von medinger zu messer austria - Althofen
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Von<br />
MEDINGER<br />
<strong>zu</strong><br />
Industriestraße 5<br />
2352 Gumpoldskirchen, Niederösterreich<br />
Johann Medinger sen.<br />
geboren 18.1.1818 in Wien – verstorben 3.6.1900 in Wien<br />
Porträt aus dem „Orden-Ritter-Album“ Album“- k.k.a. art. Anstalt <strong>von</strong> Friedrich Schilling, Wien VII., Mariahilferstraße 48<br />
kaufte<br />
1849<br />
„An der Schleuse 4“ <strong>von</strong> Josef und Johanna Lankisch ein Wasserwerk in Gumpoldskirchen und errichtete dort<br />
1850<br />
„…eine Mühle mit zwei Gängen <strong>zu</strong>m Zermahlen <strong>von</strong> Farbholzgattungen….“:
Abschrift Dr. Johann Hagenauer 1996<br />
Die Antwort kam postwendend am 10. Jänner 1850:
Abschrift Dr. Johann Hagenauer 1996<br />
Johann Medinger setzte dabei zielstrebig und selbstbewusst seine erworbenen Kenntnisse aus der <strong>von</strong> ihm<br />
1941 übernommenen Farbholzschneidemühle in Wien-Simmering und der 1843 erworbenen Spezerei- und<br />
Schnittwarenhandlung „Zum Brief“ in der Kaiserstraße in Wien VII., die er in eine Verkaufsniederlage für<br />
geschnittene Farbhölzer und verwandte Artikel umwandelte, sehr erfolgreich ein:<br />
Spätere historische Aufzeichnungen der Stadtgemeinde Gumpoldskirchen berichten authentisch <strong>von</strong> zwei<br />
Beschreibungen der Farbholzschneidemühle:<br />
„Die Errichtung dieses Werkes besteht aus 2 Wasserrädern mit je 6 Pferdekräfte, 2 Schneidemaschinen, 2<br />
Raspeln, 3 Mahlmühlen, einem Stampfwerk, und mehreren Nebenmaschinen. Dasselbe verarbeitet jährlich<br />
500.000 bi 800.000 Kilogramm Farbholz, Rot-, Blau- und Gelholz, sowie verschiedeneFarbstoffe, welche<br />
Materialien in verkleinertem Zustandeinen Wert <strong>von</strong> 60.000 bis 100.000 fl (Gulden) repräsentieren. Das<br />
Erzeugnis wird in Wien, wo die Firma eine Niederlage besitzt, dann in den übrigen Ländern der österreichischabgesetzt.<br />
Das Hilfspersonal besteht aus 1<br />
Werksleiter und 10 bis 12 Taglöhnern, welche nebst freier Wohnung per Woche 7-10 fl. Lohn beziehen…“<br />
„….Medinger bezog Blauholz aus Mexico, Südamerika und Westindien, echtes Gelbholz aus Mexico, unechtes<br />
ungarischen Monarchie und in den Donau-Fürstentümern Gelbholz aus Ungarn, Dalmatien und Albanien. Rotholzaus Südamerika, diverse andere Farbstoffe aus China,<br />
Java, Ostindien…“<br />
Um 1890: Betriebsareal Medinger-Mühle „An der Schleuse 4“ aus alten Ansichten Gumpoldskirchen
1870<br />
pachtet er eine kleine Chemie-Fabrik mit Mühle in Himberg, wo er in Ergän<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> seinem Betrieb in<br />
Gumpoldskirchen sehr erfolgreich eine Reihe <strong>von</strong> Chemie-Produkten für Färbereien und Druckereien,<br />
vornehmlich Pigment- und Farbstoffe, herstellt, die bis dahin <strong>zu</strong> hohen Preisen aus dem Ausland importiert<br />
werden mussten. Die hergestellten Produkt-Qualitäten erlaubten <strong>zu</strong>sätzliche Exporte, speziell in den Orient<br />
und Übersee.<br />
Doch nicht immer ist im Betrieb in<br />
Gumpoldskirchen alles problemlos<br />
verlaufen:<br />
In der Nacht vom 4. Auf den 5. April<br />
kommt es – offensichtlich als Folge einer<br />
Überhit<strong>zu</strong>ng eines Mahlganges – <strong>zu</strong> einem<br />
Brand der Fabriksanlage.<br />
Abschrift Dr. Johann Hagenauer 1996<br />
1863<br />
Umfirmierung und Gründung der Firma<br />
Johann Medinger & Söhne<br />
am 27.07.1863 <strong>zu</strong>r bisherigen Gesellschaft eingetragen und auf HRA 5174 umgestellt<br />
(lt. Handelsgericht Wien 2010)
1865<br />
Verlässt Eduard Medinger den Betrieb und baut sich in den USA in San Francisco zwischenzeitlich eine eigene<br />
Existenz auf, und avanciert <strong>zu</strong>m erfolgreichen Leiter eines grossen Chemikalienhauses. Er kehrt<br />
1869<br />
mit reichem Fachwissen und Berufserfahrung wieder in das gemeinsame Unternehmen <strong>zu</strong>rück und legt den<br />
Grundstein <strong>zu</strong> einer erfolgreichen Harz- und Schellack-Produktion.<br />
1871<br />
Protokollierung <strong>zu</strong>r Farbwarenhandlung in Wien.<br />
1874<br />
scheidet Johann Medinger jun. aus der Geschäftsleitung nach seiner 1871 erfolgten Heirat mit Frl. Emilie<br />
Rach, Tochter des Brauereibesitzers der Nußdorfer Brauerei, aus, um als öffentlicher Gesellschafter in die<br />
Nußdorfer Brauerei ein<strong>zu</strong>treten.<br />
1877<br />
wird der jüngste Sohn Dr. Emil Medinger, Chemiker, nach Rückkehr <strong>von</strong> einer mehrmonatigen Studienreise<br />
durch England, Schottland und Frankreich mit einem Jahresgehalt <strong>von</strong> 2400 Gulden <strong>zu</strong>m Direktor des<br />
Betriebes in Himberg ernannt.<br />
1882<br />
Beachtliche Grundstücks-Zukäufe in Gumpoldskirchen:<br />
……mit, dass Herr Johann Medinger, Handelsgesellschafter,<br />
Frau Adelheid Medinger, Handelsgesellschafter Gattin und<br />
Herr Eduard Medinger, öffentlicher Gesellschafter der Firma J.<br />
Medinger & Söhne, Farbwaren und Productenhändler,<br />
sämtliche in Wien IV.Bezirk, Gusshausstraße 18 wohnhaft und<br />
mir persönlich bekannt vorhandenen Kauf- und<br />
Verkaufsertrag heute vor mir eigenhändig u. z. Herr Medinger<br />
Eduard mit seiner Firmenzeichnung „J. Medinger & Söhne“<br />
unterschrieben haben<br />
Fohleuthner<br />
kk Notar<br />
Auf Grund dieser Urkunde und <strong>zu</strong>folge gerichtlichen Bescheid<br />
vom 28. April 1882 Zahl 4842….das Eigentumsrechtfür die<br />
Firma J. Medinger & Söhne auf die Liegenschaft Grundbuch<br />
Gumpoldskirchen K fol 207, 208, 210 v 232, 233, 249, 254, 268,<br />
277, 278, 232 vo, II fol 13, 247, 244, 245, 251, 253 einverleibt.<br />
KK Grundbuchamt Mödling vom 28. April 1882<br />
Rundsiegel<br />
KK Bezirksgericht Mödling<br />
Graf<br />
Reinschrift: Christine Nakowits, NeufeldAus<strong>zu</strong>g aus dem 12-<br />
seitigem Kaufvertrag vom 28. April 1882 – Archiv Fa. J.<br />
Medinger & Söhne, Neufeld
1883<br />
Dr. Emil Medinger<br />
Eintritt des Dr. Emil Medinger als Gesellschafter in die Firma J. Medinger & Söhne – siehe Beitrag „Biografie<br />
des Dr. Emil Medinger“ im Almanach unter http://www.althofen.at/AvW_Museum/Seiten_d/geschichte_chemie.html<br />
1886<br />
Kauft die Gesellschaft die Weinsäurefabrik in Lajta-Ujfalu (Neufeld a. d. Leitha). Modernisierung des<br />
Produktionsverfahrens bringt beste europäische Weinsäure-Qualität und europaweiten Verkaufserfolg.<br />
1887<br />
Entsteht durch Großbrand in der Weinsäurefabrik großer Sachschaden; auch sonst bereitet dieses<br />
Unternehmen anfänglich größeren Verdruss.<br />
1888<br />
erfolgt die Übersiedlung des Himberger Betriebes nach Lajta Ujfalu<br />
1892<br />
Aufnahme der Produktion <strong>von</strong> Ammoniak flüssig wasserfrei“ in Lajta Ujfalu (Neufeld an der Leitha) <strong>zu</strong>r<br />
bestehenden Produktion <strong>von</strong> Kupfervitriol, Schwefel und anderen Chemikalien.<br />
1900<br />
Johann Medinger sen. verstirbt am 3.6.1900 nach längerem schweren Leiden.<br />
Das Unternehmen wird in seinem Sinne <strong>von</strong> seinen Söhnen Eduard und Dr. Emil Medinger weitergeführt.<br />
Zu dieser Zeit ist bereits das Unternehmen <strong>zu</strong> einem beachtlichen Produktions- und Handelsbetrieb mit<br />
etlichen Chemie-Spezialitäten für die Textil-, Leder-, Lack-, aber auch Lebensmittelindustrie bzw. Gewerbe<br />
angewachsen. Eine absolute Spezialität war der „Ammoniak wasserfrei“ des Betriebes in Lajta Ujfalu, der<br />
vermehrt in Kühlaggregaten der immer stärker expandierenden Kühlhäuser eingesetzt wurde.<br />
Das Unternehmen hat weltweit im- und exportiert und beobachtete ständig Kunden- und Marktverhalten,<br />
um auf der Höhe der Zeit <strong>zu</strong> sein.
1902<br />
Abschrift Dr. Johann Hagenauer<br />
1904<br />
Reinschrift Dr. Johann Hagenauer<br />
Verleihung an die Firma J. Medinger & Söhne im Briefkopf den<br />
kaiserlichen Adler im Schilde führen <strong>zu</strong> dürfen<br />
Zentrale Johann Medinger & Söhne, Wien IV., Guszhausstraße 30 Wiener<br />
Handelsblatt no. 240 vom 19. Oktober 1927
In die Zeit <strong>von</strong> 1905 – 1907 fällt auch die Tätigkeit des später berühmten und populären Chemikers Dr. Franz<br />
Fattinger.<br />
Noch vor Abschluss seines Hochschulstudiums <strong>zu</strong>m Dr. techn. arbeitete er als<br />
Betriebsleiter bei J. Medinger & Söhne in Neufeld an der Leitha (Lajta Ujfalu) in<br />
den Produktionsbereichen Weinsäure, Ammoniak und Schwefelsäure. Dort<br />
gelang es ihm durch Verfahrensverbesserung die Weinsäureausbeute wesentlich<br />
<strong>zu</strong> erhöhen, sowie mit einem neuen, sehr effizienten Verfahren <strong>zu</strong>r Reinigung<br />
verflüssigter Gase qualitative und quantitative Produktionsverbesserungen <strong>zu</strong><br />
erzielen.<br />
1908, nach einem kurzzeitigen Intermezzo beim Österreichischem Patentamt,<br />
folgte er dem Ruf nach Treibach in die Treibacher Chemischen Werke des<br />
Freiherrn Carl Auer <strong>von</strong> Welsbach, der, ebenso wie Emil Medinger, Schüler des<br />
legendären Dr. Bunsen in Heidelberg, war.<br />
Dort schrieb er eine Reihe auch wirtschaftlich sehr interessanter Patente, forcierte die Cereisen-Produktion,<br />
produzierte fü Auer <strong>von</strong> Welsbach Pflanzenschutzmittel und wurde mehrmals <strong>zu</strong>m 1. Landtagspräsidenten<br />
<strong>von</strong> Kärnten gewählt.<br />
Eine ausführlichere Biogrphie über Dr. Franz Fattinger ist unter<br />
www.<strong>austria</strong>-lexikon.at<br />
in den Kategorien „Biografien“ und „Erfinder“ nach<strong>zu</strong>lesen.<br />
1906<br />
Aufgrund der Herstellungserfolge bei „Ammoniak flüssig wasserfrei“ und der Eigenproduktion <strong>von</strong><br />
komprimierten Gasen erste Überlegungen, selbst die Erzeugung <strong>von</strong> Stickstoff, Wasserstoff und Sauerstoff<br />
nach dem Luftzerlegungsverfahren <strong>von</strong> Linde <strong>zu</strong> beginnen.<br />
Der Patentinhaber für das Luftverflüssigungsverfahren <strong>von</strong> Karl Linde, die Gesellschaft für Lindes<br />
Eismaschinen, war allerdings nicht <strong>zu</strong> einem Patentverkauf <strong>zu</strong> bewegen, weshalb J. Medinger & Söhne<br />
beschlossen,
1908<br />
Die bisherige Gase-Produktion samt Werk um 120.000.- Kronen an die<br />
<strong>zu</strong> verkaufen und sich mit ca. 25 % daran <strong>zu</strong> beteiligen und die Gase-Produktion sowohl am Standort<br />
Gumpoldskirchen, als auch Wien XIII., Lützowgasse 1, <strong>zu</strong> belassen.<br />
Aus Gründen der besseren<br />
Anfertigung – Stadt-Archiv Gumpoldskirchen<br />
Lesbarkeit Negativ-
Die Gumpoldskirchner Farbholzschneide- und Raspelbetriebe wurden nach Lajta-Ujfalu (Neufeld an der<br />
Leitha) verlegt. Die Schilderung der Fortset<strong>zu</strong>ng dieser Firmenentwicklung <strong>von</strong> „Johann Medinger & Söhne“<br />
werden in einem separaten Beitrag behandelt.<br />
Mit diesen Veranlassungen wurde der Grundstein einer interessanten und rasanten und <strong>zu</strong>dem kompetenter<br />
Geschäftsentwicklung auf dem Gebiet der Herstellung komprimierter Gase gelegt und <strong>zu</strong>sätzlich den<br />
Marktanforderungen, die aus der metallverarbeitenden Industrie nach autogenem Schneiden und Schweißen<br />
Rechnung getragen.<br />
Eine logische Folge war die Errichtung <strong>von</strong> Zweigfabriken in den damaligen Ländern der Monarchie.<br />
Wie erfolgreich sich dieses neue Unternehmen im Markt etablierte mögen die folgenden Patente (die<br />
vollinhaltlich vom Autor abgefragt werden können) demonstrieren:
Kopien der Patentschriften sind beim Autor bzw. Frau HR Dr. Ingrid Weidinger, ÖPA Ingrid.Weidinger@patentamt.at erhältlich
Mitarbeiter der österreichisch-ungarischen Sauerstoffwerke 1913<br />
1919<br />
Nach verlorenem Ersten Weltkrieg gehen die Österreichisch-Ungarischen Sauerstoffwerke in der Hydroxygen<br />
Ges. m. b. H., Wien IV., Gußhausstraße 20, auf, die ihrerseits bereits 1908 parallel <strong>zu</strong> den Österr.-ung.<br />
Sauerstoffwerken gegründet wurden:<br />
Eintragung Vernay´s 4-Staaten-<br />
Almanach 1928 S 210 u S 38<br />
Werbeeinschaltung Industrie Compass<br />
1919 Bd I<br />
1927<br />
An der Hydroxygen Ges. m. b. H. waren beteiligt:<br />
70 % Linde Maschinen AG München<br />
28 % Vereinigte Autogengaswerke Wien*<br />
2 % vermutlich Karl Haussmann
An den Vereinigten Autogengaswerken Wien (gegründet 1927)<br />
waren <strong>zu</strong> je 1/3 beteiligt:<br />
Hydroxygen Ges. m. b. H. Gumpoldskirchen<br />
Wiener Sauerstoffwerke Ges. m. b. H., Wien XIII.,<br />
Österreichische AGA-Werke Schwechat (mehrheitlich<br />
schwedischer Besitz)<br />
Wiener Sauerstoffwerke Gesellschaft m. b. H.<br />
Wien XIII., Breitenseerstraße 86<br />
später Wien XIII., Lützowgasse 3 – 5<br />
Gegründet: 1912<br />
Gelöscht: 1943<br />
Einschaltungen: Vernay´s 4-Staaten-Almanach 1928 S 318 bzw. Werbung Industrie Compass 1919 s 1257 und Industrie Compass 1935<br />
Siehe auch Beitrag “SAUERSTOFFWERKE JULIUS KASZAB“ im Almanach „Geschichte der Chemischen Industrie Österreichs 1914 – 2004“<br />
http://www.althofen.at/AvW_Museum/Seiten_d/geschichte_chemie.html<br />
AGA-Werke Schwechat<br />
1916/17 entstand der Standort Schwechat mit einem Sauerstoff- sowie Dissousgaswerk (Azetylen) und einer<br />
"Maschinen- und Schweissapparate- Bauanstalt" und verfügte als seinerzeitige Besonderheit über einen<br />
Eisenbahnanschluss und ein zentrales Heizhaus (Bild und Text: Air Liquide Austria – Firmengeschichte AGA)<br />
Industrie Compass<br />
(Bild und Text: Air<br />
Firmengeschichte<br />
1935<br />
Liquide Austria –<br />
AGA)
Zwischenkriegszeit<br />
Mitarbeiter Hydroxygen<br />
Verkaufs- und Präsentationsteam Hydroxygen
Schneid- und Schweißpräsentation<br />
Es wurden offensichtlich keine Kosten und Mühen gescheut, die hergestellten Gase und Schneid- und<br />
Schweißgeräte im Markt <strong>zu</strong> platzieren. Allerdings zeigt es nicht gerade <strong>von</strong> übertriebener Kompetenz, wenn<br />
man sich mit Zigarre vor Gasflaschen ablichten lässt.<br />
Ein allerdings noch viel krasseres Beispiel <strong>von</strong> werbewirksamer Inkompetenz findet sich im Bild oben, wo im<br />
kleinen, „werbewirksamen“ Schild angepriesen wird, dass „Schneiden und Schweissen mit Benzin und<br />
Sauerstoff“ erfolgt…..<br />
Gemeint ist sicherlich die chemische Verwandtschaft <strong>von</strong> Acetylen und Benzinen, weil beide<br />
Kohlenwasserstoffe sind – aber so wie im Bild dargestellt, sollte eine Simplifizierung der Chemie nicht doch<br />
gehen….<br />
Es ist daher auch nicht überraschend, wenn die Chronik <strong>von</strong> äußerst schleppendem Geschäftsgang bis <strong>zu</strong>r<br />
Produktionsschließung Ende er 20-iger Jahre berichtet. Das Werk diente in den folgenden Jahren lediglich als<br />
Auslieferungslager bis mit der Machtergreifung der NSDAP aus kriegswirtschaftlichen Gründen<br />
1938<br />
eine neue, politisch genehme Geschäftsleitung eingesetzt und mit einer Investitionssumme <strong>von</strong> 1 Million RM<br />
das Werk auf einen betriebssicheren Stand gebracht wurde.
Industrie Compass 1939 S 754<br />
Ein kleines Detail am Rande: nun war die Hydroxygen-Gesellschaft ein rein wiener Betrieb, denn<br />
Gumpoldskirchen wurde, da Mödling der 24. Bezirk Wiens war, eingemeindet.<br />
1940<br />
Die deutsche Linde AG hält 98 % der Firmenanteile der „Hydroxygen“.<br />
1945<br />
wurde das Werk als ehemaliges Deutsches Eigentum <strong>von</strong> den Sowjets ab<br />
1948<br />
unter ihre USIA-Verwaltung gestellt.<br />
Da das Werk relativ geringfügige Kriegsschäden in der geschätzten Höhe <strong>von</strong> 250.000,- öS erlitten und<br />
lediglich den Verlust einiger tausend Stahlflaschen als Beutegut an die sowjetische Armee <strong>zu</strong> beklagen hatte,<br />
wurden in dieser Zeit dann fast ausschließlich USIA-Betriebe, vornehmlich mit Sauerstoffflaschen beliefert.<br />
Privatbetriebe, auch jene in unmittelbarer Nachbarschaft, hatten da das Nachsehen – sieht man <strong>von</strong><br />
hochriskanten Nacht- und Nebelaktionen ab….<br />
Ein aus heutiger Sicht absolutes Kuriosum, das andererseits aber die Wirren der damaligen USIA-Zeit deutlich<br />
demonstriert: 1400 der beschlagnahmten Sauerstoff- bzw. Stahlflaschen wurden später <strong>von</strong> der sowjetischen<br />
Militärverwaltung dem Unternehmen <strong>zu</strong>m Preis <strong>von</strong> 21.000,- öS <strong>zu</strong>m „Rückkauf“ wieder angeboten – und<br />
damit war das Geschäft perfekt.<br />
1954<br />
arbeitete das Werk mit einem Beschäftigtenstand <strong>von</strong> 96 Mitarbeitern wieder mit 100 % Auslastung.<br />
1955<br />
Begann mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages ein Wettlauf um das Werk:<br />
während sich die Mitarbeiter der „Hydroxygen“ mehrheitlich für die Verstaatlichung des Unternehmens<br />
aussprachen – siehe nachstehender, absolut lesenswerter Schriftwechsel mit dem österreichischen<br />
Finanzministerium – traten die ehemaligen Haupt- bzw. Miteigentümer Linde und AGA, allerdings mit<br />
unterschiedlichen Zielset<strong>zu</strong>ngen, auf den Plan:<br />
Linde wollte in Gumpoldskirchen die Produktion fortsetzen, AGA den Standort schließen, weil entsprechende<br />
Kapazitäten im Werk Schwechat vorhanden waren, und man auch einen unliebsamen Konkurrenten aus dem<br />
wieder umkämpften Markt verdrängen konnte.
Die Marktgemeine Gumpoldskirchen favorisierte einen privaten Unternehmer als Käufer:
Reinschriften Dr. Johann Hagenauer<br />
Die diversen Verhandlungen dauerten bis<br />
1959<br />
dann endlich der in Wiener Neustadt ansässige Industrielle Dr. Friedrich Baumgartner das Unternehmen<br />
kaufte und unter dem bisherigen Firmennamen sehr erfolgreich bis 1969 als Alleinbesitzer weiterführte.<br />
Im Zuge des dynamischen Nachkriegs-Aufschwunges zeigte das bundesdeutsche Unternehmen Messer<br />
Griesheim an der „Hydroxygen“ reges Interesse, was dann<br />
1971<br />
schlussendlich <strong>zu</strong> einer Totalübernahme und Umfirmierung <strong>zu</strong>r „Messer Griesheim Austria“ führte.<br />
Die deutsche Konzernmutter ihrerseits rseits war eine „BG“ (Beteiligte Gesellschaft, an der die Hoechst AG mit 50<br />
% beteiligt war) der großen deutschen „HOECHST AG“ in Frankfurt am Main.<br />
Die „HOECHST AG“ ihrerseits ging aus der legendären deutschen „IG FARBEN“, die nach Kriegsende 1945 <strong>von</strong><br />
den Alliierten zerschlagen wurde, hervor.<br />
Messer Griesheim entstand 1965 durch Fusion <strong>von</strong> einigen Unternehmensteilen der Hoechst AG mit der<br />
Adolf Messer GmbH, Deutschland.
aus div. Hoechster Werbe-Schriften
Kerngeschäfte waren <strong>zu</strong>nächst die klassischen Sparten Schweißtechnik mit Maschinen, Geräten und<br />
Zusatzwerkstoffe, dann die Herstellung <strong>von</strong> Industriegasen, sowie der Aufbau einer modernen Analytik, um<br />
einerseits die anfallenden Kundenprobleme rasch lösen <strong>zu</strong> können, andererseits s eine unbestechliche<br />
Qualitätskontrollen <strong>zu</strong> garantieren.<br />
Mit dem weltweiten Chemie-Know-Hows eines klassischen „Multis“ im Rücken wurde dann im Laufe der<br />
Jahre das Gase-Produktionsprogramm dynamisch erweitert.<br />
1978<br />
Neubau der Luftzerlegungsanlage (LZA) mit einer Kapazität <strong>von</strong> 1400 m3/h Sauerstoff<br />
1986<br />
50%iger Erwerb der Firma C. Franzel & Söhne KG, Wien<br />
1987<br />
Neubau der Acetylenfabrik<br />
1988<br />
Erweiterung der LZA auf 4000 m3/h<br />
1991<br />
Aufbau und Betreuung der ersten neuen Messer-Gesellschaften in Mittel-Südost-Europa
1993<br />
Klinische Erprobung, Patentierung und erfolgreiche Markteinführung des <strong>von</strong> Messer Austria entwickelten<br />
Sauerstoff/Stickstoff-Dosiergerätes Pulmonox® für die Beatmung in der Intensiv-Medizin<br />
Aus Info-Broschüre Messer Griesheim
1991-1996<br />
Errichtung <strong>von</strong> 4 Abfüllwerken in Österreich<br />
1994/5<br />
Einführung <strong>von</strong> leistungsorientierter Entlohnung, u.a. Prämienzahlungen für Angestellte und Arbeiter<br />
1996<br />
Zertifizierung der MGA nach DIN ISO 9001<br />
1997<br />
Joint Venture mit Gerhold, Herzogenburg<br />
Erwerb der Medizintechnikunternehmen Sanesco AG und Laborex AG, Wien<br />
Zertifizierung nach ISO 14001, ISO 46001, und der EMAS 1836/93<br />
1998<br />
Fusion/Verschmel<strong>zu</strong>ng der Messer Gerhold in die Messer Austria<br />
1999<br />
Fusion/Verschmel<strong>zu</strong>ng der C. Franzel & Söhne KG in die Messer Austria<br />
2001<br />
Inbetriebnahme des 1. Europäischen Schallemissions-Flaschenprüfwerkes in Herzogenburg<br />
2002<br />
Einführung des individuellen Flaschenverfolgungssystems BABEL<br />
2004<br />
Bau des Kompetenzzentrums für Forschung und Entwicklung für Industrie, Metallurgie, Wärmebehandlung<br />
und Brennertechnologie<br />
2006/7<br />
Bau der Restgasverwertungsanlage und des Helium Tanklagers<br />
Foto: Messer Austria
Im neu erbauten Forschungs- und Entwicklungszentrum Gumpoldskirchen werden marktgerechte<br />
Anwendungen für die Bereiche Lebensmitteltechnik, Umweltschutz, Metallurgie, Verfahrenstechnik<br />
entwickelt. Vom Frosten und Verpacken <strong>von</strong> Lebensmitteln über Schmelz- und Härtevefahren für Metalle bis<br />
<strong>zu</strong>m Aufbereiten <strong>von</strong> Trink- und Abwasser spannt sich der vielfältige und interessante Bogen der Gase-<br />
Anwendungen<br />
Foto: Messer Austria<br />
Messer Austria<br />
Messer Austria gehört <strong>zu</strong>r Messer Gruppe und verfügt über sieben Standorte und 74 Gasecenter. Am<br />
Standort Gumpoldskirchen sind modernste Produktions- und Abfüllanlagen im Einsatz; Gasecenter und<br />
Abfüllanlagen in allen Bundesländern sorgen für eine schnelle und individuelle Gasversorgung.<br />
Messer Austria betreibt Luftzerlegungsanlagen, lagert und transportiert Gase per Tankwagen oder Flaschen<br />
und erzeugt Gase auch vor Ort.<br />
Ebenso vielseitig wie das Spektrum der Gase sind die Branchen, die <strong>von</strong> diesen Gasen und dem<br />
anwendungstechnischen Know-how der Messer-Mitarbeiter profitieren: die Stahl- und Metallverarbeitung,<br />
die Chemie, die Lebensmittel- und pharmazeutische Industrie, die Automobil- und Elektronikindustrie, die<br />
Medizin, die Forschung und die Umwelttechnik.<br />
Messer Austria GmbH<br />
Industriestraße 5<br />
A-2352 Gumpoldskirchen<br />
Tel.: +43 (0) 50603-0<br />
Fax: +43 (0) 50603 273<br />
www.<strong>messer</strong>.at<br />
Im Bereich Medizin konzentriert sich die<br />
Messer Medical Austria<br />
als führender österreichischer Distributor <strong>von</strong> internationalen Medizingerätehersteller auf die Bereiche Clinical Care und<br />
Home Care.
Quellen:<br />
Archiv Fa. J. Medinger & Söhne, Neufeld<br />
Industrie Compass 1919, 1925, 1935<br />
Wiener Handelsblatt No. 240 vom 19. Oktober 1927<br />
Vernay´s 4-Staaten-Almanach 1928<br />
Österreichisches Patentamt, Wien XX.,<br />
Dr. Johann Hagenauer: 850 Jahre Gumpoldskirchen, Gumpoldskirchen 1990<br />
Dr. Johann Hagenauer: Von Medinger <strong>zu</strong> Messer Griesheim, Gumpoldskirchen 1996<br />
Eintragungen Handelsgericht Wien, Wien III.,<br />
Archiv Fa. Messer Austria GmbH, Gumpoldskirchen<br />
Archiv Fa. Linde Österreich – Firmengeschichte AGA<br />
Austria Forum – Dr. Fattinger<br />
Werner Kohl: Geschichte der Chemischen Industrie Österreichs 1914-2004 – Österr. Sauerstoffwerke<br />
http://www.althofen.at/AvW_Museum/Seiten_d/geschichte_chemie.html<br />
Am Zustandekommen dieses Beitrages gebührt folgenden Personen der besondere Dank des Autors:<br />
Elisabeth Schmid – Handelsgericht Wien<br />
Dr. Ingrid Weidinger – Österreichisches Patentamt<br />
Angelika Zsanko – Sanochemia, Neufeld<br />
Christine Nakovits, Neufeld<br />
Dr. Helga Maria Wolf – Austria Forum, Wien<br />
Dr. Johann Hagenauer, Gumpoldskirchen<br />
Dir. KR Anton Dallos – Sanochemia, Neufeld<br />
Herbert Herzog – Messer Austria, Gumpoldskirchen<br />
Werner Kohl<br />
werner.kohl1@tele2.at<br />
Projektmanager<br />
Auer <strong>von</strong> Welsbach–Forschungsinstitut, <strong>Althofen</strong><br />
Wien, ergänzt und aktualisiert im November 2010