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Lie-Algebren und ihre Darstellungen

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LIE-ALGEBREN UND IHRE<br />

DARSTELLUNGEN<br />

Wolfgang Soergel<br />

19. Dezember 2013


Die ersten beiden Kapitel dieses Textes setzen ausschließlich Kenntnisse der<br />

linearen Algebra voraus, wie sie in den Gr<strong>und</strong>vorlesungen [LA1] <strong>und</strong> [LA2] entwickelt<br />

wurden. Zur Motivation der gr<strong>und</strong>legenden Definitionen <strong>und</strong> Fragestellungen<br />

ist es jedoch wichtig, auch etwas über <strong>Lie</strong>-Gruppen zu wissen oder zu<br />

lernen, wie es etwa in [ML] dargestellt wird. Nach dem Studium der ersten beiden<br />

Kapitel ist es wichtig, sich zunächst einmal mit der Theorie der Spiegelungsgruppen<br />

<strong>und</strong> Wurzelsysteme im Umfang von [SPW] vertraut zu machen, bevor man<br />

die Klassifikation der einfachen endlichdimensionalen <strong>Darstellungen</strong> <strong>und</strong> die Beweise<br />

der Weyl’schen Formeln angeht.<br />

2


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Allgemeine Theorie von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> 4<br />

1.1 Definitionen <strong>und</strong> Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

1.2 <strong>Darstellungen</strong> von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

1.3 Nilpotente <strong>und</strong> auflösbare <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

1.4 Das Auflösbarkeitskriterium von Cartan . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

1.5 Reduktive <strong>und</strong> halbeinfache <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> . . . . . . . . . . . . . 25<br />

2 Komplexe halbeinfache <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> 29<br />

2.1 Der Satz von Weyl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

2.2 Tensorprodukte von <strong>Darstellungen</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

2.3 Jordan-Zerlegung in halbeinfachen <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> . . . . . . . . . 34<br />

2.4 Wurzelraumzerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />

2.5 Konjugiertheit von Cartan’schen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

2.6 Cartan’sche in allgemeinen <strong>Lie</strong>algebren** . . . . . . . . . . . . . 47<br />

2.7 Bezug zu algebraischen Gruppen* . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

2.8 Lemma von Schur für <strong>Lie</strong>algebren* . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

3 Wurzelsysteme <strong>und</strong> Spiegelungsgruppen 54<br />

4 Einfache endlichdimensionale <strong>Darstellungen</strong> 56<br />

4.1 Klassifikation durch das höchste Gewicht . . . . . . . . . . . . . 56<br />

4.2 Beweis erster Teile des Klassifikationssatzes . . . . . . . . . . . . 60<br />

4.3 Die universelle Einhüllende Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

4.4 Konstruktion von Moduln mit höchstem Gewicht . . . . . . . . . 73<br />

4.5 Induktion <strong>und</strong> Koinduktion bei <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>* . . . . . . . . . . . 81<br />

4.6 Die Weyl’schen Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />

4.7 Gewichte einer einfachen Darstellung* . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />

4.8 Die Tensoridentität* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98<br />

5 Konstruktion der halbeinfachen <strong>Lie</strong>algebren 100<br />

5.1 Freie <strong>Lie</strong>algebren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100<br />

5.2 Die Hausdorff-Formel* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102<br />

5.3 Freie <strong>Algebren</strong>* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104<br />

5.4 Präsentation halbeinfacher <strong>Lie</strong>algebren . . . . . . . . . . . . . . . 106<br />

5.5 Reelle halbeinfache <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>* . . . . . . . . . . . . . . . . . 112<br />

5.6 Klassifikation der kompakten <strong>Lie</strong>gruppen** . . . . . . . . . . . . 116<br />

6 Danksagung 120<br />

Literaturverzeichnis 121<br />

3


Index 123<br />

4


1 Allgemeine Theorie von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong><br />

1.1 Definitionen <strong>und</strong> Beispiele<br />

1.1.1. Im folgenden stelle ich nur die formalen Gr<strong>und</strong>lagen der Theorie zusammen.<br />

Für die Motivation verweise ich auf die Vorlesung über <strong>Lie</strong>-Theorie [ML]<br />

1.5.<br />

Definition 1.1.2. Eine <strong>Lie</strong>-Algebra über einem Körper k ist ein k-Vektorraum g<br />

mitsamt einer k-bilinearen Abbildung, der <strong>Lie</strong>-Klammer<br />

g × g → g<br />

(x, y) ↦→ [x, y]<br />

derart, daß die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:<br />

Antisymmetrie: [x, x] = 0 ∀x ∈ g;<br />

Jacobi-Identität: [ x, [y, z] ] + [ z, [x, y] ] + [ y, [z, x] ] = 0 ∀x, y, z ∈ g.<br />

1.1.3. Unsere Bedingung [x, x] = 0 ∀x impliziert, wie in [LA1] 4.3.2 ausgeführt,<br />

bereits die Identität [x, y] = −[y, x] ∀x, y. Im Fall eines Gr<strong>und</strong>körpers einer<br />

von zwei verschiedenen Charakteristik impliziert umgekehrt [x, x] = −[x, x]<br />

auch [x, x] = 0.<br />

1.1.4. Eine <strong>Lie</strong>-Algebra ist ein spezieller Typ von Algebra, benannt nach dem<br />

Mathematiker Sophus <strong>Lie</strong> (1842–1899). Ganz allgemein bezeichnet man wie in<br />

[LA2] 6.5.6 einen k-Vektorraum A mit einer bilinearen Verknüpfung A × A → A<br />

als eine k-Algebra <strong>und</strong> versteht unter einem <strong>Algebren</strong>homomorphismus in eine<br />

weitere k-Algebra eine k-lineare Abbildung, die mit den jeweiligen Verknüpfungen<br />

verträglich ist. Andere Typen von <strong>Algebren</strong> werden für uns auch eine wichtige<br />

Rolle spielen. Ist die Verknüpfung einer Algebra assoziativ, so spricht man von einer<br />

assoziativen Algebra. Gibt es für diese Verknüpfung ein neutrales Element,<br />

so spricht man von einer unitären Algebra <strong>und</strong> nennt das fragliche Element das<br />

Eins-Element. Eine Algebra ist also genau dann assoziativ <strong>und</strong> unitär, wenn die<br />

zugr<strong>und</strong>eliegende Menge mit der Vektorraum-Addition als Addition <strong>und</strong> der bilinearen<br />

Verknüpfung als Multiplikation ein Ring ist. Ich schlage deshalb vor, derartige<br />

<strong>Algebren</strong> Ringalgebren <strong>und</strong> im Fall, daß sie auch noch kommutativ sind,<br />

Kringalgebren zu nennen. Unter einem Homomorphismus von Ringalgebren<br />

verstehen wir dann einen <strong>Algebren</strong>homomorphismus, der auch ein Ringhomomorphismus<br />

ist. Wir können diese Abbildungen sowohl charakterisieren als <strong>Algebren</strong>homomorphismen,<br />

die das Einselement auf das Einselement werfen, als auch<br />

als Ringhomomorphismen, die über dem Gr<strong>und</strong>körper linear sind. Wir vereinbaren<br />

für die Menge der Ringalgebrenhomomorphismen von einer k-Ringalgebra<br />

5


A in eine k-Ringalgebra B die Notation Ralg k (A, B). Wenn man von einem <strong>Algebren</strong>homomorphismus<br />

zwischen zwei Ringalgebren spricht, so meint man fast<br />

immer einen Ringalgebrenhomomorphismus <strong>und</strong> hat nur vergessen, das explizit<br />

dazuzusagen.<br />

1.1.5. Seien g, g ′ zwei <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>. Ein <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>-Homomorphismus ϕ :<br />

g → g ′ ist insbesondere eine lineare Abbildung ϕ mit<br />

ϕ([x, y]) = [ϕ(x), ϕ(y)] ∀x, y ∈ g<br />

Beispiele 1.1.6. Der Polynomring k[X 1 , · · · , X n ] ist eine assoziative, kommutative<br />

<strong>und</strong> unitäre k-Algebra, in unserer Terminologie also eine Kringalgebra. Ist<br />

V ein k-Vektorraum, so ist sein Endomorphismenring A = End V mit der Verknüpfung<br />

(f, g) ↦→ f ◦ g eine assoziative unitäre k-Algebra, in unserer Terminologie<br />

also eine Ringalgebra. Die quadratischen (n × n)-Matrizen mit der Matrix-<br />

Multiplikation bilden für jedes n ≥ 0 eine k-Ringalgebra Mat(n; k).<br />

Definition 1.1.7. Gegeben <strong>Algebren</strong> A 1 , . . . , A n definiert man ihr Produkt als die<br />

Algebra A 1 × . . . × A n mit der komponentenweisen Verknüpfung. Jedes Produkt<br />

von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> ist wieder eine <strong>Lie</strong>-Algebra. Jedes Produkt von Ringalgebren<br />

ist wieder eine Ringalgebra.<br />

Beispiele 1.1.8 (Assoziative <strong>Algebren</strong> als <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>). Ist A eine assoziative<br />

Algebra unter der Verknüpfung (x, y) ↦→ x · y, so wird A eine <strong>Lie</strong>-Algebra<br />

A L<br />

unter der Verknüpfung (x, y) ↦→ [x, y] = x · y − y · x, wie man leicht nachrechnet.<br />

Man nennt deshalb die <strong>Lie</strong>-Klammer auch oft den Kommutator. Faßt man End V<br />

bzw. Mat(n; k) in dieser Weise als <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> auf, so bezeichnet man sie meist<br />

mit gl(V ) bzw. gl(n; k) für general linear <strong>Lie</strong> algebra.<br />

Übung 1.1.9. Ist g eine <strong>Lie</strong>-Algebra, so erhalten wir einen Homomorphismus von<br />

<strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> ad : g → gl(g) vermittels der Vorschrift (ad x)(y) := [x, y].<br />

Ergänzende Übung 1.1.10. Ein Element x einer endlichdimensionalen <strong>Lie</strong>algebra<br />

g heißt regulär genau dann, wenn gilt<br />

dim(ker ad x) ≤ dim(ker ad y)<br />

∀y ∈ g<br />

Man zeige, daß die regulären Elemente einer reellen oder komplexen <strong>Lie</strong>algebra<br />

stets eine offene nichtleere Teilmenge bilden. Leser mit Gr<strong>und</strong>kenntnissen<br />

in algebraischer Geometrie mögen auch zeigen, daß sie stets eine Zariski-offene<br />

Teilmenge bilden.<br />

6


Definition 1.1.11. Eine Unteralgebra einer Algebra A ist ein Untervektorraum<br />

U ⊂ A derart, daß gilt x, y ∈ U ⇒ x · y ∈ U für die Verknüpfung (x, y) ↦→ x · y<br />

unserer Algebra.<br />

1.1.12. Eine Unteralgebra einer (assoziativen, kommutativen oder <strong>Lie</strong>-) Algebra<br />

ist mit der induzierten Verknüpfung selbst eine (assoziative, kommutative oder<br />

<strong>Lie</strong>-) Algebra. Jeder Schnitt von Unteralgebren ist selbst eine Unteralgebra.<br />

1.1.13. Von einer Unterringalgebra einer Ringalgebra fordert man zusätzlich, daß<br />

sie die Eins der großen Ringalgebra enthält. Bei einer Ringalgebra ist also im<br />

allgemeinen nicht jede Unteralgebra auch eine Unterringalgebra. Zum Beispiel<br />

ist k[X] ⊂ k[X, Y ] ist eine Unterringalgebra <strong>und</strong> Xk[X] ⊂ k[X, Y ] nur eine<br />

Unteralgebra.<br />

Beispiel 1.1.14. Gegeben eine quadratische Matrix A bezeichne tr A ∈ k <strong>ihre</strong><br />

Spur (für englisch <strong>und</strong> französisch trace). Man definiert die spezielle lineare <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra als<br />

sl(n; k) := {A ∈ gl(n; k) | tr A = 0}<br />

Dieser Raum ist in der Tat eine Unteralgebra, genauer eine Unter-<strong>Lie</strong>-Algebra von<br />

gl(n; k), die Formel tr[x, y] = tr(xy − yx) = 0 gilt sogar für alle x, y ∈ gl(n; k).<br />

Natürlich ist unser sl(n; k) für n ≥ 2 keine Unteralgebra der assoziativen Algebra<br />

Mat(n; k).<br />

Beispiel 1.1.15. Sind V, W ein Vektorräume <strong>und</strong> ist f : V ×V → W eine bilineare<br />

Abbildung, so wird<br />

o(V, f) = {x ∈ gl(V ) | f(xu, v) + f(u, xv) = 0 ∀u, v ∈ V }<br />

eine Unteralgebra von gl(V ), wie man leicht nachrechnet.<br />

Beispiel 1.1.16. Ist speziell V = k 2n <strong>und</strong> f : V ×V → k die Bilinearform, die gegeben<br />

wird durch die Matrix ( −I 0 I 0) mit I der (n × n)-Einheitsmatrix, so bezeichnet<br />

man o(V, f) mit sp(2n; k) <strong>und</strong> nennt das die symplektische <strong>Lie</strong>-Algebra.<br />

Jede nichtausgeartete schiefsymmetrische Bilinearform auf einem endlichdimensionalen<br />

Vektorraum hat in einer geeigneten Basis die obige Matrix, siehe [LA2]<br />

2.4.2.<br />

Beispiel 1.1.17. Ist V = k n <strong>und</strong> f : V × V → k die Bilinearform gegeben<br />

durch die Einheitsmatrix, so bezeichnet man o(V, f) mit so(n; k) <strong>und</strong> nennt das<br />

die orthogonale <strong>Lie</strong>-Algebra. Diese <strong>Lie</strong>-Algebra besteht also genau aus allen<br />

schiefsymmetrischen Matrizen. Über C oder allgemeiner einem algebraisch abgeschlossenen<br />

Körper einer von 2 verschiedenen Charakteristik hat jede nichtausgeartete<br />

symmetrische Bilinearform in einer geeigneten Basis diese Matrix, siehe<br />

7


[LA2] 2.2.13. Für spätere Rechnungen ist jedoch eine andere Darstellung bequemer,<br />

in der die Bilinearform je nachdem ob n gerade oder ungerade ist gegeben<br />

wird durch die Matrizen<br />

( 0 I<br />

I 0<br />

)<br />

bzw.<br />

⎛<br />

⎝<br />

1 0 0<br />

0 0 I<br />

0 I 0<br />

Beispiel 1.1.18. Die oberen Dreiecksmatrizen, die echten oberen Dreiecksmatrizen,<br />

<strong>und</strong> die Diagonalmatrizen bilden Unteralgebren von gl(n; k).<br />

Beispiel 1.1.19. Eine <strong>Lie</strong>-Algebra g heißt abelsch genau dann, wenn all <strong>ihre</strong> Kommutatoren<br />

verschwinden, in Formeln [x, y] = 0 ∀x, y ∈ g. Jeder Vektorraum g<br />

wird so eine <strong>Lie</strong>-Algebra. Die Diagonalmatrizen bilden eine abelsche Unteralgebra<br />

von gl(n; k).<br />

Definition 1.1.20. Wir nennen eine <strong>Lie</strong>-Algebra irreduzibel genau dann, wenn<br />

sie nicht null ist <strong>und</strong> jeder von Null verschiedene <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>-Homomorphismus<br />

von besagter <strong>Lie</strong>-Algebra in eine weitere <strong>Lie</strong>-Algebra injektiv ist. Eine <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra g heißt einfach genau dann, wenn sie irreduzibel ist aber nicht abelsch.<br />

Übung 1.1.21. Man finde für die <strong>Lie</strong>-Algebra sl(2; C) eine Basis e, h, f derart,<br />

daß gilt [h, e] = 2e, [h, f] = −2f <strong>und</strong> [e, f] = h. Man zeige, daß die <strong>Lie</strong>-Algebra<br />

sl(2; C) einfach ist.<br />

1.1.22. Eine <strong>Lie</strong>-Algebra ist in anderen Worten irreduzibel genau dann, wenn sie<br />

keinen “echten Quotienten” im Sinne von 1.3.5 besitzt alias wenn das Nullideal ihr<br />

einziges “echtes Ideal” ist, <strong>und</strong> jede irreduzible <strong>Lie</strong>-Algebra ist entweder einfach<br />

oder aber abelsch <strong>und</strong> eindimensional. Die Terminologie “einfache <strong>Lie</strong>-Algebra”<br />

ist allgemein üblich, die Terminologie “irreduzible <strong>Lie</strong>-Algebra” jedoch nicht. Ein<br />

wichtiges Ziel der Vorlesung ist die gleich folgende Klassifikation der einfachen<br />

endlichdimensionalen komplexen <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>.<br />

Satz 1.1.23 (Killing-Klassifikation). Jede einfache endlichdimensionale komplexe<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra ist isomorph zu genau einer der <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong><br />

sl(n + 1; C) n ≥ 1<br />

so(2n + 1; C) n ≥ 2<br />

sp(2n; C) n ≥ 3<br />

so(2n; C) n ≥ 4<br />

oder einer der fünf Ausnahme-<strong>Algebren</strong> e 6 , e 7 , e 8 , f 4 , g 2 , die nicht so leicht explizit<br />

anzugeben sind. Umgekehrt sind auch alle hier aufgezählten <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong><br />

einfach.<br />

⎞<br />

⎠<br />

8


1.1.24. Der Beweis wird in 5.4.10 gegeben. Dasselbe gilt mit demselben Beweis<br />

allgemeiner über einem beliebigen algebraisch abgeschlossenen Gr<strong>und</strong>körper der<br />

Charakteristik Null, wie im übrigen auch alle anderen in dieser Vorlesung für<br />

komplexe <strong>Lie</strong>algebren formulierten Sätze.<br />

1.1.25. Es wird erst später klar werden, warum wir die <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> so(n; C) in<br />

zwei Serien für gerades <strong>und</strong> ungerades n aufteilen. Die <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> der ersten<br />

vier Serien heißen klassisch, die anderen fünf die Ausnahme-<strong>Algebren</strong>. Die Einschränkungen<br />

an n haben als Gr<strong>und</strong> die sogenannten Ausnahme-Isomorphismen<br />

so(3) ∼ = sp(2) = sl(2), sp(4) ∼ = so(5), so(2) ∼ = C ist abelsch, so(4) ∼ = sl(2) ×<br />

sl(2) ist auch nicht einfach, <strong>und</strong> so(6) ∼ = sl(4).<br />

Ergänzung 1.1.26. Eine endlichdimensionale <strong>Lie</strong>-Algebra, die isomorph ist zu einem<br />

endlichen Produkt einfacher <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>, heißt “halbeinfach”. Das Bilden<br />

der komplexifizierten <strong>Lie</strong>-Algebra liefert nun eine Bijektion auf Isomorphieklassen<br />

⎧<br />

⎨<br />

⎩<br />

zusammenhängende<br />

kompakte <strong>Lie</strong>-Gruppen<br />

mit trivialem Zentrum<br />

⎫<br />

⎬<br />

⎭<br />

∼<br />

→<br />

{<br />

halbeinfache<br />

komplexe <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong><br />

K ↦→ <strong>Lie</strong> C K<br />

Diese Aussage ergibt sich aus dem Zusammenspiel von [ML] 4.8.35, wonach<br />

kompakte <strong>Lie</strong>gruppen mit trivialem Zentrum eineindeutig kompakten reellen <strong>Lie</strong>algebren<br />

entsprechen, <strong>und</strong> 5.5.9, wonach die kompakten reellen <strong>Lie</strong>algebren unter<br />

der durch Komplexifizierung gegebenen Abbildung eineindeutig den halbeinfachen<br />

komplexen <strong>Lie</strong>algebren entsprechen. Insbesondere ist die Killing-Klassifikation<br />

ein wesentlicher Schritt zur Klassifikation der zusammenhängenden kompakten<br />

<strong>Lie</strong>-Gruppen. Sie ist im übrigen auch ein wesentlicher Schritt zur Klassifikation<br />

der einfachen endlichen Gruppen.<br />

1.1.27. Sei ganz allgemein F die F<strong>und</strong>amentalmatrix einer Bilinearform f auf<br />

k n , es gelte also f(x, y) = x ⊤ F y wenn wir Elemente von k n als Spaltenvektoren<br />

auffassen. So liegt M ∈ gl(n; k) in so(k n , f) genau dann, wenn gilt (Mx) ⊤ F y =<br />

−x ⊤ F (My) für alle x, y in k n alias M ⊤ F = −F M.<br />

Beispiel 1.1.28. Wir bestimmen die Dimension von sp(2n; k). Hier nehmen wir<br />

F = ( −I 0 I 0) in 1.1.27. Eine Matrix M = ( A C B D ) liegt folglich in sp(2n; k) genau<br />

dann, wenn gilt<br />

( ) ( ) ( ) ( )<br />

A ⊤ C ⊤ 0 −I<br />

0 −I A B<br />

B ⊤ D ⊤ = −<br />

I 0<br />

I 0 C D<br />

Das können wir umschreiben zur Bedingung<br />

( )<br />

C ⊤ −A ⊤<br />

D ⊤ −B ⊤ =<br />

9<br />

( C<br />

) D<br />

−A −B<br />

}


Diese Bedingung hinwiederum ist äquivalent zu den Bedingungen C ⊤ = C,<br />

B ⊤ = B <strong>und</strong> −A ⊤ = D. Die Dimension der symplektischen <strong>Lie</strong>-Algebra ist<br />

damit dim k sp(2n; k) = n(n + 1) + n 2 = 2n 2 + n.<br />

Definition 1.1.29. Gegeben eine nicht notwendig assoziative k-Algebra (A, ·)<br />

heißt eine lineare Abbildung δ : A → A eine Derivation genau dann, wenn sie<br />

die Leibniz-Regel δ(a · b) = (δa) · b + a · (δb) ∀a, b ∈ A erfüllt. Wir bezeichnen<br />

mit Der k A ⊂ End k A den Untervektorraum der Derivationen von A.<br />

Übung 1.1.30. Man zeige, daß die Derivationen einer Algebra A eine Unteralgebra<br />

der <strong>Lie</strong>-Algebra gl(A) der Endomorphismen des k-Vektorraums A bilden.<br />

Übung 1.1.31. Seien k ein Körper, (A, ·) eine nicht notwendige assoziative k-<br />

Algebra, D : A → A eine Derivation von A, <strong>und</strong> A λ := Hau(D; λ) der Hauptraum<br />

von D zum Eigenwert λ. So gilt A λ · A µ ⊂ A λ+µ . Hinweis: Man kann bei [AAG]<br />

3.2.31 spickeln.<br />

Übung 1.1.32. Man zeige, daß es bis auf Isomorphismus genau zwei zweidimensionale<br />

komplexe <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> gibt.<br />

Ergänzung 1.1.33. Der Ausnahmeisomorphismus sl(2) ∼ = sp(2) folgt aus der offensichtlichen<br />

Relation sl(2) ⊃ sp(2) mit Dimensionsargumenten.<br />

Ergänzung 1.1.34. Der Ausnahmeisomorphismus sl(2) ∼ = so(3) ensteht durch<br />

explizite Rechnung in Koordinaten oder konzeptueller, wenn wir die adjungierte<br />

Darstellung der sl(2) mit <strong>ihre</strong>r Killingform betrachten.<br />

Ergänzung 1.1.35. Einen Isomorphismus sl(4) ∼ = so(6) kann man konstruieren<br />

wie folgt: Ist V ein vierdimensionaler Vektorraum, so ist ∧2 V sechsdimensional<br />

<strong>und</strong> das Dachprodukt gefolgt von einem beliebigen Isomorphismus ∧4 V → ∼ C<br />

definiert eine symmetrische nichtausgeartete Paarung ∧2 V × ∧2 V → C. Die<br />

Operation von SL(V ) auf ∧2 V landet nun offensichtlich in den für die so konstruierte<br />

Bilinearform orthogonalen Selbstabbildungen von ∧2 V . Das Differential<br />

dieses Homomorphismus SL(4; C) → O(6; C) von <strong>Lie</strong>-Gruppen ist dann der<br />

gesuchte Isomorphismus von <strong>Lie</strong>algebren.<br />

Ergänzung 1.1.36. Um einen Isomorphismus so(4) ∼ = sl(2) × sl(2) zu erhalten,<br />

betrachtet man in der Situation aus 1.1.35 zusätzlich auf V die nichtausgeartete<br />

symmetrische Bilinearform, deren Stabilisator eben gerade unser O(4) ist.<br />

Sie induziert Isomorphismen V → ∼ V ∗ <strong>und</strong> damit ∧2 V → ∼ ∧2 (V ∗ ). Andererseits<br />

induziert unsere Paarung von oben auch einen bis auf einen Skalar wohlbestimmten<br />

Isomorphismus ∧2 V → ∼ ( ∧2 V ) ∗ . Verwenden wir nun noch die kanonische<br />

Identifikation ( ∧2 V ) ∗ → ∼ ∧2 (V ∗ ) aus , so erhalten wir insgesamt einen<br />

bis auf einen Skalar eindeutig bestimmten Automorphismus von ∧2 V , der diesen<br />

Raum zerlegt in zwei dreidimensionale Teilräume, nämlich seine Eigenräume.<br />

Da alles so kanonisch ist, liefert diese Konstruktion einen Homomorphismus<br />

10


O(4; C) → O(3; C) × O(3; C), dessen Differential dann mithilfe von 1.1.34 der<br />

gesuchte Isomorphismus ist. Arbeiten wir über R <strong>und</strong> wählen eine Orientierung<br />

auf V , so können wir sogar eine Identifikation ∧4 V ∼ → R auszeichnen durch die<br />

Vorschrift, daß sie das geordnete Dachprodukt einer <strong>und</strong> jeder positiv orientierten<br />

Orthonormalbasis auf 1 werfen soll. In diesem Fall sind die fraglichen Eigenwerte<br />

±1 <strong>und</strong> unser Automorphismus ist der Hodge-∗-Operator aus [AN3] 2.9.8. Zum<br />

Beispiel erhält man als Basen der beiden Summanden in ∧2 C 4 die Ausdrücke<br />

e 1 ∧ e 2 ± e 3 ∧ e 4 , e 1 ∧ e 4 ± e 2 ∧ e 3 <strong>und</strong> e 1 ∧ e 3 ∓ e 2 ∧ e 4 für jeweils die obere<br />

bzw. untere Wahl des Vorzeichens für die beiden Summanden. Hier haben wir auf<br />

C 4 die Bilinearform zugr<strong>und</strong>egelegt mit Orthonormalbasis e 1 , e 2 , e 3 , e 4 , so daß also<br />

die <strong>Lie</strong>-Algebra schlicht aus allen schiefsymmetrischen Matrizen besteht, <strong>und</strong><br />

dann kann man die Stabilität unserer beiden Summanden auch sehr explizit überprüfen.<br />

Ergänzung 1.1.37. Um einen Isomorphismus sp(4) ∼ = so(5) zu erhalten, betrachtet<br />

man in der Situation aus 1.1.35 zusätzlich auf V die nichtentartete schiefsymmetrische<br />

Bilinearform, deren Stabilisator eben gerade unser Sp(4; C) ist. Sie<br />

induziert eine Surjektion ∧2 V → ∼ C, deren Kern ein fünfdimensionaler unter<br />

Sp(4; C) stabiler Teilraum ist, auf dem unsere symmetrische Bilinearform nicht<br />

ausartet. So erhalten wir einen Homomorphismus Sp(4; C) → O(5; C), dessen<br />

Differential der gesuchte Isomorphismus ist.<br />

1.2 <strong>Darstellungen</strong> von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong><br />

1.2.1. In diesem Abschnitt werden gr<strong>und</strong>legende Begriffsbildungen gegeben, die<br />

im Zusammenhang mit Matrix-<strong>Lie</strong>gruppen in [ML] 2.1 ausführlicher motiviert<br />

werden.<br />

Definition 1.2.2. Sei k ein Körper. Eine Darstellung einer <strong>Lie</strong>algebra g über k ist<br />

ein Paar (V, ρ) bestehend aus einem k-Vektorraum V <strong>und</strong> einem Homomorphismus<br />

von <strong>Lie</strong>algebren ρ : g → gl(V ).<br />

Definition 1.2.3. Sei k ein Körper. Eine Operation einer <strong>Lie</strong>algebra g über k<br />

auf einem k-Vektorraum V ist eine bilineare Abbildung g × V → V , (x, v) ↦→ xv<br />

mit der Eigenschaft<br />

x(yv) − y(xv) = [x, y]v<br />

∀x, y ∈ g, v ∈ V<br />

Wir werden in diesem Zusammenhang die Klammern oft weglassen <strong>und</strong> x(yv)<br />

mit xyv abkürzen.<br />

Übung 1.2.4 (<strong>Darstellungen</strong> als Operationen). Sei k ein Körper <strong>und</strong> g eine <strong>Lie</strong>algebra<br />

über k <strong>und</strong> V ein k-Vektorraum. So induziert die Identifikation Ens(g ×<br />

11


V, V ) → ∼ Ens(g, Ens(V, V )) aus 2.2.25 eine Bijektion<br />

{ } { Operationen von g ∼ <strong>Lie</strong>algebrenhomomorphismen<br />

→<br />

auf dem Vektorraum V<br />

g → gl(V )<br />

}<br />

Eine Operation ist also im wesentlichen dasselbe wie eine Darstellung. Ich verwende<br />

auch gleichbedeutend die Bezeichnung als g-Modul.<br />

Übung 1.2.5. Sei V ein Vektorraum. Die offensichtliche Operation macht V zu<br />

einer Darstellung von gl(V ), der Standarddarstellung von gl(V ). Im Fall eines<br />

endlichdimensionalen reellen Vektorraums ist sie im übrigen auch das Differential<br />

der offensichtlichen Darstellung der Matrix-<strong>Lie</strong>gruppe G = GL(V ) durch<br />

Automorphismen von V .<br />

Beispiel 1.2.6. Sei g eine <strong>Lie</strong>algebra. Die triviale Operation xv = 0 für alle<br />

x ∈ g <strong>und</strong> v ∈ V macht jeden Vektorraum V zu einer Darstellung von g. Den<br />

Gr<strong>und</strong>körper k versehen mit der trivialen Operation nennt man die triviale Darstellung,<br />

den Nullvektorraum versehen mit der trivialen Operation die Nulldarstellung<br />

unserer <strong>Lie</strong>algebra.<br />

Definition 1.2.7. Für eine Darstellung V einer <strong>Lie</strong>algebra g setzen wir<br />

V g := {v ∈ V | xv = 0 ∀x ∈ g}<br />

<strong>und</strong> nennen die Elemente von V g die g-invarianten Vektoren von V .<br />

Definition 1.2.8. Eine lineare Abbildung ϕ : V → W zwischen zwei <strong>Darstellungen</strong><br />

einer <strong>Lie</strong>algebra g heißt ein Homomorphismus von <strong>Darstellungen</strong> genau<br />

dann, wenn gilt ϕ(xv) = xϕ(v) ∀v ∈ V , x ∈ g. Wir notieren die Menge aller<br />

solchen Homomorphismen Mod g (V, W ) oder, wenn wir den Gr<strong>und</strong>körper explizit<br />

machen wollen,<br />

Mod g k (V, W )<br />

Zwei <strong>Darstellungen</strong> heißen isomorph genau dann, wenn es zwischen ihnen einen<br />

Homomorphismus gibt, der ein Isomorphismus von Vektorräumen ist.<br />

Lemma 1.2.9. 1. Sind V, W <strong>Darstellungen</strong> einer <strong>Lie</strong>algebra g über einem Körper<br />

k, so wird der Homomorphismenraum Hom k (V, W ) eine Darstellung<br />

von g durch die Vorschrift (xf)(v) = x(f(v)) − f(xv) ∀x ∈ g, v ∈ V<br />

<strong>und</strong> f ∈ Hom k (V, W );<br />

2. Mit dieser Operation von g auf dem Homomorphismenraum sind die g-<br />

invarianten Vektoren genau die Homomorphismen von <strong>Darstellungen</strong>, in<br />

Formeln<br />

Mod g k (V, W ) = Hom k(V, W ) g<br />

12


Beweis. Die erste Behauptung rechnet man stur nach, bei der Zweiten sind beide<br />

Seiten {f ∈ Hom k (V, W ) | f(xv) = xf(v) ∀x ∈ g, v ∈ V }.<br />

Definition 1.2.10. Ein Untervektorraum U einer Darstellung V einer <strong>Lie</strong>algebra<br />

g heißt eine Unterdarstellung genau dann wenn gilt xv ∈ U ∀x ∈ g, v ∈ U.<br />

Wir sagen in diesem Zusammenhang auch, U sei stabil unter g. Eine von ganz V<br />

verschiedene Unterdarstellung U V heißt eine echte Unterdarstellung von V .<br />

1.2.11. Gegeben eine Darstellung V sind natürlich ganz V <strong>und</strong> der Nullraum Unterdarstellungen.<br />

Ist ϕ : V → W ein Homomorphismus von <strong>Darstellungen</strong>, so<br />

ist das Bild einer Unterdarstellung von V eine Unterdarstellung von W <strong>und</strong> das<br />

Urbild einer Unterdarstellung von W eine Unterdarstellung von V . Insbesondere<br />

ist ker ϕ eine Unterdarstellung von V <strong>und</strong> im ϕ eine Unterdarstellung von W .<br />

Übung 1.2.12 (Quotientendarstellung). Gegeben U ⊂ V eine Darstellung einer<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra mit einer Unterdarstellung gibt es genau eine Operation besagter <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra auf dem Quotienten V/U derart, daß die kanonische Projektion V ↠<br />

V/U ein Homomorphismus von <strong>Darstellungen</strong> wird.<br />

Definition 1.2.13. Eine Darstellung einer <strong>Lie</strong>algebra heißt einfach oder irreduzibel<br />

genau dann, wenn sie nicht Null ist <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> einzige echte Unterdarstellung<br />

die Nulldarstellung ist.<br />

Satz 1.2.14 (Einfache <strong>Darstellungen</strong> von sl(2; k)). Sei k ein Körper der Charakteristik<br />

Null.<br />

1. Zu jeder positiven endlichen Dimension gibt es bis auf Isomorphismus genau<br />

eine einfache Darstellung der <strong>Lie</strong>algebra sl(2; k) von besagter Dimension;<br />

2. Ist e, h, f eine Basis von sl(2; C) mit [h, e] = 2e <strong>und</strong> [h, f] = −2f <strong>und</strong><br />

[e, f] = h, so zerfällt jede einfache Darstellung L der Dimension m + 1<br />

unter h in eindimensionale Eigenräume<br />

L = L m ⊕ L m−2 ⊕ . . . ⊕ L 2−m ⊕ L −m<br />

zu den ganzzahligen Eigenwerten m, m − 2, . . . , 2 − m, −m, <strong>und</strong> aus L j ≠<br />

0 ≠ L j+2 folgt f : L j+2 ∼ → L j sowie e : L j ∼ → L j+2 .<br />

1.2.15. Die einfachen <strong>Darstellungen</strong> der Dimensionen 1, 2 <strong>und</strong> 3 sind die triviale<br />

Darstellung k, die Standarddarstellung k 2 <strong>und</strong> die “adjungierte Darstellung”, die<br />

wir in 1.1.9 eingeführt haben.<br />

1.2.16. In positiver Charakteristik sind die Verhältnisse komplizierter, da können<br />

die einfachen endlichdimensionalen <strong>Darstellungen</strong> von der <strong>Lie</strong>algebra sl(2; k)<br />

nicht mehr durch <strong>ihre</strong> Dimension klassifiziert werden.<br />

13


Ergänzung 1.2.17. In [ML] 2.2.16 wird ein elementarer Beweis skizziert für die<br />

Tatsache, daß jede endlichdimensionale Darstellung der <strong>Lie</strong>-Algebra sl(2; C) eine<br />

direkte Summe von einfachen Unterdarstellungen ist. In dieser Vorlesung wird das<br />

in größerer Allgemeinheit in 2.1.6 gezeigt.<br />

Beweis. Wir behandeln nur den Fall eines algebraisch abgeschlossenen Gr<strong>und</strong>körpers<br />

k <strong>und</strong> überlassen die Verallgemeinerung auf beliebige Gr<strong>und</strong>körper der<br />

Charakteristik Null dem Leser. Wir müssen (1) zu jeder endlichen Dimension eine<br />

einfache Darstellung konstruieren <strong>und</strong> (2) zeigen, daß je zwei einfache <strong>Darstellungen</strong><br />

derselben endlichen Dimension isomorph sind. Wir beginnen mit (2). Die<br />

<strong>Lie</strong>algebra sl(2; k) hat die Basis<br />

0<br />

1<br />

e =<br />

0 1 @ A, h =<br />

0 0<br />

( ) 1 0<br />

, f =<br />

0 −1<br />

( ) 0 0<br />

,<br />

1 0<br />

<strong>und</strong> die <strong>Lie</strong>-Klammern zwischen den Elementen dieser Basis sind [h, e] = 2e,<br />

[h, f] = −2f, [e, f] = h. Die Elemente e <strong>und</strong> f heißen manchmal auch Erzeugungs-<br />

<strong>und</strong> Vernichtungsoperatoren aus physikalischen Gründen, die hier nicht<br />

ausgeführt werden sollen. Sei nun ρ : sl(2; k) → gl(V ) irgendeine Darstellung.<br />

Bezeichne V µ = ker(ρ(h) − µ) den Eigenraum von ρ(h) zum Eigenwert µ ∈ k.<br />

So gilt<br />

eV µ ⊂ V µ+2 <strong>und</strong> fV µ ⊂ V µ−2 ,<br />

denn aus hv = µv folgt hev = ehv + [h, e]v = eµv + 2ev = (µ + 2)ev <strong>und</strong> der<br />

zweite Fall folgt ähnlich aus [h, f] = −2f. Ist V endlichdimensional <strong>und</strong> V ≠ 0,<br />

so gibt es sicher λ ∈ k mit V λ ≠ 0 aber V λ+2 = 0. Für v ∈ V λ gilt dann ev = 0<br />

<strong>und</strong> hv = λv. Man prüft per Induktion, daß folgt<br />

hf i v = (λ − 2i)f i v für alle i ≥ 0,<br />

ef i v = i(λ − i + 1)f i−1 v für alle i ≥ 1.<br />

Insbesondere ist der von den f i v mit i ≥ 0 aufgespannte Teilraum eine Unterdarstellung.<br />

Ist V zusätzlich einfach <strong>und</strong> v ≠ 0, so müssen die f i v demnach ganz V<br />

aufspannen. Gilt f i v ≠ 0, so sind v, fv . . ., f i v Eigenvektoren von h zu paarweise<br />

verschiedenen Eigenwerten <strong>und</strong> damit linear unabhängig. Da wir V endlichdimensional<br />

angenommen hatten, gibt es folglich d ≥ 1 mit f d v = 0. Wählen wir d<br />

kleinstmöglich, so ist v, fv, . . ., f d−1 v eine Basis von V , also d = dim V . Weiter<br />

folgt aus f d v = 0 auch 0 = ef d v = d(λ − d + 1)f d−1 v <strong>und</strong> mithin λ = d − 1, da<br />

wir ja d ≠ 0 <strong>und</strong> f d−1 v ≠ 0 vorausgesetzt hatten. Damit haben wir gezeigt, daß<br />

je zwei einfache <strong>Darstellungen</strong> von sl(2; k) derselben endlichen Dimension d isomorph<br />

sind, da nämlich die Matrizen von ρ(e), ρ(f) <strong>und</strong> ρ(h) in der Basis v, fv,<br />

. . ., f d−1 v nur von d abhängen. Um nun (1) die Existenz einer irreduziblen Darstellung<br />

von sl(2; k) in jeder Dimension zu zeigen, brauchen wir nur zu prüfen,<br />

14


daß die im Eindeutigkeitsbeweis hergeleiteten Formeln in der Tat eine Darstellung<br />

liefern, d.h. daß für jedes d der Vektorraum mit der Basis v 0 , v 1 , . . . , v d−1<br />

<strong>und</strong> der Operation gegeben durch fv i = v i+1 bzw. fv d−1 = 0, ev i = i(d − i)v i−1<br />

bzw. ev 0 = 0 <strong>und</strong> hv i = (d − 1 − 2i)v i eine einfache Darstellung der <strong>Lie</strong>algebra<br />

sl(2; k) ist. Diese Rechnung scheint mir jedoch unerfreulich <strong>und</strong> wenig nahrhaft.<br />

Etwas eleganter prüft man mithilfe der Produktregel für formale partielle Ableitungen<br />

leicht, daß die Abbildung ρ : sl(2; k) → gl(k[X, Y ]) gegeben durch die<br />

Vorschrift<br />

ρ(e) = X∂ y<br />

ρ(f) = Y ∂ x<br />

ρ(h) = X∂ x − Y ∂ y<br />

eine Darstellung der <strong>Lie</strong>algebra sl(2; k) ist. Diese Darstellung ist nicht einfach, die<br />

Polynome von festem Totalgrad m bilden vielmehr eine Unterdarstellung L(m) =<br />

k[X, Y ] m der Dimension d = m + 1 mit Basis w i = Y i X m−i für i = 0, . . . , m.<br />

In dieser Basis wird die Operation von sl(2; k) auf L(m) beschrieben durch die<br />

Formeln<br />

ew i = iw i−1<br />

fw i = (m − i)w i+1<br />

hw i = (m − 2i)w i<br />

wo wir w −1 = w m+1 = 0 verstehen. Die <strong>Darstellungen</strong> L(m) sind einfach, denn<br />

jede von Null verschiedene Unterdarstellung 0 ≠ U ⊂ L(m) enthält notwendig<br />

einen Eigenvektor zu h, also eines der w i , <strong>und</strong> daraus folgt sofort U = L(m).<br />

Damit haben wir nun auch in etwas übersichtlicherer Weise zu jeder endlichen<br />

Dimension eine einfache Darstellung gef<strong>und</strong>en. Die expliziten Formeln gefallen<br />

mir noch besser bei Parametrisierung der Basis nach den Eigenwerten von h. Setzen<br />

wir genauer w i = u m−2i , so erhalten wir für L(m) eine Basis bestehend aus<br />

u m , u m−2 , . . . , u −m <strong>und</strong> die Operation unserer <strong>Lie</strong>algebra wird gegeben durch die<br />

Formeln<br />

eu j = ((m − j)/2)u j+2<br />

fu j = ((m + j)/2)u j−2<br />

hu j = ju j<br />

Der Satz folgt.<br />

Übung 1.2.18. Ist V eine endlichdimensionale Darstellung von sl(2; k), so sind<br />

alle Eigenwerte von h := diag(1, −1) auf V ganze Zahlen, <strong>und</strong> ist weder Null<br />

noch Eins ein Eigenwert von h, so folgt bereits V = 0.<br />

Übung 1.2.19. Man zeige: Ist ẽ, ˜h, ˜f eine Basis von sl(2; k) mit [˜h, ẽ] = 2ẽ <strong>und</strong><br />

[˜h, ˜f] = −2 ˜f, so gilt [ẽ, ˜f] = c˜h für einen Skalar c ≠ 0.<br />

15


Die einfachen endlichdimensionalen <strong>Darstellungen</strong> von sl(2; k) in zwei Basen.<br />

Die nach rechts weisenden Pfeile stellen jeweils die Operation von e dar, die<br />

nach links weisenden Pfeile die Operation von f <strong>und</strong> die Schlaufen die Operation<br />

von h.<br />

Die Operation auf dem von den v i = f i v aufgespannten Teilraum, in derselben<br />

Weise zu interpretieren wie die obenstehenden <strong>Darstellungen</strong>.<br />

16


Übung 1.2.20. Sei k ein Körper. Man zeige: Für alle n ≥ 1 bilden die homogenen<br />

Polynome vom Grad d eine Darstellung<br />

k[X 1 , . . . , X n ] (d)<br />

der <strong>Lie</strong>-Algebra gl(n; k), wenn man die Standardmatrizen E ij als die Differentialoperatoren<br />

−X j ∂ i wirken läßt, <strong>und</strong> für char k > d ist diese Darstellung irreduzibel.<br />

Im Fall k = R ist diese Darstellung im übrigen die Ableitung der offensichtlichen<br />

Darstellung von GL(n; R) auf R[X 1 , . . . , X n ] (d) ⊂ Ens(R n , R), wie<br />

in [ML] 2.2.19 ausgeführt wird.<br />

1.3 Nilpotente <strong>und</strong> auflösbare <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong><br />

Satz 1.3.1 (über <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> aus nilpotenten Endomorphismen). Sei V ein<br />

Vektorraum über einem beliebigen Körper k <strong>und</strong> g ⊂ gl(V ) eine endlichdimensionale<br />

Unteralgebra, die aus nilpotenten Endomorphismen von V besteht. So<br />

gilt:<br />

1. Ist V ≠ 0, so gibt es in V einen Vektor v ≠ 0 mit gv = 0;<br />

2. Ist V endlichdimensional, so gibt es in V eine Fahne von Unterräumen<br />

0 = V 0 ⊂ V 1 ⊂ . . . ⊂ V d = V mit dim V i = i <strong>und</strong> gV i ⊂ V i−1 für<br />

i = 1, . . . , d;<br />

3. Ist V endlichdimensional, so besitzt V eine Basis, bezüglich derer die Matrizen<br />

aller Elemente unserer <strong>Lie</strong>-Algebra g echte obere Dreiecksmatrizen<br />

sind.<br />

Beweis. 1. Wir beginnen mit einer Vorbemerkung. Ist x ∈ End(V ) = ein nilpotenter<br />

Endomorphismus von V , so ist auch ad x ∈ End(End(V )) = End(gl(V ))<br />

nilpotent. In der Tat ist (ad x) n (y) für alle y ∈ gl(V ) eine Linearkombination von<br />

Ausdrücken der Gestalt x i yx n−i . Aus x n = 0 folgt also (ad x) 2n = 0. Wir zeigen<br />

nun das Lemma durch Induktion über die Dimension von g. Sei also dim g ≥ 1<br />

<strong>und</strong> sei L g eine maximale echte Unteralgebra. Unter der adjungierten Operation<br />

von L auf g ist L ⊂ g eine Unterdarstellung. Wir bilden die Quotientendarstellung<br />

g/L <strong>und</strong> erhalten so einen <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>-Homomorphismus ad : L →<br />

gl(g/L). Nach unserer Vorbemerkung besteht adL aus nilpotenten Endomorphismen<br />

von g/L, es gibt also nach Induktionsannahme ein ¯x ∈ g/L, ¯x ≠ 0 mit<br />

(adL)(¯x) = 0, oder in anderen Worten ein x ∈ g\L mit [L, x] ⊂ L. Das bedeutet<br />

hinwiederum, daß L + kx eine Unteralgebra von g ist, die L echt umfaßt. Da L<br />

als maximal angenommen war, gilt notwendig L + kx = g. Nun betrachten wir<br />

W = {v ∈ V | Lv = 0}, benutzen die Induktionsannahme ein zweites Mal <strong>und</strong><br />

folgern W ≠ 0. Aus [L, x] ⊂ L folgt weiter xW ⊂ W , <strong>und</strong> da x nach Annahme<br />

17


nilpotent ist, gibt es v ∈ W mit v ≠ 0 aber xv = 0 <strong>und</strong> damit gv = 0.<br />

2. Sei allgemeiner ρ : g → gl(V ) eine endlichdimensionale Darstellung einer beliebigen<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra durch nilpotente Endomorphismen. Wir zeigen durch Induktion<br />

über die Dimension von V , daß es eine Kette 0 = V 0 ⊂ V 1 ⊂ . . . ⊂ V d = V<br />

von Unterräumen gibt mit dim V i = i <strong>und</strong> gV i ⊂ V i−1 für i = 1, . . . , d. Im<br />

Fall V = 0 ist nichts zu zeigen. Sonst finden wir einen Vektor v ∈ V , v ≠ 0<br />

mit ρ(g)v = 0. Wir setzen V 1 = kv <strong>und</strong> betrachten die Quotientendarstellung<br />

V ′ = V/V 1 <strong>und</strong> die kanonische Projektion can : V ↠ V/V 1 . Mit Induktion finden<br />

wir dort eine Kette 0 = V 0 ′ ⊂ V 1 ′ ⊂ . . . ⊂ V d−1 ′ = V ′ wie gewünscht. Dann setzen<br />

wir V i = can −1 (V i−1) ′ <strong>und</strong> sind fertig.<br />

3. Das ist nur eine Formulierung von Teil 2 in Koordinaten.<br />

Definition 1.3.2. Seien k ein Körper <strong>und</strong> A eine k-Algebra unter einer (x, y) ↦→<br />

x · y notierten Verknüpfung. Ein Ideal von A ist ein Untervektorraum I ⊂ A mit<br />

A · I ⊂ I <strong>und</strong> I · A ⊂ I.<br />

1.3.3. Jedes Ideal ist eine Unteralgebra. Null <strong>und</strong> A sind stets Ideale von A. Die<br />

Summe von Idealen ist ein Ideal. Der Schnitt von Idealen ist ein Ideal. Das von<br />

einer Teilmenge T ⊂ A erzeugte Ideal ist definiert als das kleinste Ideal, das<br />

T enthält, also als der Schnitt aller Ideale, die T enthalten. Die Ideale in einem<br />

Produkt A 1 × . . . × A n von <strong>Algebren</strong> sind genau die Produkte I 1 × . . . × I n von<br />

Idealen der Faktoren.<br />

1.3.4. Ein Ideal I ⊂ A einer Ringalgebra mit I ≠ A ist keine Unterringalgebra,<br />

da in ihm das neutrale Element der Multiplikation, wenn es überhaupt eines geben<br />

sollte, jedenfalls nicht dasselbe ist wie in A.<br />

Lemma 1.3.5 (Quotienten von <strong>Algebren</strong> nach einem Ideal). 1. Ist A eine Algebra<br />

<strong>und</strong> I ⊂ A ein Ideal, so gibt es auf dem Quotientenvektorraum A/I<br />

genau eine bilineare Verknüpfung derart, daß die kanonische Projektion<br />

can : A → A/I ein Homomorphismus von <strong>Algebren</strong> ist;<br />

2. Der Kern eines <strong>Algebren</strong>homomorphismus ist stets ein Ideal;<br />

3. Ist ϕ : A → B ein <strong>Algebren</strong>homomorphismus <strong>und</strong> I ⊂ A ein Ideal mit<br />

ϕ(I) = 0, so gibt es genau einen <strong>Algebren</strong>homomorphismus ˜ϕ : A/I → B<br />

mit ˜ϕ ◦ can = ϕ.<br />

Beweis. Standard.<br />

Übung 1.3.6. Das Urbild eines Ideals unter einem <strong>Algebren</strong>homomorphismus ist<br />

wieder ein Ideal. Das Bild eines Ideal unter einem surjektiven <strong>Algebren</strong>homomorphismus<br />

ist wieder ein Ideal.<br />

18


1.3.7. Die Ideale einer <strong>Lie</strong>-Algebra g sind genau die Unterdarstellungen der adjungierten<br />

Darstellung. Eine <strong>Lie</strong>-Algebra ist also irreduzibel genau dann, wenn<br />

<strong>ihre</strong> adjungierte Darstellung irreduzibel ist. Beim Begriff “einfach” passen die<br />

Definitionen leider nicht so gut zusammen.<br />

1.3.8. Der Kern von ad g ist z(g) = {x ∈ g | [x, y] = 0 ∀y ∈ g} <strong>und</strong> heißt das<br />

Zentrum von g. Natürlich ist z(g) ein Ideal von g.<br />

Definition 1.3.9. Für zwei Untervektorräume U, V einer <strong>Lie</strong>-Algebra g bezeichne<br />

[U, V ] ⊂ g den Untervektorraum, der von allen Kommutatoren [x, y] mit x ∈ U,<br />

y ∈ V aufgespannt wird.<br />

1.3.10. Diese Notation verletzt unsere allgemeinen Konventionen [GR] 3.1.2, nach<br />

denen [U, V ] eigentlich die Menge aller Kommutatoren [x, y] mit x ∈ U, y ∈ V<br />

bezeichnen müßte. Für diese Menge brauchen wir jedoch in der <strong>Lie</strong>theorie keine<br />

eigene Notation, weshalb wir die allgemein vereinbarte Schreibweise 〈[U, V ]〉 k zu<br />

[U, V ] abkürzen.<br />

1.3.11. Sind I, J Ideale einer <strong>Lie</strong>-Algebra, so ist auch [I, J] ein Ideal, wie man<br />

nachrechnet unter Verwendung der Jacobi-Identität. Für jede <strong>Lie</strong>-Algebra g ist<br />

insbesondere [g, g] ⊂ g stets ein Ideal. Es heißt die derivierte <strong>Lie</strong>-Algebra <strong>und</strong><br />

ist das kleinste Ideal I ⊂ g derart, daß der Quotient g/I abelsch ist.<br />

Übung 1.3.12. Sei g eine <strong>Lie</strong>-Algebra über einem Körper k. Eine Linearform<br />

auf g, die ein Homomorphismus in die <strong>Lie</strong>-Algebra gl(1; k) ist, heißt auch ein<br />

Charakter von g. Man zeige, daß genau die Linearformen Charaktere sind, die<br />

auf der derivierten <strong>Lie</strong>-Algebra [g, g] verschwinden.<br />

Definition 1.3.13. Man definiert für jede <strong>Lie</strong>-Algebra g induktiv zwei Folgen von<br />

Idealen wie folgt:<br />

1. die absteigende Zentralreihe g 0 = g, g 1 = [g, g], . . . , g i+1 = [g, g i ];<br />

2. die abgeleitete Reihe g (0) = g, g (1) = [g, g], . . . , g (i+1) = [g (i) , g (i) ].<br />

Definition 1.3.14. Sei g eine <strong>Lie</strong>-Algebra.<br />

1. g heißt nilpotent genau dann, wenn gilt g i = 0 für i ≫ 0;<br />

2. g heißt auflösbar genau dann, wenn gilt g (i) = 0 für i ≫ 0.<br />

1.3.15. Natürlich gilt g (i) ⊂ g i , jede nilpotente <strong>Lie</strong>-Algebra ist also auflösbar. Jede<br />

Unteralgebra <strong>und</strong> jeder Quotient einer nilpotenten bzw. auflösbaren <strong>Lie</strong>-Algebra<br />

ist nilpotent bzw. auflösbar. Ist genauer ϕ : g → g ′ ein Homomorphismus von<br />

<strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>, so erkennt man induktiv ϕ(g i ) = (ϕ(g)) i <strong>und</strong> ϕ(g (i) ) = (ϕ(g)) (i)<br />

für alle i.<br />

19


Übung 1.3.16. Die echten oberen Dreiecksmatrizen bilden eine nilpotente <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra, die oberen Dreiecksmatrizen eine auflösbare <strong>Lie</strong>-Algebra.<br />

1.3.17. Gegeben ein endlichdimensionaler Vektorraum V ist jede Unteralgebra<br />

g ⊂ gl(V ), die aus nilpotenten Endomorphismen von V besteht, bereits nilpotent<br />

als <strong>Lie</strong>-Algebra, da sie sich nämlich nach 1.3.1 identifizieren läßt mit einer<br />

Unteralgebra der <strong>Lie</strong>-Algebra der echten oberen (d × d)-Dreiecksmatrizen für<br />

d = dim V .<br />

1.3.18 (Herkunft der Terminologie). Der Begriff “auflösbar” kommt her von<br />

einem analogen Begriff für Gruppen, der hinwiederum seinen Ursprung in der<br />

Galoistheorie hat, genauer in der Frage nach der Auflösbarkeit von polynomialen<br />

Gleichungen durch “Ausdrücke in höheren Wurzeln”.<br />

Übung 1.3.19. Sei V eine zweidimensionale Darstellung einer nilpotenten <strong>Lie</strong>algebra<br />

<strong>und</strong> U ⊂ V eine eindimensionale Unterdarstellung. Man zeige: Sind<br />

U <strong>und</strong> V/U als <strong>Darstellungen</strong> nicht isomorph, so ist V isomorph zu U ⊕ V/U.<br />

Hinweis: Man überlege sich, daß eine nilpotente <strong>Lie</strong>algebra von oberen (2 × 2)-<br />

Dreiecksmatrizen bereits abelsch sein muß.<br />

Definition 1.3.20. Ein Element x einer <strong>Lie</strong>-Algebra heißt ad-nilpotent genau<br />

dann, wenn ad x als Endomorphismus unserer <strong>Lie</strong>-Algebra nilpotent ist.<br />

Satz 1.3.21 (von Engel). Eine endlichdimensionale <strong>Lie</strong>-Algebra ist nilpotent genau<br />

dann, wenn jedes <strong>ihre</strong>r Elemente ad-nilpotent ist.<br />

Beweis. ⇒ bleibt dem Leser überlassen. Wir zeigen ⇐. Bezeichne g unsere <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra. 1.3.17 sagt uns schon mal, daß ad g ⊂ gl(g) eine nilpotente <strong>Lie</strong>-Algebra<br />

ist. Dann folgern wir 0 = (ad g) i = ad(g i ) ⇒ g i ⊂ ker(ad) = z(g) ⇒ g i+1 =<br />

0.<br />

Übung 1.3.22. Sei A eine assoziative Algebra. Man zeige für alle x, y ∈ A <strong>und</strong><br />

n ∈ N die Formel (ad x) n (y) = ∑ i<br />

( n<br />

i)<br />

(−1) n−i x i yx n−i .<br />

Übung 1.3.23. (1) Gegeben ein Homomorphismus ϕ : g → g ′ von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong><br />

ist g auflösbar genau dann, wenn ker ϕ <strong>und</strong> im ϕ auflösbar sind. (2) Sind I, J<br />

zwei auflösbare Ideale in einer <strong>Lie</strong>-Algebra g, so ist auch <strong>ihre</strong> Summe I + J ⊂ g<br />

ein auflösbares Ideal. Man betrachte dazu zum Beispiel die Surjektion I + J ↠<br />

(I + J)/J. (3) Ist g eine endlichdimensionale <strong>Lie</strong>-Algebra, so gibt es in g ein<br />

größtes auflösbares Ideal, das Radikal rad g von g.<br />

Übung 1.3.24. (char k = 0). Man zeige, daß die <strong>Lie</strong>-Algebra sl(n; k) einfach ist.<br />

Hinweis: Besteht ein Ideal von gl(n; k) nicht aus Diagonalmatrizen, so umfaßt es<br />

sl(n; k). In der Tat muß es sicher ein E ij mit i ≠ j enthalten, wie man erkennt<br />

durch Anwenden der ad(E kk ). Dann enthält es auch [E ij , E ji ] = E ii − E jj <strong>und</strong><br />

dann alle E ik = [E ii − E jj , E ik ] für k ≠ i, j sowie alle E kj für k ≠ i, j. Dann<br />

20


enthält es aber in derselben Weise auch alle E kl für k ≠ l <strong>und</strong> alle E kk − E ll . Man<br />

zeige, daß die <strong>Lie</strong>-Algebra sl(2; k) in Charakteristik 2 dahingegen nicht einfach<br />

ist.<br />

Satz 1.3.25 (von <strong>Lie</strong>, abstrakte Form). Jede einfache endlichdimensionale Darstellung<br />

einer komplexen auflösbaren <strong>Lie</strong>algebra ist eindimensional.<br />

Satz 1.3.26 (von <strong>Lie</strong>, konkrete Form). Ist V ein von Null verschiedener endlichdimensionaler<br />

komplexer Vektorraum <strong>und</strong> g ⊂ gl(V ) eine auflösbare Unteralgebra,<br />

so gibt es einen simultanen Eigenvektor v für alle Endomorphismen aus g, in<br />

Formeln ein v ∈ V mit v ≠ 0 <strong>und</strong> gv ⊂ Cv.<br />

1.3.27. Beide Sätze gelten mit demselben Beweis über jedem algebraisch abgeschlossenen<br />

Gr<strong>und</strong>körper der Charakteristik Null. In von Null verschiedener Charakteristik<br />

sind sie jedoch im allgemeinen falsch. Zum Beispiel ist die <strong>Lie</strong>-Algebra<br />

sl(2) in Charakteristik Zwei auflösbar, ja sogar nilpotent, <strong>und</strong> dennoch ist <strong>ihre</strong><br />

Standarddarstellung k 2 einfach. Des weiteren ist die Bedingung endlicher Dimension<br />

wichtig: So bilden etwa das Ableiten ∂, der Multiplikationsoperator (X·) <strong>und</strong><br />

die Identität id eine Basis einer auflösbaren Unter-<strong>Lie</strong>algebra von gl(C[X]) <strong>und</strong><br />

der Polynomring C[X] ist eine einfache Darstellung dieser dreidimensionalen auflösbaren<br />

<strong>Lie</strong>algebra. Für eine endlichdimensionale komplexe abelsche <strong>Lie</strong>algebra<br />

dahingegen ist jede einfache Darstellung bereits endlichdimensional <strong>und</strong> damit<br />

eindimensional: Diese Aussage ist eng verwandt zum Hilbert’schen Nullstellensatz<br />

<strong>und</strong> folgt etwa aus [KA] 1.10.12.<br />

Beweis. Die beiden Sätze sind sicher äquivalent. Wir zeigen hier die konkrete<br />

Form <strong>und</strong> führen den Beweis durch Induktion über dim g. Der Fall dim g = 0 ist<br />

klar. Gilt dim g > 0, so gibt es in g ein Ideal I ⊂ g der Kodimension 1: In der<br />

Tat ist g/[g, g] eine abelsche <strong>Lie</strong>-Algebra, jeder Teilraum darin ist also ein Ideal.<br />

Aus dim g > 0 <strong>und</strong> g auflösbar folgt aber g ≠ [g, g], folglich gibt es in g/[g, g]<br />

einen Teilraum der Kodimension 1 <strong>und</strong> das Urbild in g eines solchen Teilraums<br />

ist dann unser gesuchtes Ideal I. Nach Induktionsnahme finden wir v ∈ V mit<br />

v ≠ 0 <strong>und</strong> Iv ⊂ Cv. Man sieht leicht, daß die Funktion λ : I → C gegeben<br />

durch xv = λ(x)v linear sein muß. Wir betrachten den zugehörigen simultanen<br />

Eigenraum V λ = {w ∈ V | xw = λ(x)w ∀x ∈ I}, der v enthält <strong>und</strong> deshalb<br />

von Null verschieden ist. Nach dem anschließenden allgemeinen Lemma 1.3.28<br />

gilt gV λ ⊂ V λ . Jetzt wählen wir y ∈ g mit g = I + Cy. Jeder Eigenvektor v von y<br />

in V λ muß dann simultaner Eigenvektor aller Endomorphismen aus g sein.<br />

Lemma 1.3.28. (char k = 0) Seien V eine endlichdimensionale Darstellung einer<br />

k-<strong>Lie</strong>-Algebra g <strong>und</strong> I ⊂ g ein Ideal. So ist für alle Linearformen λ ∈ I ∗ der<br />

simultane Eigenraum V λ := {w ∈ V | xw = λ(x)w ∀x ∈ I} eine Unterdarstellung.<br />

21


Ergänzung 1.3.29. Das gilt mit demselben Beweis auch über einem beliebigen<br />

Gr<strong>und</strong>körper k einer Charakteristik char k > dim V . Ein Gegenbeispiel ist die<br />

Standarddarstellung k 2 der <strong>Lie</strong>-Algebra sl(2; k) in Charakteristik Zwei mit dem<br />

Ideal der oberen Dreiecksmatrizen.<br />

Beweis. In Formeln gilt es zu zeigen, daß gilt xyw = λ(x)(yw) ∀x ∈ I, y ∈ g,<br />

w ∈ V λ . Sicher gilt stets<br />

xyw = yxw + [x, y]w<br />

= y(λ(x)w) + λ([x, y])w<br />

= λ(x)(yw) + λ([x, y])w<br />

Die Behauptung folgt, wenn wir aus V λ ≠ 0 folgern können, daß gilt λ([x, y]) =<br />

0 ∀x ∈ I, y ∈ g. Gegeben y ∈ g <strong>und</strong> w ∈ V λ nicht Null sei dazu n ≥ 0 die größte<br />

Zahl derart, daß die Vektoren w, yw, y 2 w, . . . , y n w linear unabhängig sind. Sei W<br />

der von w, yw, . . . , y n w aufgespannte Teilraum von V . Sicher ist W stabil unter y.<br />

Außerdem ist W auch stabil unter I, genauer zeigt man durch Induktion über i aus<br />

xy i w = y(xy i−1 w) + [x, y]y i−1 w für x ∈ I, daß alle W i = span(w, yw, . . . , y i w)<br />

unter I stabil sind, <strong>und</strong> dann folgert man aus derselben Formel mit einer nochmaligen<br />

Induktion für x ∈ I sogar<br />

xy i w ∈ y i xw + W i−1<br />

Für alle x ∈ I ist also die Matrix von x : W → W in der Basis der y i w eine obere<br />

Dreiecksmatrix mit lauter Einträgen λ(x) auf der Diagonalen <strong>und</strong> hat folglich die<br />

Spur tr(x| W ) = (dim W )λ(x). Wenden wir diese Erkenntnis an auf [x, y] <strong>und</strong><br />

bemerken, daß die Spur des Kommutators von zwei linearen Selbstabbildungen<br />

eines endlichdimensionalen Raums wie etwa unseres Raums W stets verschwindet,<br />

so folgt (dim W )λ([x, y]) = tr([x, y]| W ) = 0. Da nach unseren Annahmen<br />

W nicht der Nullraum ist, folgt λ([x, y]) = 0 für alle x ∈ I.<br />

Korollar 1.3.30. Sei V eine endlichdimensionale Darstellung einer komplexen<br />

auflösbaren <strong>Lie</strong>-Algebra g. So gilt:<br />

1. Es gibt in V eine Kette 0 = V 0 ⊂ V 1 ⊂ . . . ⊂ V d = V von Unterdarstellungen<br />

mit dim V i = i;<br />

2. Es gibt eine Basis von V , bezüglich derer die Matrizen von Elementen aus<br />

g alle obere Dreiecksmatrizen sind.<br />

Ergänzung 1.3.31. Das gilt mit demselben Beweis über jedem algebraisch abgeschlossenen<br />

Gr<strong>und</strong>körper der Charakteristik Null.<br />

22


Beweis. Man argumentiert ausgehend vom Satz von <strong>Lie</strong> 1.3.26 analog wie für die<br />

Aussagen 2 <strong>und</strong> 3 von Satz 1.3.1 über <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> aus nilpotenten Endomorphismen.<br />

Korollar 1.3.32. Die derivierte <strong>Lie</strong>-Algebra einer endlichdimensionalen auflösbaren<br />

komplexen <strong>Lie</strong>-Algebra ist nilpotent.<br />

Ergänzung 1.3.33. Das gilt allgemeiner über jedem Gr<strong>und</strong>körper der Charakteristik<br />

Null, von dem man sich durch Erweiterung der Skalare leicht in den Fall eines<br />

algebraisch abgeschlossenen Gr<strong>und</strong>körpers retten kann, in dem dann wieder der<br />

hier gegebene Beweis funktioniert.<br />

Beweis. Sei g unsere auflösbare <strong>Lie</strong>-Algebra. Nach dem vorhergehenden Korollar<br />

besteht bezüglich einer geeigneten Basis von g die Unteralgebra ad g ⊂ gl(g)<br />

aus oberen Dreiecksmatrizen, mithin besteht [ad g, ad g] = ad([g, g]) aus echten<br />

oberen Dreiecksmatrizen <strong>und</strong> ist nilpotent. Da der Kern von ad : [g, g] → gl(g)<br />

im Zentrum von [g, g] liegt, ist damit auch [g, g] selbst nilpotent.<br />

Übung 1.3.34 (<strong>Darstellungen</strong> von nilpotenten <strong>Lie</strong>algebren). Sei k = ¯k ein algebraisch<br />

abgeschlossener Körper der Charakteristik char k = 0. Man zeige: Jede<br />

endlichdimensionale Darstellung einer nilpotenten <strong>Lie</strong>algebra über k zerfällt in<br />

die direkte Summe der simultanen Haupträume aller von der Operation herkommenden<br />

Endomorphismen. Hinweis: Man kombiniere das Korollar 1.3.30 zum<br />

Satz von <strong>Lie</strong> <strong>und</strong> 1.3.19, um jeden simultanen Hauptraum als Unterdarstellung zu<br />

entlarven <strong>und</strong> zu zeigen, daß deren Dimensionen sich zur Dimension der ganzen<br />

Darstellung aufaddieren. Die fraglichen simultanen Eigenwerte sind dann Linearformen<br />

auf unserer <strong>Lie</strong>algebra <strong>und</strong> heißen die Gewichte unserer Darstellung, die<br />

zugehörigen simultanen Eigenräume nennen wir die Gewichtsräume, <strong>und</strong> die zugehörigen<br />

simultanen Haupträume die verallgemeinerten Gewichtsräume.<br />

Ergänzende Übung 1.3.35. Eine Darstellung einer <strong>Lie</strong>algebra heißt lokal endlich<br />

genau dann, wenn jeder Vektor in einer endlichdimensionalen Unterdarstellung<br />

liegt. Man zeige, daß auch jede lokal endliche Darstellung einer nilpotenten <strong>Lie</strong>algebra<br />

über einem algebraisch abgeschlossenen Körper k = ¯k der Charakteristik<br />

char k = 0 in die direkte Summe <strong>ihre</strong>r verallgemeinerten Gewichtsräume zerfällt.<br />

Übung 1.3.36. Diese Übung dient nur der Auffrischung Ihrer Kenntnisse in linearer<br />

Algebra. Sei V ein endlichdimensionaler Vektorraum über einem algebraisch<br />

abgeschlossenen Körper k. Sei f : V → V ein Endomorphismus <strong>und</strong><br />

seien λ, µ, . . . , ν dessen Eigenwerte. Man zeige, daß für jeden Untervektorraum<br />

W ⊂ V mit f(W ) ⊂ W gilt<br />

W = (W ∩ Hau(f|V ; λ)) ⊕ (W ∩ Hau(f|V ; µ)) ⊕ . . . ⊕ (W ∩ Hau(f|V ; ν))<br />

Man formuliere auch die Verallgemeinerung auf den Fall eines lokal endlichen<br />

Endomorphismus f eines beliebigen Vektorraums V .<br />

23


1.4 Das Auflösbarkeitskriterium von Cartan<br />

Satz 1.4.1 (Auflösbarkeitskriterium von Cartan). Sei V ein endlichdimensionaler<br />

komplexer Vektorraum <strong>und</strong> g ⊂ gl(V ) eine Unteralgebra. Genau dann ist g<br />

ist auflösbar, wenn gilt tr(xy) = 0 ∀x ∈ [g, g], y ∈ g.<br />

1.4.2. Ist g auflösbar, so liegt es nach 1.3.30 bei geeigneter Basiswahl bereits<br />

in den oberen Dreiecksmatrizen. Das zeigt die eine Richtung. Der Beweis der<br />

anderen Richtung braucht einige Vorbereitungen <strong>und</strong> wird erst am Ende dieses<br />

Abschnitts vor 4.8.33 gegeben.<br />

Ergänzung 1.4.3. Das Auflösbarkeitskriterium gilt allgemeiner auch über jedem<br />

Gr<strong>und</strong>körper der Charakteristik Null, von dem man sich durch Erweiterung der<br />

Skalare leicht in den Fall eines algebraisch abgeschlossenen Gr<strong>und</strong>körpers retten<br />

kann, in dem dann wieder der hier gegebene Beweis funktioniert.<br />

Lemma 1.4.4. Sei V ein endlichdimensionaler komplexer Vektorraum. Ist x =<br />

x s + x n die Jordan-Zerlegung von x ∈ End V , so ist ad x = ad(x s ) + ad(x n ) die<br />

Jordan-Zerlegung von ad x ∈ End(gl(V )). In Formeln gilt also<br />

ad(x s ) = (ad x) s <strong>und</strong> ad(x n ) = (ad x) n<br />

Beweis. In der Tat gilt [ad x s , ad x n ] = ad[x s , x n ] = 0, außerdem ist ad x n nilpotent<br />

nach dem Beginn des Beweises von 1.3.1, <strong>und</strong> wir müssen nur noch zeigen,<br />

daß ad x s diagonalisierbar ist. Aber identifizieren wir End V mit einer Algebra<br />

von quadratischen Matrizen vermittels einer Basis v 1 , . . . , v n aus Eigenvektoren<br />

von x s , sagen wir x s v i = λ i v i , so werden die Standardmatrizen E ij mit<br />

einer Eins in der i-ten Zeile <strong>und</strong> j-ten Spalte Eigenvektoren zu ad x s , genauer gilt<br />

(ad x s )(E ij ) = (λ j − λ i )E ij . Folglich ist mit x s auch ad x s diagonalisierbar.<br />

Lemma 1.4.5. Sei V ein endlichdimensionaler komplexer Vektorraum. Seien zwei<br />

Teilräume seines Endomorphismenraums End V ⊃ B ⊃ A gegeben <strong>und</strong> sei T :=<br />

{x ∈ End V | (ad x)(B) ⊂ A}. Erfüllt ein x ∈ T die Bedingung tr(xz) = 0 für<br />

alle z ∈ T , so ist x nilpotent.<br />

1.4.6. Der Beweis des Auflösbarkeitskriteriums beruht auf diesem technischen<br />

Lemma. Ich gebe für dies Lemma zwei Beweise. Der erste ist zwar etwas schneller,<br />

aber er hinterläßt bei mir einen schalen Nachgeschmack, da er nicht für einen<br />

beliebigen algebraisch abgeschlossenen Gr<strong>und</strong>körper k der Charakteristik Null<br />

funktioniert. Deshalb die Alternative.<br />

Beweis. Sei x = x s + x n die Jordan-Zerlegung von x. So ist ad x = ad x s + ad x n<br />

die Jordan-Zerlegung von ad x <strong>und</strong> aus (ad x)(B) ⊂ A folgt mit [LA2] 3.4.10<br />

schon (ad x s )B ⊂ A, als da heißt, alle Eigenräume von (ad x s ) : B → B zu von<br />

24


Null verschiedenen Eigenwerten liegen bereits in A.<br />

Rest des Beweises im komplexen Fall. Wählen wir nun in V eine Basis aus Eigenvektoren<br />

von x s <strong>und</strong> definieren z ∈ End V durch die Bedingung, daß seine<br />

Matrix in dieser Basis komplex konjugiert ist zur Matrix von x s , so haben wir<br />

Eig(ad z; λ) = Eig(ad x s ; ¯λ) für alle λ ∈ C <strong>und</strong> mithin auch (ad z)(B) ⊂ A. Aus<br />

tr(xz) = 0 folgt dann aber sofort x s = 0.<br />

Rest des Beweises im Allgemeinen. Sei v 1 , . . . , v n eine Basis von V aus Eigenvektoren<br />

von x s , sagen wir x s v i = λ i v i für geeignete λ i ∈ k. Sei E ⊂ k<br />

der von den λ i aufgespannte Q-Untervektorraum. Es gilt zu zeigen E = 0. Sei<br />

sonst f : E → Q eine nicht-verschwindende Q-lineare Abbildung. Wir betrachten<br />

den Endomorphismus z von V , der definiert wird durch zv i = f(λ i )v i für<br />

i = 1, . . . , n. Zunächst zeigen wir z ∈ T . Natürlich haben wir<br />

(ad z)(E ij ) = (f(λ i ) − f(λ j ))E ij<br />

= f(λ i − λ j )E ij<br />

für alle i <strong>und</strong> j, also Eig(ad z; µ) = ⊕ f(λ)=µ Eig(ad x s; λ) <strong>und</strong> insbesondere<br />

(ad z)(B) ⊂ A. Nun ist offensichtlich tr(xz) = ∑ n<br />

i=1 λ if(λ i ). Aus der Annahme<br />

tr(xz) = 0 folgt mithin f(tr(xz)) = ∑ n<br />

i=0 f(λ i) 2 = 0 <strong>und</strong> damit f(λ i ) = 0 ∀i<br />

im Widerspruch zu unserer Annahme f ≠ 0.<br />

Beweis des Cartan’schen Auflösbarkeitskriteriums. Wir zeigen nun die schwierige<br />

Implikation aus dem Cartan’schen Auflösbarkeitskriterium 1.4.1. Es reicht<br />

zu zeigen, daß [g, g] nilpotent ist. Mit 1.3.1 reicht es sogar zu zeigen, daß alle<br />

Elemente x ∈ [g, g] nilpotent sind als Endomorphismen von V . Nach Lemma<br />

1.4.5 müssen wir dazu nur zeigen, daß gilt tr(xz) = 0 für alle z ∈ End V mit<br />

[z, g] ⊂ [g, g]. Schreiben wir aber x = ∑ [c i , d i ], so ist<br />

tr(xz) = ∑ tr([c i , d i ]z) = ∑ tr(c i [d i , z]) = 0<br />

nach Annahme, da ja gilt c i ∈ g <strong>und</strong> [d i , z] ∈ [g, g] für alle i. Hier haben wir verwendet,<br />

daß für drei Endomorphismen x, y, z eines endlichdimensionalen Vektorraums<br />

stets gilt tr(xyz) = tr(zxy) = tr(yzx), also tr([x, y]z) = tr(x[y, z]).<br />

Definition 1.4.7. Sei g eine endlichdimensionale <strong>Lie</strong>-Algebra über einem Körper<br />

k. Die Killingform von g ist die Bilinearform κ = κ g : g × g → k auf unserer<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra, die gegeben wird durch die Vorschrift<br />

κ(x, y) := tr((ad x)(ad y))<br />

1.4.8. Sicher ist κ symmetrisch, κ(x, y) = κ(y, x). Weiter gilt offensichtlich<br />

κ([x, y], z) = κ(x, [y, z]) ∀x, y, z ∈ g. Letztere Eigenschaft ist so wichtig, daß<br />

sie einen eigenen Namen hat.<br />

25


Definition 1.4.9. Eine Bilinearform b : g × g → k auf einer <strong>Lie</strong>-Algebra g heißt<br />

invariant genau dann, wenn gilt b([x, y], z) = b(x, [y, z]) ∀x, y, z ∈ g.<br />

Ergänzung 1.4.10. Man nennt diese Eigenschaft manchmal auch die “Assoziativität”<br />

von b. Sie hat jedoch nur oberflächlich mit Assoziativität im üblichen Sinne zu<br />

tun. Vielmehr werden wir später sehen, daß unsere Eigenschaft bedeutet, daß das<br />

Element b ∈ (g⊗g) ∗ invariant ist unter der natürlichen Operation der <strong>Lie</strong>-Algebra<br />

g auf diesem Raum.<br />

Korollar 1.4.11 (Auflösbarkeitskriterium). Eine endlichdimensionale <strong>Lie</strong>algebra<br />

g über einem Körper der Charakteristik Null ist auflösbar genau dann, wenn<br />

in Bezug auf die Killing-Form gilt g ⊥ [g, g].<br />

Beweis. Das Cartan-Kriterium 1.4.1 zeigt, daß unsere Bedingung gleichbedeutend<br />

ist zur Auflösbarkeit von ad g. Die kurze exakte Sequenz z(g) ↩→ g ↠ ad g<br />

zeigt dann, daß sie auch gleichbedeutend ist zur Auflösbarkeit von g.<br />

Übung 1.4.12. Die Killingform einer endlichdimensionalen nilpotenten <strong>Lie</strong>algebra<br />

ist Null.<br />

1.5 Reduktive <strong>und</strong> halbeinfache <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong><br />

1.5.1. Ich erinnere daran, daß nach 1.1.20 eine <strong>Lie</strong>algebra irreduzibel heißt, wenn<br />

sie genau zwei Ideale besitzt, nämlich sich selber <strong>und</strong> Null, <strong>und</strong> einfach, wenn sie<br />

außerdem nicht abelsch ist.<br />

Definition 1.5.2. Eine <strong>Lie</strong>-Algebra heißt halbeinfach genau dann, wenn sie isomorph<br />

ist zu einem Produkt von einfachen <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>. Eine <strong>Lie</strong>-Algebra heißt<br />

reduktiv genau dann, wenn sie isomorph ist zu einem Produkt von irreduziblen<br />

<strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>.<br />

1.5.3. In diesem Text wie im überwiegenden Teil der Literatur werden nur halbeinfache<br />

oder reduktive <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> endlicher Dimension über Körpern der<br />

Charakteristik Null betrachtet. Wenn Sie diese Bedingung irgendwo vermissen,<br />

habe ich vermutlich nur versäumt, sie explizit dazuzuschreiben.<br />

Definition 1.5.4. Eine Darstellung heißt wie in [DM] 1.4.2 halbeinfach genau<br />

dann, wenn sie eine direkte Summe einfacher Unterdarstellungen ist, wenn also<br />

für besagte Darstellung V in Formeln gilt V = ⊕ i∈I V i mit V i ⊂ V einfachen<br />

Unterdarstellungen. Die Nulldarstellung V = 0 ist insbesondere halbeinfach als<br />

die “leere Summe”.<br />

26


Ergänzung 1.5.5. Ganz genauso wie in [DM] 1.4 für Moduln über Ringen zeigt<br />

man, daß für eine Darstellung V gleichbedeutend sind: (1) V ist halbeinfach, (2) V<br />

ist eine (nicht notwendig direkte) Summe von einfachen Unterdarstellungen, <strong>und</strong><br />

(3) jede Unterdarstellung von V besitzt ein Komplement. Ebenso zeigt man auch,<br />

daß jede Unterdarstellung <strong>und</strong> jeder Quotient einer halbeinfachen Darstellung halbeinfach<br />

sind. All das wird der Leser im endlichdimensionalen Fall unschwer als<br />

Übung selbst zeigen können. Im allgemeinen Fall benötigt man jedoch zusätzliche<br />

Ideen <strong>und</strong> kommt nicht ohne das Zorn’sche Lemma aus.<br />

Beispiel 1.5.6. Die Darstellung C → gl(C 2 ), 1 ↦→ ( 0 0<br />

1 0) der abelschen <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra C ist nicht halbeinfach. Ganz allgemein ist für einen k-Vektorraum V<br />

<strong>und</strong> a ∈ End(V ) die Darstellung k → gl(V ), 1 ↦→ a der abelschen <strong>Lie</strong>-Algebra<br />

k halbeinfach genau dann, wenn a diagonalisierbar ist über dem algebraischen<br />

Abschluß ¯k, wenn also a halbeinfach ist im Sinne von [LA2] 3.4.2.<br />

1.5.7. Per definitionem ist eine <strong>Lie</strong>-Algebra reduktiv genau dann, wenn <strong>ihre</strong> adjungierte<br />

Darstellung halbeinfach ist im Sinne von 1.5.4 alias die Summe <strong>ihre</strong>r<br />

einfachen Unterdarstellungen. Insbesondere ist die <strong>Lie</strong>algebra einer kompakten<br />

<strong>Lie</strong>gruppe stets reduktiv nach [ML] 2.3.1 <strong>und</strong> [ML] 2.1.19.<br />

Übung 1.5.8. Gegeben eine reduktive <strong>Lie</strong>algebra sind die isotypischen Komponenten<br />

im Sinne von [DM] 1.4.10 <strong>ihre</strong>r adjungierten Darstellung genau die einfachen<br />

Ideale sowie, als isotypische Komponente zur trivialen eindimensionalen<br />

Darstellung, das Zentrum. Jede reduktive <strong>Lie</strong>algebra zerfällt mithin in die Summe<br />

<strong>ihre</strong>r einfachen Ideale <strong>und</strong> <strong>ihre</strong>s Zentrums. Des weiteren ist jedes Ideal einer reduktiven<br />

<strong>Lie</strong>algebra die direkte Summe eines Teils der einfachen Ideale mit einem<br />

Untervektorraum des Zentrums. Im endlichdimensionalen Fall können diese Aussagen<br />

auch ohne Rückgriff auf die allgemeine Theorie leicht bewiesen werden,<br />

wie in der folgenden Übung angedeutet wird.<br />

Übung 1.5.9. Gegeben paarweise verschiedene einfache Ideale I 1 , . . . , I r einer<br />

<strong>Lie</strong>algebra g sowie ein abelsches Ideal A ⊂ g zeige man, daß die Addition eine<br />

Injektion I 1 ⊕ . . . ⊕ I r ⊕ A ↩→ g induziert. Des weiteren zeige man unter der<br />

zusätzlichen Annahme I 1 ⊕ . . . ⊕ I r ⊕ A ∼ → g, daß jedes Ideal von g die Summe<br />

eines Teils der I ν mit einem Untervektorraum von A ist.<br />

Satz 1.5.10 (Charakterisierung halbeinfacher <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>). Für eine endlichdimensionale<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra über einem Körper der Charakteristik Null sind<br />

gleichbedeutend:<br />

1. Unsere <strong>Lie</strong>-Algebra besitzt kein von Null verschiedenes abelsches Ideal;<br />

2. Unsere <strong>Lie</strong>-Algebra ist halbeinfach, also isomorph zu einem Produkt von<br />

einfachen <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>;<br />

27


3. Unsere <strong>Lie</strong>-Algebra ist die direkte Summe <strong>ihre</strong>r einfachen Ideale;<br />

4. Unsere <strong>Lie</strong>-Algebra hat eine nicht ausgeartete Killingform, d.h. die Killingform<br />

induziert einen Isomorphismus unserer <strong>Lie</strong>-Algebra mit <strong>ihre</strong>m Dualraum.<br />

1.5.11. Gegeben eine <strong>Lie</strong>-Algebra g <strong>und</strong> Unteralgebren g 1 , . . . , g n sagen wir, die<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra g zerfalle in das Produkt der g i <strong>und</strong> schreiben<br />

g = g 1 × . . . × g n<br />

genau dann, wenn die offensichtliche Abbildung von der rechten Seite in die linke<br />

ein Isomorphismus von <strong>Lie</strong>algebren ist. Gleichbedeutend dazu ist, daß alle g i<br />

Ideale von g sind <strong>und</strong> die offensichtliche Abbildung von der rechten Seite in die<br />

linke ein Isomorphismus von Vektorräumen. Bezeichnen etwa b ⊂ gl(n) die oberen<br />

Dreiecksmatrizen <strong>und</strong> n ⊂ gl(n) die echten unteren Dreiecksmatrizen, so<br />

hätten wir eine Zerlegung gl(n) = b ⊕ n als Vektorräume, aber das wäre keine<br />

Zerlegung in ein Produkt von <strong>Lie</strong>algebren. Wir schicken dem Beweis des Satzes<br />

eine Ergänzung zur Killingform voraus.<br />

Lemma 1.5.12. Die Killingform eines Ideals einer endlichdimensionalen <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra stimmt stets überein mit der Einschränkung der Killingform der ganzen<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra auf besagtes Ideal.<br />

Beweis. Ist g unsere <strong>Lie</strong>algebra <strong>und</strong> I ⊂ g unser Ideal, so behauptet dies Lemma<br />

die Formel<br />

κ I = κ g | I<br />

Sind ganz allgemein I ⊂ g Vektorräume <strong>und</strong> ist a : g → g eine lineare Abbildung<br />

mit a(g) ⊂ I, so gilt tr(a) = tr(a| I ) für a| I die Einschränkung a| I : I → I von a<br />

auf I. Das Lemma ergibt sich mit a = (ad x)(ad y) für x, y ∈ I.<br />

Beweis von 1.5.10. 1 ⇒ 4. Sei g eine endlichdimensionale <strong>Lie</strong>-Algebra. Das Radikal<br />

der Killingform κ = κ g bezeichnen wir mit<br />

rad κ = {x ∈ g | κ(x, y) = 0 ∀y ∈ g}<br />

Da κ invariant ist, muß rad κ ⊂ g ein Ideal sein. Nach der Definition verschwindet<br />

κ auf rad κ. Mit 1.5.12 folgt, daß die Killingform von rad κ verschwindet, nach<br />

1.4.11 ist damit rad κ auflösbar. Ist g halbeinfach, so folgt rad κ = 0 <strong>und</strong> die<br />

Killingform ist nicht ausgeartet.<br />

4 ⇒ 1. Ist g nicht halbeinfach, so gibt es in g ein abelsches Ideal I ≠ 0. Es folgt<br />

((ad x)(ad y)) 2 = 0 für x ∈ g, y ∈ I <strong>und</strong> folglich ist ((ad x)(ad y)) nilpotent, also<br />

κ(x, y) = tr((ad x)(ad y)) = 0 für alle x ∈ g, y ∈ I. Damit gilt 0 ≠ I ⊂ rad κ<br />

28


<strong>und</strong> κ ist entartet.<br />

1 ⇒ 3. Sei I ⊂ g ein Ideal. So ist auch I ⊥ = {y ∈ g | κ(y, I) = 0} ein Ideal, da<br />

die Killingform invariant ist. Auf dem Ideal I ∩ I ⊥ verschwindet die Killingform,<br />

mithin ist dies Ideal auflösbar. Da g als halbeinfach angenommen war, folgt I ∩<br />

I ⊥ = 0, also erst recht [I, I ⊥ ] = 0, <strong>und</strong> mit Dimensionsbetrachtungen folgt I ⊕<br />

I ⊥ = g. Jedes Ideal von I bzw. I ⊥ ist damit ein Ideal von g, also sind auch I<br />

<strong>und</strong> I ⊥ halbeinfach. Mit Induktion sehen wir so, daß sich jede halbeinfache <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra g schreiben läßt als g = I 1 ⊕ . . . ⊕ I r wobei die I ν einfache Ideale<br />

von g sind. Ist nun I ⊂ g ein weiteres einfaches Ideal, so folgt I = [I, g] =<br />

[I, I 1 ] ⊕ . . . ⊕ [I, I r ] <strong>und</strong> damit I = [I, I ν ] = I ν für ein ν.<br />

3 ⇒ 2 ⇒ 1 bieten keine Schwierigkeiten.<br />

Übung 1.5.13. Eine endlichdimensionale <strong>Lie</strong>-Algebra über einem Körper der Charakteristik<br />

Null ist halbeinfach genau dann, wenn sie kein von Null verschiedenes<br />

auflösbares Ideal besitzt.<br />

Ergänzung 1.5.14. Eine endlichdimensionale <strong>Lie</strong>-Algebra über einem Körper der<br />

Charakteristik Null ist reduktiv genau dann, wenn jedes auflösbare Ideal bereits<br />

in <strong>ihre</strong>m Zentrum liegt. Das werden Sie als Übung 2.1.16 aus dem Satz von Weyl<br />

folgern.<br />

Übung 1.5.15. Jedes Ideal einer halbeinfachen <strong>Lie</strong>-Algebra ist eine Summe von<br />

einfachen Idealen. Jeder Quotient einer halbeinfachen <strong>Lie</strong>-Algebra ist eine halbeinfache<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra.<br />

Übung 1.5.16. Jede halbeinfache <strong>Lie</strong>-Algebra g ist <strong>ihre</strong> eigene derivierte <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra, in Formeln g = [g, g].<br />

Übung 1.5.17. Jede reduktive <strong>Lie</strong>-Algebra läßt sich auf genau eine Weise zerlegen<br />

in das Produkt einer halbeinfachen <strong>Lie</strong>-Algebra <strong>und</strong> einer abelschen <strong>Lie</strong>-Algebra,<br />

nämlich als g = [g, g] × z mit z dem Zentrum von g.<br />

Beispiele 1.5.18. Die <strong>Lie</strong>-Algebra g = 0 ist halbeinfach, da sie kein von Null<br />

verschiedenes abelsches Ideal hat <strong>und</strong> auch das Produkt <strong>ihre</strong>r einfachen Ideale ist.<br />

Eine von Null verschiedene abelsche <strong>Lie</strong>-Algebra ist jedoch nicht halbeinfach,<br />

sondern nur reduktiv. Erste substanzielle Beispiele liefert 2.1.17.<br />

29


2 Komplexe halbeinfache <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong><br />

In diesem Abschnitt sind halbeinfache <strong>Lie</strong>algebren stets als endlichdimensional<br />

über einem Körper der Charakteristik Null zu verstehen.<br />

2.1 Der Satz von Weyl<br />

2.1.1. Für zwei <strong>Darstellungen</strong> V, W einer <strong>Lie</strong>-Algebra g bezeichnen wir mit Hom g (V, W ) =<br />

Mod g (V, W ) den Raum aller Homomorphismen von <strong>Darstellungen</strong> <strong>und</strong> mit End g (V ) =<br />

Hom g (V, V ) den Raum aller Endomorphismen der Darstellung V .<br />

Lemma 2.1.2 (Lemma von Schur). Die einzigen Endomorphismen einer einfachen<br />

endlichdimensionalen Darstellung einer komplexen <strong>Lie</strong>-Algebra sind die<br />

Multiplikationen mit Skalaren. Ist g unsere <strong>Lie</strong>-Algebra <strong>und</strong> V unsere einfache<br />

Darstellung, so gilt demnach in Formeln<br />

End g V = C id V<br />

Ergänzung 2.1.3. Das Lemma gilt mit demselben Beweis über einem beliebigen<br />

algebraisch abgeschlossenen Gr<strong>und</strong>körper.<br />

Beweis. Sei ϕ ∈ End V . Da eine einfache Darstellung per definitionem nicht Null<br />

ist, hat ϕ mindestens einen Eigenwert λ. Aus ϕ ∈ End g V folgt zusätzlich, daß<br />

der zugehörige Eigenraum V λ eine Unterdarstellung von V ist. Falls V einfach ist,<br />

folgt weiter V λ = V <strong>und</strong> damit erhalten wir dann wie gewünscht ϕ = λ id.<br />

Ergänzung 2.1.4. Die Folgerung des Lemmas gilt auch, wenn wir statt dim V <<br />

∞ voraussetzen, daß V abzählbare Dimension hat. Um das zu sehen beachte man,<br />

daß dann E = End g V ein Schiefkörper abzählbarer Dimension über C ist. Der<br />

einzige derartige Schiefkörper ist aber C selber, denn gäbe es ϕ ∈ E\C, so könnte<br />

ϕ nicht algebraisch sein über C, also hätten wir eine Einbettung C(X) ↩→ E,<br />

X ↦→ ϕ des Körpers der gebrochen rationalen Funktionen über C nach E. Da<br />

aber C(X) überabzählbare Dimension hat über C, die (X − λ) −1 für λ ∈ C<br />

sind nämlich linear unabhängig über C, kann das nicht sein. Die Folgerung des<br />

Lemmas gilt des weiteren auch, wenn wir unsere <strong>Lie</strong>-Algebra endlichdimensional<br />

annehmen <strong>und</strong> mit Koeffizienten in einem beliebigen algebraisch abgeschlossenen<br />

Körper arbeiten, vergleiche 2.8.1.<br />

2.1.5. Das Lemma gilt nicht, wenn wir C durch R ersetzen. Ein Gegenbeispiel ist<br />

die einfache Darstellung von g = R im reellen Vektorraum V = C, bei der λ ∈ g<br />

auf V operiert als die Multiplikation mit λ i. Wir haben nämlich in diesem Fall<br />

End g V = C id ≠ R id.<br />

30


Satz 2.1.6 (von Weyl). Jede endlichdimensionale Darstellung einer komplexen<br />

halbeinfachen <strong>Lie</strong>-Algebra ist halbeinfach.<br />

2.1.7. Der Beweis braucht einige Vorbereitungen <strong>und</strong> wird erst zu Ende dieses<br />

Abschnitts gegeben. Der Spezialfall sl(2; k) wurde bereits in [ML] 2.2.16 sozusagen<br />

“zu Fuß” behandelt. Wir zeigen die Aussage allgemeiner über jedem Gr<strong>und</strong>körper<br />

der Charakteristik Null. Die <strong>Lie</strong>algebra darf als halbeinfach angenommen<br />

werden, da wir sie ja ohne Beschränkung der Allgemeinheit durch ihr Bild im<br />

Endomorphismenring der fraglichen Darstellung ersetzen dürfen.<br />

2.1.8. Sei g eine endlichdimensionale <strong>Lie</strong>-Algebra <strong>und</strong> b : g × g → k eine nichtausgeartete<br />

invariante Bilinearform. Für jede Darstellung V von g definieren wir<br />

dann eine lineare Abbildung<br />

C b = C V b<br />

: V → V<br />

wie folgt: Wir wählen eine Basis x 1 , . . . , x n von g, bezeichnen mit x 1 , . . . , x n die<br />

bezüglich b duale Basis, charakterisiert durch b(x i , x j ) = δ ij , <strong>und</strong> setzen<br />

n∑<br />

C b (v) = x i x i v<br />

Die Abbildung C b hängt nicht von der Wahl der Basis unserer <strong>Lie</strong>-Algebra g ab,<br />

aber das wird im Folgenden nicht verwendet <strong>und</strong> der Beweis bleibt dem Leser<br />

überlassen.<br />

Lemma 2.1.9. Die Abbildung C b vertauscht mit der Operation von g, in Formeln<br />

gilt also C b ∈ End g V .<br />

Beweis. Das kann man in Koordinaten nachrechnen wie folgt: Entwickeln wir für<br />

y ∈ g die Kommutatoren mit Elementen unserer Basen in der Form [x i , y] =<br />

∑<br />

aij x j <strong>und</strong> [y, x j ] = ∑ b ji x i , so folgt aus der Invarianz unserer Bilinearform<br />

i=1<br />

b([x i , y], x j ) = b(x i , [y, x j ]) sofort a ij = b ji <strong>und</strong> damit<br />

yC b (v) − C b (yv) = ∑ [y, x i ]x i v + ∑ x i [y, x i ]v<br />

= ∑ −a ij x j x i v + ∑ b ij x i x j v<br />

= 0<br />

Ein koordinatenfreier Beweis wird im nächsten Abschnitt gegeben.<br />

2.1.10. Für b = κ die Killingform einer halbeinfachen <strong>Lie</strong>-Algebra g <strong>und</strong> V eine<br />

Darstellung von g heißt C κ : V → V der Casimir-Operator. Man zeige als<br />

Übung, daß der Casimir-Operator der <strong>Lie</strong>-Algebra sl(2; C) in einer Basis e, h, f<br />

wie in 1.1.21 gegeben wird durch den Ausdruck (ef + fe)/4 + h 2 /8 = fe/2 +<br />

h(h + 2)/8. Auf der (n + 1)-dimensionalen einfachen Darstellung operiert er<br />

durch den Skalar n(n + 2)/8, wie man auf den extremen Gewichtsräumen leicht<br />

nachrechnet.<br />

31


Lemma 2.1.11. 1. Ist V ein endlichdimensionaler Vektorraum über einem Körper<br />

der Charakteristik Null <strong>und</strong> g ⊂ gl(V ) eine halbeinfache Unteralgebra,<br />

so ist (x, y) ↦→ tr(xy) eine nichtausgeartete invariante symmetrische Bilinearform<br />

b = b V auf g;<br />

2. Für die zugehörige Abbildung C = C V b gilt tr C = dim g.<br />

Beweis. Sicher ist unsere Bilinarform symmetrisch <strong>und</strong> invariant, insbesondere<br />

ist ihr Radikal ein Ideal. Nach dem Cartan-Kriterium 1.4.1 ist ihr Radikal sogar<br />

ein auflösbares Ideal in g, also Null. Teil 2 folgt sofort aus den Definitionen.<br />

Lemma 2.1.12. Für jede endlichdimensionale Darstellung V einer komplexen<br />

halbeinfachen <strong>Lie</strong>-Algebra g gilt V = V g ⊕ gV .<br />

2.1.13. Mit gV meinen wir hier den von allen Xv mit X ∈ g <strong>und</strong> v ∈ V erzeugten<br />

Teilraum.<br />

Ergänzung 2.1.14. Dies Lemma gilt allgemeiner über jedem Gr<strong>und</strong>körper der<br />

Charakteristik Null, von dem man sich durch Erweiterung der Skalare leicht in<br />

den Fall eines algebraisch abgeschlossenen Gr<strong>und</strong>körpers retten kann, in dem<br />

dann wieder der hier gegebene Beweis funktioniert.<br />

Beweis. Durch Induktion über dim V . Sei ohne Beschränkung der Allgemeinheit<br />

V ≠ V g . Betrachten wir den zu unserer Darstellung gehörigen <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>-<br />

Homomorphismus ρ : g → gl(V ), so ist also ρ(g) ≠ 0. Wir betrachten nun die zur<br />

halbeinfachen Unteralgebra ρ(g) ⊂ gl(V ) gehörige Abbildung C : V → V wie<br />

in Lemma 2.1.11. Natürlich zerfällt V in eine direkte Summe von Haupträumen<br />

unter C, <strong>und</strong> wegen C ∈ End g V sind alle Haupträume von C Unterdarstellungen.<br />

Hätte C mehr als einen Eigenwert auf V , so könnten wir V als direkte Summe von<br />

zwei Unterdarstellungen echt kleinerer Dimension schreiben <strong>und</strong> wären fertig mit<br />

Induktion. Wir dürfen also annehmen, daß C nur einen Eigenwert hat, <strong>und</strong> da gilt<br />

tr(C) = dim ρ(g) ≠ 0 nach Lemma 2.1.11, kann dieser Eigenwert nicht Null<br />

sein. Also gilt V = CV <strong>und</strong> V g = 0 <strong>und</strong> a forteriori V = gV = V g ⊕ gV .<br />

Beweis des Satzes von Weyl 2.1.6. Es gilt zu zeigen: Jede endlichdimensionale Darstellung<br />

V einer halbeinfachen <strong>Lie</strong>-Algebra ist halbeinfach. Ist U ⊂ V eine Unterdarstellung,<br />

so liefert die Restriktion von Abbildungen eine Surjektion Hom(V, U) ↠<br />

Hom(U, U) von <strong>Darstellungen</strong>. Nach Lemma 2.1.12 induziert diese Surjektion eine<br />

Surjektion auf den invarianten Vektoren Hom(V, U) g ↠ Hom(U, U) g . Für<br />

jedes Urbild f ∈ Hom(V, U) g von id U ∈ Hom(U, U) g gilt dann V = U ⊕ ker f.<br />

Eine offensichtliche Induktion beendet den Beweis.<br />

Übung 2.1.15. Der Casimir-Operator einer endlichdimensionalen halbeinfachen<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra über einem Körper der Charakteristik Null operiert als die Identität<br />

auf der adjungierten Darstellung.<br />

32


Übung 2.1.16. Eine endlichdimensionale <strong>Lie</strong>-Algebra über einem Körper der Charakteristik<br />

Null ist reduktiv genau dann, wenn jedes auflösbare Ideal bereits in<br />

<strong>ihre</strong>m Zentrum liegt. Hinweis: 1.5.13.<br />

Satz 2.1.17 (Kriterium für Halbeinfachkeit). 1. Besitzt eine komplexe<br />

<strong>Lie</strong>algebra eine treue einfache endlichdimensionale Darstellung, so ist unsere<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra reduktiv <strong>und</strong> ihr Zentrum höchstens eindimensional;<br />

2. Operiert außerdem unsere <strong>Lie</strong>algebra auf besagter Darstellung nur durch<br />

Endomorphismen der Spur Null, so ist unsere <strong>Lie</strong>algebra halbeinfach.<br />

2.1.18. Insbesondere ist gl(n; C) reduktiv <strong>und</strong> sl(n; C) halbeinfach. Wollen wir<br />

nur den zweiten Teil des Satzes zeigen, so können wir im Beweis sogar I abelsch<br />

annehmen <strong>und</strong> so ohne den Satz von <strong>Lie</strong> auskommen. Der Satz gilt mit demselben<br />

Beweis über jedem algebraisch abgeschlossenen Gr<strong>und</strong>körper der Charakteristik<br />

Null.<br />

Beweis. Wir verwenden die Charakterisierung reduktiver <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> aus Übung<br />

2.1.16 <strong>und</strong> müssen also zeigen, daß jedes auflösbare Ideal bereits im Zentrum<br />

liegt. Sei dazu g unsere <strong>Lie</strong>-Algebra <strong>und</strong> I ⊂ g ein auflösbares Ideal <strong>und</strong> V unsere<br />

einfache treue Darstellung. Nach dem Satz von <strong>Lie</strong> 1.3.26 gibt es v ∈ V ,<br />

v ≠ 0 mit Iv ⊂ Cv. Natürlich finden wir λ ∈ I ∗ mit Xv = λ(X)v ∀X ∈ I.<br />

Nach 1.3.28 ist dann V λ eine Unterdarstellung von V , <strong>und</strong> da sie nicht null ist,<br />

folgt V = V λ . Das Bild eines auflösbaren Ideals I ⊂ g unter einer einfachen<br />

Darstellung ρ : g → End C V in einem endlichdimensionalen Raum V liegt also<br />

stets in der Menge aller Vielfachen der Einheitsmatrix. Ist unsere Darstellung<br />

auch noch treu, so folgt dim I ≤ 1 <strong>und</strong> [I, g] = 0 <strong>und</strong> im Fall tr(ρ(I)|V ) = 0<br />

sogar I = 0.<br />

2.2 Tensorprodukte von <strong>Darstellungen</strong><br />

Lemma 2.2.1. Seien V, W zwei <strong>Darstellungen</strong> einer <strong>Lie</strong>-Algebra g. Durch die<br />

Vorschrift x(v⊗w) := xv⊗w+v⊗xw ∀x ∈ g wird V ⊗W zu einer Darstellung<br />

von g, der sogenannten Tensorprodukt-Darstellung.<br />

Beweis. Stures Nachrechnen. Eine gewisse Motivation mag [ML] 2.1.14 geben,<br />

wonach die Ableitung des Tensorpodukts zweier <strong>Darstellungen</strong> einer <strong>Lie</strong>gruppe<br />

das Tensorprodukt <strong>ihre</strong>r Ableitungen in obigem Sinne ist.<br />

Übung 2.2.2. Gegeben eine Darstellung V einer <strong>Lie</strong>-Algebra g ist die Operation<br />

g ⊗ V → V , x ⊗ v ↦→ xv ein Homomorphismus von <strong>Darstellungen</strong>. Weiter<br />

ist auch der <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>-Homomorphismus g → End k V ein Homomorphismus<br />

von <strong>Darstellungen</strong>, für die adjungierte Operation auf g <strong>und</strong> die durch 1.2.9 erklärte<br />

Operation auf End k V .<br />

33


Übung 2.2.3. Diejenigen Vektoren einer Darstellung V einer <strong>Lie</strong>-Algebra a, die<br />

in einem endlichdimensionalen a-stabilen Teilraum liegen, heißen auch die a-<br />

endlichen Vektoren von V . Man zeige: Ist V eine Darstellung einer endlichdimensionalen<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra g <strong>und</strong> a ⊂ g eine Unteralgebra, so bilden die a-<br />

endlichen Vektoren von V einen g-stabilen Teilraum. Statt g endlichdimensional<br />

brauchen wir sogar schwächer nur annehmen, daß g aus a-endlichen Vektoren<br />

besteht für die adjungierte Darstellung.<br />

Übung 2.2.4. Sind U, V, W <strong>Darstellungen</strong> einer <strong>Lie</strong>-Algebra g, so sind die kanonischen<br />

Isomorphismen von Vektorräumen<br />

Hom(U, Hom(V, W ))<br />

U ⊗ (V ⊗ W )<br />

∼<br />

→ Hom(U ⊗ V, W )<br />

∼<br />

→<br />

(U ⊗ V ) ⊗ W<br />

Isomorphismen von <strong>Darstellungen</strong>. Nimmt man im ersten Isomorphismus auf beiden<br />

Seiten die g-Invarianten, so folgen unmittelbar die “Adjunktionsisomorphismen”<br />

Mod g (U, Hom(V, W )) ∼ → Mod g (U ⊗ V, W ). Aus diesen Isomorphismen<br />

folgert man die Verträglichkeit der <strong>Lie</strong>algebrenoperation mit vielen anderen kanonischen<br />

Abbildungen. Zum Beispiel sind für U, V, W, X <strong>Darstellungen</strong> einer<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra g die kanonischen Abbildungen “Verknüpfen von Abbildungen” <strong>und</strong><br />

“Tensorieren von Abbildungen”<br />

Hom(U, V ) ⊗ Hom(V, W ) → Hom(U, W )<br />

Hom(U, V ) ⊗ Hom(W, X) → Hom(U ⊗ W, V ⊗ X)<br />

stets Homomorphismen von <strong>Darstellungen</strong>.<br />

Koordinatenfreier Beweis zum Casimir-Operator. Wir können den Casimir-Operator<br />

C b zu einer invarianten nicht ausgearteten Bilinearform b auf unserer <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra auch schreiben als die Verknüpfung von Homomorphismen von <strong>Darstellungen</strong><br />

V → g ⊗ g ∗ ⊗ V → g ⊗ g ⊗ V → V<br />

wo die einzelnen Abbildungen wie folgt erklärt sind: Die erste Abbildung wird<br />

induziert von k → End k (g) ∼ = g ⊗ g ∗ , 1 ↦→ id ↦→ ∑ x i ⊗ x ∗ i , falls x ∗ 1, . . . , x ∗ n<br />

die duale Basis ist zu einer Basis x 1 , . . . , x n von g. Die zweite Abbildung wird<br />

induziert von der inversen Abbildung zu g → g ∗ , y ↦→ b( , y), x i ↦→ x ∗ i . Da unsere<br />

Bilinearform invariant ist, muß diese Abbildung auch ein Homomorphismus von<br />

<strong>Darstellungen</strong> sein. Die dritte Abbildung entsteht durch zweimaliges Anwenden<br />

der Operation g ⊗ V → V , x ⊗ v ↦→ xv. Als Verknüpfung von Homomorphismen<br />

von <strong>Darstellungen</strong> muß dann auch C b ein Homomorphismus von <strong>Darstellungen</strong><br />

sein.<br />

34


Übung 2.2.5 (Clebsch-Gordan). Man zeige, daß die <strong>Darstellungen</strong> L(m) ⊗ L(n)<br />

<strong>und</strong> Hom(L(m), L(n)) von sl(2; C) isomorph sind zu<br />

L(m + n) ⊕ L(m + n − 2) ⊕ . . . ⊕ L(|m − n|)<br />

Hinweis: Man betrachte die Dimensionen der h-Eigenräume.<br />

Beispiel 2.2.6. Man kann L(2) erhalten, indem man von der Standarddarstellung<br />

E = R 3 der Drehgruppe SO(3) ausgeht <strong>und</strong> diese ableitet <strong>und</strong> komplexifiziert zu<br />

einer Darstellung E C der komplexifizierten <strong>Lie</strong>algebra so(3; C), die ja bekanntlich<br />

isomorph ist zu sl(2; C). Die vorherige Übung zusammen mit [ML] 2.1.17<br />

sagt, daß die Räume von SO(3)-Verflechtungsoperatoren E C ⊗ E C → E C <strong>und</strong><br />

E C ⊗ E C → C jeweils eindimensional sind. Daraus folgt leicht, daß auch die<br />

Räume von Verflechtungsoperatoren E ⊗ E → E <strong>und</strong> E ⊗ E → R jeweils eindimensional<br />

sein müssen. In der Tat wissen wir aus [LA2] 1.6.25 <strong>und</strong> [LA2] 1.2.4,<br />

daß das Kreuzprodukt <strong>und</strong> das Skalarprodukt Erzeuger der jeweiligen Räume von<br />

Verflechtungsoperatoren sind.<br />

Übung 2.2.7. Ist g eine <strong>Lie</strong>-Algebra <strong>und</strong> Ω ∈ g ⊗ g ein g-invarianter Tensor,<br />

so definiert Ω für beliebige <strong>Darstellungen</strong> M, N von g einen Endomorphismus<br />

Ω ∈ End g (M ⊗ N).<br />

Ergänzende Übung 2.2.8. Sei V ein endlichdimensionaler Vektorraum. Auf End V<br />

haben wir die Spurform (x, y) ↦→ tr(xy). Der zugehörige “Casimir” Ω V ∈ End V ⊗<br />

End V im Sinne von 2.2.7 liefert als Endomorphismus von V ⊗ V gerade die Vertauschung<br />

der Tensorfaktoren.<br />

Ergänzende Übung 2.2.9. Gegeben eine Darstellung V einer <strong>Lie</strong>-Algebra <strong>und</strong><br />

r ≥ 0 gibt es genau eine Operation der <strong>Lie</strong>-Algebra auf der äußeren Potenz ∧r V<br />

derart, daß die Projektion V ⊗r ↠ ∧r V ein Homomorphismus von <strong>Darstellungen</strong><br />

ist. Gegeben eine Darstellung V einer <strong>Lie</strong>-Algebra <strong>und</strong> r ≥ 0 gibt es genau eine<br />

Operation der <strong>Lie</strong>-Algebra auf der symmetrischen Potenz S r V derart, daß die<br />

Projektion V ⊗r ↠ S r V ein Homomorphismus von <strong>Darstellungen</strong> ist.<br />

2.3 Jordan-Zerlegung in halbeinfachen <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong><br />

2.3.1. In diesem Abschnitt wird die Jordan-Zerlegung in halbeinfachen <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong><br />

eingeführt. Gilt es Verwechslungen zu vermeiden, so nennen wir sie die “absolute<br />

Jordan-Zerlegung” im Gegensatz zur “konkreten Jordan-Zerlegung” von Endomorphismen<br />

endlichdimensionaler Vektorräume, wie wir sie in [LA2] 3.4.1 betrachtet<br />

hatten. Im folgenden bezeichnet x = x s + x n stets diese konkrete Jordan-<br />

Zerlegung von x ∈ End V .<br />

Satz 2.3.2 (Jordan-Zerlegung in halbeinfachen <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>). Sei g eine halbeinfache<br />

komplexe <strong>Lie</strong>-Algebra.<br />

35


1. Jedes x ∈ g besitzt genau eine Zerlegung x = s + n mit ad(s) diagonalisierbar,<br />

ad(n) nilpotent <strong>und</strong> [s, n] = 0. Diese Zerlegung nennen wir im<br />

folgenden die absolute Jordan-Zerlegung von x in g;<br />

2. Ist ρ : g → gl(V ) eine endlichdimensionale Darstellung <strong>und</strong> x = s + n die<br />

absolute Jordan-Zerlegung von x in g, so ist ρ(x) = ρ(s)+ρ(n) die konkrete<br />

Jordan-Zerlegung von ρ(x) in End V . In Formeln gilt also ρ(s) = ρ(x) s <strong>und</strong><br />

ρ(n) = ρ(x) n ;<br />

3. Ist φ : g → g ′ ein Homomorphismus von g in eine weitere halbeinfache<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra g ′ <strong>und</strong> x = s + n die absolute Jordan-Zerlegung von x in g, so<br />

ist φ(x) = φ(s) + φ(n) die absolute Jordan-Zerlegung von φ(x) in g ′ .<br />

2.3.3. Teil 2 des vorhergehenden Satzes besagt, daß die absolute <strong>und</strong> die konkrete<br />

Jordan-Zerlegung in allen Zweifelsfällen übereinstimmen. Sobald der Satz bewiesen<br />

ist, dürfen wir es uns also erlauben, ohne weitere Spezifizierung einfach von<br />

der Jordan-Zerlegung zu reden. Im folgenden Beweis sind die Begriffe “halbeinfach”<br />

<strong>und</strong> “nilpotent” <strong>und</strong> “halbeinfacher Anteil” <strong>und</strong> “nilpotenter Anteil” stets<br />

im konkreten Sinne zu verstehen, also im Sinne von Endomorphismen endlichdimensionaler<br />

Vektorräume. Ihre auf Elemente abstrakter <strong>Lie</strong>algebren übertragene<br />

Bedeutung wird erst im Anschluß eingeführt. Dem eigentlichen Beweis des Satzes<br />

schicken wir zwei Lemmata voraus.<br />

Lemma 2.3.4. Jedes halbeinfache Ideal einer endlichdimensionalen komplexen<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra besitzt ein Vektorraumkomplement, das auch ein Ideal ist.<br />

2.3.5. Unter einem halbeinfachen Ideal einer <strong>Lie</strong>-Algebra verstehen wir hierbei<br />

ein Ideal, das als <strong>Lie</strong>-Algebra halbeinfach ist.<br />

Beweis. Sei D unsere <strong>Lie</strong>-Algebra <strong>und</strong> g ⊂ D unser halbeinfaches Ideal. Wir<br />

betrachten bezüglich der Killing-Form κ von D das orthogonale Komplement I<br />

von g, d.h. den Kern der Abbildung D → g ∗ , x ↦→ κ(x, ). So ist I ⊂ D ein Ideal<br />

<strong>und</strong> die Killing-Form von D verschwindet identisch auf g ∩ I. Da g ∩ I ein Ideal<br />

von g ist, muß es nach 1.5.15 halbeinfach sein <strong>und</strong> mit 1.5.10 folgt g ∩ I = 0.<br />

Dann erhalten wir jedoch mit Dimensionsbetrachtungen sofort D = g ⊕ I.<br />

Lemma 2.3.6. Sei V ein endlichdimensionaler komplexer Vektorraum <strong>und</strong> g ⊂<br />

gl(V ) eine halbeinfache Unteralgebra. Ist x = x s + x n die konkrete Jordan-<br />

Zerlegung eines Elements x ∈ g, so haben wir x s , x n ∈ g.<br />

Beweis. Wir betrachten in gl(V ) den Teilraum D = {y ∈ gl(V ) | Es gilt [y, g] ⊂<br />

g <strong>und</strong> für jede g-Unterdarstellung W ⊂ V haben wir yW ⊂ W sowie tr(y| W ) =<br />

0}. Nach Lemma 1.4.4 über die Jordan-Zerlegung von d x <strong>und</strong> der Funktorialität<br />

der Jordanzerlegung [LA2] 3.4.6 folgt aus y ∈ D schon y s , y n ∈ D. Es reicht<br />

36


also, D = g zu zeigen. Offensichtlich ist D eine Unteralgebra von gl(V ). Wegen<br />

g = [g, g] <strong>und</strong> da die Spur eines Kommutators stets verschwindet gilt g ⊂ D,<br />

<strong>und</strong> wegen der ersten Bedingung an Elemente von D ist g ⊂ D sogar ein Ideal.<br />

Nach 2.3.4 finden wir dann ein Ideal I ⊂ D mit D = g ⊕ I <strong>und</strong> insbesondere<br />

[g, I] = 0. Also operiert y ∈ I auf jeder g-Unterdarstellung W ⊂ V durch einen<br />

g-Endomorphismus. Für W einfach ist also y| W ein Skalar, <strong>und</strong> mit tr(y| W ) = 0<br />

folgt y| W = 0. Da V nach dem Satz von Weyl 2.1.6 direkte Summe einfacher<br />

g-Unterdarstellungen ist, folgt weiter y = 0, mithin I = 0 <strong>und</strong> D = g.<br />

Beweis von 2.3.2. 1. Man betrachte die konkrete Jordan-Zerlegung ad x = (ad x) s +<br />

(ad x) n von ad x in End g. Nach Lemma 2.3.6 angewandt auf ad g ⊂ gl(g) gibt<br />

es s, n ∈ g mit ad s = (ad x) s , ad n = (ad x) n . Das liefert die Existenz einer<br />

absoluten Jordan-Zerlegung x = s + n. Ist andererseits x = s + n eine absolute<br />

Jordan-Zerlegung von x in g, so ist notwendig ad x = ad s + ad n die konkrete<br />

Jordan-Zerlegung von ad x in End g. Das zeigt die Eindeutigkeit.<br />

2. Sei ρ : g → gl(V ) eine endlichdimensionale Darstellung. Sicher kommutiert<br />

das Diagramm<br />

g <br />

ρ(g) gl(V )<br />

g<br />

ad g x<br />

ρ(g) <br />

ad ρ(g) ρ(x)<br />

gl(V )<br />

ad gl ρ(x)<br />

mit der Abkürzung ad gl(V ) = ad gl . Nach der Funktorialität der konkreten Jordan-<br />

Zerlegung [LA2] 3.4.5 bleibt dies Diagramm kommutativ, wenn wir von allen Vertikalen<br />

den halbeinfachen Anteil nehmen im Sinne der konkreten Jordan-Zerlegung.<br />

Ebenso bleibt es natürlich kommutativ, wenn wir überall statt x unser s aus seiner<br />

absoluten Jordan-Zerlegung x = s + n einsetzen. Die beiden so entstehenden<br />

Diagramme haben per definitionem dieselbe linke Vertikale (ad g x) s = ad g s <strong>und</strong><br />

damit auch dieselbe mittlere Vertikale. Das liefert die erste Gleichung einer Gleichungskette<br />

ad ρ(g) ρ(s) = (ad ρ(g) ρ(x)) s = ad ρ(g) (ρ(x) s )<br />

Deren zweite Gleichung folgt daraus, daß ja der halbeinfache Anteil der rechten<br />

Vertikale unseres Diagramms nach unseren allgemeinen Überlegungen in 1.4.4<br />

gegeben wird durch (ad gl ρ(x)) s = ad gl (ρ(x) s ), woraus ja durch Einschränkung<br />

unter unserer zweiten Horizontalen Injektion folgt (ad ρ(g) ρ(x)) s = ad ρ(g) (ρ(x) s ).<br />

Da schließlich ad ρ(g) : ρ(g) ↩→ gl(ρ(g)) eine Injektion ist, folgt aus unserer Gleichungskette<br />

dann wie gewünscht ρ(s) = ρ(x) s .<br />

3. Sei φ : g → g ′ ein Homomorphismus von halbeinfachen <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> <strong>und</strong> sei<br />

x ∈ g gegeben mit Jordan-Zerlegung x = s + n. Betrachten wir die adjungierte<br />

Darstellung ad g ′ : g ′ → gl(g ′ ) von g ′ , so folgt aus 2 angewandt auf ρ = ad g ′ ◦φ<br />

37


schon ad g ′ φ(s) halbeinfach sowie ad g ′ φ(n) nilpotent. Die anderen Bedingungen<br />

φ(x) = φ(s) + φ(n) <strong>und</strong> [φ(s), φ(n)] = 0 für die Jordan-Zerlegung sind aber<br />

offensichtlich ebenfalls erfüllt.<br />

Definition 2.3.7. Ein Element x einer <strong>Lie</strong>-Algebra g heißt ad-halbeinfach bzw.<br />

ad-nilpotent genau dann, wenn ad x ∈ End g halbeinfach bzw. nilpotent ist. Bei<br />

halbeinfachen <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> nennen wir diese Elemente auch oft kürzer nur halbeinfach<br />

bzw. nilpotent. Bei der Jordan-Zerlegung x = s + n nennt man s bzw. n<br />

den halbeinfachen Anteil bzw. den nilpotenten Anteil von x.<br />

2.3.8. Wie man schon im Fall g = sl(n; C) sieht, sind “die meisten” Elemente<br />

einer halbeinfachen <strong>Lie</strong>-Algebra halbeinfach. Die nilpotenten Elemente <strong>ihre</strong>rseits<br />

bilden eine abgeschlossene Teilmenge hoher Kodimension, den sogenannten nilpotenten<br />

Kegel. Wir werden die äußerst interessante Geometrie des nilpotenten<br />

Kegels später noch ausführlich studieren.<br />

Übung 2.3.9. Sei g eine halbeinfache komplexe <strong>Lie</strong>-Algebra. Gegeben kommutierende<br />

Elemente x, y ∈ g mit [x, y] = 0 gilt (x + y) s = x s + y s <strong>und</strong> (x + y) n =<br />

x n + y n .<br />

Übung 2.3.10. Man zeige, daß jede halbeinfache komplexe <strong>Lie</strong>algebra auch reguläre<br />

halbeinfache Elemente besitzt. Hinweis: 1.1.10. Leser mit Gr<strong>und</strong>kenntnissen<br />

in algebraischer Geometrie zeigen das allgemeiner über jedem algebraisch abgeschlossenen<br />

Körper der Charakteristik Null.<br />

Vorschau 2.3.11. An der Geometrie der adjungierten Bahnen im nilpotenten Kegel<br />

wird noch geforscht, vergleiche zum Beispiel [Som03].<br />

2.4 Wurzelraumzerlegung<br />

2.4.1. Ich erinnere die simultane Eigenraumzerlegung aus [LA2] 3.3.25. Sei genauer<br />

V ein Vektorraum <strong>und</strong> T → End V ein endlichdimensionaler Untervektorraum<br />

seines Endomorphismenraums, der aus diagonalisierbaren <strong>und</strong> paarweise<br />

kommutierenden Abbildungen besteht. So besitzt V unter T eine “simultane Eigenraumzerlegung”<br />

V = ⊕ λ∈T ∗ V λ<br />

in die “simultanen Eigenräume” V λ = {v ∈ V | xv = λ(x)v ∀x ∈ T }. Diese<br />

Aussage gilt offensichtlich analog, wenn wir allgemeiner eine lineare Abbildung<br />

T → End V betrachten, deren Bild die entsprechenden Eigenschaften hat. Die<br />

Menge P(V ) = {λ ∈ T ∗ | V λ ≠ 0} heißt dann die Menge der Gewichte, französisch<br />

poids, von V <strong>und</strong> V λ heißt der Gewichtsraum zu λ.<br />

38


Beispiel 2.4.2. Wir betrachten in der <strong>Lie</strong>-Algebra g = gl(n; k) die Unteralgebra<br />

h ⊂ g aller Diagonalmatrizen. So ist das Bild von ad g : h → End g ein Untervektorraum<br />

von paarweise kommutierenden diagonalisierbaren Endomorphismen<br />

von g <strong>und</strong> simultane Diagonalisierbarkeit 2.4.1 liefert eine Zerlegung<br />

g = ⊕ λ∈h ∗ g λ mit g λ = {x ∈ g | [h, x] = λ(h)x ∀h ∈ h}<br />

Für h = diag(h 1 , . . . , h n ) in h <strong>und</strong> E ij die Standardmatrix mit einer 1 in der i-<br />

ten Zeile <strong>und</strong> j-ten Spalte <strong>und</strong> Nullen sonst haben wir offensichtlich [h, E ij ] =<br />

(h i − h j )E ij . Erklären wir also ε i ∈ h ∗ als diejenige Linearform, die einer Diagonalmatrix<br />

<strong>ihre</strong>n i-ten Diagonaleintrag zuordnet, so ergibt sich<br />

[h, E ij ] = ( (ε i − ε j )(h) ) E ij<br />

<strong>und</strong> damit P (g) = {ε i − ε j | 1 ≤ i, j ≤ n}. Wir haben also g 0 = h <strong>und</strong> unter<br />

der Annahme char k ≠ 2 sind die anderen Gewichtsräume die Geraden kE ij mit<br />

i ≠ j.<br />

Definition 2.4.3. Eine Unteralgebra h ⊂ g einer komplexen halbeinfachen <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra g heißt eine Cartan’sche Unteralgebra genau dann, wenn h abelsch ist<br />

<strong>und</strong> nur aus halbeinfachen Elementen von g besteht <strong>und</strong> maximal ist bezüglich<br />

Inklusion unter allen Unteralgebren von g, die diese beiden Eigenschaften haben.<br />

Übung 2.4.4. In der <strong>Lie</strong>-Algebra sl(n; C) bilden die Diagonalmatrizen eine Cartan’sche<br />

Unteralgebra.<br />

Ergänzung 2.4.5. Im allgemeinen versteht man unter einer Cartan’schen Unteralgebra<br />

einer beliebigen endlichdimensionalen <strong>Lie</strong>-Algebra eine nilpotente Unteralgebra,<br />

die ihr eigener “Normalisator” ist. Mehr dazu wird in 2.6 diskutiert.<br />

Ergänzung 2.4.6. Eine <strong>Lie</strong>-Algebra, die nur aus ad-halbeinfachen Elementen besteht,<br />

ist stets abelsch: Sonst gäbe es nämlich x mit ad x ≠ 0, also gäbe es y ≠ 0<br />

<strong>und</strong> λ ≠ 0 mit (ad x)(y) = λy, es folgte (ad y)(x) ≠ 0 aber (ad y) 2 (x) = 0, <strong>und</strong><br />

dann könnte y nicht ad-halbeinfach sein.<br />

Definition 2.4.7 (Wurzelraumzerlegung). Sei g eine komplexe halbeinfache <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra <strong>und</strong> h ⊂ g eine Cartan’sche Unteralgebra. Wir benutzen die in unserer<br />

Theorie übliche Notation λ(h) = 〈λ, h〉 für λ ∈ h ∗ , h ∈ h. Nach 2.4.1 gilt<br />

g = ⊕ λ∈h<br />

g ∗ λ mit g λ = {x ∈ g | [h, x] = 〈λ, h〉x ∀h ∈ h}. Wir setzen<br />

<strong>und</strong> haben also eine Zerlegung<br />

R = R(g, h) := {α ∈ h ∗ | α ≠ 0 <strong>und</strong> g α ≠ 0}<br />

g = g 0 ⊕ ⊕ α∈R<br />

g α<br />

39


Die endliche Teilmenge R ⊂ h ∗ heißt das Wurzelsystem (französisch système<br />

de racines, englisch root system) von g bezüglich h, seine Elemente heißen die<br />

Wurzeln <strong>und</strong> die simultanen Eigenräume g α heißen die Wurzelräume.<br />

Ergänzung 2.4.8. Die Terminologie rührt daher, daß die Eigenwerte eines Endomorphismus<br />

die Wurzeln seines charakteristischen Polynoms sind.<br />

2.4.9. Insbesondere ist hier g 0 genau der Zentralisator g 0 = z g (h) = {x ∈ g |<br />

[h, x] = 0 ∀h ∈ h} von h in g.<br />

Beispiel 2.4.10 (Typ A n ). Ist g die <strong>Lie</strong>-Algebra g = sl(n; C) <strong>und</strong> h ⊂ g die Unteralgebra<br />

aller Diagonalmatrizen mit Spur Null <strong>und</strong> bezeichnet weiter ε i : h → C<br />

die Linearform, die einer Diagonalmatrix <strong>ihre</strong>n i-ten Diagonaleintrag zuordnet,<br />

so haben wir R(g, h) = {ε i − ε j | i ≠ j} <strong>und</strong> g 0 = h <strong>und</strong> g α = CE ij für<br />

α = ε i − ε j ∈ R. Man beachte jedoch, daß die ε 1 , . . . , ε n nicht linear unabhängig<br />

sind in h ∗ , denn h besteht ja nur aus Diagonalmatrizen mit Spur Null <strong>und</strong> hat<br />

mithin die Dimension dim h = n − 1.<br />

Satz 2.4.11 (über die Wurzelraumzerlegung). Sei g eine halbeinfache komplexe<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra, h ⊂ g eine Cartan’sche <strong>und</strong> R := R(g, h) ⊂ h ∗ das Wurzelsystem.<br />

Gegeben λ ∈ h ∗ verwenden wir wie zuvor für den zugehörigen simultanen Eigenraum<br />

die Notation g λ = {x ∈ g | [h, x] = 〈λ, h〉x ∀h ∈ h}.<br />

1. Unsere Cartan’sche ist ihr eigener Zentralisator, in Formeln g 0 = h;<br />

2. Alle Wurzelräume sind eindimensional <strong>und</strong> es gibt sogar für jede Wurzel<br />

α ∈ R einen injektiven Homomorphismus sl(2; C) ↩→ g von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong><br />

mit<br />

C( 0 0 1 0) ∼ → g α , C( 0 1 0 0) ∼ → g −α <strong>und</strong> C( 1 0<br />

0<br />

−1) ∼ → [g α , g −α ] ⊂ h;<br />

3. Das Negative einer Wurzel ist stets eine Wurzel, aber kein anderes Vielfaches<br />

einer Wurzel ist wieder eine Wurzel. In Formeln gilt für jede Wurzel<br />

α ∈ R demnach Cα ∩ R = {α, −α};<br />

4. Für je zwei Wurzeln α, β ∈ R mit α + β ∈ R gilt [g α , g β ] = g α+β .<br />

2.4.12. Wir zeigen die verschiedenen Teile dieses Satzes der Reihe nach, unterbrochen<br />

durch einige Lemmata. Teil 4 wird im Beweis von 2.4.16 mit erledigt.<br />

Lemma 2.4.13. 1. Es gilt [g λ , g µ ] ⊂ g λ+µ ∀λ, µ ∈ h ∗ ;<br />

2. Für die die Killing-Form κ von g gilt κ(g λ , g µ ) = 0 falls λ ≠ −µ;<br />

3. Die Einschränkung der Killingform κ auf g 0 ist nicht ausgeartet.<br />

40


Beweis. Aus [h, x] = λ(h)x <strong>und</strong> [h, y] = µ(h)y folgt mit der Jacobi-Identität<br />

[h, [x, y]] = (λ(h) + µ(h))[x, y]. Das zeigt Teil 1. Aus x ∈ g λ , y ∈ g µ folgt für<br />

jedes ν ∈ h ∗ nach dem ersten Teil ((ad x)(ad y))(g ν ) ⊂ g ν+λ+µ . Falls λ + µ ≠ 0<br />

ist also ((ad x)(ad y)) nilpotent <strong>und</strong> es folgt tr((ad x)(ad y)) = κ(x, y) = 0 <strong>und</strong><br />

damit Teil 2. Für z ∈ g 0 gilt schließlich schon mal κ(z, g α ) = 0 ∀α ∈ R nach<br />

Teil 2. Gilt auch noch κ(z, g 0 ) = 0, so folgt κ(z, g) = 0 <strong>und</strong> damit z = 0 nach<br />

1.5.10.<br />

Beweis von 2.4.11.1. Sei x ∈ g 0 <strong>und</strong> sei x = s + n seine Jordan-Zerlegung in<br />

g. Da nach der Funktorialität der Jordan-Zerlegung [LA2] 3.4.5 auch ad g s =<br />

(ad g x) s <strong>und</strong> ad g n = (ad g x) n auf h verschwinden, enthält g 0 mit x auch die<br />

halbeinfachen <strong>und</strong> nilpotenten Anteile s <strong>und</strong> n von x. Aufgr<strong>und</strong> der Maximalität<br />

von h <strong>und</strong> da die Summe zweier kommutierender halbeinfacher Elemente auch<br />

selbst wieder halbeinfach ist, liegt der halbeinfache Anteil s jedes Elements x aus<br />

dem Zentralisator g 0 von h sogar schon selbst in h. Damit ist g 0 nilpotent, denn für<br />

jedes x ∈ g 0 ist ad x = ad n : g 0 → g 0 nilpotent auf g 0 <strong>und</strong> wir können den Satz<br />

von Engel 1.3.21 auf die <strong>Lie</strong>-Algebra g 0 anwenden. Mit dem Satz von <strong>Lie</strong> oder<br />

genauer seinem Korollar 1.3.30 folgt, daß in einer geeigneten Basis von g alle<br />

ad g x für x ∈ g 0 durch obere Dreiecksmatrizen gegeben werden. Ist nun z ∈ g 0<br />

gegeben mit ad g z nilpotent, so muß ad g z in dieser Basis sogar eine echte obere<br />

Dreiecksmatrix sein. Es folgt κ(z, g 0 ) = 0 <strong>und</strong> damit z = 0 nach Lemma 2.4.13.<br />

Also besteht g 0 aus ad g -halbeinfachen Elementen, <strong>und</strong> wir wissen ja bereits seit<br />

dem Anfang des Beweises, daß alle ad g -halbeinfachen Elemente von g 0 bereits in<br />

h liegen.<br />

Lemma 2.4.14. Für jede Wurzel α ∈ R gilt dim[g α , g −α ] = 1 <strong>und</strong> α verschwindet<br />

nicht auf der Gerade [g α , g −α ] ⊂ h.<br />

Beweis. Seien x ∈ g α , y ∈ g −α <strong>und</strong> h ∈ h. So gilt<br />

κ(h, [x, y]) = κ([h, x], y) = α(h)κ(x, y)<br />

oder anders ausgedrückt [g α , g −α ] ⊥ ⊃ ker α, wo das orthogonale Komplement<br />

bezüglich der Restriktion der Killing-Form auf h zu verstehen ist. Da diese Restriktion<br />

nach 2.4.13 nicht ausgeartet ist, folgt dim[g α , g −α ] ≤ 1. Können wir<br />

zusätzlich zeigen, daß es x ∈ g α <strong>und</strong> y ∈ g −α gibt mit α([x, y]) ≠ 0, so sind wir<br />

fertig. Andernfalls aber würden x, y <strong>und</strong> [x, y] stets eine nilpotente, mithin auflösbare<br />

Unteralgebra von g aufspannen. In einer geeigneten Basis von g würden<br />

nach dem Satz von <strong>Lie</strong> 1.3.30 also ad g x <strong>und</strong> ad g y, durch obere Dreiecksmatrizen<br />

dargestellt, ja sogar durch echte obere Dreiecksmatrizen, da sie nilpotent sind. Es<br />

folgte κ(x, y) = 0 für alle x ∈ g α <strong>und</strong> y ∈ g −α im Widerspruch zu 2.4.13.<br />

41


Definition 2.4.15. Sei g eine halbeinfache komplexe <strong>Lie</strong>-Algebra <strong>und</strong> h ⊂ g eine<br />

Cartan’sche. Wir definieren für jede Wurzel α ∈ R(g, h) die Kowurzel<br />

α ∨ ∈ h<br />

durch die Bedingungen α ∨ ∈ [g α , g −α ] <strong>und</strong> 〈α, α ∨ 〉 = 2.<br />

Beweis von 2.4.11.2&3. Aus der Definition folgt sofort (−α) ∨ = −α ∨ . Natürlich<br />

finden wir stets x ∈ g α , y ∈ g −α mit [x, y] = α ∨ , <strong>und</strong> dann gilt [α ∨ , x] = 2x <strong>und</strong><br />

[α ∨ , y] = −2y, da ja ganz allgemein gilt [h, x] = α(h)x für alle h ∈ h <strong>und</strong> ähnlich<br />

für y. Somit spannen x, α ∨ , y eine zu sl(2; C) isomorphe Unteralgebra g α von g<br />

auf, ja es gibt einen Isomorphismus von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> sl(2; C) ∼ → g α mit<br />

( 0 0 1 0) ↦→ x, ( 0 1 0 0) ↦→ y <strong>und</strong> ( 1 0<br />

0<br />

−1) ↦→ α ∨ .<br />

Vermittels ad g wird g eine endlichdimensionale Darstellung von g α . Nach der<br />

Definition von α ∨ ist Cα ∨ ⊕ ⊕ t≠0 g tα darin eine Unterdarstellung, <strong>und</strong> diese zerfällt<br />

nach dem Satz von Weyl 2.1.6 in g α <strong>und</strong> ein Komplement V . Da α ∨ auf<br />

V ⊕ t≠0 g tα durch eine invertierbare Abbildung operiert, da in anderen Worten<br />

sein Null-Eigenraum verschwindet, folgt mit unserem Satz 1.2.14 über einfache<br />

<strong>Darstellungen</strong> der <strong>Lie</strong>-Algebra sl(2; C) aus V ≠ 0 schon, daß der Eins-Eigenraum<br />

von α ∨ nicht verschwindet, in Formeln g α/2 ≠ 0 alias α/2 ∈ R. Für alle Wurzeln<br />

α mit der Eigenschaft α/2 ∉ R gelten also 2 <strong>und</strong> 3, <strong>und</strong> damit gelten sie<br />

notwendig für alle Wurzeln.<br />

Satz 2.4.16 (Eigenschaften des Wurzelsystems). Seien g eine halbeinfache <strong>Lie</strong>algebra,<br />

h ⊂ g eine Cartan’sche Unteralgebra <strong>und</strong> R = R(g, h) ⊂ h ∗ das Wurzelsystem.<br />

Für jede Wurzel α bezeichne α ∨ die zugehörige Kowurzel.<br />

1. Für alle α, β ∈ R gilt 〈β, α ∨ 〉 ∈ Z <strong>und</strong> β − 〈β, α ∨ 〉α ∈ R;<br />

2. Die Menge R aller Wurzeln spannt h ∗ auf.<br />

Beweis. 1. Wir betrachten für jede Wurzel β ≠ ±α den Teilraum T = ⊕ i∈Z g β+iα<br />

von g. Er ist eine g α -Unterdarstellung von g, alle Eigenräume g β+iα von α ∨ sind<br />

höchstens eindimensional nach 2.4.11.2, <strong>und</strong> α ∨ operiert auf g β+iα durch den Eigenwert<br />

〈β, α ∨ 〉 + 2i. Aus der Darstellungstheorie von sl(2; C) ∼ = g α wissen wir<br />

nach 1.2.14 aber schon, daß h = ( 1 0<br />

0 −1) alias α ∨ auf einer endlichdimensionalen<br />

Darstellung nur ganzzahlige Eigenwerte haben kann <strong>und</strong> daß mit n auch −n<br />

ein Eigenwert sein muß. Insbesondere ist 〈β, α ∨ 〉 ganzzahlig <strong>und</strong> der Eigenwert<br />

−〈β, α ∨ 〉 kommt auch vor, d.h. der Wurzelraum g β+iα mit i = −〈β, α ∨ 〉 ist nicht<br />

Null.<br />

Eingeschobener Beweis von 2.4.11.4. Da alle Eigenräume von α ∨ in unserem T<br />

42


von eben eindimensional sind <strong>und</strong> da die Eigenwerte entweder alle gerade oder alle<br />

ungerade sind, muß T sogar eine einfache Darstellung von g α ∼ = sl(2; C) sein.<br />

Aus unserer expliziten Beschreibung dieser einfachen <strong>Darstellungen</strong> in 1.2.14<br />

folgt dann [g α , g β ] = g α+β falls gilt α, β, α + β ∈ R <strong>und</strong> damit 2.4.11.4.<br />

2. Es reicht zu zeigen, daß gilt ⋂ α∈R<br />

ker α = 0. Sei also h ∈ h gegeben mit<br />

α(h) = 0 ∀α ∈ R. So gilt [h, g α ] = 0 für alle α ∈ R, <strong>und</strong> da eh gilt [h, h] = 0,<br />

ergibt sich h ∈ z(g) <strong>und</strong> damit h = 0, da das Zentrum einer halbeinfachen <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra Null ist.<br />

2.4.17. Sei V ein Vektorraum über einem Körper k der Charakteristik Null. Eine<br />

Teilmenge R ⊂ V heißt wie in [SPW] 2.1.1 ein abstraktes Wurzelsystem oder<br />

präziser ein abstraktes reduziertes Wurzelsystem oder kurz Wurzelsystem genau<br />

dann, wenn die folgenden drei Bedingungen erfüllt sind:<br />

1. Die Menge R ist endlich, erzeugt V , <strong>und</strong> enthält nicht den Nullvektor;<br />

2. Für jede Wurzel α ∈ R gibt es s : V → V linear mit s(α) = −α, s(R) ⊂ R<br />

<strong>und</strong> s(β) − β ∈ Zα ∀β ∈ R;<br />

3. Außer <strong>ihre</strong>m Negativen ist kein Vielfaches einer Wurzel wieder eine Wurzel,<br />

für jedes α ∈ R gilt also kα ∩ R ⊂ {α, −α}.<br />

2.4.18. Insbesondere bilden die Wurzeln einer halbeinfachen komplexen <strong>Lie</strong>algebra<br />

bezüglich einer Cartan’schen stets ein abstraktes Wurzelsystem im Dualraum<br />

der besagten Cartan’schen: Als die in der Definition geforderten Spiegelungen<br />

können wir nach 2.4.16 die Abbildungen s : β ↦→ β − 〈β, α ∨ 〉α nehmen. Unsere<br />

dritte Forderung in der Definition eines Wurzelsystems ist gerade 2.4.11.3.<br />

Satz 2.4.19 (Klassifikation der halbeinfachen <strong>Lie</strong>algebren). Ordnen wir jeder<br />

komplexen halbeinfachen <strong>Lie</strong>algebra g den Dualraum einer Cartan’schen h ⊂ g<br />

zu mitsamt dem zugehörigen Wurzelsystem R(g, h) ⊂ h ∗ , so erhalten wir eine<br />

Bijektion auf Isomorphieklassen<br />

{<br />

Komplexe<br />

halbeinfache <strong>Lie</strong>algebren<br />

}<br />

∼<br />

→<br />

{<br />

Komplexe<br />

abstrakte Wurzelsysteme<br />

g ↦→ R(g, h) ⊂ h ∗<br />

2.4.20. Zunächst zeigen wir in 2.5.5, daß die Abbildung im Satz insoweit wohldefiniert<br />

ist, als je zwei Cartan’sche zu isomorphen Wurzelsystemen führen. Die<br />

Injektivität <strong>und</strong> Surjektivität werden erst in 5.4.10 als Korollar von 5.4.3 gezeigt<br />

werden.<br />

}<br />

43


2.4.21. Derselbe Satz gilt mit demselben Beweis, wenn wir statt über den komplexen<br />

Zahlen über einem beliebigen algebraisch abgeschlossenen Gr<strong>und</strong>körper<br />

der Charakteristik Null arbeiten.<br />

Übung 2.4.22. Die Kowurzeln α ∨ spannen h auf. Bezeichnet h Q den von den<br />

Kowurzeln über Q aufgespannten Teilraum von h, so gilt dim Q h Q = dim C h.<br />

Bezeichnet (h ∗ ) Q den von den Wurzeln über Q aufgespannten Teilraum von h ∗ ,<br />

so gilt dim Q (h ∗ ) Q = dim C h ∗ <strong>und</strong> das Einschränken identifiziert (h ∗ ) Q mit dem<br />

Dualraum (h Q ) ∗ von h Q , so daß wir ohne Mehrdeutigkeiten fürchten zu müssen<br />

schlicht h ∗ Q schreiben dürfen. Hinweis: 2.4.25.<br />

Übung 2.4.23 (Positivität der Killingform auf Kowurzeln). Sei g eine halbeinfache<br />

komplexe <strong>Lie</strong>-Algebra <strong>und</strong> h ⊂ g eine Cartan’sche. Bezeichne h Q den<br />

von allen Kowurzeln über Q aufgespannten Teilraum von h. Für h, t ∈ h Q gilt<br />

κ(h, t) ∈ Q. Weiter ist κ positiv definit auf h Q , also κ(h, h) ≤ 0 ⇒ h = 0.<br />

2.4.24. Sei g eine halbeinfache <strong>Lie</strong>-Algebra <strong>und</strong> h ⊂ g eine Cartan’sche <strong>und</strong><br />

α ∈ h ∗ eine Wurzel. Für x α ∈ g α <strong>und</strong> y α ∈ g −α mit [x α , y α ] = α ∨ folgt aus<br />

dem Beginn des Beweises von 2.4.14 leicht κ(x α , y α ) = κ(α ∨ , α ∨ )/2. Da hier<br />

die rechte Seite positiv <strong>und</strong> rational ist nach 2.4.23, gilt für beliebige x ∈ g α <strong>und</strong><br />

y ∈ g −α immer noch [x, y] ∈ κ(x, y)Q >0 α ∨ .<br />

Übung 2.4.25. Seien k ⊂ K Körper. Sei V ein K-Vektorraum, R ⊂ V ein endliches<br />

Erzeugendensystem von V <strong>und</strong> L ⊂ V ∗ ein endliches Erzeugendensystem<br />

seines Dualraums. Gilt 〈λ, α〉 ∈ k für alle λ ∈ L <strong>und</strong> α ∈ R, so haben wir<br />

dim k 〈R〉 k = dim K V = dim k 〈L〉 k für die Erzeugnisse von R bzw. L über k <strong>und</strong><br />

die Einschränkung identifiziert 〈L〉 k mit dem Dualraum von 〈R〉 k .<br />

Übung 2.4.26. Sei R = R(g, h) das Wurzelsystem einer komplexen halbeinfachen<br />

<strong>Lie</strong>algebra. Für Wurzeln α, β ∈ R mit α ≠ ±β ist {i ∈ Z | β + iα ∈ R} ein<br />

Intervall in Z.<br />

Übung 2.4.27 (Typ C n ). Die <strong>Lie</strong>-Algebra sp(2n; C) besteht nach 1.1.28 aus allen<br />

Blockmatrizen ( A<br />

) B<br />

C D<br />

mit A ⊤ = −D, B ⊤ = B <strong>und</strong> C ⊤ = C. Darin bilden die Diagonalmatrixen<br />

diag(h 1 , . . . , h n , −h 1 , . . . , −h n ) eine Cartan’sche h. Bezeichnet ε i : h → C die<br />

Abbildung, die einer Matrix <strong>ihre</strong>n i-ten Diagonaleintrag zuordnet, so bilden die ε i<br />

für 1 ≤ i ≤ n eine Basis von h ∗ <strong>und</strong> wir erhalten als Wurzelsystem<br />

R = {±ε i ± ε j | 1 ≤ i, j ≤ n}\0<br />

Erzeuger der Wurzelräume sind die Matrizen mit A = −D ⊤ = E ij für i ≠ j <strong>und</strong><br />

B = C = 0, mit B = E ij + E ji <strong>und</strong> C = A = D = 0 sowie analog mit C statt B.<br />

44


Übung 2.4.28 (Typ D n ). Die <strong>Lie</strong>-Algebra so(2n; C) wie sie in 1.1.17 definiert<br />

wurde besteht aus allen Blockmatrizen derselben Gestalt wie in der vorhergehenden<br />

Übung mit A ⊤ = −D, B ⊤ = −B <strong>und</strong> C ⊤ = −C. Darin bilden die<br />

Diagonalmatrixen diag(h 1 , . . . , h n , −h 1 , . . . , −h n ) eine Cartan’sche h. Bezeichnet<br />

ε i : h → C die Abbildung, die einer Matrix <strong>ihre</strong>n i-ten Diagonaleintrag zuordnet,<br />

so bilden die ε i für 1 ≤ i ≤ n eine Basis von h ∗ <strong>und</strong> wir erhalten als<br />

Wurzelsystem<br />

R = {±ε i ± ε j | 1 ≤ i < j ≤ n}<br />

Erzeuger der Wurzelräume sind die Matrizen mit A = −D ⊤ = E ij für i ≠ j <strong>und</strong><br />

B = C = 0, mit B = E ij − E ji <strong>und</strong> C = A = D = 0 sowie analog mit C statt B.<br />

Übung 2.4.29 (Typ B n ). Die <strong>Lie</strong>-Algebra so(2n+1; C) wie sie in 1.1.17 definiert<br />

wurde besteht aus allen Blockmatrizen<br />

⎛ ⎞<br />

a u v<br />

⎝w A B⎠<br />

s C D<br />

mit a = 0, u ⊤ = −s, v ⊤ = −w, A ⊤ = −D, B ⊤ = −B <strong>und</strong> C ⊤ = −C. Eine<br />

Cartan’sche h bilden die Diagonalmatrizen diag(0, h 1 , . . . , h n , −h 1 , . . . , −h n )<br />

<strong>und</strong> erklären wir Linearformen ε i : h → C durch die Vorschrift, daß sie einer Matrix<br />

<strong>ihre</strong>n (i + 1)-ten Diagonaleintrag zuordnen, so so bilden die ε i für 1 ≤ i ≤ n<br />

eine Basis von h ∗ <strong>und</strong> wir erhalten als Wurzelsystem<br />

R = {±ε i ± ε j | 1 ≤ i < j ≤ n} ∪ {±ε i | 1 ≤ i ≤ n}<br />

2.5 Konjugiertheit von Cartan’schen<br />

Definition 2.5.1. Ein Endomorphismus δ einer abelschen Gruppe V heißt lokal<br />

nilpotent genau dann, wenn es für jedes v ∈ V ein N ∈ N gibt mit δ N v = 0. Ist<br />

V ein Vektorraum über einem Körper der Charakteristik Null, so definieren wir<br />

für δ : V → V lokal nilpotent eine lineare Abbildung exp δ : V → V durch die<br />

Exponentialreihe<br />

(exp δ)(v) := ∑ n≥0<br />

δ n v<br />

n!<br />

= v + δv + δ2 v<br />

2 + δ3 v<br />

+ . . .<br />

3!<br />

Lemma 2.5.2 (Exponential lokal nilpotenter Endomorphismen). Seien Vektorräume<br />

V, W über einem Körper der Charakteristik Null gegeben.<br />

1. Für 0 ∈ End V haben wir stets exp(0) = id. Sind weiter δ <strong>und</strong> δ ′ kommutierende<br />

lokal nilpotente Endomorphismen von V , so ist auch δ + δ ′ lokal<br />

nilpotent <strong>und</strong> es gilt exp(δ + δ ′ ) = (exp δ) ◦ (exp δ ′ ). Insbesondere gilt<br />

exp(−δ) = (exp δ) −1 ;<br />

45


2. Ein kommutatives Diagramm<br />

V<br />

δ<br />

<br />

V<br />

f<br />

f<br />

W<br />

W<br />

δ ′<br />

mit lokal nilpotenten Vertikalen bleibt kommutativ, wenn wir auf beide Vertikalen<br />

exp anwenden. Insbesondere haben wir für f invertierbar die Identität<br />

exp(fδf −1 ) = f(exp δ)f −1 ;<br />

3. Ist δ : V → V nilpotent, so ist auch die zugehörige transponierte Abbildung<br />

δ ⊤ : V ∗ → V ∗ nilpotent <strong>und</strong> es gilt exp(δ ⊤ ) = (exp δ) ⊤ .<br />

Beweis. Bleibt dem Leser überlassen. Man benutze für die erste Aussage die Identität<br />

exp(x + y) = (exp x)(exp y) im Ring der formalen Potenzreihen in zwei<br />

Veränderlichen mit Koeffizienten in Q. Man beachte auch, daß der letzte Punkt<br />

für nur lokal nilpotentes δ nicht mehr gilt.<br />

Lemma 2.5.3 (Exponential von Derivationen). Gegeben k ein Körper der Charakteristik<br />

Null, A eine k-Algebra <strong>und</strong> δ : A → A eine lokal nilpotente Derivation<br />

von A ist exp(δ) ein <strong>Algebren</strong>automorphismus von A.<br />

2.5.4. Gegeben ein ad-nilpotentes Element x einer endlichdimensionalen <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra über einem Körper der Charakteristik Null ist insbesondere exp(ad x)<br />

stets ein <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>-Automorphismus.<br />

Beweis. Bezeichne m : A ⊗ A → A die Multiplikation in unserer Algebra. Ist δ<br />

eine Derivation, so kommutiert das Diagramm<br />

δ⊗id + id ⊗δ<br />

m<br />

A ⊗ A −−−→ A<br />

⏐<br />

⏐<br />

↓<br />

A ⊗ A<br />

⏐<br />

↓δ<br />

m<br />

−−−→ A<br />

Ist δ lokal nilpotent, so auch δ ⊗ id + id ⊗ δ. Unser Diagramm kommutiert dann<br />

auch noch, wenn wir exp auf beide vertikalen Abbildungen anwenden. Da δ ⊗ id<br />

<strong>und</strong> id ⊗δ kommutieren, folgt exp(δ ⊗ id + id ⊗δ) = exp(δ ⊗ id) ◦ exp(id ⊗δ) =<br />

exp δ ⊗ exp δ.<br />

Satz 2.5.5 (Konjugiertheit von Cartan’schen). Gegeben eine halbeinfache komplexe<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra g mit zwei Cartan’schen h, k ⊂ g gibt es stets einen Automorphismus<br />

σ ∈ Aut g mit σ(h) = k.<br />

46


2.5.6. Wir geben für diesen Satz zwei Beweise. Der Erste funktioniert über jedem<br />

algebraisch abgeschlossenen Gr<strong>und</strong>körper der Charakteristik Null, setzt aber<br />

Kenntnisse in algebraischer Geometrie voraus. Der Zweite funktioniert funktioniert<br />

nur über dem Körper der komplexen Zahlen <strong>und</strong> ist weniger übersichtlich,<br />

benötigt aber weniger Vorkenntnisse. In noch größerer Allgemeinheit wird der<br />

Satz in 2.6.6 bewiesen.<br />

2.5.7. Der Beweis zeigt sogar, daß je zwei Cartan’sche konjugiert sind unter der<br />

Gruppe G ⊂ Aut g von Automorphismen unserer <strong>Lie</strong>algebra, die von den exp(ad x)<br />

mit x ∈ g ad-nilpotent erzeugt wird.<br />

Beweis. Das Komplement der Kerne aller Wurzeln in einer Cartan’schen h heißt<br />

der “reguläre Anteil” der besagten Cartan’schen <strong>und</strong> wird notiert als<br />

⋃<br />

h reg := h\ ker α<br />

α∈R(g,h)<br />

Sicher ist h reg Zariski-offen in h. Offensichtlich gilt h = ker(ad h : g → g) für<br />

alle h ∈ h reg . Die Abbildung<br />

g α × . . . × g β × h reg → g<br />

(x, . . . , y, h) ↦→ exp(ad x) . . . exp(ad y)h<br />

mit dem Produkt über alle Wurzeln in einer beliebigen, aber für diesen Beweis fest<br />

gewählten Reihenfolge hat nun surjektives, ja bijektives Differential an allen Tupeln<br />

der Gestalt (0, . . . , 0, h). Nach dem differentiellen Dominanzkriterium [KA]<br />

4.4.17 umfaßt folglich das Bild unserer Abbildung eine Zariski-offene nichtleere<br />

Teilmenge von g. Analoges gilt für unsere zweite Cartan’sche k. Folglich treffen<br />

sich die zugehörigen Bilder <strong>und</strong> wir finden h ∈ h reg , k ∈ k reg <strong>und</strong> σ, τ ∈ G mit<br />

σ(h) = τ(k) alias τ −1 σ : h ↦→ k. Daraus folgt aber sofort (τ −1 σ)(h) = k.<br />

Beweis im Komplexen ohne algebraische Geometrie. Sei g unsere halbeinfache<br />

komplexe <strong>Lie</strong>algebra <strong>und</strong><br />

r := min{dim C (ker(ad x)) | x ∈ g}<br />

Nach Übung [AN2] 6.4.17 zu Nullstellen polynomialer Funktionen <strong>und</strong> [LA1]<br />

4.4.6 ist g reg := {x ∈ g | dim C (ker(ad x)) = r} offen <strong>und</strong> dicht in g, diesmal<br />

für die analytische Topologie. Wie bei unserem ersten Beweis sehen wir, diesmal<br />

mit dem Umkehrsatz [AN2] 7.1.2, daß andererseits für jede Cartan’sche h ⊂ g<br />

die Menge Gh reg offen ist in g. Mithin trifft g reg eine Konjugierte jeder Cartan’schen<br />

<strong>und</strong> damit dann auch jede Cartan’sche h. Es folgt sofort r = dim C h<br />

<strong>und</strong> g reg ∩ h = h reg . Nun ist das charakteristische Polynom χ(ad x) ∈ C[T ] für<br />

47


alle x ∈ g durch T r teilbar. Die Diskriminante D nach [AL] 2.8.18 des Quotienten<br />

χ(ad x)/T r−1 ist dann eine polynomiale Funktion auf g, die bei h ∈ h genau<br />

dann von Null verschieden ist, wenn die Werte der Wurzeln α(h) für α ∈ R<br />

paarweise verschieden <strong>und</strong> alle nicht Null sind. Diese Funktion D ist also nicht<br />

identisch Null auf g. Andererseits folgt aus D(x) ≠ 0 schon x = x s , denn die<br />

Eigenräume von x s zu von Null verschiedenen Eigenwerten sind für derartige x<br />

eindimensional <strong>und</strong> aus x ≠ x s folgte ker(ad x) (ker(ad x s )) im Widerspruch<br />

zu dim(ker(ad x s )) = r. Das Komplement der Nullstellenmenge von D ist demnach<br />

die Vereinigung über alle Cartan’schen h der Mengen<br />

h pv<br />

reg := {h ∈ h reg | Die Werte der Wurzeln auf h sind paarweise verschieden}<br />

Derselbe Beweis wie zuvor zeigt nun, daß auch Gh pv<br />

reg stets offen ist in g. Gegeben<br />

zwei Cartan’sche h, k mit Gh pv<br />

reg ∩ Gk pv<br />

reg ≠ ∅ folgern wir jedoch wie bei unserem<br />

ersten Beweis, daß es σ ∈ G gibt mit σh = k <strong>und</strong> daß insbesondere gilt Gh pv<br />

reg =<br />

Gk pv<br />

reg. Mithin zerfällt {x ∈ g | D(x) ≠ 0} als die disjunkte Vereinigung der<br />

offenen Teilmengen Gh pv<br />

reg, wenn wir h über ein Repräsentantensystem für die G-<br />

Konjugationsklassen von Cartan’schen laufen lassen, <strong>und</strong> da das Komplement der<br />

Nullstellenmenge von D nach [AN2] 6.4.17 zusammenhängend ist, kann es nur<br />

eine derartige Konjugationsklasse geben.<br />

Ergänzende Übung 2.5.8 (Reguläre Elemente in Cartan’schen). Sei g eine halbeinfache<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra über jedem algebraisch abgeschlossenen Gr<strong>und</strong>körper der<br />

Charakteristik Null, h ⊂ g eine Cartan’sche <strong>und</strong> R := R(g, h) ⊂ h ∗ das Wurzelsystem.<br />

Man zeige, daß die Elemente von h, die im Sinne von 1.1.10 regulär sind<br />

in g, genau die Elemente von h sind, auf denen keine Wurzel verschwindet. Hinweis:<br />

2.3.10. Man zeige weiter, daß die regulären halbeinfachen Elemente eine<br />

Zariski-offene Teilmenge von g bilden.<br />

2.6 Cartan’sche in allgemeinen <strong>Lie</strong>algebren**<br />

2.6.1. Seien g ⊃ h eine <strong>Lie</strong>algebra mit einer Unteralgebra. Der Normalisator<br />

von h in g ist die Unteralgebra<br />

N g (h) := {x ∈ g | [x, h] ⊂ h}<br />

Natürlich ist der Normalisator wieder eine Unteralgebra <strong>und</strong> per definitionem ist<br />

h ein Ideal in N g (h). Genauer ist der Normalisator von h die größte Unteralgebra<br />

von g, die h als Ideal umfaßt.<br />

Definition 2.6.2. Sei g eine <strong>Lie</strong>-Algebra. Eine Unteralgebra h ⊂ g heißt eine<br />

Cartan’sche genau dann, wenn sie nilpotent <strong>und</strong> selbstnormalisierend alias ihr<br />

eigener Normalisator ist.<br />

48


Ergänzung 2.6.3 (Cartan’sche <strong>und</strong> Erweiterung des Gr<strong>und</strong>körpers). Beide Eigenschaften<br />

bleiben erhalten <strong>und</strong> sichtbar unter einer beliebigen Erweiterung des<br />

Gr<strong>und</strong>körpers. Ist also k ⊂ K eine Körpererweiterung <strong>und</strong> g eine <strong>Lie</strong>-Algebra<br />

über k <strong>und</strong> h ⊂ g ein Untervektorraum, so ist h ⊂ g eine Cartan’sche genau dann,<br />

wenn h ⊗ k K ⊂ g ⊗ k K eine Cartan’sche ist.<br />

2.6.4. Sei g endlichdimensionale <strong>Lie</strong>algebra. Wir setzen<br />

r = rang(g) := min{dim ker(ad x) | x ∈ g}<br />

<strong>und</strong> nennen diese Zahl der Rang unserer <strong>Lie</strong>algebra. Die Elemente x ∈ g, an<br />

denen das Minimum angenommen wird, heißen seit 1.1.10 regulär. Die regulären<br />

Elemente bilden stets eine Zariski-offene Teilmenge g reg ⊂◦ g.<br />

2.6.5. Sei g endlichdimensionale <strong>Lie</strong>algebra. Wir setzen<br />

s = s(g) := min{dim Hau(ad x; 0) | x ∈ g}<br />

Diejenigen Elemente x ∈ g, an denen das Minimum angenommen wird, heißen<br />

generisch. Die generischen Elemente bilden stets eine Zariski-offene Teilmenge<br />

g gen ⊂◦ g. Sie bilden sogar spezieller das Komplement der Nullstellenmenge einer<br />

von Null verschiedenen polynomialen Funktion, nämlich derjenigen Funktion, die<br />

jedem x ∈ g den Koeffizienten von T s des charakteristischen Polynoms von ad x<br />

zuordnet.<br />

Satz 2.6.6 (Existenz <strong>und</strong> Eindeutigkeit von Cartan’schen). 1. Jede endlichdimensionale<br />

<strong>Lie</strong>algebra über einem Körper der Charakteristik Null besitzt<br />

Cartan’sche Unteralgebren, <strong>und</strong> diese sind genau die Haupträume zum Eigenwert<br />

Null Hau(ad x; 0) für generische x;<br />

2. In einer endlichdimensionalen <strong>Lie</strong>algebra über einem algebraisch abgeschlossenen<br />

Körper der Charakteristik Null sind je zwei Cartan’sche konjugiert<br />

unter <strong>ihre</strong>r Automorphismengruppe, ja unter der von den exp(ad c)<br />

für Elemente c mit nilpotentem ad c erzeugten Untergruppe G der Automorphismengruppe.<br />

Beweis. 1. Wir kürzen Hau(ad x; λ) = : g x λ ab <strong>und</strong> zeigen zunächst, daß im<br />

Fall eines Gr<strong>und</strong>körpers k der Charakteristik Null der Hauptraum zum Eigenwert<br />

Null g x 0 für jedes generische Element x eine Cartan’sche ist. Ohne Beschränkung<br />

der Allgemeinheit dürfen wir uns auf den Fall eines algebraisch abgeschlossenen<br />

Gr<strong>und</strong>körpers k zurückziehen. Für alle λ, µ gilt nach 1.1.31 sicher [g x λ , gx µ] ⊂<br />

g x λ+µ . Also ist unser Hauptraum zum Eigenwert Null eine Unteralgebra. Sein Normalisator<br />

muß auch in Haupträume unter ad x zerfallen <strong>und</strong> besteht offensichtlich<br />

nur aus g x 0 selber. Nun zeigen wir, daß g x 0 auch noch eine nilpotente <strong>Lie</strong>algebra ist.<br />

49


Sei nämlich n ⊂ g x 0 eine nilpotente Unteralgebra maximal möglicher Dimension,<br />

die x enthält. So verfeinert die simultane Hauptraumzerlegung zu ad g n aus 1.3.34<br />

die Hauptraumzerlegung von ad x. Hätten wir dabei<br />

Hau(ad g n; 0) g x 0<br />

<strong>und</strong> wären λ 1 , . . . , λ r ∈ n ∗ die von Null verschiedenen simultanen Eigenwerte<br />

alias Gewichte von g unter der adjungierten Operation von n, so fänden wir y ∈ n<br />

mit λ 1 (y) ≠ 0, . . . , λ r (y) ≠ 0 <strong>und</strong> es folgte<br />

dim Hau(ad y; 0) < dim Hau(ad x; 0)<br />

im Widerspruch zu x generisch. Mithin operiert n durch nilpotente Endomorphismen<br />

auf g x 0/n. Ist dieser Raum nicht Null, so gibt es nach Satz 1.3.1 über<br />

<strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> aus nilpotenten Endomorphismen ein Element z ∈ g x 0 mit z ∉ n<br />

aber [z, n] ⊂ n. Also ist m := kz + n eine auflösbare <strong>Lie</strong>-Algebra. Seien nun<br />

0 = µ 0 , . . . , µ t ∈ m ∗ die Charaktere der einfachen Subquotienten von g als<br />

Darstellung der auflösbaren <strong>Lie</strong>-Algebra m. Wir listen sie nicht mit <strong>ihre</strong>r Vielfachheit,<br />

die µ j seien also paarweise verschieden. Wegen [z, z] = 0 kommt der<br />

Nullcharakter vor <strong>und</strong> wir dürfen in der Tat µ 0 = 0 annehmen. Sicher gibt es<br />

y ∈ m mit µ 1 (y) ≠ 0, . . . , µ t (y) ≠ 0. Sicher hat ad y dann keinen Eigenwert<br />

Null auf g x λ für λ ≠ 0. Hätte es aber einen Eigenwert ungleich Null auf gx 0, so<br />

gälte dim Hau(ad y; 0) < dim Hau(ad x; 0) im Widerspruch zu x generisch. Mithin<br />

wäre auch m eine nilpotente <strong>Lie</strong>algebra, im Widerspruch zur Maximalität von<br />

n. Die verbleibende Aussage von Teil 1 wird erst im Anschluß an den Bewis von<br />

Teil 2 gezeigt.<br />

2. Sei h ⊂ g eine Cartan’sche. Sicher zerfällt g unter der adjungierten Operation<br />

von h in simultane Eigenräume. Seien α, . . . , β ∈ h ∗ die von Null verschiedenen<br />

simultanen Eigenwerte. Wir setzen<br />

h gen := {h ∈ h | α(h) ≠ 0, . . . , β(h) ≠ 0}<br />

Sicher ist das eine Zariski-offene nichtleere Teilmenge von h <strong>und</strong> für alle h ∈ h gen<br />

gilt g h 0 = h. Weiter hat die Abbildung<br />

g α × . . . × g β × h gen → g<br />

(x, . . . , y, h) ↦→ exp(ad x) . . . exp(ad y)h<br />

mit dem Produkt über alle von Null verschiedenen Eigenwerte in einer beliebigen,<br />

aber für diesen Beweis fest gewählten Reihenfolge surjektives, ja bijektives<br />

Differential an allen Tupeln der Gestalt (0, . . . , 0, h). Nach dem differentiellen<br />

Dominanzkriterium [KA] 4.4.17 umfaßt folglich das Bild unserer Abbildung<br />

50


eine Zariski-offene nichtleere Teilmenge von g. Da die Dimension des (ad z)-<br />

Hauptraums zum Eigenwert Null für alle Elemente z dieser Teilmenge dieselbe<br />

sein muß, besteht sie notwendig aus generischen Elementen. Insbesondere besteht<br />

h gen aus generischen Elementen. Ist k ⊂ g eine weitere Cartan’sche, so folgt<br />

ebenso, daß Gk gen Zariski-offen ist. Folglich haben Gk gen <strong>und</strong> Gh gen nichtleeren<br />

Schnitt. Mithin gibt es h ∈ h gen <strong>und</strong> σ ∈ G mit gh ∈ k gen . Dann folgt aber<br />

σ(Hau(ad h; 0)) = (Hau(ad σ(h); 0)) alias σh = k.<br />

Nun können wir auch den Beweis von Teil 1 zu Ende bringen: Jede Cartan’sche<br />

besitzt nämlich generische Elemente, wie man nach Übergang zu einem algebraischen<br />

Abschluß <strong>und</strong> Herunterschneiden auf die ursprüngliche Cartan’sche nunmehr<br />

leicht einsieht.<br />

2.7 Bezug zu algebraischen Gruppen*<br />

Übung 2.7.1. Für jede <strong>Lie</strong>-Algebra L <strong>und</strong> jedes Element x ∈ L ist ad x eine<br />

Derivation von L <strong>und</strong> die Menge ad(L) ⊂ Der k L ist ein <strong>Lie</strong>-Ideal. Genauer gilt<br />

sogar [δ, ad x] = ad(δx) ∀δ ∈ Der k L, x ∈ L.<br />

2.7.2. Gegeben eine <strong>Lie</strong>-Algebra L heißen <strong>ihre</strong> Derivationen der Gestalt ad(x)<br />

auch <strong>ihre</strong> inneren Derivationen. Sie sind infinitesimale Analoga der inneren Automorphismen<br />

einer Gruppe.<br />

Proposition 2.7.3 (Innere Derivationen halbeinfacher <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>). Ist L eine<br />

halbeinfache <strong>Lie</strong>-Algebra über einem Körper der Charakteristik Null, so ist<br />

ad : L → Der k L ein Isomorphismus von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>.<br />

Beweis. Das einzige Problem ist nachzuweisen, daß diese Abbildung surjektiv ist.<br />

Da L ∼ = ad L halbeinfach ist, kann die Restriktion der Killingform κ D von D :=<br />

Der k L auf ad L nicht entarten. Ist also I ⊂ D das orthogonale Komplement von<br />

ad L unter der Killingform κ D , so gilt I ∩ad L = 0 <strong>und</strong> folglich D = I ⊕ad L mit<br />

Dimensionsbetrachtungen. Da nach 2.7.1 beide Ideale sind, folgt [I, ad L] = 0,<br />

also [δ, ad x] = ad(δx) = 0 ∀δ ∈ I, x ∈ L, also δx = 0 ∀δ ∈ I, x ∈ L <strong>und</strong> damit<br />

I = 0 wie gewünscht.<br />

Satz 2.7.4 (Adjungierte Gruppe einer halbeinfachen <strong>Lie</strong>algebra). Gegeben eine<br />

halbeinfache <strong>Lie</strong>algebra g über einem algebraisch abgeschlossenen Körper<br />

der Charakteristik Null ist die Einskomponente <strong>ihre</strong>r Automorphismengruppe<br />

(Aut g) ◦ ⊂ GL(g)<br />

die eindeutig bestimmte zusammenhängende abgeschlossene Untergruppe mit <strong>Lie</strong>algebra<br />

ad(g). Sie wird erzeugt von den Automorphismen exp(ad x) mit nilpotenten<br />

x ∈ g.<br />

51


2.7.5. Gegeben eine halbeinfache <strong>Lie</strong>-Algebra g über einem algebraisch abgeschlossenen<br />

Körper der Charakteristik Null heißt die Einskomponente (Aut g) ◦<br />

<strong>ihre</strong>r Automorphismengruppe auch die adjungierte Gruppe. Im Allgemeinen definiert<br />

man die “adjungierte Gruppe” einer <strong>Lie</strong>algebra als die größte zusammenhängende<br />

abgeschlossene Untergruppe G ⊂ GL(g), deren <strong>Lie</strong>algebra in ad(g)<br />

enthalten ist.<br />

Beweis. Die Eindeutigkeit ist klar nach [AAG] 3.9.1, da wir ja in Charakteristik<br />

Null sind. Nach [AAG] 3.2.17 <strong>und</strong> 2.7.3 gilt weiter sicher <strong>Lie</strong>(Aut g) ⊂<br />

Der k g = ad(g). Andererseits erzeugen die Automorphismen exp(ad x) mit nilpotenten<br />

x ∈ g aber nach dem Satz [AAG] 2.2.5 über irreduzibles Erzeugen eine<br />

zusammenhängende abgeschlossene Untergruppe von Aut g, die nach 2.4.14 <strong>und</strong><br />

2.4.22 bereits die richtige <strong>Lie</strong>algebra haben muß.<br />

Beispiel 2.7.6. Sei k ein Körper der Charakteristik Null. Gegeben x ∈ gl(n; k)<br />

können wir schreiben ad x = (x·) − (·x), <strong>und</strong> da die Linksmultiplikation kommutiert<br />

mit der Rechtsmultiplikation, folgt für nilpotentes x <strong>und</strong> beliebiges y sofort<br />

(exp(ad x))(y) = (exp x)y(exp x) −1<br />

Man überlegt sich nun ohne große Schwierigkeiten, daß die exp x für x ∈ sl(n; k)<br />

nilpotent die Gruppe SL(n; k) ⊂ GL(n; k) erzeugen, ja diese Gruppe wird sogar<br />

schon erzeugt von allen exp(aE ij ) mit a ∈ k <strong>und</strong> i ≠ j. Die adjungierte Gruppe<br />

der <strong>Lie</strong>-Algebra g = sl(n; k) ist mithin das Bild des Gruppenhomomorphismus<br />

Ad : SL(n; k) → GL(sl(n; k)), der einer Matrix A ∈ SL(n; k) die Konjugation<br />

mit A zuordnet, d.h. die Abbildung Ad(A) : g → g, y ↦→ AyA −1 .<br />

Ergänzung 2.7.7 (Halbeinfachkeit von Gruppen <strong>und</strong> <strong>ihre</strong>n <strong>Lie</strong>algebren). Die<br />

adjungierte Gruppe einer halbeinfachen <strong>Lie</strong>-Algebra über einem algebraisch abgeschlossenen<br />

Körper der Charakteristik Null ist halbeinfach im Sinne von [AAG]<br />

4.6.2. In der Tat hätte sie sonst einen nichttrivialen zusammenhängenden abelschen<br />

Normalteiler, <strong>und</strong> dessen <strong>Lie</strong>-Algebra wäre nach [AAG] 3.2.28 ein nichttriviales<br />

abelsches Ideal von ad g. Wir folgern, daß jede affine algebraische Gruppe<br />

G mit halbeinfacher <strong>Lie</strong>-Algebra g bereits selbst halbeinfach sein muß, denn <strong>ihre</strong><br />

adjungierte Darstellung induziert einen Homomorphismus Ad : G → Aut g,<br />

dessen Differential beim neutralen Element bijektiv ist.<br />

Ergänzung 2.7.8 (Maximale Tori <strong>und</strong> Cartan’sche Unteralgebren). Gegeben G<br />

eine halbeinfache affine algebraische Gruppe über einem algebraisch abgeschlossenen<br />

Körper der Charakteristik Null induziert das Bilden der <strong>Lie</strong>-Algebra eine<br />

Bijektion<br />

{Maximale Tori in G}<br />

∼<br />

→ {Cartan’sche in <strong>Lie</strong> G}<br />

52


In der Tat besteht die <strong>Lie</strong>-Algebra eines maximalen Torus sich aus halbeinfachen<br />

<strong>und</strong> paarweise kommutierenden Elementen <strong>und</strong> ist ihr eigener Zentralisator, also<br />

maximal mit diesen Eigenschaften. Unsere Abbildung landet also schon mal, wo<br />

sie soll. Da beide Seiten aus einer einzigen G-Bahn bestehen, muß sie surjektiv<br />

sein. Da schließlich in Charakteristik Null zusammenhängenden Untergruppen<br />

nach [AAG] 3.9.1 bereits durch <strong>ihre</strong> <strong>Lie</strong>algebra eindeutig bestimmt werden, folgt<br />

auch die Injetivität.<br />

Ergänzung 2.7.9. Gegeben G ⊃ T eine halbeinfache affine algebraische Gruppe<br />

über einem algebraisch abgeschlossenen Körper der Charakteristik Null mit<br />

einem maximalen Torus <strong>und</strong> g ⊃ h <strong>ihre</strong> <strong>Lie</strong>algebren induziert die adjungierte<br />

Darstellung Ad : G → Aut g einen Isomorphismus auf den Weylgruppen<br />

W(G, T ) ∼ → W(R(g, h)) ⊂ GL(h ∗ ).<br />

Satz 2.7.10 (<strong>Darstellungen</strong> reduktiver Gruppen). (k = ¯k, char k = 0). Jede<br />

rationale Darstellung einer reduktiven algebraischen Gruppe in Charakteristik<br />

Null ist halbeinfach.<br />

Beweis. Wir beginnen mit dem Fall, daß unsere Gruppe zusammenhängend ist.<br />

Dann wird sie erzeugt von <strong>ihre</strong>m Zentrum, einer diagonalisierbaren Gruppe, <strong>und</strong><br />

<strong>ihre</strong>r derivierten Gruppe, einer halbeinfachen Gruppe. Unter dem Zentrum zerfällt<br />

unsere Darstellung in simultane Eigenräume, die <strong>ihre</strong>rseits unter der derivierten<br />

Gruppe stabil sind. Es reicht also, den Fall einer halbeinfachen Gruppe zu<br />

betrachten. Nun sind aber nach [AAG] 4.4.29 die Unterdarstellungen der Gruppe<br />

dieselben wie die Unterdarstellungen der <strong>Lie</strong>-Algebra, diese <strong>Lie</strong>-Algebra ist<br />

halbeinfach nach 2.7.7, <strong>und</strong> dann sind auch <strong>ihre</strong> endlichdimensionalen <strong>Darstellungen</strong><br />

halbeinfach nach dem Satz von Weyl 2.1.6. Ist unsere Gruppe G reduktiv<br />

aber nicht zusammenhängend, so finden wir zunächst nach dem bereits behandelten<br />

Fall in jeder endlichdimensionalen Darstellung V genau ein unter G ◦ stabiles<br />

Komplement des Teilraums V G◦ der G ◦ -Invarianten. Diese Zerlegung ist notwendig<br />

G-stabil, <strong>und</strong> in V G◦ finden wir nach dem Satz von Maschke [DM] 2.3.1<br />

angewandt auf die endliche Gruppe G/G ◦ auch ein G-stabiles Komplement des<br />

Teilraums V G der G-Invarianten. Nun können wir argumentieren wie bei der Herleitung<br />

des Satzes von Weyl in 2.1.12.<br />

2.8 Lemma von Schur für <strong>Lie</strong>algebren*<br />

Satz 2.8.1 (Lemma von Schur). Der Endomorphismenring einer irreduziblen<br />

Darstellung einer endlichdimensionalen <strong>Lie</strong>algebra über einem algebraisch abgeschlossenen<br />

Körper besteht nur aus den skalaren Vielfachen der Identität.<br />

2.8.2. Ist unser Körper überabzählbar, insbesondere also im Fall der komplexen<br />

Zahlen, kann man das direkt <strong>und</strong> einfacher aus [DM] 2.1.7 folgern. Man erhält<br />

53


dann die Aussage sogar noch allgemeiner für <strong>Lie</strong>algebren abzählbarer Dimension,<br />

vergleiche 2.1.4. Die hier als Satz 2.8.1 formulierte Version wird auch als Lemma<br />

von Quillen zitiert.<br />

Beweis. Sei k = ¯k unser algebraisch abgeschlossener Körper, g unsere <strong>Lie</strong>algebra<br />

<strong>und</strong> V unsere irreduzible Darstellung. Gegeben ein Endomorphismus unserer<br />

Darstellung a ∈ End g k V gilt es zu zeigen a ∈ k id V . Da wir k algebraisch abgeschlossen<br />

angenommen hatten, reicht es zu zeigen, daß a algebraisch ist über k.<br />

Nun können wir V nach 4.3.8 zu einem Modul über k[X] ⊗ k U(g) machen, indem<br />

wir X als a operieren lassen. Gegeben ein von Null verschiedener Vektor v ∈ V<br />

betrachten wir die Filtrierung von V durch die<br />

V ≤r := ( k[X] ⊗ k U(g) ≤r) v<br />

Offensichtlich ist dann der assoziierte graduierte Vektorraum gr V ein zyklischer<br />

graduierter Modul über dem Ring R := k[X] ⊗ k S(g), versehen mit der Graduierung,<br />

bei der S(g) die übliche Graduierung trägt, k[X] aber ganz im Grad Null<br />

konzentriert ist. In anderen Worten ist gr V ein Quotient unseres Rings nach einem<br />

geeigneten homogenen Ideal I. Nun wissen wir nach [KA] 5.1.33, daß der Ring<br />

R/I eine endliche Filtrierung durch homogene Ideale besitzt, deren Subquotienten<br />

jeweils bis auf Verschieben der Graduierung isomorph sind zu gewissen R/p i<br />

für homogene Primideale p i ⊂ R. Gehen wir zu einem geometrischen Bild über,<br />

so entsprechen die Primideale p i ⊂ R irreduziblen abgeschlossenen Teilmengen<br />

Y i ⊂ V Max R ∼ → k × g ∗<br />

Die Projektion jeder dieser irreduziblen abgeschlossenen Teilmengen auf die erste<br />

Koordinate besteht nun entweder nur aus einem Punkt, oder aber sie ist dicht. Ist<br />

f ∈ k[X] ein von Null verschiedenes Polynom, das an allen Stellen verschwindet,<br />

an denen eines unserer Y i in der Faser enthalten ist, so operiert k[X, f −1 ] torsionsfrei<br />

auf allen Lokalisierungen (R/p i ) f . Damit sind unsere (R/p i ) f sogar freie<br />

k[X, f −1 ]-Moduln, da <strong>ihre</strong> homogenen Komponenten jeweils endlich erzeugt sind<br />

über dem Hauptidealring k[X, f −1 ]. Dann ist auch (gr V ) f = (R/I) f ein freier<br />

k[X, f −1 ]-Modul <strong>und</strong> damit schließlich sogar auf V f . Würde nun f nicht durch<br />

Null auf V operieren, so müßte es auf dieser einfachen Darstellung durch einen<br />

Automorphismus operieren <strong>und</strong> wir hätten V f = V <strong>und</strong> das wäre ein von Null verschiedener<br />

freier Modul über k[X, f −1 ] im Widerspruch dazu, daß alle Elemente<br />

dieses Rings durch Automorphismen auf der einfachen Darstellung V operieren<br />

müssen. Folglich operiert f durch Null auf V , als da heißt, es gilt f(a) = 0 <strong>und</strong> a<br />

ist algebraisch über k.<br />

54


3 Wurzelsysteme <strong>und</strong> Spiegelungsgruppen<br />

An dieser Stelle werden einige allgemeine Aussagen über Wurzelsysteme benötigt,<br />

wie sie etwa in [SPW] alias [SPW] 1 folgende ausgeführt werden. Dieser<br />

gesamte Text mit Ausnahme der ∗-Abschnitte sollte an dieser Stelle behandelt<br />

werden. Ich habe ihn nur deshalb nicht an dieser Stelle eingeb<strong>und</strong>en, um deutlich<br />

zu machen, daß er auch als eigenständiger Text sinnvoll bleibt.<br />

55


Klassische <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>, Ausnahme-Isomorphismen <strong>und</strong> “Triality”.<br />

56


4 Einfache endlichdimensionale <strong>Darstellungen</strong><br />

4.1 Klassifikation durch das höchste Gewicht<br />

Definition 4.1.1. Sei h eine abelsche <strong>Lie</strong>-Algebra. Die Elemente des Dualraums<br />

h ∗ der heißen auch Gewichte. Für jede Darstellung V von h <strong>und</strong> jedes Gewicht<br />

λ ∈ h ∗ definiert man den Gewichtsraum V λ zum Gewicht λ als den Untervektorraum<br />

V λ := {v ∈ V | Hv = λ(H)v ∀H ∈ h}<br />

Gilt V λ ≠ 0, so heißt λ ein Gewicht von V . Die Menge aller Gewichte von V<br />

notieren wir<br />

P(V ) = P h (V ) := {λ ∈ h ∗ | V λ ≠ 0}<br />

mit P nach französisch “poids” für “Gewicht”.<br />

4.1.2 (Konsequenzen aus der Theorie abstrakter Wurzelsysteme). Seien g ⊃<br />

h eine halbeinfache <strong>Lie</strong>-Algebra über einem algebraisch abgeschlossenen Körper<br />

der Charakteristik Null mit einer Cartan’schen Unteralgebra. Fassen wir g auf als<br />

eine Darstellung von h vermittels der adjungierten Operation, so bilden die von<br />

Null verschiedenen Gewichte genau unser Wurzelsystem aus 2.4.7, in Formeln<br />

R = R(g, h) := P h (g)\0<br />

Der zu α ∈ R(g, h) gehörige Gewichtsraum ist unser Wurzelraum g α . Des weiteren<br />

ist die Teilmenge R ⊂ h ∗ nach 2.4.18 ein abstraktes Wurzelsystem im Sinne<br />

unserer Definition [SPW] 2.1.1. Insbesondere liefert uns 2.4.16 oder alternativ<br />

[SPW] 2.1.9 zu jeder Wurzel α eine Kowurzel α ∨ ∈ h sowie eine Wurzelspiegelung<br />

s α : h ∗ → h ∗ gegeben durch λ ↦→ λ − 〈λ, α ∨ 〉α <strong>und</strong> die durch diese<br />

Spiegelungen erzeugte sogenannte Weylgruppe, eine endliche Untergruppe<br />

W = W(R) ⊂ GL(h ∗ )<br />

Die Weylgruppe operiert als endliche Spiegelungsgruppe im Sinne von [SPW]<br />

1.1.4 auf dem Q-Spann 〈R〉 Q der Wurzeln. Die Theorie der Spiegelungsgruppen<br />

[SPW] 1.4.13 zeigt, daß sie frei <strong>und</strong> transitiv auf der Menge der Alkoven alias<br />

Weylkammern operiert, die <strong>ihre</strong>rseits als maximale konvexe Teilmengen im<br />

Komplement der Vereinigung der Spiegelhyperebenen erklärt werden. Die Theorie<br />

abstrakter Wurzelsysteme sagt uns, welche Teilmengen eines Wurzelsystems<br />

wir Systeme positiver Wurzeln nennen <strong>und</strong> welche Teilmengen Basen des Wurzelsystems,<br />

vergleiche [SPW] 2.2.2 <strong>und</strong> [SPW] 2.2.1. Weiter sagt diese Theorie<br />

uns, daß jedes System positiver Wurzeln R + ⊂ R genau eine Basis Π = Π(R + )<br />

umfaßt, deren Elemente die einfachen Wurzeln zu unserem System positiver<br />

Wurzeln heißen, <strong>und</strong> nach [SPW] 2.2.4 erhalten wir eine Bijektion zwischen der<br />

57


Menge aller Systeme positiver Wurzeln <strong>und</strong> der Menge aller Weylkammern oder<br />

englisch “Weyl chambers” durch die Vorschrift<br />

R + ↦→ C(R + ) := {λ | 〈λ, α ∨ 〉 > 0 ∀α ∈ R + }<br />

Die Weylkammer C(R + ) heißt die dominante Weylkammer zu unserem System<br />

von positiven Wurzeln R + , <strong>und</strong> die Spiegelungen an den zugehörigen einfachen<br />

Wurzeln aus π(R + ), auch genannt die einfachen Spiegelungen, sind dann genau<br />

die Spiegelungen an den Wänden der dominanten Kammer <strong>und</strong> erzeugen die<br />

Weylgruppe nach [SPW] 2.2.11. Die geometrische Erkenntnis, daß das Bild einer<br />

Kammer unter einer Spiegelung an einer <strong>ihre</strong>r Wände nur durch besagte Wand von<br />

<strong>ihre</strong>m Spiegelbild getrennt wird, übersetzt sich in die Erkenntnis [SPW] 2.2.5, daß<br />

für jede einfache Wurzel α ∈ Π(R + ) gilt<br />

s α (R + ) = R + \{α} ∪ {−α}<br />

Übung 4.1.3. Gegeben eine Darstellung V einer abelschen <strong>Lie</strong>algebra h <strong>und</strong> ein<br />

Gewicht λ ∈ h ∗ liefert das Auswerten bei 1 ∈ k λ einen Isomorphismus Mod h (k λ , V ) ∼ →<br />

V λ .<br />

Definition 4.1.4. Seien g ⊃ h eine halbeinfache komplexe <strong>Lie</strong>-Algebra mit einer<br />

Cartan’schen Unteralgebra <strong>und</strong> Wurzelsystem R := R(g, h). Für jedes System<br />

positiver Wurzeln R + ⊂ R definieren wir eine partielle Ordnung auf der Menge<br />

h ∗ aller Gewichte durch die Vorschrift<br />

λ ≥ µ ⇔ λ ∈ µ + |R + 〉<br />

Hier bezeichnet |R + 〉 getreu unserer allgemeinen Konvention [AL] 3.3.1 das von<br />

R + in h ∗ erzeugte Untermonoid. Ist V eine Darstellung von g, <strong>und</strong> gibt es bezüglich<br />

unserer partiellen Ordnung in der Menge P h (V ) der h-Gewichte oder kurz<br />

Gewichte von V ein größtes Element µ, so heißt µ das höchste Gewicht von V<br />

bezüglich R + <strong>und</strong> jeder von Null verschiedene Vektor aus V µ ein höchster Gewichtsvektor.<br />

4.1.5. Sei g ⊃ h eine halbeinfache komplexe <strong>Lie</strong>-Algebra mit einer Cartan’schen<br />

Unteralgebra <strong>und</strong> R + ⊂ R(g, h) ein System positiver Wurzeln. Es gibt durchaus<br />

von Null verschiedene unendlichdimensionale <strong>Darstellungen</strong> von g, die überhaupt<br />

keine h-Gewichte haben, in Formeln V ≠ 0 aber P h (V ) = ∅. Ein erstes Beispiel<br />

werden wir mit der Einhüllenden kennenlernen. Ebenso kann es auch passieren,<br />

daß P h (V ) zwar nicht leer ist, aber kein größtes Element hat. Wir werden jedoch<br />

sehen, daß einfache endlichdimensionale <strong>Darstellungen</strong> stets ein höchstes<br />

Gewicht haben, <strong>und</strong> daß sie sogar durch dieses höchste Gewicht klassifiziert werden.<br />

Genauer ist unser nächstes Ziel:<br />

58


Satz 4.1.6 (Klassifikation durch das höchste Gewicht). Seien g eine halbeinfache<br />

komplexe <strong>Lie</strong>-Algebra, h ⊂ g eine Cartan’sche Unteralgebra <strong>und</strong> R + ⊂ R(g, h)<br />

ein System von positiven Wurzeln. Bezeichne<br />

X + := {λ ∈ h ∗ | 〈λ, α ∨ 〉 ∈ Z ≥0 ∀α ∈ R + }<br />

die Menge der in Bezug auf R + dominanten ganzen Gewichte. So haben wir<br />

eine Bijektion<br />

⎧<br />

⎫<br />

⎨<br />

⎬<br />

⎩<br />

einfache endlichdimensionale<br />

<strong>Darstellungen</strong> von g,<br />

bis auf Isomorphismus<br />

⎭<br />

∼<br />

→ X +<br />

V ↦→<br />

das in Bezug auf R+<br />

höchste Gewicht von V<br />

4.1.7. Der Beweis der Klassifikation durch das höchste Gewicht 4.1.6 benötigt<br />

starke Hilfsmittel <strong>und</strong> wird sich als direkte Konsequenz aus 4.4.9 <strong>und</strong> 4.4.13 ergeben.<br />

Beispiel 4.1.8. Im Fall g = sl(2; C) <strong>und</strong> R + = {α} ist mα/2 das höchste Gewicht<br />

der m-dimensionalen einfachen Darstellung L(m) aus 1.2.14 <strong>und</strong> wir haben<br />

X + = N(α/2).<br />

4.1.9. In h ∗ oder ganz allgemein in einem beliebigen Vektorraum der Charakteristik<br />

Null mit einem Wurzelsystem R betrachtet man das Gitter der ganzen<br />

Gewichte<br />

X := {λ ∈ h ∗ | 〈λ, α ∨ 〉 ∈ Z ∀α ∈ R}<br />

Per definitionem sind alle Wurzeln ganze Gewichte, in Formeln R ⊂ X, <strong>und</strong> das<br />

Gitter der ganzen Gewichte X ist stabil unter der Weylgruppe.<br />

4.1.10. Ist Π = {α 1 , . . . , α r } die in R + enthaltene Basis des Wurzelsystems R,<br />

so bilden die Kowurzeln α ∨ 1 , . . . , α ∨ r eine Basis des Vektorraums h. Die Elemente<br />

der zur Basis der Kowurzeln dualen Basis von h ∗ notiert man ϖ 1 , . . . , ϖ r <strong>und</strong><br />

bezeichnet sie als die f<strong>und</strong>amentalen dominanten Gewichte. Sie werden also<br />

charakterisiert durch 〈ϖ i , α ∨ j 〉 = δ ij . Natürlich bilden die f<strong>und</strong>amentalen dominanten<br />

Gewichte ϖ 1 , . . . , ϖ r eine Z-Basis für das Gitter X der ganzen Gewichte<br />

<strong>und</strong> die Menge der dominanten ganzen Gewichte<br />

X + = Nϖ 1 + . . . + Nϖ r<br />

ist genau der Schnitt von X mit dem Abschluß der dominanten Weylkammer.<br />

Formeln für die Darstellung der f<strong>und</strong>amentalen dominanten Gewichte durch die<br />

einfachen Wurzeln findet man am Ende von [Bou81].<br />

59


Eine Basis eines Wurzelsystems vom Typ A 2 mit den zugehörigen<br />

f<strong>und</strong>amentalen dominanten Gewichten.<br />

60


Vorschau 4.1.11. Ist g eine einfache endlichdimensionale <strong>Lie</strong>-Algebra, h ⊂ g<br />

eine Cartan’sche <strong>und</strong> R + ⊂ R(g, h) ein System positiver Wurzeln, so besitzt nach<br />

4.1.6 insbesondere die adjungierte Darstellung ein höchstes Gewicht β ∈ R + . Es<br />

heißt die höchste Wurzel <strong>und</strong> kann nach 4.4.19 auch beschrieben werden als die<br />

einzige Wurzel β ∈ R + derart, daß für alle α ∈ R + die Summe α + β keine<br />

Wurzel mehr ist. Im Rahmen der abstrakten Theorie der Wurzelsysteme wird sie<br />

in [SPW] 2.4.2 diskutiert.<br />

Ergänzung 4.1.12. In einem Skript von Andersen kann man eine Argumentation<br />

finden, die von da ausgehend zeigt, daß eine halbeinfache <strong>Lie</strong>-Algebra schon<br />

durch ihr Wurzelsystem eindeutig bestimmt ist.<br />

Übung 4.1.13. Im Fall des Wurzelsystems G 2 mit einer ausgeeichneten Basis zeige<br />

man, daß das F<strong>und</strong>amentalgewicht zur kurzen einfachen Wurzel die höchste<br />

kurze Wurzel ist <strong>und</strong> das F<strong>und</strong>amentalgewicht zur langen einfachen Wurzel die<br />

höchste Wurzel.<br />

4.2 Beweis erster Teile des Klassifikationssatzes<br />

Notation 4.2.1. Seien g eine halbeinfache komplexe <strong>Lie</strong>-Algebra, h ⊂ g eine<br />

Cartan’sche Unteralgebra, R = R(g, h) ⊂ h ∗ das Wurzelsystem <strong>und</strong> R + ⊂ R ein<br />

System von positiven Wurzeln.<br />

Lemma 4.2.2 (Gewichtsverschiebung durch Wurzelräume). Sei V eine Darstellung<br />

von g. So gilt<br />

g α V λ ⊂ V λ+α<br />

∀α ∈ R, λ ∈ h ∗<br />

Beweis. Das folgt unmittelbar aus der Definition eines Gewichtsraums <strong>und</strong> der<br />

Formel HXv = [H, X]v + XHv ∀H ∈ h, X ∈ g, v ∈ V .<br />

Lemma 4.2.3. Sei eine <strong>Lie</strong>-Algebra a als Vektorraum die Summe von zwei Unteralgebren<br />

a = b + c. Sei V eine Darstellung von a <strong>und</strong> U ⊂ V ein b-stabiler<br />

Teilraum. So ist die von U erzeugte c-Unterdarstellung von V schon a-stabil.<br />

Vorschau 4.2.4. Im Rahmen unserer Untersuchung der universellen Einhüllenden<br />

werden wir dies Lemma nocheinmal vom höheren Standpunkt verstehen <strong>und</strong> beweisen<br />

können, vergleiche 4.3.29.<br />

Beweis. Bezeichne W die von U erzeugte c-Unterdarstellung von V . Wir müssen<br />

zeigen, daß gilt XW ⊂ W für alle X ∈ b. Wir betrachten dazu für festes r ∈ N<br />

den Raum<br />

W (r) = 〈Y 1 . . . Y i v | i ≤ r, Y ν ∈ c〉<br />

61


Sicher gilt W = ⋃ W (r). Es reicht zu zeigen XW (r) ⊂ W (r) für alle r. Dazu<br />

argumentieren wir mit Induktion über r. Die Induktionsbasis bildet unsere Voraussetzung,<br />

daß W (0) = U stabil ist unter b. Für den Induktionsschritt benutzen<br />

wir die Gleichung<br />

XY 1 . . . Y r v = Y 1 XY 2 . . . Y r v + [X, Y 1 ]Y 2 . . . Y r v<br />

Auf den ersten Term wenden wir die Induktionsvoraussetzung an. Im zweiten<br />

Term schreiben wir [X, Y 1 ] = ˜X + Ỹ mit ˜X ∈ b, Ỹ ∈ c <strong>und</strong> benutzen nochmals<br />

die Induktionsvoraussetzung.<br />

Proposition 4.2.5. Mit der zu R + gehörigen partiellen Ordnung auf h ∗ gilt:<br />

1. Besitzt die Menge P(V ) der Gewichte einer einfachen Darstellung V von g<br />

ein maximales Element, so ist dies maximale Element auch schon das größte<br />

Element, als da heißt das höchste Gewicht von V ;<br />

2. Jede endlichdimensionale einfache Darstellung von g hat ein höchstes Gewicht.<br />

Beweis. Offensichtlich reicht es, Teil 1 zu zeigen. Dazu betrachten wir die Zerlegung<br />

g = b ⊕ n mit<br />

n = ⊕<br />

α∈R + g −α <strong>und</strong> b = h ⊕ ⊕<br />

α∈R + g α<br />

Ist λ ∈ P(V ) maximal, so ist V λ ein b-stabiler Teilraum. Nach Lemma 4.2.3<br />

ist dann die von V λ erzeugte n-Unterdarstellung W von V schon eine g-Unterdarstellung.<br />

Da wir V einfach angenommen hatten, folgt W = V , in anderen<br />

Worten erzeugt also der Gewichtsraum V λ sogar schon ganz V unter der Operation<br />

von n. Die Proposition folgt mit 4.2.2.<br />

Lemma 4.2.6. Ist V eine endlichdimensionale Darstellung von g, so sind alle<br />

Gewichte von V in h ∗ ganz <strong>und</strong> die Menge der Gewichte ist stabil unter der Weylgruppe<br />

W . In Formeln folgt aus dim V < ∞ also<br />

P(V ) ⊂ X <strong>und</strong> W P(V ) = P(V )<br />

Beweis. Betrachten wir für α ∈ R die zu sl(2; k) isomorphe Unteralgebra g α :=<br />

g α ⊕ kα ∨ ⊕ g −α von g. Die Kowurzel α ∨ hat hierbei nach 2.4.11 <strong>und</strong> 2.4.15<br />

die Eigenschaft, daß ein Isomorphismus sl(2; k) ∼ → g α mit diag(1, −1) ↦→ α ∨<br />

existiert. Aus der in 1.2.14 entwickelten Darstellungstheorie der sl(2; k) folgt jedoch,<br />

daß die Eigenwerte von diag(1, −1) auf endlichdimensionalen <strong>Darstellungen</strong><br />

von sl(2; k) stets ganze Zahlen sind. Damit folgt für alle λ ∈ P(V ) sofort<br />

62


〈λ, α ∨ 〉 ∈ Z. Ist weiter 0 ≠ v ∈ V λ , m = 〈λ, α ∨ 〉 <strong>und</strong> kx α = g α , ky α = g −α ,<br />

so folgt aus der Darstellungstheorie von sl(2; k) auch yα m v ≠ 0 falls m ≥ 0 bzw.<br />

x −m<br />

α v ≠ 0 falls m ≤ 0. Insbesondere gilt in jedem Fall V λ−mα ≠ 0 <strong>und</strong> damit<br />

s α (λ) = λ − 〈λ, α ∨ 〉α ∈ P(V ).<br />

4.2.7. Ist ein Gewicht λ ∈ P(V ) nicht dominant, gibt es also eine positive Wurzel<br />

α ∈ R + mit 〈λ, α ∨ 〉 < 0, so liegt auch s α (λ) = λ − 〈λ, α ∨ 〉α in P(V ) <strong>und</strong> erfüllt<br />

s α (λ) > λ. Die maximalen Gewichte einer endlichdimensionalen Darstellung V<br />

sind mithin sämtlich ganz <strong>und</strong> dominant.<br />

Lemma 4.2.8. Haben zwei einfache <strong>Darstellungen</strong> unserer halbeinfachen komplexen<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra g dasselbe höchste Gewicht, so sind sie isomorph.<br />

4.2.9. Der hier gegebene Beweis ist noch ziemlich “zu Fuß”. Mithilfe der universellen<br />

Einhüllenden geben wir einen besseren Beweis in 4.4.9.<br />

Beweis. Seien V <strong>und</strong> V ′ unsere einfachen <strong>Darstellungen</strong> <strong>und</strong> sei λ ihr gemeinsames<br />

höchstes Gewicht. Wir wählen von Null verschiedene Vektoren v ∈ V λ <strong>und</strong><br />

v ′ ∈ V λ ′,<br />

betrachten in V ⊕ V ′ die von (v, v ′ ) erzeugte Unterdarstellung W , <strong>und</strong><br />

zeigen zunächst, daß auch W einfach ist. Wir betrachten die Zerlegung g = n ⊕ b<br />

wie beim Beweis von 4.2.5 <strong>und</strong> bemerken als erstes, daß die Gerade U durch<br />

(v, v ′ ) stabil ist unter b. Nach 4.2.3 ist W dann schon erzeugt von (v, v ′ ) als Darstellung<br />

von n, insbesondere ist W nach dem Lemme zur Gewichtsverschiebung<br />

die direkte Summe seiner Gewichtsräume <strong>und</strong> der Gewichtsraum W λ ist genau<br />

die Gerade durch (v, v ′ ). Jede Unterdarstellung von W ist natürlich stabil unter<br />

der Cartan’schen <strong>und</strong> ist damit auch die direkte Summe <strong>ihre</strong>r Gewichtsräume, <strong>und</strong><br />

jede echte Unterdarstellung liegt notwendig in ⊕ µ≠λ W µ. Damit folgt für jede<br />

echte Unterdarstellung A ⊂ W schon pr 1 (A) ≠ V , pr 2 (A) ≠ V ′ . Da aber V <strong>und</strong><br />

V ′ einfach sind, folgt pr 1 (A) = 0, pr 2 (A) = 0 <strong>und</strong> damit A = 0. Mithin ist W einfach,<br />

<strong>und</strong> die von Null verschiedenen Abbildungen pr 1 : W → V , pr 2 : W → V ′<br />

müssen Isomorphismen sein, denn bei beiden Abbildungen sind ja Bild <strong>und</strong> Kern<br />

Unterdarstellungen der einfachen <strong>Darstellungen</strong> W bzw. V, V ′ . Daraus folgt aber<br />

V ≃ W ≃ V ′ wie gewünscht.<br />

4.2.10. Zum Beweis der Klassifikation durch das höchste Gewicht 4.1.6 fehlt uns<br />

nun nur noch der Nachweis der Surjektivität, also der Nachweis, daß es zu jedem<br />

ganzen dominanten Gewicht auch tatsächlich eine endlichdimensionale einfache<br />

Darstellung mit diesem höchsten Gewicht gibt. Dafür ist mir im allgemeinen kein<br />

Argument eingefallen, das ohne die universelle Einhüllende auskommt. Im Fall<br />

g = sl(n + 1; C) können wir die Surjektivität jedoch auch hier schon zeigen:<br />

Dazu beachte man, daß die Darstellung ∧i C n+1 gerade das höchste Gewicht ϖ i =<br />

ε 1 +. . .+ε i hat, mit zugehörigem höchsten Gewichtsvektor e 1 ∧ . . .∧e i . Zu jedem<br />

ganzen dominanten Gewicht λ ∈ X + konstruiert man nun eine Darstellung mit<br />

63


höchstem Gewicht λ, indem man geeignete Tensorprodukte der ∧i C n+1 bildet,<br />

<strong>und</strong> ein geeigneter einfacher Summand des entsprechenden Tensorprodukts muß<br />

dann die gesuchte einfache Darstellung mit höchstem Gewicht λ sein.<br />

Übung 4.2.11. Im Fall g = sl(n + 1; C) zeige man, daß die Darstellung ∧i C n+1<br />

ein f<strong>und</strong>amentales Gewicht als höchstes Gewicht hat, genauer das f<strong>und</strong>amentale<br />

Gewicht ϖ i = ε 1 + . . . + ε i . Hier verstehen wir implizit die übliche Cartan’sche<br />

<strong>und</strong> die übliche Basis des Wurzelsystems gegeben durch die α i := ε i − ε i+1 .<br />

Bemerkung 4.2.12. Ist g eine einfache endlichdimensionale <strong>Lie</strong>-Algebra, h ⊂ g<br />

eine Cartan’sche <strong>und</strong> R + ⊂ R(g, h) ein System positiver Wurzeln, so besitzt insbesondere<br />

die adjungierte Darstellung ein höchstes Gewicht β ∈ R + . Es heißt<br />

die höchste Wurzel <strong>und</strong> kann auch beschrieben werden als die einzige Wurzel<br />

β ∈ R + derart, daß für alle α ∈ R + die Summe α ∈ R + die Summe α + β keine<br />

Wurzel mehr ist.<br />

Bemerkung 4.2.13. In einem Skript von Andersen kann man eine Argumentation<br />

finden, die von da ausgehend zeigt, daß eine halbeinfache <strong>Lie</strong>-Algebra schon<br />

durch ihr Wurzelsystem eindeutig bestimmt ist.<br />

4.3 Die universelle Einhüllende Algebra<br />

4.3.1. Ich erinnere an unsere Notation A L aus 1.1.8 für die aus einer assoziativen<br />

Algebra A durch Betrachten des Kommutators als Verknüpfung entstehende <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra.<br />

Definition 4.3.2. Sei g eine <strong>Lie</strong>-Algebra über einem Körper k. Eine universelle<br />

Einhüllende Algebra von g oder kurz Einhüllende ist ein Paar (U, can) bestehend<br />

aus einer k-Ringalgebra U <strong>und</strong> einem <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>-Homomorphismus<br />

can : g → U L derart, daß folgende universelle Eigenschaft erfüllt ist: Gegeben eine<br />

k-Ringalgebra A <strong>und</strong> ein Homomorphismus von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> ϕ : g → A L<br />

gibt es genau einen Homomorphismus von k-Ringalgebren ˜ϕ : U → A mit<br />

ϕ = ˜ϕ ◦ can, im Diagramm<br />

g can U<br />

<br />

ϕ<br />

4.3.3. Hier noch eine Umformulierung der Definition. Sei g eine <strong>Lie</strong>-Algebra über<br />

einem Körper k. Eine universelle Einhüllende Algebra von g oder kurz Einhüllende<br />

ist ein Paar (U, can) bestehend aus einer k-Ringalgebra U <strong>und</strong> einem <strong>Lie</strong>-<br />

<strong>Algebren</strong>-Homomorphismus can : g → U L derart, daß für jede k-Ringalgebra A<br />

das Vorschalten von can eine Bijektion Ralg k (U, A) ∼ → Alg k (g, A L ) induziert.<br />

<br />

<br />

A<br />

˜ϕ<br />

64


Ergänzung 4.3.4. In der Sprache der Kategorientheorie ist das Bilden der universellen<br />

Einhüllenden, von dem wir bald zeigen werden, daß sie immer existiert,<br />

der linksadjungierte Funktor zum Funktor A ↦→ A L von der Kategorie der k-<br />

Ringalgebren in die Kategorie der <strong>Lie</strong>algebren über k.<br />

Beispiele 4.3.5. Ist g = 0, so ist U = k eine Einhüllende. Ist g eine eindimensionale<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra mit Basis X ∈ g, so ist der Polynomring in einer Veränderlichen<br />

U = k[X] eine Einhüllende, mit can der offensichtlichen Abbildung<br />

can : g → k[X]<br />

aX ↦→ aX<br />

4.3.6. Ist (U 1 , can 1 ) eine zweite Einhüllende von g, so muß mit den üblichen<br />

Argumenten die Abbildung can ˜ 1 : U → U 1 ein Isomorphismus sein. Eine <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra besitzt also bis auf eindeutigen Isomorphismus höchstens eine Einhüllende.<br />

Wir werden aus diesem Gr<strong>und</strong> oft den bestimmten Artikel verwenden <strong>und</strong><br />

von der Einhüllenden reden.<br />

4.3.7 (Erzeugung der Einhüllenden als Ringalgebra). Eine universelle Einhüllende<br />

U einer <strong>Lie</strong>-Algebra g über einem Körper k wird als k-Ringalgebra stets<br />

vom Bild von g erzeugt. Von der vom Bild von g erzeugten Unterringalgebra<br />

k{g} ⊂ U sieht man nämlich leicht ein, daß sie auch bereits die von einer Einhüllenden<br />

geforderte universelle Eigenschaft hat.<br />

Lemma 4.3.8 (<strong>Darstellungen</strong> als Moduln). Sei V eine abelsche Gruppe, g eine<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra über einem Körper k <strong>und</strong> can : g → U eine Einhüllende von g. Die<br />

Einschränkung vermittels can zusammen mit der Einschränkung vermittels der<br />

Einbettung k ↩→ U, a ↦→ a1 liefern eine Bijektion<br />

{ Strukturen auf V als<br />

Modul über dem Ring U<br />

}<br />

∼<br />

→<br />

{ Strukturen auf V als Darstellung<br />

der k-<strong>Lie</strong>-Algebra g<br />

Beweis. Eine Struktur auf V als U-Modul ist ja per definitionem ein Ringhomomorphismus<br />

ϕ : U → End V . Die Einschränkung von ϕ auf k ⊂ U macht V<br />

zu einem k-Vektorraum, <strong>und</strong> für diese Struktur induziert ϕ erst einen Homomorphismus<br />

von k-Ringalgebren ϕ : U → End k V , dann einen Homomorphismus<br />

von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> ϕ : U L → gl(V ), <strong>und</strong> schließlich einen Homomorphismus von<br />

<strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> ϕ ◦ can : g → gl(V ). Die Einschränkungen liefern also auf V<br />

die Struktur einer Darstellung über k. Um zu zeigen, daß diese Zuordnung bijektiv<br />

ist, geben wir die inverse Abbildung an. Eine Darstellung der <strong>Lie</strong>-Algebra g<br />

über k ist ja per definitionem ein Paar (V, ρ) bestehend aus einem k-Vektorraum<br />

V <strong>und</strong> einem Homomorphismus ρ : g → (End k V ) L von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> über k.<br />

Diesen Homomorphismus können wir aber nach der Definition der universellen<br />

Einhüllenden auf genau eine Weise erweitern zu einem Homomorphismus von<br />

65<br />

}


k-Ringalgebren ˜ρ : U → End k V , <strong>und</strong> damit haben wir auf V die gesuchte U-<br />

Modulstruktur konstruiert. Wir überlassen dem Leser den Nachweis, daß diese<br />

beiden Konstruktionen zueinander invers sind.<br />

4.3.9. Im folgenden bezeichnen wir für ein Element X einer <strong>Lie</strong>-Algebra g sein<br />

Bild can(X) in einer Einhüllenden meist kurz auch mit X.<br />

4.3.10. Unter einem augmentierten Ring versteht man ganz allgemein einen<br />

Ring mitsamt einem ausgezeichneten Ideal, dem Augmentationsideal, das manchmal<br />

auch nur als einseitiges Ideal angenommen wird. Die Bezeichnung kommt<br />

wohl daher, daß hier die Ringstrukur durch ein zusätzliches Datum erweitert wird.<br />

Die Abbildung auf den Quotienten nach besagtem Ideal heißt dann die Augmentation.<br />

4.3.11. Jede <strong>Lie</strong>-Algebra g besitzt die triviale eindimensionale Darstellung k. Diese<br />

führt nach dem Vorhergehenden zu einem Homomorphismus von k-Ringalgebren<br />

ɛ : U(g) → k mit ɛ(X) = 0 ∀X ∈ g. Den Kern von ɛ bezeichnen wir<br />

manchmal mit ker ɛ =: U + <strong>und</strong> machen so unsere Einhüllende zu einem augmentierten<br />

Ring mit Augmentation ɛ.<br />

Satz 4.3.12 (Poincaré-Birkhoff-Witt). Jede <strong>Lie</strong>-Algebra besitzt eine universelle<br />

Einhüllende. Ist g eine <strong>Lie</strong>-Algebra über einem Körper k <strong>und</strong> (X λ ) λ∈Λ eine Basis<br />

von g <strong>und</strong> ≤ eine totale Ordnung auf Λ, so bilden die geordneten Monome, d.h. die<br />

Monome X λ(1) . . . X λ(r) mit λ(1) ≤ λ(2) . . . ≤ λ(r) eine Basis der Einhüllenden<br />

U(g) über k.<br />

4.3.13. Der erste Aussage wird in einer präzisierten Form als 4.3.22 bewiesen, die<br />

zweite im Anschluß daran.<br />

Übung 4.3.14. Sei e, f, h die übliche Basis von sl(2; C) mit [h, e] = 2e, [h, f] =<br />

−2f, [e, f] = h. Man schreibe f 2 he in der Einhüllenden von sl(2; C) als Linearkombination<br />

geordneter Monome für die Ordnung e, h, f.<br />

4.3.15. Bei der Formulierung haben wir die Konvention benutzt, nach der das<br />

“leere” Monom, d.h. das Monom mit r = 0, die Einheit 1 ∈ U(g) darstellt.<br />

Ist X 1 , . . . , X d eine Basis von g, so bilden nach unserem Satz insbesondere die<br />

Monome X n 1<br />

1 . . . X n d<br />

d<br />

mit n i ≥ 0 eine Basis von U(g).<br />

Definition 4.3.16. Sei V ein Vektorraum über einem Körper k. Eine freie Ringalgebra<br />

über V ist ein Paar (T, can) bestehend aus einer k-Ringalgebra V <strong>und</strong> einer<br />

linearen Abbildung c : V → T derart, daß folgende universelle Eigenschaft erfüllt<br />

ist: Gegeben eine k-Ringalgebra A <strong>und</strong> eine lineare Abbildung ϕ : V → A gibt<br />

es genau einen Homomorphismus von k-Ringalgebren ˜ϕ : T → A mit ϕ = ˜ϕ ◦ c,<br />

66


im Diagramm<br />

V<br />

c <br />

U <br />

<br />

ϕ <br />

<br />

A<br />

4.3.17. Hier noch eine Umformulierung der Definition. Sei V ein Vektorraum<br />

über einem Körper k. Eine freie Ringalgebra über V ist ein Paar (T, c) bestehend<br />

aus einer k-Ringalgebra T <strong>und</strong> einer linearen Abbildung c : V → T derart, daß<br />

für jede k-Ringalgebra A das Vorschalten von c eine Bijektion<br />

Ralg k (T, A) ∼ → Hom k (V, A)<br />

zwischen Homomorphismen von Ringalgebren <strong>und</strong> Homomorphismen von Vektorräumen<br />

induziert.<br />

4.3.18. Mit denselben Argumenten wie im Fall der Einhüllenden zeigt man, daß<br />

solch eine freie Ringalgebra im wesentlichen eindeutig ist, wenn sie existiert.<br />

Ergänzung 4.3.19. In der Sprache der Kategorientheorie ist das Bilden der freien<br />

Ringalgebra, von der wir bald zeigen werden, daß sie immer existiert, der linksadjungierte<br />

Funktor zum vergeßlichen Funktor von der Kategorie der k-Ringalgebren<br />

in die Kategorie k-Vektorräume.<br />

Lemma 4.3.20. Gegeben ein Vektorraum V über einem Körper k existiert stets<br />

eine freie Ringalgebra T(V ) = T k V über V .<br />

4.3.21. Ich gebe für diese Behauptung zwei Beweise. Der erste Beweis ist in gewisser<br />

Weise sauberer. Er gibt eine explizite Konstruktion, die vom vorgegebenen<br />

Vektorraum ausgeht <strong>und</strong> keine weiteren Wahlen benötigt. Er benötigt jedoch das<br />

Tensorprodukt, das erfahrungsgemäß viele Studenten sehr lange als ein sehr abstraktes<br />

Konstrukt empfinden. Der zweite Beweis benötigt die Wahl einer Basis,<br />

hat aber den Vorteil, eine konkretere Konstruktion zu liefern.<br />

Beweis mit multilinearer Algebra. Ich erinnere an die Konstruktion der Tensoralgebra<br />

in [LA2] 6.5.10 <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> universelle Eigenschaft. Sei V ein Vektorraum<br />

über einem Körper k. Die Tensoralgebra über V ist die k-Ringalgebra<br />

T(V ) = T k V = ⊕ r≥0<br />

˜ϕ<br />

V ⊗r = k ⊕ V ⊕ (V ⊗ V ) ⊕ (V ⊗ V ⊗ V ) ⊕ . . .<br />

mit der k-bilinearen Multiplikation, die eindeutig festgelegt wird durch die Vorschrift<br />

(v 1 ⊗ . . . ⊗ v r ) · (w 1 ⊗ . . . ⊗ w t ) = (v 1 ⊗ . . . v r ⊗ w 1 ⊗ . . . w t ). Die<br />

Einbettung “als zweiter Summand” c : V ↩→ T(V ) hat dann offensichtlich die<br />

gesuchte universelle Eigenschaft.<br />

67


Beweis mit Polynomen in nichtkommutierenden Variablen. Wir wählen eine Basis<br />

B ⊂ V <strong>und</strong> das freie Monoid Mon ↑ B über B im Sinne von [TF] 2.3.1 alias die<br />

“Menge aller Wörter endlicher Länge in Buchstaben B, einschließlich des leeren<br />

Wortes, mit dem Hintereinanderschreiben von Wörtern als Verknüpfung”. Dann<br />

bilden wir den freien k-Vektorraum T := k〈Mon ↑ B〉 über dieser Menge oder<br />

präziser den Monoidring über diesem Monoid im Sinne von [DM] 1.2.4 alias den<br />

“Polynomring über k in den nichtkommutierenden Variablen B”, vergleiche auch<br />

[DM] 1.3.2. Die offensichtliche Einbettung “als Variablen” B ↩→ T besitzt genau<br />

eine Fortsetzung zu einer linearen Abbildung c : V → T <strong>und</strong> ich behaupte, daß<br />

wir auf diese Weise auch eine freie Ringalgebra über V erhalten. In der Tat folgt<br />

das daraus, daß wir für jede k-Ringalgebra A im kommutativen Diagramm<br />

Ralg k (k〈Mon ↑ B〉, A)<br />

≀<br />

<br />

Mon(Mon ↑ B, A)<br />

Hom k (V, A)<br />

∼ Ens(B, A)<br />

≀<br />

mit den durch die offensichtlichen Vorschaltungen gegebenen Abbildungen aus<br />

den universellen Eigenschaften des freien Monoids <strong>und</strong> des Monoidrings bereits<br />

wissen, daß die untere Horizontale <strong>und</strong> die linke Vertikale Bijektionen sind. Ebenso<br />

wissen wir aus der linearen Algebra, daß die rechte Vertikale eine Bijektion ist.<br />

Damit folgt dasselbe für die obere Horizontale, was zu zeigen war.<br />

Proposition 4.3.22. Sei g eine <strong>Lie</strong>-Algebra über einem Körper k. Betrachten wir<br />

das Ideal I = I(g) ⊂ T(g), das von allen (x ⊗ y − y ⊗ x − [x, y]) mit x, y ∈ g<br />

erzeugt wird, so ist die Ringalgebra U(g) := T(g)/I mit der Abbildung can :<br />

g ↩→ T(g) ↠ U(g) eine Einhüllende von g.<br />

Beweis. Für diesen Beweis bezeichne p : T(g) → U(g) die Projektion <strong>und</strong> c :<br />

g → T(g) die kanonische Abbildung, wir haben also can = p ◦ c. Sicher ist can<br />

ein Homomorphismus von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>, denn wir haben<br />

can[x, y] (can x)(can y) − (can y)(can x) = [can x, can y]<br />

‖<br />

‖<br />

p[x, y] = p(x ⊗ y − y ⊗ x)<br />

da nach Konstruktion gilt x ⊗ y − y ⊗ x − [x, y] ∈ I = ker p. Nach Konstruktion<br />

wird U(g) als k-Ringalgebra von g erzeugt, eine Abbildung von g in eine<br />

k-Ringalgebra A läßt sich also auf höchstens eine Weise zu einem Homomorphismus<br />

von Ringalgebren U(g) → A fortsetzen. Um die folgende Argumentation<br />

68


übersichtlich zu machen, arbeiten wir mit dem Diagramm<br />

g<br />

<br />

T(g) <br />

<br />

<br />

A<br />

U(g)<br />

Sei also ϕ : g → A ein <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>-Homomorphismus von g in eine k-Ringalgebra<br />

A. Selbst wenn ϕ nur linear ist, erweitert es auf genau eine Weise zu einem<br />

Homomorphismus von Ringalgebren ˆϕ : T(g) −→ A. Ist ϕ zusätzlich ein Homomorphismus<br />

von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>, so folgt sofort ˆϕ(x ⊗ y − y ⊗ x − [x, y]) = 0, also<br />

ˆϕ(I) = 0. Damit faktorisiert dann ˆϕ wie gewünscht über einen Homomorphismus<br />

von k-Ringalgebren ˜ϕ : U(g) → A.<br />

Beweis, daß die geordneten Monome aus 4.3.12 die Einhüllende aufspannen. Wir<br />

betrachten in U = U(g) den Teilraum U r , der von allen Monomen der Länge<br />

höchstens r aufgespannt wird, also das Bild von ⊕ 0≤s≤r g⊗s in U(g), <strong>und</strong> zeigen<br />

durch Induktion, daß U r schon von den geordneten Monomen der Länge ≤ r<br />

aufgespannt wird. Denn sei X λ(1) . . . X λ(r) ein Monom. Wir wissen ja, daß gilt<br />

X λ(i) X λ(i+1) = X λ(i+1) X λ(i) + [X λ(i) , X λ(i+1) ]<br />

Hier können wir den Kommutator entwickeln als (endliche) Linearkombination<br />

∑<br />

aj X κ , mithin hängt die Nebenklasse eines Monoms der Länge r in U r /U r−1<br />

nicht von der Reihenfolge der Faktoren ab. Mit Induktion über r sehen wir so, daß<br />

U r von den geordneten Monomen der Länge ≤ r aufgespannt wird.<br />

Ergänzung 4.3.23. Ist g die <strong>Lie</strong>-Algebra einer <strong>Lie</strong>-Gruppe, so kann man die lineare<br />

Unabhängigkeit über R der aufsteigenden Monome besonders leicht zeigen:<br />

Man wählt dazu in einer offenen Umgebung V des neutralen Elements e<br />

von G lokale Koordinaten x 1 , . . . , x r , die bei e verschwinden, <strong>und</strong> so, daß das<br />

Vektorfeld<br />

Durch das Anwenden von linksinvarianten Vektorfeldern auf Funktionen wird<br />

C ∞ (V ) ein U(g)-Modul. Lassen wir die aufsteigenden Monome aus U(g) operieren<br />

auf Monomen in den lokalen Koordinaten <strong>und</strong> werten das Resultat am neutralen<br />

Element aus, so erhalten wir unter Verwendung der üblichen Multiindex-<br />

Schreibweise (X α x α )(e) ≠ 0, aber (X α x β )(e) = 0 falls gilt α ≠ β <strong>und</strong> |α| ≤ |β|.<br />

Daraus folgt dann die lineare Unabhängigkeit der X α . Im Übrigen kann man die<br />

universelle Einhüllende der <strong>Lie</strong>algebra einer <strong>Lie</strong>gruppe mit dem Raum der Distributionen<br />

mit Träger im neutralen Element verstehen, mit der “Konvolution” als<br />

Multiplikation. Dasselbe gilt für die universelle Einhüllende der <strong>Lie</strong>algebra einer<br />

algebraischen Gruppe in Charakteristik Null <strong>und</strong> algebraische Distributionen im<br />

Sinne von [AAG] 3.4.7.<br />

∂<br />

∂x i<br />

am neutralen Element mit X i übereinstimmt, für 1 ≤ i ≤ r.<br />

69


Beweis, daß die geordneten Monome aus 4.3.12 linear unabhängig sind. Wir<br />

betrachten den Vektorraum S mit einer Basis indiziert durch alle endlichen monoton<br />

wachsenden Folgen aus Λ <strong>und</strong> versuchen, ihn zu einer Darstellung unserer<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra zu machen, <strong>und</strong> zwar so, als ob er schon die Einhüllende mit einer<br />

Poincaré-Birkhoff-Witt-Basis wäre. Sei genauer S = k[ˆχ] χ∈Λ der Polynomring in<br />

den Variablen ˆχ, die ich deshalb nicht wie zuvor ˆX χ schreibe, damit nicht alles<br />

Wesentliche in Indizes verschwindet, <strong>und</strong> wo ich deshalb χ statt λ schreibe, damit<br />

der Akzent besser darüberpaßt. Mit demselben Hintergedanken schreiben wir von<br />

nun an auch ´χ := X χ für das durch χ ∈ Λ indizierte Basiselement von g. Nun<br />

behaupten wir:<br />

Lemma 4.3.24. Seien k ein Körper, g eine <strong>Lie</strong>algebra über k, (´χ) χ∈Λ eine Basis<br />

von g <strong>und</strong> ≤ eine Anordnung von Λ. Sei weiter S = k[ˆχ] χ∈Λ der Polynomring in<br />

Variablen ˆχ für χ ∈ Λ. So gibt es gibt eine Operation g × S → S der <strong>Lie</strong>-Algebra<br />

g auf dem Vektorraum S mit der Eigenschaft<br />

´χˆχ 1 ˆχ 2 . . . ˆχ r = ˆχˆχ 1 ˆχ 2 . . . ˆχ r wann immer gilt χ ≤ χ 1 ≤ . . . ≤ χ r .<br />

Im Anschluß beweisen wir sogar noch die präzisere Aussage 4.3.26. Um die lineare<br />

Unabhängigkeit der geordneten Monome in 4.3.12 abzuleiten, betrachten wir S<br />

als Modul über U = U(g) wie in 4.3.8. Ist ´χ 1 . . . ´χ r ein aufsteigendes Monom in<br />

U(g), so gilt<br />

´χ 1 . . . ´χ r 1 S = ˆχ 1 . . . ˆχ r<br />

für 1 S ∈ S das neutrale Element. Da nun aber die aufsteigenden Monome linear<br />

unabhängig sind in S, müssen sie auch in U linear unabhängig gewesen sein.<br />

4.3.25. Um schließlich Lemma 4.3.24 zu beweisen, führen wir zusätzliche Notationen<br />

ein. Für einen Multiindex σ = (χ 1 , . . . , χ r ) ∈ Λ r bezeichne ˆσ das Monom<br />

ˆσ = ˆχ 1 . . . ˆχ r . Für χ ∈ Λ soll χ ≤ σ = (χ 1 , . . . , χ r ) bedeuten χ ≤ χ i<br />

für 1 ≤ i ≤ r. Wir nennen einen Multiindex monoton genau dann, wenn gilt<br />

χ 1 ≤ . . . ≤ χ r . Die Länge r von σ bezeichnen wir mit |σ|. Nach Konvention gibt<br />

es genau einen Multiindex der Länge Null, er ist monoton, größer als jedes χ ∈ Λ,<br />

<strong>und</strong> das zugehörige Monom ist das Eins-Element 1 S ∈ S. Die ˆσ für monotone σ<br />

bilden eine Basis von S. Der von den Monomen der Länge r aufgespannte Teilraum<br />

heiße S r , es ist also S 0 = k, S = ⊕ ∞<br />

r=0 S r, <strong>und</strong> S r S s ⊂ S r+s ∀r, s ∈ N.<br />

Wir schreiben S ≤r := ⊕ 0≤i≤r S i <strong>und</strong> setzen S ≤r = 0 für r < 0. Mit diesen<br />

Notationen zeigen wir sogar eine genauere Aussage.<br />

Lemma 4.3.26. Es gibt genau eine durch r ∈ Z indizierte Familie von bilinearen<br />

Abbildungen ϕ r : g × S ≤r → S ≤r+1 , (x, p) ↦→ xp derart, daß gilt:<br />

1. ϕ r setzt ϕ r−1 fort;<br />

70


2. ´χˆσ = ˆχˆσ für χ ∈ Λ, σ ∈ Λ r mit χ ≤ σ;<br />

3. ´χˆσ ∈ ˆχˆσ + S ≤r ∀χ ∈ Λ, σ ∈ Λ r ;<br />

4. ´χ(´νp) − ´ν(´χp) = [´χ, ´ν]p ∀χ, ν ∈ Λ, p ∈ S ≤r−1 .<br />

Beweis. Sicher haben wir solche Abbildungen ϕ r für r < 0. Es reicht also, wenn<br />

wir zeigen: Ist ϕ r bereits konstruiert mit den Eigenschaften 1–4, so gibt es genau<br />

eine Möglichkeit, ϕ r zu einer Abbildung ϕ r+1 mit den Eigenschaften 1–4 auszudehnen.<br />

Sei also ϕ r gegeben. Es gilt, für alle χ ∈ Λ <strong>und</strong> monotones σ der Länge<br />

|σ| = r + 1 das Bild ϕ r+1 (´χ, ˆσ) = ´χˆσ ∈ S anzugeben. Im Fall χ ≤ σ definieren<br />

wir ´χˆσ = ˆχˆσ, damit 2 erfüllt ist. Sonst schreiben wir σ = (ν, τ) mit ν ∈ Λ,<br />

τ ∈ Λ r , <strong>und</strong> da χ ≰ σ haben wir χ > ν. Wenn 1–4 erfüllt sein sollen, so muß<br />

gelten<br />

´χˆσ = ´χ´νˆτ da ν ≤ τ,<br />

= ´ν ´χˆτ + [´χ, ´ν]ˆτ nach 4,<br />

= ´ν ˆχˆτ + ´νq + [´χ, ´ν]ˆτ für q = ´χˆτ − ˆχˆτ,<br />

= ˆν ˆχˆτ + ´νq + [´χ, ´ν]ˆτ da ν ≤ χ, ν ≤ τ.<br />

Nach Induktion gilt nun q ∈ S ≤r , also sind rechts unten alle Terme schon induktiv<br />

definiert, <strong>und</strong> wir können <strong>und</strong> werden unsere Gleichung als eine induktive Definition<br />

von ´χˆσ = ϕ r+1 (´χ, ˆσ) im Fall χ ≰ σ auffassen. Die von ϕ r+1 geforderten<br />

Eigenschaften sind offensichtlich mit Ausnahme von 4. Nach Induktionsannahme<br />

gilt es noch zu zeigen<br />

´χ´νˆτ − ´ν ´χˆτ = [´χ, ´ν]ˆτ<br />

für alle χ, ν ∈ Λ <strong>und</strong> τ ∈ Λ r . Wir geben dieser Aussage den Namen (χ, ν, τ).<br />

Offensichtlich gilt (χ, ν, τ) für χ = ν, nach Definitionen von ϕ r+1 gilt (χ, ν, τ)<br />

unter der Voraussetzung χ > ν ≤ τ, <strong>und</strong> da die <strong>Lie</strong>klammer schiefsymmetrisch<br />

ist, folgt die Gültigkeit von (χ, ν, τ) auch für den Fall ν > χ ≤ τ. Es bleibt also<br />

nur noch, (χ, ν, τ) zu zeigen im Fall χ ≰ τ, ν ≰ τ. In diesem Fall schreiben wir<br />

τ = (µ, ω) mit µ ∈ Λ, ω ∈ Λ r−1 <strong>und</strong> haben also µ < χ, µ < ν <strong>und</strong> µ ≤ ω. Jetzt<br />

entwickeln wir<br />

´χ´νˆτ = ´χ´ν ´µˆω<br />

= ´χ[´ν, ´µ]ˆω + ´χ´µ´ν ˆω<br />

= ´χ[´ν, ´µ]ˆω + [´χ, ´µ]´ν ˆω + ´µ´χ´ν ˆω<br />

Hier folgt die zweite Gleichung per Induktion <strong>und</strong> die dritte aus schon bekannten<br />

Fällen, indem wir schreiben ´ν ˆω = ˆν ˆω + q mit q ∈ S ≤r−2 <strong>und</strong> beachten, daß gilt<br />

µ < ν <strong>und</strong> µ ≤ ω. Dasselbe gilt, wenn wir χ <strong>und</strong> ν vertauschen, <strong>und</strong> indem wir<br />

auch noch ˆτ = ´µˆω entwickeln, erhalten wir die drei Gleichungen<br />

´χ´νˆτ = ´χ[´ν, ´µ]ˆω + ´µ´χ´ν ˆω + [´χ, ´µ]´ν ˆω<br />

´ν ´χˆτ = ´ν[´χ, ´µ]ˆω + ´µ´ν ´χˆω + [´ν, ´µ]´χˆω<br />

[´χ, ´ν]ˆτ = [´χ, ´ν]´µˆω<br />

71


Unser Ziel ist, noch in unserem speziellen Fall die Formel<br />

´χ´νˆτ − ´ν ´χˆτ = [´χ, ´ν]ˆτ<br />

zu zeigen. Aber ziehen wir bei unseren drei Gleichungen von eben die beiden<br />

unteren von der oberen ab, so ergibt sich für ´χ´νˆτ − ´ν ´χˆτ − [´χ, ´ν]ˆτ nach kurzer<br />

Rechnung mit Hilfe der Jacobi-Identität<br />

[´χ, [´ν, ´µ]]ˆω + [[´χ, ´µ], ´ν]ˆω + ´µ[´χ, ´ν]ˆω − [´χ, ´ν]´µˆω =<br />

= ([[´χ, [´ν, ´µ]] + [´ν, [´µ, ´χ]] + [´µ, [´χ, ´ν]])ˆω = 0<br />

Übung 4.3.27. Gegeben eine bilineare Verknüpfung b auf einem Vektorraum g<br />

über einem Körper k kann man stets in der Tensoralgebra T(g) das von allen<br />

x ⊗ y − y ⊗ x − b(x, y) mit x, y ∈ g erzeugte Ideal I = I(g) ⊂ T(g) betrachten<br />

<strong>und</strong> den Quotientenring U := T(g)/I bilden. Man zeige, daß die Verknüpfung<br />

g ↩→ T(g) ↠ U genau dann injektiv ist, wenn b antisymmetrisch ist <strong>und</strong> die<br />

Jacobi-Identität erfüllt.<br />

Übung 4.3.28. Jeder Homomorphismus von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> läßt sich auf genau eine<br />

Weise ausdehnen zu einem Homomorphismus zwischen <strong>ihre</strong>n Einhüllenden.<br />

Übung 4.3.29. Ist eine <strong>Lie</strong>-Algebra a über einem Körper k als k-Vektorraum die<br />

Summe von zwei Unteralgebren a = b + c, so induziert die Multiplikation eine<br />

Surjektion<br />

U(c) ⊗ k U(b) ↠ U(a)<br />

Man leite aus dieser Erkenntnis einen neuen Beweis von Lemma 4.2.3 ab. Diejenigen<br />

Leser, die mit allgemeinen Tensorprodukten vertraut sind, mögen gleich<br />

zeigen, daß die Multiplikation einen Isomorphismus U(c) ⊗ U(c∩b) U(b) ↠ U(a)<br />

induziert, <strong>und</strong> damit bereits eine Verallgemeinerung der anschließenden Übung.<br />

Übung 4.3.30. Ist a = b ⊕ c eine Zerlegung als k-Vektorraum einer <strong>Lie</strong>-Algebra<br />

über einem Körper k in die direkte Summe von zwei Unteralgebren, so induziert<br />

die Multiplikation einen Isomorphismus von Vektorräumen<br />

U(c) ⊗ k U(b) ∼ → U(a)<br />

Übung 4.3.31 (Casimir-Operator in der Einhüllenden). Sei g eine endlichdimensionale<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra <strong>und</strong> b : g × g → k eine nichtausgeartete invariante Bilinearform.<br />

Wir wählen eine Basis x 1 , . . . , x n von g, bezeichnen mit x 1 , . . . , x n die<br />

bezüglich b duale Basis, charakterisiert durch b(x i , x j ) = δ ij , <strong>und</strong> setzen<br />

n∑<br />

C = C b := x i x i<br />

So hängt C b ∈ U(g) nicht von der Wahl der Basis unserer <strong>Lie</strong>-Algebra g ab <strong>und</strong><br />

liegt im Zentrum der Einhüllenden, in Formeln uC = Cu ∀u ∈ U(g).<br />

72<br />

i=1


Definition 4.3.32. Die opponierte Algebra A opp zu einer k-Algebra A wird erklärt<br />

dadurch, daß man auf dem Vektorraum A die opponierte Verknüpfung betrachtet,<br />

die gegeben wird durch a ◦ ∗ b ◦ = (b · a) ◦ .<br />

Übung 4.3.33. Ist g eine <strong>Lie</strong>-Algebra, so ist auch g opp eine <strong>Lie</strong>-Algebra <strong>und</strong> die<br />

Multiplikation mit (−1) ist ein <strong>Algebren</strong>homomorphismus g ∼ → g opp<br />

4.3.34. Ist g → U eine Einhüllende, so auch dieselbe Abbildung g opp → U opp .<br />

Insbesondere setzt sich die Multiplikation mit (−1) : g ∼ → g opp fort zu einem<br />

Isomorphismus assoziativer <strong>Algebren</strong> S : U ∼ → U opp , den wir den prinzipalen<br />

Antiautomorphismus von U nennen <strong>und</strong> u ↦→ u t notieren. Ist V eine Darstellung<br />

von g <strong>und</strong> u ∈ U, so haben wir für die kontragrediente Darstellung V ∗ die Formel<br />

(uf)(v) = f(u t v) für alle f ∈ V ∗ , v ∈ V <strong>und</strong> u ∈ U.<br />

4.3.35. Im folgenden verwende ich Gr<strong>und</strong>lagen der Theorie der filtrierten <strong>und</strong> graduierten<br />

Ringe, wie sie etwa in [KA] 5.1 entwickelt werden. Die Tensoralgebra<br />

T(V ) über einem Vektorraum V trägt eine offensichtliche Graduierung. Definieren<br />

wir wie in [AL] 2.2.2 die symmetrische Algebra<br />

S(V ) := T(V )/〈x ⊗ y − y ⊗ x〉<br />

als die Einhüllende der abelschen <strong>Lie</strong>-Algebra V , so erbt S(V ) eine Graduierung<br />

von T(V ). Ist g eine <strong>Lie</strong>-Algebra, so erbt U = U(g) zumindest noch die Filtrierung<br />

von T(g) <strong>und</strong> wird so eine filtrierte Ringalgebra 0 = U ≤−1 ⊂ U ≤0 ⊂ U ≤1 ⊂<br />

U ≤2 ⊂ . . . mit U ≤0 = k, U ≤1 = k ⊕ g.<br />

Satz* 4.3.36 (Poincaré-Birkhoff-Witt ohne Koordinaten). Sei g eine <strong>Lie</strong>-Algebra.<br />

Die beiden Surjektionen T(g) ↠ S(g) <strong>und</strong> T(g) ∼ → gr T(g) ↠ gr U(g) haben<br />

denselben Kern <strong>und</strong> definieren folglich einen Isomorphismus von graduierten k-<br />

Ringalgebren<br />

gr U(g) ∼ → S(g)<br />

Beweis. Das mag der Leser zur Übung selbst aus dem Satz von Poincaré, Birkhoff<br />

<strong>und</strong> Witt 4.3.12 folgern.<br />

Korollar 4.3.37. Die Einhüllende einer <strong>Lie</strong>-Algebra ist stets nullteilerfrei. Die<br />

Einhüllende einer endlichdimensionalen <strong>Lie</strong>-Algebra ist stets noethersch.<br />

Beweis. Das folgt sofort aus den Lemmata [KA] 5.1.31 <strong>und</strong> [KA] 5.1.36, nach<br />

denen ein Ring mit einer bei Null beginnenden auschöpfenden Filtrierung nullteilerfrei<br />

bzw. noethersch sein muß, wenn das für den assoziierten graduierten Ring<br />

gilt. Da nun aber über Körpern Polynomringe nullteilerfrei sind <strong>und</strong> Polynomringe<br />

in endlich vielen Variablen noethersch nach dem Hilbert’schen Basissatz, folgt<br />

das Korollar.<br />

73


Ergänzende Übung 4.3.38 (Die Einhüllende als Hopf-Algebra). Gegeben eine<br />

<strong>Lie</strong>algebra g über einem Körper k mit Einhüllender U läßt sich die Abbildung<br />

g → U ⊗ k U gegeben durch x ↦→ x ⊗ 1 + 1 ⊗ x auf genau eine Weise zu einem<br />

Homomorphismus von Ringalgebren<br />

∆ : U → U ⊗ k U<br />

fortsetzen, <strong>und</strong> wir erhalten so eine Hopfalgebra im Sinne von [AAG] 1.2.11 mit<br />

dem prinzipalen Antiautomorphismus als Antipode.<br />

Ergänzende Übung 4.3.39 (Satz von Friedrichs). Gegeben eine <strong>Lie</strong>algebra über<br />

einem Körper k der Charakteristik Null sind die primitiven Elemente <strong>ihre</strong>r Einhüllenden,<br />

als da heißt die Elemente a mit ∆a = a ⊗ 1 + 1 ⊗ a, genau die Bilder der<br />

Elemente der <strong>Lie</strong>algebra. Hinweis: Die Komultiplikation ist mit der Filtrierung<br />

verträglich <strong>und</strong> die auf der assoziierten Graduierten induzierte Komultiplikation<br />

ist die Komultiplikation der symmetrischen Algebra nach [AAG] 1.2.11. Deren<br />

primitive Elemente aber kennen wir aus [AAG] 1.2.12.<br />

4.4 Konstruktion von Moduln mit höchstem Gewicht<br />

Notation 4.4.1. Seien g eine halbeinfache komplexe <strong>Lie</strong>-Algebra, h ⊂ g eine Cartan’sche<br />

Unteralgebra, R + ⊂ R(g, h) ein System von positiven Wurzeln, Π ⊂ R +<br />

die zugehörige Basis des Wurzelsystems <strong>und</strong> ≤ die zugehörige partielle Ordnung<br />

auf h ∗ .<br />

4.4.2. Bei der Untersuchung der einfachen endlichdimensionalen <strong>Darstellungen</strong><br />

einer halbeinfachen <strong>Lie</strong>-Algebra g mußten wir die Frage offenlassen, ob jedes<br />

ganze dominante Gewicht in der Tat das höchste Gewicht einer einfachen endlichdimensionalen<br />

Darstellung ist. Unter Zuhilfenahme der universellen Einhüllenden<br />

können wir diese Frage nun beantworten.<br />

Definition 4.4.3. Für jedes Gewicht λ ∈ h ∗ betrachten wir in U(g) das Linksideal<br />

I λ , das erzeugt wird von allen X ∈ g α mit α ∈ R + <strong>und</strong> allen H − λ(H) mit<br />

H ∈ h. Der Quotient<br />

∆(λ) = ∆(λ, R + ) := U(g)/I λ<br />

nach diesem Linksideal heißt der Verma-Modul zum höchsten Gewicht λ. In<br />

Teilen der Literatur heißen diese Objekte auch standard cyclic modules. Die<br />

Nebenklasse von 1 ∈ U(g) bezeichnen wir mit v λ ∈ ∆(λ) <strong>und</strong> nennen sie den<br />

kanonischen Erzeuger des Verma-Moduls ∆(λ).<br />

Proposition 4.4.4 (Struktur von Verma-Moduln). Sei λ ∈ h ∗ ein Gewicht.<br />

74


Dieses Bild soll die Struktur des Vermamoduls ∆(λ) für die <strong>Lie</strong>algebra sl(3) mit<br />

höchstem Gewicht λ veranschaulichen. Die Papierebene ist dazu in geeigneter<br />

Weise mit dem reell-affinen Teilraum λ + 〈R〉 R im Dualraum der Cartan’schen<br />

zu identifizieren. Die fetten Punkte sind dann die Gewichte der von Null<br />

verschiedenen Gewichtsräume, n Kringel deuten an, daß der entsprechende<br />

Gewichtsraum die Dimension n + 1 hat.<br />

75


1. Sind α, . . . , β ∈ R + alle positiven Wurzeln in einer fest gewählten Reihenfolge<br />

<strong>und</strong> y α ∈ g −α Erzeuger der Wurzelräume zu negativen Wurzeln,<br />

so bilden die Vektoren yα<br />

m(α) . . . y m(β)<br />

β<br />

v λ , indiziert durch alle Multiindizes<br />

m : R + → N, eine Basis des Vermamoduls ∆(λ);<br />

2. Der Verma-Modul ∆(λ) besitzt eine Gewichtsraumzerlegung der Gestalt<br />

∆(λ) = ⊕ µ≤λ<br />

∆(λ) µ<br />

<strong>und</strong> sein höchster Gewichtsraum ∆(λ) λ ist eindimensional mit Basis v λ ;<br />

3. Bezeichnet P : h ∗ → N die Kostant’sche Partitionsfunktion, die zählt, auf<br />

wieviele verschiedene Weisen sich ein Gewicht zerlegen läßt in eine Summe<br />

positiver Wurzeln, so erhalten wir für die Dimensionen der Gewichtsräume<br />

unserer Verma-Moduln feiner die Formel<br />

dim k ∆(λ) µ = P(λ − µ)<br />

Ergänzung 4.4.5. Betrachten wir in g die Unteralgebra n := ⊕ α∈R + g −α , so ist<br />

∆(λ) in anderen Worten ein freier U(n)-Modul vom Rang Eins mit Basis v λ . In<br />

Formeln ausgedrückt liefert also die Multiplikation eine Bijektion U(n) ∼ → ∆(λ),<br />

u ↦→ uv λ . All das sind nur Umformulierungen der ersten Aussage der Proposition.<br />

In dieser Form aber gelten sie in größerer Allgemeinheit, vergleiche etwa 4.5.5.<br />

4.4.6 (Kostant’sche Partitionsfunktion). Bei der Definition der Kostant’schen<br />

Partitionsfunktion werden Zerlegungen, die sich nur in der Reihenfolge unterscheiden,<br />

als gleich betrachtet. Im Extremfall µ = 0 vereinbaren wir P(0) = 1,<br />

in der Tat läßt sich ja die Null auf genau eine Weise als Summe positiver Wurzeln<br />

schreiben, indem wir nämlich die Summe von überhaupt keiner positiven Wurzel<br />

nehmen. In Formeln setzen wir also<br />

P(λ) := card { m ∈ Ens(R + , N) ∣ ∣ λ =<br />

∑<br />

α∈R + m(α)α }<br />

Beweis. Wir betrachten den Polynomring k[H 1 , . . . , H r ] über einem Körper k.<br />

Gegeben Skalare λ 1 , . . . , λ r ∈ k sieht man leicht ein, daß die Familie aller Polynome<br />

der Gestalt (H 1 −λ 1 ) n(1) . . . (H r −λ r ) n(r) für Multiindizes n : {1, . . . , r} → N<br />

eine Basis unseres Polynomrings bildet. Bilden speziell H 1 , . . . , H r eine Basis von<br />

h <strong>und</strong> sind α, . . . , β unsere positiven Wurzeln in einer fest gewählten Reihenfolge<br />

<strong>und</strong> x α ∈ g α sowie y α ∈ g −α Basisvektoren, so folgt aus Satz von Poincaré-<br />

Birkhoff-Witt 4.3.12 zusammen mit dieser Erkenntnis, daß auch die Produkte<br />

y m(α)<br />

α<br />

. . . y m(β)<br />

β<br />

(H 1 − λ 1 ) n(1) . . . (H r − λ r ) n(r) x l(α)<br />

α . . . x l(β)<br />

β<br />

76


Dieses Bild zeigt ein Wurzelsystem in der Papierebene, aufgefaßt als Vektorraum<br />

mit Ursprung im Ausgangspunkt aller Pfeile. Die drei Wurzeln innerhalb des<br />

nierenförmigen Bereichs bilden darin ein System positiver Wurzeln. Die<br />

zugehörige Kostant’sche Partitionsfunktion nimmt nur an den fett<br />

eingezeichneten Punkten von Null verschiedene Werte an, <strong>und</strong> zwar den Wert<br />

Eins bei einfachen Punkten, den Wert Eins bei einfachen fetten Punkten, den<br />

Wert Zwei bei einmal umkringelten fetten Punkten etc. Zum Beispiel hätten wir<br />

P(2α + 3β) = 3.<br />

77


für m, l : R + → N <strong>und</strong> n : {1, . . . , r} → N eine Basis der Einhüllenden U(g)<br />

bilden. Nun ist offensichtlich, daß unser Linksideal I λ beschrieben werden kann,<br />

indem wir besagte Basis der Einhüllenden U(g) bilden mit λ i := λ(H i ) <strong>und</strong> dann<br />

darin das Erzeugnis der Basisvektoren mit n ≠ 0 oder l ≠ 0 betrachten. Folglich<br />

bilden die Nebenklassen der yα<br />

m(α) . . . y m(β)<br />

β<br />

für m : R + → N eine Basis des<br />

Vermamoduls ∆(λ). Per definitionem gilt Hv λ = λ(H)v λ für alle H ∈ h. In<br />

anderen Worten ist v λ ein Gewichtsvektor zum Gewicht λ ist. Daraus folgen die<br />

beiden anderen Teile der Proposition unmittelbar.<br />

Lemma 4.4.7 (Universelle Eigenschaft von Verma-Moduln). Sei L eine Darstellung<br />

von g <strong>und</strong> λ ∈ h ∗ ein Gewicht <strong>und</strong> v ∈ L λ ein Gewichtsvektor mit g α v = 0<br />

für alle α ∈ R + . So gibt es genau einen Homomorphismus von <strong>Darstellungen</strong><br />

∆(λ) → L mit v λ ↦→ v.<br />

Beweis. Da nach Annahme gilt I λ v = 0, folgt das sofort aus 4.4.8.<br />

4.4.8. Wir erinnern aus [KA] 1.3.5, daß für jeden Modul M über einem Ring<br />

R das Auswerten beim neutralen Element 1 R eine Bijektion Hom R (R, M) ∼ → M<br />

induziert. Die universelle Eigenschaft von Quotienten [KA] 1.3.11 zeigt dann, daß<br />

für jedes Linksideal I ⊂ R das Auswerten an 1 R +I eine Bijektion Hom R (R/I, M) ∼ →<br />

{m ∈ M | Im = 0} induziert.<br />

Satz 4.4.9 (Klassifikation einfacher Höchstgewichtsmoduln). 1. Für jedes Gewicht<br />

λ ∈ h ∗ besitzt der Vermamodul ∆(λ) einen größten echten Untermodul<br />

rad ∆(λ);<br />

2. Der Quotient nach diesem Untermodul L(λ) := ∆(λ)/ rad ∆(λ) ist eine<br />

einfache Darstellung, <strong>und</strong> wir erhalten so eine Bijektion<br />

{<br />

}<br />

h ∗ →<br />

∼ Einfache <strong>Darstellungen</strong> mit einem<br />

höchsten Gewicht, bis auf Isomorphismus<br />

λ ↦→ L(λ)<br />

3. Besitzt eine einfache Darstellung ein maximales Gewicht, so ist dies Gwicht<br />

bereits ihr höchstes Gewicht.<br />

Ergänzung 4.4.10. Gegeben ein Modul M über einem Ring R erklärt man ganz<br />

allgemein das Radikal rad M von M als den Schnitt aller Homomorphismen<br />

von M zu einfachen R-Moduln. Im Fall des Ringes selbst, betrachtet als R-<br />

Linksmodul, ist das genau unser Jacobson-Radikal aus [DM] 1.10.23. Dahingegen<br />

versteht man unter dem Radikal eines Ideals im allgemeinen wie in [KA] 1.10.18<br />

etwas völlig anderes als sein Radikal als Modul. Wenn es nötig sein sollte, werde<br />

ich unterscheiden zwischen dem Modulradikal <strong>und</strong> dem Potenzradikal eines<br />

Ideals in einem Ring.<br />

78


Beispiel 4.4.11. Im allgemeinen bezeichnet meist ρ die Halbsumme der positiven<br />

Wurzeln. Im Fall g = sl(2; C) <strong>und</strong> R + = {α} setzen wir dieser Konvention<br />

folgend schon hier ρ := α/2. Damit ist also unsere einfache Darstellung L(m) der<br />

Dimension (m + 1) aus 1.2.14 hier die einfache Darstellung L(mρ) mit höchstem<br />

Gewicht mρ.<br />

Übung 4.4.12. Man zeige, daß im Fall g = sl(2; C) ein Vermamodul ∆(λ) genau<br />

dann einfach ist, wenn er keinen endlichdimensionalen Quotienten hat, wenn also<br />

sein höchstes Gewicht auf der positiven Wurzel als Wert keine natürliche Zahl<br />

annimmt, in Formeln 〈λ, α ∨ 〉 ∉ N für α die positive Wurzel.<br />

Beweis. Mit ∆(λ) zerfällt nach [LA1] 4.6.19 jeder h-Untermodul N ⊂ ∆(λ)<br />

auch in Gewichtsräume N = ⊕ µ∈h<br />

N ∗ µ . Ist N ein g-Untermodul, so folgt aus<br />

N<br />

⊕ λ ≠ 0 schon N = ∆(λ). Ist N ein echter g-Untermodul, so gilt also N ⊂<br />

µ≠λ ∆(λ) µ. Die Summe von allen echten Untermoduln ist mithin selbst immer<br />

noch ein echter Untermodul. Der Quotient L(λ) = ∆(λ)/ rad ∆(λ) ist natürlich<br />

eine einfache Darstellung mit höchstem Gewicht λ. Umgekehrt beachte man: Jede<br />

einfache Darstellung mit höchstem Gewicht λ ist also ein Quotient von ∆(λ), <strong>und</strong><br />

der Kern einer solchen Surjektion muss der größte Untermodul von ∆(λ) sein.<br />

Damit ist der Satz bewiesen.<br />

Proposition 4.4.13. Für ein Gewicht λ ∈ h ∗ sind gleichbedeutend:<br />

1. Der einfache Modul L(λ) mit höchstem Gewicht λ ist endlichdimensional,<br />

in Formeln dim L(λ) < ∞;<br />

2. Das Gewicht λ ist ganz <strong>und</strong> dominant, in Formeln λ ∈ X + .<br />

4.4.14. (1) ⇒ (2) hatten wir schon als 4.2.6 bewiesen. Zum Beweis der anderen<br />

Richtung holen wir im Hinblick auf spätere Anwendungen etwas weiter aus. Wir<br />

erinnern an die Halbsumme ρ der positiven Wurzeln <strong>und</strong> die Formel s α ρ = ρ − α<br />

für α eine einfache positive Wurzel, siehe [SPW] 2.2.15.<br />

Definition 4.4.15. Bezeichne wie üblich ρ die Halbsumme der positiven Wurzeln.<br />

Wir definieren die “zum Fixpunkt −ρ verschobene” Operation von W auf h ∗ , die<br />

sogenannte dot-Operation, durch die Formel<br />

x · λ := x(λ + ρ) − ρ<br />

Lemma 4.4.16. Für jede einfache Wurzel α ∈ Π <strong>und</strong> jedes Gewicht λ ∈ h ∗ mit<br />

〈λ + ρ, α ∨ 〉 ∈ N gibt es eine Injektion von g-Moduln<br />

∆(s α · λ) ↩→ ∆(λ)<br />

79


Illustration für Lemma 4.4.16. Sie ist nur insofern unzutreffend, als darin β die<br />

Rolle der einfachen Wurzel spielt, die im Lemma α heißt. Der Vermamodul mit<br />

höchstem Gewicht s β · λ umfaßt nur in der obersten Zeile die vollen<br />

Gewichtsräumen zu den fetten Punkten im kleinen gestrichelt umrandeten<br />

Bereich.<br />

80


Ergänzung 4.4.17. Wir werden später zeigen, daß dieselbe Aussage allgemeiner<br />

für jede positive Wurzel α ∈ R + gilt.<br />

Beweis. Für eine einfache Wurzel α gilt 〈ρ, α ∨ 〉 = 1 <strong>und</strong> folglich s α · λ < λ<br />

gleichbedeutend zu 〈λ, α ∨ 〉 ∈ N. Sei nun zunächst α ∈ R + beliebig mit n =<br />

〈λ, α ∨ 〉 ∈ N. Für x α ∈ g α <strong>und</strong> y α ∈ g −α behaupten wir dann<br />

x α y n+1<br />

α v λ = 0<br />

Man kann das entweder durch Rechnung prüfen, indem man unter der Zusatzvoraussetzung<br />

[x α , y α ] = α ∨ induktiv für alle i ≥ 1 die Formel x α yαv i λ =<br />

i(n−i+1)yα i−1 v λ herleitet ganz analog dazu, wie wir es aus im Beweis von 1.2.14<br />

bereits kennen. Man kann sich aber einfacher auch überlegen, daß die yαv i λ ja eine<br />

Basis eines Vermamoduls von g α = g −α ⊕kα ∨ ⊕g α<br />

∼ = sl2 mit höchstem Gewichtsvektor<br />

v λ bilden, <strong>und</strong> operiert α ∨ alias h auf diesem höchsten Gewichtsvektor<br />

durch einen nichtnegativen ganzzahligen Eigenwert, so gibt es auch eine einfache<br />

(n + 1)-dimensionale Darstellung von sl 2 mit diesem höchsten Gewicht, die nach<br />

4.4.9 notwendig ein Quotient unseres sl 2 -Vermamoduls sein muß. Der Kern der<br />

Quotientenabbildung ist offensichtlich gerade das Erzeugnis der yαv i λ mit i > n,<br />

folglich bilden diese einen Untermodul, <strong>und</strong> damit erkennen wir x α yα n+1 v λ = 0,<br />

ohne die Rechnung aus dem Beweis von 1.2.14 wiederholen zu müssen. Ist nun<br />

zusätzlich α eine einfache Wurzel, so gilt sogar x β yαv i λ = 0 für alle β ∈ R + \α<br />

<strong>und</strong> i ∈ N, denn iα − β ist dann nie eine Summe positiver Wurzeln. Da aber<br />

gilt s α · λ = λ − (n + 1)α nach [SPW] 2.2.15 <strong>und</strong> den Definitionen, folgern wir<br />

0 ≠ yα<br />

n+1 v λ ∈ ∆(λ) sα·λ <strong>und</strong> erhalten nach der Definition unserer Verma-Moduln<br />

wie im Beweis von 4.4.9.3 aus <strong>ihre</strong>r universellen Eigenschaft als koinduzierte <strong>Darstellungen</strong><br />

einen von Null verschiedenen Homomorphismus ∆(s α · λ) → ∆(λ),<br />

der den kanonischen Erzeuger von ∆(s α · λ) auf yα<br />

n+1 v λ abbildet. Da alle Vermamoduln<br />

frei sind vom Rang Eins über dem nach 4.3.37 nullteilerfreien Ring U(n),<br />

muß dieser Homomorphismus sogar eine Injektion sein.<br />

Beweis von (2)⇐(1) in 4.4.13. Das Lemma zeigt, daß für λ ∈ h ∗ <strong>und</strong> α einfach<br />

mit 〈λ, α ∨ 〉 ganz <strong>und</strong> nichtnegativ ein höchster Gewichtsvektor von L(λ) stets<br />

eine endlichdimensionale g α -Unterdarstellung erzeugt. Nun ist in jeder Darstellung<br />

V von g die Summe W aller endlichdimensionalen g α -Unterdarstellungen<br />

für beliebiges festes α ∈ R eine g-Unterdarstellung von V , wie man zum Beispiel<br />

aus Übung 2.2.3 folgert. Gilt nun 〈λ, α ∨ 〉 ∈ N für jede einfache Wurzel<br />

α, so ist also L(λ) für jede einfache Wurzel α die Summe seiner endlichdimensionalen<br />

g α -Unterdarstellungen, <strong>und</strong> aus der expliziten Beschreibung in 1.2.14<br />

<strong>und</strong> 4.2.2 folgt s α P(L(λ)) = P(L(λ)) für jede einfache Spiegelung s α ∈ W .<br />

Dann ist aber notwendig P(L(λ)) stabil unter der Weylgruppe, also endlich, also<br />

dim L(λ) < ∞.<br />

81


Übung 4.4.18. Gegeben λ ganz <strong>und</strong> dominant ist die Summe über alle einfachen<br />

Wurzeln α der Bilder der Inklusionen ∆(s α · λ) ↩→ ∆(λ) nach 4.4.16 der größte<br />

echte Untermodul von des Vermamoduls ∆(λ). Hinweis: Man variiere den Beweis<br />

der Rückrichtung von 4.4.13. Man zeige auch die Variante, nach der für λ<br />

ganz <strong>und</strong> dominant die Vektoren y 〈λ,α∨ 〉+1<br />

α v λ für α ∈ Π einfache Wurzeln den<br />

größten Untermodul des Vermamoduls ∆(λ) erzeugen, ja sogar bereits als U(n)-<br />

Untermodul erzeugen.<br />

Übung 4.4.19. Gibt es in einer einfachen Darstellung einer halbeinfachen <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra einen von Null verschiedenen Vektor, der von allen Wurzelvektoren zu<br />

einem System positiver Wurzeln aus dem Wurzelsystem zu einer Cartan’schen<br />

anulliert wird, so ist der fragliche Vektor bereits ein höchster Gewichtsvektor unserer<br />

Darstellung.<br />

Übung 4.4.20. Man zeige: Die Darstellung ∧i C n+1 von sl(n + 1; C) ist einfach<br />

für 1 ≤ i ≤ n + 1 <strong>und</strong> hat das höchste Gewicht ϖ i = ε 1 + . . . + ε i .<br />

4.5 Induktion <strong>und</strong> Koinduktion bei <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>*<br />

4.5.1. Viele Konstruktionen <strong>und</strong> Resultate des vorhergehenden Abschnitts sind<br />

Spezialfälle sehr allgemeiner Konstruktionen <strong>und</strong> Prinzipien, die in [TS] 3.3.1 erläutert<br />

werden <strong>und</strong> eine gewisse Erfahrung im Umgang mit allgemeinen Tensorprodukten<br />

<strong>und</strong> der Sprache der Kategorien voraussetzen. Das soll im folgenden<br />

für diejenigen Leser, die mit diesen Konzepten vertraut sind, beleuchtet werden.<br />

Definition 4.5.2. Jeder <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>-Homomorphismus b → g induziert einen<br />

Ringhomomorphismus U(b) → U(g) <strong>und</strong> unsere Kategorien von <strong>Darstellungen</strong><br />

identifizieren sich mit den Kategorien aller Moduln über diesen Ringen. Der Restriktionsfunktor<br />

res b g : g -Mod → b -Mod<br />

hat nach [TS] 3.3.5 folglich einen Rechtsadjungierten ind g b<br />

<strong>und</strong> nach [TS] 3.3.7<br />

einen Linksadjungierten prod g b<br />

, die Induktion <strong>und</strong> die Koinduktion oder Produktion<br />

von <strong>Darstellungen</strong> von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>, die explizit beschrieben werden<br />

können durch die Formeln<br />

ind g b M := Hom U(b)(U(g), M)<br />

prod g b M := U(g) ⊗ U(b) M<br />

Bemerkung 4.5.3. Beim Studium der Literatur ist Vorsicht geboten: Bei <strong>Darstellungen</strong><br />

von <strong>Lie</strong>-Gruppen <strong>und</strong> algebraischen Gruppen bezeichnet Induktion in der<br />

Literatur stets den Rechtsadjungierten der Restriktion wie hier. Bei <strong>Darstellungen</strong><br />

von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> jedoch wird in der Literatur als Induktion meist abweichend der<br />

Linksadjungierte der Restriktion bezeichnet, den wir hier Produktion genannt haben.<br />

Die Idee dazu kommt aus [Vog81], wo allerdings die Begriffe Induktion <strong>und</strong><br />

Produktion im Vergleich zu unseren Begriffen hier vertauscht definiert werden.<br />

82


Ergänzung 4.5.4. Bei <strong>Darstellungen</strong> endlicher Gruppen bezeichnet man als Induzieren<br />

zwar meist die Erweiterung der Skalare, also den Linksadjungierten der<br />

Restriktion, aber dieser ist glücklicherweise kanonisch isomorph zum Rechtsadjungierten<br />

der Restriktion. Der Begriff der “Produktion” ist überhaupt nicht gebräuchlich.<br />

4.5.5. Ist b ⊂ g sogar eine Unteralgebra, so ist U(g) nach Poincaré-Birkhoff-Witt<br />

frei als Rechtsmodul <strong>und</strong> als Linksmodul über U(b), so daß die Induktion <strong>und</strong><br />

Koinduktion nach [KA] 1.4.4 <strong>und</strong> [TS] 3.2.17 beide exakte Funktoren werden. Ist<br />

zusätzlich n ⊂ g eine Unteralgebra mit n ⊕ b = g als Vektorräume über unserem<br />

Gr<strong>und</strong>körper k, so liefert nach 4.3.30 die Multiplikation einen Isomorphismus<br />

U(n)⊗ k U(b) ∼ → U(g) von U(n)-U(b)-Bimoduln <strong>und</strong> wir erhalten mit [TS] 3.2.25<br />

einen kanonischen Isomorphismus von U(n)-Moduln<br />

U(n) ⊗ k M ∼ → prod g b M<br />

Ebenso liefert die Multiplikation auch einen Isomorphismus U(b) ⊗ k U(n) ∼ →<br />

U(g) von U(b)-U(n)-Bimoduln <strong>und</strong> wir erhalten einen kanonischen Isomorphismus<br />

von U(n)-Moduln<br />

Hom k (U(n), M) ∼ → ind g b M<br />

Ergänzung 4.5.6. Ist b ↠ g eine Surjektion <strong>und</strong> bezeichnet c <strong>ihre</strong>n Kern, so ist<br />

ind g b M = M c der Teilraum der c-Invarianten aus 1.2.7 <strong>und</strong> prod g b<br />

M heißt der<br />

Raum der c-Koinvarianten <strong>und</strong> wird prod g b M = M c notiert. Diese beiden Funktoren<br />

sind im allgemeinen alles andere als exakt.<br />

4.5.7 (Vermamoduln als koinduzierte <strong>Darstellungen</strong>). Seien nun g eine halbeinfache<br />

komplexe <strong>Lie</strong>-Algebra, h ⊂ g eine Cartan’sche Unteralgebra, R =<br />

R(g, h) das Wurzelsystem, R + ⊂ R ein System von positiven Wurzeln, <strong>und</strong> ≤<br />

die zugehörige partielle Ordnung auf h ∗ . Wir betrachten in g die Unteralgebra<br />

b := h ⊕ ⊕<br />

α∈R + g α<br />

Dehnen wir unser Gewicht λ aus zu einer Linearform auf b durch die Vorschrift<br />

λ(g α ) = 0 ∀α ∈ R + , so erhalten wir offensichtlich einen Charakter λ : b → C,<br />

d.h. eine eindimensionale Darstellung C λ der <strong>Lie</strong>-Algebra b. Diese Darstellung<br />

können wir auffassen als einen Homomorphismus von Ringalgebren ˜λ : U(b) →<br />

C. Bezeichnen wir seinen Kern mit J λ := ker ˜λ, so erhalten wir eine kurze exakte<br />

Sequenz<br />

J λ ↩→ U(b) ↠ C<br />

Per definitionem liegen alle X ∈ g α mit α ∈ R + <strong>und</strong> alle H − λ(H) mit H ∈ h<br />

in J λ , ja unser Kern ist genau das von diesen Elementen in U(b) erzeugte Linksideal,<br />

denn modulo diesem Linksideal ist offensichtlich jedes Element von U(b)<br />

83


kongruent zu einem Skalar aus C. Wir können unsere kurze exakte Sequenz auch<br />

lesen als eine kurze exakte Sequenz J λ ↩→ U(b) ↠ C λ von <strong>Darstellungen</strong> von b.<br />

Anwenden von prod g b = U(g)⊗ U(b) liefert eine rechtsexakte Sequenz<br />

U(g) ⊗ U(b) J λ → U(g) ↠ U(g) ⊗ U(b) C λ<br />

Hier ist die linke Abbildung die Multiplikationsabbildung, ihr Bild also das von<br />

J λ in U(g) erzeugte Linksideal I λ , <strong>und</strong> wir erhalten so einen Isomorphismus von<br />

<strong>Darstellungen</strong><br />

∆(λ) = U(g)/I λ ∼ → prod g b C λ = U(g) ⊗ U(b) C λ<br />

mit v λ ↦→ 1 ⊗ 1. Die universelle Eigenschaft 4.4.7 von Verma-Moduln folgt dann<br />

aus der universellen Eigenschaft der Koinduktion: Für jede Darstellung L von g<br />

liefert die Restriktion auf C λ danach eine Bijektion<br />

Hom g (∆(λ), L) ∼ → Hom b (C λ , L)<br />

Falls λ maximal ist unter den Gewichten von L, identifiziert das Auswerten bei 1<br />

hier zusätzlich die rechte Seite mit dem Gewichtsraum L λ .<br />

4.6 Die Weyl’schen Formeln<br />

Notation 4.6.1. Seien g eine halbeinfache komplexe <strong>Lie</strong>-Algebra, h ⊂ g eine<br />

Cartan’sche Unteralgebra, R = R(g, h) das Wurzelsystem, R + ⊂ R ein System<br />

positiver Wurzeln, ρ ∈ h ∗ die Halbsumme der positiven Wurzeln, X das Gitter<br />

der ganzen Gewichte <strong>und</strong> X + die Menge der in Bezug auf R + dominanten ganzen<br />

Gewichte.<br />

Satz 4.6.2 (Weyl’sche Dimensionsformel). Für jedes ganze dominante Gewicht<br />

λ ∈ X + wird die Dimension der einfachen Darstellung L(λ) mit höchstem Gewicht<br />

λ gegeben durch die Formel<br />

∏<br />

α∈R<br />

〈λ + ρ, α ∨ 〉<br />

dim L(λ) = ∏<br />

+ α∈R<br />

〈ρ, α ∨ 〉<br />

+<br />

4.6.3. Der Beweis wird im Anschluß an 4.6.34 gegeben. Auf dem Weg dahin<br />

werden wir sogar Formeln für die Dimensionen dim k L(λ) µ aller Gewichtsräume<br />

von endlichdimensionalen einfachen <strong>Darstellungen</strong> angeben. Obiger Formel kann<br />

ich mit bloßem Auge noch nicht einmal ansehen, warum sie immer natürliche<br />

Zahlen ausspucken sollte.<br />

Übung 4.6.4. Ich sollte wohl einmal als Übung die f<strong>und</strong>amentale Darstellung der<br />

Dimension 27 der <strong>Lie</strong>algebra vom Typ E 6 diskutieren lassen.<br />

84


Einige ganze dominante Gewichte zur sl(3; C) mit den zugehörigen irreduziblen<br />

<strong>Darstellungen</strong> oder zumidest deren Dimensionen. Die Kanten werden in [ML]<br />

2.2.19 gerechtfertigt. Sind α 1 , α 2 die einfachen Wurzeln, so ist die einzige<br />

weitere positive Wurzel α 1 + α 2 <strong>und</strong> in diesem Fall gilt auch<br />

(α 1 + α 2 ) ∨ = α ∨ 1 + α ∨ 2 . Sind ϖ 1 , ϖ 2 die f<strong>und</strong>amentalen dominanten Gewichte,<br />

so gilt per Definitionem 〈ϖ i , α ∨ j 〉 = δ ij <strong>und</strong> nach [SPW] 2.2.15 haben wir<br />

ρ = ϖ 1 + ϖ 2 . Der Nenner in der Weyl’schen Dimensionsformel ist also<br />

〈ϖ 1 + ϖ 2 , α ∨ 1 + α ∨ 2 〉 = 2. Setzen wir λ = λ 1 ϖ 1 + λ 2 ϖ 2 , so ergibt sich der Zähler<br />

zu (λ 1 + 1)(λ 2 + 1)(λ 1 + λ 2 + 2) <strong>und</strong> wir erhalten<br />

dim L(λ) = (λ 1 + 1)(λ 2 + 1)(λ 1 + λ 2 + 2)/2<br />

85


Übung 4.6.5. Wir erinnern aus 4.1.13, daß die f<strong>und</strong>amentalen Gewichte zu G 2 die<br />

höchste Wurzel <strong>und</strong> die höchste kurze Wurzel sind. Die Darstellung zur höchsten<br />

Wurzel ist natürlich die adjungierte Darstellung. Man zeige, daß die <strong>Darstellungen</strong><br />

zur höchsten kurzen Wurzel eine irreduzible Darstellung der Dimension 7<br />

ist mit den kurzen Wurzeln sowie der Null als Gewichten <strong>und</strong> eindimensionalen<br />

Gewichtsräumen.<br />

Übung 4.6.6. Man folgere aus der Dimensionsformel, daß die symmetrischen Potenzen<br />

S r C n+1 stets irreduzible <strong>Darstellungen</strong> von sl(n + 1; C) sind. Sie haben im<br />

übrigen das höchste Gewicht rϖ 1 . Wer Rechenzeit sparen will, sollte sich zumindest<br />

den Fall n = 2 überlegen. Alternativ <strong>und</strong> vielleicht einfacher kann man die<br />

Irreduzibilität auch wie in 1.2.20 begründen.<br />

4.6.7. Wir betrachten den Gruppenring Zh ∗ der additiven Gruppe h ∗ . Fassen wir<br />

λ ∈ h ∗ als ein Element dieses Gruppenrings auf, so schreiben wir e λ statt λ, da<br />

sonst λ + µ zweideutig wäre. Die e λ für λ ∈ h ∗ bilden also eine Z-Basis von Zh ∗<br />

<strong>und</strong> es gilt e λ e µ = e λ+µ .<br />

4.6.8. Der Ring Zh ∗ ist nullteilerfrei. In der Tat liegen je zwei Elemente stets in<br />

einem Teilring der Gestalt ZE für E ⊂ h ∗ eine endlich erzeugte Untergruppe, <strong>und</strong><br />

da E notwendig eine freie abelsche Gruppe ist, muß ZE isomorph sein zu einem<br />

Ring von Laurent-Polynomen in mehreren Veränderlichen.<br />

Definition 4.6.9. Für jede endlichdimensionale Darstellung V von g definieren<br />

wir <strong>ihre</strong>n Charakter ch V ∈ Zh ∗ durch die Vorschrift<br />

ch V = ∑ µ<br />

(dim V µ ) e µ<br />

4.6.10. Der Charakter einer endlichdimensionalen Darstellung ist stabil unter der<br />

Weylgruppe. In der Tat folgt aus der Darstellungstheorie der sl(2; k) nach 1.2.14,<br />

daß geeignete Potenzen von Erzeugern von g α <strong>und</strong> g −α Isomorphismen zwischen<br />

den Gewichtsräumen zu λ <strong>und</strong> s α λ liefern.<br />

Satz 4.6.11 (Weyl’sche Charakterformel). Für jedes ganze dominante Gewicht<br />

λ ∈ X + gilt in Quot(Zh ∗ ) für den Charakter der endlichdimensionalen einfachen<br />

Darstellung mit höchstem Gewicht λ die Formel<br />

ch L(λ) =<br />

∑w∈W (−1)l(w) e w(λ+ρ)<br />

∑<br />

w∈W (−1)l(w) e wρ<br />

Bemerkung 4.6.12. Der Beweis wird im Anschluß an den Beweis von 4.6.33 gegeben.<br />

Die Formel selbst ist insbesondere für theoretische Überlegungen nützlich,<br />

für praktische Berechnungen scheint mir 4.6.31 sehr viel besser, <strong>und</strong> es gibt sogar<br />

noch bessere Verfahren. Das Vorzeichen (−1) l(w) ist übrigends gerade die Determinante<br />

von w.<br />

86


Beispiel 4.6.13. Man prüft sofort, daß sich korrekt ch L(0) = e 0 ergibt. Im Fall<br />

g = sl(2; k) haben wir ρ = α/2, X + = Nρ <strong>und</strong> es ergibt sich für alle n ∈ N<br />

korrekt<br />

ch L(nρ) = e(n+1)ρ − e −(n+1)ρ<br />

e ρ − e −ρ<br />

= e nρ + e (n−2)ρ + . . . + e −nρ<br />

4.6.14. Ist g einfach <strong>und</strong> β ∈ R + die höchste Wurzel, so ist L(β) die adjungierte<br />

Darstellung <strong>und</strong> die Weyl’sche Charakterformel spezialisiert zu einer bemerkenswerten<br />

kombinatorischen Identität, die der Leser selbst ausschreiben mag.<br />

Ergänzung 4.6.15 (Bedeutung des Charakterrings). Ich kann zwar für den Ring<br />

Zh ∗ keine Anschauung anbieten, wohl aber für seinen Teilring ZX mit dem Gitter<br />

X der ganzen Gewichte als Z-Basis. Ist genauer G eine einfach zusammenhängende<br />

kompakte <strong>Lie</strong>-Gruppe mit endlichem Zentrum <strong>und</strong> T ⊂ G ein maximaler<br />

Torus, so sind die zugehörigen komplexifizierten <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> h ⊂ g eine Cartan’sche<br />

in einer halbeinfachen komplexen <strong>Lie</strong>-Algebra. Gegeben λ ∈ X ⊂ h ∗<br />

können wir eine Abbildung [e λ ] : T → C × definieren durch die Kommutativität<br />

des Diagramms<br />

<strong>Lie</strong> T<br />

exp ↓<br />

λ<br />

→<br />

C<br />

↓ exp<br />

T [eλ ]<br />

→ C ×<br />

Auf diese Weise erhalten wir eine Injektion ZX ↩→ Ens(T, C), e λ ↦→ [e λ ], die sowohl<br />

unsere Notation e λ erklärt als auch den Ring ZX interpretiert als einen Ring<br />

von Funktionen auf T . Arbeiten wir statt mit kompakten <strong>Lie</strong>-Gruppen mit komplexen<br />

algebraischen Gruppen, so liefert eine entsprechende Konstruktion sogar<br />

einen Isomorphismus<br />

CX ∼ → O(T C )<br />

zwischen dem Gruppenring mit komplexen Koeffizienten des Gewichtegitters <strong>und</strong><br />

dem Ring der regulären Funktionen auf dem algebraischen maximalen Torus T C .<br />

Ist nun π : G → GL(V ) eine stetige komplexe endlichdimensionale Darstellung<br />

von G <strong>und</strong> dπ : g → gl(V ) die zugehörige Darstellung der <strong>Lie</strong>-Algebra g, so wird<br />

unser formaler Charakter ch(V, dπ) ∈ ZX unter besagter Einbettung ZX ↩→<br />

Ens(T, C) die Restriktion auf T des üblichen Charakters<br />

ch(V, π) : G → C<br />

g ↦→ tr(π(g))<br />

In dieser Form wurde die Charakterformel von Weyl entdeckt <strong>und</strong> daher rührt ihr<br />

Name.<br />

4.6.16. Wir wollen nun unseren Charakterring so erweitern, daß wir auch mit<br />

Charakteren von Verma-Moduln rechnen können.<br />

87


Definition 4.6.17. Ganz allgemein können wir die Menge Ens(h ∗ , Z) aller Abbildungen<br />

von h ∗ nach Z betrachten. Wir schreiben solche Abbildungen f : h ∗ → Z<br />

als unendliche formale Ausdrücke f = ∑ f(λ) e λ <strong>und</strong> ordnen jeder Darstellung<br />

V von g oder sogar von h mit endlichdimensionalen Gewichtsräumen <strong>ihre</strong>n Charakter<br />

ch V ∈ Ens(h ∗ , Z) zu vermittels der Vorschrift<br />

ch V = ∑ (dim V µ ) e µ<br />

4.6.18. Offensichtlich bilden die Charaktere aller Vermamoduln eine linear unabhängige<br />

Familie in Ens(h ∗ , Z) <strong>und</strong> dasselbe gilt für die Charaktere aller einfachen<br />

höchsten Gewichtsmoduln. Ich wüßte aber nicht, wie man die Multiplikation in<br />

Zh ∗ sinnvoll auf ganz Ens(h ∗ , Z) ausdehnen könnte. Um dennoch mit Charakteren<br />

von Vermamoduln rechnen zu können, arbeiten wir mit einer geeigneten<br />

Untergruppe.<br />

Definition 4.6.19 (Erweiterter Charakterring). Bezeichne<br />

Z h ∗ ⊂ Ens(h ∗ , Z)<br />

die Menge aller Abbildungen von h ∗ nach Z, deren Träger in einer Vereinigung<br />

von endlich vielen Mengen der Form λ+|−R + 〉 enthalten ist, in anderen Formeln<br />

also Mengen der Form {λ − ∑ n α α | n ∈ Ens(R + , N)}.<br />

4.6.20. Natürlich können wir Zh ∗ ⊂ Z h ∗ als die Teilmenge aller Funktionen<br />

mit endlichem Träger auffassen. Wir können nun die Multiplikation in Zh ∗ zu einer<br />

assoziativen kommutativen Multiplikation auf Z h ∗ fortsetzen durch die Vorschrift<br />

(fg)(ν) = ∑ λ+µ=ν<br />

f(λ)g(µ), denn unsere Trägerbedingung stellt sicher,<br />

daß in diesen Summen nur endlich viele Terme nicht verschwinden. Man kann<br />

sich überlegen, daß dieser erweiterte Charakterring auch nullteilerfrei ist, aber<br />

wir werden das nicht benötigen. Als Beispiel für die Nützlichkeit unseres Rings<br />

zeigen wir gleich ein Lemma.<br />

Übung 4.6.21. Sind M, N zwei h-Moduln mit endlichdimensionalen Gewichtsräumen<br />

derart, daß beide die Summe <strong>ihre</strong>r Gewichtsräume sind <strong>und</strong> daß <strong>ihre</strong> Charaktere<br />

beide zu Z h ∗ gehören, so gilt ch(M ⊗ N) = (ch M)(ch N).<br />

Lemma 4.6.22. Der Charakter eines Verma-Moduls wird gegeben durch die Formel<br />

ch ∆(λ) = e ∏ λ α∈R<br />

(1 + e −α + e −2α + . . .), insbesondere gilt in Z h ∗ die<br />

+<br />

Formel<br />

( )<br />

∏<br />

(1 − e −α ) ch ∆(λ) = e λ<br />

α∈R +<br />

Beweis. Die zweite Aussage folgt sofort aus der ersten <strong>und</strong> die erste drückt nur<br />

unsere Erkenntnisse über Vermamoduln aus 4.4.4 in unserem neuen Formalismus<br />

aus, da ja offensichtlich gilt ∏ α∈R + (1+e −α + e −2α + . . .) = ∑ µ P(−µ) e−µ .<br />

88


4.6.23. Wir interessieren uns nun für den Eigenwert des Casimir-Operators auf<br />

einem Verma-Modul. Bezeichne ¯κ : h → h ∗ den von der Killingform κ induzierten<br />

Isomorphismus, charakterisiert durch 〈¯κ(h), h ′ 〉 = κ(h, h ′ ) ∀h, h ′ ∈ h.<br />

Bezeichne<br />

( , )<br />

die Bilinarform auf h ∗ , die unter dem Isomorphismus ¯κ der Killingform auf h entspricht.<br />

Haben wir ¯κ : h ↦→ λ, so folgt für alle µ ∈ h ∗ auch µ(h) = (λ, µ). Nach<br />

2.4.23 ist unsere Bilinearform positiv definit auf dem von den Wurzeln aufgespannten<br />

Q-Untervektorraum 〈R〉 Q . Nach dem anschließenden Lemma ist unsere<br />

Bilinearform invariant unter der Weylgruppe.<br />

Lemma 4.6.24. Die Restriktion der Killingform einer komplexen halbeinfachen<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra auf eine Cartan’sche ist invariant unter der Weylgruppe.<br />

Erster Beweis. Für x, y ∈ h <strong>und</strong> w ∈ W rechnen wir<br />

κ(x, y) = tr(ad x ad y) = ∑ α∈R<br />

〈α, x〉〈α, y〉<br />

κ(wx, wy) = ∑ α∈R 〈α, wx〉〈α, wy〉 = ∑ α∈R 〈w−1 α, x〉〈w −1 α, y〉<br />

Zweiter Beweis. Natürlich ist die Killingform einer endlichdimensionalen <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra invariant unter jedem Automorphismus τ unserer <strong>Lie</strong>-Algebra, in Formeln<br />

κ(τx, τy) = κ(x, y) für alle x, y. Die Elemente der Weylgruppe operieren<br />

aber nach 2.7.9 auf der Cartan’schen wie die Elemente des Normalisators unserer<br />

Cartan’schen in der adjungierten Gruppe, wenn man denn weiß, was alle diese<br />

Begriffe bedeuten.<br />

Lemma 4.6.25. Jeder Endomorphismus eines Vermamoduls ist die Multiplikation<br />

mit einem Skalar.<br />

Beweis. Wir betrachten die Abbildungen k ↩→ End g ∆(λ) ↩→ End k (∆(λ) λ ). Die<br />

zweite ist injektiv, da ∆(λ) λ nach 4.4.4 schon ∆(λ) erzeugt. Die Verknüpfung<br />

ist eine Bijektion, da ja nach 4.4.4 der höchste Gewichtsraum eines Vemamoduls<br />

eindimensional ist. Also sind unsere Abbildungen alle drei Bijektionen.<br />

Lemma 4.6.26 (Eigenwert des Casimir auf Vermamoduln). Der Casimir-Operator<br />

C = C κ aus 2.1.10 operiert auf dem Verma-Modul ∆(λ) durch den Skalar c λ =<br />

(λ + ρ, λ + ρ) − (ρ, ρ) in den Notationen aus 4.6.23.<br />

4.6.27. Dies Lemma gilt unverändert, wenn wir die Killingform ersetzen durch<br />

eine beliebige invariante nichtausgeartete symmetrische Bilinearform auf unserer<br />

halbeinfachen <strong>Lie</strong>-Algebra. Es zeigt im Übrigen in Verbindung mit 4.4.16 auch<br />

(λ, λ) = (wλ, wλ) zumindest für alle ganzen Gewichte λ <strong>und</strong> alle w ∈ W .<br />

89


Beweis. Wir müssen nach 4.6.25 nur ausrechnen, durch welchen Skalar der Casimiroperator<br />

C auf dem höchsten Gewichtsraum ∆(λ) λ operiert. Dazu wählen wir<br />

für α ∈ R + geeignete Wurzelvektoren x α ∈ g α <strong>und</strong> y α ∈ g −α mit κ(x α , y α ) = 1,<br />

wählen des weiteren eine Orthonormalbasis h 1 , . . . , h n von h unter der Killing-<br />

Form κ <strong>und</strong> erhalten<br />

C = ∑ α∈R + y α x α + x α y α + ∑ n<br />

i=1 h2 i<br />

= ∑ α∈R + 2y α x α + [x α , y α ] + ∑ n<br />

i=1 h2 i<br />

Dieser Ausdruck operiert auf ∆(λ) λ natürlich durch den Skalar<br />

c λ = ∑<br />

α∈R + λ([x α , y α ]) +<br />

n∑<br />

λ(h i ) 2<br />

i=1<br />

Schreiben wir λ = ¯κ(h), so liest sich unser Skalar als<br />

c λ = ∑<br />

α∈R + κ(h, [x α , y α ]) +<br />

n∑<br />

κ(h, h i ) 2<br />

i=1<br />

<strong>und</strong> da gilt κ(h, [x α , y α ]) = κ([h, x α ], y α ) = α(h)κ(x α , y α ) = α(h) ergibt sich<br />

schließlich für unseren Skalar die Formel<br />

c λ = 2ρ(h) + κ(h, h)<br />

= (2ρ, λ) + (λ, λ)<br />

= (λ + ρ, λ + ρ) − (ρ, ρ)<br />

Ergänzung 4.6.28 (Formel von Freudenthal). Der Beweis von 4.6.26 liefert bereits<br />

eine Formel zur induktiven Berechnung irreduzibler Charaktere. Ist L =<br />

L(mρ) die (m + 1)-dimensionale einfache Darstellung von sl(2; C) <strong>und</strong> ist e, h, f<br />

die Standardbasis von sl(2; C) wie in 1.2.14, so liefern die Formeln aus dem<br />

Beweis dort, daß die Operation von fe auf jedem von Null verschiedenen Gewichtsraum<br />

L(mρ) mρ−iα geschieht durch den Skalar (m − i + 1)i, den wir mit<br />

µ := mρ − iα auch schreiben können als<br />

(m − i + 1)i = ∑ j≥1(dim L(mρ) µ+jα )〈µ + jα, α ∨ 〉<br />

Die rechte Seite wird nun zusätzlich Null für alle Gewichte µ mit L(mρ) µ = 0<br />

<strong>und</strong> das zeigt, daß für alle endlichdimensionalen <strong>Darstellungen</strong> V der <strong>Lie</strong>algebra<br />

sl(2; C) <strong>und</strong> alle Gewichte µ gilt<br />

tr(fe|V µ ) = ∑ j≥1(dim V µ+jα )〈µ + jα, α ∨ 〉<br />

90


Gegeben x ∈ g α <strong>und</strong> y ∈ g −α mit [x, y] = α ∨ folgt aus der Formel vom Beginn<br />

des Beweises von 2.4.14 sofort<br />

κ(α ∨ , α ∨ ) = 2κ(x, y)<br />

Gegeben x α ∈ g α <strong>und</strong> y α ∈ g −α mit κ(x α , y α ) = 1 folgt umgekehrt dann auch,<br />

daß x α , α ∨ <strong>und</strong> (κ(α ∨ , α ∨ )/2)y α ein sl 2 -Tripel (e, h, f) bilden. Für λ ∈ 〈R〉 Q kürzen<br />

wir nun √ (λ, λ) = |λ| ab. Für die Spur des Casimir auf dem Gewichtsraum<br />

L(λ) µ ergeben sich mit 4.6.26 <strong>und</strong> den Formeln aus dem Beweis dieses Lemmas<br />

die beiden Gleichungen<br />

tr(C|L(λ) µ ) = (dim L(λ) µ ) (|λ + ρ| 2 − |ρ| 2 )<br />

tr(C|L(λ) µ ) = ∑ α∈R + (2/κ(α ∨ , α ∨ )) ∑ j≥1 (dim L(λ) µ+jα) 〈µ + jα, α ∨ 〉<br />

+ (dim L(λ) µ ) (|µ + ρ| 2 − |ρ| 2 )<br />

Aus dem Vergleich dieser beiden Formeln zusammen mit der Erkenntnis ¯κ(α ∨ ) =<br />

2α/(α, α) ergibt sich dann schließlich Freudenthal’s Formel<br />

(dim L(λ) µ ) (|λ + ρ| 2 − |µ + ρ| 2 ) = 2 ∑<br />

(dim L(λ) µ+jα ) (µ + jα, α)<br />

∑<br />

α∈R + j≥1<br />

Sie erlaubt es, induktiv die Dimension eines Gewichtsraums in einer einfachen<br />

Darstellung aus den Dimensionen der Gewichtsräume zu höheren Gewichten zu<br />

berechnen.<br />

Lemma 4.6.29 (Kompositionsreihen von Vermamoduln). Jeder Vermamodul<br />

∆(λ) hat endliche Länge <strong>und</strong> jeder einfache Subquotient von ∆(λ) ist ein einfacher<br />

höchster Gewichtsmodul L(µ) mit µ ≤ λ <strong>und</strong> (µ+ρ, µ+ρ) = (λ+ρ, λ+ρ).<br />

Beweis. Die zweite Aussage folgt aus 4.4.9.3 <strong>und</strong> 4.6.26, da der Casimir-Operator<br />

auf jedem Subquotienten von ∆(λ) auch durch den Skalar c λ operieren muß.<br />

Wir folgern daraus zunächst einmal, daß es überhaupt nur endlich viele µ gibt,<br />

die als höchste Gewichte einfacher Subquotienten unseres Vermamoduls in Frage<br />

kommen. Aus µ ≤ λ folgt ja unter anderem µ = λ + ν mit ν ∈ 〈R〉.<br />

Nun gibt es aber nur endlich viele Elemente des Wurzelgitters ν ∈ 〈R〉 mit<br />

(λ + ρ, λ + ρ) = (λ + ν + ρ, λ + ν + ρ), denn diese Gleichung ist gleichbedeutend<br />

zu (ν, ν) + 2(λ + ρ, ν) = 0, <strong>und</strong> da unsere Bilinearform ( , ) nach 2.4.23 positiv<br />

definit ist auf 〈R〉 Q , kann unsere Gleichung im Gitter 〈R〉 höchstens endlich viele<br />

Lösungen haben. Weiter hat jeder von Null verschiedene Subquotient S von ∆(λ)<br />

selbst einen einfachen Subquotienten, ganz allgemein besitzt ja nach [KA] 3.5.6<br />

jeder von Null verschiedene Modul über einem Ring einen einfachen Subquotienten.<br />

Damit gibt es also für jeden von Null verschiedenen Subquotienten S von<br />

91


∆(λ) ein Gewicht µ mit (µ + ρ, µ + ρ) = (λ + ρ, λ + ρ) <strong>und</strong> S µ ≠ 0. Wir können<br />

dann die Länge l(∆(λ)) einer in jedem Schritt echt absteigenden Filtrierung der<br />

Darstellung ∆(λ) abschätzen durch<br />

l(∆(λ)) ≤<br />

∑ µ≤λ<br />

(µ+ρ,µ+ρ)=<br />

=(λ+ρ,λ+ρ)<br />

dim k ∆(λ) µ<br />

4.6.30. Wir erinnern an die “zum Fixpunkt −ρ verschobene” Operation von W<br />

auf h ∗ , gegeben durch die Formel w · λ = w(λ + ρ) − ρ.<br />

Satz 4.6.31 (Kostant’sche Charakterformel). Gegeben λ ∈ X + ein dominantes<br />

ganzes Gewicht ist der Charakter der einfachen Darstellung mit höchstem<br />

Gewicht λ die alternierende Summe über die Charaktere der Vermamoduln mit<br />

höchstem Gewicht in der Bahn von λ unter der dot-Operation der Weylgruppe, in<br />

Formeln<br />

ch L(λ) = ∑ w∈W(−1) l(w) ch ∆(w · λ)<br />

Beispiel 4.6.32. Im Fall der <strong>Lie</strong>algebra sl(2) liefert die Einbettung von Vermamoduln<br />

aus 4.4.16 offensichtlich für alle m ∈ N eine kurze exakte Sequenz<br />

∆((−m − 2)ρ) ↩→ ∆(mρ) ↠ L(mρ), die die obige Formel direkt liefert.<br />

Beweis. Für λ ∈ 〈R〉 Q kürzen wir √ (λ, λ) = |λ| ab. Lemma 4.6.29 sagt uns, daß<br />

wir den Charakter von ∆(λ) schreiben können in der Form<br />

∑<br />

ch ∆(λ) =<br />

ch L(µ)<br />

µ≤λ<br />

|µ+ρ|=|λ+ρ|<br />

für geeignete a µ λ ∈ N mit aλ λ = 1. Da sich eine obere Dreiecksmatrix mit Einsen<br />

auf der Diagonalen stets invertieren läßt, können wir umgekehrt auch den Charakter<br />

von L(λ) schreiben in der Form<br />

∑<br />

ch L(λ) =<br />

ch ∆(µ)<br />

µ≤λ<br />

|µ+ρ|=|λ+ρ|<br />

für geeignete b µ λ ∈ Z mit bλ λ = 1. Insoweit gilt alles für beliebige λ ∈ h∗ Q <strong>und</strong><br />

wenn wir die Notation |µ| vermeiden sogar für beliebige λ ∈ h ∗ . Ist λ nun ganz<br />

<strong>und</strong> dominant, so hat L(λ) endliche Dimension nach 4.4.13 <strong>und</strong> ch L(λ) ist nach<br />

4.2.6 invariant unter der Weylgruppe W . Wir multiplizieren dann beide Seiten<br />

unserer Gleichung mit<br />

∏<br />

(e α/2 − e −α/2 ) = e ∏<br />

ρ (1 − e −α )<br />

α∈R + α∈R +<br />

92<br />

a µ λ<br />

b µ λ


<strong>und</strong> erhalten mit der Abkürzung d ν = b ν−ρ<br />

λ<br />

die Formel<br />

( ) ∏<br />

e α/2 − e −α/2 ch L(λ) = ∑ b µ λ eµ+ρ = ∑<br />

α∈R + µ<br />

ν<br />

d ν e ν<br />

mit der zusätzlichen Information d λ+ρ = 1 <strong>und</strong> d ν = 0 falls |ν| ≠ |λ+ρ| oder ν ≰<br />

λ + ρ. Nach [SPW] 2.2.5 ändert die linke Seite ihr Vorzeichen, wenn man darauf<br />

eine einfache Spiegelung s β anwendet. Dasselbe muß dann auch für die rechte<br />

Seite gelten <strong>und</strong> wir folgern d ν = (−1) l(w) d wν für alle w ∈ W . Insbesondere<br />

haben wir damit sogar d ν = 0 falls nicht |ν| = |λ + ρ| <strong>und</strong> wν ≤ λ + ρ für<br />

alle w ∈ W . Mit dem anschließenden Lemma 4.6.33 folgt d ν = 0 falls nicht<br />

gilt ν ∈ W (λ + ρ), <strong>und</strong> mit unserer zusätzlichen Information d λ+ρ = 1 <strong>und</strong><br />

Zurückparametrisieren folgt die Kostant’sche Charakterformel.<br />

Lemma 4.6.33. Sei µ ∈ X + ein ganzes dominantes Gewicht <strong>und</strong> ν ∈ X ein<br />

ganzes Gewicht. Aus |ν| = |µ| <strong>und</strong> wν ≤ µ für alle w ∈ W folgt ν ∈ W µ.<br />

Beweis. Jedes ganze Gewicht läßt sich mit W nach X + konjugieren, <strong>und</strong> sein<br />

“Betrag” ändert sich nach 4.6.27 dabei nicht. Wir dürfen also ohne Beschränkung<br />

der Allgemeinheit ν ∈ X + annehmen <strong>und</strong> müssen nur für µ, ν ∈ X + aus ν ≤<br />

µ <strong>und</strong> |ν| = |µ| folgern ν = µ. Nun ist ja per definitionem das Skalarprodukt<br />

eines Vektors aus der dominanten Weylkammer mit einer positiven Wurzel stets<br />

nichtnegativ, als da heißt, unter unseren Voraussetzungen schließen µ − ν <strong>und</strong> ν<br />

einen stumpfen Winkel ein. Dann aber muß die Summe mindestens genauso lang<br />

sein wie jeder der beiden Summanden, <strong>und</strong> Gleichheit der Längen ist nur möglich,<br />

wenn der entsprechende Summand mit der Summe übereinstimmt.<br />

Beweis der Weyl’schen Charakterformel 4.6.11. Wir teilen die Formel<br />

( ∏<br />

(−1) l(w) e w(λ+ρ)<br />

α∈R + e α/2 − e −α/2 )<br />

ch L(λ) = ∑ w∈W<br />

aus dem Beweis der Kostant’schen Charakterformel 4.6.31 durch <strong>ihre</strong> Spezialisierung<br />

an λ = 0.<br />

4.6.34. Die Spezialisierung obiger Formel bei λ = 0 ist auch für sich genommen<br />

eine bemerkenswerte kombinatorische Identität, die sogenannte Weyl’sche<br />

Nennerformel<br />

e ∏<br />

ρ (1 − e −α ) = ∏<br />

(e α/2 − e −α/2 ) = ∑ (−1) l(w) e wρ<br />

α∈R + α∈R + w∈W<br />

93


Die Gewichte der 7-dimensionalen irreduziblen Darstellung von G 2 .<br />

Illustration zu Lemma 4.6.33. Fett eingezeichnet sind alle dominanten ganzen<br />

Gewichte ν ∈ X + mit ν ≤ µ. Als magere Punkte eingezeichnet sind die anderen<br />

ganzen Gewichte ν ∈ X mit ν ≤ µ, soweit sie eben ins Bild passen. Die Grenzen<br />

des Bereichs, in dem Gewichte ≤ µ zu finden sind, stehen senkrecht auf den<br />

Wänden des dominanten Alkoven. Man erkennt, daß alle von µ verschiedenen<br />

fetten Punkte näher am Ursprung liegen.<br />

94


Übung 4.6.35. Man zeige mithilfe einer Streckung der Nennerformel für eine beliebige<br />

halbeinfache <strong>Lie</strong>-Algebra die Formel<br />

ch L(nρ) = e ∏<br />

nρ (1 + e −α + . . . + e −nα )<br />

α∈R +<br />

Beweis der Weyl’schen Dimensionsformel 4.6.2. Es liegt nahe, den Ringhomomorphismus<br />

a : Zh ∗ → Z zu betrachten mit a(e λ ) = 1 ∀λ ∈ h ∗ . Seine Einschränkung<br />

auf ZX entspricht unter unserem Isomorphismus CX → ∼ O(T C ) aus 4.6.15<br />

dem Auswerten am neutralen Element, deshalb die Bezeichnung a. Nun gilt natürlich<br />

dim L(λ) = a(ch L(λ)), nur führt uns die Weyl’sche Charakterformel zunächst<br />

auf die wenig hilfreiche Relation 0 · dim L(λ) = 0. Um hier weiterzukommen<br />

benutzen wir eine abstrakte Version der Regel von de l’Hospital. Dazu bilden<br />

wir in unserem Gruppenring Zh ∗ den Teilring ZX <strong>und</strong> betrachten für α ∈ R +<br />

den Gruppenhomomorphismus ∂ α : ZX → ZX mit ∂ α (e µ ) = 〈µ, α ∨ 〉 e µ . Man<br />

prüft mühelos, daß ∂ α eine Derivation ist <strong>und</strong> daß die ∂ α für verschiedene α kommutieren.<br />

Unter unserem Isomorphismus CX → ∼ O(T C ) aus 4.6.15 entspricht<br />

sie im übrigen dem Anwenden des invarianten Vektorfeldes zu α ∨ ∈ <strong>Lie</strong> T C . Ist<br />

D = ∏ ∏ α∈R<br />

∂ + α ∈ End ZX das Produkt der ∂ α , so gilt offensichtlich aD e µ =<br />

α∈R<br />

〈µ, α ∨ 〉, <strong>und</strong> mit [SPW] 2.2.5 folgt daraus aD e wµ = (−1) l(w) aD e µ zuerst<br />

+<br />

für w eine einfache Spiegelung <strong>und</strong> dann für beliebige w ∈ W . Unter der Übersetzung<br />

in O(T C ) ist diese Formel im übrigen auch ohne weitere Rechnung evident.<br />

Betrachten wir nun die aus der Kombination der Weyl’schen Charakterformel <strong>und</strong><br />

der Weyl’schen Nennerformel entstehende Gleichung<br />

(<br />

e ∏ )<br />

ρ (1 − e −α ) ch L(λ) = ∑ (−1) l(w) e w(λ+ρ)<br />

α∈R + w∈W<br />

<strong>und</strong> wenden auf beide Seiten aD an, so ergibt sich<br />

(<br />

aD e ∏ )<br />

ρ (1 − e −α ) a(ch L(λ)) = |W | ∏<br />

〈λ + ρ, α ∨ 〉<br />

α∈R + α∈R +<br />

denn “kriegt einer der Faktoren 1 − e −α keine Derivation ab, so verschwindet er<br />

unter a”. Setzen wir hier a(ch L(λ)) = dim C L(λ) ein <strong>und</strong> teilen unsere Gleichung<br />

durch <strong>ihre</strong> Spezialisierung an λ = 0, so ergibt sich die Weyl’sche Dimensionsformel<br />

4.6.2.<br />

4.6.36. Die Gewichte maximaler Länge in einer einfachen endlichdimensionalen<br />

Darstellung nennen wir <strong>ihre</strong> extremen Gewichte. Die extremen Gewichte<br />

von L(ν) sind nach 4.6.33 gerade die Weylgruppenkonjugierten des höchsten Gewichts,<br />

d.h. die Elemente von W ν.<br />

95


Satz* 4.6.37 (Formel von Klimyk). Gegeben λ, µ, ν ∈ X + dominante ganze<br />

Gewichte gelten für die Vielfachheit [L(µ) ⊗ L(ν) : L(λ)] von L(λ) als Summand<br />

der Tensordarstellung die Formeln<br />

[L(µ) ⊗ L(ν) : L(λ)] = ∑ y∈W (−1)l(y) dim L(µ) λ−y·ν ≤ dim L(µ) λ−ν<br />

4.6.38. Ist µ klein im Vergleich zu ν in dem Sinne, daß für alle einfachen Wurzeln<br />

α <strong>und</strong> alle z ∈ W gilt 〈ν + zµ, α ∨ 〉 ≥ −1, so haben wir in der obigen Formel<br />

sogar ganz rechts Gleichheit für alle λ. Auch im allgemeinen zeigt unsere Formel<br />

[L(µ) ⊗ L(ν) : L(λ)] ≠ 0 ⇒ |λ − ν| ≤ |µ| bezüglich jedes unter der Weylgruppe<br />

invarianten Skalarprodukts auf 〈R〉 Q .<br />

Beweis. Ist E irgendeine endlichdimensionale Darstellung <strong>und</strong> P µ (E) die Multimenge<br />

<strong>ihre</strong>r Gewichte im Sinne von [GR] 2.2.34, wobei jedes Gewicht mit der<br />

Dimension des zugehörigen Gewichtsraums gewichtet wird <strong>und</strong> der “Multimengenanzeiger”<br />

µ nicht mit dem Gewicht µ zu verwechseln ist, so liefert die Kostant’sche<br />

Charakterformel 4.6.31<br />

∑<br />

ch(E ⊗ L(ν)) =<br />

(−1) l(y) ch ∆(y · ν + τ)<br />

y∈W, τ∈P µ(E)<br />

Um die Vielfachheit von L(λ) in E ⊗ L(ν) zu bestimmen, müssen wir nur auf der<br />

rechten Seite die Summanden ∆(λ) zählen <strong>und</strong> erhalten die Gleichung aus der<br />

Formel von Klimyk in der Gestalt<br />

∑<br />

[E ⊗ L(ν) : L(λ)] = (−1) l(y) =<br />

y∈W(−1) ∑ l(y) dim E λ−y·ν<br />

y∈W,τ∈Pµ(E)<br />

y·ν+τ=λ<br />

Ebenso finden wir auch ch(E ⊗ ∆(ν)) = ∑ τ∈P µ(E)<br />

ch ∆(ν + τ) <strong>und</strong> damit sofort<br />

[E ⊗∆(ν) : L(λ)] = dim E λ−ν . Das liefert dann auch die Ungleichung in obigem<br />

Satz.<br />

4.6.39. Haben wir nun wieder E = L(µ), so können wir die Kostant’sche Charakterformel<br />

auch mit der Kostant’schen Partitionsfunktion aus 4.4.4 schreiben in<br />

der Gestalt<br />

dim L(µ) η = ∑ x∈W(−1) l(x) P(x · µ − η)<br />

Setzen wir das in die Formel von Klimyk ein, so ergibt sich die Formel <strong>und</strong><br />

Steinberg<br />

[L(µ) ⊗ L(ν) : L(λ)] = ∑<br />

(−1) l(xy) P(x · µ + y · ν − λ)<br />

x,y∈W<br />

96


4.6.40. Sei T ⊂ GL(n, C) die Gruppe der invertierbaren Diagonalmatrizen <strong>und</strong><br />

ε i : T → C × die Projektion auf den i-ten Diagonaleintrag. Die Charaktergruppe<br />

X(T ) ist die freie abelsche Gruppe über den ε i <strong>und</strong> ihr Gruppenring ist der Ring<br />

Z[X i , X −1<br />

i ] aller Laurent-Polynome in Veränderlichen X 1 , . . . , X n , wo wir e ε i<br />

=<br />

X i abgekürzt haben, d.h. X i ist ε i aufgefaßt als Element des Gruppenrings. Der<br />

Charakter definiert einen Ringisomorphismus<br />

⎧<br />

⎨<br />

⎩<br />

Grothendieckgruppe der<br />

endlichdimensionalen polynomialen<br />

<strong>Darstellungen</strong> von GL(n; C)<br />

⎫<br />

⎬<br />

⎭<br />

∼<br />

→<br />

Z[X 1 , . . . , X n ] Sn<br />

des Darstellungsrings der polynomialen <strong>Darstellungen</strong> mit dem Ring der symmetrischen<br />

Polynome. Die irreduziblen <strong>Darstellungen</strong> entsprechen hierbei den sogenannten<br />

Schur-Polynomen. Gegeben natürliche Zahlen λ 1 ≥ . . . ≥ λ n ≥ 0<br />

gehört genauer zur irreduziblen Darstellung L(λ) mit höchstem Gewicht λ 1 ε 1 +<br />

. . . + λ n ε n das Schur-Polynom S λ mit der kombinatorischen Definition<br />

S λ = det(X λ i+n−i<br />

j )/ det(X n−i<br />

j )<br />

In der Tat folgt das aus der Weyl’schen Charakterformel <strong>und</strong> der Erkenntnis, daß<br />

wir eine Identität haben der Gestalt<br />

X n−1<br />

1 X n−2<br />

2 . . . X 2 n−2X n−1 = e ρ+κ<br />

mit κ einem Gewicht, das invariant ist unter der Weylgruppe. Etwas Vorsicht ist<br />

jedoch geboten, denn weder ρ noch κ gehören zu X(T ).<br />

4.7 Gewichte einer einfachen Darstellung*<br />

Proposition 4.7.1 ([Kac90, 11.3.a]). Die Menge der Gewichte einer einfachen<br />

endlichdimensionalen Darstellung einer komplexen reduktiven <strong>Lie</strong>-Algebra ist der<br />

Schnitt des um das höchste Gewicht verschobenen Wurzelgitters mit der konvexen<br />

Hülle der Bahn des höchsten Gewichts unter der Weylgruppe, in Formeln<br />

P(L(λ)) = Conv(W λ) ∩ (λ + 〈R〉)<br />

Beweis. Es reicht zu zeigen, daß beide Seiten mit dem Abschluß ¯C + der dominanten<br />

Weylkammer denselben Schnitt haben. Aber sei K − der von den negativen<br />

Wurzeln erzeugte Kegel. Man sieht leicht<br />

Conv(W λ) ⊂ λ + K −<br />

<strong>und</strong> wir behaupten zunächst, daß hier beide Seiten denselben Schnitt mit ¯C + haben.<br />

Man kann ja wohl zeigen, daß für zwei endlich erzeugte Kegel, die durch<br />

97


Illustration von Proposition 4.7.1 über die Gewichte einer irreduziblen<br />

Darstellung. Im Bild stellen die fetten Punkte ganze Gewichte dar <strong>und</strong> die<br />

eingekreisten fetten Punkte die Gewichte einer speziellen irreduziblen<br />

Darstellung. Über die Dimension der zugehörigen Gewichtsräume wird hier<br />

keine Aussage gemacht, nur daß das eben genau die Gewichte mit von Null<br />

verschiedenen Gewichtsräumen in unserer Darstellung sind.<br />

98


eine Hyperebene getrennt werden in dem Sinne, daß sie abgesehen vom Ursprung<br />

ganz im einen bzw. im anderen offenen Halbraum liegen, der Schnitt des einen<br />

mit dem verschobenen anderen die konvexe Hülle der Menge aller einelementigen<br />

Schnitte von Facetten unserer beiden Kegel ist. Unser Schnitt ¯C + ∩λ+K − hat<br />

nun als extreme Punkte gerade die Punkte, die man erhält, wenn man λ senkrecht<br />

bezüglich eines unter der Weylgruppe invarianten Skalarprodukts auf den Träger<br />

einer Facette von ¯C + projiziert. Diese Punkte liegen aber auch in Conv(W λ) als<br />

die Schwerpunkte der Bahnen W F λ für W F die Isotropiegruppe der fraglichen<br />

Facette. Damit folgt schon mal<br />

Conv(W λ) ∩ ¯C + = (λ + K − ) ∩ ¯C +<br />

Schneiden wir aber die rechte Seite mit dem um λ verschobenen Wurzelgitter<br />

λ + 〈R〉, so sollte sl 2 -Theorie zeigen, daß wir gerade P(L(λ)) ∩ ¯C + erhalten.<br />

Ergänzung 4.7.2. Jetzt betrachten wir die Menge<br />

{<br />

D := ρ − ∑<br />

}<br />

t α α<br />

∣ 0 ≤ t α ≤ 1<br />

α∈R +<br />

Sie kann auch beschrieben werden als die konvexe Hülle D = Conv(W ρ), denn<br />

beide Seiten dieser Gleichung sind invariant unter der Weylgruppe <strong>und</strong> haben denselben<br />

Schnitt mit dem Abschluß der dominanten Weylkammer. Nun zeigen wir<br />

für alle Gewichte µ, ν aus dem Abschluß der dominanten Weylkammer die Inklusion<br />

µ + Conv(W ν) ⊂ Conv(W (µ + ν))<br />

Um das zu sehen, brauchen wir ja nur µ + W ν ⊂ Conv(W (µ + ν)) zu zeigen.<br />

Wir behaupten sogar allgemeiner W µ + W ν ⊂ Conv(W (µ + ν)). Das hinwiederum<br />

scheint mir klar, da man die Punkte aus W ν bzw. W µ alle durch geeignete<br />

Spiegelfolgen “immer über eine Wand” kriegen kann <strong>und</strong> das Ende einer solchen<br />

Spiegelfolge für einen Punkt aus µ + W ν jeweils in der konvexen Hülle der entsprechenden<br />

Spiegelfolge aus W µ liegen muß. Daraus folgt, wenn wir µ = λ−mρ<br />

<strong>und</strong> ν = mρ nehmen, was mich Steen gefragt hatte: Gegeben λ ganz <strong>und</strong> dominant<br />

<strong>und</strong> m das Minimum der Werte aller positiven Kowurzeln darauf gehören die<br />

λ − ∑ α∈R + n α α für 0 ≤ n α ≤ m alle zur Menge der Gewichte von L(λ).<br />

4.8 Die Tensoridentität*<br />

Proposition 4.8.1 (Die Tensoridentität <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> Verwandten). Sei b → g ein<br />

Homomorphismus von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> über einem Körper k. Gegeben <strong>Darstellungen</strong><br />

M ∈ b -Mod <strong>und</strong> E ∈ g -Mod haben wir kanonische Isomorphismen von<br />

99


g-Moduln<br />

prod g b (E ⊗ k M)<br />

ind g b Hom k(E, M)<br />

ind g b Hom k(M, E)<br />

∼<br />

→ E ⊗ k (prod g b M)<br />

∼<br />

→ Hom k (E, ind g b M)<br />

∼<br />

→ Hom k (prod g b<br />

M, E)<br />

Ergänzung 4.8.2. Eine Variante dieser Aussagen für Mengen mit Gruppenoperation<br />

wird in [TF] 4.4.27 ausformuliert.<br />

Beweis. Ganz allgemein ist nach [TF] 4.4.24 der Adjungierte einer Verknüpfung<br />

von Funktoren die Verknüpfung der Adjungierten, wenn sie existieren. Diese Erkenntnis<br />

gilt es nun anzuwenden auf die kommutativen Diagramme von Funktoren<br />

g -Mod<br />

↓<br />

b -Mod<br />

E⊗<br />

−→<br />

E⊗<br />

−→<br />

g -Mod<br />

↓<br />

b -Mod<br />

g -Mod Hom(E, −→<br />

)<br />

↓<br />

b -Mod Hom(E, −→<br />

)<br />

g -Mod<br />

↓<br />

b -Mod<br />

g -Mod<br />

↓<br />

b -Mod<br />

Hom( ,E)<br />

−→<br />

Hom( ,E)<br />

−→<br />

g -Mod ◦<br />

↓<br />

b -Mod ◦<br />

mit den Restriktionen als Vertikalen <strong>und</strong> der Adjunktion (E⊗, Hom(E, )) bzw.<br />

der Tatsache, daß der Rechtsadjungierte der Horizontalen Hom( , E) im Diagramm<br />

ganz rechts wieder Hom( , E) ist, nur diesmal aufgefaßt als Funktor in<br />

der Gegenrichtung.<br />

Übung 4.8.3. Der erste unserer drei Isomorphismen wird unter der Identifikation<br />

prod g b M = U(g) ⊗ U(b) M auf Elementen gegeben durch die Vorschrift u ⊗ (e ⊗<br />

m) ↦→ u(e ⊗ (1 ⊗ m)).<br />

4.8.4. Nehmen wir im letzten unserer Isomorphismen speziell E = k, so ergibt<br />

sich ein kanonischer Isomorphismus (prod g b N)∗ ∼ → ind g b (N ∗ ).<br />

Übung 4.8.5. Gegeben eine weitere Darstellung F ∈ g -Mod kommutiert das<br />

Diagramm<br />

prod g b<br />

(E ⊗ F ⊗ M) (E ⊗ F ) ⊗ prod g b M<br />

E ⊗ prod g b (F ⊗ M) E ⊗ (F ⊗ prod g b M)<br />

100


5 Konstruktion der halbeinfachen <strong>Lie</strong>algebren<br />

Dieser Abschnitt ist vom vorhergehenden Abschnitt über endlichdimensionale<br />

<strong>Darstellungen</strong> halbeinfacher <strong>Lie</strong>algebren unabhängig. Wir notieren die Kategorie<br />

der <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> über einem Körper k als Lalg k .<br />

5.1 Freie <strong>Lie</strong>algebren<br />

Definition 5.1.1. Gegeben eine Menge I <strong>und</strong> ein Körper k definiert man eine freie<br />

k-<strong>Lie</strong>algebra über I als ein Paar (L, can) bestehend aus einer k-<strong>Lie</strong>algebra L <strong>und</strong><br />

einer Abbildung can : I → L derart, daß für jede k-<strong>Lie</strong>algebra g das Vorschalten<br />

von can eine Bijektion<br />

Lalg k (L, g) ∼ → Ens(I, g)<br />

zwischen Homomorphismen von <strong>Lie</strong>algebren <strong>und</strong> Abbildungen von Mengen induziert.<br />

Diese Bedingung nennt man auch die universelle Eigenschaft der freien<br />

k-<strong>Lie</strong>algebra über I.<br />

5.1.2 (Eindeutigkeit freier <strong>Lie</strong>algebren). Sind can : I → L <strong>und</strong> can ′ : I → L ′<br />

zwei freie <strong>Lie</strong>algebren über derselben Menge I, so gibt es genau einen <strong>Lie</strong>algebren-<br />

Homomorphismus ϕ : L → L ′ mit ϕ◦can = can ′ , <strong>und</strong> der ist ein Isomorphismus,<br />

was ich anhand des folgenden Diagramms erklären will.<br />

I <br />

<br />

<br />

<br />

<br />

L ′ ψ <br />

ϕ<br />

L<br />

L ′ ψ L<br />

id=ϕψ id=ψϕ<br />

In der Tat gibt es ja nach universellen Eigenschaften von can ′ : I → L ′ auch genau<br />

einen <strong>Lie</strong>algebren-Homomorphismus ψ : L ′ → L mit ψ ◦ can ′ = can. Weiter<br />

gibt es aus demselben Gr<strong>und</strong> auch genau einen <strong>Lie</strong>algebren-Homomorphismus<br />

ζ : L → L mit ζ ◦ can = can. Da sowohl ζ = id als auch ζ = ψϕ diese<br />

Eigenschaft haben, folgt id = ψϕ. Analog folgt auch id = ϕψ, so daß ϕ <strong>und</strong> ψ<br />

zueinander invers sein müssen.<br />

Proposition 5.1.3. Gegeben ein Körper k <strong>und</strong> eine Menge I existiert stets eine<br />

freie k-<strong>Lie</strong>algebra über I.<br />

5.1.4. Wir notieren im Sinne unserer allgemeinen Konventionen [TF] 4.4.10 die<br />

freie k <strong>Lie</strong>-Algebra über einer Menge I als<br />

Lalg ↑ k I<br />

101


5.1.5. Wir geben zwei Beweise für diese Aussage. Der Erste geht “über unnötig<br />

viele Pässe, aber auf bekannten Wegen”. Besonders unschön daran ist, daß er den<br />

Satz von Poincaré-Birkhoff-Witt benötigt, dessen Beweis ja beim besten Willen<br />

kein Selbstläufer war. Der zweite Beweis ist recht direkt, benutzt aber Argumente,<br />

die Ihnen weniger vertraut sein mögen <strong>und</strong> die erst im anschließenden Abschnitt<br />

ausgeführt werden.<br />

Erster Beweis. Wir betrachten den “Polynomring über k in durch I indizierten<br />

nicht-kommutierenden Variablen X i für i ∈ I” wie in [DM] 1.3.2 oder auch<br />

im zweiten Beweis von 4.3.20, in unseren verschiedenen Notationen also die k-<br />

Ringalgebra<br />

k⌊ ′ X i | i ∈ I⌋ = k⌊ ′ !I⌋ = Ralg ↑ k I = k〈Mon↑ I〉<br />

Dann betrachten wir darin die von besagten Variablen erzeugte Unter-<strong>Lie</strong>algebra<br />

L ⊂ (Ralg ↑ k I) L<br />

Um zu sehen, daß sie die geforderte universelle Eigenschaft hat, betrachten wir<br />

das Diagramm<br />

Ens(I, g)<br />

Ens(I, U(g))<br />

<br />

Lalg k (L, g)<br />

≀<br />

Ralg k (Ralg ↑ k<br />

I, U(g))<br />

Es gilt zu zeigen, daß die linke Vertikale ein Isomorphismus ist. Dazu konstruieren<br />

wir eine rechtsinverse Abbildung. Sicher induziert für ϕ : I → g der zugehörige<br />

Homomorphismus von Ringalgebren ˜ϕ : Ralg ↑ k<br />

I → U(g) einen Homomorphismus<br />

von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> ˆϕ : L → g, denn nach Poincaré-Birkhoff-Witt 4.3.12 ist<br />

die kanonische Abbildung eine Injektion g ↩→ U(g). Die Zuordnung ϕ ↦→ ˆϕ ist<br />

dann offensichtlich die gesuchte Rechtsinverse unserer linken Vertikale.<br />

Ergänzende Übung 5.1.6. Gegeben ein Körper k <strong>und</strong> eine Menge I zeige man, daß<br />

die kanonische Abbildung Lalg ↑ k I → Ralg↑ k<br />

I der freien <strong>Lie</strong>algebra in die freie<br />

Ringalgebra die von einer universellen Einhüllenden geforderte universelle Eigenschaft<br />

hat. Hat unser Körper k die Charakteristik Null, so kann insbesondere nach<br />

dem Satz von Friedrichs 4.3.39 das Bild dieser Abbildung beschrieben werden als<br />

die Menge aller x ∈ R := Ralg ↑ k<br />

I mit ∆(x) = x ⊗ 1 + 1 ⊗ x für den Ringalgebrenhomomorphismus<br />

∆ : R → R ⊗ k R gegeben durch ∆(i) = i ⊗ 1 + 1 ⊗ i für<br />

alle i ∈ I.<br />

Zweiter Beweis. Eine alternative <strong>und</strong> in meinen Augen natürlichere Konstruktion<br />

geht aus von der “freien Algebra Alg ↑ k<br />

I über der Menge I”, wie sie in 5.3.9<br />

102


konstruiert wird, einer Art “Polynomring über k in nicht-kommutierenden nichtassoziativen<br />

durch i ∈ I indizierten Variablen ohne Konstanten”. Wir notieren<br />

<strong>ihre</strong> Verknüpfung (a, b) ↦→ a · b. Teilen wir das zweiseitige Ideal R heraus, das<br />

von allen Elementen (a·a) <strong>und</strong> (a·(b·c))+(b·(c·a))+(c·(a·b)) mit a, b, a ∈ A<br />

erzeugt wird, so ergibt sich offensichtlich eine <strong>Lie</strong>algebra. Daß das die gesuchte<br />

freie <strong>Lie</strong>algebra über I ist, will ich anhand des folgenden Diagramms erläutern.<br />

I <br />

can<br />

ϕ<br />

<br />

Alg ↑ k I<br />

ˆϕ<br />

g<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

˜ϕ<br />

<br />

<br />

(Alg ↑ k I/R)<br />

Sei also g eine <strong>Lie</strong>algebra. Zunächst läßt sich jede Abbildung ϕ : I → g auf<br />

genau eine Weise zu einem <strong>Algebren</strong>homomorphismus ˆϕ : Alg ↑ k I → g fortsetzen<br />

aufgr<strong>und</strong> der universellen Eigenschaft der freien Algebra. Für diese Fortsetzung<br />

gilt nun ˆϕ(R) = 0, da g eine <strong>Lie</strong>algebra ist. Nach der universellen Eigenschaft des<br />

Quotienten faktorisiert sie damit in eindeutiger Weise über den Quotienten nach<br />

R <strong>und</strong> wir erhalten das gesuchte ˜ϕ.<br />

5.2 Die Hausdorff-Formel*<br />

5.2.1. Sei A eine Q-Ringalgebra <strong>und</strong> N A ⊂ A die Menge <strong>ihre</strong>r nilpotenten Elemente.<br />

So liefern die Exponentialreihe <strong>und</strong> die Reihe von log(1 + x) zueinander<br />

inverse Bijektionen<br />

exp<br />

−→<br />

N ∼ A ←− 1 + N A<br />

log<br />

Ist weiter ϕ : A → B ein Homomorphismus von Q-Ringalgebren, so kommutieren<br />

die Diagramme<br />

N A<br />

ϕ<br />

N B<br />

exp<br />

∼<br />

1 + N A<br />

log<br />

∼<br />

ϕ<br />

exp<br />

log<br />

∼ 1 + N B ∼<br />

Sind schließlich Nilpotente u, v ∈ N A gegeben mit uv = vu, so gelten die Formeln<br />

exp(u+v) = exp(u) exp(v) <strong>und</strong> log((1+u)(1+v)) = log(1+u)+log(1+v).<br />

All das folgt, indem man Identitäten aus der Analysis in Identitäten für formale<br />

Potenzreihen übersetzt, vergleiche [AN1] 5.3.8 <strong>und</strong> [AN2] 5.3.12.<br />

N A<br />

ϕ<br />

N B<br />

103


Definition 5.2.2. Sei k ein Körper. Unter einem <strong>Lie</strong>-artigen Polynom in Variablen<br />

X 1 , . . . , X r mit Koeffizienten in k verstehen wir ein Element der in der freien<br />

k-Ringalgebra k⌊ ′ X 1 , . . . , X r ⌋ von den Variablen erzeugten Unterliealgebra. Die<br />

unfertigen Klammern deuten hier an, daß nicht-kommutierende Variablen gemeint<br />

sind.<br />

Ergänzung 5.2.3. Sei k ein Körper. Ein Element der freien k-<strong>Lie</strong>algebra mit Erzeugern<br />

X 1 , . . . , X r nach [LAG] 5.1.1 nennen wir auch ein <strong>Lie</strong>-Polynom in den<br />

Variablen X 1 , . . . , X r mit Koeffizienten in k. Der Satz von Poincaré-Birkhoff-<br />

Witt [LAG] 4.3.12 zeigt, daß der offensichtliche <strong>Lie</strong>algebrenhomomoprhismus<br />

von der <strong>Lie</strong>algebra der <strong>Lie</strong>-Polynome in die <strong>Lie</strong>algebra der <strong>Lie</strong>-artigen Polynome<br />

ein Isomorphismus ist, vergleiche [LAG] 5.1.6, aber diese Erkenntnis ist für uns<br />

in diesem Zusammenhang unerheblich.<br />

5.2.4. Gegeben ein nichtnegativ graduierter Ring A = ⊕ i≥0 Ai denken wir uns<br />

im folgenden die Teilmenge A ≤n ⊂ A stets mit der Ringstruktur versehen, für die<br />

die offensichtliche Surjektion A ↠ A ≤n ein Ringhomomorphismus ist.<br />

Satz 5.2.5. Für alle n ∈ N ist log((exp X)(exp Y )) ∈ Q⌊X, Y ⌋ ≤n ein <strong>Lie</strong>-artiges<br />

Polynom.<br />

5.2.6. Der homogene Anteil vom Grad n des <strong>Lie</strong>-artigen Polynoms aus 5.2.5 heißt<br />

das n-te Hausdorff-Polynom h n . Zur Übung prüfe man die Formeln<br />

h 1 (X, Y ) = X + Y<br />

h 2 (X, Y ) = [X, Y ]/2<br />

h 3 (X, Y ) = [[X, Y ], Y ]/12 + [[Y, X], X]/12<br />

Beweis. Wir betrachten den Homomorphismus von Q-Ringalgebren<br />

∆ : Q⌊X, Y ⌋ → Q⌊X, Y ⌋ ⊗ Q Q⌊X, Y ⌋<br />

mit X ↦→ X ⊗ 1 + 1 ⊗ X <strong>und</strong> Y ↦→ Y ⊗ 1 + 1 ⊗ Y . Nach dem Satz von<br />

Friedrichs 4.3.39 ist a ∈ Q⌊X, Y ⌋ genau dann ein <strong>Lie</strong>-artiges Polynom, wenn gilt<br />

∆(a) = a ⊗ 1 + 1 ⊗ a. Nun ist ∆ homogen vom Grad Null. Für den induzierten<br />

Homomorphismus<br />

¯∆ : Q⌊X, Y ⌋ ≤n → (Q⌊X, Y ⌋ ⊗ Q Q⌊X, Y ⌋) ≤n<br />

haben wir folglich dasselbe: a ∈ Q⌊X, Y ⌋ ≤n ist genau dann ein <strong>Lie</strong>-artiges Polynom,<br />

wenn gilt ¯∆(a) = a ⊗ 1 + 1 ⊗ a. Es gilt also, für a = log((exp X)(exp Y ))<br />

diese Bedingung zu prüfen. Das Queren steht im folgenden für die Restklasse in<br />

104


(Q⌊X, Y ⌋ ⊗ Q Q⌊X, Y ⌋) ≤n eines Elements von Q⌊X, Y ⌋ ≤n ⊗ Q Q⌊X, Y ⌋ ≤n . Jetzt<br />

rechnen wir einfach<br />

¯∆a = ¯∆ log(exp X exp Y )<br />

= log(exp ¯∆(X) exp ¯∆(Y ))<br />

= log((exp X ⊗ exp X)(exp Y ⊗ exp Y ))<br />

= log(exp X exp Y ⊗ exp X exp Y )<br />

= log((exp X exp Y ) ⊗ 1) + log(1 ⊗ (exp X exp Y ))<br />

= (log(exp X exp Y )) ⊗ 1 + 1 ⊗ (log(exp X exp Y ))<br />

= a ⊗ 1 + 1 ⊗ a<br />

5.3 Freie <strong>Algebren</strong>*<br />

5.3.1. Ich erinnere daran, dass wir nach [GR] 3.3.1 unter einem Magma eine<br />

Menge mit einer Verknüpfung verstehen, von der weiter keine zusätzlichen Eigenschaften<br />

gefordert werden.<br />

Definition 5.3.2. Gegeben eine Menge I verstehen wir unter einem freien Magma<br />

über I ein Paar (M, can) bestehend aus einem Magma M <strong>und</strong> einer Abbildung<br />

can : I → M derart, dass für jedes weitere Magma N das Vorschalten von<br />

can eine Bijektion<br />

Mag(M, N) ∼ → Ens(I, N)<br />

zwischen Morphismen von Magmas <strong>und</strong> Abbildungen von Mengen induziert.<br />

Satz 5.3.3. Über jeder Menge I existiert ein freies Magma (M, can).<br />

5.3.4. Mit denselben Argumenten wie in 5.1.2 ist eine freies Magma über einer<br />

Menge im wesentlichen eindeutig bestimmt, wenn es denn existiert. Wir gönnen<br />

ihm deshalb den bestimmten Artikel <strong>und</strong> sprechen von dem freien Magma über<br />

einer gegebenen Menge. Wir notieren Mag die Kategorie der Magmas <strong>und</strong> folgerichtig<br />

Mag ↑ I das freie Magma über einer Menge I.<br />

5.3.5. Das freie Magma über einer Menge mit einm Element hatten wir bereits in<br />

[GR] 3.3.13 ansatzweise diskutiert, mit M bezeichnet, <strong>und</strong> in Beziehung zu den<br />

sogenannten Catalan-Zahlen gesetzt.<br />

Beweis. Wir betrachten die disjunkte Vereinigung I ⊔ {〈, 〉} der Menge I mit der<br />

Menge bestehend aus zwei weiteren Symbolen 〈 <strong>und</strong> 〉 <strong>und</strong> bilden über dieser<br />

Vereinigung wie in [TF] 2.3.1 das freie Monoid<br />

Mon ↑ (I ⊔ {〈, 〉})<br />

105


alias die Menge aller Wörter einer Länge ≥ 0 in diesen Buchstaben mit dem Hintereinanderschreiben<br />

als Verknüpfung. Auf dieser Menge von Wörtern erklären<br />

wir eine neue, nun nicht mehr assoziative Verknüpfung durch die Vorschrift<br />

(a, b) ↦→ 〈ab〉<br />

mit der Notation ab für das Hintereinanderschreiben. Schließlich betrachten wir<br />

die kleinste unter unserer neuen Verknüpfung abgeschlossene Teilmenge M, die<br />

alle nur aus genau einem Buchstaben bestehenden Wörter enthält. Ein Element<br />

dieser Teilmenge M wäre etwa das Wort 〈〈x〈yz〉〉w〉 für beliebige x, y, z, w ∈ I.<br />

Als kanonische Abbildung betrachten wir die Abbildung can : I → M, die jedem<br />

Element x ∈ I das Wort mit dem einzigen Buchstaben x zuordnet. Es ist nun<br />

leicht einzusehen, dass can : I → M die von einem freien Magma geforderte<br />

Eigenschaft besitzt.<br />

5.3.6. Ich erinnere daran, dass wir für einen Körper k unter einer k-Algebra einen<br />

k-Vektorraum A mit einer bilinearen Verknüpfung A × A → A, (x, y) ↦→ x · y<br />

verstehen, von der weiter keine zusätzlichen Eigenschaften gefordert werden.<br />

Definition 5.3.7. Gegeben eine Menge I <strong>und</strong> ein Körper k verstehen wir unter<br />

einer freien k-Algebra über I ein Paar (A, can) bestehend aus einer k-Algebra<br />

A <strong>und</strong> einer Abbildung can : I → A derart, daß für jede weitere k-Algebra B das<br />

Vorschalten von can eine Bijektion<br />

Alg k (A, B) ∼ → Ens(I, B)<br />

induziert zwischen Homomorphismen von k-<strong>Algebren</strong> <strong>und</strong> Abbildungen von Mengen.<br />

5.3.8. Sei k ein Körper. Mit denselben Argumenten wie in 5.1.2 ist eine freie<br />

k-Algebra über einer Menge im wesentlichen eindeutig bestimmt. Wir gönnen<br />

ihr deshalb den bestimmten Artikel <strong>und</strong> sprechen von der freien k-Algebra über<br />

einer gegebenen Menge. Wir notieren Alg k die Kategorie der k-<strong>Algebren</strong> <strong>und</strong><br />

folgerichtig Alg ↑ k<br />

I die freie k-Algebra über einer Menge I.<br />

Satz 5.3.9. Gegeben eine Menge I <strong>und</strong> ein Körper k existiert stets eine freie k-<br />

Algebra A über I.<br />

5.3.10. Wir notieren die Kategorie der <strong>Algebren</strong> über einem Körper k als Alg k<br />

<strong>und</strong> notieren dann im Sinne unserer allgemeinen Konventionen [TF] 4.4.10 die<br />

freie k-Algebra über einer Menge I als<br />

Alg ↑ k I<br />

106


5.3.11. Salopp gesprochen kann die freie k-Algebra über einer Menge I beschrieben<br />

werden als “der Polynomring über k in nicht-kommutierenden nicht-assoziativen<br />

durch i ∈ I indizierten Variablen, ohne Konstanten”. Bei “nicht-assoziativen Variablen”<br />

soll man sich denken, daß hier in Monomen stets “alle Klammern zu setzen<br />

sind”. Da aber derartiges Geschwafel nicht als Definition durchgehen kann,<br />

erkläre ich die Konstruktion auch noch auf einem etwas formaleren Weg.<br />

Beweis. Wir konstruieren A als den freien k-Vektorraum über dem freien Magma<br />

über I, in Formeln<br />

A := k〈Mag ↑ I〉 = Mod ↑ k (Mag↑ I)<br />

Die Verknüpfung auf A erklären wir durch bilineare Fortsetzung der Verknüpfung<br />

auf dem freien Magma. Der Nachweis, daß die so konstruierte Algebra die<br />

geforderte Eigenschaft besitzt, kann dem Leser überlassen bleiben.<br />

5.4 Präsentation halbeinfacher <strong>Lie</strong>algebren<br />

5.4.1. Gegeben ein Körper k <strong>und</strong> eine Menge I <strong>und</strong> eine Teilmenge T ⊂ Lalg ↑ k I<br />

der freien k-<strong>Lie</strong>algebra über I verstehen wir unter der <strong>Lie</strong>algebra mit Erzeugern<br />

I <strong>und</strong> Relationen T den Quotienten (Lalg ↑ k I)/〈T 〉 L der freien <strong>Lie</strong>algebra über k<br />

nach dem von T erzeugten <strong>Lie</strong>-Ideal, für das ich die Notation 〈T 〉 L vorschlage.<br />

5.4.2. Gegeben ein Körper k <strong>und</strong> eine <strong>Lie</strong>algebra g <strong>und</strong> eine Teilmenge I ⊂ g<br />

sowie eine Teilmenge T ⊂ Lalg ↑ k<br />

I der freien k-<strong>Lie</strong>algebra über I sagen wir, die<br />

<strong>Lie</strong>algebra g werde präsentiert durch die Erzeuger I mit den Relationen T<br />

genau dann, wenn der durch die Einbettung I ↩→ g induzierte Homomorphismus<br />

Lalg ↑ k I → g über den Quotienten nach dem von T erzeugten Ideal 〈T 〉 L faktorisiert<br />

vermittels eines Isomorphismus<br />

(Lalg ↑ k I)/〈T 〉 L<br />

∼<br />

→ g<br />

Satz 5.4.3 (Präsentation durch Erzeugende <strong>und</strong> Relationen). 1. Seien<br />

g ⊃ h eine halbeinfache komplexe <strong>Lie</strong>algebra mit einer Cartan’schen <strong>und</strong><br />

Π ⊂ R := R(g, h) eine Basis des zugehörigen Wurzelsystems. Wählen wir<br />

für jede einfache Wurzel α ∈ Π einen Erzeuger x α ∈ g α des Wurzelraums,<br />

so gibt es Elemente y α ∈ g −α mit [x α , y α ] = α ∨ , <strong>und</strong> diese Elemente mit-<br />

107


samt den h α := α ∨ erfüllen die Relationen<br />

[x α , y α ] = h α ∀α;<br />

[x α , y β ] = 0 falls α ≠ β;<br />

[h α , h β ] = 0 ∀α, β;<br />

[h α , x β ] = 〈β, α ∨ 〉x β ∀α, β;<br />

[h α , y β ] = −〈β, α ∨ 〉y β ∀α, β;<br />

(ad x α ) 1−〈β,α∨〉 (x β ) = 0 falls α ≠ β;<br />

(ad y α ) 1−〈β,α∨〉 (y β ) = 0 falls α ≠ β.<br />

Genauer wird die <strong>Lie</strong>algebra g sogar präsentiert durch die so gewählten<br />

Erzeuger (x α , h α , y α ) α∈Π mit den angegebenen Relationen.<br />

2. Gegeben R ⊃ Π ein Wurzelsystem mit einer Basis ist die komplexe <strong>Lie</strong>-<br />

Algebra g = g R,Π , die erzeugt wird von den Symbolen (x α , h α , y α ) α∈Π mit<br />

den obigen Relationen, eine halbeinfache <strong>Lie</strong>algebra. Die Bilder der Erzeuger<br />

h α bilden darin die Basis einer Cartan’schen h <strong>und</strong> es gibt einen Isomorphismus<br />

von Wurzelsystemen R ∼ → R(g, h) mit β ↦→ (h α ↦→ 〈β, α ∨ 〉).<br />

5.4.4. Zwei einfache Wurzeln α, β ∈ Π stehen stets in einem stumpfen Winkel<br />

zueinander. Die 〈β, α ∨ 〉 in unserem Satz sind also stets nichtpositive ganze Zahlen.<br />

5.4.5. Daß wir zu unseren Erzeugern die h α mit hinzunehmen, hat nur den Gr<strong>und</strong>,<br />

daß die Relationen dann übersichtlicher geschrieben werden können. Der Satz<br />

geht auf Serre zurück. Die obigen Relationen, insbesondere die letzten beiden,<br />

werden oft als Serre-Relationen bezeichnet.<br />

5.4.6. Der zweite Teil des Satzes gilt mit demselben Beweis allgemeiner für die<br />

über einem beliebigen Körper k der Charakteristik Null von besagten Erzeugern<br />

<strong>und</strong> Relationen erzeugte <strong>Lie</strong>algebra.<br />

Beweis. Wir beginnen mit dem Beweis des ersten Teils. Daß wir zu jedem x α ein<br />

zugehöriges y α finden können, folgt aus unserer Definition von α ∨ in 2.4.15 als<br />

spezieller Erzeuger des nach 2.4.14 eindimensionalen Raums [g α , g −α ]. Daß für<br />

diese Elemente x α , y α <strong>und</strong> h α := α ∨ alle Relationen aus unserem Satz erfüllt sind,<br />

ergibt sich unmittelbar daraus, daß für einfache Wurzeln α, β weder α − β noch<br />

s α (β) + α Wurzeln sind, wobei letztere Erkenntnis durch Anwenden von s α aus<br />

ersterer Erkenntnis folgt. Mit unserer Notation aus Teil 2 gibt es also schon mal<br />

einen Homomorphismus<br />

g R,Π → g<br />

<strong>und</strong> müssen noch zeigen, daß er ein Isomorphismus ist. Zunächst zeigen wir nur,<br />

daß er surjektiv ist, daß also unsere halbeinfache <strong>Lie</strong>algebra g erzeugt wird von<br />

108


den Wurzelräumen zu den einfachen Wurzeln <strong>und</strong> <strong>ihre</strong>n Negativen. Dazu erinnern<br />

wir aus 2.4.11.4, daß für je zwei Wurzeln α, β ∈ R mit α + β ∈ R gilt<br />

[g α , g β ] = g α+β . Weiter erinnern wir aus [SPW] 2.3.9, daß jede positive Wurzel<br />

aus einer einfachen Wurzel erreicht werden kann durch eine Folge von Wurzeln,<br />

bei der jedes Glied aus dem Vorhergehenden durch Addition einer einfachen<br />

Wurzel hervorgeht. Zusammen zeigt das, daß unsere Abbildung eine Surjektion<br />

g R,Π ↠ g sein muß. Können wir Teil 2 zeigen, so muß diese Surjektion offensichtlich<br />

ein Isomorphismus sein. Also machen wir uns nun an den Beweis von<br />

Teil 2. Er ist etwas umständlich <strong>und</strong> wird in mehrere Teilschritte zerlegt.<br />

1. Gegeben eine Halbgruppe Γ versteht man unter einer Γ-Graduierung einer Algebra<br />

A eine Zerlegung als direkte Summe A = ⊕ γ∈Γ A γ derart, daß die Verknüpfung<br />

A γ × A µ nach A γ+µ abbildet. Beide Konstruktionen der freien <strong>Lie</strong>algebra<br />

über einer Menge I zeigen, daß diese eine eindeutig bestimmte Graduierung<br />

durch die freie abelsche Gruppe Z〈I〉 besitzt, für die der Erzeuger x i jeweils den<br />

Grad i hat. Durch Vergröberung dieser Graduierung erhalten wir eine Graduierung<br />

der freien <strong>Lie</strong>algebra in Erzeugern (x α , y α , h α ) α∈Π nach dem Wurzelgitter<br />

〈R〉 mit x α homogen vom Grad α, y α homogen vom Grad −α <strong>und</strong> h α homogen<br />

vom Grad 0.<br />

2. Wir untersuchen nun zunächst die <strong>Lie</strong>algebra ˜g = ˜g R,Π mit denselben Erzeugern<br />

aber nur den ersten fünf Relationen. Alle unsere Relationen sind homogen<br />

für unsere 〈R〉-Graduierung, folglich induziert sie eine 〈R〉-Graduierung auf dem<br />

Quotienten ˜g R,Π .<br />

3. Wir zeigen nun, daß die Bilder {˜x α , ˜h α , ỹ α | α ∈ Π} unserer Erzeuger in ˜g<br />

linear unabhängig sind. Dazu betrachten wir die freie k-Ringalgebra T mit Erzeugern<br />

(ŷ α ) α∈Π alias den “nichtkommutativen Polynomring in diesen Variablen”. Er<br />

besitzt eine natürliche 〈R〉-Graduierung T = ⊕ T λ mit ŷ α homogen vom Grad<br />

(−α). Nun machen wir T zu einer Darstellung von ˜g wie folgt:<br />

˜h α operiere auf T λ durch den Skalar 〈λ, α ∨ 〉;<br />

ỹ α operiere auf T durch Multiplikation von links mit ŷ α ;<br />

˜x α<br />

mache die 1 ∈ T zu Null. Seine Operation auf einem beliebigen anderen<br />

Monom ŷ β w mit einem beliebigen Monom w sei induktiv erklärt durch die<br />

Formel ˜x α (ŷ β w) = δ αβ˜hα w + ỹ β (˜x α w). Es ist leicht zu sehen, daß wir so in<br />

der Tat eine Darstellung T von ˜g erhalten.<br />

Da die ˜h α durch linear unabhängige Endomorphismen auf T operieren, müssen<br />

sie bereits in ˜g linear unabhängig gewesen sein. Da die ỹ α auf T nicht durch Null<br />

operieren, müssen sie bereits in ˜g von Null verschieden sein. Dasselbe gilt für die<br />

˜x α . Die lineare Unabhängigkeit der Menge {˜x α , ˜h α , ỹ α | α ∈ Π} folgt dann aus<br />

109


der 〈R〉-Graduierung.<br />

4. Bezeichnet X, H, Y die von den ˜x α , bzw. den ˜h α , bzw. den ỹ α in ˜g erzeugten<br />

Unteralgebren, so gilt<br />

˜g = X ⊕ H ⊕ Y<br />

In der Tat ist der Untervektorraum X + H + Y offensichtlich stabil ist unter allen<br />

ad ˜x α , ad ỹ α <strong>und</strong> ad ˜h α <strong>und</strong> ist mithin eine Unteralgebra, die die Erzeuger enthält.<br />

Um zu sehen, daß unsere Summe direkt ist, reicht es zu bemerken, daß X nur<br />

homogene Komponenten zu Graden aus |Π〉\0 hat, Y zu Graden aus |−Π〉\0, <strong>und</strong><br />

H zum Grad Null. Insbesondere bilden also die ˜h α für α ∈ Π eine Basis von H.<br />

5. Gegeben α ≠ β setzen wir nun<br />

˜x αβ := (ad ˜x α ) 1−〈β,α∨〉˜x β<br />

ỹ αβ := (ad ỹ α ) 1−〈β,α∨〉ỹ β<br />

<strong>und</strong> behaupten in ˜g die Identität [˜x γ , ỹ αβ ] = 0 für alle γ. Hier sind verschiedene<br />

Fälle getrennt zu betrachten. Im Fall γ ≠ α vertauscht (ad ˜x γ ) mit (ad ỹ α ). Ist<br />

außerdem γ ≠ β, so folgt die Behauptung aus [˜x γ , ỹ β ] = 0. Ist γ = β, so rechnen<br />

wir<br />

[˜x β , ˜x αβ ] = (ad ỹ α ) 1−〈β,α∨〉 [˜x β , ỹ β ] = (ad ỹ α ) −〈β,α∨〉 (〈α, β ∨ 〉ỹ α )<br />

<strong>und</strong> das ist Null im Fall 〈α, β ∨ 〉 = 0 <strong>und</strong> auch Null im Fall 〈α, β ∨ 〉 ̸= 0, da dann<br />

notwendig auch gilt 〈β, α ∨ 〉 ≠ 0. Ist schließlich γ = α, so rechnen wir<br />

[˜x α , ỹ βα ] = (ad ˜x α )(ad ỹ α ) 1−〈β,α∨〉 (ỹ β )<br />

Nun aber gilt (ad ˜x α )(ỹ β ) = 0 <strong>und</strong> (ad ˜h α )(ỹ β ) = −〈β, α ∨ 〉ỹ β <strong>und</strong> folglich<br />

ist die von ỹ β erzeugte Unterdarstellung unter der adjungierten Darstellung von<br />

〈˜x α , ˜h α , ỹ α 〉 ∼ = sl(2; C) auf ˜g ein höchster Gewichtsmodul mit höchstem Gewichtsvektor<br />

ỹ β . Damit folgt unsere Behauptung in diesem Fall aus unserer Kenntnis<br />

der Struktur dieser <strong>Darstellungen</strong> der sl(2; C). Analog folgt [ỹ γ , ˜x αβ ] = 0 für<br />

alle γ.<br />

6. Sei nun K ⊂ ˜g das von allen ˜x αβ <strong>und</strong> ỹ αβ erzeugte Ideal, so daß nach unseren<br />

Definitionen gilt g R,Π = ˜g/K. Wir behaupten zunächst, daß das von den ˜x αβ in<br />

der Unteralgebra X erzeugte Ideal I ⊂ X bereits ein Ideal von ˜g ist. In der Tat<br />

ist es stabil unter allen (ad ˜h γ ) <strong>und</strong> nach dem Vorhergehenden auch unter allen<br />

(ad ỹ γ ). Ebenso ist das von allen ỹ αβ in Y erzeugte Ideal J ⊂ Y bereits ein Ideal<br />

von ˜g. Daraus folgt unmittelbar K = I + J <strong>und</strong> g = X/I ⊕ g 0 ⊕ Y/J.<br />

7. Es ist nach dem Vorhergehenden klar, daß die Familie {¯x α , ¯h α , ȳ α | α ∈ Π}<br />

der Bilder unserer Erzeuger in g auch linear unabhängig ist. Weiter sind ad ¯x α<br />

<strong>und</strong> ad ȳ α lokal nilpotente Endomorphismen von g, denn diejenigen Elemente,<br />

110


auf denen eine Potenz von ad ¯x α verschwindet, bilden eine Unteralgebra, die alle<br />

Erzeuger x β , y β , h β enthält, <strong>und</strong> für ad ȳ α desgleichen. Für jede Unteralgebra<br />

g α = 〈¯x α , ¯h α , ȳ α 〉 ∼ = sl 2 ist also g die Vereinigung seiner endlichdimensionalen<br />

(ad g α )-stabilen Teilräume.<br />

8. Da g die Vereinigung seiner endlichdimensionalen (ad g α )-stabilen Teilräume<br />

ist, muß für alle λ ∈ 〈R〉 mit n = 〈λ, α ∨ 〉 > 0 die adjungierte Operation von ȳ α<br />

einen Isomorphismus (ad ȳ α ) n : g ∼ λ → g λ−nα liefern. Wegen λ − nα = s α (λ)<br />

folgt dim g λ = dim g wλ für jedes λ ∈ 〈R〉 <strong>und</strong> jedes Element w ∈ W der Weylgruppe<br />

unseres Wurzelsystems. Insbesondere folgt dim g γ = 1 für alle γ ∈ R, da<br />

für α ∈ Π ja g α das Erzeugnis von ¯x α sein muß.<br />

9. Nun soll gezeigt werden, daß gilt g λ = 0 für λ ∉ R ⊔ {0}. Dazu unterscheiden<br />

wir zwei Fälle. Sei zunächst λ = nγ ein Vielfaches einer Wurzel γ ∈ R<br />

mit n ≥ 2. Wäre g λ ≠ 0, so hätten wir auch g nα ≠ 0 für eine einfache Wurzel<br />

α ∈ Π. Die Darstellungstheorie von g α ∼ = sl2 liefert dann aber dim g α > 1 im<br />

Widerspruch zu dem, was wir bereits wissen. Ist andererseits λ kein ganzzahliges<br />

Vielfaches einer Wurzel, so zeigt das folgende Lemma 5.4.7, daß notwendig gilt<br />

g λ = 0. Wir haben also<br />

g = g 0 ⊕ ⊕ γ∈R<br />

g γ<br />

<strong>und</strong> die ¯h α für einfache Wurzeln α ∈ Π bilden eine Basis von g 0 .<br />

10. Nun zeigen wir, daß g halbeinfach ist. Jedes Ideal von g ist ja stabil unter<br />

(ad g 0 ), also die direkte Summe seiner homogenen Anteile. Jetzt sagt uns die Darstellungstheorie<br />

von g α ∼ = sl2 , daß für alle α ∈ Π <strong>und</strong> γ ∈ R gilt [g γ , g α ] = g γ+α<br />

falls γ + α ∈ R <strong>und</strong> [g γ , g α ] = g γ−α falls γ − α ∈ R. Umfaßt ein Ideal einen<br />

Wurzelraum g γ für γ ∈ R + , so umfaßt es mithin nach [SPW] 2.3.9 auch einen<br />

Wurzelraum g α für eine einfache Wurzel α ∈ Π. Umfaßt ein Ideal einen Wurzelraum<br />

g γ für γ ∈ R − , so zeigen wir analog, daß es auch einen Wurzelraum g −α<br />

umfaßt für α ∈ Π eine einfache Wurzel. Umfaßte ein Ideal I keinen Wurzelraum,<br />

so läge es in g 0 , <strong>und</strong> wäre es nicht Null, so gäbe es α ∈ Π mit α(I) ≠ 0 <strong>und</strong><br />

folglich umfaßte I doch einen Wurzelraum, nämlich g α = [I, g α ]. Mithin umfaßt<br />

jedes Ideal, das nicht Null ist, für mindestens eine einfache Wurzel α entweder<br />

g α oder g −α . Dann aber umfaßt es offensichtlich auch g α ∼ = sl2 <strong>und</strong> kann nicht<br />

abelsch sein. Folglich ist unsere <strong>Lie</strong>-Algebra g halbeinfach.<br />

11. Es ist nun offensichtlich, daß h := g 0 eine Cartan’sche von g ist <strong>und</strong> daß wir<br />

einen Isomorphismus von Wurzelsystemen<br />

R ∼ → R(g, h)<br />

erhalten durch die Vorschrift α ↦→ (¯h β ↦→ 〈α, β ∨ 〉).<br />

111


Lemma 5.4.7. Seien R ⊂ V ein Wurzelsystem, R + ⊂ R ein System positiver<br />

Wurzeln <strong>und</strong> W die Weylgruppe. Jedes Element des Wurzelgitters λ ∈ 〈R〉 mit<br />

W λ ⊂ |R + 〉 ∪ |−R + 〉 ist ein ganzzahliges Vielfaches einer Wurzel.<br />

Beweis. Ist λ ein ganzzahliges Vielfaches einer Wurzel, so gibt es h ∈ 〈R〉 ∗ Q mit<br />

〈λ, h〉 = 0 aber 〈α, h〉 ≠ 0 für jede Wurzel α ∈ R. Dann finden wir sicher<br />

w ∈ W mit 〈α, wh〉 > 0 für alle α ∈ R. Aus 〈wλ, wh〉 = 0 folgt nun, daß in der<br />

Darstellung wλ = ∑ α∈Π n αα von wλ als Linearkombination einfacher Wurzeln<br />

negative <strong>und</strong> positive Koeffizienten vorkommen müssen.<br />

Satz 5.4.8 (Klassifikation der halbeinfachen <strong>Lie</strong>algebren). Ordnen wir jeder<br />

komplexen halbeinfachen <strong>Lie</strong>algebra g den Dualraum einer Cartan’schen h ⊂ g<br />

zu mitsamt dem zugehörigen Wurzelsystem R(g, h) ⊂ h ∗ , so erhalten wir eine<br />

Bijektion auf Isomorphieklassen<br />

{<br />

Komplexe<br />

halbeinfache <strong>Lie</strong>algebren<br />

}<br />

∼<br />

→<br />

{<br />

Komplexe<br />

abstrakte Wurzelsysteme<br />

g ↦→ R(g, h) ⊂ h ∗<br />

Beweis. Dieser Satz folgt unmittelbar aus Satz 5.4.3 über die Präsentation halbeinfacher<br />

<strong>Lie</strong>algebren.<br />

5.4.9. Dasselbe folgt mit demselben Beweis über einem beliebigen algebraisch<br />

abgeschlossenen Körper der Charakteristik Null. Die Klassifikation komplexer<br />

Wurzelsysteme wird in [SPW] 2.3.6 besprochen.<br />

Satz 5.4.10 (Klassifikation der einfachen <strong>Lie</strong>algebren). Ordnen wir jeder komplexen<br />

einfachen <strong>Lie</strong>algebra g den Dualraum einer Cartan’schen h ⊂ g zu mitsamt<br />

dem zugehörigen Wurzelsystem R(g, h) ⊂ h ∗ , so erhalten wir eine Bijektion<br />

auf Isomorphieklassen<br />

{<br />

Komplexe<br />

einfache <strong>Lie</strong>algebren<br />

}<br />

∼<br />

→<br />

{ Komplexe unzerlegbare<br />

abstrakte Wurzelsysteme<br />

g ↦→ R(g, h) ⊂ h ∗<br />

5.4.11. Dasselbe folgt mit demselben Beweis über einem beliebigen algebraisch<br />

abgeschlossenen Körper der Charakteristik Null.<br />

5.4.12. Die Killing-Klassifikation 1.1.23 folgt unmittelbar aus dem Zusammenspiel<br />

dieses Satzes mit der Klassifikation unzerlegbarer Wurzelsysteme in [SPW]<br />

2.3.6.<br />

}<br />

}<br />

112


Beweis. Hier muß über 5.4.10 hinaus nur noch gezeigt werden, daß eine halbeinfache<br />

komplexe <strong>Lie</strong>algebra genau dann einfach ist, wenn ihr Wurzelsystem<br />

unzerlegbar ist. Nun, jede Zerlegung des Wurzelsystems führt offensichtlich zu<br />

einer Zerlegung der zugehörigen <strong>Lie</strong>algebra in eine direkte Summe von Idealen.<br />

Umgekehrt führt jede Zerlegung einer halbeinfachen <strong>Lie</strong>algebra in eine direkte<br />

Summe von Idealen offensichtlich zu einer Zerlegung <strong>ihre</strong>s Wurzelsystems.<br />

5.5 Reelle halbeinfache <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>*<br />

Definition 5.5.1. Eine reelle Form eines komplexen Vektorraums V ist ein reeller<br />

Untervektorraum V R ⊂ V derart, daß die Multiplikation einen Isomorphismus<br />

C ⊗ R V R ∼ → V liefert. Gleichbedeutend ist die Forderung, daß V R ganz V als C-<br />

Vektorraum erzeugt <strong>und</strong> daß jede über R linear unabhängige Teilmenge unseres<br />

Untervektorraums V R auch über C linear unabhängig ist in V .<br />

5.5.2 (Reelle Formen <strong>und</strong> schieflineare Involutionen). Gegeben ein komplexer<br />

Vektorraum V erhalten wir zueinander inverse Bijektionen<br />

{ } { }<br />

reelle Formen ∼ schieflineare Involutionen<br />

↔<br />

V R ⊂ V<br />

c : V → V<br />

indem wir jeder reellen Form V R ⊂ V diejenige schieflineare Involution zuordnen,<br />

die durch die Vorschrift c : a ⊗ v ↦→ ā ⊗ v ∀a ∈ C, v ∈ V R gegeben ist,<br />

<strong>und</strong> umgekehrt jeder schieflinearen Involution c : V → V <strong>ihre</strong> Fixpunktmenge<br />

V R = V c .<br />

Definition 5.5.3. Gegeben zwei reelle Formen eines komplexen Vektorraums derart,<br />

daß die zugehörigen schieflinearen Involutionen kommutieren, sagen wir auch<br />

kurz, die Formen kommutieren.<br />

Definition 5.5.4. Sei V ⊃ V R ein komplexer Vektorraum mit einer reellen Form.<br />

Ein komplexer Untervektorraum W ⊂ V heißt definiert über R genau dann,<br />

wenn es einen reellen Untervektorraum W R ⊂ V R gibt derart, daß die Multiplikation<br />

einen Isomorphismus C ⊗ R W ∼ R → W liefert.<br />

5.5.5. Sei V ⊃ V R ein komplexer Vektorraum mit einer reellen Form <strong>und</strong> sei c :<br />

V → V die zugehörige schieflineare Involution. Offensichtlich ist ein komplexer<br />

Teilraum W ⊂ V genau dann definiert über R, wenn er unter c stabil ist, wenn<br />

also in Formeln gilt c(W ) ⊂ W oder gleichbedeutend c(W ) = W .<br />

Definition 5.5.6. Eine reelle Form einer komplexen Algebra A ist eine reelle<br />

Form A R ⊂ A des Vektorraums A, die gleichzeitig eine reelle Unteralgebra von<br />

113


A ist. Gegeben eine komplexe Algebra A liefern die Bijektionen aus 5.5.2 auch<br />

zueinander inverse Bijektionen<br />

⎧<br />

⎫ ⎧<br />

⎫<br />

⎨<br />

⎬ ⎨<br />

⎬<br />

⎩<br />

reelle Formen<br />

A R ⊂ A<br />

der Algebra A<br />

⎭<br />

∼<br />

↔<br />

⎩<br />

schieflineare Involutionen<br />

c : A → A<br />

der Algebra A<br />

Hier fordern wir von Involutionen einer Algebra zusätzlich, daß sie mit der Verknüpfung<br />

in unserer Algebra verträglich sein sollen.<br />

Definition 5.5.7. Sei g 0 eine halbeinfache reelle <strong>Lie</strong>algebra. Eine Cartan’sche<br />

h 0 ⊂ g 0 heißt eine spaltende Cartan’sche genau dann, wenn mit den Notationen<br />

h = C⊗ R h 0 <strong>und</strong> g = C⊗ R g 0 alle Wurzeln des Wurzelsystems R(h, g) auf h 0<br />

reelle Werte annehmen. Eine halbeinfache reelle <strong>Lie</strong>algebra heißt spaltend genau<br />

dann, wenn sie eine spaltende Cartan’sche besitzt.<br />

5.5.8. Eine reelle <strong>Lie</strong>algebra heißt kompakt genau dann, wenn sie endlichdimensional<br />

ist mit negativ definiter Killing-Form. Die Herkunft dieser Terminologie<br />

wird in [ML] 4.8.34 erklärt: Die kompakten <strong>Lie</strong>algebren sind genau die <strong>Lie</strong>algebren<br />

kompakter <strong>Lie</strong>gruppen mit endlichem Zentrum. Nach 1.5.10 ist jede kompakte<br />

reelle <strong>Lie</strong>algebren halbeinfach, denn <strong>ihre</strong> Killingform ist nicht ausgeartet.<br />

Satz 5.5.9 (Reelle Formen halbeinfacher <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>). 1. Jede halb-<br />

-einfache komplexe <strong>Lie</strong>-Algebra besitzt eine spaltende reelle Form, <strong>und</strong> je<br />

zwei spaltende reelle Formen sind konjugiert unter der adjungierten Gruppe<br />

unserer komplexen <strong>Lie</strong>-Algebra;<br />

2. Jede halbeinfache komplexe <strong>Lie</strong>-Algebra besitzt eine kompakte reelle Form,<br />

<strong>und</strong> je zwei kompakte reelle Formen sind konjugiert unter der adjungierten<br />

Gruppe unserer komplexen <strong>Lie</strong>-Algebra;<br />

3. Zu jeder reellen Form einer halbeinfachen komplexen <strong>Lie</strong>-Algebra gibt es<br />

ein Paar bestehend aus einer kompakten Form <strong>und</strong> einer spaltenden reellen<br />

Form derart, daß unsere drei Formen paarweise kommutieren. Je zwei<br />

solche Wahlen zu einer gegebenen reellen Form sind konjugiert unter der<br />

adjungierten Gruppe der gegebenen reellen Form.<br />

5.5.10. Der Beweis von Teil 3 fehlt an dieser Stelle.<br />

Beweis. 1. Die Existenz spaltender reeller Formen folgt aus der Beschreibung<br />

durch Erzeuger <strong>und</strong> Relationen 5.4.3 <strong>und</strong> 5.4.6. Gegeben zwei spaltende reelle<br />

Formen finden wir nach 2.5.5 ein Element der adjungierten Gruppe im Sinne von<br />

2.7.4, das die Komplexifizierungen von spaltenden Cartan’schen unserer reellen<br />

Formen ineinander überführt. Damit bildet sie auch den R-Spann der Kowurzeln<br />

114<br />


alias die spaltende Cartan’sche der einen Form auf eine spaltende Cartan’sche der<br />

anderen Form ab. Durch Konjugation mit geeigneten Elementen des zu unserer<br />

komplexen Cartan’schen nach 2.7.8 gehörigen maximalen Torus der adjungierten<br />

Gruppe können wir dann auch noch dafür sorgen, daß die reellen Wurzelräume<br />

zu den einfachen Wurzeln irgendeiner festen Basis des Wurzelsystems ineinander<br />

überführt werden. Dann werden aber notwendig bereits unsere spaltenden reellen<br />

Formen ineinander überführt.<br />

2. Wir zeigen zunächst die Existenz einer kompakten reellen Form. Gegeben ein<br />

Wurzelsystem mit einer Basis R ⊃ Π gibt es genau einen Automorphismus der<br />

zugehörigen halbeinfachen komplexen <strong>Lie</strong>algebra<br />

τ : g R,Π<br />

∼ → g R,Π<br />

mit τ : h α ↦→ −h α <strong>und</strong> τ : x α ↦→ −y α <strong>und</strong> τ : y α ↦→ −x α in den obigen Notationen.<br />

Er heißt die Chevalley-Involution <strong>und</strong> stabilisiert die reelle Unterliealgebra<br />

g R ⊂ g := g R,Π , die von den (x α , h α , y α ) α∈Π erzeugt wird. Die Einbettung dieser<br />

reellen Unteralgebra induziert nun offenichtlich einen Isomorphismus von komplexen<br />

<strong>Lie</strong>algebren<br />

C ⊗ R g ∼ R → g<br />

<strong>und</strong> durch Transport von c : a ⊗ v ↦→ ā ⊗ v erhalten wir eine schieflineare Involution<br />

c auf g, die mit unserer Chevalley-Involution τ kommutiert. Per definitionem<br />

entspricht c der reellen Form g R von g. Sicher entspricht cτ = τc auch einer reellen<br />

Form g τc =: k ⊂ g. Wir zeigen nun, daß die Killingform von k negativ definit<br />

ist. Nach 2.4.23 ist sie schon mal negativ definit auf h cτ = 〈ih α | α ∈ Π〉 R . Da<br />

nach 2.4.24 für alle einfachen Wurzeln α ∈ Π gilt κ(x α , y α ) ∈ Q >0 <strong>und</strong> da eh gilt<br />

κ(x α , x α ) = 0 = κ(y α , y α ), ist die Killingform auch für alle einfachen Wurzeln<br />

α ∈ Π negativ definit auf (g α ⊕ g −α ) cτ = 〈x α − y α , ix α + iy α 〉 R . Anhand der<br />

Wirkung von cτ auf h sieht man leicht, daß (g γ ⊕ g −γ ) für jede Wurzel γ unter<br />

cτ stabil ist. Es bleibt nur noch zu zeigen, daß die Killingform für jede Wurzel<br />

γ ∈ R negativ definit ist auf (g γ ⊕ g −γ ) cτ . Dazu erinneren wir aus [AN1] 7.6.3<br />

die elementare Identität<br />

exp<br />

( ) 0 π/2<br />

=<br />

−π/2 0<br />

( ) 0 −1<br />

1 0<br />

Sie impliziert für die adjungierte Darstellung der <strong>Lie</strong>gruppe SU(2) die Formel<br />

( ( )) ( )<br />

0 π/2 0 −1<br />

exp ad<br />

= Ad<br />

−π/2 0<br />

1 0<br />

<strong>und</strong> speziell<br />

(<br />

exp ad<br />

( )) ( )<br />

0 π/2 1 0<br />

: ↦→<br />

−π/2 0 0 −1<br />

115<br />

( ) −1 0<br />

0 1


Da es nun einen Homomorphismus von <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong> sl(2; C) → g gibt mit<br />

e ↦→ x α , h ↦→ h α <strong>und</strong> f ↦→ y α , folgern wir für alle einfachen Wurzeln α ∈ Π<br />

unmittelbar<br />

exp(ad( π 2 (x α − y α ))) : h α ↦→ −h α<br />

Offensichtlich ist dieser Automorphismus von g die Identität auf ker α ⊂ h. Mithin<br />

stabilisiert unser Automorphismus die Unteralgebra h <strong>und</strong> operiert dort wie<br />

die Wurzelspiegelung s α der Weylgruppe. Das zeigt, dass unser Automorphismus<br />

auch g γ in g sαγ überführt. Andererseits ist π 2 (x α −y α ) invariant unter τc <strong>und</strong> unser<br />

Automorphismus identifiziert folglich (g γ ⊕ g −γ ) cτ mit (g sαγ ⊕ g −sαγ) cτ . Da die<br />

einfachen Spiegelungen die Weylgruppe erzeugen <strong>und</strong> da die Weylgruppenbahn<br />

jeder Wurzel mindestens eine einfache Wurzel enthält, muß die Killingform damit<br />

negativ definit sein auf (g γ ⊕ g −γ ) cτ für jede Wurzel γ ∈ R <strong>und</strong> die Existenz<br />

kompakter reeller Formen ist gezeigt. Es muß nun noch gezeigt werden, daß je<br />

zwei von ihnen konjugiert sind. Gegeben eine kompakte Form k ⊂ g ist für jede<br />

maximale abelsche Unteralgebra t ⊂ k <strong>ihre</strong> Komplexifizierung t C ⊂ g eine<br />

Cartan’sche. In der Tat ist für alle x ∈ k unser ad x : k → k schiefadjungiert<br />

für die Killingform <strong>und</strong> damit ist ad x : g → g diagonalisierbar. Also besteht<br />

t C aus halbeinfachen Elementen von g, ist aber andererseits sein eigener Zentralisator<br />

<strong>und</strong> folglich eine Cartan’sche von g. Nach [ML] 5.1.10 ist ad t ⊂ End k<br />

die <strong>Lie</strong>algebra eines maximalen Torus der kompakten <strong>Lie</strong>gruppe Aut k. Also muß<br />

exp(ad t) ⊂ Aut g eine kompakte Untergruppe sein, <strong>und</strong> das ist offensichtlich nur<br />

möglich, wenn gilt α(t) ⊂ Ri für alle Wurzeln α ∈ R(t C , g). Mithin haben wir<br />

notwendig<br />

t = 〈iα ∨ | α ∈ R(t C , g)〉 R<br />

Das kann Knapp besser! Gegeben zwei kompakte reelle Formen k, k ′ von g wählen<br />

wir nun maximale abelsche Unteralgebren t ⊂ k, t ′ ⊂ k ′ <strong>und</strong> finden nach 2.5.5 ein<br />

Element σ in der adjungierten Gruppe mit σ(t C ) = t ′ C <strong>und</strong> dann a forteriori σ(t) =<br />

t ′ . Wir dürfen also t = t ′ annehmen. Sei nun δ : g → g die schieflineare Involution<br />

zu k. Wir wissen, dass t C ⊂ g eine Cartan’sche ist <strong>und</strong> daß gilt t = 〈iR ∨ 〉 R für<br />

R ∨ ⊂ t C die Menge der Kowurzeln. So folgt δ(g α ) = g −α für alle α ∈ R, denn<br />

wir haben für alle X ∈ g α <strong>und</strong> β ∈ R ja<br />

[β ∨ , δ(X)] = [δ(−β ∨ ), δ(X)] = δ(〈α, −β ∨ 〉X) = −〈α, β ∨ 〉δ(X)<br />

Insbesondere ist g α ⊕ g −α stets δ-stabil. Für x α ∈ g α gilt damit x α + δ(x α ) ∈ k<br />

<strong>und</strong> unter der zusätzlichen Annahme x α ≠ 0 folgt<br />

0 > κ(x α + δ(x α ), x α + δ(x α )) = 2κ(x α , δ(x α ))<br />

Andererseits gilt nach 2.4.24 aber auch [x α , δ(x α )] ∈ κ(x α , δ(x α ))Q >0 α ∨ . Wir<br />

können mithin x α ∈ g α auch so finden, daß gilt<br />

[x α , δ(x α )] = −α ∨<br />

116


Gegeben eine Basis Π ⊂ R(t C , g) des Wurzelsystems können wir mithin Elemente<br />

x α ∈ g α , y α ∈ g −α für α ∈ Π so finden, dass gilt [x α , y α ] = α ∨ <strong>und</strong> δ(x α ) = −y α .<br />

Ebenso können wir für die schieflineare Involution δ ′ unserer zweiten kompakten<br />

Form Elemente x ′ α ∈ g α , y ′ α ∈ g −α für α ∈ Π so finden, dass gilt [x ′ α, y ′ α] = α ∨<br />

<strong>und</strong> δ ′ (x ′ α) = −y ′ α. Es gibt dann offensichtlich ein Element des zu unserer komplexen<br />

Cartan’schen nach 2.7.8 gehörigen maximalen Torus in der adjungierten<br />

Gruppe, das x α auf x ′ α wirft für alle α ∈ Π <strong>und</strong> damit notwendig auch y α auf y ′ α<br />

für alle α ∈ Π.<br />

5.5.11 (Kompakte <strong>Lie</strong>-Gruppen mit trivialem Zentrum). Zusammenfassend<br />

erhalten wir Bijektionen zwischen Isomorphieklassen<br />

{<br />

} { }<br />

zusammenhängende kompakte<br />

∼<br />

kompakte<br />

→<br />

<strong>Lie</strong>-Gruppen mit trivialem Zentrum<br />

<strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong><br />

{<br />

} {<br />

↓ ≀<br />

}<br />

komplexe<br />

∼ halbeinfache<br />

←<br />

abstrakte Wurzelsysteme<br />

komplexe <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong><br />

Hier ist die obere Horizontale das Bilden der <strong>Lie</strong>-Algebra [ML] 4.8.35, die rechte<br />

Vertikale die Komplexifizierung 5.5.9, <strong>und</strong> die untere Horizontale Teilaussage<br />

5.4.8 aus dem Beweis derKilling-Klassifikation. Der Leser mag zur Übung prüfen,<br />

daß Verknüpfung dieser Bijektionen beschrieben werden kann als die Zuordnung,<br />

die jeder kompakten <strong>Lie</strong>gruppe K mit trivialem Zentrum das durch Wahl eines<br />

maximalem Torus T betimmte Wurzelsystem R(K, T ) ⊂ X(T ) ⊗ Z C aus [ML]<br />

5.4.6 zuordnet, das wir mithilfe des kanonischen Isomorphismus X(T ) ⊗ Z C ∼ →<br />

(<strong>Lie</strong> C T ) ∗ auch als Teilmenge des Dualraums der komplexifizierten <strong>Lie</strong>algebra des<br />

maximalen Torus auffassen können.<br />

5.6 Klassifikation der kompakten <strong>Lie</strong>gruppen**<br />

5.6.1. In diesem Abschnitt brauchen wir Gr<strong>und</strong>kenntnisse über Überlagerungen<br />

<strong>und</strong> die F<strong>und</strong>amentalgruppe, wie sie etwa in [TF] 3.1.1 folgende erklärt werden.<br />

Satz 5.6.2. Die universelle Überlagerung einer zusammenhängenden kompakten<br />

<strong>Lie</strong>-Gruppe mit endlichem Zentrum ist kompakt.<br />

Beweis. Sei K unsere kompakte <strong>Lie</strong>gruppe <strong>und</strong> ¯K ihr Bild unter der adjungierten<br />

Darstellung. So ist ¯K eine kompakte <strong>Lie</strong>gruppe mit trivialem Zentrum <strong>und</strong> K ↠<br />

¯K ist eine Überlagerung. Die Faser über dem neutralen Element ist nach 4.8.32<br />

genau das Zentrum von K. Die F<strong>und</strong>amentalgruppe π 1 ( ¯K; 1) ist endlich erzeugt<br />

nach 1.2.22 <strong>und</strong> abelsch nach 4.7.2 oder 1.2.21.<br />

<strong>und</strong> ˜K ↠ K <strong>ihre</strong> universelle Überlagerung. Nach [TF] 4.7.2 kann ˜K so mit<br />

einer Verknüpfung versehen werden, daß es zu einer topologischen Gruppe wird<br />

117


<strong>und</strong> ˜K ↠ K ein Gruppenhomomorphismus. Es ist klar, daß ˜K sogar auf genau<br />

eine Weise mit der Struktur<br />

Satz 5.6.3 (Einfach zusammenhängende kompakte <strong>Lie</strong>gruppen). Eine zusammenhängende<br />

kompakte <strong>Lie</strong>gruppe ist einfach zusammenhängend genau dann,<br />

wenn die Kowurzeln eines maximalen Torus T das duale Gitter X(T ) ∗ = Ab(X(T ), Z)<br />

zum Charaktergitter X(T ) erzeugen.<br />

Beweis. Sei K unsere zusammenhängende kompakte <strong>Lie</strong>gruppe <strong>und</strong> p : ˜K ↠ K<br />

<strong>ihre</strong> universelle Überlagerung. Nach [TF] 4.7.2 kann ˜K so mit einer Verknüpfung<br />

versehen werden, daß es zu einer topologischen Gruppe wird <strong>und</strong> ˜K ↠ K ein<br />

Gruppenhomomorphismus. Mit der im Sinne von [ML] 4.2.21 étale induzierten<br />

Struktur als C ∞ -Mannigfaltigkeit ist dann nach [TF] 4.7.3 auch ˜K eine <strong>Lie</strong>gruppe.<br />

Weiter ist die F<strong>und</strong>amentalgruppe π 1 (K; 1) endlich erzeugt nach [TF] 1.2.22<br />

<strong>und</strong> abelsch nach [TF] 4.7.2 oder [TF] 1.2.21 <strong>und</strong> die Operation der F<strong>und</strong>amentalgruppe<br />

auf der Faser über dem neutralen Element liefert nach [TF] 4.7.2 einen<br />

Gruppenisomorphismus<br />

c : π 1 (K; 1) ∼ → ker p<br />

Wäre K nicht einfach zusammenhängend, so hätte π 1 (K; 1) als endlich erzeugte<br />

abelsche Gruppe nach [LA2] 4.4.3 eine echte Untergruppe von endlichem Index<br />

H <strong>und</strong> dann wäre ˆK := ˜K/c(H) ↠ K eine zusammenhängende Überlagerung<br />

mit endlichen aber nicht einelementigen Fasern. Insbesondere wäre auch ˆK eine<br />

kompakte <strong>Lie</strong>gruppe. Nach [ML] 5.4.13 ist dann für T ⊂ K ein maximaler Torus<br />

auch sein Urbild ˆT ⊂ ˆK ein maximaler Torus <strong>und</strong> wir hätten X(T ) X( ˆT ). Da<br />

aber alle Kowurzeln auch auf X( ˆT ) ganzzahlige Werte annehmen müßten, könnten<br />

sie nicht X(T ) ∗ erzeugt haben. Wenn also die Kowurzeln X(T ) ∗ erzeugen,<br />

so muß K einfach zusammenhängend gewesen sein. Für den Beweis der Gegenrichtung<br />

nehmen wir an, daß die Kowurzeln nicht ganz X(T ) ∗ erzeugen. Falls sie<br />

noch nicht einmal eine Untergruppe von endlichem Index erzeugen, so hat nach<br />

[ML] 5.4.22 das Zentrum von K positive Dimension <strong>und</strong> die zusammenhängende<br />

Überlagerung (K, K) × Z(K) ◦ ↠ K nach [ML] 5.4.42 zeigt, daß K unmöglich<br />

einfach zusammenhängend sein kann. Falls die Kowurzeln eine Untergruppe von<br />

endlichem Index erzeugen, ist nach [ML] 5.4.22 das Zentrum von K endlich <strong>und</strong><br />

nach [ML] 5.4.42 gilt K = (K, K) <strong>und</strong> k C ist eine halbeinfache komplexe <strong>Lie</strong>algebra<br />

mit Cartan’scher h := <strong>Lie</strong> C T . Sei R = R(k C , h) das Wurzelsystem <strong>und</strong><br />

X ⊂ h ∗ das Gitter der ganzen Gewichte. Mit 4.1.6 finden wir irreduzible endlichdimensionale<br />

komplexe <strong>Darstellungen</strong> L 1 , . . . , L n der halbeinfachen <strong>Lie</strong>algebra<br />

k C , deren Gewichte das Gitter der ganzen Gewichte erzeugen. In X/〈R〉 repräsentieren<br />

die Gewichte jeder irreduziblen Darstellung von k C nur eine Nebenklasse,<br />

für r := |X/〈R〉| gehören also alle Gewichte der Tensorpotenzen L ⊗r<br />

1 , . . . , L ⊗r<br />

n<br />

zum Wurzelgitter 〈R〉 Z . Das hinwiederum zeigt, daß sich diese <strong>Darstellungen</strong> L ⊗r<br />

i<br />

118


zu <strong>Darstellungen</strong> von K integrieren lassen. Schließlich konstruieren wir eine <strong>Lie</strong>gruppe<br />

˜K als das Faserprodukt<br />

˜K<br />

K<br />

GL(L 1 ) × . . . × GL(L n )<br />

GL(L ⊗r<br />

1 ) × . . . × GL(L ⊗r<br />

n )<br />

Offensichtlich hat ˜K → K endliche Fasern. Die Einskomponente ˜K◦ ist unsere<br />

gesuchte kompakte <strong>Lie</strong>gruppe mit Wurzeldatum (W X ⊃ R).<br />

Beweis von 5.4.8. Gegeben eine Gitterspiegelungsgruppe mit stabiler Wurzelwahl<br />

(W X ⊃ R) setzen wir ¯X := X/X W <strong>und</strong> bezeichnen mit ᾱ das Bild einer<br />

Wurzel α <strong>und</strong> mit ¯R das Bild von R. Sicher ist dann auch (W ¯X ⊃ ¯R) eine<br />

Gitterspiegelungsgruppe mit stabiler Wurzelwahl. Nach Maschke besitzt unsere<br />

Surjektion nach Erweiterung der Skalare zu Q genau eine W -äquivariante Spaltung<br />

σ : ¯XQ → X Q . Für alle Wurzeln α ∈ R gilt α = σ(ᾱ), denn α − σ(ᾱ) wird<br />

unter der Wurzelspiegelung s α auf sein Negatives abgebildet <strong>und</strong> liegt gleichzeitig<br />

in XQ W . Die Einbettung<br />

X<br />

↩→ ˜X := X W ⊕ σ( ¯X)<br />

bettet X als Untergitter von endlichem Index ein in ein größeres Gitter ˜X, <strong>und</strong><br />

auch (W ˜X ⊃ R) ist eine endliche Gitterspiegelungsgruppe mit stabiler Wurzelwahl.<br />

So ziehen wir uns auf den Fall einer endlichen Gitterspiegelungsgruppe<br />

mit stabiler Wurzelwahl (W X ⊃ R) zurück, bei der das von den Wurzeln<br />

erzeugte Wurzelgitter endlichen Index hat, in Formeln |X/〈R〉| < ∞. Indem wir<br />

unser Gitter noch weiter vergrößern, dürfen wir sogar annehmen, daß es mit dem<br />

Gewichtegitter zusammenfällt, daß also die Einbettung X ↩→ X Q eine Bijektion<br />

X ∼ → {λ ∈ X Q | 〈λ, α ∨ 〉 ∈ Z ∀α ∈ R}<br />

induziert. Für diesen Fall konstruieren wir ein kompakte <strong>Lie</strong>gruppe wie folgt: Wir<br />

beginnen mit der Konstruktion einer kompakten reellen <strong>Lie</strong>algebra k mit maximal<br />

abelscher Unteralgebra t <strong>und</strong> R ∼ = R(t C , k C ) wie im Beweis von 5.5.9. Die Einszusammenhangskomponente<br />

K := (Aut k) ◦ von deren Automorphismengruppe ist<br />

eine zusammenhängende kompakte <strong>Lie</strong>gruppe <strong>und</strong> für der maximalen kompakten<br />

Torus T ⊂ K mit <strong>Lie</strong> T = t nach 5.1.10 gilt<br />

X(T ) = 〈R〉 Z<br />

Jetzt finden wir mit 4.1.6 irreduzible endlichdimensionale komplexe <strong>Darstellungen</strong><br />

L 1 , . . . , L n der halbeinfachen <strong>Lie</strong>algebra k C , deren Gewichte das Gitter der<br />

119


ganzen Gewichte erzeugen. In X/〈R〉 repräsentieren die Gewichte jeder irreduziblen<br />

Darstellung von k C nur eine Nebenklasse, für r := |X/〈R〉| gehören also<br />

alle Gewichte der Tensorpotenzen L ⊗r<br />

1 , . . . , L ⊗r<br />

n zum Wurzelgitter 〈R〉 Z . Das<br />

hinwiederum zeigt, daß sich diese <strong>Darstellungen</strong> L ⊗r<br />

i zu <strong>Darstellungen</strong> von K<br />

integrieren lassen. Schließlich konstruieren wir eine <strong>Lie</strong>gruppe ˜K als das Faserprodukt<br />

˜K GL(L 1 ) × . . . × GL(L n )<br />

K<br />

GL(L ⊗r<br />

1 ) × . . . × GL(L ⊗r<br />

Offensichtlich hat ˜K → K endliche Fasern. Die Einskomponente ˜K◦ ist unsere<br />

gesuchte kompakte <strong>Lie</strong>gruppe mit Wurzeldatum (W X ⊃ R).<br />

n )<br />

120


6 Danksagung<br />

Für Korrekturen <strong>und</strong> Vereinfachungen danke ich vielen Freiburger Studenten, insbesondere<br />

Catharina Stroppel, Olaf Schnürer. Eine wesentliche Quelle war für<br />

mich der Text [Hum70] von Humphreys <strong>und</strong> natürlich Bourbaki, insbesondere<br />

[Bou81].<br />

121


Literatur<br />

[AAG]<br />

[AL]<br />

[AN1]<br />

[AN2]<br />

[AN3]<br />

Skriptum Affine Algebraische Gruppen; lädt man die pdf-Datei in denselben<br />

Ordner, dann sollten auch die externen Querverweise funktionieren.<br />

Am besten funktionieren sie aber immer noch in der Gesamtdatei<br />

Öffentliche Werkbank.<br />

Skriptum Algebra <strong>und</strong> Zahlentheorie; lädt man die pdf-Datei in denselben<br />

Ordner, dann sollten auch die externen Querverweise funktionieren.<br />

Am besten funktionieren sie aber immer noch in der Gesamtdatei Öffentliche<br />

Werkbank.<br />

Skriptum Analysis 1; lädt man die pdf-Datei in denselben Ordner, dann<br />

sollten auch die externen Querverweise funktionieren. Am besten funktionieren<br />

sie aber immer noch in der Gesamtdatei Öffentliche Werkbank.<br />

Skriptum Analysis 2; lädt man die pdf-Datei in denselben Ordner, dann<br />

sollten auch die externen Querverweise funktionieren. Am besten funktionieren<br />

sie aber immer noch in der Gesamtdatei Öffentliche Werkbank.<br />

Skriptum Analysis 3; lädt man die pdf-Datei in denselben Ordner, dann<br />

sollten auch die externen Querverweise funktionieren. Am besten funktionieren<br />

sie aber immer noch in der Gesamtdatei Öffentliche Werkbank.<br />

[Bou81] Nicolas Bourbaki, Groupes et algèbres de <strong>Lie</strong>, chapitres 4–6, Masson,<br />

1981.<br />

[DM]<br />

[GR]<br />

Skriptum <strong>Darstellungen</strong> <strong>und</strong> Moduln; lädt man die pdf-Datei in denselben<br />

Ordner, dann sollten auch die externen Querverweise funktionieren.<br />

Am besten funktionieren sie aber immer noch in der Gesamtdatei Öffentliche<br />

Werkbank.<br />

Skriptum Gr<strong>und</strong>lagen; lädt man die pdf-Datei in denselben Ordner, dann<br />

sollten auch die externen Querverweise funktionieren. Am besten funktionieren<br />

sie aber immer noch in der Gesamtdatei Öffentliche Werkbank.<br />

[Hum70] James E. Humphreys, Introduction to <strong>Lie</strong> algebras and representation<br />

theory, GTM, vol. 9, Springer, 1970.<br />

[KA]<br />

Skriptum Kommutative Algebra <strong>und</strong> Geometrie; lädt man die pdf-Datei<br />

in denselben Ordner, dann sollten auch die externen Querverweise funktionieren.<br />

Am besten funktionieren sie aber immer noch in der Gesamtdatei<br />

Öffentliche Werkbank.<br />

122


[Kac90] Victor G. Kac, Infinite dimensional <strong>Lie</strong> algebras, 3 ed., Cambridge University<br />

Press, 1990.<br />

[LA1]<br />

[LA2]<br />

[LAG]<br />

[ML]<br />

Skriptum Lineare Algebra 1; lädt man die pdf-Datei in denselben Ordner,<br />

dann sollten auch die externen Querverweise funktionieren. Am besten<br />

funktionieren sie aber immer noch in der Gesamtdatei Öffentliche<br />

Werkbank.<br />

Skriptum Lineare Algebra 2; lädt man die pdf-Datei in denselben Ordner,<br />

dann sollten auch die externen Querverweise funktionieren. Am besten<br />

funktionieren sie aber immer noch in der Gesamtdatei Öffentliche<br />

Werkbank.<br />

Skriptum <strong>Lie</strong>-<strong>Algebren</strong>; lädt man die pdf-Datei in denselben Ordner,<br />

dann sollten auch die externen Querverweise funktionieren. Am besten<br />

funktionieren sie aber immer noch in der Gesamtdatei Öffentliche Werkbank.<br />

Skriptum Mannigfaltigkeiten <strong>und</strong> <strong>Lie</strong>gruppen; lädt man die pdf-Datei in<br />

denselben Ordner, dann sollten auch die externen Querverweise funktionieren.<br />

Am besten funktionieren sie aber immer noch in der Gesamtdatei<br />

Öffentliche Werkbank.<br />

[Som03] Eric Sommers, Normality of nilpotent varieties in e 6 , Journal of Algebra<br />

270 (2003), 288–306.<br />

[SPW]<br />

[TF]<br />

[TS]<br />

Skriptum Spiegelungsgruppen <strong>und</strong> Wurzelsysteme; lädt man die pdf-<br />

Datei in denselben Ordner, dann sollten auch die externen Querverweise<br />

funktionieren. Am besten funktionieren sie aber immer noch in der Gesamtdatei<br />

Öffentliche Werkbank.<br />

Skriptum F<strong>und</strong>amentalgruppe <strong>und</strong> Überlagerungstheorie; lädt man die<br />

pdf-Datei in denselben Ordner, dann sollten auch die externen Querverweise<br />

funktionieren. Am besten funktionieren sie aber immer noch in der<br />

Gesamtdatei Öffentliche Werkbank.<br />

Skriptum Singuläre Homologie; lädt man die pdf-Datei in denselben<br />

Ordner, dann sollten auch die externen Querverweise funktionieren. Am<br />

besten funktionieren sie aber immer noch in der Gesamtdatei Öffentliche<br />

Werkbank.<br />

[Vog81] David A. Vogan, Jr., Representations of real reductive <strong>Lie</strong> groups, Progress<br />

in Mathematics, vol. 15, Birkhäuser, 1981.<br />

123


Index<br />

〈 〉 L Erzeugnis als <strong>Lie</strong>-Ideal, 106<br />

A L <strong>Lie</strong>-Algebra zur Algebra A, 5<br />

abelsch<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra, 7<br />

abgeleitete Reihe, 18<br />

ad-halbeinfach, 37<br />

ad-nilpotent, 19, 37<br />

adjungiert<br />

Gruppe, 51<br />

Algebra, 4<br />

<strong>Algebren</strong>-Homomorphismus, 4<br />

Antisymmetrie, 4<br />

auflösbar, 18<br />

Auflösbarkeitskriterium von Cartan, 23<br />

Augmentation, 65<br />

Augmentationsideal, 65<br />

augmentierten Ring, 65<br />

Ausnahme-Algebra, 8<br />

Ausnahme-Isomorphismus, 8<br />

Cartan’sche<br />

Unteralgebra, 38<br />

Cartan’sche Unteralgebra, 47<br />

Casimir-Operator<br />

allgemein, 30<br />

Charakter, 85, 87<br />

von <strong>Lie</strong>-Algebra, 18<br />

Charakterformel, Weyl’sche, 85<br />

Charakterring<br />

erweiterter, 87<br />

Chevalley-Involution, 114<br />

Clebsch-Gordan, 34<br />

Darstellung<br />

triviale<br />

von <strong>Lie</strong>algebra, 11<br />

von <strong>Lie</strong>algebra, 10<br />

Derivation, 9<br />

innere, 50<br />

deriviert<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra, 18<br />

Dimensionsformel<br />

Weyl’sche, für <strong>Darstellungen</strong>, 83<br />

dot-Operation, 78<br />

echt<br />

Unterdarstellung, 12<br />

einfach<br />

Darstellung, <strong>Lie</strong>algebra, 12<br />

<strong>Lie</strong>algebra, 7<br />

Einhüllende, 63<br />

Eins-Element<br />

einer Algebra, 4<br />

Engel, Satz von, 19<br />

Erweiterter Charakterring, 87<br />

erzeugt<br />

Ideal, 17<br />

Erzeugungsoperator, 13<br />

extremen Gewichte, 94<br />

Formen<br />

kommutierende, 112<br />

frei<br />

Algebra, 105<br />

Ringalgebra, 65, 66<br />

freie <strong>Lie</strong>algebra, 100<br />

freien Magma über I, 104<br />

Freudenthal’s Formel, 90<br />

g gen , 48<br />

general linear <strong>Lie</strong> algebra, 5<br />

generisch<br />

in <strong>Lie</strong>algebra, 48<br />

Gewicht, 37<br />

Darstellung, 22<br />

f<strong>und</strong>amentales dominantes, 58<br />

Gewicht, hoechstes, 57<br />

124


Gewichte, 56<br />

Gewichte, dominante ganze, 58<br />

Gewichte, ganze, 58<br />

Gewichtsraum, 56<br />

verallgemeinerter, 22<br />

halbeinfach<br />

Darstellung, 25<br />

Element von <strong>Lie</strong>-Algebra, 37<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra, 25<br />

halbeinfacher Anteil<br />

in <strong>Lie</strong>algebra, 37<br />

Hausdorff-Polynom, 103<br />

höchste Wurzel, 60, 63<br />

Homomorphismus<br />

von Ringalgebren, 4<br />

Ideal<br />

von Algebra, 17<br />

Induktion<br />

bei <strong>Lie</strong>algebrendarstellungen, 81<br />

innere Derivation, 50<br />

invariant<br />

Bilinearform, 25<br />

Vektor unter <strong>Lie</strong>algebra, 11<br />

irreduzibel<br />

Darstellung, <strong>Lie</strong>algebra, 12<br />

<strong>Lie</strong>algebra, 7<br />

isomorph<br />

<strong>Darstellungen</strong>, 11<br />

Jacobi-Identität, 4<br />

Jordan-Zerlegung, 35<br />

¯κ Isomorphismus zu Killingform, 88<br />

κ = κ g Killing-Form, 24<br />

kanonischer Erzeuger, 73<br />

Killing-Klassifikation, 7<br />

Killingform, 24<br />

klassisch, 8<br />

Klimyk, Formel von, 95<br />

Koinduktion<br />

bei <strong>Lie</strong>algebrendarstellungen, 81<br />

Koinvarianten, 82<br />

Kommutator, 5<br />

kompakt<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra, 113<br />

Kostant’sche Charakterformel, 91<br />

Kowurzel, 41<br />

Kringalgebra, 4<br />

A L <strong>Lie</strong>-Algebra zur Algebra A, 5<br />

Lalg Kategorie der <strong>Lie</strong>algebren, 100<br />

Leibniz-Regel<br />

bei Definition einer Derivation, 9<br />

<strong>Lie</strong>, Satz von, 20<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra, 4<br />

derivierte, 18<br />

orthogonale, 6<br />

spezielle lineare, 6<br />

symplektische, 6<br />

<strong>Lie</strong>-artiges Polynom, 103<br />

<strong>Lie</strong>-Klammer<br />

abstrakt, 4<br />

<strong>Lie</strong>-Polynom, 103<br />

<strong>Lie</strong>algebra<br />

durch Erzeuger <strong>und</strong> Relationen, 106<br />

lokal<br />

nilpotent, 44<br />

lokal endlich<br />

Darstellung, 22<br />

Modulradikal, 77<br />

monoton, 69<br />

Nennerformel, Weyl’sche, 92<br />

nilpotent, 18<br />

Element von <strong>Lie</strong>-Algebra, 37<br />

lokal, 44<br />

nilpotenter Anteil<br />

in <strong>Lie</strong>algebra, 37<br />

nilpotenter Kegel, 37<br />

Normalisator<br />

von <strong>Lie</strong>algebra, 47<br />

125


Nulldarstellung, 11<br />

Operation<br />

von <strong>Lie</strong>algebra, 10<br />

opponiert<br />

Algebra, 72<br />

Partitionsfunktion, Kostant’sche, 75<br />

poids, 37<br />

Poincaré-Birkhoff-Witt, 65<br />

Potenzradikal, 77<br />

prinzipalen Antiautomorphismus, 72<br />

Produkt<br />

von <strong>Algebren</strong>, 5<br />

Produktion<br />

bei <strong>Lie</strong>algebrendarstellungen, 81<br />

Quillen<br />

Lemma von, 53<br />

Radikal<br />

einer <strong>Lie</strong>algebra, 19<br />

Modulradikal, 77<br />

Potenzradikal, 77<br />

von Modul, 77<br />

Ralg<br />

Ringalgebrenhomomorphismen, 5<br />

rang(g) Rang einer <strong>Lie</strong>algebra, 48<br />

Rang<br />

von <strong>Lie</strong>algebra, 48<br />

reduktiv<br />

<strong>Lie</strong>-Algebra, 25<br />

reelle Form<br />

von komplexem Vektorraum, 112<br />

von komplexer Algebra, 112<br />

g reg , 48<br />

regulär<br />

in <strong>Lie</strong>algebra, 5, 48<br />

Ringalgebra, 4<br />

root system, 39<br />

Schur, Lemma von<br />

bei <strong>Lie</strong>algebren, 52<br />

bei <strong>Lie</strong>algebren, dim < ∞, 29<br />

Schurpolynom, 96<br />

Serre-Relationen, 107<br />

spaltend<br />

Cartan’sche, 113<br />

reelle <strong>Lie</strong>algebra, 113<br />

stabil<br />

unter <strong>Lie</strong>algebra, 12<br />

Standarddarstellung, 11<br />

Steinberg, Formel von, 95<br />

symmetrisch<br />

Algebra, 72<br />

système de racines, 39<br />

Tensoralgebra, 66<br />

Tensoridentität, 98<br />

Tensorprodukt<br />

von <strong>Darstellungen</strong> von <strong>Lie</strong>-Algebra,<br />

32<br />

trivial<br />

Operation<br />

von <strong>Lie</strong>algebra, 11<br />

universelle Einhüllende Algebra, 63<br />

Unteralgebra<br />

von allgemeiner Algebra, 6<br />

Unterdarstellung, 12<br />

Untervektorraum<br />

definiert über, 112<br />

Verma-Modul, 73<br />

Vernichtungsoperator, 13<br />

Weyl<br />

Dimensionsformel, 83<br />

Satz über Reduzibilität, 30<br />

Weylgruppe<br />

von halbeinfacher <strong>Lie</strong>algebra, 56<br />

Wurzel<br />

von <strong>Lie</strong>algebra, 39<br />

Wurzelgitter, 118<br />

126


Wurzelraum, 39<br />

Wurzelsystem<br />

abstraktes, 42<br />

reduziertes, 42<br />

von <strong>Lie</strong>algebra, 39<br />

Zentralreihe, absteigende, 18<br />

Zentrum<br />

einer <strong>Lie</strong>algebra, 18<br />

127

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