Originalartikel lesen - Österreichische Ärztezeitung
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Hormonelle<br />
Kontrazeption<br />
In den letzten Jahren sind zahlreiche Kontrazeptiva mit stark reduzierter Ethinylöstradiolund<br />
Gestagendosis bei gleichzeitig erhaltener Sicherheit auf den Markt gekommen. Ein<br />
Leitfaden durch die gängigsten Präparate und sonstigen Applikationsformen.<br />
Von Michael Sator et al.*<br />
28<br />
❯ österreichische ärztezeitung ❮ 23/24 ❮ 15. dezember 2004
DFP - Literaturstudium<br />
© corbis<br />
Einleitung<br />
Als der amerikanische Endokrinologe<br />
Gregory Pincus im Jahre 1959 die ersten Daten<br />
über die Anwendung eines Ovulationshemmers<br />
veröffentlichte, war nicht vorauszusehen,<br />
dass nur 16 Jahre später weltweit etwa<br />
54 Millionen Frauen Ovulationshemmer<br />
gebrauchen würden. Das erste verfügbare<br />
Kombinationspräparat trug den Namen<br />
Enovid® mit den Inhaltsstoffen 9,85 mg<br />
Norethynodrel und 150 mg Mestranol. Hohe<br />
kontrazeptive Sicherheit, hoher Anwendungskomfort,<br />
ungestörte Sexualität und ein<br />
geringes Nebenwirkungsprofil sind die Anforderungen,<br />
die an moderne Kontrazeptiva<br />
gestellt werden. So wurden unterschiedliche<br />
synthetische Gestagene mit spezifischen extragenitalen<br />
Partialwirkungen, Kontrazeptiva<br />
ohne Ethinylöstradiol-Anteil, verschiedene<br />
Langzeitkontrazeptiva und die unterschiedlichsten<br />
Applikationsformen entwickelt.<br />
Verwendete Sexualsteroide<br />
a) Ethinylöstradiol<br />
In den ersten Pillenpräparaten wurden natürliche Östrogene<br />
eingesetzt; jedoch kam es doppelt so oft zu Zwischenblutungen<br />
als bei der Verwendung des synthetischen Steroids<br />
Ethinylöstradiol. Ethinylöstradiol unterscheidet sich von<br />
Östradiol durch eine Ethinylgruppe am C-Atom 17. Erthinylöstradiol<br />
wird nach oraler Aufnahme rasch im Dünndarm<br />
resorbiert; maximale Serumspiegel sind bereits ein bis zwei<br />
Stunden nach der Aufnahme zu erwarten. Bei allen erhältlichen<br />
Kontrazeptiva gelangt ausschließlich Ethinylöstradiol<br />
als Östrogen zum Einsatz. Die einzelnen Präparate unterscheiden<br />
sich nur hinsichtlich der Ethinylöstradiol-Dosis.<br />
b) Gestagene<br />
Neben der Ovulationshemmung kommt den Gestagenen<br />
aufgrund der unterschiedlichen Partialwirkungen große Bedeutung<br />
bei der richtigen Auswahl des Präparates zu. Folgende<br />
Partialwirkungen sind von Bedeutung (siehe Tab.1):<br />
; progesteronartige Wirkung<br />
; glukokortikoide Wirkung<br />
; antiandrogene Wirkung<br />
; antimineralokortikoide Wirkung<br />
Man unterscheidet die dem Progesteron strukturell verwandten<br />
Pregnane von den Nortestosteron-Derivaten. Die<br />
Progesteronderivate zeichnen sich vor allem dadurch aus,<br />
dass sie keine antiandrogene Partialwirkung haben, sondern<br />
eine zum Teil ausgeprägte antiandrogene Wirkung aufweisen.<br />
Nortestosteronderivate zeigen keine antiandrogene Partialwirkung.<br />
c) Drospirenon<br />
Drospirenon ist seit nahezu zehn Jahren das erste neue<br />
Gestagen. Es gehört zur Progesterongruppe und hat sowohl<br />
gestagene, antiandrogene und auch antimineralokortikoide<br />
Partialwirkungen. Die leichte natriuretische Wirkung antagonisiert<br />
die ethinylöstradiolinduzierte Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems<br />
mit der Tendenz zur<br />
vermehrten Wassereinlagerung. Drospirenon antagonisiert<br />
nicht den östrogeninduzierten Anstieg des SHBG, somit<br />
wird der Serumspiegel der freien Androgene nicht erhöht.<br />
Therapeutischer Einsatz<br />
hormoneller Kontrazeptiva<br />
Die Einnahme hormoneller Kontrazeptiva hat neben der<br />
primären ovulationsunterdrückenden Wirkung auch Einfluss<br />
auf extragenitale Organsysteme.<br />
Funktionelle Ovarialzysten<br />
Hier ist der therapeutische Einsatz von Ovulationshemmern<br />
zur Rezidivprophylaxe gerechtfertigt, sofern ein malignes<br />
Geschehen ausgeschlossen werden kann. Sowohl durch<br />
hochdosierte, als auch durch niedrigdosierte Kontrazeptiva<br />
kann eine Reduktion der Inzidenz funktioneller Zysten erreicht<br />
werden. Aufgrund der geringeren suppressiven Wirkung<br />
ist dieser Effekt allerdings bei den niedrigdosierten Präparaten<br />
geringer ausgeprägt als bei den hochdosierten Präparaten. Dies<br />
ist allerdings von geringer klinischer Relevanz,<br />
<br />
❯ österreichische ärztezeitung ❮ 23/24 ❮ 15. dezember 2004<br />
29
Wirkungsprofil von Progesteron und anderen Gestagenen<br />
Gestagen progesteronartige glukokortikoide antiandrogene antiminaeralo-<br />
da die meisten funktionellen Zysten<br />
ohnehin spontan verschwinden<br />
und so gut wie nie eine chirurgische<br />
Behandlung erforderlich ist.<br />
Hyperandrogenämie<br />
Hormonelle Kontrazeptiva und besonders<br />
solche mit antiandrogen wirksamen<br />
Gestagenen wie Cyproteronacetat<br />
(CPA), Chlormadinonacetat und<br />
Dienogest lassen sich zur Behandlung<br />
der Hyperandrogenämie therapeutisch<br />
einsetzen. Zu den Hauptsymptomen<br />
der Hyperandrogenämie gehören Hirsutismus,<br />
Akne, ölige Seborrhoe und<br />
androgenetische Alopezie. Während<br />
der Adoleszenz leiden etwa 40 Prozent<br />
aller jungen Mädchen unter einer mehr<br />
oder weniger ausgeprägten Akne.<br />
Dieses Phänomen ist darauf zurückzuführen,<br />
dass die Funktion der<br />
Talgdrüsen durch Androgene stimuliert<br />
wird und in dieser Lebensphase<br />
die Relation von Androgenen und<br />
Östrogenen noch zugunsten der Androgene<br />
verschoben ist. Die Behandlung<br />
der Hyperandrogenämie, die auf<br />
einer ovariellen Überfunktion mit konsekutivem<br />
Androgenexzess beruht,<br />
kann mit oralen Kontrazeptiva erfolgen.<br />
Der therapeutische Effekt beruht<br />
; auf der ovariellen Suppression der<br />
Androgensekretion<br />
; auf dem durch Ethinylöstradiol<br />
Wirkung Wirkung Wirkung kortikoide Wirkung<br />
Progesteron + – (+) +<br />
Drospirenon + – + +<br />
Levonorgestrel + – – –<br />
Gestoden + – – –<br />
Dienogest + – + –<br />
Norgestimat + – – –<br />
Desogestrel + – – –<br />
Cyproteronacetat + + + –<br />
Chlormadinonacetat + + + –<br />
induzierten Anstieg der hepatischen<br />
SHBG-Sekretion sowie<br />
; auf der antiandrogenen Potenz<br />
der Gestagene.<br />
Durch den Anstieg der SHBG-Konzentration<br />
sinkt der Anteil des freien,<br />
bioverfügbaren Testosterons im Serum.<br />
Bei Patientinnen mit leichter Hyperandrogenämie<br />
kann auch die Kombination<br />
von 35 µg Ethinylöstradiol und 2<br />
mg Cyproteronacetat beziehungsweise<br />
35 µg Ethinylöstradiol und 3 mg<br />
Chlormadinonacetat zur Suppression<br />
der ovariellen Androgenproduktion<br />
eingesetzt werden. Dadurch kommt es<br />
in 70 Prozent der Fälle zu einem deutlichen<br />
Rückgang der Symptome. Bei<br />
starker Hyperandrogenämie kommt<br />
initial eine hochdosierte Therapie mit<br />
Cyproteronacetat in Frage. Dazu können<br />
beispielsweise 50 mg Cyproteronacetat<br />
vom 1.-14. Zyklustag, kombiniert<br />
mit 30 µg Ethinylöstradiol gegeben<br />
werden. Nach sechs bis zwölf Monaten<br />
Behandlung kann man auf eine<br />
niedrig dosierte Standardtherapie übergehen.<br />
Dysmenorrhoe<br />
Man unterscheidet die primäre von<br />
der sekundären Form der Dysmenorrhoe<br />
(= schmerzhafte, mit starken Uteruskontraktionen<br />
einhergehende Regel).<br />
Die primäre Dysmenorrhoe tritt<br />
Tab. 1<br />
im jugendlichen Alter auf<br />
und ist Ausdruck einer dysfunktionellen<br />
Störung. Die<br />
sekundäre Dysmenorrhoe<br />
tritt im späteren Alter auf<br />
und wird beispielsweise bei<br />
einer Endometriose oder einem<br />
Myom beobachtet.<br />
Pathogenetisch liegt der<br />
Dysmenorrhoe eine Imbalance<br />
des Eicosanoidstoffwechsels<br />
zugrunde. Vermutlich<br />
ist die endometriale Synthese<br />
von PGF-2α erhöht, von Prostacyclin<br />
jedoch erniedrigt; die Relation<br />
zwischen uteruskontrahierenden und<br />
uterusrelaxierenden Mediatoren verschiebt<br />
sich zu Ungunsten der Relaxation.<br />
Unter oralen Kontrazeptiva<br />
kommt es zu einem signifikanten Absinken<br />
der PGF-2α Konzentration im<br />
Menstrualblut; in mehr als 70 Prozent<br />
kommt es darüber hinaus zu einem<br />
Nachlassen der dysmenorrhoischen Beschwerden.<br />
Sie stellen somit wirksame<br />
Therapeutika dar.<br />
Rezedivierende Adnexitiden<br />
Die Inzidenz unspezifischer Adnexitiden<br />
sieht man bei Frauen unter oralen<br />
Kontrazeptiva seltener als bei einem<br />
Vergleichskollektiv. Neben der Ovarialsuppression<br />
kommt es bereits zu Beginn<br />
der Behandlung zu einem festen<br />
Verschluss des Zervikalkanals. Dabei<br />
wird die zervikale Sekretion inhibiert.<br />
Der im geringen Umfang produzierte<br />
Zervixschleim lagert weniger Wasser<br />
ein, ist in seiner Konsistenz visköser<br />
und damit für pathogene Keime nur<br />
erschwert penetrierbar. Gonokokken<br />
und Chlamydieninfektionen stellen<br />
dabei eine Ausnahme dar.<br />
Zyklusunregelmäßigkeiten<br />
Orale Kontrazeptiva lassen sich auch<br />
zur Behandlung von Zyklusunregelmäßigkeiten<br />
einsetzen. Meno-Metrorrhagien<br />
und blutungsbedingte <br />
30<br />
❯ österreichische ärztezeitung ❮ 23/24 ❮ 15. dezember 2004
Eisenmangel-Anämien bessern sich<br />
während der Einnahme oraler Kontrazeptiva<br />
in den meisten Fällen.<br />
Auswahl des<br />
Kontrazeptivums<br />
Kombinations- und Sequenzpräparate<br />
Von allen hormonellen Kontrazeptiva<br />
werden Kombinationspräparate mit<br />
60 bis 70 Prozent am häufigsten verschrieben.<br />
Man unterscheidet<br />
; einstufige Kombinationspräparate<br />
; zweistufige Kombinationspräparate<br />
; dreistufige Kombinationspräparate<br />
Kombinationspräparate enthalten<br />
pro Tablette/Dragee 20-50 µg Ethinylöstradiol<br />
bzw. eine entsprechende Dosis<br />
eines Gestagens. In einem Zweistufenpräparat<br />
wird die Gestagendosis in<br />
der ersten Phase reduziert und erst in<br />
der zweiten Phase angehoben. Die<br />
Östrogenkomponente wird während<br />
der beiden Einnahmephasen nicht verändert.<br />
Beim Dreistufenpräparat wird<br />
die Gestagendosis sogar zweimal erhöht,<br />
und auch die Östrogenkomponente<br />
wird zur besseren Zykluskontrolle<br />
angepasst.<br />
Bei Zwei- und Dreistufenpräparaten<br />
handelt es sich um Kombinationspräparate,<br />
während Zweiphasenpräparate<br />
zur Gruppe der Sequenzpräparate gehören.<br />
Sequenzpräparate wurden deswegen<br />
entwickelt, da die gleichzeitige<br />
Östrogen- und Gestagengabe in den<br />
Kombinationspräparaten insbesondere<br />
in der frühen Zyklusphase unphysiologisch<br />
ist und die sequentielle Gabe von<br />
Östrogenen und Gestagenen den üblichen<br />
zyklischen Verhältnissen entspricht.<br />
Minipille<br />
Schematischer Aufbau des Nuva-Ring®<br />
Für Frauen, bei denen eine Kontraindikation<br />
gegen östrogenhaltige<br />
Präparate besteht, kann die reine Gestagengabe<br />
in Form der Minipille angeboten<br />
werden. Bei der Mikropille wiederum<br />
handelt es sich um die am niedrig<br />
dosiertesten oralen Kontrazeptiva.<br />
Die Gabe der Minipille ist auch in besonderen<br />
Situationen, wie zum Beispiel<br />
während der Stillzeit und bei relativ älteren<br />
Patientinnen indiziert. Obwohl<br />
die Minipille keine sichere Ovulationshemmung<br />
herbeiführt, sie dennoch Effekte<br />
auf:<br />
; die Gonadotropinsekretion<br />
; die Corpus-luteum Funktion<br />
; das Endometrium<br />
; den Eizelltransport<br />
; die Zusammensetzung des<br />
Zervikalschleims.<br />
Der Anteil anovulatorischer Zyklen<br />
beträgt unter Anwendung der Minipille<br />
15 bis 20 Prozent. Kommt es zu einer<br />
Ovulation, verhindern die Effekte<br />
eine effektive Konzeption. Um einen<br />
ausreichenden Schutz zu gewährleisten,<br />
muss die<br />
Minipille täglich,<br />
das heißt<br />
auch während<br />
der Blutung eingenommen<br />
werden.<br />
Abb. 1<br />
Seit einiger<br />
Zeit ist in<br />
Deutschland eine<br />
Minipille mit<br />
75 µg 3-Ketodesogestrel<br />
auf<br />
dem Markt. Im<br />
Gegensatz zu<br />
den bisher verfügbaren<br />
Minipillen<br />
kommt es bei Einnahme dieser<br />
Minipille zu einer Unterdrückung der<br />
Spitzenspiegel der endogenen Gonadotropine,<br />
der ovariellen Aktivität und<br />
der Ovulation. Die kontrazeptive Wirkung<br />
wird nicht primär durch extraovarielle<br />
Effekte erzielt, sondern ähnlich<br />
wie bei den Kombinations- oder<br />
Sequenzpräparaten durch eine Ovulationshemmung.<br />
Hormonelle Kontrazeption<br />
mit dem Vaginalring<br />
Das Vaginalepithel besitzt eine hohe<br />
Resorptionsfähigkeit für Steroide.<br />
Die ersten Vaginalringe enthielten<br />
ausschließlich Progesteron mit inakzeptablen<br />
Nebenwirkungen. 1993<br />
wurde ein Ring entwickelt, der aus<br />
Ethylenvinylacetat besteht und gleichmäßig<br />
Östrogen/Gestagen abgibt<br />
(Nuva-Ring®). Der Ring ist flexibel,<br />
transparent, vier Millimeter dick und<br />
besitzt einen Außendurchmesser von<br />
54 mm. Der Kern enthält eine Gesamtmenge<br />
von 2,7 mg Ethinylöstradiol<br />
und 11,7 mg Etonogestrel<br />
(ENG). Durch den Nuva-Ring® wird<br />
eine sichere Suppression der Follikelreifung<br />
und der Ovulation erreicht.<br />
Nach Entfernung des Ringes ist die<br />
Fertilität unmittelbar wieder gegeben.<br />
Die mediane Zeitdauer bis zur Ovulation<br />
nach Entfernen des Ringes betrug<br />
19 Tage ( Abb. 1).<br />
Gestagenhaltige Intrauterinsysteme<br />
Sie stellen eine Form der Kontrazeption<br />
dar, welche die Vorteile der klassischen<br />
Intrauterinpessare mit denen der<br />
hormonellen Verhütung miteinander<br />
verbinden, ohne die Nachteile beider<br />
Methoden zu haben. Das heute am<br />
häufigsten eingesetzte System besteht<br />
aus einem T-förmigen Polyäthylenkörper,<br />
der Levonorgestrel enthält, das in<br />
einer täglichen Menge von 20 µg freigesetzt<br />
wird und fünf Jahre lang einen<br />
ausreichenden kontrazeptiven Schutz<br />
bietet. Bereits nach wenigen Wochen<br />
kommt es zu atrophischen Veränderungen<br />
des Endometriums, die auf eine<br />
Blockade der Östrogenrezeptorfunktion<br />
zurückzuführen sind. Diese<br />
führt nach vier bis sechs Monaten zu<br />
einer deutlichen Reduktion <br />
32<br />
❯ österreichische ärztezeitung ❮ 23/24 ❮ 15. dezember 2004
der menstruellen Blutungsdauer<br />
und des menstruellen Blutvolumens, bei<br />
einigen Frauen bis zur Amenorrhoe.<br />
Während im ersten Anwendungszyklus<br />
(erstes bis fünftes Anwendungsjahr) etwa<br />
ein Viertel aller Frauen eine Amenorrhoe<br />
entwickeln, steigt diese Rate im<br />
zweiten Anwendungszyklus (sechstes bis<br />
zehntes Anwendungsjahr) auf nahezu 60<br />
Prozent. Diese endometrialen Veränderungen<br />
sind vollständig reversibel, so<br />
dass eine Konzeption auch unmittelbar<br />
nach Entfernung des Pessars möglich ist.<br />
Gestagenhaltige Imlantate<br />
Sie stehen in Form von etonogestrelhaltigen<br />
Systemen zur Verfügung. Das<br />
in Österreich erhältliche Implantat besteht<br />
aus einem Ethylen-Vinyl-Azetat-<br />
Träger mit einer Länge von vier Zentimeter<br />
und einem Durchmesser von<br />
zwei Millimeter. Im Kern des Implantates<br />
sind 68 mg kristallines Etonogestrel<br />
in einer Matrix aus Ethylen-Vinyl-Azetat-Kopolymer<br />
enthalten. Die Abgaberate<br />
beträgt initial 60-70 µg/die, am Ende<br />
des ersten Jahres 35-45 µg/die, am<br />
Ende des dritten Jahres 25-30 µg/die.<br />
Das Implantat sollte in den ersten vier<br />
bis fünf Tagen des Zyklus erfolgen. Falls<br />
es unmittelbar postpartal eingesetzt werden<br />
soll, empfiehlt sich die Einlage am<br />
21. bis 28. Tag nach der Entbindung.<br />
Das Stäbchen wird in Lokalanästhesie<br />
etwa sechs bis acht Zentimeter oberhalb<br />
der Ellenbeuge in der Furche zwischen<br />
Bizeps und Trizeps (Sulcus bicipitalis<br />
medialis) eingesetzt. Auf eine streng<br />
subdermale Lage muss geachtet werden,<br />
da es bei intramuskulärer Plazierung zu<br />
Problemen bei der Entfernung des Stäbchen<br />
kommen kann. Die Serumspiegel<br />
für Etonogestrel steigen innerhalb weniger<br />
Stunden an und erreichen bereits am<br />
ersten Tag ovulationshemmende Werte.<br />
Nach Entfernung des Stäbchens sinken<br />
die Etonogestrel-Serumspiegel etwa innerhalb<br />
einer Woche in den nicht messbaren<br />
Bereich; die Fertilität ist somit<br />
wieder gegeben.<br />
Dreimonatsspritze<br />
Beim Depot-Medroxyprogesteronacetat<br />
handelt es sich um eine mikrokristalline<br />
Suspension, die an der Injektionsstelle<br />
ein Depot bildet, aus<br />
dem langsam die Resorption erfolgt.<br />
Medroxyprogesteronacetat hemmt den<br />
präovulatorischen LH-Peak und seine<br />
Wirkung kommt hauptsächlich durch<br />
eine effektive Ovulationshemmung zustande.<br />
Am Endometrium kommt es<br />
im Lauf der Zeit zu einer Atrophie des<br />
Endometriums. Nach einjähriger Anwendung<br />
von Depot-Medroxyprogesteronacetat<br />
zeigen etwa 40 Prozent der<br />
Frauen eine Amenorrhoe. Die Spritze<br />
wird im Abstand von jeweils drei Monaten<br />
i.m. injiziert.<br />
Der Pearl-Index liegt bei 0,1 bis 0,6<br />
und ist damit der Sicherheit von Kombinationspräparaten<br />
vergleichbar. Frauen,<br />
die unter Endometriose, Dysmenorrhoe,<br />
Uterus myomatosus oder verstärkten<br />
Blutungen leiden, haben<br />
durch die Depotpräparate zusätzlich<br />
Vorteile. In den ersten sechs Anwendungsmonaten<br />
kommt es gehäuft zu<br />
Blutungsstörungen. Darüber hinaus ist<br />
bei Frauen mit Osteoporose ein negativer<br />
Einfluss bei einer Langzeitanwendung<br />
nicht auszuschließen. Nach dem<br />
Absetzen des Depots tritt eine Schwangerschaft<br />
durchschnittlich nach zehn<br />
Monaten ein.<br />
Die Pille danach<br />
Bei Frauen zwischen 19 und 26<br />
Jahren beträgt die Schwangerschaftsrate<br />
nach einmaligem ungeschützen<br />
Geschlechtsverkehr ein bis zwei Tage<br />
vor der Ovulation bis zu 50 Prozent.<br />
Yuzpe et al. entwickelten bereits in<br />
den 70er Jahren eine Form der Notfallkontrazeption,<br />
die aus einer kombinierten<br />
Verabreichung von 100 µg<br />
Ethinylöstradiol sowie 1mg Norgestrel<br />
besteht. Die häufigen Nebenwirkungen<br />
wie Übelkeit, Erbrechen,<br />
Schwindel und Müdigkeit konnten<br />
durch die Verabreichung von „Gestagen-only-pills“<br />
duetlich reduziert werden.<br />
Diese Pillen bestehen nur aus einer<br />
Gestagenkomponente, und zwar aus<br />
0,75 mg Levonorgestrel. Die einmalige<br />
Verabreichung von 1,5 mg Levonorgestrel<br />
ist genauso effektiv wie die<br />
Verteilung von Levonorgestrel auf<br />
zweimal 0,75 mg (Schwangerschaftsrate<br />
1,5 Prozent vs. 1,8 Prozent). Untersuchungen<br />
haben gezeigt, dass eine<br />
Schwangerschaftsrate, wenn die Einnahme<br />
binnen zwölf Stunden erfolgt,<br />
bei unter einem Prozent liegt. Erfolgt<br />
die Einnahme innerhalb von 61 bis 72<br />
Stunden, kommt es bei etwas mehr als<br />
drei Prozent zu einer Schwangerschaft.<br />
Der exakte Wirkmechanismus der oralen<br />
Notfallkontrazeption ist ungeklärt.<br />
Sicher ist, dass die „Gestagen-only-pille“<br />
nicht mit einer bereits etablierten<br />
Schwangerschaft interferiert. Die orale<br />
Notfallkontrazeption ist daher kein<br />
Abortivum; es mehren sich die Hinweise,<br />
dass die Ovulation unterdrückt<br />
wird.<br />
Kontrazeptive Sicherheit<br />
hormonaler Kontrazeptiva<br />
Die Wirksamkeit kontrazeptiver<br />
Methoden wird mit Hilfe des Pearl-Index<br />
bewertet, der die Anzahl der<br />
Schwangerschaften innerhalb eines<br />
Jahres bei 100 Anwenderinnen wiedergibt.<br />
Realistisch liegt der Pearl-Index<br />
bei Anwendung hormoneller Kontrazeptiva<br />
in der Größenordnung zwischen<br />
0,4 und 2,0. Die Versagerquote<br />
ist meist auf Einnahmefehler zurückzuführen<br />
(Abb. 3).<br />
Unerwünschte Nebenwirkungen<br />
und Komplikationen<br />
Thrombose<br />
Ethinylöstradiol verstärkt die hepatische<br />
Produktion von prokoagulatorischen<br />
Faktoren wie Faktor VII, Faktor<br />
X und Fibrinogen und erhöht das<br />
Thromboserisiko um das Drei- bis<br />
Vierfache. Bei Frauen, die keine Ethinylöstradiol-hältigen<br />
oralen Kontrazeptiva<br />
einnehmen, sind fünf bis elf<br />
Thrombosen/100.000 Frauenjahre zu<br />
erwarten. Die Einnahme Ethinylöstradiol-hältiger<br />
Kontrazeptiva erhöht die<br />
Thromboserate auf 30/100.000. Zum<br />
Vergleich: Eine Schwangerschaft erhöht<br />
die Thromboserate auf<br />
60/100.000.<br />
Angeborene Neigungen zur Thrombosebildung<br />
führen unter Ethinylöstradiol-hältigen<br />
Kontrakzeptiva zu <br />
34<br />
❯ österreichische ärztezeitung ❮ 23/24 ❮ 15. dezember 2004
DFP - Literaturstudium<br />
einem erhöhten Thromboserisiko. Heterozygote Träger<br />
der Faktor V Leyden-Mutation haben ein 30fach erhöhtes<br />
Thromboserisiko. Sollte eine genetische Thrombophilie bekannt<br />
sein, sind Kombinationspräparate kontraindiziert.<br />
Fettstoffwechselstörungen<br />
Epidemiologischen Untersuchungen zufolge scheinen<br />
orale Kontrazeptiva nicht mit einem erhöhten Langzeitrisiko<br />
für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems behaftet zu<br />
sein. Die östrogene Komponente oraler Kontrazeptiva verstärkt<br />
die Entfernung von low density lipoprotein (LDL) für Frauenheilkunde/AKH Wien<br />
aus der Blutbahn und erhöht die Konzentration von high<br />
density lipoprotein (HDL). Beide Effekte wirken sich günstig<br />
auf das Risiko für die Entwicklung von Herz-Kreislauferkrankungen<br />
aus. Allerdings kommt es ebenfalls zu einer Erhöhung<br />
der Triglyzeride im Blut, was als ungünstig zu werten<br />
ist. Die Gestagenkomponente wiederum<br />
antagonisiert diese östrogeninduzierten Lipidveränderungen.<br />
Ob einzelne Präparate in dieser<br />
Hinsicht besonders vorteilhaft oder nachteilig<br />
Pearl-Index kontrazeptiver Methoden<br />
sind, ist nicht bekannt.<br />
Hypertonie<br />
Orale Kontrazeptiva können sowohl den systolischen<br />
als auch den diastolischen Blutdruck um<br />
sechs bis acht mmHg erhöhen. Die WHO Collaborative-Study<br />
of Cardiovascular Disease and Steroid<br />
Hormone Contraception 1996 zeigte ein signifikant<br />
erhöhtes Risiko für Myokardinfarkt und<br />
Schlaganfall bei hypertensiven Anwenderinnen<br />
von oralen Kontrazeptiva. Insgesamt ist es daher<br />
empfehlenswert, nichtrauchenden Frauen 35 Jahre besteht.<br />
Neuere Studien zum Gebrauch von oralen<br />
Kontrazeptiva 35 µg Ethinylöstradiol enthalten, abgeraten<br />
werden.<br />
<br />
Abb. 3<br />
❯ österreichische ärztezeitung ❮ 23/24 ❮ 15. dezember 2004<br />
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