@paraplegie.ch | sportmedizin-nottwil.ch<br />
Ein Fachbereich des <strong>Schweizer</strong> <strong>Paraplegiker</strong>-Zentrums<br />
<strong>Schweizer</strong> <strong>Paraplegiker</strong>-Stiftung 5/13