Predigttext: Philipper 4, 10 – 13
Predigttext: Philipper 4, 10 – 13
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1.1.2008, Neujahr, Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche<br />
Pfarrer Martin Germer<br />
<strong>Predigttext</strong>: <strong>Philipper</strong> 4, <strong>10</strong> <strong>–</strong> <strong>13</strong><br />
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater,<br />
und von dem Herrn Jesus Christus! Amen.<br />
Liebe Gemeinde!<br />
Als besonderen Denkanstoß zum Beginn dieses Neuen Jahres bekommen<br />
wir jetzt ein Stück aus dem <strong>Philipper</strong>-Brief des Apostel Paulus zu hören.<br />
Paulus schreibt aus dem Gefängnis heraus; man vermutet, in der<br />
Stadt Ephesus. Mit seiner Verkündigung des gekreuzigten und auferstandenen<br />
Christus hatte er Unruhe ins öffentliche Leben gebracht. Die<br />
Silberschmiede und Andenkenhändler am weltberühmten Artemis-<br />
Tempel fürchteten Geschäftseinbußen. Und so hatte man ihn als Störenfried<br />
mal wieder ins Gefängnis gesteckt. Dort aber hat ihn nun eine<br />
Sendung aus Philippi erreicht, aus der Stadt in Mazedonien, in der er<br />
seine erste Gemeinde auf europäischem Boden gegründet hatte. Die<br />
christlichen Brüder und Schwestern dort haben für ihn gesammelt und<br />
ihm Geld geschickt. Und als Paulus ihnen nun wegen mancherlei anderer<br />
Fragen einen Brief schreibt, geht er ziemlich zum Schluss des Briefes<br />
auch auf diese materielle Unterstützung ein, die sie ihm haben zukommen<br />
lassen. Was er dazu aber schreibt, das geht sehr schnell ins Grundsätzliche.<br />
Darum hat es auch für uns, heute am Beginn des Neuen Jahres,<br />
guten Sinn, darüber nachzudenken. Und wenn Sie jetzt von mir eher<br />
eine Predigt zur Jahreslosung erwartet hätten <strong>–</strong> „Jesus Christus spricht:<br />
Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“ <strong>–</strong> auch dazu wird Paulus uns etwas<br />
sagen können.<br />
Ich lese den Text in einer eigenen Übersetzung; er steht im 4. Kapitel des<br />
<strong>Philipper</strong>-Briefs. Paulus schreibt:<br />
Ich habe mich aber im Herrn riesig gefreut, dass ihr eure Fürsorge<br />
für mich wieder einmal habt aufblühen lassen. Wohl wart ihr auch<br />
schon darauf bedacht <strong>–</strong> es hatte aber die Gelegenheit gefehlt.<br />
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Ich sage das nicht, weil ich Mangel leide.<br />
Denn ich habe gelernt, auszukommen in der Situation, in der ich<br />
jeweils bin.<br />
Ich weiß mich einzuschränken,<br />
ich weiß auch, aus dem Vollen zu leben.<br />
In alles und jedes bin ich eingeweiht:<br />
satt zu werden und zu hungern,<br />
aus dem Vollen zu leben und Mangel zu leiden.<br />
Alles vermag ich durch den, der mir Kraft gibt.<br />
„Ich habe mich riesig gefreut.“ Manch einer unter uns hat vielleicht in<br />
den letzten Tagen so sagen können oder hat es geschrieben <strong>–</strong> angesichts<br />
eines besonders schönen Geschenks, oder weil da ein Gruß gekommen<br />
ist von jemand, von dem man schon lange nichts mehr gehört<br />
hatte und der einem doch eigentlich viel bedeutet.<br />
So hat auch Paulus sich „riesig gefreut“ <strong>–</strong> man kann die griechischen<br />
Worte durchaus so umgangssprachlich übersetzen. Allerdings fügt er<br />
zwei Wörter hinzu: „Ich habe mich im Herrn riesig gefreut“. Das heißt:<br />
Seine Freude hat etwas zu tun mit seinem Glauben an den Herrn Jesus<br />
Christus. Und sie hat etwas zu tun mit der Verbundenheit in der Gemeinde<br />
dieses Herrn. Was genau, das werden wir noch sehen.<br />
Wie gesagt: Paulus schreibt aus dem Gefängnis. Und Gefängnis in der<br />
damaligen Welt, das hieß: Mangel am Allernötigsten. Wer da nicht Angehörige<br />
hatte oder Freunde, die was zum Essen brachten oder zum<br />
Anziehen und die vielleicht auch den Aufsehern etwas zusteckten, der<br />
war arm dran. So war es auch Paulus in der Gefangenschaft wohl zunächst<br />
sehr schlecht ergangen.<br />
Doch dann hatten die Christen in Philippi erfahren, wie es um ihn stand,<br />
und haben eine Sammlung für ihn veranstaltet. Als Leute, die selbst<br />
nicht zu den Allerärmsten gehörten, haben sie richtig tief in die Tasche<br />
gegriffen und dann gleich mit dem nächsten Schiff einen Abgesandten<br />
nach Ephesus losgeschickt, um ihrem verehrten Apostel beizustehen.<br />
Und darauf antwortet er nun: „Ich habe mich im Herrn riesig gefreut,<br />
dass ihr eure Fürsorge für mich wieder einmal habt aufblühen lassen.“ Er<br />
sieht nicht nur das solidarische Geschenk selbst und die Hilfe, die es für<br />
ihn ganz konkret bedeutet, sondern er sieht vor allem die Lebendigkeit<br />
dieser Gemeinde, die sich darin erweist. Da ist etwas aufgeblüht <strong>–</strong> so<br />
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poetisch steht das im Griechischen. Die Samen, die er selbst dort hat<br />
legen können, sind erneut aufgegangen <strong>–</strong> in dem, wie sie an ihn denken,<br />
wie sie sich um ihn kümmern. Und das zu erleben, das tut so gut.<br />
Das bereitet Freude „im Herrn“, ganz tief, ganz groß: Freude in der Verbundenheit<br />
des gemeinsamen Glaubens. Auch so jemand wie Paulus<br />
kann das gut brauchen, in der Einsamkeit der Gefängniszelle erst recht.<br />
Das bedeutet noch viel mehr als die materielle Hilfe allein.<br />
Doch Paulus möchte nicht missverstanden werden. Wenn er den <strong>Philipper</strong>n<br />
von seiner Freude schreibt, dass ihre Fürsorge mal wieder so schön<br />
aufgeblüht sei, so sollen sie das nicht etwa als unterschwelligen Vorwurf<br />
verstehen: Warum nicht schon eher? „Ihr hattet schon auch daran gedacht“,<br />
fügt er darum gleich hinzu <strong>–</strong> ich weiß wohl; es fehlte nur die Gelegenheit,<br />
der richtige Moment.<br />
Im Griechischen schwingt hier das Wort „Kairos“ mit. Das ist ein Wort, für<br />
das es im Deutschen keine genaue Entsprechung gibt. Der „Kairos“ ist<br />
der optimale Zeitpunkt; die Gelegenheit, um etwas lange Vorbereitetes<br />
in die Tat umzusetzen. Mit „Kairos“ kann man den Moment bezeichnen,<br />
zu dem etwas, das „in der Luft liegt“ und das „dran ist“, zur Wirklichkeit<br />
werden kann und soll.<br />
Ein solcher Moment, eine solche passende Gelegenheit hatte den <strong>Philipper</strong>n<br />
bisher gefehlt. Aber jetzt war für sie der „Kairos“ gekommen, um<br />
ihre Glaubensverbundenheit mit Paulus aufblühen zu lassen. Den haben<br />
sie wahrgenommen. Und darüber kann Paulus sich „riesig“ freuen - „im<br />
Herrn“. Dafür kann er dem Herrn Jesus Christus, in dem er sich mit den<br />
<strong>Philipper</strong>n verbunden weiß, nur dankbar sein.<br />
Liebe Neujahrsgemeinde! Wenn wir jetzt Paulus gewissermaßen beim<br />
Schreiben über die Schulter blicken dürfen, dann kann uns das vielleicht<br />
an vergleichbare „Kairos“-Situationen im heutigen Leben erinnern:. Sei<br />
es, dass man da selbst Hilfe erfahren hat, über die man sich umso mehr<br />
freuen konnte, weil darin zugleich diese Zusammengehörigkeit sichtbar<br />
wurde. Oder sei es auch, dass man selbst mal etwas tun konnte; dass<br />
man gebraucht wurde und dass einem dabei dann so richtig das Herz<br />
aufgegangen ist. Und wenn wir jetzt nach vorne schauen, in das Neue<br />
Jahr hinein: Wünschen wir uns solche Gelegenheiten! Hoffen wir, dass<br />
wir geistesgegenwärtig sind, wenn sich ein solcher „Kairos“ auftut, und<br />
nicht zu sehr mit uns selbst beschäftigt! Und wo immer so etwas ge-<br />
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schieht, lasst es uns einander sagen und zeigen <strong>–</strong> so wie Paulus es hier<br />
tut, in seinem Brief an die <strong>Philipper</strong>.<br />
Aber das ist noch nicht alles, was wir diesen Versen aus dem Brief an die<br />
<strong>Philipper</strong> entnehmen können. Paulus möchte hier nicht einfach nur<br />
Danke sagen. Es geht ihm um mehr, wie in allen seinen Briefen. Auch<br />
da, wo er durchaus persönlich schreibt, geht es ihm nicht nur um die<br />
Pflege des zwischenmenschlichen Miteinanders, sondern es geht um<br />
tiefe und wahre Glaubenserfahrung. Und da soll es erst recht keine<br />
Missverständnisse geben. Darum fährt er fort: „Ich sage das nicht, weil<br />
ich Mangel leide.“ Wenn ich ihn recht verstehe, so will er damit betonen:<br />
Denkt bitte nicht, meine Freude sei deshalb so groß, weil es mir<br />
hier im Gefängnis so schlecht ging und weil eure Gabe mir deshalb so<br />
besonders helfen konnte!<br />
Hier könnten wir nun einhaken und fragen: Warum denn nicht? Was<br />
spricht denn dagegen, dass du dich aus dieser besonderen Not heraus<br />
auch besonders freuen solltest? Warum solltest du daraus nicht auch<br />
Ermutigung und Glaubensstärkung für dich gewinnen? Warum nicht<br />
dich „im Herrn“ darüber riesig freuen, dass er dir in der Not solche Hilfe<br />
hat zukommen lassen? Würde man das nicht manch anderem sogar<br />
wünschen, dass er in den Nöten seines Lebens Hilfe annehmen und sich<br />
darüber freuen könnte und dass ihm daraus neue Zuversicht erwachsen<br />
möge?<br />
Paulus aber scheint sich an dieser Stelle zu sagen: Meine Glaubenserfahrung<br />
reicht doch viel tiefer! Meine Glaubenszuversicht, meine „Freude<br />
im Herrn“ ist nicht davon abhängig, ob ich in Notlagen immer die<br />
praktische Hilfe erfahre, die ich mir wünsche. Und so solltet auch ihr in<br />
Philippi nicht denken <strong>–</strong> und auch nicht ihr in Berlin am 1. Januar 2008.<br />
Da will ich euch nicht durch meinen Brief auf eine falsche Spur setzen.<br />
Und darum: „Ich sage das nicht, weil ich Mangel leide.“ Beziehungsweise:<br />
weil ihr jetzt meinem Mangel erst einmal so wunderbar abgeholfen<br />
habt. Ja, auch wenn ihr mir materiell gar nicht so hättet helfen können,<br />
sondern mir nur eure so tröstlichen Grüße übermittelt hättet. Auch, wenn<br />
ich nur von euch wüsste, dass ihr an mich denkt und für mich betet, so<br />
würde ich mich gleichwohl auch darüber „riesig“ und von Herzen freuen<br />
„im Herrn“. Die Verbundenheit mit ihm und mit euch: das ist eigentlich<br />
für mich der Grund meiner Freude. Und das Wissen, das absolute<br />
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Vertrauen, dass nichts uns trennen kann von der Liebe Gottes, die uns in<br />
Christus gegeben ist.<br />
Und so will ich euch weiter von meinen Erfahrungen schreiben: „Ich<br />
habe es nämlich gelernt, auszukommen in der Situation, in der ich jeweils<br />
bin. Ich weiß mich einzuschränken, ich weiß auch, aus dem Vollen<br />
zu leben.“<br />
Da lohnt es sich, sorgfältig hinzuhören. Das heißt jetzt nicht: Ich habe gelernt,<br />
mich bescheiden und genügsam mit allem abzufinden. Ich habe<br />
es mir abgewöhnt, vom Leben Großes zu erwarten. Paulus proklamiert<br />
hier auch nicht das Ideal völliger Askese und Bedürfnislosigkeit. Sonst<br />
würde er kaum schreiben: „Ich weiß auch, aus dem Vollen zu leben.“<br />
Oder sogar: aus dem Überfluss, wenn man es ganz wörtlich nimmt. Die<br />
Freude an den guten Gaben des Lebens gehört unbedingt dazu: für<br />
Paulus, der dies aus seiner jüdischen Glaubenstradition so mitbringt, und<br />
ebenso für den christlichen Glauben, den er vermitteln möchte. Da<br />
muss auch nicht aller Genuss nützlich sein. Da muss nicht alles Glück<br />
misstrauisch befragt werden, ob es denn verdient sei und ob das Schöne<br />
einem guten Zweck diene. Da können wir getrost mit Paul Gerhardt<br />
die „große Güte“ unseres Gottes rühmen, „der so überfließend labt und<br />
mit so manchem Gut begabt das menschliche Gemüte“ (EG 503, Str. 7)<br />
Wenn uns eine Fülle guter Gaben zuteil wird, dann sollen wir fröhlich und<br />
dankbar aus dieser Fülle heraus leben. Wir werden sie dann schon nicht<br />
für uns allein behalten wollen; zur Dankbarkeit gehört natürlich auch<br />
das Teilen und Weitergeben. Und die Freude wird größer und vor allem<br />
tiefer da, wo ich mit dem, was mir gegeben ist, auch anderen etwas<br />
geben kann.<br />
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Aber eben: Die Freude des Glaubens, um die es Paulus geht, die hängt<br />
nicht davon ab, ob mir die Fülle der Gaben zuteil wird oder ob ich jedenfalls<br />
halbwegs mein Auskommen habe. Paulus schreibt: „Ich habe<br />
es gelernt, auszukommen in der Situation, in der ich jeweils bin. Ich weiß<br />
mich einzuschränken, ich weiß auch, aus dem Vollen zu leben.“<br />
Und er fährt fort: „In alles und jedes bin ich eingeweiht: Satt zu werden<br />
und zu hungern, aus dem Vollen zu leben und Mangel zu leiden.“<br />
Hier ist das Wort „eingeweiht“ von besonderer Bedeutung. Es heißt nicht<br />
nur: Ich habe das alles schon kennengelernt und gemerkt, dass ich<br />
damit zurecht kommen kann. „Eingeweiht“ ist ein Fachausdruck aus<br />
den Mysterienreligionen der damaligen Zeit. Wer da dem göttlichen<br />
Licht begegnen wollte, der musste „eingeweiht“ werden: Der wurde<br />
nach entsprechender Vorbereitung über einen Weg von geheimnisvollen<br />
Ritualen geführt, um das Irdische und Weltliche hinter sich zu lassen<br />
und um das Göttliche in sich aufnehmen zu können.<br />
Ein solches Einweihungs-Ritual hat es auch für Paulus gegeben und gibt<br />
es für alle Christen: das ist die Taufe. Im Wasser der Taufe ist der alte<br />
Mensch mit Christus gestorben, und der neue Mensch ist daraus hervorgekommen,<br />
um im Glauben mit dem auferweckten Christus zu leben.<br />
Alles das aber, was mit der Taufe zeichenhaft an uns geschehen ist, das<br />
vollzieht sich von da an mitten im alltäglichen Leben und will zu einer<br />
immer neuen, lebendigen und frohen Erfahrung werden.<br />
Darum gebraucht Paulus hier das Wort „eingeweiht“, um von den Erfahrungen<br />
zu sprechen, die ihm im wirklichen Leben zuteil werden. Noch<br />
einmal: „In alles und jedes bin ich eingeweiht: Satt zu werden und zu<br />
hungern, aus dem Vollen zu leben und Mangel zu leiden.“<br />
Aber er kann das nicht aus sich selbst heraus; etwa weil er so unendlich<br />
gelassen wäre oder weil er so souverän über allen äußeren Dingen<br />
stünde. Sondern es ist ihm gegeben <strong>–</strong> durch seinen Glauben an Christus,<br />
an dessen Tod und an dessen Auferstehung er Anteil hat. Ein Sinnbild<br />
und eine Schlüsselerfahrung dafür ist ihm seine Taufe. Aber es wird ihm<br />
Tag für Tag neu geschenkt. Das sagt er mit dem letzten Satz unserer<br />
heutigen <strong>Predigttext</strong>es: „Alles vermag ich durch den, der mir Kraft gibt.“<br />
Und da ist gewiss als Fortsetzung zu hören: Nämlich durch Gott, der mir<br />
dies alles schenkt; oder auch, wie es in manchen alten Handschriften<br />
bereits ergänzt worden ist: „durch Jesus Christus.“ Durch ihn, dessen<br />
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Wort uns von heute an als Jahreslosung begleiten soll: „Ich lebe, und ihr<br />
sollt auch leben.“<br />
Ich habe es gelernt, schreibt Paulus; ich bin darin eingeweiht, es ist mir<br />
zur immer gewisseren Erfahrung geworden <strong>–</strong> durch ihn. Durch Jesus<br />
Christus, der sein Leben nicht festgehalten, sondern hergegeben hat,<br />
der nicht auf sich selbst vertraut hat, sondern auf die Kraft Gottes, die in<br />
ihm lebendig war Tag um Tag. Und dessen Weg eben darum der Weg<br />
des Lebens geworden ist, eines Lebens, das stärker ist als der Tod. Und<br />
der darum sagt: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“<br />
Das bekräftigt Paulus auf seine Weise: „Alles vermag ich durch den, der<br />
mir Kraft gibt“. Oder auch, wenn Sie die Worte aus der Luther-Bibel dazu<br />
im Ohr haben: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht“.<br />
In allem, in jeder Lebenslage kann ich fröhlich und getrost meines<br />
Glaubens leben.<br />
Etwas breiter entfaltet, könnte Paulus das wohl auch so sagen: So freue<br />
ich mich im Herrn <strong>–</strong> jetzt über die Hilfe, die ihr mir geschickt habt, und<br />
dass ihr diesen Kairos gefunden und wahrgenommen habt; genauso<br />
aber über die viel weiter reichende Verbundenheit mit euch. So habe<br />
ich mich im Herrn freuen können, manches Mal, wenn ich aus dem Vollen<br />
heraus leben konnte und auch nach ganz allgemeinen Maßstäben<br />
Grund hatte, Gott dankbar zu sein. Doch so kann ich mich im Herrn<br />
freuen auch zum Beispiel dann, wenn ich mit meiner eigenen Kraft an<br />
Grenzen gerate <strong>–</strong> ja, dann vielleicht erst recht. Denn dann erfahre ich<br />
es um so klarer: Ich vermag alles durch den, der mir Tag für Tag Kraft<br />
gibt <strong>–</strong> und von dessen Liebe mich nichts trennen soll <strong>–</strong> und der mein<br />
Herz immer wieder mit seiner Freude erfüllt.<br />
So, liebe Neujahrsgemeinde, hat Paulus es gelernt. Und in diese Glaubenszuversicht<br />
möchte er nicht nur die Christen aus Philippi damals<br />
einweihen, sondern auch uns. Ich wünsche uns zum Neuen Jahr die<br />
Freiheit, uns darauf einzulassen auf den Wegen unseres Lebens. Und<br />
vielleicht sollte ich besser noch sagen: dass wir diese Freiheit immer<br />
wieder aufs Neue finden und dass wir darin von Mal zu Mal gewisser<br />
werden.<br />
Wenn wir Gutes erfahren, ja wenn wir vielleicht sogar aus dem Vollen<br />
leben dürfen: dass wir das dann nicht gedankenlos und wie selbstverständlich<br />
hinnehmen, sondern fröhlich und dankbar <strong>–</strong> und dass wir uns<br />
dabei die Freude des Teilens und Weitergebens nicht entgehen lassen,<br />
7
wann immer sich ein „Kairos“ dafür bietet! Und wenn uns unser Weg<br />
über dunkle Wegstrecken führen sollte und in Tiefen von Entbehrung<br />
und Verlust: dass wir dann umso mehr danach Ausschau halten, wie<br />
Gottes Kraft in uns wirken will <strong>–</strong> vielleicht tief in unserem Innern, vielleicht<br />
auch durch die Hilfe anderer Menschen. Und dass wir dann, in dem allen,<br />
auch immer wieder den „Kairos“ finden, um mit Paulus sagen können:<br />
„Ich freue mich im Herrn.“ Ich freue mich in meiner Verbundenheit<br />
mit dem Herrn, der uns zuspricht: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“ Ja,<br />
ich wünsche uns, dass wir vielleicht sogar sagen können: Dies Leben, zu<br />
dem er uns befähigt, dies Leben ist mir immer wieder neu eine riesige<br />
Freude.<br />
Amen.<br />
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