Die ASchG-Novelle 2013 - Arbeitsinspektion
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<strong>Die</strong> <strong>ASchG</strong>-<strong>Novelle</strong><br />
<strong>2013</strong><br />
Von Dr. Reinhart Kuntner<br />
Am 1. Jänner <strong>2013</strong> sind eine Reihe von Änderungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes<br />
(<strong>ASchG</strong>) in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 118/2012). <strong>Die</strong> Gesetzesnovelle umfasst eine verstärkte<br />
Beachtung von psychischen Belastungen und Gefährdungen von Arbeitnehmer/innen, die Anpassung<br />
der Regelungen über Arbeitsstoffe an die CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 sowie<br />
eine Reihe von redaktionellen Anpassungen. <strong>Die</strong> wichtigsten Regelungen sollen nachstehend<br />
kurz zusammengefasst werden.<br />
I. EINLEITUNG<br />
Seit dem Arbeitnehmerschutz-Reformgesetz<br />
2001 hat keine größere Novellierung des<br />
ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (<strong>ASchG</strong>)<br />
mehr stattgefunden. In der Zwischenzeit hat<br />
sich einerseits ein inhaltlicher Anpassungsbedarf<br />
(psychische Gefährdungen und Belastungen,<br />
Arbeitsstoffe) ergeben und andererseits<br />
das Erfordernis von Aktualisierungen und redaktionellen<br />
Anpassungen. <strong>Die</strong>se Anliegen<br />
werden mit der vorliegenden Gesetzesnovelle<br />
umgesetzt.<br />
In den nachstehenden Erläuterungen sollen<br />
die für den Verkehrsbereich wichtigsten Gesetzesänderungen<br />
erläutert und insbesondere<br />
auch in Hinblick auf die Auswirkungen für<br />
den Verkehrsbereich näher betrachtet werden.<br />
II. PSYCHISCHE BELASTUNGEN<br />
UND GEFÄHRDUNGEN<br />
In der Arbeitswelt ist eine massive Zunahme<br />
psychischer Belastungen und Gefährdungen<br />
der Arbeitnehmer/innen festzustellen, die wiederum<br />
arbeitsbedingte Beschwerden und Erkrankungen<br />
zur Folge haben. Dabei verursachen<br />
psychische Belastungen und Gefährdungen<br />
nicht nur psychische Störungen, sondern<br />
verstärken auch andere Krankheiten, beispielsweise<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen,<br />
Muskel-Skelett-Erkrankungen, Magenbeschwerden,<br />
Schlafstörungen oder Diabetes.<br />
Mit der vorliegenden Gesetzesnovelle soll<br />
eine verstärkte Prävention gegen die psychischen<br />
Gefährdungen und Belastungen am Arbeitsplatz<br />
erreicht werden.<br />
Als wichtigste Ursachen für psychische Fehlbelastungen<br />
sind insbesondere anzuführen:<br />
- Zunehmender Leistungs- und Konkurrenzdruck,<br />
- Arbeitsverdichtung sowie unangemessener<br />
Zeit- und Termindruck,<br />
- unangemessene Wiederholung immer<br />
gleicher Arbeitsvorgänge,<br />
- Informationsmangel und Informations -<br />
überflutung,<br />
- knappe Personalbemessung,<br />
- Verwischen der Grenzen zwischen Arbeit<br />
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und Freizeit,<br />
- häufige Umstrukturierungen und Angst<br />
vor Arbeitsplatzverlust,<br />
- fehlende Handlungsspielräume und fehlende<br />
Beteiligungsmöglichkeiten,<br />
- isoliertes Arbeiten ohne Möglichkeit zu<br />
sozialen Kontakten.<br />
Bereits bisher sah das <strong>ASchG</strong> eine Berücksichtigung<br />
unter anderem auch der psychischen<br />
Belastungen der Arbeitnehmer/innen<br />
sowie erforderlichenfalls eine Beiziehung von<br />
Arbeitspsychologen bei der Präventivbetreuung<br />
vor, diese Vorgaben wurden jetzt durch<br />
ergänzende Regelungen (insbesondere §§ 2<br />
Abs. 7a, 4 Abs. 1 Z 6, 4 Abs. 5 Z 2a, 7 Z 4a<br />
<strong>ASchG</strong>) und Klarstellungen (insbesondere §§<br />
2 Abs. 7, 4 Abs. 6, 60 Abs. 2 <strong>ASchG</strong>) konkretisiert.<br />
Durch die Klarstellungen soll auch der<br />
Bewusstseinsbildungsprozess bei den Verantwortlichen<br />
in den Betrieben unterstützt und intensiviert<br />
werden. Ergänzend dazu wird auch<br />
die Arbeits- und Organisationspsychologie<br />
verstärkt in die Ausbildung der Arbeitsmediziner/innen<br />
integriert (Verordnung über die arbeitsmedizinische<br />
Ausbildung von Ärzten).<br />
<strong>Die</strong> wichtigsten ergänzenden Regelungen<br />
und Klarstellungen in der Gesetzesnovelle<br />
zur verstärkten Berücksichtigung der psychischen<br />
Gefährdungen und Belastungen sind:<br />
- In § 2 Abs. 7 <strong>ASchG</strong> wird klargestellt,<br />
dass arbeitsbedingte physische und psychische<br />
Gefahren als Gefahren im<br />
Sinne des <strong>ASchG</strong> anzusehen sind.<br />
- In § 2 Abs. 7a <strong>ASchG</strong> (neu) wird klargestellt,<br />
dass physische und psychische<br />
Gesundheit als Gesundheit im Sinne des<br />
<strong>ASchG</strong> zu verstehen sind.<br />
- In § 4 Abs. 1 Z 6 <strong>ASchG</strong> (neu) wird als<br />
Schwerpunkt bei der Evaluierung (Ermittlung<br />
und Beurteilung der Gefahren und<br />
Festlegung von Maßnahmen zur Gefahrenverhütung)<br />
„die Gestaltung der Arbeitsaufgaben<br />
und die Art der Tätigkeiten,<br />
der Arbeitsumgebung, der Arbeitsabläufe<br />
sowie der Arbeitsorganisation“<br />
aufgenommen.<br />
- In § 4 Abs. 5 Z 2a <strong>ASchG</strong> (neu) werden<br />
als Anlassfall für eine Überprüfung und<br />
erforderlichenfalls Anpassung der Evaluierung<br />
(„Nachevaluierung“) „Zwischenfälle<br />
mit erhöhter arbeitsbedingter<br />
psychischer Fehlbelastung“, beispielsweise<br />
betriebliche Krisen, Gewaltübergriffe<br />
oder posttraumatische Stress-Syndrome,<br />
aufgenommen.<br />
- In § 4 Abs. 6 <strong>ASchG</strong> wird im Rahmen der<br />
bei der Evaluierung beizuziehenden<br />
Fachleute insbesondere auf die Arbeitspsychologen<br />
hingewiesen.<br />
- In § 7 Z 4a <strong>ASchG</strong> (neu) wird im Rahmen<br />
der Grundsätze der Gefahrenverhütung<br />
die „Berücksichtigung der Gestaltung der<br />
Arbeitsaufgaben und Art der Tätigkeiten,<br />
der Arbeitsumgebung, der Arbeitsabläufe<br />
und Arbeitsorganisation“ aufgenommen.<br />
- In § 60 Abs. 2 <strong>ASchG</strong> wird klargestellt,<br />
dass bei der Gestaltung von Arbeitsvorgängen<br />
psychische Belastungen möglichst<br />
gering gehalten und ihre gesundheitsschädigenden<br />
Auswirkungen abgeschwächt<br />
werden müssen.<br />
Durch die ergänzenden Regelungen und Klarstellungen<br />
wird der Stellenwert der psychischen<br />
Belastungen und Gefährdungen im<br />
<strong>ASchG</strong> noch deutlicher als bisher hervorgehoben<br />
und werden die durchzuführenden<br />
Maßnahmen zur Ermittlung der psychischen<br />
Belastungen und Gefährdungen verdichtet<br />
und konkretisiert.<br />
Im Verkehrsbereich haben psychische Belastungen<br />
und Gefährdungen neben den schädigenden<br />
Einwirkungen auf die Arbeitneh -<br />
mer/innen darüber hinaus auch eine besondere<br />
sicherheitstechnische Bedeutung. So<br />
ist beispielsweise das System Eisenbahn<br />
durch eine komplexe Verknüpfung der Teil-<br />
Systeme „Eisenbahnanlage“, „Eisenbahnfahrzeug“<br />
und „Eisenbahnbetriebsvorschrift“<br />
bestimmt, die zueinander in sensiblen<br />
Wechselbeziehungen stehen. Daher haben<br />
störende Einwirkungen auf eines der Teil-<br />
Systeme regelmäßig auch massive Auswirkungen<br />
auf die Gesamtsicherheit.<br />
<strong>Die</strong> Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen<br />
Teil-Systemen werden zu einem<br />
großen Teil durch die sichere Festlegung von<br />
Arbeitsvorgängen (in <strong>Die</strong>nstvorschriften,<br />
<strong>Die</strong>nstanweisungen, Schriftlichen Betriebsanweisungen)<br />
bestimmt, die so gestaltet sein<br />
müssen, dass menschliche Fehler („Faktor<br />
Mensch“) ausgeschlossen werden. Durch psy-<br />
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chische Belastungen der Arbeitnehmer/innen<br />
werden menschliche Fehler jedoch begünstigt<br />
oder können nicht mehr mit gleicher Sicherheit<br />
ausgeschlossen werden.<br />
Ebenso wird künftig verstärkt zu berücksichtigen<br />
sein, ob bestimmte psychische Belastungen<br />
(beispielsweise Informationsmangel und<br />
Informationsüberflutung) durch Verbesserungen<br />
bei der Wissensvermittlung (Information,<br />
Unterweisung, Fachkenntnisse) vermieden<br />
werden können.<br />
<strong>Die</strong> Arbeits- und Organisationspsychologie<br />
befasst sich mit den psychologischen Faktoren<br />
arbeitender Menschen in Organisationen.<br />
<strong>Die</strong> Arbeits- und Organisationspsychologie<br />
analysiert Arbeitsbedingungen und Arbeitsaufgaben<br />
und die Ressourcen der arbeitenden<br />
Menschen. Bei der Festlegung der Arbeitsvorgänge<br />
im Eisenbahnbereich (in <strong>Die</strong>nstvorschriften,<br />
<strong>Die</strong>nstanweisungen, Schriftlichen<br />
Betriebsanweisungen) werden diese Aspekte<br />
künftig verstärkt zu beachten sein.<br />
III. ARBEITSSTOFFE<br />
Bereits bisher waren Arbeitgeber verpflichtet,<br />
unter anderem auch die Eigenschaften der<br />
von ihnen verwendeten Arbeitsstoffe zu ermitteln<br />
und gefährliche Arbeitsstoffe nach ihren<br />
Eigenschaften einzustufen. <strong>Die</strong> Regelungen<br />
des <strong>ASchG</strong> über die Einstufung der Arbeitsstoffe<br />
waren bisher aus dem österreichischen<br />
Chemikaliengesetz (ChemG) abgeleitet. Mit<br />
der ChemG-<strong>Novelle</strong> 2009 wurde angeordnet,<br />
dass die bisherige Einstufung nach dem<br />
ChemG künftig durch die Einstufung der europäischen<br />
CLP-Verordnung (EG) Nr.<br />
1272/2008 (CLP-VO) über die Einstufung,<br />
Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen<br />
und Gemischen zu ersetzen ist. Eine analoge<br />
Regelung dazu war daher auch im <strong>ASchG</strong> zu<br />
treffen.<br />
<strong>Die</strong> CLP-VO ist am 20. Jänner 2009 in Kraft<br />
getreten. Sie kann seit dem 20. Jänner 2009<br />
bereits ergänzend angewendet werden, verpflichtend<br />
ist die CLP-VO für Stoffe ab dem<br />
1. Dezember 2010 und für Gemische ab dem<br />
1. Juni 2015 anzuwenden. Das bisherige<br />
Recht zu Einstufung und Kennzeichnung<br />
bleibt bis 1. Juni 2015 in Geltung. <strong>Die</strong> Einstufung<br />
nach der CLP-VO erfolgt in 26 Gefahrenklassen,<br />
die ihrerseits wiederum in Gefahrenkategorien<br />
untergliedert sind. Da das Arbeitnehmerschutzrecht<br />
(noch) an die Bestimmungen<br />
des § 40 <strong>ASchG</strong> anknüpft wird daher<br />
klargestellt, welche dieser Schutzbestimmungen<br />
für die nach der CLP-VO eingestuften<br />
Arbeitsstoffe jeweils zu gelten haben.<br />
Es wird daher erforderlich werden, die Ermittlung<br />
und Beurteilung von Gefahren und Festlegung<br />
der Maßnahmen zur Gefahrenverhütung<br />
(Evaluierung) an die geänderten Rahmenbedingungen<br />
anzupassen.<br />
IV. WEITERE ÄNDERUNGEN<br />
Für die „Ermittlung und Beurteilung von Gefahren<br />
und Festlegung von Maßnahmen zur<br />
Gefahrenverhütung“ wird auch der in der Praxis<br />
übliche Begriff „Arbeitsplatzevaluierung“<br />
definiert (§ 4 <strong>ASchG</strong>). Darüber hinaus wird<br />
nun ausdrücklich klargestellt, dass bei der<br />
Evaluierung die Grundsätze der Gefahrenverhütung<br />
gemäß § 7 <strong>ASchG</strong> zu berücksichtigen<br />
sind (§ 4 Abs. 1 <strong>ASchG</strong>).<br />
<strong>Die</strong> Regelungen über Sicherheitsvertrauenspersonen<br />
werden durch eine klarstellende<br />
Regelung ergänzt, dass nur Arbeitneh -<br />
mer/innen (und nicht etwa auch externe <strong>Die</strong>nste)<br />
bestellt werden dürfen (§ 10 Abs. 6<br />
<strong>ASchG</strong>).<br />
Künftig haben Präventivfachkräfte (Sicherheitsfachkraft,<br />
Arbeitsmediziner) dem Arbeitgeber<br />
jedenfalls jährlich einen schriftlichen<br />
Tätigkeitsbericht zu liefern – also künftig<br />
auch dann, wenn ein Arbeitsschutzausschuss<br />
besteht (§ 84 Abs. 3 <strong>ASchG</strong>).<br />
Bei den Bestimmungen über die Berücksichtigung<br />
des Arbeitnehmerschutzes in Genehmigungsverfahren<br />
werden einerseits die Bestimmungen<br />
der §§ 93 und 94 <strong>ASchG</strong> vereinheitlicht<br />
und wird andererseits die bisher bestehende<br />
Gleichstellungsverordnung (Seilbahngesetz,<br />
Abfallwirtschaftsgesetz) inhaltlich<br />
direkt ins <strong>ASchG</strong> übernommen.<br />
Der Strafrahmen für Übertretungen des<br />
<strong>ASchG</strong> war seit der Stammfassung 1995 unverändert,<br />
während der Verbraucherpreisindex<br />
im Zeitraum zwischen 1995 und 2010 inflationsbedingt<br />
um 29,3 % angestiegen ist.<br />
Übertretungen von Arbeitnehmerschutzbestimmungen<br />
haben sich somit über einen Zeitraum<br />
von 15 Jahren kontinuierlich „verbilligt“.<br />
Der Strafrahmen des <strong>ASchG</strong> wurde daher angehoben<br />
(§ 130 <strong>ASchG</strong>).<br />
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