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PDF 24.208kB - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

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ins Privatleben zurückzogen“ 1407 . Dieser „Trend“ der Zeit, durch Eremitenspiel<br />

Abwechslung zu erreichen, wird in Variationen auch von anderen Höfen berichtet.<br />

Das Eremitenspiel in Versailles und in Bayreuth wurde nicht aus religiösen Motiven,<br />

sondern als gesellschaftliche „Lockerungsübung“ und „Zeitvertreib“ veranstaltet.<br />

Dabei wurden die religiösen Attribute wie Klostergarten, Refektorium, Zellen, Kutte,<br />

Rosenkranz, Stab, Altärchen, Bild mit Kindern Israels in der Wüste mit heidnischen<br />

antiken Versatzstücken der Antike kombiniert: Die Kuppel der „Klosterkirche“ im<br />

Alten Schloss von Bayreuth ist mit Muscheln und Fratzen geschmückt, das Altärchen<br />

hat statt einer Madonna Muschelgesichter, der Zugang zum mittelalterlichen Kloster<br />

führt durch einen antiken Musenberg d. h. einen Parnass mit Pegasus, Apollo und<br />

den neun Musen.<br />

Das Alte Schloss des Markgrafen Georg Wilhelm in der Eremitage von Bayreuth,<br />

eine relativ bescheidene Anlage, war auf allen Seiten von Wald umgeben. Für diese<br />

sehr eigenständige Eremitage übernahm der Markgraf zwar Vorbilder aus Italien,<br />

aber er variierte sie nach seinem Gusto. Dies zeigte sich sowohl in der Architektur<br />

als in der Nutzung seiner „Klosteranlage“. Wie in einem Kloster gab es<br />

Gemeinschaftsräume und, um den Innenhof gruppiert, kahle Zellen für den Fürst und<br />

sein Gefolge. Auf den Empfang durch die Musen am Parnass folgte der absolut<br />

unübliche Eintritt durch eine halb im Boden versunkene Eingangspforte in eine Art<br />

„Unterwelt“. In der Grotte erwartete die Besucher des Markgrafen ein<br />

„Reinigungsbad“, um danach sich in Mönch- und Nonnenbekleidung im Klosterhof<br />

zu ergehen und im „Refektorium“ eine gemeinsame Mahlzeit einzunehmen.<br />

Während des Essens herrschte Stillschweigen, und es wurden erbauliche Schriften<br />

vorgelesen. An diesem ländlichen Musenhof war das Hofzeremoniell höchstens<br />

abgemildert, denn der Markgraf und die Markgräfin nahmen selbstverständlich die<br />

Rolle von Superior und Superiorin 1408 inmitten ihrer „Eremiten“ ein. In einem<br />

Inventar von 1727 1409 sind Einzelheiten über die Kleidung aufgeführt: Sie alle<br />

kleideten sich in braune Kutten mit schwarzem Gürtel, stützten sich auf einen langen<br />

Stab, aßen von einfachen Geschirr selbst zubereitete Mahlzeiten und schliefen in<br />

1407<br />

1408<br />

1409<br />

Habermann, 1982, S. 99.<br />

Neben Superior und Superiorin werden auch die Begriffe Abt und Abtissin verwandt; die<br />

Höflinge nannten sich Brüder und Schwestern in Anlehnung an klösterliche Gebräuche.<br />

STA Bamberg-KDK-Hofkammer Bayreuth Nr. 1703, zit. n. Ursula Frenzel, 1958, S. 118.<br />

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