Schule & Job - Süddeutsche Zeitung
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schule &
job
N o 0 4 / 1 3 -------------- j e t z t . d e
Und was kommt jetzt?
Ein Heft über groSSe Veränderungen, Schule als
Gefängnis und die Erwartungen der Eltern.
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Liebe Leserin, lieber Leser,
seit dem 22. August nennt sich Bradley
Manning anders: Chelsea Manning. Seitdem
müssen Medien und andere sich fragen,
welchen Namen sie bei der Berichterstattung
über die Whistleblowerin benutzen
und ob sie weibliche oder männliche Pronomen
verwenden. Wir mussten das schon tun,
als wir zum ersten Mal über die Geschichte
sprachen, die du ab Seite 7 lesen kannst:
Dort beschreibt Noah, wie er seiner Klasse
sagte, dass er künftig als Junge behandelt
werden möchte. Seine Geschichte ist die
eines tief greifenden Wandels – und um
Veränderung geht es in den meisten Texten
dieses Heftes. Wo sich etwas ändert, da
entstehen Fragen, und es werden
Antworten gebraucht. Danach haben wir
gesucht.
Viel Spaß beim Lesen!
I n h a l t
04 Zustand Was wir mögen, sagt, wer wir sind.
06 Verwandlung Noah will kein Mädchen mehr sein.
Ein Jahr der Veränderung.
14 Verdrängung Das Rauchereck ist verschwunden.
Nachruf auf einen Mythos.
16 Freiheit Roman hat keine Ahnung, was er nach dem
Abi tun soll. Ein Jahr des Aufbruchs.
22 Aufregung Ausfragetipps vom Pressechef des
FC Bayern.
24 Befreiung Wer auszieht, sollte auch ausmisten.
26 Abschluss Zu Besuch in einer Gefängnisschule.
34 Reue Warum wurde unser Autor zum Mobber?
36 Ratschlag Was Eltern über die Zukunft ihrer
Kinder zu wissen glauben.
40 Rätsel Finde heraus, wer welches Abifach
gewählt hat.
42 Interview Eine Partie „Mensch, ärgere Dich nicht“
mit Konstantin Gropper.
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Von Tim Bruening / Foto
1
5
W e r b i s t d u g e r a d e ?
Antoine, 22
4
Unser Geschmack wandelt sich im Lauf des Lebens.
Doch zu jeder Zeit sagt das, was wir gerade mögen,
ein bisschen was über uns selbst.
1. Welchen Film hast du zuletzt gesehen und gemocht?
2. Welches Buch hast du zuletzt gern gelesen?
3. Auf welcher Website bist du gerade Stammgast?
4. Worauf könntest du im Moment nicht verzichten?
5. Welche Fernsehsendung oder -serie findest du gerade gut?
6. Welche Kleidung hast du zuletzt gekauft und gemocht?
7. Welche Kunst oder Ausstellung findest du gerade gut?
3
4 jetzt SCHULE&Job N o 04/13
2
Auf Weissweinschorle
6
7
„PIXAR – 25 Years of Animation“
im museum für KunsT und gewerbe,
Hamburg
Was Antoine Mag, haben wir hier gefunden facebook.com, foxsearchlight.com, Diogenes.de, CBS.Com, VAns.com, Illustration PIXAR Lou Romano, Colorscript, Die Unglaublichen, 2004, Digitalzeichnung, © Disney/Pixar
Noah
wird
mein
Name
sein
Von Jazzbertie / text &
Jan Robert Dünnweller / Illustrationen
Ein Mädchen zu sein,
das fühlte sich immer
schon falsch an.
Deshalb hat Noah
sich vor seine Klasse
gestellt und gesagt,
wer er wirklich ist.
Seitdem ist die Schule
ein besserer Ort.
Chronologie
einer schwierigen
Verwandlung.
6 jetzt SCHule&JOB N o 04/13 jetzt SCHule&JOB N o 04/13 7
Achtung! Monster!
Morgens an der Bushaltestelle oder auf dem Pausenhof. Menschen in
etwa so alt wie ich. Sie kennen mich nicht. Sie gucken nicht nett, eher
– es ist schwer zu beschreiben – als sei ich ein Tier im Zoo. Sie gucken
von oben herab. Leute, mit denen ich in der Grundschule oder in einem
Sportverein war. Sie grüßen nicht. Stattdessen gucken sie und
starren, als wäre ich ein Monster.
Innensicht
Transsein ist selbstverständlich, es ist immer da, wie unsichtbar. Mein
ganzes Leben über. Wenn ich mich umziehe, wenn ich dusche. Falsch.
Es ist etwas, das ich nicht will. Ich will keine Brüste, keine Hüfte,
nicht einmal das Wort „Frau“. Es fällt mir schwer, das zu schreiben, so
tief und grundsätzlich ist meine Abneigung. Es ist ein inneres Widerstreben.
Es ist nervig und tut weh. Ich kann aus Jungen- oder aus
Mädchensicht denken. Die Jungenart ist entspannter. Als Mädchen
ist alles krampfig, kompliziert, unangenehm. Mir ist es lieber, ein Junge
zu sein. Das erscheint sehr einfach. Was es so elend und schwer
macht, ist meine Umwelt. Ich muss es erklären, ich kann nicht einfach
als ein Junge leben, ich muss es publik machen. Dadurch werde ich
angreifbar, verletzlich, nackt. Es ist nicht gerecht, dass man sich outen,
sich rechtfertigen, sich öffnen muss. Aber ich muss diese Ungerechtigkeit
in Kauf nehmen, um glücklich zu sein. Denn es geht um
das Glücklichsein.
Woher ich es weiss
Meine frühesten Erinnerungen: Jedes Mal, wenn ich abends schlafen
ging, wünschte ich mir, mit einem Penis aufzuwachen. Ich wusste,
dass das nicht funktionieren würde, trotzdem war ich jeden Morgen
enttäuscht. Ich hatte die Angewohnheit, in der dritten Person von mir
zu denken, und dachte mich als „er“. Irgendwann fiel mir auf, dass da
was nicht stimmte. Wenn meine Mutter mich und meinen Bruder zum
Friseur schleppte, wollte ich meine Haare so ratzekurz wie er; leider
durfte ich nie. Ich wusste, dass ich anders war als die anderen Mädchen,
hoffte aber immer noch, mal eines zu treffen, das so war wie ich.
Aber egal wo ich hinkam, nie war jemand wie ich. Also musste ich mir
wohl oder übel eingestehen, dass ich anders war und alle anderen normal.
Dann verliebte ich mich in ein Mädchen (und dann noch in weitere)
und wurde sozusagen lesbisch. Aber auch da war niemand wie
ich. Mir fielen wieder diese Geschichten ein, aus der Zeit, als ich klein
war. Mir fiel auf, dass ich meine Brüste immer komisch fand, immer
fehl am Platz, dass mir meine weibliche Körperform nicht gefiel. Dass
da in mir diese Sehnsucht oder dieser Neid auf jeden Jungen oder
Mann war. Und dann wusste ich, dass ich ein Transjunge bin, und
band meine Brust ab, kaufte ein paar T-Shirts aus der Herrenabteilung
und konnte wieder besser in den Spiegel gucken. Fand mit einer
flachen Brust nicht mehr ganz so fremd, was ich da sah.
Trans in der Schule
Am Anfang war es egal. Ich war sechs Jahre alt und hatte noch meine
Freunde aus dem Kindergarten. Aber ab der dritten oder vierten
Klasse hatte ich keine Freunde mehr. Die Jungs wollten mich nicht,
und ich wollte nicht zu den Mädchen. Vier Jahre später kam ich auf
das Gymnasium, auf dem ich heute immer noch bin, und fand da genau
drei Freunde. Einen Freak und zwei Mädchen. Ich war eine ungepflegte
und unglückliche Erscheinung. Unsere Freundschaft ist vor
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Noah hasst seinen
Mädchenkörper, er will eine
Geschlechtsangleichung.
Um auch im Pass ein Junge sein
zu dürfen, muss er zwei
psychologische Gutachten
vorlegen und braucht einen
Gerichtsbeschluss.
Eine Operation hingegen ist
nicht mehr notwendig, seit das
Bundesverfassungsgericht eine
entsprechende Bestimmung
des sogenannten
Transsexuellengesetzes für
verfassungswidrig erklärt hat.
allem dadurch gekennzeichnet, dass wir niemals über Persönliches
sprechen.
In der Neunten kam ich in eine neue Klasse und wurde Teil einer
Mädchenclique, mit der ich immer noch meine freien Stunden verbringe.
Die ständigen Konstanten
1. Ignoranz. Warum nennt man mich, der fast perfekt aussieht wie ein
Junge, „Frau Soundso“ oder „Mädel“? Ich finde das sehr unhöflich.
Wobei ich es natürlich nachvollziehen kann.
2. Distanzhaltung von Leuten in meinen Kursen. Sie wollen nicht
wirklich was mit mir zu tun haben, weil sie nicht wissen, wie sie mich
einordnen sollen.
3. Sportunterricht macht keinen Spaß, wenn man sich mit den Mädchen
umziehen soll. Es ist mir einfach peinlich. Ich weiß nicht, was ich
machen würde, wenn wir Schwimmunterricht hätten.
Festzuhalten: Schule ist generell kein schöner Ort, aber für Transmenschen
ungleich unschöner.
Natur
In Diskussionen sagen Leute manchmal, dass Transidentität unlogisch
sei. Weil man seinen Körper vor seinem Bewusstsein hat. Das ist
wahr. Aber diese Feststellung ändert nichts für mich. Sie sagt, ich solle
mich meinem Körper anpassen. Ich sage: Ich bin ein Mensch. Und
einer der wesentlichsten Züge der Anthropologie ist das „Ich“, und es
ist üblich, seinen Verstand über den Körper bestimmen zu lassen.
Wenn ich Hunger habe, aber keine Lust aufzustehen. Wenn ich Instrumente
spiele und mit hundertfachen Wiederholungen meinen Fingern
Bewegungsabläufe einbläue. Noch nie hat zu mir jemand gesagt,
Musiker seien absurd, weil sie ihren Muskeln „unnatürliche“ Bewegungsabläufe
antrainierten. Aber ich soll meinen Körper als Grundlage
für meine Identität nehmen? Bloß weil er schon länger da ist als
mein Bewusstsein?
Die Sache mit dem Namen
Ja, ich habe einen. Ich mag ihn. Aber: Es ist ein Mädchenname. Und
das ist doof.
Ich suche gerade einen neuen beziehungsweise probiere Provisorien
aus. Aber immer bleibt deutlich, dass das so eigentlich nicht funktioniert.
Man bekommt einen Namen. Der Name ist im Idealfall die Verwortlichung
des Ichs. Das Grundsätzliche zur Selbstidentifikation.
Ein Name beschützt einen, ein Name macht einen zum Individuum,
zum Menschen. Und gleichzeitig ist es Zufall, wie man heißt. Was ich
anstrebe, ist ein Ding der Unmöglichkeit: einen neuen Namen, der
eine Verwortlichung meines Ichs ist. Das ist ein übertriebener Anspruch.
Den Namen, den ich momentan benutze, mag ich nicht wirklich,
der einzig gute Aspekt ist: Er fängt mit N an, und ich kenne niemanden,
der so heißt.
Sobald ich unter einem anderen Namen auftrete, habe ich das Gefühl,
eine Rolle zu spielen. Die Rolle meines Lebens. Aber das ist kein
Spiel, das ist Ernst. Ernster geht es nicht.
„iM falschen Körper geboren“
Stereotypen und Allgemeinplätze sind nötig, um etwas einfach zu erklären.
Zum Beispiel Transidentität: Man sagt, jemand sei „im falschen
Körper geboren“ oder „fühle sich als …, sei aber biologisch …“
Ich verstehe, dass es notwendig ist, aber es stört mich auch sehr. Denn
nicht mein ganzer Körper ist falsch (meine Nase ist super oder mein
Muttermal), und meine riesengroße und einzigartige Persönlichkeit
wird durch pauschale Wendungen heruntergebrochen, herabgesetzt.
„Transident“ ist ein Label, eine Schublade, etwas, damit andere es
fassen können. Ich könnte diesen Umstand auch „Pustekuchen“ nennen.
Es wäre gar kein Unterschied. Außer, dass ich es deutlich toller
fände.
wird mein Name sein.
hehe :–)
NOAH
Coming-out
Montag ist Stichtag: Ich werde mich vor jeden meiner verdammten elf
(!) Kurse stellen und sagen, wer ich wirklich bin. Ich habe Angst, ich
habe Panik.
Aber es geht nicht mehr anders.
Ich habe es Mittwoch so mit meinem Stammkursleiter besprochen.
Dieses Coming-out ist ambivalent: Es ist das Schrecklichste, denn es
ist schlimm, mich Menschen, die ich verabscheue, öffnen zu müssen.
Es fühlt sich an, als verkaufte ich meine Seele. Ich entblöße mich und
bin auf positive Reaktionen angewiesen. Und es ist das Schönste, das
ich in meinem Leben getan habe. Ich werde leben können, wie ich es
will, ich muss mich nicht mehr verstecken, ich übernehme die Verantwortung
für mein Schicksal.
Und: Morgen erster „richtiger“ Psychotherapie-Termin. Wozu? Der
Therapeut stellt die Indikation für die medizinische Angleichung, das
heißt Hormonbehandlung und Operation. Und er schreibt das erste
von zwei Gutachten für die amtliche Vornamens- und Personenstandsänderung.
Coming-Out
Ich habe eine Rede gehalten. Und nach dem dritten Mal frei gesprochen.
„Ich bin transident.
Ich bin kein Mädchen, keine Frau.
Ich bin ein Junge.
Einer von tausend Menschen ist transident, und an dieser Schule sind
wir sogar mindestens zu zweit.
Transidentität ist angeboren und bedeutet, dass sich jemand mit seinem
zugewiesenen und anerzogenen Geschlecht nicht identifizieren
kann.
Einige Frauen haben XY- und einige Männer XX-Chromosomen.
Einige sind einfach nur Menschen.
Identität hat nichts mit dem körperlichen Geschlecht zu tun. Und
trans zu sein ist keine Krankheit.
Ich wünsche mir, seit ich mich erinnern kann, als Junge zu leben. Leider
kam nie ein Zauberer, um mich zu verwandeln. Also werde ich
mein eigener Zauberer sein und ab sofort als „Noah“ und mit maskulinen
Pronomen herumlaufen.
Ich werde nicht mehr auf etwas anderes reagieren. Wenn sich einer
mal verspricht, ist das kein Ding, aber nicht mit Absicht.
Weil es wehtut (und ich auch herausfinden muss, ob Dinge besser werden,
wenn ich mein Leben als Junge führe).
Wenn ihr Fragen habt – Was sagen deine Eltern dazu? Wie bist du auf
den Namen gekommen? Welches ist dein Lieblingshaustier? –, dann
fragt ehrlich und ohne Scheu.“
Es gab keine Fragen, dafür gute Akzeptanz. Yeii! Der Nase nach segelt
Noah ins Unbekannte.
10 jetzt SCHule&JOB N o 04/13 jetzt SCHule&JOB N o 04/13 11
A N Z E I G E
JungsziMMer
Ich bin wieder zu Hause, von meiner einwöchigen Schulfahrt. Schön
war’s: Zwar durfte ich, wegen Weigerung einiger Jungs, nicht in das
Zimmer, in das ich wollte; aber dafür mit zwei anderen, die sehr nett
und freundlich waren. Yeah! Am schönsten war es, mit den Worten
„Da ist noch ein Herr, der hier nicht hingehört“ nachts aus einem
Mädchenzimmer geworfen zu werden. Eine Woche nur „Noah“: Es
fühlt sich komisch und ungewohnt an, aber schon besser als am ersten Tag.
Über die Hormontherapie habe ich mir gedacht: Eines Tages werde
ich sie machen. Absolut sicher. Aber ich will so lange damit warten
wie möglich. Unabhängigkeit!
Aber erst kommt morgen meine kleine Verwandte, und ich werde
meine „Trans Pride“-Sachen weghängen. Meine restliche Verwandtschaft
und das Kaff, in dem ich wohne, haben noch keine Ahnung,
und ich will sie nicht in mein Doppelleben hineinziehen.
Oszillation
Oszillation ist das Schwanken zwischen den Extremen. In meinem
Fall: Euphorie versus Verzweiflung.
Ich war beim Friseur, sehe dementsprechend schick aus und habe
Montag einen Termin mit einer neuen Psychotherapeutin. Und da
fängt das Elend doch an: eine neue Therapeutin, weil der alte ein unverschämter
Vollidiot war, der nach zwei Gesprächen mit mir meiner
Mutter vorgeworfen hat, ich könne mich nicht als Frau identifizieren,
weil sie mir nie eine weibliche Rolle vorgelebt habe. Des Weiteren sei
ich nur neidisch auf meinen Bruder und wolle nicht erwachsen werden.
Was für ein Armutszeugnis des Jugendpsychiatriesystems. Ich,
der ich seit Monaten einen verfluchten Therapieplatz suche, auf Wartelisten
von Sprechstunden stehe und nur weitergeschickt werde. Ich
will so gern mein Leben in den Griff bekommen. Aber wie???
Zwei Welten
Schule ist gut, Schule ist der Ort, an dem ich Noah bin. An dem ich
meine Freunde treffe und mit ihnen lache. Ich faile in Latein und Mathe
und mit meinen Deutschaufsätzen, aber sonst ist es fein. Und es
wird Frühling, und da ist Licht und Wärme und Farben! Aber die
Welten, in denen ich noch „Mädchen“ zu sein scheine und meinen
Namen hasse! Ich will den Vorhang herunterreißen! Ich müsste mit
meiner Familie reden. Mit wie vielen Menschen lebe ich zusammen,
mit denen ich noch nie geredet, wirklich ein ernsthaftes, persönliches
Gespräch geführt habe? Es sind zu viele.
Also: Der Plan hat sich nicht geändert, den Weg gehe ich weiter bis
ans Ziel, weil es für mich keine andere Möglichkeit gibt, nicht in Depression
zu versinken. Aber es ist ein anstrengender, schmerzhafter,
frustrierender, langer, einsamer Weg. Ahoi!
Das Entweder-oDer
Es gibt zwei Möglichkeiten. Weiterleben wie bisher, also ein Doppelleben
– halb Junge, halb Mädchen. Mich in einem Jahr nach dem Abi
wegschleichen und irgendwo ein neues, richtiges Leben anfangen. Aber
ich habe Freunde hier. Ich werde zurückkommen, mindestens um meine
Familie zu besuchen. Dann müsste ich allen Leuten von früher aus
dem Weg gehen. Das wäre nicht fair und widerspricht meiner Moral.
Ich kann nicht einfach so von den Menschen, mit denen ich viele schöne
Stunden verbracht habe, abhauen. Das ist zu anstandslos und unwürdig
und respektlos. Wenn ich trans leben will, muss ich mich also outen. Ich
weiß noch nicht, wann und wie und wo anfangen. Aber das ist immerhin
meine momentane theoretische Grundlage für die Zukunft.
Noah kriegt Blocker
Juhu! In 21 Tagen habe ich einen Termin in der Uniklinik Frankfurt
in der endokrinologischen Sprechstunde. Dann bekomme ich (nehme
ich an) keine Blocker, sondern Blut abgenommen und einen Zettel für
meine Eltern (minderjährig, oder was?). Aber dann, dann krieg ich
Blocker. Ich weiß nicht ganz genau, was die bewirken, auf jeden Fall
aber Folgendes: Der hormonelle Status wird in den eines Kindes
überführt. Wie sagte ein Freund von mir? Eigentlich bewirken sie
nichts. Es wächst halt nichts weiter, und Mensch menstruiert nicht
mehr. Noah ist schon ziemlich aufgeregt.
Resumee
Ein Jahr ist es her, dass ich zum ersten Mal hier geschrieben hab. Ich
wollte mich herausbrüllen, der Welt offenbaren, wie ich bin, und hab
es mich nicht getraut. Der Witz ist, dass ich immer noch nicht so richtig
weiß, wer ich bin. Ich bin ermüdet und erschöpft von dem ganzen
Definitionsgemöbs. Ich will einfach nur sein. Mir ist es nicht sehr
wichtig zu sagen: „Ich bin männlich!“ Ich bin Mensch und Ich in mir.
Aber es ist wichtig, dass ich als männlich angesehen und genommen
werde. Gelegentlich definiere ich mich innerlich stark als männlich,
aber meistens ist es nur eine Anti-Definition zu weiblich. Ich suche
eine Form, gut leben zu können.
Begutachtung – Coming-out – Therapie – Hormonblocker. Eine Erfolgsgeschichte?
Es ist kein Erfolg, dass ich bei etwa meiner halben Familie noch ungeoutet
bin, einfach weil ich Angst habe. Nicht vor ihnen, sondern vor
mir selbst. Weil ich vielleicht doch unsicherer bin, als ich möchte. Vieles
wird anscheinend nicht besser. Aber ich weiß nicht, woran das
liegt, und vielleicht ist es ja besser geworden, ohne dass ich es bemerkt
hätte. Ich habe zum Beispiel so viele nette Menschen kennengelernt
und Freundschaften geknüpft und vertieft. Allerdings ist es ein Erfolg,
dass ich geschafft habe, was ich mir vorgenommen habe. Es ist
ein Erfolg, tatsächlich als Junge erträglicher leben zu können. Ich bin
freier, ich bin weniger gehemmt, ich verfüge über mehr Verhaltensweisen,
ich bin weniger aggressiv und werde nicht ständig von meinem
alten Namen getriggert. Es ist ein Erfolg und Geschenk, dass die anderen
mich akzeptieren. Ich gehe mit den anderen Jungs in die Umkleide
und auf das Klo. Ich kann meinen Namen auf Kursarbeiten
schreiben und werde mit meinem Namen aufgerufen. Mein Stammkurs-Deutschlehrer
hat sogar erreicht, dass
mein Zeugnis meinen
Namen trägt.
Das ist alles wichtig
für mich. Weil ich anders
ersticke.
Am 26. Juni 2012 um 22.21 Uhr hat Noah unter
dem Pseudonym jazzbertie seinen ersten Text
bei jetzt.de, der jungen Online-Community der
Süddeutschen Zeitung, veröffentlicht. Er wolle,
so kündigte er damals an, verständlich machen,
was er selber nicht verstehe. Seitdem hat er in
mehr als dreißig Einträgen regelmäßig darüber
geschrieben, wie es sich anfühlt, als Mädchen
geboren und erzogen zu werden, sich aber
nicht als Mädchen zu fühlen. Dieser Text besteht
aus Auszügen seiner bewegenden Einträge.
Alle weiteren findest du unter jazzbertie.jetzt.de/
12 jetzt SCHule&JOB N o 04/13
Von Jan Stremmel / Text
Die gute Nachricht: Immer weniger
Jugendliche rauchen. Die schlechte: Das Rauchereck
ist verschwunden. Nachruf auf einen Mythos.
14 jetzt SCHULE&JOB N o 04/13
Um die Ec
gebracht
ke
Meine Karriere als Raucher war kurz und glanzlos. Sie dauerte knapp
vier Jahre, von 15 bis 19. Wobei ich ohnehin nur im streng physikalischen
Sinne rauchte; ideologisch gesehen, war ich immer ein Nichtraucher.
Denn wer es ernst meint mit dem Tabak, raucht auch vor dem
Frühstück, nach dem Sport und bei Mandelentzündung. Genau genommen
rauchte ich überhaupt vor allem aus einem Grund: wegen
des Raucherecks in der Schule.
Mit der Kippenschachtel am Automaten löste man damals nämlich
gleichzeitig eine Eintrittskarte für den besten Ort des Schulgeländes
– diesen mit Spuckeflecken und platt getretenen Kaugummis übersäten
Ort. Dort stand ich die zwei Sommer und zwei Winter von meinem
achtzehnten Geburtstag (Volljährigkeit war Voraussetzung für
das Rauchen an der Schule) bis zum Abitur. Jede kleine Pause, jede
große Pause und pünktlich nach dem 13-Uhr-Gong stellte ich mich in
den lockeren Halbkreis aus Kollegiaten um den hüfthohen Ascher
und zog an den roten Gauloises, die wir alle nur deshalb rauchten,
weil irgendwann mal jemand damit angefangen hatte.
Immer im September mussten wir das Rauchereck suchen. Es zog
jährlich um. So wie man am ersten Schultag nach den Sommerferien
sein neues Klassenzimmer finden muss, stand auch der Aschenbecher
jedes Mal woanders um die Schule herum. Zuerst neben den Tischtennisplatten
vor dem Musiksaal. Danach am Tor zum Schulhof.
Schließlich, als ich mit dem Übertritt in die Kollegstufe endlich selbst
befugt war, das gelobte Eck zu betreten, fand ich es, geschrumpft und
im Schatten sehr hoher Fichten, hinter dem Gebäude neben dem
Parkplatz. Stück für Stück war der Aschenbecher an die Peripherie
gerückt worden, immer weiter weg aus dem Sichtfeld von Lehrern,
Schülern und zornigen Elternbeiräten.
Diese Verdrängung war eine Art Vorbote für eine Entwicklung, die
ich damals noch nicht sah, die aber kurz nach meinem Abitur in die
offizielle Abschaffung aller Raucherecken in Bayern mündete. Seither
gilt ein generelles Rauchverbot für Schüler und Lehrer. Eine Studie
der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem
Sommer dieses Jahres ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Verdrängungsprozess
Früchte trägt: Sie besagt, dass die Zahl der jugendlichen
Raucher in den vergangenen zehn Jahren um mehr als die
Hälfte gesunken ist. 2001 rauchten noch knapp 28 Prozent der Zwölfbis
Siebzehnjährigen, 2012 nur noch 12 Prozent.
Fragt man die Herausgeber der Studie nach den Gründen, sprechen
sie von Nichtraucherkampagnen, Informationsständen und Mitmach-
Parcours an den Schulen. Der Rückgang der Raucher sei aber vor allem
Zeichen eines größeren gesellschaftlichen Wandels, der bei den
Jugendlichen zuerst sichtbar werde: Die strengen Regeln für Tabakwerbung,
die steigenden Preise, die leidigen Diskussionen um Nichtraucherkneipen
lassen weniger Junge damit anfangen. Rauchen bedeutet
heute zuallererst: Krankheit. Im Rauchereck war es für unsere
von der Zigarettenwerbung weich geklopften Hirne einfach nur Freiheit.
Dabei hatte der Wandel schon damals eingesetzt. Wir merkten das
daran, dass die Lehrer immer zuverlässiger dafür sorgten, dass sich
im Rauchereck keine minderjährigen Schüler aufhielten, die sich an
unserer Sucht ein Beispiel nehmen könnten. In unserem Eck wurden
wir also gleichzeitig abgeschirmt und beschützt. Wie eine seltene,
aber lästige Spezies, die sich hinter dem Haus eingenistet hatte und
irgendwann, nach dem Abitur, schon verschwinden würde.
Diese Abschirmung war für uns psychologisch enorm wichtig. Der
Abstand zu den Kindern gab uns dienstältesten Schülern das erhabene
Gefühl, doch irgendwie erwachsen zu sein. Das Schlimme an den
letzten Schuljahren ist ja – bei aller Zielgeraden-Euphorie –, dass man
zwar volljährig ist, aber trotz Führerschein, Auto oder Nasenpiercing
noch immer fremdbestimmt durch so profane Dinge wie Pausengongs
und Stegreifaufgaben aus der Mathematik. Im Rauchereck waren wir
zwar auch noch Schüler. Aber immerhin die einzigen mit einer Lizenz
zum Qualmen.
Weshalb viele auch dann noch täglich im Rauchereck standen, als sie
sich das Rauchen wieder abgewöhnt hatten. Natürlich hätten sie jetzt
ihre Pausen auch mit den Nichtrauchern verbringen können, die auf
der Vorderseite des Gebäudes in ihre Bierschinkenbrote bissen und
Vokabelkärtchen blätterten. Aber will man das, nachdem man schon
die nikotinschwangere Freiheit geschnuppert hat? Das Rauchereck
war immer noch der beste Ort der Schule, unabhängig davon, ob man
seinen funktionalen Zweck nun nutzte oder nicht. Schließlich geht
man ja auch in einen Club, wenn man nicht tanzt.
Wenn sich der Trend so fortsetzt wie bisher, dürfte in zwanzig Jahren
kaum noch ein Jugendlicher rauchen. Aber es gibt längst neue Baustellen:
Die Sucht der Zukunft, warnt man bei der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung, sei die Internet- und Computerspielsucht.
Um ihr entgegenzuwirken, entwickelt man gerade Kampagnen
und Aufklärungsseminare für Schüler.
Wenn in ein paar Jahrzehnten das Rauchereck also endgültig in Vergessenheit
geraten ist, werden sich die Schulen mit den Süchten der
Zukunft arrangiert haben. Vielleicht wird es dann Internet- und
Computerspielecken geben, in die sich die Oberstufenschüler zurückziehen
dürfen. Womöglich werden diese Rückzugsorte zunächst neben
den Tischtennisplatten beim Musiksaal installiert. Aber das wird
nur der Anfang sein.
„Wer will schon sein
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Susanne E., 20 Jahre, ehemalige
Auszubildende und jetzt
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Von Christian Helten / Protokoll & Tanja Kernweiss / Fotos
Plan: los!
Erleichtert: Nach der letzten Abi-Prüfung
„Den Sommer nach dem Abi will ich einfach nur
genieSSen. Nur Feiern und wegfahren.
Ich habe mir vorgenommen, mir jetzt gar keine
Gedanken darüber zu machen, was ich danach
mache. Die letzte Prüfung war eine groSSe
Erleichterung. Aber auch komisch, weil ich
dachte, ich hätte Musik, eigentlich mein Steckenpferd,
in den Sand gesetzt. Ich bin mit 1,7 aus dem
Abi raus. Ich wäre mit 2,4 zufrieden gewesen,
weil ich kein bestimmtes fach angestrebt habe
und keinen bestimmten Schnitt brauchte.“
Roman Fleischmann hat 2012
Abitur gemacht. Zu dieser Zeit
wohnte er in GroSShadern,
einem Stadtteil am südwestlichen
Rand Münchens. Ob er
dort ein Jahr später immer
noch leben würde, konnte er
da noch nicht sagen.
„Ich will kein ganzes
Jahr versandeln.
Ich will an die Uni.“
Unentschlossen: Vor den Reisen im Sommer
„Ich will kein ganzes Jahr versandeln. Ich will
an die Uni, auch wenn ich noch nicht weiSS, was
ich studieren will. Eine Ausbildung will ich auf
keinen Fall machen. meine Brüder haben damit
keine gute ERfahrung gemacht, und nach allem,
was ich von meinen Freunden darüber gehört
habe, ist das nichts für mich. ICh arbeite gerne
phasenweise, teile mir die Zeit selbst ein. Dann
kann ich auch gas geben und viel arbeiten. Aber
dieses Starre wäre nichts für mich.“
In einem Jahr kann viel passieren, besonders
wenn man gerade Abitur gemacht hat.
Nur: Was fängt man mit der neuen Freiheit an?
Wir haben Roman zwölf Monate begleitet.
Zuversichtlich: Nach den Reisen
„Ich bin zufällig auf die Hochschule für Philosophie
in München gestoSSen. Philosophische
Texte zu lesen hat mir schon während des
Abiturs SpaSS gemacht. Jetzt, nachdem ich den
Sommer unterwegs war, habe ich entschieden:
da schreibe ich mich mal ein. Die Entscheidung
getroffen zu haben fühlt sich gut an. Auch
wenn das nur der Plan für das nächste Jahr ist
und nicht unbedingt für die nächsten drei.“
jetzt SCHULE&JOB N o 04/13 17
Verwurzelt: Im Münchner Sommer
„Nach Studiengängen in anderen
Städten habe ich mich nicht umgeschaut.
Es gibt momentan zu viele
Dinge, die mich hier halten: Ich habe
eine Band, mit der es sehr gut läuft
und die mir viel SpaSS macht. Ich bin
bei den Pfadfindern und werde da
jetzt eine Gruppe leiten. Ein paar
Freunde und ich überlegen, eine WG
zu gründen. aber ich glaube nicht,
dass daraus sofort was wird.
Ich will gar nicht so unbedingt ausziehen,
ich habe von meinen Eltern
aus nur 20 Minuten in die Innenstadt
und wüsste auch gar nicht, wie ich
das finanzieren soll.“
„Ich stehe gerade still –
und das mag
ich nicht besonders.“
Verpassen Sie nicht den Einstieg!
Ruhelos: Vor Semesterbeginn
„Es war ein sehr guter Sommer. Aber jetzt merke
ich, dass ich schon zu lange nichts tue und bei mir
so ein innerer Druck entsteht. Momentan ist es
besonders schlimm, weil ich auch noch sturmfrei
habe. Ich muss nichts tun, mich auf nichts
vorbereiten, mich um nichts kümmern. Ich habe
kein wirkliches Ziel. Ich schreibe vielleicht mal
ein Lied oder so, aber mache nichts Handfestes.
Deshalb ist es gut, dass die Uni bald losgeht. Weil
ich gerade stillstehe. Und das ist etwas, was ich
nicht besonders mag.“
ERnüchtert: Nach dem ersten Uni-Tag
„die erste Vorlesung war erschreckend.
Religionsphilosophie. Staubtrocken. Und der
Prof ist nicht sanft eingestiegen, hat keine
Rücksicht auf Erstsemester genommen. Da habe
ich gedacht: Hoppla, ich sitze im Falschen
Studium. Ich kannte auch noch niemanden, mit
dem ich mich hätte unterhalten können.“
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Selbstbestimmt: In den Semesterferien
„Ich bin mir noch nicht
sicher, ob ich im
ersten Semester nur
Glück hatte.“
„NAch dem ersten Semester muss ich sagen: Das
Philosophiestudium ist ganz anders, als ich es
erwartet habe. Ich wusste ja nicht wirklich,
worauf ich mich einlasse, aber es ist viel
konkreter, als ich es mir vorgestellt habe. Im
endeffekt ist es doch ein Lernstudium. Du lernst
das, was der Meinung deines Profs entspricht,
und das gibst du dann wieder. Ich genieSSe es
total, dass ich mir die Arbeit selbst einteilen
kann. Eine Zeit lang war ich zum Beispiel viel mit
der Band im Studio, wir haben intensiv geprobt
und aufgenommen. Da habe ich die Uni oft sausen
lassen. Ich weiSS aber, dass ich das am Ende vor
der Prüfung wieder aufholen kann. Im ersten
Semester hat das jedenfalls gut funktioniert.“
Unbekümmert: Vor den Hausarbeiten
„Wenn ich sage, dass ich Philosophie
studiere, kommt eigentlich immer ein
schelmisches Grinsen zurück, und manche
fragen sofort, was man denn damit genau
macht. Am Anfang habe ich mir noch etwas
zurechtgelegt und so getan, als wisse ich
das. Aber Tatsache ist ja, dass ich keine
Ahnung habe. Vielleicht fange ich auch ein
zweites Studium an und mache Philosophie
nur auf Minimalflamme weiter. Oder ich
setze später einen handfesteren Master
drauf, Journalismus würde mich interessieren.
Diese Entscheidungen vertage ich
aber erst mal, bis nach den Semesterferien,
wenn ich Prüfungen und Hausarbeiten
geschrieben habe und weiSS, ob das
wirklich alles so funktioniert oder ob ich
im ersten Semester bloSS Glück hatte.“
ERweitert: Nach einem Jahr
„Mein Freundeskreis hat sich ein bisschen
verändert in dem Jahr seit dem Abi. Meine alte
Clique hat sich ein bisschen aufgesplittet, weil
manche weggegangen oder verreist sind. Aber
die meisten engen Freunde sind noch da. Die Leute
von der Uni bilden eine Art zweite EBene. Da
überschneidet sich fast gar nichts. An der Uni
habe ich auch viel weniger Freunde, das ist eine
ganz andere Dimension. Wahrscheinlich, weil ich
nicht darauf angewiesen bin, mir an der Uni neue
Freunde zu suchen. Ich bin nicht immer dabei,
wenn die Uni-Leute was machen, aber ein paar gibt
es schon, zu denen ich die Beziehung auch echt
pflege. Ausgezogen bin ich immer noch nicht. Wir
haben immer noch unsere WG-Pläne, aber sie sind
noch nicht viel konkreter geworden.“
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Verwirrt: Im ersten Semester
„Ich bin häufig auf Hilfe angewiesen, auch weil ich
oft nicht da bin. Ich bin nie der, der genau weiSS,
wann und wo welche Veranstaltung ist und wann
etwas ausfällt. Ich habe aber schnell Leute
gefunden, die mich ein bisschen auf dem Laufenden
halten. Ich war der einzige an meiner Uni, der
mit so einer Schau-mer-mal-Mentalität ins Studium
gegangen ist. Dafür habe ich ein bisschen Spott
abbekommen, auch weil ich der Jüngste bin und
dann auch noch oft fehle.“
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Von Kathrin Hollmer / Text
Mach das Nebelhorn!
Wenn Fußballer nach dem Spiel Interviews geben, ist das so
ähnlich wie das Ausgefragtwerden in der Schule: Sie stehen
unter Druck und wissen oft nicht, was sie sagen sollen. Markus
Hörwick, Pressesprecher des FC Bayern, bringt ihnen bei, wie
sie auf fiese Fragen reagieren müssen. Er hat uns zehn Tipps
gegeben, die an der Tafel genauso gut funktionieren wie vor
dem Mikro des Reporters.
6 8
1 2 7
Bleib nicht bei der Sache!
3 4 10 9
5
Fußballer sind, wie alle Prominenten, Meister darin,
zu reden und dabei nichts zu sagen. Auf bestimmte
Fragen wollen sie einfach nicht antworten. In der Schule
ist es eher so, dass man auf manche Fragen die Antwort
einfach nicht kennt. Da hilft trotzdem dieselbe Strategie.
„Viel reden“, empfiehlt Markus Hörwick: Wenn man
über alles, was man weiß, möglichst weit ausschweift,
vergehen kostbare Minuten, und man verbirgt, dass man
nicht vorbereitet ist. Zur Not kann man vielleicht noch
etwas an der Tafel aufmalen.
Schau in die Zukunft!
„Vor Pressekonferenzen und Spielen überlege ich mir
zusammen mit den Spielern, was die Journalisten fragen
könnten“, so Hörwick, „über das nächste Auswärtsspiel,
Doping, Streits.“ Lehrer sind meistens auch relativ
einfach zu durchschauen. Wenn man sich beim Lernen
überlegt, welche Fragen sich anbieten, und im Unterricht
ein wenig aufpasst, wie der jeweilige Lehrer Fragen
stellt, kann man sich die meisten schon denken und ist
dann nicht mehr so überrascht.
Leg die Stimme tiefer!
Beobachte die Konkurrenz!
Zähl bis zehn!
„Wenn man angespannt ist, bekommt man eine sehr
hohe Stimme, was dem anderen erst zeigt, dass man
nervös ist“, sagt Markus Hörwick. „Vor zwanzig, dreißig
Jahren hat mir ein Rhetoriktrainer geraten, vor einem
Auftritt Geräusche wie ein Nebelhorn zu machen. Das
macht die Stimme wirklich tiefer.“ Im Klassenzimmer
könnte das allerdings Fragen aufwerfen. Vor einem
Referat oder dem Kolloquium hat man aber manchmal
ein paar Minuten für sich, in denen man die Übung
ausprobieren kann.
Fußballer sehen sich immer wieder andere Interviews
an, sagt Markus Hörwick. „Von guten wie schlechten
Beispielen kann man viel lernen, manchmal sehe ich mir
ein Interview mit einem Spieler noch einmal gemeinsam
mit ihm an und sage ihm, was ich gut fand und was nicht.
Oder wir analysieren in der Runde, was man besser
machen kann.“ In der Schule hat man meistens keine
Kamera zur Hand, aber viel Zeit, um die Mitschüler
beim Ausgefragtwerden zu beobachten.
„Wir haben junge Spieler mit 20 und 25 Jahren, die vor
Spielen vor 70 000 Menschen im Stadion oder einem
Interview sehr aufgeregt sind. Dann atmet man sehr
flach und wird hektisch. Mir hilft es immer, wenn ich vor
einem Auftritt zehnmal bewusst tief durchatme“, sagt
Markus Hörwick. In der Schule beginnt man damit am
besten, sobald der Lehrer sein Klassenheft zückt.
Halt mal still!
„Nach dem Spiel werden die Fußballer manchmal noch
auf dem Platz interviewt. Ich sage immer: Steht aufrecht,
Schultern durchdrücken, und wippt nicht von einem
Fuß auf den anderen, steht mit beiden Sohlen auf dem
Boden!“, so Hörwick. „Das macht auch vorn an der Tafel
einen besseren Eindruck.“ Wer sitzen bleiben darf, dem
rät Markus Hörwick: Nicht zu tief im Stuhl sitzen! „Viele
stützen sich mit beiden Ellenbogen ab und sinken
zusammen, das sieht nicht gut aus. Gesten, die das
Gesagte unterstützen, lassen einen dagegen sicherer
wirken, im Sitzen wie im Stehen.“
Mach einen Punkt!
„Ich rate immer, kurze Sätze zu machen. Die anderen –
ob Interviewpartner und Zuschauer im Fernsehen oder
Lehrer und Mitschüler – sollen ja kapieren, was man
meint. Schachtelsätze sollte man deshalb vermeiden.
Wenn man kurze Sätze macht, spricht man automatisch
langsamer, das ist immer überzeugend. Außerdem
geht dann die Stimme auch wieder nach unten. Am
besten zwingt man sich nach jedem Punkt zu einer
kleinen Pause.“
Verschaff dir Zeit!
Fußballer können mit Standardsätzen wie „Wir kennen
unsere Stärken“ und „Die Saison ist noch lang“ Zeit
schinden, in der Schule hat man diese Möglichkeit leider
nicht. „Man kann aber immer sagen: Entschuldigung,
ich habe die Frage nicht verstanden, könnten Sie sie noch
einmal anders formulieren?“, so Hörwick. „Dadurch
gewinnt man auf jeden Fall einen kurzen Moment zum
Nachdenken und Gedankensammeln.“
Sei ehrlich!
„Wenn man einen Hänger hat, sagt man das am besten
ganz offen“, so Hörwick, „das versteht jeder Journalist
und bestimmt auch der Lehrer. Wenn man das offen
zugibt, bekommt man immer einen zweiten Versuch. In
der Schule kann man ehrlich sagen: Ich habe gelernt,
aber ich habe einen kurzen Hänger, geben Sie mir zehn
Sekunden? Dann noch das Fenster öffnen, kurz die
Augen schließen – und weiter geht’s.“
Werd mal laut!
Auch wenn es dir vor dir selbst peinlich ist, den Lernstoff
laut zu wiederholen – es hilft! Markus Hörwick rät
auch den Spielern, Interviewsituationen durchzuspielen.
Sein Tipp: „Ich sage immer: Stell dir vor, du sprichst mit
deinem besten Freund, dem erzählst du die Dinge ganz
normal. Das hilft, natürlich zu bleiben.“
Markus Hörwick, 57, ist seit dreißig Jahren Pressesprecher
des FC Bayern und hat schon viele Fußballer auf Interviews
und andere öffentliche Auftritte vorbereitet. Die Tipps,
die er heute den Spielern gibt, hätte er gern schon während
seiner Schulzeit gekannt, sagt er. „Ich habe keine guten Erinnerungen
an die Schule. Ich war ein schlechter Schüler, außer
im Sportunterricht war ich nicht gerade der Fleißigste.“
22 jetzt SCHULE&JOB N o 04/13 jetzt SCHULE&JOB N o 04/13 23
Weg damit
Wer bei den Eltern auszieht, sollte seinen
alten Kram nicht im Kinderzimmer lagern.
Auch wenn es manchmal ein bisschen wehtut:
Wegschmeißen muss sein.
Von Michèle Loetzner / Text
In der ersten Klasse hatte ich ein grünes Heft, das war mein Lieblingsheft.
Jedes Mal, wenn wir einen neuen Buchstaben lernten, bekamen
wir die gleiche Aufgabe: Wir sollten Dinge malen, die mit diesem
crazy neuen Buchstaben beginnen. Als wir das A lernten, malte mein
Mitschüler Toni Enten. Bei ihm zu Hause in unserem oberbayerischen
Kaff sprach man „Enten“ eben so aus: „Antn“. Er war völlig
fassungslos, dass er etwas Falsches gemalt hatte, und den Tränen nahe.
Dieser Vorfall hat mich damals so gerührt, dass ich ihn heute noch
bildlich vor Augen habe. Das dazu passende grüne Heft liegt in einem
Karton auf dem Speicher meiner Eltern. Es musste unbedingt aufgehoben
werden! Die Antn!
Ich habe es seit 24 Jahren nicht mehr angefasst, meine Mutter dafür
umso öfter. Regelmäßig fragte sie nach meinem Auszug: „Du sag mal,
ich hab da auf dem Speicher dies und das gefunden. Kann das eigentlich
weg?“ Immer verneinte ich, obwohl völlig klar war, dass ich weder
das Barbie-Campingmobil brauchte noch jemals diese quietschgelbe
Schlagjeans wieder anziehen würde. Ziemlich wahrscheinlich
würde ich auch nie mehr meine ganzen Abi-Lernunterlagen brauchen.
Sicher war ich mir da aber nicht. Man weiß ja nie! Vielleicht
würde ich mich irgendwann in der Uni darüber freuen. Man hat ja
direkt nach der Schule keine Ahnung, wie lächerlich einem schon im
ersten Unisemester Dinge vorkommen, die man in der Schule für unüberwindbare
Aufgaben hielt. Facharbeit? Abi-Kolloquium? Pah!
Trotzdem hängt man ein bisschen an den Unterlagen – die Ordner
symbolisieren den Wissensberg, den man sich erarbeitet hat. Sie sind
die greifbaren Beweise, dass man sich das Ticket in die weite Welt
rechtmäßig verdient hat.
Ich bin auf dem Land groß geworden. Da war Platz für all das, was ich
zwar nicht in mein neues Leben mitnehmen, aber auch nicht wegschmeißen
wollte. Stadtkinder haben diese Wahl seltener. Wenn sie
aus der Wohnung ihrer Eltern ausziehen, erobern die schon aus Kostengründen
schneller den Lebensraum zurück und machen aus dem
alten Kinderzimmer ein „Büro“. Was nicht in das kleine Kellerabteil
passt, wird an Verwandte verschenkt oder zu einer karitativen Einrichtung
gebracht. Mit einiger Zeitverzögerung erobern aber auch in
der Provinz die Eltern ihre fast abbezahlten Quadratmeter zurück.
Schließlich hinterlassen die ausgezogenen Kinder eine Lücke, die
auch sie irgendwie füllen müssen. Zur Not eben mit einem Bügelbrett,
das sie vor die Pressspan-Schreibtisch-Regal-Konstruktion mit den
Hanuta-Aufklebern stellen. Die Eltern kommen natürlich nicht auf
die Idee, etwas falsch gemacht zu haben. Sie haben ja auch recht: Das
Mitochondrien-Referat aus der neunten Klasse wird niemand mehr in
die Hände nehmen. Wir schauen doch eh alles im Internet nach.
Das Kinderherz quetscht es trotzdem ein bisschen. Obwohl man
selbst beschlossen hat auszuziehen, fühlt es sich fast wie ein Rausschmiss
an. Die eigene Leistung und auch die eigene Vergangenheit
wirken plötzlich so unwichtig, fast negiert. Und wenn die alten Sachen
im Kinderzimmer bleiben, hat das ja auch was Beruhigendes. Man
weiß, dass man im Notfall, wenn wirklich etwas Schlimmes passiert,
zurück nach Hause kann. Unsere zurückgelassenen Sachen sind eine
Art Rückversicherung, die man jedes Mal sehen kann, wenn man bei
den Eltern zu Besuch ist.
Trotzdem: Fairerweise müsste man vernünftig ausmisten beim Auszug.
Objektiv betrachtet, benutzt man sonst die elterliche Wohnung
als Schrottplatz und verhält sich wie die berühmten drei Affen: Nichts
hören, nichts sagen, nichts sehen. Das ist nicht fair. Außerdem hat es
etwas Kathartisches, den alten Mist loszuwerden. Sich von den alten
Schulsachen zu trennen ist befreiend – wie das Ausziehen selbst: sich
endlich nicht mehr rechtfertigen müssen, wenn man mittags noch im
Bett liegt. Morgens Chips essen können, ohne missbilligende Blicke.
Selbst entscheiden! Überhaupt: neue Möbel, neue Wände, neue Leute.
Der alte Scheiß? Den hat man achtzehn Jahre ertragen, aus den
Augen damit!
Aufräumexperten raten allerdings, jeden Gegenstand in die Hand zu
nehmen und so herauszufinden, welche Emotionen er hervorruft –
nur Glücklichmacher dürfen bleiben. Das Stochastik-Buch ist bestimmt
kein Glücklichmacher, oder? Am besten kramt man zusammen
mit den Eltern. Was einem selbst unwichtig erscheint, ist für sie
möglicherweise mit einer schönen Erinnerung besetzt. Außerdem tut
es vielleicht auch gut, gemeinsam alte Zeiten Revue passieren zu lassen.
Dann kann man wirklich leichtfüßig in das neue Leben starten.
Und merkt zum Beispiel: Ich muss dieses grüne Heft gar nicht aufheben,
ich denke auch so jedes Mal an Toni aus der Fensterreihe, wenn
ich Enten sehe. Entschuldigung, ich meine natürlich: Antn.
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24 jetzt SCHULE&JOB N o 04/13
Wie du lernst, was du wert bist.
Wie du lernst, was du wert bist.
Die Schüler
von Trakt C2
Von Fiona weber-Steinhaus / Text & Kathrin Sprik / Fotos
Für sie ist ein Schulabschluss
nicht nur ein Schulabschluss.
Er ist vielleicht ihre letzte
Chance. Zu Besuch in einer
Klasse hinter Gittern.
jetzt SCHULE&JOB N o 04/13 27
ERSTE REIHE, GANZ LINKS, DAS IST JONAS’
PLATZ IM KLASSENZIMMER DER JVA VECHTA.
Dieses JAHR WIRD ER hier SITZEN UND
FÜR SEINEN REALSCHULABSCHLUSS LERNEN.
:D
Freibadwetter ist das Schlimmste. Wenn die
Hitze in der Luft schwirrt, dann will Jonas *
nach draußen, auf die Wiese oder ans Wasser.
„Aber es bringt nichts, sich das zu wünschen“,
sagt er, schiebt sein Kinn nach vorn und verschränkt
die Arme. Seit dem Frühjahr sitzt er
im Gefängnis, seit einer Woche im Realschulkurs,
erste Reihe ganz links. Der Kurs hat mit
einem Sommer im Freibad nicht viel gemein.
Trotzdem macht er Jonas an solchen Tagen
das Leben leichter: „Da geht zumindest die
Zeit schneller vorbei“, sagt er.
Ein Jahr lang lernen die neun Schüler hier in
der JVA Vechta zusammen. Bis zur Prüfung.
Einer der wichtigsten ihres bisherigen Lebens
– auch wenn sie das vielleicht gar nicht einsehen.
„Wenn sie hier nicht die Kurve kriegen,
wird es eng“, sagt Schulleiter Manfred Tiemerding,
ein großer Mann mit einem ergrauten
Prinz-Eisenherz-Haarschnitt, einem freundlichen
Gesicht und dreißig Jahren Arbeitserfahrung
im Justizvollzug. Die JVA Vechta ist ein
besonderes Gefängnis. Hier sitzen nur Männer,
die bei der Verurteilung unter 25 waren,
sogenannte Jungtäter. Die 330 Männer sind zu
alt für den Jugendvollzug, aber noch so jung,
dass sie mit einer Ausbildung oder mit einem
Schulabschluss nach ihrer Entlassung auf dem
Arbeitsmarkt eine reelle Chance haben.
Der Schulabschluss im Knast ist also nicht nur
ein Schulabschluss. Das Zeugnis kann ein Ausweg
aus dem sich drehenden Kreisel der Straftaten
sein. Die Gefangenen sollen darauf vorbereitet
werden, in
Zukunft straffrei zu
leben, und es gibt
einen Zusammenhang
zwischen dem
Bildungsniveau und
Kriminalität: Ein
S c h u l a b b r e c h e r
wird mit einer mehr
als doppelt so hohen
Wahrscheinlichkeit straffällig wie eine ansonsten
vergleichbare Person mit mittlerer
Reife oder Abitur. Natürlich ist Bildung nur
einer von vielen Faktoren einer erfolgreichen
Resozialisierung – aber einer, den man im Gefängnis
beeinflussen kann. 7.30 Uhr. Deutschunterricht.
Jonas füllt einen Lückentext in
Jonas trägt ein
Tattoo auf seinem
kleinen Finger:
einen Glückspilz.
Jungsschrift aus. Der 23-Jährige sitzt breitbeinig,
mit Kapuzenpullover und Jogginghose,
auf dem Stuhl. Seine blonden Haare trägt er
wie Bushido – an der Seite raspelkurz geschoren,
oben ein paar Millimeter länger, wie die
meisten in der Klasse. Auf dem kleinen Finger
ist ein rundes Tattoo zu sehen, selber gestochen
mit einer Haarschneidemaschine und einem
Kugelschreiber.
Ein Glückspilz
soll es sein. Oleg,
sein Banknachbar
und Zellenmitbewohner,
hat das
gleiche. Irina Luft,
eine energische
Lehrerin mit kurzen
roten Haaren
und Perlenkette, steht vor den neun Schülern
im kleinen Klassenzimmer und schreibt Beispiele
aus der Rechtschreibreform auf. Majonäse
statt Mayonnaise, behände statt behende,
dass statt daß. Es ist frontaler Auswendiglern-
Unterricht, mit grüner Tafel und Kreide. Mit
zusammengezogenen Augenbrauen vergleicht
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SYSTEMAKKREDITIERT
nach
durch
Jonas die Tafel mit seinem Übungsbogen, er
wirkt interessiert.
„Was soll denn ein Reihentanz sein?“, fragt er
und dreht sich nach hinten.
„Eine Polonäse“, sagt Sergey in der zweiten
Reihe.
„Ach, stimmt!“, sagt Jonas und lacht. „Ist schon
etwas her, dass ich feiern war.“
Jonas ist zu 19 Monaten Haft verurteilt, wegen
Diebstahls. Das dritte Mal sitzt er hinter Gittern,
vorher zweimal Jugendgefängnis in Hameln,
jetzt ist er hier. Draußen rutschte er immer
wieder ab, nahm Drogen – Heroin,
Cannabis, Alkohol. In sein hübsches, jungenhaftes
Gesicht haben sich Augenringe eingegraben.
Jonas hat, wie ein Drittel der Insassen, die
Hauptschule draußen abgeschlossen. Ein weiteres
Drittel hat die Schule abgebrochen –
normal für ein deutsches Gefängnis. „Aber
das Zeugnis bringt mir nicht viel. Ich hatte nur
Vieren und Fünfen, damit hätte ich eh keine
Chance gehabt“, sagt er. Schließt er nächsten
Sommer die Realschule ab, wird später wahrscheinlich
kaum jemand nach seinem Hauptschulzeugnis
fragen. Aber warum genau er im
Unterricht sitzt, was ihm das Lernen bedeutet,
darauf antwortet Jonas nur schwammig. Er
zuckt mit den Schultern. „Ist halt sinnig.“ „Warum
nicht?“ „Was denn sonst?“ Floskeln.
Dann sagt er: „Vielleicht bekomme ich dadurch
Hafterleichterung.“
Er weiß genau:
Schulbesuch und
gutes Benehmen
werden positiv in
der Sozialprognose
vermerkt.
Alle Gefangenen
müssen arbeiten
oder an Bildungsangeboten
teilnehmen. Wer sich weigert, muss
seine Haftkosten selbst zahlen, pro Tag 13
Euro. Das macht kaum einer. Nichts zu tun sei
sowieso langweilig, sagt Jonas. Die rund zehn
Quadratmeter kleine Zelle engt ein, der Tag
zieht sich in die Länge. Die Schüler verdienen
pro Tag 11,64 Euro, für einfache Arbeiten wie
Flurewischen oder Essenausteilen gibt es 1,39
Euro weniger. Hochgerechnet macht das eine
Dose Tabak Unterschied pro Monat. Ein Anreiz,
Kaffee und Zigaretten sind im Gefängnis
limitiert und begehrt. Aber das Allerwichtigste
für Jonas: Die Zeit, diese endlose Zeit hinter
Gittern, geht beim Lernen schneller vorbei
als beim Flurewischen. Also lieber Schule.
Zum Unterrichtsbeginn
läutet keine
In der Schule
vergeht die endlose
Zeit hinter Gittern
schneller.
Klingel. Nur die
riesigen Schlüsselbunde
am Gürtel
der Lehrer und Justizbeamten
rasseln
in der Stille zwischen
den Stunden.
Wenn die Schüler
von Trakt C2 in Badelatschen und mit einem
Ordner unter dem Arm ins Schulgebäude
schlurfen, interessiert es nicht mehr, was drüben
im Gefängnis passiert ist, wie krass oder
wie stark sie sind. Sie lernen den Satz des Pythagoras,
müssen wissen, wann Gutenberg den
Buchdruck erfand.
8 Uhr. Eine Mischung aus Männerparfüm und
Rauch hängt in der Luft. Die Gitterstreben
Lehrerin Irina Luft hat keine Angst – auch
wenn es auSSer einem Alarmknopf und ihrem
Notfall-Walkie-Talkie keine Sicherheitsvorkehrungen
im Klassenzimmer gibt.
unterteilen die Aussicht auf den Freihof in
Rechtecke, die 5,30 Meter hohe Betonmauer
mit Stacheldraht ist immer in Sicht. Nach einer
halben Stunde Deutsch werden die Schüler
unruhig. „Guck mal“, raunt Oleg Jonas zu
und zeigt in den Duden. „Kanake. Bedeutet:
Bewohner der Südsee.“ Gelächter. Sascha und
Andi in der letzten Reihe schreiben voneinander
ab. Irina Luft ermahnt sie: „Jeder arbeitet
für sich allein!“ Die Lehrerin geht von Schüler
zu Schüler, beugt sich über die Hefte, klopft
hier und da mit ihrem Fingernagel in einen der
Duden, die die Schüler alle vor sich auf dem
Tisch haben. Außer einem Alarmknopf und
einer Art Sicherheits-Walkie-Talkie in ihrer
Hosentasche gibt es keine Sicherheitsvorkehrungen.
Angst habe sie gar nicht, sagt Irina
Luft, Pöbeleien kämen selten vor. „Es sind
kleinere Klassen, und es ist viel ruhiger als an
einer normalen Schule.“ Außerdem sind die
Regeln im Kurs streng. „Wenn man Scheiße
baut, fliegt man raus“, sagt Jonas. Manfred Tiemerding,
der Schulleiter mit dreißig Jahren
Erfahrung, kann sich nicht erinnern, dass in
seiner Laufbahn jemals ein Lehrer angegriffen
Tinh N., Azubi, Bönen
„Meine Erwartungen, die ich
vor meiner Ausbildung an KiK
hatte, wurden total übertroffen.
Wenn mich jemand nach KiK
als Arbeitgeber fragt, kann ich nur
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Ausbildungsstart: Sommer 2014
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Ihre Aufgabe: Zu einem abwechslungsreichen Tagesablauf bieten wir Ihnen die Möglichkeit bereits früh verantwortungsvolle
Aufgaben zu übernehmen, eigene Praxisbausteine abzulegen sowie bei internen Schulungen weitere ausbildungsrelevante Inhalte
zu entdecken. Je nach Berufsbild findet der theoretische Teil der Ausbildung in der ortsansässigen Berufsschule oder in einem
unserer Bildungszentren statt.
Ihr Profil: Gleich ob Hauptschulabschluss, Realschulabschluss, schulischer Teil der Fachhochschulreife oder das Abitur. KiK hat
für jeden Schulabschluss ein entsprechendes Berufsbild für Sie im Angebot. Um sich für unsere Ausbildung im Filialbereich zu
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30 jetzt SCHULE&JOB N o 04/13
Einmal pro Woche dürfen die Schüler in den
Kraftraum. Wenn er entlassen wird, ist Jonas
jedes Mal fit und durchtrainiert.
worden wäre. Er weiß genau, aus welchen
Gründen die Männer sitzen, ob sie in Freiheit
Menschen bedrängt, ausgeraubt und verprügelt
haben. „Aber was die Jungs vorher angestellt
haben, interessiert mich erst mal nicht“,
sagt er. „Die Gefangenen merken es auch
schnell, wenn jemand auf sie herabblickt.“ Tiemerding
hat sich sein Arbeitsmotto ausgedruckt
und über den Schreibtisch gehängt:
„Lernen kann man stets nur von jenem, der
seine Sache liebt. Nicht von dem, der sie ablehnt.“
Er plant die Ausbildungen, stellt die
Stundenpläne zusammen und achtet darauf,
wie die Klassen zusammenpassen. Und er entscheidet,
wer in die Gefängnisschule gehen
darf. Sechs Plätze in der Realschulklasse sind
noch unbesetzt, sie werden frei gehalten für
diejenigen, die in den nächsten Monaten ins
Gefängnis kommen. Die Voraussetzung: Sie
müssen zur Schule gehen wollen, das Niveau
der jeweiligen Klasse schaffen können und für
das Schuljahr inhaftiert bleiben. Auf der Aufnahmestation,
wo die Neuhäftlinge die ersten
drei Wochen verbringen, wird ihr Schulstand
geprüft, sie müssen Wissenstests machen.
„Viele hatten noch nie ein Positiverlebnis in
der Schule“, sagt Tiemerding. „Wenn die hier
nach einem Jahr Lernen durchfallen, dann ist
das nur ein weiterer Beweis für sie, dass das
alles nichts bringt.“ Das will er unbedingt verhindern.
Vergangenes Jahr haben alle 39 Schüler in
Vechta ihren Real-, Haupt- oder Förderschulabschluss
geschafft. Die Prüfungsanforderungen
sind dieselben wie an den Schulen draußen.
Für Jonas ist „draußen“ weit entfernt. Er
legt sich 75 Kilo zum Bankdrücken auf, sein
Muskelshirt saugt sich dunkel mit Schweiß, er
presst seine Lippen aufeinander, stemmt die
Stange hoch. Es ist die Sportstunde der Realschüler.
In der Turnhalle unten im Schulgebäude
scheppert Trancemusik aus den Boxen.
Beim Krafttraining konzentrieren sich die
Schüler, sie wollen pumpen. Jonas und seine
Mitschüler haben ein breites Kreuz und Oberarme,
dick wie Autoreifen
– obwohl
sie bloß einmal in
der Woche an die
Geräte dürfen und
im Sport sonst Fußoder
Basketball
spielen. „Jedes Mal,
wenn ich in den
Knast gekommen bin, war ich so“, sagt Jonas
und hält seinen kleinen Finger hoch. Der Drogenkonsum
hatte ihn ausgemergelt. „Raus
komme ich immer wieder fit und durchtrainiert“,
sagt er.
Vielleicht wird er diesmal nicht rückfällig: Jonas
überlegt, zu seiner Mutter zu ziehen. Auf
keinen Fall will er zurück in die Stadt. „Sonst
geht das Spiel von vorn los – ich kenne da ja
alle Leute in der Szene“, sagt er.
Im Herbst 2014 soll er entlassen werden. Zu
spät für Freibadwetter. Zu spät für den Sommer.
Aber früh genug für den nächsten – und
für viele weitere Sommer.
„Viele hatten
noch nie ein
positives Erlebnis
in der Schule.“
32 jetzt SCHULE&JOB N o 04/13
Studium oder Ausbildung?
»Machen Sie doch beides!«
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bzw. der Hochschule Mannheim
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Wir nannten ihn Darius Müll
Von Bernd Kramer / Text & Gabriel Holzner / Illustration
Gewissensbisse: Vor vielen Jahren hat unser Autor
einen Mitschüler gemobbt. Heute fragt er sich:
Wie konnte ich so gemein sein?
Eigentlich war ich froh, dass es nicht mich traf. Ich kannte niemanden,
meine Grundschulklasse hatte sich zerstreut, und ich meinte,
schiefe Blicke auf die bunten Strickpullis zu bemerken, die ich immer
noch so gedankenlos trug. Alles war plötzlich größer, waschbetonfunktionskalt
und unpersönlicher, die Lehrer, die Räume. Fachleute
nennen das Sichfremdfühlen nach dem Wechsel auf eine weiterführende
Schule „Sekundarstufenschock“. Zum ersten Mal hatte ich das
Gefühl, nicht automatisch zu einer Klasse dazuzugehören.
Aber es traf Darius. Er wurde derjenige, der nie dazugehören durfte.
Und wahrscheinlich nur, weil er noch eine Spur fremder war als ich
mit meinen Strickpullis. Darius hatte diesen unaussprechlichen polnischen
Nachnamen, der geschrieben so verknotet aussah, wie sich
die Zunge anfühlte, wenn man sich bemühte, ihn richtig auszusprechen.
Die Lehrer bekamen es nicht hin. Wir bemühten uns erst gar
nicht. Wir nannten ihn Darius Müll. Das klang so ähnlich und war
fünfmal gemeiner.
Ich nannte ihn auch so. Nicht sofort, glaube ich, aber bald und dann
ganz selbstverständlich. Ich machte Scherze über Darius, irgendwann
baute ich sie zu einer Dauerschleife aus, in den Pausen fragten mich
die starken Jungen der Klasse, ob ich „einen neuen Darius-Witz“ erzählen
könnte, irgendeinen abgewandelten Ostfriesenwitz, den wir
alle kannten.
„Warum nimmt Darius einen Stein und eine Schachtel Streichhölzer
mit ins Bett?
Mit dem Stein wirft er das Licht aus, mit den Streichhölzern sieht er
dann nach, ob er auch wirklich getroffen hat.“
Ich dachte nicht daran, wie verletzend das war. Ich war viel zu erstaunt
darüber, dass nicht ich derjenige war, auf den man eintrat. Ich
war nicht der, der mit allem anfing, aber einer, der die Munition nachreichte.
Ganz munter, ohne darüber nachzudenken.
Ich glaube, manchmal verspürten wir eine regelrechte Lust am Gemeinsein,
irgendeinen sadistischen Kitzel, einige von uns mehr, andere
weniger. Man wagt kaum, es sich einzugestehen. Aber es kann so
irre viel Spaß machen, nach den Worten und Gesten zu suchen, die
am meisten wehtun.
Die Lehrer machten es nicht besser. Einmal sprachen wir in der Klasse
darüber, warum wir Darius nicht integrierten. Der Klassenlehrer
versuchte, Verständnis für beide Seiten aufzubringen. Was fatal war.
„Darius mischt sich immer in alles ein“, sagte jemand. Unser
Lehrer nickte. Das Einmischen, sagte er zu Darius, könne man ja
ändern. Darius nickte auch. Ich wüsste nicht, dass er sich je in
irgendwas eingemischt hätte. Nicht mehr als ich. Aber haften
blieb: Es ist auch seine Schuld, dass wir ihn nicht mögen. Die
Sympathieverweigerung hat ihre Berechtigung.
Irgendwann beging Darius den großen Fehler, sich beliebt zu machen
zu wollen. Er brachte ein Büchlein mit, das er seinen Eltern
aus dem Schlafzimmer geklaut hatte, darin freizügige Bilder irgendwelcher
Frauen und Männer.
Die Jungs bildeten eine Traube und starrten auf die Seiten. Darius
war der Star der Pubertierenden. Am nächsten Tag hatte er
unter all denen, die selbst noch geglotzt hatten, den Ruf des fiesen
Lüstlings weg. Vor dem Sportunterricht in der Umkleide zogen
einige von uns ihm die Hosen runter und warfen ihm Exhibitionismus
vor. In den Pausen auf dem Gang schubste man ihn mit
voller Wucht auf die Mitschülerinnen. Die angerempelten Mädchen
schimpften: „Darius, du bist ekelhaft.“
Warum passiert so was? Weil es sich richtig anfühlt, wenn es alle
machen, vor allem diejenigen, zu denen man aufschaut? Weil
man immer irgendwie sagen kann, dass es nie so gemeint war?
Ich halte mich für überlegt, kollegial. Jemand zu sein, der draufhaut,
passt nicht zu meinem Selbstbild. Ich hatte nie das Gefühl,
so zu sein. Umso verstörender wirkt diese Erinnerung. Ich weiß
nicht, wo ich noch geschmunzelt habe und wann es mir zu drastisch
wurde. Richtig leid tat mir alles erst viel später, als Darius
längst nicht mehr auf unserer Schule war. Es scheint, als wäre die
Empathie einfach lahmgelegt, manchmal über Jahre, solange nur
genügend andere mitmachen.
Heute frage ich mich, ob man das, was wir Darius angetan haben,
wiedergutmachen kann. Oder ob jeder Versuch späteren Bedauerns
nur alte Wunden aufreißt. Wie lange nach der Schule tun
diese Demütigungen noch weh? Was machen sie mit einem?
Ich habe Darius gegoogelt und ein Hochzeitsbild auf den Standesamtseiten
meiner alten Heimatstadt gefunden. Laut Facebook,
wo ich ihm nach mehr als zehn Jahren Schweigen eine
Freundschaftsanfrage geschickt habe, gefällt Darius der Film
„Stirb langsam“, in einem Posting regt er sich darüber auf, dass
Deutschland so viel Entwicklungshilfe zahle. Ich denke insgeheim:
was für ein Prolet! Und plötzlich kommen mir, nur vage,
aber doch schon böse genug, Gedanken, für die ich mich sofort
schäme. Ich überlege, ob es Darius nicht doch zu Recht traf damals.
Ob mein Wunsch nach Wiedergutmachung überhaupt angemessen
ist. Warum kann unser Mobbingopfer mir Reumütigem
nicht den Gefallen tun, wenigstens ein cooler Typ geworden
zu sein? Und wieso denke ich das, woher kommt diese Gehässigkeit,
die da in mir schlummert? Ich habe den Impuls, die Freundschaft
wieder zu beenden. So wie ich früher nicht mit ihm befreundet
sein wollte. Der Anfang der Schikane.
Wahrscheinlich entspringen unsere Vorurteile und Antipathien
einfach einem Bauchgefühl. In der Schule, leider wohl auch noch
später, vielleicht sogar für immer. Man kann sie nur klug oder
weniger klug managen und sich mit aller Vernunft dagegenstemmen,
dass man ihnen verfällt.
Ich habe Darius bei Facebook geschrieben. Ich habe ihn gefragt,
ob er mir erzählen möchte, wie das damals war, in dieser Hölle,
die unsere Klasse gewesen sein muss. „Gesehen: 23.42 Uhr“, teilt
Facebook mir mit. Eine Antwort bekomme ich nicht.
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34 jetzt SCHule&JOB N o 04/13
Elternbeirat
Von Mercedes Lauenstein / Protokolle & Juri Gottschall / Fotos
Sie wissen alles besser. Glauben sie.
Dann müssten unsere Eltern doch auch sagen
können, wo es nach der Schule hingehen soll.
Beate, 48, kaufmännische Angestellte
Was kann Johannes besonders gut? Auf andere aufpassen, kleine Kinder zum Beispiel, das
hat er schon immer gern gemacht. Ansonsten kann er gut radeln und gut mit Holz und Werkzeug
arbeiten. Schon als kleines Kind hat er überall Nägel reingehauen, alles angesägt und
irgendwo Schrauben hineingedreht. Davon habe ich heute noch Löcher im Parkettfußboden.
Wie finden Sie seine Zukunftspläne? Hervorragend. Grundsätzlich ist die Schreinerei doch
ein toller Beruf. Ich wollte das auch mal machen. Ich habe es geliebt, mit Holz zu arbeiten,
schon in der Schule. Er soll es ruhig erst mal lernen, wer weiß, er kann dann ja immer noch
etwas ganz anderes machen. Allerdings finde ich, dass er an seinen Abschluss noch die
mittlere Reife dranhängen sollte. Da geht es mir gar nicht um Prestige oder den Abschluss
an sich. Ich denke nur, dass es nicht schaden kann, noch ein wenig Bildung mitzunehmen.
Ich kenne mein Kind und weiß, dass er ein wenig faul ist und sich von selbst dann doch nichts
mehr an Allgemeinbildung draufschafft.
Johannes, 15, geht auf die Hauptschule
und macht im nächsten Jahr seinen Quali.
Was kannst du besonders gut? Ich kann gut
reden, und ich kann gut reparieren. Wenn
irgendwo etwas kaputt ist, suche ich so lange
nach einer Lösung, bis es wieder funktioniert.
Ich kann auch sehr gut mit Leuten
zusammenarbeiten.
Was willst du nach der Schule machen? Eine
Schreinerlehre. Ich arbeite gern mit Holz.
Als ich im letzten Jahr ein Praktikum in dem
Bereich gemacht habe, dachte ich erst, da
macht man ja immer das Gleiche, immer nur
zuschneiden und rumstehen. Aber dann
durfte ich immer mehr machen und wusste:
Das ist es. Das passt für mich.
Marie, 18, geht aufs Gymnasium und
macht nächstes Jahr Abitur.
Was kannst du besonders gut? Mit Menschen
umgehen und Theater spielen. Ich
spiele dreimal die Woche im Nachwuchs der
Münchner Kammerspiele.
Was willst du nach der Schule machen? Ich
möchte gern etwas mit Theater machen, am
liebsten Theaterschauspiel, ich liebe die
Bühne. Leider ist dieser Lebensplan so
unsicher, und bei der Schauspielschule
genommen zu werden ist nicht einfach. Und
was ist danach mit Geldverdienen?
Vielleicht wäre Regieassistenz eine
Alternative? Oder Theater in Verbindung
mit Sozialpädagogik? Psychologie?
Ich bin noch nicht sicher.
Heidi, 58, Heilpraktikerin
Was kann Marie besonders gut? Mit Menschen umgehen. Sie ist ein Magnet für Menschen,
die Sorgen haben. Es ist verrückt: Selbst in der U-Bahn kommen manchmal wildfremde
Menschen zu ihr und vertrauen ihr an, was sie belastet. Ich glaube deshalb, sie könnte ein
Talent für Heilberufe oder Pädagogisches haben. Und dann hat sie natürlich große Ambitionen
für das Theater. Sie geht dreimal die Woche zur Probe in die Kammerspiele und steckt
dafür vieles zurück.
Wie finden Sie ihre Zukunftspläne? Ich finde sie okay. Sie soll machen, was sie möchte. Mir
ist nur wichtig, dass sie eines Tages selbst für sich sorgen kann. Finanziell unabhängig zu
sein hat viel mit dem eigenen Selbstwertgefühl zu tun: Wenn du weißt, du kriegst dein Leben
allein auf die Reihe, geht’s dir besser. Wenn man jung ist, denkt man nicht so viel über so
etwas nach. Dann springt man ins kalte Wasser und denkt: Das wird schon alles. Aber die
Arbeit im Theater ist schon extrem. Die leben dafür. Und haben eigentlich kein Privatleben
mehr. Ich weiß aber auch nicht, was Marie stattdessen machen sollte. Ich will ihr nichts
vorschreiben. Sicherlich, Medizin, Menschen heilen, so etwas könnte sie gut. Aber sie hat
schon einmal ein Praktikum in die Richtung gemacht, und das war nichts für sie.
Patrizia, 17, geht aufs Gymnasium und
macht im nächsten Jahr Abitur.
Was kannst du besonders gut?
Mit anderen umgehen. Und mit Sprache.
Was willst du nach der Schule machen?
Eigentlich wollte ich immer Ärztin werden.
Aber der NC für Medizin ist so hoch, ich
weiß noch nicht, ob das klappt. Ich würde
halt gerne etwas Sinnvolles machen. Jeden
Tag in ein Büro zu gehen und Akten oder
Geld hin- und herzuschieben, das kann ich
mir nicht vorstellen. Trotzdem sind mir
Geldverdienen und eine gewisse Sicherheit
im Leben sehr wichtig. Ich habe auch schon
überlegt, ob ich Logopädin werden sollte.
Aber vielleicht reise ich auch erst einmal
und schaue mir die Welt an. Als ich in der
elften Klasse ein Jahr in Kanada
war, habe ich gemerkt, wie cool das ist.
Manfred, 47, Banker
Was kann Patrizia besonders gut? Sie ist sehr genau, sehr gewissenhaft und sehr ausdauernd.
Wie finden Sie ihre Zukunftspläne? Wenn sie das machen will, soll sie es machen. Ich
glaube nur, dass es ein sehr langwieriger, aufwendiger und schwerer Weg ist, bis man richtig
selbstständig arbeiten darf. Ein Bekannter von mir hat, als er endlich Arzt war, alles umgeschmissen
und gesagt: Mir reicht’s, ich mache jetzt was anderes. Ich glaube, dass Patrizia
gut mit Kindern umgehen kann. Und sie ist sehr sprachbegabt. Meine Frau sagt immer,
Patrizia würde sicherlich eine gute Logopädin werden. Meinetwegen soll sie nach der Schule
ein Jahr Auszeit nehmen und sich einfach mal in Ruhe umsehen. Woher soll sie auch jetzt
schon hundertprozentig wissen, was sie machen will? Mir ist nur wichtig, dass sie, wenn sie
sich für etwas entscheidet, dann auch richtig überzeugt davon ist. Sie soll bitte nicht einfach
irgendwas studieren, BWL oder VWL, nur weil das alle machen und ihr nichts Besseres
eingefallen ist.
36 jetzt SCHule&Job N o 04/13 jetzt scHule&Job N o 04/13 37
Eva, 18, geht auf die Waldorfschule
und macht im nächsten Jahr Abitur.
Was kannst du besonders gut? Ich bin
musikalisch. Und ich gestalte gern Dinge,
das habe ich von meinem Vater geerbt,
der baut sich immer irgendwelche Dinge –
Möbel, Lampen und so.
Was willst du nach der Schule machen? Ein
Jahr Pause, jobben und sparen. Danach
möchte ich das YIP-Jahr machen, ein
anthroposophisches Projekt in Schweden,
bei dem Jugendliche aus aller Welt zusammenleben
und sich in verschiedenen
Social-Entrepreneurship-Workshops mit
Zukunfts- und Nachhaltigkeitsfragen
beschäftigen. Das mit der Musik soll ein
Hobby bleiben, glaube ich. Ziemlich sicher
möchte ich mal eine Tischlerausbildung
machen. Ich war aber auch immer sehr gut in
Physik und im Gartenbauunterricht.
Vielleicht will ich eines Tages auch meinen
eigenen Biobauernhof haben, eventuell in
einem Entwicklungsland oder in Zusammenarbeit
mit Behinderten. Mein Freund und
ich haben gerade einen Schrebergarten
gepachtet, den wir nun selbst bewirtschaften.
HeLMut, 57, Heilpraktiker
Was kann Eva besonders gut? Sie hat viele Talente. Sie ist musikalisch, hat ein sehr gutes
Farbempfinden und ein Gespür für Einrichtung. Sie kann gut mit Materialien umgehen und
hat bildhauerische Talente. Außerdem hat sie ein gutes Sprachgefühl und mag Poetry-Slams.
Sie kann gut Konflikte lösen und für andere da sein. Außerdem hat sie ein großes Interesse
an der Welt und an zukunftsweisenden Technologien.
Wie finden Sie ihre Zukunftspläne? Ich habe all meinen drei Töchtern immer gesagt, dass
ich es gut fände, wenn sie irgendetwas studieren oder lernen, womit sie mal zu den Vereinten
Nationen gehen und die Zukunft mitgestalten können. Aber ich lasse Eva machen, was sie
möchte. Mein oberstes Gebot ist: Bloß niemanden einzwängen. Sie könnte sicherlich eine
gute Lehrerin werden, aber ich schätze, das wird sie nicht machen, denn sie braucht viel
Freiraum. Sie ist so vielseitig interessiert und so selbstständig, dass ich mir sicher bin, dass
etwas aus ihr wird. Und je mehr sie macht, desto besser finde ich das. Denn erstens weiß
ich, dass man viel ausprobieren muss, um den richtigen Weg zu finden, und zweitens finde ich
es gut, multifunktional ausgebildet zu sein und sich viele Möglichkeiten offen zu halten.
Susanne, 47, Stadtführerin
Was kann Simon besonders gut? Er besitzt eine unglaublich große
Sozialkompetenz, kann super Streit schlichten. Außerdem ist er sehr
zuverlässig und für sein Alter ziemlich vernünftig.
Wie finden Sie seine Zukunftspläne? Super! Ich bin davon total begeistert. Erstens bin ich
sehr davon beeindruckt, dass das für ihn vollkommen feststeht und es für ihn keine Alternativen
gibt. Zweitens finde ich, dass es sowieso wesentlich mehr männliche Erzieher braucht.
Ich glaube, dass er das sehr gut machen wird. Finanziell ist diese Entscheidung sicherlich
nicht die lukrativste. Aber erstens finde ich, er sollte das machen, was ihm Spaß macht,
zweitens weiß man nie, was in fünf Jahren ist – vielleicht verdienen Erzieher dann ja auch
schon viel mehr Geld. Und vielleicht macht er ja doch eines Tages noch mal etwas ganz
anderes, Abi, studieren, wer weiß. Das Potenzial hat er, bisher ist er halt immer den Weg des
geringsten Widerstands gegangen. Selbst wenn nicht: Mit diesem Beruf wird er bestimmt nie
arbeitslos. Dann lieber weniger verdienen, aber einen sicheren Job, als einen Job in der
IT-Branche, von dem man nicht weiß, ob er in fünf Jahren überhaupt noch gefragt ist.
Simon, 16, hat in diesem Jahr seine
mittlere Reife gemacht.
Was kannst du besonders gut? Mit Kindern
umgehen. Ich mache außerdem viel Sport,
und in der Schule waren meine Lieblingsfächer
Geschichte, Sport und Englisch.
Was wirst du nach deinem Abschluss
machen? Eine Erzieherausbildung. Als wir
Ende der achten Klasse auf Klassenfahrt
waren, da hatte meine Klassenlehrerin ihr
dreijähriges Kind dabei, auf das ich dann
die ganze Zeit aufgepasst habe. Mir hat das
total viel Spaß gemacht, und ich habe gemerkt,
dass ich das echt gut kann. Gleich
anschließend habe ich ein Praktikum im
Kindergarten gemacht, und seither steht für
mich fest, dass das absolut mein Ding ist.
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Filiz, 17
Edriss, 19
kunst
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„Als Azubi bei der AOK habe ich
immer den Menschen im Fokus.“
Tuncay Durgun, AOK – Die Gesundheitskasse
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Von Jakob Biazza / Interview
Konstantin,
ärgere Dich nicht!
Ein Gespräch über Rückschläge,
bei einer Partie Tür hereinkommt. Jedenfalls wenn man
Man erwartet, dass gleich Graf Dracula zur
„Mensch, ärgere Dich nicht‟. liest, wie Konstantin Gropper bislang beschrieben
wurde: „Parade-Emo“, „mor-
Sonderregel: Schmeißt der
Reporter eine Figur des bid“, „blass geschminkt“. Die Bilder haben
Interviewten, darf er eine sich wohl verselbstständigt, seit der 30-Jährige
mit seiner Band Get Well Soon bekannt
unangenehme Frage stellen.
Umgekehrt darf der schamlos
wurde. Tatsächlich tritt ein Typ ein, der
bewerben, was er will, wenn
auch Volvo fahren könnte: gemütlichfreundliches
Wesen, gesunde Bräune, etwas
er es schafft, eine Figur des
Reporters zu schmeißen.
Bauch. Er wählt „Blau, nein, Gelb“ und
antwortet auf die Frage, wann er das letzte Mal richtig gescheitert ist,
nach langem Überlegen: „Ich bin relativ verwöhnt, was das anbelangt.
So richtig auf die Schnauze geflogen bin ich noch nie.“ Wie zum Beweis
würfelt er genau da die erste Sechs des Spiels und darf eine Figur
aufs Brett ziehen – los also.
Kannst du Scheitern für dich definieren?
Ich würde sagen: ein selbst gestecktes Ziel nicht zu erreichen.
Wirklich scheitern kann man also nur an eigenen Ansprüchen?
Auf jeden Fall. Scheitern ist etwas sehr Persönliches. Ich bin bei meiner
Arbeit sehr lange nur meinem eigenen Urteil unterworfen, bevor
ich überhaupt externe Ansprüche an mich heranlasse.
Und dabei erlebst du nie Rückschläge?
Es passiert natürlich schon mal, dass ich Mist mache. Aber ich stecke
mir meistens sehr früh ein Ziel und arbeite drauf hin. Irgendwie bin
ich bislang noch immer dort angekommen – oder wenigstens in der
Nähe. Kunst ist da außerdem sehr dankbar. Man kann sich vieles
schönreden.
Du benutzt in Interviews oft Begriffe wie „Recherche“ oder „Analyse“,
wenn du über deine Arbeit sprichst.
Die gehören zu der Phase, bevor ich mit dem Schreiben anfange. Zur
Themensuche. Ich schöpfe sehr ungern aus meinem Privatleben. Deshalb
brauche ich ein Thema, an dem ich alles aufhängen kann. Oder
vielleicht besser: eine Sprache. Ich mag einfach keine Tagebuchtexte.
Warum?
Weil’s mich bei anderen auch nicht interessiert. Ich kenne keinen
Künstler, der ein so spektakuläres Leben hat, dass man davon die
ganze Zeit singen müsste. Ich habe im Alltag genau die gleichen Probleme
wie alle anderen auch.
Zum Beispiel?
Ich glaube, wenn ich keine Familie hätte, würde ich auf einen Bauernhof
ziehen und innerhalb von drei Jahren zum Messie werden. Und
dann würde irgendwann RTL 2 klingeln, weil sich hinter meiner Tür
die Briefe stapeln. Weil ich vor allem Angst habe, was mit Rechnungen
und Buchhaltung zu tun hat. Wenn ein Brief mehr als zwei Zahlen
beinhaltet, mache ich den gar nicht erst auf.
In diesem Moment schlägt er die erste Figur – und überlegt sehr lange,
was er anpreisen soll: „Ich habe gerade das Casper-Album produziert.
Aber der hat es nicht wirklich nötig, dass ich für ihn werbe. Also:
Muso, ein Rapper aus Heidelberg. Einer der relevantesten im Augenblick.“
Das kann ja sehr gefährlich werden, mit der Post.
Allerdings. Steuerhinterziehung, obwohl man’s gar nicht weiß. Aber
erkläre das mal einem Richter.
Zack! Endlich schlage ich eine Figur. Und packe meine Frage zum
schlechten Ruf der Popakademie aus, an der er gelernt hat:
Wie cool findest du die Popakademie wirklich?
Na ja, das ist ja genau ihr Hauptproblem: dass sie eben überhaupt
nicht cool ist. Aber das muss sie auch nicht sein. Sie ist eine ernst zu
nehmende Bildungseinrichtung, der ich viel zu verdanken habe.
Schon weil ich über sie in meinen Beruf gefunden habe.
Moment: Stand der Wunsch, Musiker zu werden, nicht schon fest, als
du dort angefangen hast?
Nein, nein. Die Popakademie kam nur als Idee auf, um es mal zu versuchen
mit der Musik. Ich bin ja Schwabe. Ich brauche immer eine
offizielle Ausrede. Aber ich habe nie geglaubt, dass ich je von dem
leben kann, was ich da mache.
Es ist spannend zu verfolgen, wie Gedanken bei Gropper zu Sätzen
werden: vom Ziel her geplant, bedächtig arrangiert. Hat er einen Gedanken
gefasst, lässt er sich bei dessen Formulierung nicht unterbrechen.
Als könne er die Außenwelt dimmen – die Fragen, die Spielfiguren,
die er bewegt, die Sechs, die er würfelt. Vermutlich komponiert er
auch so.
Hat unsere Generation ein größeres Sicherheitsbedürfnis als frühere?
Auf der einen Seite schon. Allerdings steht dem ein Übermaß an
Möglichkeiten gegenüber. Ich habe das Gefühl, dass aus dem Selbstverwirklichungsdrang
beinahe ein Selbstverwirklichungszwang geworden
ist. Ein Druck, etwas Besonderes zu machen.
Hier schlägt er noch eine Figur – und überlegt wieder lange. Selbstvermarktung
ist nicht seine Stärke. „Ich empfehle meinen aktuellen Lieblingsautor:
Arnold Stadler – ‚Der Tod und ich, wir zwei’. Sehr lustig.
Aber auch sehr deprimierend.“
Ist Musiker heute ein bürgerlicherer Beruf als früher?
Es ist auf jeden Fall einer, der Disziplin braucht wie jeder andere. Ob
das früher wirklich anders war, weiß ich nicht. Aber nimm Nick Cave:
Der hat jahrelang Heroin gespritzt, und inzwischen hat er ein Büro, in
das er um neun Uhr geht, um Songs zu schreiben.
Und schon droht Gefahr! Soeben zieht Konstantin Gropper die letzte
Figur vor die Zielfelder!
Dein Vater ist Musiklehrer. Musstest du deshalb weniger kämpfen,
als du gesagt hast: Ich probiere das jetzt wirklich mit der Musik als
Beruf?
Nein, nein. Mein Vater ist auch in erster Linie Schwabe und dann Musiker.
Nicht direkt nach diesen Worten, aber sehr bald danach gewinnt
Gropper das Spiel mit deprimierenden drei Figuren Vorsprung.
Die ausführliche Version des Interviews kannst du online lesen:
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