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Literacy: Lesen, Schreiben und neue Medien - Guides - Educa

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2.6. Was bringt Vernetzung mit sich?<br />

Die Beschleunigung der Kommunikation durch das Internet hat zu <strong>neue</strong>n Formen der schriftlichen Kommunikation<br />

geführt. Diese orientieren sich stark am Mündlichen. Schriftliche Chat-Kommunikation vollzieht typischerweise<br />

rasche Wechsel zwischen Produktion <strong>und</strong> Rezeption. Dadurch kommt sie mündlichen Kommunikationsformen<br />

sehr nahe.<br />

2.6.1. Welche spezifischen Fähigkeiten verlangt Vernetzung?<br />

Das <strong>Schreiben</strong> in <strong>neue</strong>n <strong>Medien</strong> erfordert je besondere Formen von Sprache: SMS, E-Mail <strong>und</strong> besonders das<br />

Chatten geschehen schnell. Benutzt wird ein Code, der mit Stereotypen, besonderen Eröffnungs- <strong>und</strong><br />

Beendigungsstrategien <strong>und</strong> mit einer ‚Bricolage' von verschiedensten Diskurseinheiten funktioniert (Ruhnkehl,<br />

Jens et al. 1998, 115). Gelernt wird dieser Code parallel zur konzeptionellen Schriftlichkeit (= die explizit<br />

ausführliche Sprache des schriftlichen Stils). Er unterscheidet sich aber gr<strong>und</strong>sätzlich davon (<strong>und</strong> übrigens auch<br />

von der konzeptionellen Mündlichkeit, vgl. Hess-Lüttich, Ernest; Wilde, Eva 2004, 61f.). Das heisst, die <strong>neue</strong>n<br />

<strong>Medien</strong> verlangen nicht nur einen speziellen Sprachcode, sondern auch das Wissen darüber, wann <strong>und</strong> in<br />

welchem Mass dieser Code angebracht ist.<br />

Konzeptionelle Mündlichkeit – Konzeptionelle Schriftlichkeit<br />

Konzeptionelle Mündlichkeit (= Sprache im gesprochenen Stil) in typisch schulischen Textsorten wird<br />

üblicherweise nicht gutgeheissen. Umgekehrt wirkt konzeptionelle Schriftlichkeit in den <strong>neue</strong>n <strong>Medien</strong> unpassend.<br />

In der Chat-Sprache wird die mündliche Form der Schriftlichkeit immer mehr marktfähig (Merchant, Jason 2001).<br />

Das bedeutet, Jugendliche eignen sich im Umgang mit dem Computer Kompetenzen an, die in der Schule (noch)<br />

nicht gefragt sind, die aber immer mehr zum beruflichen Alltag gehören werden. Z.B. das Beachten der Netiquette<br />

(bzw. Chatiquette), also der Online-Verhaltensregeln, gängige Abkürzungen <strong>und</strong> Emoticons <strong>und</strong> vor allem: die<br />

Fähigkeit, sich schnell <strong>und</strong> kompetent auf der Bildschirmoberfläche zu bewegen, das Beherrschen der Tastatur<br />

<strong>und</strong> die Kompetenz, eine schriftliche Konversation in Echtzeit zu führen. Die Entwicklung von Textkompetenz im<br />

Umgang mit den <strong>neue</strong>n <strong>Medien</strong> eröffnet der Schule also <strong>neue</strong> Möglichkeiten für die Textarbeit <strong>und</strong> erweitert sie<br />

um Qualitäten, die eine literarisch <strong>und</strong> personal ausgerichtete Schreibförderung nicht bietet.<br />

2.7. Was bringt Entlinearisierung mit sich?<br />

Durch das Verlinken von Text-, Ton- <strong>und</strong>/oder Bildsequenzen entsteht eine Textstruktur, die als Hypertext<br />

bezeichnet wird. Kennzeichnend für die nichtsequenziellen <strong>Medien</strong> ist, dass es keinen eindeutig definierten<br />

Anfang zum <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> keine definierte Reihenfolge der Dokumente mehr gibt (Meschenmoser, Helmut 2002,<br />

85).<br />

Das Sich-Zurechtfinden in einem System von Verweisen setzt u.a. besondere Verarbeitungsstrategien voraus.<br />

Zwei Vorgehensweisen sind bekannt: Beim ‚ignorierenden' <strong>Lesen</strong> werden Links erst nach gesamter Lektüre eines<br />

Textteils angeklickt. Bei ‚zerfasernder' Lektüre werden Verweise sofort angewählt, was häufig den<br />

Gesamtüberblick beeinträchtigt (Unterscheidung nach Krajewski, Markus 1997; Diskussion in Ruhnkehl, Jens et<br />

al. 1998, 160f.).<br />

2.7.1. Entlinearisierung <strong>und</strong> <strong>Lesen</strong>: Was sollten wir Nutzer/-innen können?<br />

Entlinearisierte Texte verlangen von <strong>Lesen</strong>den, dass sie selber ein zusammenhängendes mentales Modell<br />

(re-)konstruieren. Die verschiedenen Textteile müssen eigenaktiv sinnvoll zusammengesetzt werden. Bei<br />

Textsorten wie etwa dem elektronischen Fahrplan wiegt Entlinearisierung nicht schwer. Hier interessiert nicht der<br />

Text als Ganzes. Die Hauptfunktion der Hyperstruktur besteht darin, die <strong>Lesen</strong>den auf einzelne, in sich<br />

geschlossene <strong>und</strong> verständliche Textteile zu verweisen. Den Plot entlinearisierter literarischer Texte als Einheit zu<br />

verstehen, ist allerdings eine Herausforderung. Hier besteht die Gefahr der Desorientierung. Dieser Effekt ist aus<br />

Vergleichen zwischen linearer <strong>und</strong> entlinearisierter Form literarischer Texte bekannt (Dobson, Teresa; Miall,<br />

David 1998): Leser/-innen der linearen Form orientieren sich in erster Linie an Situationsmodellen <strong>und</strong> lesen<br />

(nach der Konstruktion dieser Modelle) zunehmend schneller. Hypertext-<strong>Lesen</strong>de hingegen lenken ihre<br />

Wahrnehmung v.a. auf Merkmale der Textoberfläche (z.B. auf Links). Dies führt zu fragmentiertem <strong>Lesen</strong> (vgl.<br />

auch Groeben, Norbert; Christmann, Ursula 1995, 191ff.). Deshalb erschwert Entlinearisierung das narrative<br />

Lernen – also die Ausbildung der Fähigkeit, Geschichten in einer stringenten Abfolge zu erzählen bzw. zu<br />

rekapitulieren. Heranwachsende werden folglich gerade beim Aufbau von Gesamttextverständnis in<br />

hypertextartigen Geschichten (z.B. auf CD-ROM) Mühe bek<strong>und</strong>en. Das Forschungsprojekt ‚Lernen im Kontext<br />

<strong>neue</strong>r <strong>Medien</strong>' (Bertschi-Kaufmann, Andrea; Kassis, Wassilis; Sieber, Peter 2004) hat allerdings auch das<br />

Gegenteil beobachtet: Kinder erwerben beim eigenaktiven Komponieren von Geschichtenteilen, wie es CD-ROMs<br />

anbieten, durchaus narratives Wissen. Ein Wissen, das sie bei späteren Buchlektüren aktivieren <strong>und</strong> verwerten<br />

können.<br />

www.literacy.educaguides.ch 9

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