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PDF 24.208kB - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

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Selbst von den kurfürstlichen Residenzen des Clemens August berichtete Casanova,<br />

der sich 1760 zur Karnevalszeit am kurfürstlichen Hof in Bonn und Brühl befand, in<br />

seinen Memoiren von „Bauernfesten“ und der entsprechenden rustikalen Kleidung,<br />

die Clemens August und er selbst trugen. Dabei findet sich die Teilnehmerliste einer<br />

solchen Bauernhochzeit mit genauer Zuordnung der Funktionen: Clemens August als<br />

Wirt, für weitere Personen gibt es die Funktion als Hochzeitslader, Braut und<br />

Bräutigam, Brautmutter und Brautvater, Pfarrer und westfälische, französische,<br />

böhmische und ungarische Bauern. 1400 Da es sich um eine spontane Veranstaltung<br />

handelte, stellte der Kurfürst seinen Verkleidungsfundus zur Verfügung, aus dem<br />

sich die Teilnehmer passende Kostümierungen aussuchen konnten. Casanova<br />

schreibt: „Wir hatten uns alle in einer besonderen Garderobe des Kurfürsten als<br />

Bauern verkleidet. Da der Kurfürst selbst ein Bauerngewand trug, hätte sich jeder<br />

lächerlich gemacht, der sich nicht ebenso vermummt hätte. General Kettler sah wie<br />

ein richtiger Bauer aus; Madame X war zum Anbeißen. Man tanzte nur Kontertänze<br />

und ganz seltsame Ballette nach der Art verschiedener deutscher Provinzen.“ 1401<br />

Casanova bezeichnet diese Verkleidungen klarsichtig als „Mummen“scherze.<br />

Diese bisher genannten Beispiele für „höfische Maskeraden als ländliche Idylle“<br />

wurden größtenteils zeitlich vor den „Eremitagen der Madame de Pompadour“ und<br />

vor allem lange vor den Schäferspielen im „Hameau“ der Königin Marie Antoinette<br />

inszeniert. Ihnen allen ist gemeinsam, dass Fürst und Höflinge versuchten, aus der<br />

Enge der zeremoniellen Hofetikette auszubrechen, indem sie in andere Kleider und<br />

damit in eine andere Rolle schlüpften. Der meistenteils vollzogene Ortswechsel in<br />

eine ländliche Umgebung, das kurzfristige Eintauchen in das einfache Leben eines<br />

Bauern oder Schäfers und die anscheinende Aufhebung der Standesunterschiede und<br />

damit des höfischen Protokolls waren die äußeren Anzeichen für den intendierten<br />

„Ausstieg“ aus der höfischen Gesellschaft. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts<br />

wurden dann gerade die beiden französischen Vorbilder für eine Idylle in ländlicher<br />

Umgebung bis in die letzten Tage des Ancien Regime an zahlreichen deutschen und<br />

1400<br />

1401<br />

Winterling, 1986, S. 199.<br />

Casanova, Bd. 1, 1985, S. 221-223.<br />

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