Dokumentation Theatertreffen der Jugend 2013 - Berliner Festspiele
Dokumentation Theatertreffen der Jugend 2013 - Berliner Festspiele
Dokumentation Theatertreffen der Jugend 2013 - Berliner Festspiele
Kennen Sie das Geheimnis für kostenlosen Website-Traffic?
Mit diesem Trick steigern Sie die Anzahl neuer Interessenten.
Theatertreffen der Jugend 2013
BlickRück
www.berlinerfestspiele.de
Inhaltsverzeichnis
11 Editorial
13 Auszug aus dem Grußwort
15 Prolog
17 Jury Rückblick
18 Bühne
20 Almost Lovers – Ein Theater Mobil-Projekt
26 Parallele Welten – Die Insel
34 hell erzählen
42 Lochland
50 99 Prozent
60 Romeo und Julia
68 Hamlet
76 Urban Sounds Clash Classic
84 Bühne Spezial
86 Nominierungen 2013
88 Campus
90 Praxis
94 Dialog
97 Essay
98 Spezial
100 Forum
103 Praxis
110 Dialog
111 Fokus
112 Essay
114 Epilog
132 Jury
135 Kuratorium
136 Statistik
138 Bundeswettbewerbe
139 Impressum
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Editorial
BlickRück ist eine Einladung, auf das 34. Theatertreffen
der Jugend vom 24. 05. bis 01. 06. 2013 im
Haus der Berliner Festspiele zurückzuschauen.
Im Zentrum der Festivalwoche standen die acht
eingeladenen Produktionen aus Berlin, Bielefeld,
Düsseldorf, Grevenbroich, Heidelberg und
Solingen. Mit eigenen Themen und Haltungen
und in höchst unterschiedlicher Form befragten
die jugendlichen Spieler/-innen in ihren Stücken
die Welt im Kleinen wie im Großen. Was ist heute
eigentlich Männlichkeit? Wie lebt es sich in
parallelen Kulturen und virtuellen Welten? Wie
gelingt die Veränderung, wenn sie doch eigentlich
unmöglich erscheint? Was bedeutet der
Verlust von Heimat für die eigene Zukunft?
Kann bloße Empörung uns heute noch zu einer
echten Revolution führen? Ist das Liebe, was ich
jetzt fühle? Was wird, wenn eine ganze Generation
nicht entscheiden kann oder will? Wonach
suchen wir, wenn wir rausziehen in die Großstadt?
Über diese Fragen und viele mehr wurde debattiert
im Campus-Programm des Festivals: in den
Workshops, den Aufführungsgesprächen, in der
Festivalzeitung und den vielen Begegnungen der
Teilnehmer/-innen im Garten, beim Essen, in
kleinen Gruppen irgendwo im Haus der Berliner
Festspiele. Und ganz nebenbei wurde natürlich
auch gefeiert auf und unter der Bühne, sich
selbst und die Zeit, die hier geteilt wurde.
Im Programm des Forums für künstlerische
Leiter/- innen von jugendlichen Theatergruppen
sowie für Studierende ging es ebenfalls um den
gegenseitigen Austausch. In Workshops und
Gesprächen wurden theatrale Formen und Inhalte
der eingeladenen Produktionen im Hinblick
auf die eigene Theaterarbeit befragt und
praktisch reflektiert. Darüber hinaus wurden zu
verschiedenen Schwerpunkten Impulse für die
weitere Theaterarbeit gegeben.
Das Festivalkonzept des Theatertreffens der
Jugend, das im Kern darauf setzt, das Miteinander
und den Austausch aller Teilnehmer/-innen
unter einander in den Vordergrund zu stellen,
erweist sich nach wie vor als richtig. So spielt es
für die eingeladenen Produktionen keine Rolle
mehr, aus welchem institutionellen Kontext sie
kommen, ob sie in DS-Kursen oder Theater-AGs
in Schulen, in selbstorganisierten Strukturen aller
Art oder in Spielgruppen von freien und/oder
Jugend-, Stadt- oder Staatstheatern entstehen.
Die Berliner Festspiele wünschen sich, dass
diese Festivalkonzeption auch für die Zukunft
weiter trägt und sich möglichst viele Gruppen aus
allen Bereichen der Theaterarbeit von und mit Jugendlichen
weiterhin am Wettbewerb beteiligen.
Christina Schulz
Leiterin der Bundeswettbewerbe
der Berliner Festspiele
11
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Auszug aus dem Grußwort
Theatertreffen der Jugend: Das ist eine Woche
voller kreativer Theateraufführungen. Eine
Woche, in der an jedem Abend ein anderes
Theater-Ensemble seine Produktion zeigt. Und
eine Woche voller spannender Diskussionen
darüber. Begleitet werden die Aufführungen von
Workshops mit Theatermusikern, Tänzern und
Choreografen, Regisseuren und Theaterautoren.
Darüber hinaus ermöglicht das neue strukturierte
Konzept der Berliner Festspiele eine
immer stärkere Vernetzung unserer gemeinsamen
Bundeswettbewerbe. …
… Dem diesjährigen Theatertreffen der Jugend
wünsche ich großen Erfolg, unvergessliche
Aufführungen und Begegnungen sowie Ausstrahlung
weit über die Berliner Theaterwoche hinaus.
Prof. Dr. Johanna Wanka
Bundesministerium für Bildung und Forschung
13
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Prolog
Vorhang auf –
von Anna Theresia Bohn
Angekommen. Im Haus der Berliner Festspiele
zum Theatertreffen der Jugend. Was eigentlich
der Anfang all dessen war, ist nun vermutlich nur
vage zu erzählen. War es der Film, dessen
Schauspielerin zum eigenen Vorbild gewählt
wurde? Der Zettel am schwarzen Brett, der die
Gründung der Theater AG nach der Schule angekündigt
hat? Der Freund, der einen dazu ermuntert
hat, einmal zur Probe des Jugendtheaters
einfach so vorbei zu kommen?
Wie es auch begonnen hat: Nun ist Mai und man
ist endlich angekommen. Der Wettstreit ist vorbei.
Hier sind bereits alle Spielende von Beginn an
Preisträger. Tiefes Ein- und Ausatmen: tatsächlich
angekommen. Sei es aus Berlin oder aus Grevenbroich;
man trägt Ähnliches im Gepäck: Bequemes
für die Workshops, vielleicht etwas Kurzes zum
Tanzen, Zahnbürste, Requisiten, aber vor allem
Neugier, Erwartungen, Vorfreude und Theaterfieber.
Wie mögen die kommenden Tage werden?
Man sieht sich von der Bühne zum Workshop,
vom Festivalgarten zum Theatersitz huschen, mit
Bier und Brause, und das alles gemeinsam mit
neuen Gesichtern, deren Handynummern man
später einspeichern wird. Es wird viel gesprochen
werden an diesen Tagen, von Theater und insbesondere
von Jugendtheater. Was bedeutet
Jugendtheater? Es bedeutet vor allem Spielen.
Das meint nichts Geringeres als das Ausprobieren
einer Unzahl an möglichen Lebensrealitäten
– wie könnte, wie müsste, wie dürfte, wie würde
alles sein? Spielen mit Spaß, mit Humor, mit
Ernst, mit Achselschweiß, mit Lichteffekten und
lauter Musik, mit eigener oder fremder Kleidung,
mit Unbekannten, die im Spiel bekannter werden;
und vielleicht, wenn man von der Bühne hüpft,
sieht man sich selbst plötzlich als jemand anderes.
Das Spiel scheint die Taktik dessen, was andere
Leben nennen. Intuition und Handwerk. Applaus.
Natürlich geht uns das etwas an, denn es
geht um uns und um jeden anderen.
Angekommen im Haus, dessen verschiedene
Theaterbühnen im Grunde eine große Bühne
ergeben, deren Textur über diese Tage einen
Imprint hinterlassen wird; vielleicht die kaputte
Hose und der Holzspan im Knie, vielleicht eine
Rolle, die man im Workshop ausprobiert, die
dann Monate später im neuen Stück auftaucht.
Vielleicht das frei gemachte Regalfach, in das
man dann die Festivalzeitungen einordnet, die
vielen Programmheftchen, die nachts geschriebenen
Liebesbriefe, den Notizblock mit Literaturund
Filmempfehlungen, den Festivalausweis mit
dem eigenen Namen, welchen einmal Freunde in
die Hand nehmen werden, um zu fragen, was
das sei. In diesen Tagen werden wir die Präpositionen
aus dem Ärmel schütteln, sodass wir uns
auf, an, hinter, vor, neben, über und sogar unter
der Bühne zum Feiern treffen. Es wird ein Anschauen,
Anfassen, Anhören und Anziehen.
Wie find ich das, wie steht mir das, wie geht das,
ein wenig wie Shoppen vielleicht, aber umsonst
und mit Applaus, ein Spiel eben. Es gibt Bilder
von vergangenen Jahren, da sieht man Menschen,
die sich im Garten gegenseitig Frisuren machen,
die in neu geformten Gruppen Zahnpasta essen,
die vor einem Fenster filmen, wie dahinter einer
die Scheibe küsst. Was zum Theater moment
wird, den man erzählt, wird hier gespielt, wird frei
gewählt. Heute Abend geht der Vorhang auf. Wir
lassen ihn offen.
15
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Jury Rückblick
Ein Nachwort aus
Jury-Perspektive – vom Juryvorsitzenden
Martin Frank
Ein äußerst anregender Festivalprozess einer
sich entwickelnden Theaterwahrnehmung
klingt nach – ein sehr erfreuliches Merkmal der
Programmstruktur des 34. Theatertreffens der
Jugend. Wie von der Jury erhofft, wurde unser
theateraffines Publikum von der Qualität und
Energie der ausgewählten Vorstellungen von
Beginn an in Bann gezogen. Die inhaltlich und
formal mutigen Inszenierungen der Wochenmitte
gaben Anlass für fruchtbare Diskussionen
sowohl unter den Spielleiter/-innen als auch
bei den jugendlichen Teilnehmer/-innen. Mit
fortschreitender Festivaldauer, mit gewachsenem
Vertrauen unter den Anwesenden, die sich
in Workshops und Fachdiskussionen kennenlernen
konnten, stieg das Diskussionsengagement
stetig. Freundliche Rückmeldungen wichen
fordernden Fragestellungen und differenzierter
Kritik. Die Auswahl der Jury hielt dem Festivalprozess
bis zuletzt stand. Danke an alle, von
Spielleiter/-innen über Darsteller/-innen, bis
Programmgestalter/-innen und der Technikcrew,
die dieses komplexe Zusammenwirken
und Mitgestalten möglich gemacht haben.
Thema. Im Programmteil Fokus des Forums für
die pädagogisch-künstlerischen Leiter/-innen
sprachen sich viele engagierte Vertreter/-innen
der Szene zur Situation des Theaters an Schulen
aus. Man beriet sich über Initiativen und brachte
Motivationsanstöße auf den Weg.
Das Theatertreffen der Jugend kann Probleme
von solch strukturellen Dimensionen nicht
lösen, kann allenfalls mit seinen Begegnungsanlässen
Seismograph und Brennglas sein, den
Austausch anregen. Die Jury versucht zu ermutigen,
indem sie auf Produktionsformate hinweist,
die im Wettbewerb auffielen und die institutionsübergreifend
realisierbar erscheinen. Jeder einzelne
Impuls mag für sich klein erscheinen, in
der Summe macht sich das Theatertreffen der
Jugend als unübersehbarer Leuchtturm für die
Sache des Theaters mit Jugendlichen in allen
institutionellen Erscheinungsformen bemerkbar.
Wir hoffen, die Diskussion in Schwung gebracht
zu haben und freuen uns auf die neue Auswahl
im Mai 2014.
Wir sind mit der Sorge um den Rückgang der
Beteiligung von Schulen am Wettbewerb auf
das Festival gekommen. Theaterlehrer/-innen
brachten ihren Unmut über die erschwerten Bedingungen
in Foren und Gesprächen am Rande
des Programms immer wieder zur Sprache. Es
gab offizielle Programmergänzungen zu diesem
17
Bühne
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Almost Lovers – ein Theater Mobil-Projekt
Junges Schauspielhaus Düsseldorf
Freitag, 24. Mai 2013, 20:00 Uhr
Es spielten:
Philipp Brand, Sebastian Czwordon, Ali Dilekci,
Islam Dulatov, Tamik Dulatov, Dennis Duszczak,
Taleb-El-Haf, Kevin Galla, Maximilian Gängel,
Astrit Muharemi, Mohammad Sawalha, Leon Wegener,
Hana Zunic (Mädchen im Video)
Regie: Ines Habich
Ausstattung: Miriam Chouaib
Choreografie: Corey Action
Video: Sami Bill
Dramaturgie und Theaterpädagogik:
Dorle Trachternach
Regieassistenz: Bente Loubier, Wera Mahne
Assistenz des Choreografen: Aldo da Silva
Kostümassistenz: Riet Desoete
Ausstattungshospitanz: Tatjana von der Beek
Gruppenportrait – von Felix Kracke
Grad noch aus Wohnwägen und übelsten Sozialsiedlungen
rausgekratzt, tritt die Düsseldorfer
Krawallgruppe an, uns mit ihrer Testosteron-Parade
mal so richtig einen vor den Bug zu knallen.
Uns die Männlichkeit 3.0 hin zu performen,
Klischees zu durchleben, abzulegen, auch mal
zu weinen. Unsere Augen bleiben natürlich trocken.
Sie sind losgezogen nach überall, haben
die Männer aufgelesen, die nur Fast-Männer
sind, die überhaupt erst mal wissen wollen, was
sie sind und sein sollen. Gendertrouble Deluxe.
Stars wollten sie eigentlich werden und sind
dann doch im Theater gelandet. Gut für uns,
denn wir freuen uns auf elfjährige Backstage-
Mädchen, die kreischen, auf Action-Theater,
das die Gebrüll-Skala sprengt (Vorschlag war
„sechs Sterne“, aber wir bleiben seriös), auf diese
Gruppe, die zischt und brodelt, ausbricht –
wir verkünden schon mal den Notstand. Alle aus
den Häusern, Kinder und Frauen zuerst! Übrig
bleiben nur die Düsseldorfer Jungs. Sie haben
diskutiert, beobachtet, rumgeschrien, aus ihrem
Erleben die Stränge geflochten, die es zu
erzählen gilt. Widerspiegeln wollen sie, was
nicht gezeigt werden kann da draußen, sie tragen
es nach innen, zu uns. Wo bleibt er denn
jetzt, der moderne Mann? Schwäche wollen sie
zeigen und mal rauskommen aus sich, aus Vorstellungen,
Normen, Strukturen. Da starten sie
und notlanden schließlich alle beim eigenen Vater.
Aber keine Sorge, die FZ übernimmt gern
das Sorgerecht. Alles startklar, wir fahren weiter.
Wie auch alles andere, was hinter Bühnen
aus ihnen herausfährt, worüber alle lachen, was
alle riechen. Was könnte gemeint sein? Wir jedenfalls
riechen Euren Schweiß. Wir sind bereit!
Come and get some!
21
Die Jury zur Auswahl – von Ulrike Hatzer
Die Sache läuft schon, wenn wir,
das Publikum, dazu kommen.
Umkleidekabine, Fitnessstudio,
Geruch nach Schweiß und Tränen
(oder Theaternebel?) liegt
in der Luft. Hier ist Kraft am
Start, und Technik, Trauer,
Träume und Humor.
„Almost“ heißt „fast“, nicht
„ganz“. Es heißt auch: Da fehlt
noch was. Wenn man fragt,
was da noch fehlt, stellt man
schnell fest, dass das Stück
auch „Almost Sons“, „Almost
Winners“ oder „Almost Heroes“
heißen könnte. Es fehlen die
Väter, die Zukunftsaussichten,
die Möglichkeiten, zu zeigen,
was man kann, zu welchen
Größen man aufsteigen könnte,
wenn, ja wenn nicht immer
alles nur „fast“ wäre: Fast ein
Zuhause, fast eine Kindheit,
fast eine Zukunft.
Man wäre so gerne ein Held.
Papa lebt es ja vor, er erwartet
es von „Fast-schon“. Mit tapferem
Kampf, mit Kraft und Mut
lässt sich die Welt bezwingen.
Nur keine Schwäche zeigen.
Und so töten sie Drachen und
kämpfen um alles. Klar nur auf
der Bühne, aber „fast“ wie im
richtigen Leben.
Das Frauenbild ist zwiespältig,
liegt irgendwo zwischen Mutter
und Puppe, ist idealisiert, wenn
es freilich ans Eingemachte
geht, wird es schwierig. Wie
schreibt man einen Brief? Wie
redet man über Liebe? Tut man
das überhaupt?
Dann doch lieber in die Welt
des Fans von Fortuna Düsseldorf.
Da kann man sich beweisen,
lärmen, drohen, Feindbilder
schüren, aber auch übers Ziel
hinausschießen bis hin zur Verhaftung.
Da hat man dann Zeit,
sich mit seiner Zelle auseinanderzusetzen.
Da kommen dann
die Ideen von Kampf und Krieg.
Aber wofür? Für die Freiheit?
Die Erwachsenen sprechen über
Projektionen zu den Jungs, sind
real zunächst nicht existent.
Dann aber doch ein unglaublich
berührender Monolog des
Sohnes an der Hand des Vaters
über dessen permanente Abwesenheit
in Notlagen. Mit wem
spricht der Sohn da?
Und dann das leidige Thema
Weggehen, Disko, Party. Wo
sonst kann man sich bewähren?
Mit herrlicher Selbstironie
kommt aber auch zur Sprache,
dass man da über Kondomkauf
und dessen Peinlichkeit reden
muss. Die Choreografien oder
die Anmache übers Mikro zeigen
unmissverständlich die Distanz
der Spieler zur eigenen
Unbeholfenheit. Sie können
über sich selbst lachen.
Über Themen wie Altern kann
man dagegen nicht reden:
„Scheiß Thema“.
Reden wir lieber über Geld. Wenn
man nur welches hätte. Was
wäre wenn? Wenn der Traum von
100.000 € wahr würde? Ja dann
... mehr wird nicht verraten.
In „Almost Lovers“ vom Jungen
Schauspiel Düsseldorf kommen
alle Ängste und Nöte von
Jungs zur Sprache, alle Träume
und Hoffnungen. Sie sind nicht
mehr Junge und noch nicht
Mann, noch nicht Liebhaber,
Ehemann, Steuerzahler. Sie
bemühen sich und meistens
reicht es nur fast, nicht ganz,
im wahren Leben, über das sie
erzählen, singen und tanzen.
Auf der Bühne aber verschwindet
das „fast“. Da sind sie nicht
mehr „almost“, da sind sie
„ganz und gar“: überzeugend,
berührend, ironisch und durch
und durch ehrlich. Ein Genuss.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Stimmen zum Stück
+++ ein tolles eröffnungsstück, kurzweilig, da war viel drin +++ es
war laut und verraucht, unglaublich schön, vital und voller energie
+++ tolle choreografie +++ zu viele stereotype +++ manchmal zu viele
filmszenen, aber, was ich gerne mochte, waren die ganz kleinen
gesten, wie sie in der gruppe miteinander umgegangen sind und hier
noch die hand oder wie sie da vorne schüchtern die hände gehalten
haben +++ war richtig klasse, wirklich super, die tänze, die jungs,
von denen man denken würde, ihnen wäre es peinlich, so was zu
machen +++ ich freue mich, dass es immer mehr jungsstücke im
jugendtheater gibt, ich bin ein bisschen erstaunt, dass die söhne
unserer kriegsveteranen inzwischen auch auf den bühnen des jugendtheaters
angekommen sind +++ mich hat diese gewalterfahrung
berührt, die die jungs mitkriegen und dann diese irrationalen träume
mit medialem muster von aufstieg und absturz +++ bei aller komik
und bei aller explosion und vielfalt fand ich’s doch oft sehr berührend
+++ es hat mir gefallen, dass diese jungs, die eigentlich schon als so
ziemliche typen gesprochen haben, sich überwunden haben, auch
mal ihre weichen seiten zu zeigen +++ ich fand es sehr interessant,
dass sie schöne brüche hatten, bei denen sie mit klischees gut
umgegangen sind, mir hat es gefallen, dass sie den pathos genossen
haben +++ ich habe es sehr genossen, dass diese ganzen jungsklischees
aufgegriffen wurden, also dass damit gespielt wurde, und dann
wieder gebrochen, das fand ich sehr kraftvoll, weil das jungs selbst
durchmachen +++ mir gefällt die energie, mir gefällt die lust am
scheitern, die lust am blöd dastehen +++
23
Rezensionen
So fühlen sich Jungenträume an – von Sebastian Meineck
„Almost Lovers” vom Jungen
Schauspielhaus Düsseldorf war
eine Reise durch die Wünsche
und Träume von Jungs und halben
Männern. Das Bühnenbild:
eine Umkleidekabine, Spinde,
Handtücher, eine Bank, die
Jungs in Adidas-Streifen. Eine
Umkleidekabine, das ist auch
Zwischenraum, wie der Raum
vor dem Erwachsenwerden. In
ihrer Gang träumen die Jungs
davon, groß und stark zu sein.
Ihre Fantasien bauschen sich
auf wie der Nebel aus der Nebelmaschine,
der auf die Bühne
geblasen wird. Es spielt „Wild
Boys“. Sie legen eine Choreografie
hin, und schlagen mit
den Fäusten in die Luft. Man
denkt: Diesen Jungs ist alles
zuzutrauen. Dann bricht die
Musik plötzlich ab, und es heißt:
„Du musst dein Zimmer aufräumen!“
oder „Du musst das
Geschirr spülen!“ Schließlich
tanzt man doch nicht wirklich
durch die Straßen einer verruchten
Stadt. Man muss in die
Schule gehen und mit seinen
Eltern klarkommen und irgendwie
ein Mädchen finden. Der
Traum ist zerplatzt. Dieser Konflikt
zwischen Wunschtraum
und Wirklichkeit begegnet uns
in fünf, sechs, sieben Variationen
auf der Bühne. Immer wieder
gewinnt ein neuer Traum
Gestalt. Zum Beispiel der Traum
vom verführerischen Liebhaber,
oder der Traum vom Piraten
im heldenhaften Fechtkampf,
oder der vom Drachentöter,
dessen Krönung gefeiert wird.
Dabei geht es nicht darum,
sich in Klischees zu flüchten,
sondern ironisch mit ihnen zu
spielen. Und es ist eine Ironie,
bei der man nicht einmal weiß,
ob sie sich selbst meint oder ihr
Gegenteil. Es ist beides zusammen,
gespielt mit voller
Inbrunst und mit einem Augenzwinkern.
Es sind unwirkliche
Heldenbilder mit wirklicher Kraft
dahinter. Es ist das Material, aus
dem Jungenträume gemacht
werden. Einer der Träume
dauert am längsten. Die Jungs
kaufen sich eine Yacht und fahren
aufs Meer hinaus. Ein Boot
auf Rädern wirbelt über die
Bühne, ein Kapitän wird ernannt,
der Jubel ist groß. Doch
plötzlich bröckelt der Traum,
aber er bröckelt, ohne zu enden.
Das Essen wird knapp und
auch auf der Yacht muss geputzt
werden. Die Probleme
des Alltags erscheinen im
Traum. Fast hat man das Gefühl,
da kämpft eine andere Geschichte
um Aufmerksamkeit.
Vielleicht ist das ein anderes
Theaterstück, das für sich erzählt
werden will, aber das ins
flotte Tempo der Inszenierung
nicht ganz hineinpasst. Doch
schließlich geht auch der Traum
von der Yacht zu Ende, und wir
spüren: Es könnte eine unendliche
Geschichte sein, so lang
wie eine ganze Jugend.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Alles auf Probe – von Felix Kracke
Abgekämpft sehen sie zu Beginn
schon aus, hängen und
lungern im angedeuteten Raum
zwischen Umkleidekabine und
Fitnessstudio. Spinde und Bänke,
die später noch Schutzbunker
und Königsthron sein werden,
umgeworfen und malträtiert.
Der Start als Training. Inmitten
die jungen Wilden, die uns von
sich erzählen wollen, über Vorund
Heldenbilder, Vaterfiguren,
Über- und Unterdruck von
Männlichkeit, der sich aufstaut
und raus will, wenigstens: mitgeteilt
werden will. Die fidelen,
wachen, energetischen Düsseldorfer
machen das in einer losen
Szenenfolge aus intimen Momenten
und Monologen, gespiegelt
von Chorsequenzen und
durchchoreografierten Tanz-,
Musik-, Show-Intermezzi. Sie erzählen
von Schlägereien, Hausaufgaben,
natürlich Knast, in
dem die Angst vor dem Vater
größer ist als die Angst vor der
Justiz, von der Unmöglichkeit,
einen Liebesbrief zu schreiben,
der nicht falsch ist, der nicht
ist, wie schon vielfach gehört,
vom persönlichen Ringen zwischen
Selbstverwirklichung und
Selbstaufgabe. Dieses Ringen,
das man immer verlieren würde,
wäre da nicht die Möglichkeit
einer Ausflucht durch die Tagträumerei
(meinetwegen:
Fantasie), führt sie in Gefilde
der großen Vorbilder, führt sie
nach Hollywood und ins Zentrum
von Trash und Albernheit.
„Herr der Ringe” und
„Fluch der Karibik”, filmische
Schlachtengemälde legen die
Referenzen offen: Woher er
stammt und woraus er sich
speist, der hier über allem wabernde
und abgeschmackte
Begriff der Männlichkeit.
Diese Schlacht hat sich selbst
geschlagen.
Das sind die Klischees, die man
vielleicht erst mal durchleben
muss, um sie abzulegen. Das ist
ein Rückgriff auf Theater als
Form des kindlichen Spiels, der
Verstellung, wo man ein
Schwert greift und ein Krieger
ist, einen Mantel umhängt und
König sein kann. Es zeigt, dass
auch Geschlecht immer Spiel
ist, immer Annäherung und
Verhandlung. Alles auf Probe.
Ein Schiff kommt hereingefahren,
gekauft für zehntausend
Euro oder hunderttausend,
Geld spielt keine Rolle,
die szenische Fabulierlust der
jungen Fast-Männer findet ihren
Höhepunkt. Seefahrer-Romantik
ungebrochen. Das
wäre von der Vorlage eigentlich
zum Fremdschämen, zum
Sogehtdasdochnicht!-Rufen,
ist es aber nicht, weil die
Schiffsbesatzung, weil die Düsseldorfer,
weil sie ja selbst
hilflos sind, ehrlich und direkt,
weil sie suchen und vielleicht in
der szenischen Behauptung
erst etwas finden. Auch wenn
es ein Schiff ist. All das ist rasant
zusammengeschnitten
und collagiert mit Nebel, Gegenlicht
und Mikroverstärkung.
Macht Spaß und lässt die Zeit
verstreichen, wenngleich sich
mitunter ein Gefühl der Beliebigkeit
einschleicht. Der Selbstgenügsamkeit.
In den schwächeren
Momenten werden die
Emotionen damit größer gezogen,
als sie es bräuchten, in den
stärkeren, die von Fußstapfen
handeln, die zu groß sind und
bleiben, lenken sie das Augenmerk
auf ein Scheitern, ein Stocken
der Potenz, das Kraft hat.
Das Zusammensacken nach
der Kampfankündigung, nach
den Vätern, die in den Krieg
zogen und ziehen, ist so ein
Moment. Zurück auf Anfang,
diese Schlacht hat sich selbst
geschlagen. In dem Fitnessraum,
in dem alles begann, der
Vorbereitungsraum, Proberaum
ist, endet es wieder. „Wir
bemühen uns“, sagen sie als
Chormonolog, den es als Kommentarfunktion
wahrscheinlich
nicht gebraucht hätte, und
es klingt wie Entschuldigung
und Versprechen zugleich. Das
ist natürlich Nabelschau pur.
Aber wo sonst, wenn nicht hier?
25
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Parallele Welten – Die Insel
Ensemble Parallele Welten I – Theater Bielefeld
Samstag, 25. Mai 2013, 20:00 Uhr
Es spielten:
Simon Belte, Patrick Dietrich, Onur Erkus, Marwa El Sayed,
J amila Hutchinson, David Kasprowski, Lena Köppen, Delia
Kornelsen, Karolin Kronauer, Malice Musljiji, Gaye Mutluay,
Demokrat Ramadani, Liridone Ramadani, Natalia Schiano,
Christin Schneider, Band: Romina Wendker, Patrick Düwell,
Lukas Kluge
Regie und Ausstattung: Canip Gündogdu
Dramaturgie: Martina Breinlinger
Schreibwerkstatt: Nuran David Calis
Choreografie: Simon Wiersma
Grafik/Video: Alparslan Kale
Musikalische Leitung: Ramona Kozma
Co-Regie: Cornelia Rössler
Regiehospitanz: Anna Plätke
Bühnenbildassistenz: Laura Hohnerkamp
Gruppenportrait – von Lydia Dimitrow
FZ recherchiert: Ja, den Wikipedia-Artikel: „Bielefeldverschwörung“
gibt es wirklich, haha, kicher,
grunz. Die Gruppe des heutigen Abends,
die uns ihr Stück „Die Insel“ präsentieren wird,
setzt sich aber nicht nur aus Bielefeldern zusammen.
Sie sei eine „Drittelgruppe“: ein Drittel
Bielefelder, ein Drittel Theatergruppe aus Schloß
Holte (ist kein Schloss, heißt nur so), ein Drittel
Band (wo auch immer die herkommen). Aber
wie das bei berühmten Trios so ist (siehe Kelly
Family): Ohne ein Drittel sind die anderen beiden
keine Drittel mehr (oder so). „Ohne die
Band würden ganz viele Szenen gar nicht funktionieren.“
Insofern geht es bei der Bielefelder
Produktion vor allem ums Zusammenkommen,
nicht nur im Chatroom, sondern eben auch auf
der Bühne: Nochnicht-Schauspieler mit Schauspielern
mit Musikern mit Autoren. Denn nicht
alle, die Texte für das Stück geschrieben haben,
stehen heute auf der Bühne. Und nicht jeder
spricht den eigenen Text. Das hängt auch damit
zusammen, dass die Geschichten, die erzählt
werden, so persönlich sind. „Wir haben viel von
uns preisgegeben.“ Es geht in ihrem Stück auch
um die Frage, wie sehr man sich öffnen muss,
wenn man jemandem helfen will. Und wie anonym
das Internet eigentlich wirklich ist oder
sein sollte. „Wir wollten auch zeigen, dass Anonymus
gar nicht allein ist mit ihren Problemen,
obwohl sie das immer denkt.“ Aus all dem geht
hervor: Es wird gern gekuschelt in Bielefeld! FZ
sagt: Weiter so! Denn wir kuscheln auch gern.
27
Die Jury zur Auswahl – von Sebastian Stolz
Weiß ist die hellste unbunte
Farbe. Weiß ist physikalisch
gesehen keine eigene Farbe,
sondern entsteht durch die
Überlagerung aller Spektren
des Lichts. Weiß ist somit die
„Summe aller Farben“...
Weiß. Es ist weiß da draußen,
die Winterlandschaft glänzt
von Ost nach West. Die Reise
geht nach Bielefeld. Angekommen.
Es beginnt der Einlass mit
einer kleinen Band und melancholischen
Gitarrenklängen.
Weiß. Die weißen Gartenstühle,
auf die wir uns setzen, knacken
nach kurzer Zeit. Hin und
wieder sackt ein Zuschauer ab,
reißt es uns schon jetzt vom
Hocker? Weiß. Der weiße Raum
mit von der Art sich unterscheidenden,
aber weißen Stühlen
wirkt steril, unschuldig und ruft
nach Geschichten. Im Nebenraum
ein Ensemblekampfschrei,
dann treten sie herein.
Weiß. Die Spieler in weißen Kleidern
und Anzügen, bestückt mit
nur einem roten Detail. Rot erinnert
an Blut, wie Weiß an Nichts.
Ein kleines verletzliches Detail,
ein Schluck Lebensdurst will sich
seinen Weg in eine leere, noch
unbeschriebene Welt bahnen.
Eine weiße Spielerwand beginnt
von der Rampe chorisch zu erzählen,
von ihren Vorfahren
und deren Reise nach Deutschland,
aber auch von Verwandten
in anderen Ländern. Amerika,
Schweden, Gran Canaria,
Kaukasus, Deutschland, Ex-Jugoslawien,
Russland, Kosovo,
Schweiz, Ostdeutschland. „Wir
kommen zwar alle von hierher,
aber ich glaube, es zieht uns in
die Ferne“, sagt ein Mädchen.
Die Spieler verschwinden. Federn
fallen. Eine Stimme aus
dem Off erklingt, sie klingt
traurig, erzählt vom Fliegen.
Egal. Die Insel ist erreicht und
alle sind im Chat. Nullen und
Einsen sortieren das Netz, die
Musik schrammelt los. Wer
passt zu wem? Welche
Kombination zieht sich an,
stößt sich ab? Individualisieren
oder vereinheitlichen? Skype,
Facebook, Youporn & Co. Sie
nehmen sich den virtuellen
Raum und hoffen auf Freiheit,
auf eine Spielwiese. Wieder unterbricht
die Stimme aus dem
Off, es ist Anonymus: „ … ich
habe keine Freunde ...“, der Rest
verbündet sich und spielt los.
Skypen mit der Familie im Ausland.
Das Netz überbrückt Distanzen
und macht uns alle zu
einer globalen Familie. Der
nächste Stuhl bricht. Anonymous
verkündet seine Selbstmordabsichten,
es verbleibt
nur eine Stunde zum Handeln.
Die anderen User der Insel diskutieren
im Chat, Ersatz oder
Evolution. Die Uhr tickt und
plötzlich droht das Netz ein
Raum zu werden, in dem der
Handlungsspielraum eingeschränkt
ist, Anonymus scheinbar
unerreichbar, ihr Selbstmord
unaufhaltsam. Anonymus
„sucks“ und die Spieler tanzen
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
und singen mit ihrer Lebensfreude
gegen Anonymus´ „shitstorm“
an. Dennoch bröckelt
die „Happy World“, Anonymus
fordert Reibung, eine Haltung,
Wahrheit und Geständnisse. Es
wird sich geoutet, diskutiert
über Religion, die große reine
Liebe – es wird existenziell. Das
Ensemble spielt, singt und bewegt
sich mit einer beeindruckenden
Souveränität und
Durchlässigkeit. Sie nutzen eine
einfache, aber wirksame Theatralik.
Der ernste Ton wird mit
leidenschaftlichen Musikeinsätzen
und viel Humor gebrochen,
mündet in simpler Poesie,
die Gitarre leicht gezupft und
verträumt. „Du musst Spuren
in der Welt hinterlassen“, das
ist anstrengend, wie der Spagat
zwischen zwei Welten, den
parallelen Welten. Mein Stuhl
knackt, er droht zu brechen.
Die Anonymen Ausländer reiten
auf Klischees, zerspielen sie
und füllen das Integrationspaket.
„Deutsche sind …“, ich habe
keine Ahnung, was deutsch ist.
Das Ensemble verrät es mir und
rappt vom Sauerkraut. Die Ironie
erreicht mich. Die Figuren suchen
nach Identität, ihrer Identität.
Was ist mitzunehmen aus
der einen und der anderen Welt?
Ich frage mich nach meinen
parallelen Welten, bin ich echt
deutsch, auch wenn ich seit
Monaten kein Sauerkraut auf
dem Teller hatte? Bin ich schon
integriert, nach 24 Jahren Mauerfall?
Ich esse lieber asiatisch
als deutsche Hausmannskost,
habe ich mich damit aus kulturellen
Kontexten segregiert?
Noch 20 Minuten und Anonymus
wird sterben. Religionen
verschmelzen und es riecht
nach gegrilltem Steak; jedenfalls
glaube ich, es mir einzubilden.
Tatsächlich, ein Grill
erobert die Bühne. Es gibt Buletten.
Essen im Netz, eine
schöne Zukunftsvision. Wieder
prallen Geschichten auf Anonymus,
der Spiel- und Erzähllust
kann man sich nicht entziehen.
Gelüste und Sehnsüchte brechen
heraus, um wirklich zu leben
musst du in eine parallele
Welt, in die Vergangenheit oder
einfach an die frische Luft.
Dort herrscht Sommer und die
kosovarischen Kühe stehen
friedlich auf dem Berg. Anonymus
bleibt unbeeindruckt, die
letzten 10 Minuten ticken. Es
bleibt die Entscheidung für die
eine oder die andere Welt oder
eben nur unsere Träume. Musik,
Vollgas, Endspurt, dann Stille.
Anonymus hat sich ausgeloggt
oder ausgeknockt? Mein Stuhl
hält, genau wie dieses so sympathische
und kräftige Ensemble:
„Hallo Welt, ich bin Du und
Du bist ich …“
29
Stimmen zum Stück
+++ schöne szenen zum thema herkunft und identität +++ ich fand interessant,
dass sie den selbstmord zum roten faden gemacht haben +++ voller
leben und drama und humor +++ verwirrend +++ ich fand, es entspricht dem
wirklichen leben +++ gelungener musikeinsatz +++ zu viele klischees +++ ein
bisschen langweilig +++ ich hab ein stück darüber gesehen, wie du in zwei
welten leben kannst, aber auch zwei welten in dir sein können, und darüber,
wie dich das manchmal auseinanderreißt, aber auch darüber, wie sich
wieder alles harmonisch zusammenfügen kann +++ abgegriffene thematik +++
super bühnenbild +++ gut gespielt +++ ich habe nicht oft stücke mit jugendlichen
gesehen, aber ich habe mich gefragt, ob die ideen auch alle von den jugendlichen
selbst kamen +++ das thema internet ist einfach super +++ sie
haben im stück einfach viele bekannte probleme noch einmal formuliert,
aber ich hätte mir gewünscht, dass sie zeigen, wie einzelne menschen damit
umgehen +++ mich würde sehr interessieren, wie sie auf schaukel, baum und
grill gekommen sind +++ mir war die umsetzung zu technisch, zu künstlich
+++ sehr persönlich +++ richtig viele schöne bilder +++ zu viele worte +++ ich
fand es schwer, reinzukommen, aber als dann dieser religionsclip kam, hat es
mich echt gepackt +++ den gesang fand ich am besten +++ sie haben zu sehr
versucht, uns toleranz einzuhämmern, das war mir nicht subtil genug +++
die stelle, an der sie alle gleichzeitig die zuschauer angesprochen haben, war
am besten +++
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Rezensionen
Nur eine Randnotiz – von Lydia Dimitrow
Die Frage ist doch auch: Macht
man das noch? Hängt man mit
14 (bzw. 14–23) in irgendeinem
random Chatroom ab? Ist
Jugendlichen Anonymität im
Internet nach facebook und
studiVZ noch ein so großes
Bedürfnis? Man nimmt dem Bielefelder
Ensemble trotz allen Aktualitätsbemühungen
(Familientreffen
via Skype, Nacktfotos,
die plötzlich überall auf facebook
sind) diesen Erzählanlass
nicht so ganz ab. Wenn es ein
Internetthema gäbe, das
Jugendliche wirklich umtreibt
– wäre es dann wirklich die Gruppendynamik
in irgendeinem
Chatroom? Das Stück lässt diese
Fragen offen, da die Themen
Internet und Chat sich schon in
der ersten Hälfte der Inszenierung
wieder verlieren. Es soll
eben doch eigentlich um andere
Dinge gehen, um Familie,
Traditionen, um Anderssein,
um die Frage, wer man ist oder
besser: Wer man sein will.
„Parallele Welten“ heißt die
Stückreihe des Theater Bielefeld,
zu der „Die Insel“ gehört.
Die Figuren berichten von einem
Leben mit mehreren Welten,
mehreren Kulturen. Aber
kann es parallele Welten tatsächlich
geben? Ist man mal in
der einen, mal in der anderen?
Bewegt man sich nicht in Wirklichkeit
immer in mehreren
Welten gleichzeitig? So abstrakt
wie diese Überlegungen hier
erscheinen, bleiben sie leider
auch im Stück. Die Texte sind so
sehr im Allgemeinen und im Klischee
verhaftet, dass die Figuren
auf der Bühne wenig greifbar
werden. Sie wollen „Altes
beibehalten und Neues übernehmen“.
Aber was heißt das
genau? Man müsse sich jedenfalls
irgendwann zwischen den
Welten entscheiden, sagt eine
der Figuren, und wenn man darüber
nachdenkt, so ist das
doch ein ziemlich trauriger
Satz. Denn wie sähe so eine
Entscheidung aus? Wenn Deutsche
ständig Sauerkraut essen
und Bier trinken, wie es im Stück
heißt – ist dann Schluss mit Nasi
Goreng? Es bleibt oft unklar in
der Bielefelder Produktion, wo
der Ernst aufhört und die
(Selbst-)Ironie anfängt. Hoffentlich
irgendwo vor dem Rap,
der mit der Moral endet, Deutsche
ärgern lohne sich nicht.
Wahrscheinlich aber nicht vor
dem rätselhaften Rumi-Video-
Clip. Die Spieler singen, tanzen,
rappen und spielen mit Leidenschaft;
man spürt, dass sie dem
Publikum so viel sagen wollen,
so viel zeigen, so viel erzählen
wollen – und eben deswegen ist
es schade, dass so viele Elemente
der Inszenierung so wenig
mit ihnen zu tun zu haben
scheinen. Man hätte gern mehr
von ihnen gesehen, ganz fern
von Chatroom, Allerweltsklischees,
Religionspotpourri und
Selbstmordthematik.
31
Über Gott und die Welt – von Felix Kracke
Die Jugend des neuen Jahrtausends
als sinnlos plappernde
Korona, Nonsens erzeugende
und verbreitende Schar der Gesichtslosen,
sexuelle und gewalttätige
Perversionen, überhaupt:
das Ende der
zwischenmenschlichen Kommunikation,
das Aussterben der
Menschheit. So oder so ähnlich
hat man es sich wahrscheinlich
vorgestellt, als es hereinbrach,
das Internetzeitalter. Mit all
seinen Chatrooms und Foren,
den Social Networks, diesen
Lautsprecher-Portalen für bisher
Ungehörte. Es kam alles
anders und doch ganz ähnlich.
Das Klischee jedenfalls blieb bis
heute: Der anonyme Chat room,
in dem junge Menschen aller
Herren Länder Tag für Tag aufeinandertreffen,
um einfach
mal über Gott und die Welt zu
reden. Auch in der Produktion
des Theater Bielefeld werden
auf virtuellen Boden die Neurosen
gepflanzt, welche dieser
Vorstellung des modernen
Menschen entgegenkommen:
geografische und soziale Entwurzelung,
die Sehnsucht nach
Kontaktaufnahme, Geltungsdrang.
Eine von ihnen, Anonymous,
kann das nicht mehr ertragen,
kündigt an, sich
umzubringen. Die Chatgruppe
bricht auseinander. Eine Debatte
entspinnt sich über das
Für und Wider, die Vorzüge und
Schönheiten der irdischen Existenz.
Unterlegt mit Live-Musik
der Band (ist die eigentlich
auch im Chat room?), szenisch
gestaltet in bildhaften Formationen
und choreografischen
Abfolgen. Die Musik, Worte,
Bewegungen sind kurze Äußerungen
im Massenchat: Sie
ploppen auf, verschwinden,
werden kommentiert, weiter
geht’s. Ein Appell an das Leben.
Schade, dass wir von diesem
Leben, dem der Jugendlichen
und ihrer Umgebung so wenig
erfahren. An seiner Stelle stehen
Allgemeinplätze und
Natur fantasien, idealisierte
Ideen des Lebenswerten. Ein
bisschen wirkt es, als wäre es
die Generation der Mütter und
Väter, die hier über Jugend -
probleme spricht. Als wäre es
ihr Schreckgespenst Internet,
das spukt, ihre Sprache, die
spricht: Junge Menschen unterstellen,
ihnen wäre jemand
„auf den Schlips getreten“ und
Anonymous soll nach „Ene
meene meck”-Prinzip aus dem
Chat geworfen werden. Spannend
sind die Momente, in denen
etwas aufscheint von dem
persönlichen Zugriff der gut
aufgelegten Darsteller auf diese
großen Themen, wenn in Gameshow-Manier
die schlimmsten
Diskriminierungserfahrungen
geteilt werden sollen zum Beispiel;
das ist frisch und spielfreudig.
Oder wenn die Homosexualität
mit „Verstehste? Ein
Typ und noch ein Typ.“ kommentiert
wird – ein Satz, der
schwingt. Das so genannte anonyme
Internet bietet die Möglichkeit
der Zweitexistenz, der
künstlichen und künstlerischen
Erhöhung, kann das zu Tage fördern,
was in uns unbemerkt
blieb; was raus will, die Fantasie
treibt. Davon hätte ich
gerne mehr gesehen.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
hell erzählen
Freie Jugendtheatergruppe Hellersdorf des Theater o.N., Berlin
Sonntag, 26. Mai 2013, 20:00 Uhr
Es spielten:
Nathalie-Michelle Bremer, René Bresinski, Paul Figur,
Paul-Justin Forche, Stefan Huras, Jass Köhler, Lara Maier,
Melisa Munack, Pia Ziehe
Regie: Cindy Ehrlichmann
Dramaturgie: Dagmar Domrös
Ausstattung: Martina Schulle
Musik: Gerhard Schmitt, Minas Suluyan
Choreografie: Mandy Pfennig
Stimmbildung: Caroline Intrup
Gruppenportrait – von Sebastian Meineck
Die Hellersdorfer sind im Haus! Sie sind zwischen
11 und 15 Jahre alt, und sie sind „alle bisschen
gaga“. Jedenfalls sagen sie das von sich selbst.
Ein halbes Jahr hat es gedauert, bis das Theater
ohne Namen das Ensemble geformt hat. Vielleicht
sind sie sogar so was wie eine Familie geworden.
Aber eine mit all dem Trubel, der zu einer
richtigen Familie dazu gehört. Ob es sie
nervös macht, im Haus der Berliner Festspiele
aufzutreten? „Na, wir sind in Berlin zuhaus!” sagen
sie unverblümt. Da macht es auch nix, die
Jüngsten auf dem Festival zu sein. Kaum sind
zwei Tage vorbei, schon haben sie eine Menge
neuer Freunde gefunden. Ein bisschen aufgeregt
sind sie natürlich schon. So groß war das Publikum
noch nie. Mehr als doppelt so viele Leute wie
sonst! Hellersdorf gesteht: „Das ist ganz was
Neues.“ Aber auch was Schönes. Es ist ein intimes
Stück, und einige der Geschichten stammen
aus dem richtigen Leben. Wer aufmerksam
lauscht, der wird den Jungs und Mädels sehr
nahe kommen. Die Hellersdorfer sind gespannt,
welche Kraft das Stück in einem so großen Raum
entwickelt. Was kann denn das Publikum machen,
damit die Aufregung ein bisschen kleiner
ist? Die Antwort: Gut gelaunt sein!
35
Die Jury zur Auswahl – von Maike Plath
„Ich kenn’ böse und gute Menschen.
Ich kenn' Ghettos und
Nobelviertel. Ich kenn’ Liebe
und Hass.” (Needy)
Wie ist es im Stadtteil Hellersdorf?
– „Vielleicht nicht der
schlimmste Bezirk, aber schon
Ghetto – dezent asozial halt.”
(Jass, 15 Jahre)
Kulturelle Bildung ist ein Muss.
„In Deutschland wachsen fast
vier Millionen Kinder unter 18
Jahren, also mehr als ein Viertel
dieser Altersgruppe, in mindestens
einer sozialen, finanziellen
oder kulturellen Risikolage
auf, die ihre Bildungschancen
schmälert.” (Annette Schavan,
frühere Bundesbildungsministerin).
Der Regisseur René Pollesch hat
in seinem letzten Stück Brecht
zitiert: Dass man am Ort der
Niederlage bleiben soll, weil
man da was lernen kann. Und
dass man sich hüten soll vor dem
Ruhm. Denn der sei der Niedergang,
der Anfang vom Ende.
Es gibt nicht viele unter uns, die
den Mut haben, am Ort der
Niederlage zu bleiben. Dort, wo
man am meisten lernen kann.
Cindy Ehrlichmann, Dagmar
Domrös und neun Jugendliche
aus Hellersdorf haben diesen
Mut. Und harren aus – bis aus
Widerstand, Zweifel und unermüdlicher
Suche dann plötzlich
ein künstlerisches Statement
wird.
„hell erzählen” ist ein kleines
Wunder. Oder ein großes. Weil
neun Jugendliche aus Hellersdorf
sich auf eine Welt einlassen,
die ihnen vollkommen fremd ist,
weil sie ihre Skepsis und ihre
Ängste überwinden und Vertrauen
fassen in eine kleine
Gruppe von Künstler/ -innen,
die ihnen einen Weg durch das
Gestrüpp der alltäglichen Katastrophen
weisen – und zwar
ausschließlich über die Mittel
der Kunst.
Hier soll niemandem „geholfen”,
niemand therapiert werden. Das
Ziel der gemeinsamen Arbeit
ist ein künstlerisches Produkt
− nicht mehr und nicht weniger.
Was passiert, wenn sich
beide Seiten auf einen künstlerischen
Prozess einlassen? Die
erste Voraussetzung dafür ist
wohl der wahre Mut zum Risiko
des Scheiterns.
„Heute ist der Tag der Niederlage.
Laut sein müssen. Brüllen.
Den Gesichtern entgegenhalten,
dass man gleich keine Lust
mehr auf die Probe hat. „Reiß
dich zusammen!”, „Konzentrier
dich!”, „Lass das!” Wann habe
ich diesen Feldwebelkurs gemacht?
Jetzt bekommen die
Jugendlichen, was sie kennen:
Eine überforderte Erwachsene,
die sie anbrüllt und ihnen im
Minutentakt rückmeldet, was
sie alles nicht können. Das galt
es doch zu vermeiden. Das war
doch meine Mission.”
Das schreibt Cindy Ehrlichmann
in aller Offenheit über die Momente
des Zweifelns im Prozess.
Umgekehrt wird es die Jugendlichen
aus Hellersdorf
irritiert haben, dass „Theater”
nicht immer das war, was sie
sich unter „Theater” vorgestellt
hatten. Vielleicht auch, dass
diese Arbeit ihnen mehr abverlangte,
als sie zunächst bereit
waren zu geben. Disziplin, Zuverlässigkeit,
Konzentration und
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
oft auch Arbeitsweisen, die ihnen
gänzlich fremd erschienen
und die in ihnen deshalb zunächst
Widerstände erzeugten.
Wir alle neigen schließlich dazu,
das Fremde zunächst einmal
skeptisch zu betrachten…
Warum aber sind diese Jugendlichen
den Weg bis zur Premiere,
bis zum herzklopfenden „Sich-
Zeigen” vor Publikum gegangen?
Wie ist es ihnen gelungen,
ein Theater stück zu entwickeln,
das seine eigenen, künstlerischen
Mittel in direktem, persönlichen
Austausch miteinander
ertastet und mit der daraus
resultierenden Ausdrucksstärke
und persönlichen Unmittelbarkeit
den direkten Weg zum Zuschauer
findet?
Cindy Ehrlichmann schreibt:
„Die Jugendlichen, mit denen
wir arbeiten, sind einzigartig,
stark, mutig und unmittelbar.
Sie sind Überlebenskämpfer.”
Offensichtlich hat hier eine Begegnung
statt gefunden, die es
allen Beteiligten ermöglicht
hat, sich über Gefühle der
Fremdheit und der bloßen Zuschreibungen
hinweg zu setzen.
Aus „Das sind die „Jugendlichen
aus Hellersdorf” und
„Das sind die komischen Künstler
aus Prenzlauer Berg” ist eine
beiderseitige Verwunderung
über die mögliche Nähe geworden.
Über die Möglichkeit, etwas
anderes zu sehen, als das
vermeintlich Offensichtliche.
Eine Verwunderung über die Erkenntnis,
dass sowohl die „komischen
Künstler” als auch die
„Hellersdorfer Kids” einander
tatsächlich in gleichen Teilen
etwas geben können, das beiden
Seiten vorher für ihr „Weltbild”
– für ihr Verständnis von
Welt − gefehlt hat. Über den
Widerstand, den Zweifel und
das vorsichtige, aber unermüdliche
„Sich-Einlassen” auf das
Fremde, fand jede und jeder in
dieser Gruppe am Ende zu sich
selbst und gleichzeitig zum
Ganzen − zu ihrer Geschichte.
Genau das vermittelt sich dem
Zuschauer in „hell erzählen”
auf leisen Sohlen und mit voller
Wucht. Wir sehen selbstbewusste,
junge Menschen, die
uns klar in die Augen schauen
und sagen: „Das bin ich”, und
die uns an innere und äußere
Orte führen, die wir kennen.
Und die uns berühren. Alles, was
wir in „hell erzählen” auf der
Bühne sehen, wirkt zutiefst persönlich
und gleichzeitig allgemeingültig.
Wir erfahren nicht
nur etwas über diese Kinder,
sondern vor allem etwas über
uns selbst und den gesellschaftlichen
Zustand, in dem wir
leben. „hell erzählen” ist damit
in seiner kleinen, leisen Privatheit
großes politisches Theater.
37
Stimmen zum Stück
+++ mir hat’s unglaublich gut gefallen: die geschichten, die erzählt wurden, die
musik, die pappkartons, aus denen gebaut wurde (häuser und heime), der spielerische
charakter +++ beeindruckend +++ schön und ehrlich +++ bewegend +++
ich fand beeindruckend, dass sie so eine klare form gefunden haben +++ ich
habe seit langem nicht mehr so einen guten chor gesehen +++ mir hat das musikalisch-rhythmische
gefallen +++ begeistert +++ mein sozialarbeiterherz hat
hoch geschlagen, und mein theaterpädagogenherz hat noch höher geschlagen:
weil man hier gesehen hat, dass man mit theater menschen dazu bringen kann,
ihren alltag und ihr umfeld wahrzunehmen und zu sagen: ich will etwas verändern.
und das ist doch toll, dass sie das können, dass sie sich vor hundert leute
stellen und sagen: das bin ich, das kenn ich, das ist mein alltag, und das finde
ich scheiße, und ich will mich verändern +++ krasse geschichten +++ es war aber
auch ein bisschen erwartbares problemkieztheater +++ das stück hat mir hoffnung
gegeben +++ auch wenn die texte manchmal aufgesagt gewirkt haben,
fand ich es trotzdem beeindruckend, dass sie sich trauen, ihre eigenen geschichten
zu erzählen, so viel von sich preiszugeben +++ die direktheit war toll,
mit der die jungs und mädchen gesprochen und sich dargestellt haben +++ sie
haben mich in ihren alltag mitgenommen +++ diese pappelemente waren toll
+++ ein stück mit ganz viel rhythmik und power +++ ich fand sie so sympathisch,
weil sie einfach sie waren +++
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Rezensionen
Spiel im Spiel – von Anna Theresia Bohn
Die Idee, die „eigene Biografie
und die eigene Identität als
gleichzeitig relevant und veränderbar”
wahrzunehmen, ist in
der Form des Spielens im Spiel
realisiert. Vom „Das bin ich”-
Vorstellungsspiel zur „Reise
nach Jerusalem” bis zur selbst
gespielten Musik. Dabei dient
als Grundelement des Spiels
das Pappe-Rechteck, das je
nach Bedarf kreativ umfunktioniert
wird zum Versteck für
Musikinstrumente, zum Sitz,
zum Bauglied, zum Rahmen für
das Gesicht. Was ist der Charakter
dieses Spiels? Zum einen
treten Flexibilität und Dynamik
in den Vordergrund: Im Spiel
kann vieles geschehen, was unvorhergesehen
war. Zum anderen
liegt der Fokus auch auf der
Methodik und der Struktur als
tragende Stützen des Inhalts:
Die Spielregeln haben Gültigkeit
und beeinflussen die Handlungen
der Spielenden. So wird
gemeinsam aufgebaut, gemeinsam
zerstört. Es entstehen
Räume, in denen Möglichkeiten
so lange durchgespielt
werden, bis jede Version ihre
berechtigte Bühnenpräsenz
hat. Dies alles lebt vom Charme
der Ehrlichkeit, der Authentizität.
Im Spiel liegt jedoch immer
auch die Spannung zwischen
Realität und Fiktionalität. So
behauptet beispielsweise die
Figur in ihrer Rolle, schwarze
Haare zu haben, der Spieler
aber ist blond. Dabei zuzusehen,
ist unterhaltsam. Gleichzeitig
wirft das Spiel den Zuschauenden
auf sich selbst
zurück: Wie kann ich mit den
Problemen, die im Spiel sowohl
ernst als auch humorvoll
anskizziert werden, umgehen,
wenn es nicht unbedingt unmittelbar
meiner Lebensrealität
entspricht? Alkoholtherapie,
Eifersuchtsmord und Gewalt
sind Spielanlässe, keine Therapieeinblicke.
Von diesen Geschichten
ist man berührt,
ohne dass Betroffenheit diktiert
wird. Dies gelingt schlau
durch die Hinweise der Fiktionalität
des Spiels, in welchem
Verhältnis die Fiktionalität
auch immer zur Realität stehen
mag. Die Beziehung von Biografie
zur Rolle bleibt dadurch
selbstverständlich unklar und
lässt den Zuschauer als Zuschauer
zurück, der das Spiel
wie ein staunender Voyeur beobachtet
oder ist es die Einsicht
der Überforderung?
39
Kein Luftschlossstück – von Lydia Dimitrow
Da gibt es Markierungen auf
dem Boden wie in einer Turnhalle.
Neun Jugendliche sitzen
neben oder hinter kastenartigen
Papprahmen. Da wird geschminkt,
geknüpft, gestrickt.
Dann fängt alles an mit einem
Spiel: Stuhltanz, nur ohne Stühle,
dafür mit den Papprahmen,
und wer sich zu spät einen greifen
kann, ist nicht nur einfach
raus, sondern muss sich erst
vorstellen. „Ich bin Lilly. Das bin
ich. Ich bin hübsch, aber vielleicht
bin ich auch ein bisschen
hässlich.“ Die Figuren, die dort
auf der Bühne erschaffen werden,
wollen von sich erzählen.
Davon, wie sie sich selbst sehen,
von ihren Wünschen und
ihrem Alltag, von dem, was sie
kennen: „Ich kenn’ Kleinsein
und Großsein“, „ich kenn’, wenn
gar nichts mehr geht“, „ich
kenn’ Sport, ich kenn Shoppen,
ich kenn’ Ämter und Heime“. Ihre
Sprache ist klar und pointiert,
immer wieder sehr poetisch und
gut durchrhythmisiert; und
genau das hält am Ende das
Pathos fern, die Allgemeinplätze
und die Betroffenheitsbeklemmung,
die sich so leicht
einschleichen, wenn es um Alkoholismus
geht, um Jugend -
gefängnis und Therapiestunden.
Die Figuren machen keinen
Hehl daraus, dass Gewalt und
Einsamkeit zu ihrem Alltag
gehören. Ein Spieler sagt: „Ich
hasse mein Zuhause.“ Aber was
sie dann doch am meisten
stört, ist, dass es jeden Tag
„immer dasselbe“ ist, dass sich
das Leben wie eine Einbahnstraße
anfühlt, jeder mit seinen
eigenen Problemen ringt, kein
Ausweg in Sicht ist. Und dann
hat die Angst der einen davor,
von den Mitschülern ausgenutzt
zu werden, weil man
immer die Beste ist, plötzlich
genauso viel Gewicht wie die
Angst der anderen davor, ins
Heim zu kommen. Ihr gemeinsames
Fazit ist: „Etwas muss
sich ändern!“ Und auf der Bühne,
im Spielen kann genau diese
Veränderung stattfinden.
Etwa, wenn alle Spieler gemeinsam
trommeln, und nach
und nach jeder einzelne aus
diesem Einerlei-Rhythmus mit
wildem Getrommel und dem
Schlachtruf („Etwas muss sich
ändern!“) aussteigt; wenn
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Geschichten einfach neu erzählt
werden („Das Ende gefällt
mir nicht!“) und wenn man
Träume auf der Bühne so erzählen
kann, dass sie fast wahr
klingen: Needy wird im Shoppingcenter
von Universal Music
entdeckt, und dass sie wirklich
singen kann, zeigt ihre Darstellerin
Jass – „We could have had
it all“. Insofern ist die Hellersdorfer
Produktion vor allem
auch eine kleine Liebeserklärung
ans Theater, ans Spielen,
denn auf der Bühne ist alles
möglich, kann Wirklichkeit neu
erschaffen werden, und das vor
allem zusammen. Und so geht
die Kraft des Ensembles natürlich
vor allem von ihrem Zusammenspiel
aus – wenn sie gemeinsam
stampfen, springen,
tanzen (Gangnam Style und
Wuttanz), Papprahmentürme
stapeln und Musik machen, mit
Melodika, Cajón, Xylophon, Gitarre.
Trotz aller Träume, allem
Mut zur Veränderung und aller
Utopie – am Ende ist „hell erzählen“
kein Luftschlossstück.
Die Spieler rufen im Chor: „Aber
wenn es nur so einfach wäre!“
Es ist nicht so einfach. Auch
nicht nach dieser wunderbaren
Produktion, die nichts glattbügelt,
sondern auch Brüche zeigt
und das Schwierige, der es gelingt,
mit so reduzierten Mitteln
und so vielen geschickten Spielanweisungen
so viel zu erzählen.
41
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Lochland
poco*mania, Theatergruppe Käthe-Kollwitz-Gesamtschule,
Grevenbroich Montag, 27. Mai 2013, 20:00 Uhr
Es spielten:
Elisabeth Riahi Dehkordi, Deborah Habicht, Tasha Helten,
Oliver Hilden, Roxana Hünnekens, Maxi Jatzkowski, Kamilla
Anna Kleiner, Tom Radermacher, Marco Schichtel, Monique
Schubert, Jasmin Schulz
Regieteam: Axel Mertens und Ensemble
Assistentin: Miriam Poppke
Technik: Marcel Röber, Mike Peitz,
Dominik Schotten
Videos: Marcel Röber, Klaus Stimpel
Bühne: Klaus Stimpel
Gruppenportrait – von Anna Theresia Bohn
Zum Glück hat es die Theatergruppe nicht verschluckt
und so finden sich die elf Spielenden zusammen
mit ihren drei Technikern heute auf der
Bühne wieder, auf der sie alle gemeinsam als Ensemble
der kleinen Manie mit Bewegungsdrang
live den regionalen Sterbeprozess der Dörfer
märchenhaft in die größere Nationalgeschichte
namens Kapitalismus einbinden. Im letzten September
formte sich die „geile”, „harmonische”
Gruppe an Schülern, geleitet von einer Ehemaligen.
„Wir haben uns alle verliebt”, beichten sie
uns. Bei Bier. So fiel es ihnen leicht, sich zu entscheiden,
die Erzählungen ihrer Biografie als politisches
Anliegen zu inszenieren. Mal etwas Anderes
als das „alte Thema Liebe”. Die tägliche
Konfrontation mit dem Kohleabbau, der ständige
Blick auf die Kraftwerke, die sich schwarz färbende
Wäsche und die Umsiedlungsschicksale
von Oma und Opa dienen als Inhalte des Stücks.
Dabei möchte es das Ensemble jedoch nicht belassen;
sie suchen die Konfrontation mit ihren eigenen
Wissenslücken. Was passiert da eigentlich
wieso und was heißt das für wen? Diese Fragen
versuchen sie durch Interviews mit Betroffenen
sowie durch Eigenrecherchen vor Ort zu klären.
Was den 10.- bis 13.-Klässlern bei den Proben dabei
immer wieder wichtig blieb, war, sich in der
spielfreudigen Gruppe den Potentialen des Theaters
zu nähern. Dabei ist vor allem das multimediale
Experimentieren mit dem Thema von Interesse.
So fuhren poco*mania durch die Dörfer und
nahmen alles mit der Kamera auf: Sie dokumentieren
das Reale, holen im Medium ihre Interviewpartner
auf die Bühne und wollen uns mit live zusammengemischter
Technik beeindrucken.
Daumen drücken! Eine für Nicht-Regionale ungewohnte
Sprache ist nun in Berlin zu hören: Von
„Löchern” und „Schluchten” ist die Rede. Davon,
dass sie an „mein” oder „dein” angrenzen. Davon,
dass solche „Löcher” auch zu einem „mein”
oder „unser” werden können, so präsent sind sie
in der Lebensrealität. Besitzergreifend. Davon,
dass sie sich erweitern und unbekümmert verschlucken.
Dass sie eigenständig wie Personen
agieren. Eine unheimliche, destruktiv lebendige
Umwelt. Wir hören vom „Sterbeprozess” der Dörfer,
dessen Dauer wie bei einem Patienten in Monaten
angegeben wird. Diesem Themenkomplex
nähert sich das Ensemble auf mehreren Ebenen.
So soll die Struktur des Märchens genutzt werden.
Und gleichzeitig sind da die Wut und der Zynismus.
Es tun sich Abgründe auf. Heute Abend
werfen wir einen Blick hinein.
43
Die Jury zur Auswahl − von Sepp Meißner
Wenn die Meinungstyrannen
und Ranking-Junkies aus dem
bunten deutschen Blätterwald
feststellen, dass deine Heimatstadt
die dreckigste des Landes
ist, dann ist es an der Zeit, sich
zu wehren. Früher wäre man ja
auf die Barrikaden geklettert,
hätte sich vor Firmeneingängen
postiert und alle möglichen
Schmähparolen skandiert. Die
Verursacher von derlei Schandmalen
mussten gebrandmarkt,
mussten zur Verantwortung
gebracht werden.
Nichts von alledem lauten Trara
führen die Grevenbroicher
Jugendlichen von der Käthe-
Kollwitz-Gesamtschule im
Sinn. Sie haben schon viel früher
gespürt, dass sich in ihrer
Heimat Beängstigendes auftut
– ein Loch nämlich. Und dieses
Loch wird um der Braunkohle,
um der ach so dringend benötigten
Energie willen nach und
nach Wälder, Felder, Höfe,
Häuser, Dörfer, Städte, Existenzen
verschlingen, Geschichten
vernichten. 1000 Jahre altes
Kulturland muss dem Fortschritt
weichen.
Solange wir von den Großprojekten
dieser Welt, sei es in Brasilien,
China oder sonst wo, nicht unmittelbar
betroffen sind, haben
wir schnell vernünftige Sachzwänge
zur Entschuldigung parat.
Sobald poco*mania uns
aber diese perfide Grausamkeit
mit der Harmlosigkeit einer
Märchenerzählung aus „Lochland“
näher bringt, erwirken sie
tiefe Betroffenheit, decken sie
die Boshaftigkeit des realen
Handelns bis hin zu dessen Zynismus
schonungslos auf.
Ihr Protest ist ein ganz stiller,
ein unschuldiger, aber ein um
nichts weniger eindringlicher.
Sie wissen sehr wohl, dass sie
mit ihren Eltern im Dilemma
stecken. Wer hackt schon die
Hand ab, die einen füttert?
Und dennoch zwingt das unmittelbare
Miterleben zu verantwortungsvoller
Darstellung
dessen, was die vielfältige Recherche
bei den Betroffenen zu
Tage befördert hat.
Und so erleben wir einen Bilderbogen
von rücksichtslosem Vorgehen,
von berührenden Verlusten,
von stillen Schmerzen. Da
mag sich der Großkonzern noch
so bemühen, das Gefühl, über
den Tisch gezogen, der Kindheitserinnerungen
beraubt,
entwurzelt und in gleichförmige
Reihenhaus siedlungen
umgetopft zu werden, lässt
sich nicht vertreiben. Die finanziellen
Vorteile der Konzerne
sind nicht zu leugnen, Plünderer
und Gaffertourismus tun ein
Übriges, den Betroffenen die
Würde zu nehmen. Die Aussicht
auf renaturierte blühende
Landschaften zum Schwimmen,
Segeln oder Kanufahren klingen
da wie blanker Hohn.
Mit einer Vielzahl unterschiedlicher
theatraler Mittel geht die
Gruppe zu Werke. Da steht Satirisches
neben derber Komik,
Lyrisches neben Plakativem, Videoeinspielung
neben Klanginstallation,
Puppenspiel neben
personalem Spiel. Auf diese
Weise erhält jede der 15 Szenen
einen ihr angemessenen Charakter,
um schließlich in archaischer
Form das böse Märchen
vom Verlust der Heimat zu erzählen.
Damit werfen die Grevenbroicher
eindringlich grundsätzliche
Fragen nach unserem
Umgang mit Umwelt und uralter
Kultur auf.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Stimmen zum Stück
+++ gut, nicht sich selbst zum thema zu nehmen, sondern
etwas, für das man sich engagiert +++ politisch +++ gute
aufarbeitung eines ernsten themas +++ großartiger
wechsel von ernst und humor +++ unterhaltsam +++ von
anfang an volle schauspielerische leistung auf der bühne
+++ wunderschöne sprache +++ erfrischend, eine andere
thematik als nur die spieler auf der bühne zu sehen +++
berührend +++ schöne bühnenbilder haben wir da erlebt,
beispielsweise wie sie die bilder aufgehängt haben und
schnell die leinwand aufgebaut haben +++ ich habe mich
oft gefragt, ob das noch theater oder schon film ist +++
so viele medien wurden verwendet +++ bisschen zu sehr
hollywood +++ geniales bühnenbild +++ die politik wurde
hier auf die bühne geholt, mit allen potentialen, die dadurch
entstehen, und einigen gefahren, die sich ergeben
+++ langatmig +++ voll betroffenheit +++ schwierig +++
brechttheater +++ heftig! ich hatte noch nie vom thema
gehört und war völlig überrascht und emotional bewegt
+++ seltsamer abspann +++ selten habe ich so lustiges
politisches theater gesehen +++ gute metaphern +++ beeindruckend
+++ ich hoffe, die lochländer können noch
lange so fröhlich am theater arbeiten +++
45
Rezensionen
Ein Märchen über das Verschwinden – von Margarita Iov
Tosenden Applaus gab es gestern
für „Lochland“ von
poco*mania der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule
aus Grevenbroich.
Das Ensemble erzählt
uns ein zynisches Märchen
über den Kohleabbau im Ruhrgebiet,
der langsam dahin
schwindenden Heimat der Darsteller.
Auf dem Grund des
Lochs leben die Geld scheißenden
Wolkenmacher. Eine böse
Fabel, die leider wahr ist. Im
Grunde: Theater nach Brecht,
klassische Verfremdungseffekte
wie die grotesk komisch gespielten
Dialoge, stark übertriebenes
Mienen und Gestenspiel, Sprechchöre,
karikaturhafte, gogoleske
Figuren (die Absperrer), Schilder
(„Gott ist schon weg“). Das
Stück hat haupt sächlich wegen
der starken schauspielerischen
Leistung der Darsteller und dem
starken Medieneinsatz so gut
funktioniert: Reibungsloser und
schneller Kulissenumbau, einfache,
aber wirkungsvolle Effekte,
atmosphärische Kamerafahrten
durch die Straßen
nicht mehr existierender Orte,
sphärischmelancholische Musik,
zum Teil sogar live eingespielt.
Tatsächlich hätte es
auch mit etwas weniger Aufwand
genauso gut funktioniert.
Aber das Wesentliche an „Lochland“
waren die Inhalte, nicht
die Mittel. Das junge Ensemble
hat sich an eine originelle und
interessante Thematik herangewagt,
die nicht direkt mit ihrem
Alltag zu tun hat, aber dadurch
nicht weniger persönlich
ist. Das Loch erinnert an das
„Nichts“ aus der unendlichen
Geschichte. Es wächst und wandert
und verschluckt Häuser,
Tiere, bald ganze Dörfer, es
drängt die Menschen aus ihren
Häusern und das geht nahe. Die
persönlichen Schicksale älterer
Anwohner werden in einem kurzen
Dokumentarfilm vorgestellt,
in dem sie von der erzwungenen
Umsiedlung er zählen. Einziger
großer Patzer des Abends war in
meinen Augen der Abspann, der
gut gemeint war, das Anliegen
aber aus irgendwelchen Gründen
noch mal direkt formuliert
und ein bisschen zu sehr auf die
Tränendrüse gedrückt hat.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Apokalypse Loch – von Anna Theresia Bohn
Von Beginn an ist die Bühne ein
visuell ästhetisch komponiertes,
simples Bild: An einer
schwarzen Stellwand werden
eingerahmte Fotos aufgehängt;
Außen- und Innenansichten,
Kraftwerke und leere
Stühle in verlassenen Häusern.
Die eingerahmten Erinnerungen
werden im Laufe des Stückes
gewendet, sodass aus den
Rahmen junge und alte Augen
der Betroffenen auf die Zuschauenden
blicken. Auch
wirkt ein vor dem Gesicht gehaltener
Bilderrahmen als Erzählrahmen
für die Spielenden.
Das alles ist visuell sehr ansprechend.
Nur das Loch sieht man
nicht als Fotografie. Es bleibt
die unheimliche Frage: Wie
sieht es wirklich aus? Was ist da
drin? Diese Ungewissheiten
verleihen dem Loch eine lebendige
Kraft, eine Eigendynamik,
die das Stück antreibt. Das politische
Anliegen wird variiert,
künstlerisch gestaltet. Die
Spielenden nähern sich diesem
Thema mal durch verfremdende
highpitch-Stimmen, mal
durch grotesken Zirkus, mal
durch bitteren Zynismus, mal
durch Kasperle-Theater und
immer wieder auch mit ernstem
Dokumentationsanspruch.
Die vielen Perspektiven, die dadurch
auf das Thema gerichtet
werden, verhindern, dass das
Stück sich reduzieren lässt auf
die simple Forderung nach Betroffenheit.
Im Gegenteil: Hier
soll ein synästhetisches Erfahren
geschaffen werden. Das
Engagement von poco*mania
besteht darin, akustisch, visuell
und biografisch das Thema der
einstürzenden Erde – bedingt
durch den Kohleabbau – auf die
Bühne zu bringen. Alle Sinne
ansprechen. Man hört den
Wind, das erdige Geräusch des
sich ausweitenden Lochs.
Schnell wird dabei das Kernproblem
der Anschaulichkeit des
Lochs klar thematisiert: Kein
Märchen und keine inszenierte
Imagination kann ein adäquates
Bild erschaffen. Es geht
poco*mania um die Lebensrealität
in diesem Szenario. So
stellen sie fest, „jetzt sind sie
alle fort, unsere Lieblingsplätze“.
Es geht um die Denk- und
Lebensweise, um die sozialen und
psychologischen Auswirkungen
47
auf die betroffenen Menschen.
Wie ist das Leben mit der drohenden
Präsenz des Lochs? Um eine
Erklärung für das Geschehen zu
finden, wird sich im Spiel an der
Struktur des Märchens orientiert.
So wird die Figur des dummen,
profitgierigen Königs eingeführt.
Weitere Kunstfiguren
werden erdacht. Ein Wolkenmacher
wird entdeckt. Kapitalismus
und Stoffwechsel werden
in Verbindung gebracht:
Kohle, im doppelten Wortsinn,
trifft auch die doppelte Schuld,
zum einen durch den Abbau des
Rohrstoffes und zum anderen
durch den finanziellen Profit.
Das Erzählen wird genutzt, um
Hoffnungen einen Ausdruck zu
geben, „jetzt kommt das Wunder“,
um das Gespielte danach
zu kommentieren und in seiner
Fiktionalität zu entlarven. Immer
wieder werden die Szenen
beendet, indem die Leinwand
aufgebaut wird, um in Farboder
Schwarz-Weiß-Aufnahmen
zu White Noise eine Fahrt durch
die verlassenen Dörfer zu führen.
Eine Gespensterstadt mit
zugewachsenen Verkehrsschildern.
Beschmierungen, Ruinen,
unwirklich wirkende Skelette
der Windräder. Apokalyptische
Landschaften. Bei all dem kristallisiert
sich die Tragik des unwiderruflichen
Abschieds heraus:
„Irgendwann ist alles weg,
was mal war“. Am Ende wird der
ernste, politische Anspruch
deutlich. Eine Betroffene erzählt,
„meine Heimat ist ein
Loch und irgendwann ein Baggersee“.
Die Tatsächlichkeit des
Geschehens wirkt umso bedrückender
vor den humorvollen
Szenen zuvor. Auch erinnern die
Nahaufnahmen des Rauches
aus den Kohlekraftwerken an
Alexander Kluges Katastrophen-Kürzestfilme.
Crescendo.
Die Musik wird voll aufgedreht,
die geographischen Muster der
Ackerfläche werden hinausgezoomt,
bis die Welt in ihrer Totalität
gezeigt wird. Im Anschluss
ein Abspann mit der
Widmung an die betroffenen
Dörfer, eine alphabetisch geordnete
Liste, die den Zuschauenden
überfordert. Die das
Anliegen am Schluss leider
überzeichnet. Es wird versucht,
die Zukunft in Fakten zu begreifen.
Das Loch wird weiterwachsen.
Es wird ein 27m² großer
Restsee übrigbleiben. Stark ist
die Intention des Abspanns
deutlich, unmittelbar appellierend.
Man muss sich fragen:
Wie gehe ich nun damit um?
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
99 Prozent
spinaTheater − junges ensemble solingen
Dienstag, 28. Mai 2013, 20:00 Uhr
Es spielten:
Fabian Bauer, Johannes Berkholz, Aylin Cam, Caroline
Heiner, Lena Mergard, Julia Nau, Daphne Sassin,
Marie Stute, Dustin Weber
Regie: Christoph Stec, Jan-Marco Schmitz
Choreografie: Gabriela Tarcha
Kostüme: Marie Stute
Stimmbildung: Corinna Elling-Audersch
Gruppenportrait – von Margarita Iov
Das junge Ensemble des spinaTheaters aus Solingen
besteht aus neun Spielern und Spielerinnen
zwischen 16 und 21, die privat gar nicht so politisch
sind, wie man nach einem Blick ins Programmheft
vielleicht denken könnte. Denn heute
Abend wird es um Revolution gehen und um die
wachsende Schere zwischen Arm und Reich. „99
Prozent“, ein in Eigenregie (Christoph Stec, Jan-
Marco Schmitz) und nach dem Leitbild des demokratischen
Theaters produziertes Stück, beschäftigt
sich kritisch mit sozialen und
politischen Fragen. Hauptsächlich mit der Frage,
wie viel uns ein Krieg am anderen Ende der Welt
eigentlich angeht. Daran mitgeschrieben hat
jeder, gearbeitet wurde in Collagentechnik. Die
neun gehen das Risiko des partizipativen Theaters
selbstbewusst ein und gehen heute Abend
entspannt auf die Bühne. Eine Reaktion wird es
auf jeden Fall geben, sagen sie. Auf die Frage, ob
es denn heute Abend eine waschechte Revolution
geben würde, antworten die Solinger geheimnisvoll
lächelnd: möglicherweise ja! Was wir heute
ganz bestimmt zu sehen (und zu hören!)
kriegen, ist Empörung. „Raushalten geht nicht“,
schreibt Jurorin Carmen Waack. „Wer den Raum
betritt, gehört unweigerlich dazu.“ Also um 20:00
Uhr, ab in den Saal und sich anstecken lassen!
51
Die Jury zur Auswahl – von Carmen Waack
„Schlag zurück! Schlag zurück!
Schluck’s nicht – spuck’s aus,
schlag zurück!
Mit Worten, mit Fäusten, mit
Lachen, mit Schreien – Es gibt
tausend Wege, finde deinen.“
Früchte des Zorns
99%
Neunundneunzig Prozent ist
knapp einhundert Prozent,
aber eben nicht ganz. Neunundneunzig
Prozent ist eine
Drohung und ein Versprechen.
Neunundneunzig Prozent ist
eine Sammlung.
Neunundneunzig Prozent ist:
Ein Papierflieger, der in einen
Turm stürzt, der Beginn des
Kampfes gegen den unsichtbaren
Terrorismus, eine stürzende
Mauer, ein flackerndes Herz,
die Freude über einen Burger,
der weniger als einen Euro kostet,
oder auch nicht, Waffen,
die sechs Wände Stahlbeton
durchbrechen, zu Hause im
Wohnzimmer sitzen, während
die Welt ringsum immer gewalttätiger
wird, „Hol die Ellenbogen
raus – Bück dich hoch“,
eine Runde Mitleid in der
Mitleid erregendsten Show
Deutschlands mit der kleptomanischen
Karo und der mickrigen
Marie, ein abgeholzter
Wald, tote Küken, Kindersoldaten,
die Forderung, dass die
Welt aufhört, einem ein
schlechtes Gewissen zu machen:
Man will nicht wissen,
welche Kinderhände die eigenen
T-Shirts genäht haben, wie
ein Actionfilm, in dem schon
längst alles explodiert wäre,
eine Huldigung an die Lebensmittelkonzerne
dieser Welt,
(Geheiligt werden eure Marken!),
wie der Song „Wenn mal
mein Herz unglücklich liebt“,
das Versprechen von „No more
nightmares“, die Vermutung,
dass keiner wohl Lust haben
wird, so lange zu warten, bis
ein Hungerstreik vorbei wäre,
die Chance, „Tabu“ zu spielen
mit Kevin Normalverbraucher,
die Gewissheit darüber, dass
wir unsere Ärsche hochkriegen
müssten, um die Welt zu retten,
(doch dazu sind wir viel zu
faul!), wie mit der Heckenschere
auf die Schokoregale im Supermarkt
loszugehen, mit dem
Feuerzeug das Öl anzünden,
neunundneunzig Prozent ist ein
Schlag zurück...
Aber, um erst mal die Grundlagen
zu klären: Neunundneunzig
Prozent ist ein offenes Stück!
Das heißt, wer will, kann mitmachen.
Es ist jederzeit möglich,
sich zu beteiligen.
Jede und jeder ist also gefragt,
dieses Stück mitzugestalten und
zu den 99% das hinzuzugeben,
dass zu den hundert Prozent
vielleicht noch fehlt. Raushalten
geht nicht. Wer den Raum betritt,
gehört unweigerlich dazu.
Die Grenzen verschwimmen:
Politische Versammlung oder
Lecture-Performance, aktuelle
Nachrichtencollage oder Folterkabinett,
Tanz oder satirische
Revue, Showeinlage oder
künstlerisches Experiment? Wie
immer, wenn die klaren Linien
zwischen Genres und Veranstaltungsformen
verschwimmen,
entsteht etwas ganz Besonderes:
Die Bewusstwerdung des
Live-Momentes, die Frage nach
der individuellen Mitverantwortung
aller Anwesenden für
eine Situation, die Verdeutlichung
der Ko-Präsenz zwischen
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Performer/-innen und Zuschauenden,
die nur das Theater
herstellen kann, das Involviert-Sein,
das Sich-nichtentziehen-können.
Bei 99% geht es also um die
Frage nach Teilhabe und Beteiligung.
Im Theater, im Privaten
und im Politischen. Wann bewegst
du dich? Wann unterschreibst
du eine Petition?
Wann spendest du für Kinder,
die T-Shirts nähen oder Waffen
tragen? Wann schwimmst du
gegen den Strom? Wann stehst
du auf und brüllst aus Leibeskräften:
„Ihr könnt mich alle
mal am Arsch lecken. Ich lass
mir das nicht länger gefallen!?“
Die Gruppe vom spinaTheater
hat ihren Weg gefunden, zurückzuschlagen.
Angeleitet von
zwei ehemaligen Spielern entwickelt
sie im kollektiven Verfahren
eine Inszenierung, die
Mut macht. Die Gruppe wütet
ungehemmt im multifunktionalen
Bühnenbild aus immer
wieder neu zu kombinierenden
Pappkartons, die mal als ordentliche
Wand dem Publikum
die Sicht auf die Bühne
versperren, mal zum Schlachtfeld
werden. Auch die Kostüme
sind einfach und unaufdringlich.
Ein zerrissenes Abendgewand
und ein rotes Kleid
werden symbolträchtig. Im
Vordergrund steht immer die
direkte, unverstellte und energetisch
aufgeladene Spielweise
der einzelnen Akteur/-innen.
Sie verausgaben sich, rennen,
toben, proklamieren, schreien,
singen, musizieren, tanzen, riskieren,
improvisieren und tun
selten so als ob. Die Spieler/-
innen wollen (immer mit einem
geschickten Augenzwinkern),
dass auch ihr Publikum richtig
wütend wird. Dieses Experiment
gelingt.
Und das Herz – ein Muskel in
der Größe einer Faust – schlägt
höher, wenn das Theater von
jungen Menschen so viele Fragen
stellt, eine so große Formenvielfalt
entwickelt und
ein so facettenreiches und
selbstreflektiertes Bild einer
Generation widerspiegelt.
53
Stimmen zum Stück
+++ mutig ist, dass man grenzen überschreitet, auch im theater:
man muss das publikum beeinflussen, und das schafft dieses
stück auf jeden fall +++ kraftvoll +++ man war die ganze zeit
im stück drin, man konnte jederzeit mitmachen, wenn man
wollte, und das ist eine idee, die in jedes stück gehört +++ leider
hat keiner das human mic ausprobiert +++ stimmung einer
revolution +++ sie haben dieses durcheinander einer revolution
gut abgebildet, indem sie zum beispiel die kisten immer wieder
verschoben haben +++ spielfreude +++ unglaubliche körperspannung
+++ wunderschöne tanzszenen +++ sehr körperlich
+++ ich hab in diesem stück keine auseinandersetzung gesehen,
die irgendetwas neues gebracht hätte +++ ich weiß nicht, was
sie hätten machen können, um mich zu wirklicher empörung
zu bringen, ich hab mich jedenfalls nicht empört – vielleicht,
weil sie so empört waren +++ ich hab das politische vermisst,
weil ich keine positionen gesehen habe +++ ich fühlte mich an
einigen stellen erpresst: ich möchte nicht, dass sich menschen
meinetwegen schlagen lassen +++ mit der szene, in der das
mädchen geschlagen wurde, wurde wirklich erreicht, was gesagt
wurde +++ das mit den nettotüten war richtig krass, ich
hatte richtig angst, dass sie ersticken +++ die haben ihre
message (kritik an den medien) so unglaublich konsequent
rübergebracht +++ alles blieb plakativ an der oberfläche +++
haben sie die thematik wirklich verstanden? +++ ich hab selten so
viel qualität im jugendtheater gesehen und selten so große
bilder, auf die man sich so einlassen kann +++
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Rezensionen
Wanted: Offenheit – von Lydia Dimitrow
Es ist so schön, wenn sie tanzen.
Immer wieder baut das
spinaTheater in seine Inszenierung
stimmige Choreografien
ein; die Spieler tanzen ganze
Songs oder lassen eher nebenbei
gemeinsame Bewegungsmuster
ins Stück einsickern. Die
sind gut geprobt und nicht kitschig,
suggerieren dieses ironische
Augenzwinkern, diesen
provokativen Unterton, die Kritik
oft vor Plattheit bewahren.
So zum Beispiel, wenn sie zu
Deichkind eine Art Ausbeutungschoreografie
tanzen:
„Bück dich hoch! Komm steiger
den Profit! Bück dich hoch!
Sonst wirst du ausgesiebt!“ Das
sieht gut aus und macht Lust
auf mehr (viel mehr!). Ein Vorzug
dieser Tanzparts ist allerdings
auch ganz einfach, dass
die Spieler in diesen Szenen
nicht sprechen. Denn die überraschende
Kraft, die diese
Tanzszenen haben und die einen
gewissen Assoziationsraum
eröffnen, fehlt den Argumenten
des Ensembles, und so
passiert inhaltlich wenig Interessantes
an diesem „99
Prozent“-Abend. Es geht ihnen
um Ungerechtigkeit und Unterdrückung,
um die Fehler im
System und um selbstzerstörerisches
Inkaufnehmen viel zu
vieler Dinge. Aber eben viel zu
viele Dinge sind es auch, die das
(vielleicht vermeintliche) Interesse
der Spieler ausmachen;
von Massentierhaltung bis Kindersoldaten
ist alles dabei, nur
geht bei diesem Topic-Dropping
die Möglichkeit auf inhaltliche
Tiefe und echte Auseinandersetzung
schlicht verloren.
Das wäre auch gar nicht so
schlimm, wenn „99 Prozent“
ein Stück über einen Diskurs
wäre, über einen Weltverbesserungsdiskurs
zum Beispiel oder
darüber, warum so viele nichts
an dem ändern, worüber sie
sich beschweren. Aber es
scheint dem Ensemble aus Solingen
doch viel mehr am Herzen
zu liegen, dass das Publikum
sich mit ihnen empört,
richtig wütend, mit ihnen
kampfbereit wird.
Und das ist wahrscheinlich das
größte Problem der Inszenierung:
dass sie so viel vom Publikum
will. Die Zuschauer sollen
Geld geben, Tabu spielen, aufstehen
und sagen: „Ihr könnt
mich mal am Arsch lecken!“ Mit
dieser Forderung öffnet und
schließt das Stück: „Ich will,
dass ihr aufsteht und sagt – ihr
könnt mich mal am Arsch lecken!“
Am Anfang steht niemand
auf, am Stückende fast
der ganze Saal. Aber ist das
jetzt als Erfolg zu verbuchen?
Wenn 300 Leute aufstehen und
brüllen: „Ihr könnt mich mal
am Arsch lecken“? Das ist weder
provokativ noch neu und
wirkt mehr wie etwas, das man
andernorts als Stimmungsmache
oder Agitation bezeichnen
würde. Und will man das beim
Theaterbesuch? Politik hin oder
her, niemand wird gern instrumentalisiert,
auch nicht im
Theater. Das spinaTheater
macht gleich zu Anfang ein
Versprechen, das es am Ende
nicht einlöst: „Unser Stück ist
offen.“ Da gebe es ein Mikro,
das die ganze Zeit an sei; jeder
könne jederzeit hingehen und
hätte dann eine Minute Zeit,
seine Meinung zu sagen. Da ergeben
sich schon beim Konzept
die ersten Probleme: Wenn
man ein „offenes“, ein „demokratisches“
Stück machen will
– warum haben die Spieler dann
so viel Zeit, ihre Meinung zu äußern,
wie sie wollen, und die
Zuschauer nur eine Minute?
Wer macht die Regeln? Wozu
braucht man überhaupt Regeln?
Das viel größere Problem
ist aber, dass es im Stück gar
keinen bewusst eingeräumten
Raum für diese Meinungsäußerung
gibt: „99 Prozent“ ist so
durchinszeniert, mit Lichtwechseln,
Multimediashow und
jeder Menge Musik – an welcher
Stelle sollte sich da das Publikum
einschalten? Das Vorhaben
wirkt nicht aufrichtig, allein
schon, weil man sich als
Zuschauer oft gar nicht ernst
genommen fühlt: „Da das relativ
lange gedauert hat, machen
wir erst mal was Lustiges
55
mit euch“ – wer seinem Publikum
eine so geringe Belastungs-
und Aufmerksamkeitsspanne
unterstellt, kann doch
auf keinen echten Dialog aus
sein? Dann soll die Pseudo-Offenheit
mit einem gemeinsamen
Tabu-Spiel unterstrichen
werden (gesuchte Begriffe:
Wettrüsten und Joseph Kony),
aber wäre echte Offenheit
nicht eher, wenn die Spielkarten
nicht nur vom Ensemble kämen,
sondern auch vom Publikum?
Aber auf so viel Risiko,
wie dass dann themen irrelevante
Begriffe wie Blumenvase
aufkämen, will sich die Produktion
dann eben doch nicht einlassen.
Das Ensemble will Geld
sammeln für ihre Theatergruppe.
Dafür soll ein Mädchen so
lange geschlagen werden, bis
die Zuschauer zusammen 70
Euro gezahlt haben. So offen,
dass das Geld, das tatsächlich
dabei zusammenkommt und
angeblich über 70 Euro beträgt,
öffentlich gezählt wird, sind die
Spieler dann auch nicht. Das
Publikum muss die Behauptung
einfach mal glauben und weiß
eigentlich auch nicht, was genau
denn mit dem Geld gemacht
werden soll. Stattdessen
gibt es noch eine verbale Backpfeife,
denn das Ganze habe
„ja relativ lange gedauert”.
Sieht diese Intransparenz nicht
genauso aus wie die, mit der
man sich im täglichen Leben so
oft konfrontiert sieht und die
das Ensemble eigentlich kritisieren
will? Man kann Machtstrukturen
schlecht kritisieren,
indem man selber welche
schafft. Geld für die eigene Sache
unter Androhung von Gewalt
einzufordern, nennt man
Erpressung. Und von jemandem
verlangen, die Meinung
eines anderen mit einer Masse
laut in den Raum zu rufen (“mic
check!”), hat mehr mit Instrumentalisierung
als mit Befreien
zu tun. Es hätte ein tolles Tanzstück
werden können, die Produktion
des spinaTheaters. Und
vielleicht auch noch viel mehr,
weil da fähige und engagierte
Schauspieler auf der Bühne
standen. Aber dann hätte man
erst anerkennen müssen, dass
Wut vielleicht ein erster Schritt
ist, aber nicht der ganze Weg.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Wir sind gekommen, um. – von Felix Kracke
Meterhoch und -breit steht uns
die aus Pappkartons gestapelte
Mauer entgegen, die eingerissen
werden soll und wird. Es ist
eine Mauer von Vielen. Die aus
Berlin natürlich, ganz konkret,
aber auch die vielzitierten Mauern
in Köpfen, Sinnbild für Widerstand
und Dekonstruktion.
Eine Mauer ist dann Mauer,
wenn sie sich zerlegen lässt,
wird zum steinernen Bild des
Stachels, der dem System gezogen
werden soll. Viele Beispiele
ließen sich dafür finden,
gleich zu Beginn werden uns via
Ton- und Videoeinspielungen
Referenzräume eröffnet: der
erwähnte Mauerfall, Live-Berichte
aus Demonstrationsbewegungen,
Nine/Eleven. Das
Versammlungsgesetz wird verlesen,
jetzt endlich: Der Einsturz
im Gegenlicht. Ein fulminantes
Bild. Die Zielsetzungen
des Solinger spinaTheaters sind
klar: Es soll sich empört werden
und aufgeregt, der scheinbar
erloschene Zorn neu aufgegossen.
Die titelgebenden 99 Prozent
sind wir, die sich nicht
mehr unterdrücken lassen wollen
vom Patriarchat des einen
Prozent. Es geht gegen die Abholzung
des Regenwaldes, Kindersoldaten,
Massentierhaltung,
Ausbeutung bei H&M,
Datenschutz, die EuroKrise: Es
geht eigentlich um alles, politische
Tabula rasa. Die Generation
Facebook, die wir sein
sollen, wird an ihr Thema herangeführt:
Sie liken und sharen,
werfen sich auf jeden Zug, der
medial vorbeirauscht, sind Follower
jeder revolutionären Bewegung
und kreisen doch nur
um sich selbst. Damit solle jetzt
Schluss sein, die politische Müdigkeit
soll einer Frischzellenkur
unterzogen werden.
Das geschieht in kurzen, wütenden,
direkten Monologen, in
denen sich hauptsächlich aufgeregt
wird. Über McDonalds,
Nintendo, über die Schwierigkeit,
eine Aktivistin zu sein. Es
geschieht auch im angedeuteten
Talkshowformat, „Eine
Runde Mitleid“, in welcher der
Moderator seine armseligen
Kandidatinnen und Kandidaten
sich mal so richtig ausheulen
lässt über dies und das. Für 30
Sekunden, dann ist Schluss.
Auch Ackermann bekommt
sein Fett weg. Der mittlerweile
ehemalige Vorsitzende der
Deutschen Bank wird zur Abziehfigur
seiner zockenden,
existenzvernichtenden Bänker-
Clique. Im Abzählreim wird seilgesprungen,
die Millionen steigen,
wer stolpert, der fliegt. So
schnell und bilderreich erzählt
sich das Stück, die Mauerkisten
werden aufgestapelt und
herumgeschoben, werden Versteck,
Gefängnis, Fernseh-
Tisch. Auch Tanzeinlagen fehlen
nicht, beispielsweise zu
Deichkinds „Bück dich hoch“,
eine stylish choreografierte Absage
auf die Mechanismen der
Arbeitswelt (macht Spaß). Und
es wird gesungen: „Das Herz ist
ein Muskel in der Größe einer
Faust“ – mit den Früchten des
Zorns aus dem heimischen AZ
auf die Theaterbühne. Alles ist
wunderbar anzusehen und
musikalisch unterlegt, stellenweise
fantastisch, eindringlich
gespielt. Und auf der
Stelle tretend. Wo führt sie hin,
die Ausformulierung der eigenen
Unfähigkeit, Revolution
machen zu können (aus diversen
Gründen)? Ich denke, dass
im künstlerischen Prozess eine
Art Gegen-Logik entwickelt
werden kann, die über eine rationale
Logik hinausgeht, die
darüber hinausgeht, einfach
alles auf die Bühne zu tragen,
was einem zu einem Thema in
den Sinn kommt. Das wird zudem
problematisch, wenn die
Tendenz eines Sozial- und Gewaltpornos
entsteht. In Netto-
Tüten werden Menschen erstickt,
ein Mädchen so lange
geschlagen, bis das Publikum
70 € für das Theater spendet.
Das weist auf nichts als Plattitüden
hin, ist Selbstzweck und
angewiesen auf die emotionale
Wirkung dieser Drastik. Die
Spielweise wird als eine partizipative
verkündet, Eingriffe seien
jederzeit möglich. Wahlweise
durch das offene Mikrofon an
57
der Bühnenrampe oder durch
das sogenannte Human Mic,
der verkörperte Lautsprecher.
Aufstehen, „Mic Check“ sagen,
seine Botschaft an die Bühne
richten, und das Publikum
skandiert mit. Das mit der Partizipation
ist natürlich hanebüchener
Unsinn: Eine Form wird
nicht dadurch geöffnet, dass
man es behauptet. In dem
extrem geschlossenen Ablauf
des Abends ist kein Eingreifen
möglich. Unvorstellbar, dass jemand
während einer Tanzszene
die Bühne betritt, um seine
Meinung über den Syrien-Konflikt
kund zu tun oder seine Eltern
zu grüßen. Das Machtmonopol
der Bühne wird nie
abgegeben, höchstens Statist
dürfte man werden. Es ist ja
auch gar nicht klar, was überhaupt
gesagt werden soll. Das
offene Mikro als leere Geste. Es
geht weiter. Das Publikum soll
jetzt allerhand machen. Tabu
spielen, Papierflieger fangen,
irgendwas auf die Bühne brüllen
und eben 70 Euro sammeln: Das
ist Publikums-Instrumentalisierung,
Effekte-Macherei. Ohne
dass eine ironische oder intellektuelle
Brechung stattfindet
oder überhaupt etwas erzählt
wird. Protest als Form wird genau
zu dem medialisierten
Kunstprodukt, das vermieden
werden soll, zu einer Beschäftigungstherapie
ohne Sinn und
Richtung. Die Forderung an
sich, man solle wütend werden,
sich engagieren, klingt pädagogisch
und ist politisch unterkomplex.
Das Publikum wird
pennälerhaft belehrt und seiner
Eigen ständig keit beraubt.
In dem Aufruf, ich solle „Ihr
könnt mich alle mal am Arsch
lecken!“ brüllen, von über dreihundert
Mündern begleitet,
komme ich mir veralbert, nicht
ernst genommen vor. Das ist
keine politische Äußerung, die
anarchisches Potential hätte,
aufrührerisches, die etwas freisetzen
würde, was vorher blockiert
lag: Das ist Dressur. Meine
Meinung zur EU, zu H&M, zur
Wirtschaftskrise passt nicht
auf ein Plakat, lässt sich nicht
in „Ihr könnt mich alle mal am
Arsch lecken!“ zusammenfassen.
Ich möchte das „Ihr“ genauso
wenig teilen wie ein
„Wir“. Ich möchte nicht an der
Erzeugung einer identitären
Gruppe beteiligt sein, die so
nicht existiert („die Jugend“,
„die Mächtigen“). Dann geschieht
das, was immer Gefahr
läuft, zu geschehen, wenn blinde
Wut, ungestümer Aktionismus
versucht, Politik zu machen.
Die suggerierte Politikmüdigkeit
ist also vielleicht gar keine und
die Jugend gar nicht unpolitisch,
sondern im Gegenteil
sehr wach und sich den komplexen
Strukturen der Gegenwart
bewusst. Es ist super, dass
Ihr wütend seid, ich glaube
wirklich an Zorn als wichtigen
Motor für Kunst und Politik,
aber nehmt mich nicht in Geiselhaft.
Ich will mich nicht belehren
lassen. Ich habe meinen
eigenen Zorn.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Romeo und Julia sehr frei nach William Shakespeare
Parkaue-Club 4, Theater an der Parkaue –
Junges Staatstheater Berlin
Mittwoch, 29. Mai 2013, 20:00 Uhr
Es spielten:
Maxim Andrijenko, Leon Blaschke, Julius Christodulow, Lina
Gasenzer, Tobias Klee, Lea Mattenklotz, Lucie Oelschläger,
Hannah Rolletschek, Yolanda Rüchel, Joelle Schindler
Regie: Joanna Praml
Dramaturgie: Anne Paffenholz
FZ Portrait – von Luna Ali
„Psssst. Nein. Verratet nichts.” Sie spielen wirklich
„Romeo und Julia.” FZ bestätigt: Das ist kein
Scherz. Die wichtigsten Szenen werden in 33 oder
35, vielleicht auch in 36 Minuten aufgeführt. Julius
beispielsweise spielt die Nachtigall und Tobias
den Balkon. Felix und Hannah, die angeblich was
miteinander haben, gibt es gar nicht. Denn sie
haben alle was miteinander. Es ist ein Stück über
Liebe, weil sie jeden betrifft. Amor spielt auch
mit. Normalerweise machen die Parkauer biografische
Stücke, aber dieses eine Mal wollten sie
mal ein anderes, richtiges Stück inszenieren. FZ
fragt: Warum das alte Liebesstück? Die Berliner
antworten: „Da wurden die Jungs von den Mädchen
überstimmt. Eigentlich basiert „Romeo und
Julia” auf unserer Geschichte.“ Überhaupt sind
sie eine große Liebesgemeinschaft. Das Schicksal
führte sie vor fünf Jahren zusammen. Während
dieser langjährigen Beziehung haben sie bereits
viele Stücke in die Welt gesetzt, weitere folgen
(passend zu „Romeo und Julia” lautet das
nächste Thema „Sterben“).
61
Die Jury zur Auswahl – von Klaus Riedel
„Romeo und Julia“, neben
„Hamlet“ wohl das berühmteste
Stück Shakespeares, die berühmteste
Liebesgeschichte
der Weltliteratur, über dreißigmal
verfilmt, motivisch hunderte
Male in allen künstlerischen
Gattungen adaptiert, als
Deckengemälde von Gustav
Klimt das „Kaisertreppenhaus“
im Wiener Burgtheater zierend,
in schöner Regelmäßigkeit unter
den meistgespielten Stücken
in deutschen Theatern,
gefühlt eigentlich schon auf
jeder Schul- oder Jugendbühne
gesehen, damit eigentlich ein
„No-Go-Stück für einen Jugendtheaterclub“!?
Eigentlich klar, dass man sich
zu Beginn einer Vorstellung erst
einmal dafür öffentlich entschuldigen
muss, bei dieser
Produktion entgegen der sonstigen
Tradition des Parkaue-
Club 4 nicht etwas Eigenes gemacht,
thematisch gearbeitet,
sondern einen fertigen Spieltext
zur Grundlage genommen
zu haben – und dann auch noch
diesen, Shakespeare, „Romeo
und Julia“, ausgerechnet, das
Über-Drama schlechthin. Aber
die Spielleiterin wollte das so.
Ähm, Glückwunsch.
Die Spielerinnen und Spieler
nehmen also Aufstellung, um in
bester chorischer Manier, ganz
texttreu, den Chor des Prologs
zu Gehör zu bringen. Darin eine
Drohung („Zeigt euch zwei
Stunden unser Bühnenspiel“)
und ein im Gewand der erneuten
Entschuldigung daherkommendes
Versprechen („Und wir,
wobei wir sehr auf Nachsicht
zählen, / Wolln das verbessern,
was dem Text mag fehlen.“).
Vierzehn Verse Shakespeare
also, dann tritt laut Textbuch
der Chor ab – und bei den jungen
Berlinerinnen und Berlinern
ist erst einmal Schluss, zumindest
mit Shakespeare, zumindest
dem Über-Drama, zumindest
mit dem Text. Denn wo in
Shakespeares Tragödie auf einem
öffentlichen Platz zu
Verona die Familienfehde zwischen
den Montagues und den
Capulets beginnt, verhandeln
die Spielerinnen und Spieler,
gleichfalls in aller Öffentlichkeit,
Konflikte und Fragen, die
sich in der Gruppe rund um die
Auseinandersetzung mit der
Spielvorlage ergeben haben:
Was bedeutet Liebe für Mädchen,
was für Jungen? Und was
bedeutet Liebe für jeden Einzelnen?
Und wäre es nicht viel
dringlicher, stattdessen Klimakatastrophe
und Piratenpartei
auf der Bühne zu thematisieren?
Christian Wulff also
statt Mercutio?
Wir dürfen der Gruppe zuschauen
bei einem Diskurs gewordenen
katalytischen Prozess
in der Begegnung mit
einem klassischen Text – und
erleben das Thema Liebe in einem
Schnelldurchlauf von erster
Verliebtheit bis hin zu abgeklärter
Enttäuschtheit. Und
weil Liebe jeden etwas angeht,
diskutieren die Jugendlichen
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
das Phänomen nicht abstrakt
und anonym, sondern am eigenen
Beispiel: Haben Felix und
Hannah nun etwas miteinander
oder nicht? Und kann das sein,
als Vierzehnjährige wirklich noch
nicht geküsst worden zu sein? Pikant
wird das Ganze, wenn man
weiß, dass die heute vierzehnbis
siebzehnjährigen Spielerinnen
und Spieler bereits seit fünf Jahren
als Gruppe zusammen sind,
sie also mithin, vorsichtig formuliert,
eine hochinteressante biografische
Phase miteinander
verbracht haben bzw. noch miteinander
verbringen.
Das alles wird so kräftig, spielerisch
sicher, selbstironisch und
nachvollziehbar auf die Bühne
gebracht, dass allein damit
obiges Versprechen („Wolln das
verbessern, was dem Text mag
fehlen“) schon eingelöst wäre.
Aber der Gruppe gelingt noch
viel mehr: Mit ihrer so demonstrativ
zur Schau gestellten Veröffentlichung
locken sie uns
kunstvoll auf Fährten, denen
wir allzu gerne folgen. Können
wir ihnen aber tatsächlich
glauben oder sind wir hier nicht
eher Zeugen eines kunstvollen
Vexier-Spiels mit der Als-ob-
Situation des Theaters, Erwartungen
an die Liebe und unsere
Erwartungen an Jugendliche
im Umgang mit diesem Thema?
Eines ironisch-reflexiven
Spiels mit Rezeptionsästhetik,
theaterpädagogischen Dogmen
und dem Verhältnis von
Spielleitung und Gruppe? So
gelesen, wird die anfängliche
Entschuldigung zur selbstbewussten
Ansage.
Und nicht zwei Stunden dauert
dieses Spiel, sondern dreiunddreißig
Minuten. Nur dreiunddreißig
Minuten – und so viel
gezeigt, so viel erzählt, so viel
verschmitzt gelogen – und so
sehr berührt.
63
Stimmen zum Stück
+++ komplett was anderes, als ich erwartet hätte +++
sehr bewusst gespielt +++ sehr unterhaltsam +++ ironisch
+++ das war nicht romeo und julia +++ sehr charmant
+++ ich hab romeo und julia erwartet und dachte, dass
so eine klassische geschichte kommt, und dann haben
sie so etwas lustiges daraus gemacht +++ sie haben alles
mit einem leichten lächeln gespielt, diese leichtigkeit
hat ihnen total gut getan +++ ich dachte schon ich
bekomme eine halbe stunde langweiligen shakespeare,
aber ey: das war so lustig +++ es wirkte sehr authentisch,
ich wusste teilweise nicht, gehört das noch zum
stück oder nicht? +++ sehr reduziert, aber trotzdem
effektvoll +++ die taschenlampen haben mir sehr gefallen
+++ wahnsinnig kitschig +++ originell +++ flachwitzig
+++ ich hab von der ersten minute bis zu letzten gelacht,
ich spüre meine bauchmuskeln immer noch +++
musste die ganze zeit lachen +++ würde es am liebsten
noch einmal anschauen +++ süß, einfach ganz süß +++
das stück hat die liebe auf den kopf gestellt +++ das
war so schön, wie sie den konflikt innerhalb der gruppe
fingiert haben, ich hab mich gefragt, wie wollen die
romeo und julia in 35 minuten spielen?, und das haben
sie so schön gelöst +++ bisher die ungewöhnlichste
interpretation von romeo und julia +++
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Rezensionen
Kalkulierte Risiken – von Fine Riebner
Schon die Ansprache ist unverblümt:
Man entschuldigt sich,
dass man nun keine Eigenproduktion
zeigt, sondern ein klassisches
Theaterstück, das sei
aber auch die Schuld von Spielleiterin
Joanna. Das Ensemble
tut nicht so, als sei diese Anrede
echt. Alle sind sich darüber
bewusst, dass sie auf einer
Bühne stehen. Die Metaebene
wurde erfolgreich eröffnet. Der
Parkaue-Club 4 ist das Risiko
eingegangen, ehrlich zu sein.
Und gerade dadurch hat das
Stück gestern einen Raum mit
so vielen Ebenen so leichtfüßig
eröffnet und die Zuschauenden
von jeglichen Vorgaben befreit.
Man durfte einfach Publikum
sein. Jetzt wird das Jugendtheater
karikiert: Jungen und
Mädchen stehen in schlecht
sitzenden Hemden und Blümchenkleidern
im Spot und sprechen
natürlich chorisch den
Eingangsmonolog. Doch schon
hier geht es mit Shakespeare
nicht mehr weiter: Julius ist das
Ganze einfach zu peinlich, er
bricht ab. Es beginnt eine Auseinandersetzung,
die Mädchen
wollen die Sache jetzt einfach
durchziehen, außerdem gehe
es um Liebe und das berühre sie
schon auch irgendwie. Es werden
weitere Versuche gestartet,
der Vorlage gerecht zu bleiben.
„Wenn wir dürfen und es
von der Zeit her okay ist“, wendet
sich eine der Schauspielerinnen
an das Publikum. Doch
die Jungen verweigern sich
(schon wieder!). Schnell wird
der Streit persönlich. Die Gruppe
schmeißt sich gegenseitig
Vorwürfe und Beleidigungen an
den Kopf. Die könnten ernst gemeint
sein oder nicht, die Grenzen
zwischen Realität und Theater
verschwimmen. Bis es
nicht mehr weiter geht und Lucie
sich schließlich an Gott
wendet. Und: Gott reagiert.
Das Licht scheint plötzlich rot,
die Musik läuft, Amor tritt auf
und sticht einem nach dem anderen
den Stachel der Liebe ins
Herz. Die Jugendlichen liegen
auf dem Boden und krümmen
sich vor Schmerz. Es ist dunkel.
Dann melden sich zaghaft und
zerbrechlich die ersten Stimmen.
Die Verliebten suchen und
finden sich mit Hilfe von Taschenlampen.
Die junge Liebe
sprießt und blüht schließlich
auf. Alles fühlt sich an wie im
Zeitraffer, aber trotzdem nah.
Gegen die Charmebolzen von
der Parkaue kann man sich
kaum wehren und noch besser,
man will es auch gar nicht. Ihre
Darstellungen sind kitschig,
ironisch und treffen mitten ins
Herz. Man will sich verlieren in
dem Stück, man will wieder
fünfzehn sein, sentimental
werden, mitleiden, mitlachen.
Und das Stück lässt es zu. So
schnell man sich verloren hat
an diesem Abend, so schnell
wird man auch wieder hinauskatapultiert.
Das Ende, ähnlich
dem Anfang, ist eine charmante
Vertröstung und schließt den
Rahmen um das Stück: „Sorry
noch mal, dass wir Romeo und
Julia jetzt doch nicht gespielt
haben. Aber die Inszenierung
am Berliner Ensemble soll ganz
toll sein.“ Zu den größten Stärken
des Park aue-Clubs gehörten
– neben dem unheimlichen
Charme des begabten jungen
Ensembles – seine Ehrlichkeit
und seine Offenheit. Die ermöglichte
die vielen Ebenen
des Stückes. Es wurde nicht getan
als ob. Von Anfang an war
das Konzept offen und klar:
Scheitern als Chance. Und so
konnten Ängste reflektiert werden,
über sich selbst, die eigene
Zukunft, so konnte gespielt
werden mit verschiedenen Realitäten.
Und neben dem „wirklich“
Inhaltlichen, namentlich
der Liebe, wurde es vor allem
ein intelligentes Stück über
Theater, über Erwartungen und
über Identität. Shakespeare
habe ich dabei nicht vermisst.
65
Rezensionen
„Ist Liebe das, was ich jetzt fühle?“ – von Lydia Dimitrow
Wenn auf dem Theatertreffen
der Jugend „Romeo und Julia“
auf dem Spielplan steht, dann
ist natürlich von vornherein
klar, dass es sich dabei nicht
um die konventionellste und
drögeste Klassikerinszenierung
der Welt handeln wird. Und
trotzdem kann das Ensemble
vom Parkaue-Club 4 noch überraschen.
Denn es geht ihnen
gar nicht darum, den altbekannten
Stoff irgendwie neu
und funky zu inszenieren, auch
nicht darum, eine eigene Version
zu schreiben, es geht um
keine noch so ferne Adaption –
es geht nur um einen Ausgangspunkt.
Um einen Ausgangspunkt
für ein pointiertes,
witziges Stück übers Teenagersein,
über die „Liebe, love,
l’amour“ und vor allem – übers
Theater. So kommentiert die
Parkaue-Inszenierung ganz
charmant und en passant
Theater pädagogik, Jugendtheater
und deren Hang zu Eigenproduktionen,
einfach Festivaldiskurs:
Man könne „so ’ne
Scheiße“ nicht spielen, denn
„das hat doch gar nichts mit
uns zu tun!“ Eine anderer lamentiert:
„Für meine Zukunft
bringt mir dieses Scheißdrecksstück
rein gar nichts!“ Die
nächste kontert: „Sei doch
froh, dass wir ’n richtiges Stück
spielen, da kannst du dich wenigstens
nicht blamieren!“ Am
Ende soll es natürlich auch um
Liebe gehen an diesem Abend,
darum, dass Liebe blind macht,
und darum, dass Liebe ganz
schön vertrackt sein kann. Und
auch hier bewegen sich die Berliner
ironisch und treffsicher
übers Plattitüdenminenfeld. Er
fragt, ob sie gern schwimme,
sie schwimmt gern, er fragt:
„Darf ich dich mal ins Becken
stoßen?“ „Oh Mann, Tobias,
deine Sprüche sind so cool!“
Man hat viel Spaß an diesem
Abend und findet fast keinen
Moment uninteressant. Was
das Parkaue-Ensemble dafür
braucht? Weiße Hemden, Blümchenkleider,
Taschenlampen,
Papierherzchen, nicht viel mehr.
Womit eindrücklich vorgeführt
wird, wie man mit wenigen Mitteln
viel produzieren kann, ganz
ohne bombastisches Bühnenbild
und Multimediashow. Und das
ist doch auch mal schön zu sehen.
Für alle, die die nächste
Inszenierung im eigenen Wohnzimmer
planen. Chapeau!
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
HAMLET nach Shakespeare in der zeitgenössischen Textfassung von Christopher Kriese
Theater Performance Kunst RAMPIG, Heidelberg
Donnerstag, 30.05.2013, 20:00 Uhr
Es spielten:
Sebastian Arnd, Leoni Awischus, Friedrich Blam, Antonia
Cinquegrani, Tim Fischer, Nils Kirchgeßner, Lea Langenfelder,
Karolina Lesna, Julian Maier, Sarah-Lina Mantler, Karoline
Stegmann, Cornelius Thomas, Marisa Wojtkowiak
Regie und Dramaturgie: Beata Anna Schmutz
Szenografie: Nicolas Rauch, Sophie Lichtenberg
Kostümbild: Melanie Riester
Maskenbild: Susi Tanner
Video: Volker Langenfelder
Musik: Janek Amann
Malerei: Christian Patruno
Regieassistenz: Luca Pauer
Produktion: Benjamin Bay, Anna Müller
Technik: Sebastian Arnd, Christoph Hack
Fotografie: Nikola Haubner
Gruppenportrait – von David Holdowanski
Die Truppe spielt und scherzt über das Aufführen ihrer Stücke in Heidelberg in einer Turnhalle, in der
sie keine Scheinwerfer an die Decke hängen dürfen, da diese einsturzgefährdet ist und während den
Aufführungen öfter der Notstrom angeht. Doch mit Schweiß und Fleiß haben sie es nach vier Nominierungen
endlich zum Theatertreffen der Jugend geschafft. Sie erschaffen Kunst unabhängig von
Institutionen, da sie sich in einem Verein organisiert haben und RAMPIG ein geschützter Name ist.
Der zwar von einer YouTubeBand genutzt wird, aber die hat nur 92 Clicks. Mit dem Finanzamt sind sie
eng befreundet und wollen deshalb auch auf die Titelseite der FZ, da sie sonst das Finanzamt vorbeischicken.
Und sie lassen Grüße an Herrn S. vom Finanzamt ausrichten. Bewundernswert ist ihre Art,
zu arbeiten. Sie wohnen in Heidelberg, Mannheim und Berlin. Zum Proben kommen alle nach Berlin
Pankow. Am 4. Oktober 2013 findet um 20:00 Uhr die Premiere ihres nächsten Stückes in Heidelberg
statt. Heute spielen sie vor einem fast dreimal so großen Publikum wie sonst, deshalb fühlt es sich
auch fast so an wie eine Neuinszenierung. Sie wollen mit dem Publikum korrespondieren und vergleichen
ihre Arbeit mit 99 Prozent. Sie spielen auf der Grenze zwischen Theater und Bildender Kunst. Da
kommt es auch gelegen, dass die Regie Kunstgeschichte studiert hat. Aber das war schon vor zehn
Jahren. Außerdem betreuen sie zwei Kindertheatergruppen, arbeiten auf dem Flohmarkt und machen
Performance in Wohnungen. Tickets gibt es unter: info@nordkorea.de. Sie fragen: Was findest
du besser? Deine Mudda oder RAMPIG. Klar, deinen Vater.
69
Die Jury zur Auswahl – von Anna Wille
Ich muss, ich muss, ich muss,
muss, muss, muss!
Es ist ein Zerfleischen, das mit
den Erwartungen der Welt an
das MICH und jenen des MICHs
an die Welt – und an das Mich
selbst. Die Strukturen sind
schlimm, schlimm, schlimm
und wir sind mittendrin und ich
kann sie dir, Welt, erklären und
du, Welt, wirst dann sehen, sehen,
sehen. Ich muss Bedeutung,
ich muss Gender, ich
muss Entscheidung punktgenau
und effizient – ich muss
Genuss. Aber ach, das will ich
auch und zwar am liebsten:
Genuss. Denn immer diese
Schwermut. Mir ist langweilig.
Hilft Händel? Hilft Wagner? Ich
brauche eine Reibungsfläche!
So steht Hamlet am Rande der
Küste und denkt. Und Hamlet
ist rampig, nein Rampig. Was
olle Hamlet einst antrieb, das
eint ihn heute mit den Heidelbergern.
Und die rechnen ab:
Generation Hamlet. Die Generation,
die all zu gut vorbereitet
ist, um Entscheidungen zu treffen
oder die Stimme zu erheben
oder die Bombe zu zünden. Und
wir alle mittendrin. Nichts zu
machen. Das einzige, was in die
Luft fliegt, sind Sicherheiten
und Selbstverständnis: Familie,
Liebe, Politik. Und so geht es auf
dem Spielfeld schon lange nicht
mehr um Dänemark. My home
is my castle. Und was bleibt ist
die Sinnsuche. Und die wird bei
Rampig zum Sinnesrausch.
Denn wenn Rampig Klassiker
spielt, dann bleibt vom Reclamheft
nicht viel übrig.
Shakespeare kommt in den
Fleischwolf – und dazu der ein
oder andere Klassiker der zeitgenössischen
Bildenden Kunst.
Gemälde, Performances oder
politische Statements werden
von den Spieler/-innen zusammen
gesucht und den Hamlets,
Ophelias und Gertrudes als
Atem gegeben. Christopher
Kriese hat der Gruppe ein adäquates
Textmaterial zur Verfügung
gestellt, das ihren Themen
eine Sprache gibt, die sitzt.
Und die Gruppe hat aus ihrem
virtuosen Tanz durch die schöngeistigen
Disziplinen eine Formund
Zeichensprache geschaffen,
die mehr als sitzt. Wohin
das Auge blickt, was soll es nur
zuerst hören? In Rampigs Räumen
und Szenen werden Kunst
und Theater so übereinander geschoben,
dass vor allem eins
bleibt: Genuss. Und da ist sie, die
Medizin für die Generation Hamlet.
Und die Reibungsfläche.
Wer sich dem Postmodernen
verschreibt, muss auch damit
rechnen, dass aus der Renaissance
von Vielem etwas ganz
Eigenes entstehen kann. Und
das hat Rampig erfolgreich riskiert.
Ihre zitierende Arbeitsweise
ist mit der Gruppe gewachsen
und entwickelt nun
eine Schlagkraft, sie wird zur
Marke. Rampig hat die Berührungsängste
gegenüber der
Kunstwelt längst hinter sich
gelassen. Angstfrei schieben
sie diese und jene Folie über den
Hamlet und machen auch keinen
Halt vor Zitaten aus der
aktuellen Politik. Es scheint,
Rampig hätte für das, was sie
vom Hamlet zu erzählen haben,
ihre Theatersprache perfektioniert.
Und wenn der
Rausch dann vorbei ist, und wir
vergeblich auf den roten Vorhang
warten und statt dessen
in Mitten einer Ausstellung sitzen,
dann fragen wir uns, ist
das ein neues Kuratieren? Kuratiert
Rampig im Spiel?
Und ja, das Abendland ist der
Knaller!
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Stimmen zum Stück
+++ der wahnsinn hamlets, ungeheuren respekt vor dem
ensemble, das war echt krass +++ unvergessliche bilder +++
verstörend +++ ich bin sprachlos, gewaltige bilder +++ hat
mir sehr gut gefallen +++ ich fand das stück ganz gut, aber
ein bisschen überladen +++ ich muss es noch verarbeiten
+++ ich hab’s nicht verstanden +++ konnte da nicht ganz
folgen +++ akustisch schwierig +++ beste schauspielerische
darbietung bisher +++ gut, aber überladen, mit interessanten
ideen, aber nicht bis zum ende durchgehalten, ich hätte
mir erhofft, dass manche dinge länger ausgespielt worden
wären +++ manche dinge konnten gar nicht richtig gewürdigt
werden, weil so viel da war +++ overdressed, overstyled
+++ beeindruckend +++ voll toller bilder +++ ein bisschen zu
perfekt, vielleicht +++ zu krasse materialschlacht +++ ich
bin tierisch froh, dass sich keiner die beine gebrochen hat
+++ vom sprachlichen und akrobatischen hervorragend +++
denke, es war ein ernsthafter versuch, an diese grenzen zu
gelangen +++ performanceklischees +++ das hatte gar
nichts mit hamlet zu tun, ich fand es einfach nicht gut,
okay, das bühnenbild war ganz schön, muss ich ehrlich zugeben,
aber, dass sie sich ausgezogen haben, musste nicht
sein, es hat mich gelangweilt +++ ich fand die schauspielerische
darbietung richtig gut, einfach super wie sie den
raum genutzt haben+++
71
Rezensionen
In Schönheit gestorben – von Felix Kracke
Die Worte haben nichts mehr
zu sagen, sind, bleiben nur Hülle.
Was bleibt, ist das Schweigen
nach der ungeheuren Tat.
Hamlet, dieser wirre, irrende,
rachsüchtige und Leidenschaft
suchende Prinz von Dänemark
ist schon tot, als das Publikum
den Saal betritt. Wir sind in der
doppelten Fleischbeschau: die
Darstellerinnen und Darsteller
in Unterwäsche, sich sanft zur
Musik wiegend, Ausstellungsobjekte
in der angedeuteten
Schlachterhalle. Die Familie
und sich selbst gerichtet, die
Intrigen ausgelöscht: Wir stehen
mit Hamlet vor den nur
fleischlichen Überresten. Was
bleibt in dem Schweigen, ist die
fahle Erinnerung an einen zerrissenen
Staat, in dessen berühmtem
Kern etwas faul sei.
Der Staat ist ein gewaltiges
Sammelsurium, in dem die Fleischer-
und Kleiderhaken von
der Decke hängen, der weiße
Boden zugestellt ist mit Tischen,
auf denen geschrieben
wird, in denen Fleisch und
Wurst durch den Wolf gedreht
wird und Strick- und Häkelzeug
herumliegt. Es wird videoprojiziert,
die Fernseher stehen als
Dreigespann, an den Seiten
Tierpräparate und ein gewaltiges,
live gemaltes Kadaver-Gemälde.
Stark bilderhaft bearbeitet,
geradezu beackert,
kämpfen sich die Rampig-Darstellerinnen
und -Darsteller
durch den Kosmos Hamlet.
Zeitgenössische Textfragmente
bilden ein Standbein, aber auch
die „Hamletmaschine“ und diverse
Sekundärliteratur. Die
postmoderne Verwirrung soll
herausgeschält werden aus
dieser Zwiebel des „hochbegabten
Affen”, wie Hamlet sich
hier selbst beschreibt. Wie er
keinen Bock mehr hat, auf das
Spiel, es durchschaut und dennoch
mittut. Das Schweigen
wird gefüllt mit der metaphorischen
Körper- und Requisitensprache
der drapierten Figurinen,
wie sie in Slow Motion
kämpfen und die Körper reiben
und wie sie das leitmotivische
Fleisch wieder und wiederkäuen.
Sie wirken wie einer heiligen
Messe entnommen. Das Stück
als rituelle Beschwörung und
Wiedergeburt des Vergessenen,
Verdrängten. Hier soll eine Kapelle
des Erhabenen errichtet
werden. Die Texte, wenn sie
denn auftauchen, sind nebenher
gesprochen, fallen aus dem
Mund vor die Füße, was lapidar
wirkt. Sie sind gesprochener
Text, nur Verweis auf das gesprochene
Wort. Lapidar wirkt
auch die Problematisierung des
Hamlet-Komplexes. Dieses Anrennen
gegen eine Welt, die
faul zu sein scheint, das Zerschellen
an den unverrückbaren
Zuständen, das seine Erlösung
nur im Tode aller finden
kann, wird hier verzeitgeistigt
zum modern Verwirrten, der
vor lauter Bäumen den Wald
nicht sieht. Dieser Zugriff ist
ein legitimer, erklärt aber nicht
die existenzielle Fallhöhe, die
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
stofflich verhandelt wird. Wie
soll so der Terrorist Hamlet entstehen,
der Selbstmörder, der
Rasende? Dem wird man nicht
gerecht. Auch die Rolle der
Ophelia, die laut Text fassung
„die Frau als Opfer“ spielt,
wirkt zu schnell gedacht, zu
hastig abgekanzelt. Wie viel
Täter steckt nicht auch in ihr,
wie viel mitbestimmend ist
nicht auch sie an dem Lauf der
Tragödie? So kommt es, dass
leider gerade die gesprochenen
Szenen, die text lichen, als die
schwächsten erscheinen. Zu
unfokussiert und pauschal wirken
sie – „ich scheiße auf deine
Liebe, Ophelia, du Opfer“, das
könnte, müsste ein zentraler
Satz sein. Hamlets Abwendung
von Ophelia, die er will und
doch nicht kann, ist hier nur
beiläufige Tirade. Kontrastierend
dazu die Maschinerie von
Bildern und Stimmungen, die
klar gesetzt, symbolisch hoch
aufgeladen daherkommen. Die
Tiere im Schnee, das Fast-Fallen
von der Tischkante, immer wieder
die Momente des Körper-
Chores. Doch auch hier das
schale Gefühl: Eine Form wurde
zu stark ästhetisiert, formschön
gehalten und damit entkernt.
Diesen Kern aber, den
faulen, nach dem hätte ich suchen
wollen. Ob der im Hamlet
liegt, dem Stück selbst, oder
sonst wo. Etwas, um das die
Produktion kreist; das ihr Auftrieb
gibt und einen Sog auslöst.
Ekstatische Ausbrüche
wirken wie Disco-Tänze, die
Schlägerei in Zeitlupe wie einem
Musikvideo entnommen.
Über allem liegt ein Glitzer,
nicht nur auf den goldenen
Schläppchen. Vieles wirkt wie
fürs Foto gestellt. Das ist schade,
weil die Brüche und das Zerrissene
interessiert hätten, das
unberechenbar Zerstörerische.
Und weil die Darstellerinnen
und Darsteller mehr versprechen
in ihrem Spiel, weil da etwas
zaghaft schillert, hoffentlich
raus will, weil manchmal
Bild und Spiel nahtlos zusammengeht,
was wunderbar
funktioniert: das verwundete
Tier, das Spieler ist, unter einem
Geweih aus Tape, zusammengesunken.
Doch so bleibt
der Schlachthof trotz des Blutes,
des Fleisches, nach der
Schlachterei doch gereinigt,
nahezu clean.
73
Wir sind Hamlet – von Margarita Iov
Wenn ich ins Theater gehe, lasse
ich mir gern etwas Neues erzählen.
Und ich finde es gut,
wenn ich nicht jedes Bild und
jede Metapher sofort entschlüsseln
kann; wenn ich das
Gefühl habe, man nimmt mich
als Zuschauer ernst und hat
keine Angst, mich zu überfordern.
Gestern Abend haben wir
kein Theaterstück im klassischen
Sinne, viel mehr ein interdisziplinäres
brain storming
im Kosmos Hamlet gesehen.
Als Stück hätte das alles auch
gar nicht funktioniert, dazu
wurde nicht genug auf die zahlreichen
Zitate aus Literatur,
Film und Kunstgeschichte eingegangen
und die Spannungskurve
hatte zu viele Täler. Auf
assoziativer und ästhetischer
Ebene wurde aber unheimlich
viel transportiert. Ich habe die
überschäumende Bilderflut genossen.
Man hätte die Performance
auch auf vier oder fünf
Stunden ausweiten und den
Text tatsächlich in Zyklen wiederholen
können; Ansätze von
Wiederholungen im Spiel und
Sprache waren ja auch da.
Tatsächlich war das Bühnenbild
auch als Rauminstallation gedacht,
in der das Publikum
nach dem Stück umherwandern
sollte, was leider den Rahmen
gesprengt hätte und daher
ausblieb. Die Vierteilung
des Publikumsraums und seine
schiere Größe haben der Akustik
leider eher geschadet und
viel an Text ging verloren. In
manchen Situationen wurde
das sehr gut gelöst, wie in der
„to die / to sleep / to sleep / per
chance to dream”-Szene, in denen
sich die Darsteller ins Publikum
begaben und vereinzelt
mit den Zuschauern gesprochen
und interagiert haben.
Das Handwerk hatten die Heidelberger
zweifellos zur Verfügung:
sinnliche, erotische Choreografien,
große Präsenz,
eindringlicher Blickkontakt mit
dem Publikum sowie Stimmgewalt
und Mut zur Körperlichkeit,
die der große inhaltliche
Schwerpunkt des Abends war
(„Ich spüre, dass ich Fleisch
und Knochen bin.”). Da gab es
totes und lebendiges Fleisch
nebeneinander, Wurst und
nackte Körper neben ausgestopften
Waldtieren. Der
Mensch, ein Tier. Nur um einige
der meiner Meinung nach gelungenen
Elemente der Inszenierung
zu nennen: die musikalische
Unterstützung durch
zarten A cappella Gesang; die
Aufteilung der Texte einer Figur
auf mehrere Darsteller verschiedenen
Geschlechts; die
Mischung aus Originaltext,
Christopher Krieses Hamlet Trilogie,
Heiner Müllers „Hamletmaschine”
und verschiedener
Übersetzungstexte. Man merkte
einfach, dass sich die Truppe
mit der Thematik beschäftigt
und auch drum herum gelesen
und weitergedacht hat. Um
manches Bild und um manchen
Effekt hätte ich aber auch nicht
getrauert, wenn sie gefehlt
hätten, wie zum Beispiel den
mit Tape an die Wand geklebten
Hamlet oder die recht unmotiviert
wirkende Video-Projektion.
Ich finde: Der ernsthafte
und auch ernstzunehmende
Versuch einer Annäherung.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Urban Sounds Clash Classic
akademie der autodidakten am Ballhaus Naunynstraße,
Berlin
Freitag, 31. Mai 2013, 20:00 Uhr
Es spielten:
Serkan Akman, Ömer Aras, Dilan Barkın, Defne Çelik,
Duygu Dursun, Necati Öziri, Clarice Palczynski, Ati Taş,
Hasan Taşgın, Special guest: Ayben
Regie und Projektleitung: Veronika Gerhard,
François Régis, Volkan T.
Videoworkshop & Videoschnitt:
Mario Bergmann, Davide de Feudis
Module8 VJ Workshops: Ilan Katin
Gruppenportrait – von Fine Riebner
nach einem Gespräch mit Hasan Taşgın
Die akademie der autodidakten kämpft für etwas Gutes. Ömer zum Beispiel sei extra aus Spandau
nach Kreuzberg gekommen, weil die akademie der autodidakten so gut ist. Jugendliche mit (post-)
Migrantenhintergrund, die sich für Theater interessieren, können sich hier frei fühlen, wie in einer Familie,
und würden nicht ausgegrenzt oder zum Beispiel unter Druck gesetzt, deutlich sprechen zu
müssen. Hasan zum Beispiel (auf Youtube unter dem Namen „Hassasin” bekannt, Anm. d. Red.) hat
sich in „deutschen” Theatergruppen nie wohlgefühlt. Er sei der Lauteste gewesen, obwohl er nichts
gesagt hätte (Anm. d. Red.: Hääh). Als er, von über hundert Jugendlichen, die Hauptrolle in einem
Stück von Alfred Döblin bekommen hat, erzählt Hasan, fragten sich die anderen, warum ausgerechnet
der die Rolle kriege. Aber am Ballhaus sei das anders gewesen. Dort hätte man sofort erkannt,
dass aus dem Jungen was zu holen sei [sic] und er habe gleich die Rolle bekommen, die eigentlich ein
anderer Junge hätte spielen sollen. Natürlich schaffe nicht jeder so einen Durchbruch wie Hasan,
sagt Hasan. Und er selbst habe sich auch oft gefragt, warum er immer solche „Bad Cop”-Rollen bekäme,
wie zum Beispiel Franz Biberkopf oder so. Aber damit müsse man leben. Er sei halt das Vorzeigeobjekt
der autodidakten. Kindern mit Lernproblemen sage man, sie sollen sich den Hasan anschauen,
da hätte man vor drei Jahren auch noch nicht gedacht, dass er mal sechs Bücher [sic] lesen
würde! Manchmal motiviere Hasan ganze Schulklassen dazu, Bücher zu lesen, und später würden die
Lehrerinnen zu ihm kommen und ihm dafür danken, dass er geschafft habe, woran sie gescheitert
sind. Das sei schon ein schönes Gefühl, gesteht Hasan. Heute Abend steht Hasan LIVE auf der Bühne
und performt für uns! Wir schätzen uns glücklich und finden: Wer das verpasst, hat was verpasst!
77
Die Jury zur Auswahl – von Jan Koslowski
Urban Sounds Clash Classic,
Klassischer Urbaner Klang (Klänge)
Zusammenstoß? Städtische
Musik schlägt Klassik? Symphony
of a big City, frei nach Beuys
und seiner sozialen Plastik!
„Wo Stahlwolken an den Himmel
genietet sind und die Sonne
aussperren, wachen wir wie
Wolkenkratzer.“ (Necati Öziri)
Jeden Tag eine neue Performance,
eine neue Strategie für
unseren Alltag, für das Sinfonie-Orchester
bestehend aus
fahrenden Zügen, Beton und
Altbau-Fassaden, einem Platz
voller Menschen und/oder du
und ich allein auf dem Dach, um
dieses ganze Durcheinander
endlich mal überblicken zu können.
Wem gehört diese Stadt,
gehöre ich dazu, wo finden wir
unsere Gemeinsamkeiten?
Die akademie der autodidakten,
der Name lässt es vermuten,
gründet ihre künstlerische
Auseinandersetzung oft auf
dem breiten Angebot von Workshops,
welche auch für diese
Produktion den Ausgangspunkt
bildeten. Den Teilnehmern werden
verschiedene künstlerische
Praktiken von Profis nahegebracht,
erklärt, praktisch ausprobiert,
immer mit einem
aktuellen Bezug, inhaltlich
und künstlerisch, zeitgenössisch,
informiert, mit theoretischem
Background!
Record gedrückt und losziehen,
die Bilder suchend, die einen
Alltag so ausmachen, die Geräusche,
die Sounds, die uns
untermalen, morgens in der
U-Bahn, abends im Club, in
der Uni zwischen alten Männerweisheiten
gefangen und
mitten drin auch, wenn ein
kleines Herz zur Ruhe kommen
will, auf einem großen Platz,
allein unter zu vielen Menschen.
Die Kamera fängt es
ein, wir folgen den Bildern
dieser Stadt, auf der Suche
nach? Wonach suchen wir
denn? Vielleicht ist es nicht
wichtig, wichtiger ist, dass wir
rausgegangen sind, weil wir suchen
wollen, weil es hier was zu
erzählen gibt, weil wir was erzählen
wollen.
Besonders scheint sie zu sein,
diese Stadt, über die sie berichten
wollen, und es gibt ein ganzes
Magazin voll von Klischees
und merkwürdigen Assoziationen,
Vorurteilen über diesen
Moloch. Coolness und Hipsterepizentren,
Arroganz als Mentalität,
Meinungen, die anscheinend
jeden mitreden
lassen, wenn es um sie geht,
um die Strahlkraft und die Brillen
der Vorurteile, mit denen
man sie betrachtet, und doch
gibt es sie, die Bewohner, den
alltäglichen Alltag, die Probleme,
die jede andere Stadt auch
hat, das Gefühl von Zugehörigkeit
und Heimelichkeit und und
und. Kommen wir zum Punkt!
( . ) „Urban Sounds Clash Classic“
ist diese Symphonie einer
Großen Stadt, ein Gesamtkunstwerk
aus unterschiedlichsten
Disziplinen. Eine fast
permanente Videospur aus Bildern
der Suche und dem Finden
einer Identität. Die Musik,
die uns Gefühle mitteilt vom
Leben in diesen Bildern. Die
Texte, die uns erzählen, wie
es sich in diesen Bildern lebt.
Die Bühne, die uns das alles
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
zusammen live erfahrbar macht.
Die Maschinerie liegt offen, die
Autoren, Regisseure und Videoart-Künstler
präsentieren
ihre Werke persönlich / the artist
is present / und das macht
es zu einem besonderen Erlebnis,
den Künstlern zuzusehen,
wie sie ihre eigenen Werke
performen, rappen, spielen,
singen, im Drive des Urbanen
Zusammenstoßes, und das mit
einer beeindruckenden Präsenz
und nicht anbiedernden Leichtigkeit,
elegant gekonnt!
Macht euer Theater selbst! Mit
diesem Motto verbinde ich diesen
Abend stark, ein Motto, das
für mich im Jugendtheater einfach
unheimlich wichtig ist. Die
Jugendlichen haben alles selber
produziert, recherchiert,
geschnitten, geschrieben, und
stehen auch noch selber auf
der Bühne. Die gestellten Fragen
sind ihre, es ist ihr Theater!
Und es ist eine Liebeserklärung
an ihre Stadt, die, wäre
sie an mich gerichtet, ich nicht
hätte ablehnen können, so
charmant erscheint sie mir.
Hochpoetisch beschreiben die
autodidakten den Rausch, die
Liebe, das Zusammenleben in
einem Tohuwabohu aus Verabredungen
und Regeln, Schule
und Arbeit, Familie und Beziehung.
Äußern aber auch Kritik,
wie in jeder großen Liebe gibt
es auch hier die Konflikte und
die Aggression, die große Gefühle
so mit sich bringen.
Hier wurde versucht nachzuvollziehen,
wie zum Beispiel
sich die Streetart im High Art
Kontext etablieren konnte.
Was heißt High and Low Art,
wo wird man eingeordnet, und
das gerade im Hinblick auf
kulturelle Produktionen von
(post-) migrantischen Jugendlichen?
Wie funktionieren die
Mechanismen der „High Art“-
Produktionen und wie kann
man diese Begrifflichkeit erweitern?
Auf allen Ebenen wird
hier agiert und hinterfragt,
und doch wirkt das Gesamtkunstwerk
„Urban Sounds Clash
Classic“ nicht überladen, sondern
greift perfekt ineinander.
Charming as Hell und konkret
wie der wiederkehrende Klang
der einfahrenden U-Bahnen
am Kottbusser Tor. Bravo!
79
Stimmen zum Stück
+++ waren super sympathisch auf der bühne +++
super unterhaltsam +++ tolle videos +++ authentisch
+++ sie haben nur einen kleinen teil des lebens in berlin
wiedergegeben und auch nur einen kleinen teil des
lebens der jugendlichen +++ ich hab die ganze zeit
gehofft, da kommt noch etwas, der bruch, wo sie
sagen: „ihr denkt bestimmt, so sind wir migratenkinder
drauf, sind wir aber gar nicht” +++ das waren
ja gar keine jugendlichen +++ als ich mit auf die bühne
gegangen bin, war das eine super interessante perspektive,
vor allem das hören, da gab es ja viel zu
hören +++ hat überhaupt nicht hierher gepasst, das
waren ja nur videos und musik +++ als sie angefangen
haben musik zu machen, dachte ich: „nein, hört auf
damit, macht doch keine musik!” und als sie dann
angefangen haben theater zu machen, dachte ich:
„nein, macht die musik wieder an.” +++ richtig super
+++ absolut flach +++ nichts neues +++ sehr berlin,
sehr lustig +++ eine liebeserklärung an berlin +++
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Rezensionen
Von Herzen, für Herzen – von Lydia Dimitrow
Vier große Leinwände, auf denen
der Trailer einer Stadt abläuft.
Einer Stadt und vieler Leben.
Schienen, Züge, Himmel,
Windräder, Postauto, eine Alditüte
im Bad. Rolltreppe, Facebook,
Goldbroiler, ein Kind mit
Pudelmütze. Wäsche waschen,
Supermarktszenen, Bilder von
längst vergangenen Partys.
„Urban Sounds Clash Classic“
ist ein Film-Musik-Performance-
Poesieprojekt, das vielleicht
weniger die vom Ensemble
selbst gestellte Frage „Was ist
Berlin?“ beantwortet als etwas
über ihren Alltag, ihre Lebenswirklichkeit
erzählt, die sich
nun zufällig in dieser Großstadt
abspielen. Es hätte auch Detmold
sein können – und wäre
vermutlich genauso interessant
geworden. Die Spielenden sind
schwarz-weiß gekleidet und
bekommen alle ihre eigene
Showtime, in der sie rappen,
reimen, dichten, philosophieren,
perfomen. Für die Musik
sind hauptsächlich Männer zuständig,
die wie Bodyguards
aussehen, allen voran Hasan
mit dem Kamm im Haar; fürs
Video gibt es einen extra Tisch,
mit drei Laptops und drei
Menschen dahinter. Das alles
könnte Gefahr laufen, schnell
zu clean zu wirken, mit dieser
(Pseudo-) Edelclub-Ästhetik,
die ganz darauf aus ist, gut
auszusehen und cool zu wirken
– aber dann stehen die Spielenden,
die gerade nicht selbst ins
Mikro texten, so herrlich unbeteiligt
an der Bar rum (Getränke
gibt es auch, von Necati,
dem fröhlichen Barkeeper) und
singen charmant schief im
Chor: „Guten Morgen, Deutschland!“
Und prompt ist der Reiz
des Selbstgemachten wieder
da, des Selbsterzählten. Denn
das Ensemble erzählt hauptsächlich
von sich selbst: Jeden
Morgen gebe es zwei Optionen,
sagt eine Spielerin. „Zurück ins
Bett oder meine Maske auf und
raus.“ Im Hintergrund laufen
Videos von ihr ab, sie vorm
Spiegel, wie sie sich schminkt.
Es gelte „nicht zu verzweifeln /
der Welt gerecht zu werden“.
Das Ensemble von der akademie
der autodidakten schickt
sich an, ein einziges großes, intermediales
Berlin-Gedicht zu
schaffen. Da schlägt bei aller
Poesie („und ich weiß um die
Zeit, die wir uns gaben“) auch
ganz schön oft das Kitscho-
Meter aus („Wieso sehn’ ich
mich nach dir? / Wieso tropfen
schon wieder Tränen aufs Papier?“).
Es soll eine Liebeserklärung
werden – eine Liebeserklärung
an die Stadt, die eigenen
Möglichkeiten, vielleicht sogar
an sich selbst. Und Liebeserklärungen
sind kitschig, klar. Aber
Kitsch ohne Brüche wird schnell
zur Schmalzrutschbahn, und so
fürchtet man schon, der ganze
Abend könne womöglich ironie-
und witzfreie Zone bleiben.
Da verkündet Hasan selbstsicher:
Freitagabend, Theatertreffen
der Jugend, „Urban
Sounds Clash Classic“ – „Ihr
habt nichts falsch gemacht,
Leute.“ Und zum Glück behält
er Recht, denn endlich bricht
die Selbstironie ins Poesie-Projekt
ein. Grandioser Auftritt
vom Bademanteltyp, Hasan
spricht – Anführungszeichen
oben – französisch – Anführungszeichen
unten – und singt
den neuen Großstadthit „Berlin
ist Single“. Das Publikum soll
mitsingen, aber bitte „nicht
aus dem Arsch, sondern aus
dem Herzen“. Pointiert und
witzig wird der Berlin-Hype
aufs Korn genommen: Egal aus
welchem „Pommesdorf“ man
käme, alle wollten nur „von
81
unserem Image profitieren“
und „billig einkaufen gehen“.
„Ey, chill mal dein Leben ganz
kurz“ – denn Hasan kann von
weitem erkennen, wer hier Berliner
ist und wer nicht, und
überhaupt: „Bevor ihr Brot
sagt, hab ich schon zweimal
abgebissen.“ Die Wette gilt:
Hasan will seinen Bist-du-ein-
Berliner-Riecher unter Beweis
stellen. Der, der und die sollen
aufstehen, und dann sagt Hasan
an. Im ersten Moment
denkt man: Ach du Schreck,
peinliche Publikumsbeteiligung,
nachdem wir doch schon
singen sollten, aber dann erklärt
Hasan so charmant einfach
jeden Aufgestandenen
zum Berliner, dass einmal mehr
klar wird: Eigentlich geht es gar
nicht um die Stadt. Sondern
ums Zusammensein, ums Hier
und Jetzt und am Ende auch –
um eine riesengroße Party. Alles
sei „machbar auf Berliner
Straßen“, man höre hier „tausend
Sprachen, die zusammenpassen“.
das Stück vorbei ist. Ist das
nicht echte Theaterperformance?
Auf jeden Fall macht es
Spaß und gehört neben (zum
Beispiel) satirischem Philosophie-Monolog,
einer am Mikro
einschlafenden Spielerin und
Meta-Kommentaren zum Stück
(„Alter, du hast Möse gesagt!“),
zu den unerwarteten und interessanten
Elementen der Inszenierung.
Man hat das Gefühl,
bei einer Riesen-Revue-Show
dabei gewesen zu sein, die von
Herzen kam. Etwas über das
Ensemble erfahren zu haben.
Darüber, wie sie ihre Welt sehen.
Trotz allen Kitsches, trotz
allem Zu-Dick-Auftragens. Es
hat einfach Spaß gemacht.
Und es war ein Befreiungsschlag
für kitschige Formulierungen
wie: eine Inszenierung,
„die von Herzen kam“. Danke
dafür.
Es wird wieder gesungen, es
werden Zuschauer auf die Bühne
geholt, die wild mittanzen
und – als sich plötzlich fast alle
Spielenden auf den Boden fallen
lassen – sich auch hinlegen
und einfach mit einfrieren. Bis
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Eine Stimmung von Berlin – von Sebastian Meineck
Mit „Urban Sounds Clash Classic“
hat die akademie der autodidakten
ein kleines Animationsprogramm
auf die Theaterbühne
gelegt. Gleich am Anfang soll
das Publikum jubeln und applaudieren.
Applaus fürs Haus
der Festspiele, Applaus für die
anwesenden Theaterclubs, Applaus
für Performer und Musiker
auf der Bühne, Applaus für jeden
Einzelnen im Publikum.
Schließlich sei man in Berlin
und es sei Freitagabend. Als der
Funken nicht so recht überspringt,
heißt es: Das müsse
daran liegen, dass nicht alle im
Publikum aus Berlin kommen.
Also werden ein paar Leute gefragt,
ob sie Berliner seien. Wer
keiner ist, muss sich setzen.
Wer einer ist, bekommt Applaus.
Bei so viel Applaus wird
ein Star am Mikrofon gebraucht.
Und der wird auch geliefert
und singt. Die Stimme ist
okay. Zwischendrin kämmt er
sich immer mal wieder und
steckt sich den Kamm ins Haar.
Mit der Zeit kommen Discokugeln
und Nebelmaschine zum
Einsatz. Es ist eine große Stimmungs-Show
und eine Liebeserklärung
an die Stadt Berlin.
Die Jungs tragen Schlips und
Anzug, einer tritt mit Sonnenbrille
im Bademantel auf, die
Mädels tragen schicke, enge
Klamotten. Es geht den autodidakten
darum, sich selbst zu
feiern. Aber das Publikum ist
zum Mitfeiern eingeladen. Die
Hooks der Songs lauten: „Berlin
ist single“, „Was ist Berlin?“ und
„Auf jeden Fall“. Bei „Berlin ist
single“ soll jeder mitsingen,
„auch die Pärchen“. Ironische
Brüche festigen das Konzept:
So tritt ein Mädchen vors Mikro,
und die Nebelmaschine speit.
Doch dann sind nur Schnarchgeräusche
zu hören, und das
Mädchen schließt die Augen.
Eine Rapperin stürmt die Bühne
und legt eine Performance hin.
Erst danach wacht das Mädchen
wieder auf. Man macht
keinen Hehl daraus, dass man
protzen möchte, und dass man
mehr verspricht, als man liefert.
Die Feier wird reflektiert
und fortgesetzt. Während der
Performance flimmern Videos
von Berlin über die vier Leinwände:
Straßen und U-Bahnen,
die Performer im Dönerladen,
an der Uni, oder bei sich zuhause,
frühstückend. Zwischen den
Songs werden lyrische Texte
vorgetragen. Sie handeln vom
Leben in Berlin: vom Arbeitengehen
und Feiern, vom Verkatert-
und vom Einsamsein. Dabei
ist kein Sprachklischee zu
schade, und auch kein Reim:
„In dieser Stadt, in der meine
Hoffnungen den Asphalt rauchen/
tickt die Uhr eine Tonlage
tiefer/ und atmet die Sonne einen
Gedanken leichter.“ Oder:
„Ich laufe unter die Linden / um
dich zu finden.“ Oder: „Wer hat
dir dein Lächeln geklaut, Berlin?“
Man merkt: Die Performance
setzt eindeutig nicht
auf tiefgründige Gedanken,
sondern auf ein großes Gefühl.
Es geht nicht darum, Zusammenhänge
in die Zeilen zu lesen,
das wäre kaum möglich.
Sondern es geht darum, auf
einzelne Worte zu achten: Lächeln,
Hoffnung, Liebe, Dreck.
Die Stimmung, die vermittelt
werden soll, ist eine Mischung
aus Blues, Sexyness, Coolness
und Großstadtromantik. Es ist
eine Ästhetik des Abgefuckten.
Das alles ist eine inhaltsleere
Freude, ein narzisstischer Dauerrausch.
Wer die Stimmung
nicht teilen könne, heißt es, der
habe eben Berlin noch nicht
verstanden. An dieser Schwelle
teilt sich das Publikum: Einige
haben es verstanden, und singen
oder tanzen am Ende
gleich mit auf der Bühne; einige
andere nicht.
83
Bühne − Spezial
Lesung: Seitenwechsel
Sonntag, 26. Mai 2013, 22:00 Uhr
Von und mit der Redaktion der Festivalzeitung FZ (ehemalige Preisträgerinnen
und Preisträger des Treffens junger Autoren)
Felix Kracke – „Über dem bescheuerten Firmament“
Anna-Theresia Bohn – „zu erzählen“
David Holdowanski – „Im Kommunismus gibt es keine Sitzplätze“
Sebastian Meineck – „Der Hefemann“
Luna Ali – „Lager der Gerechtigkeit“
Khesrau Behroz – „Zum Meer“
Margarita Iov – „Die Drift“
Lydia Dimitrow – „was wir alles könnten“
Moderation: Laura Naumann
Intermezzi: Franklyn Ufford
Die Lesung ist zu hören und zu sehen auf unserem Festivalblog:
www.blog.theatertreffen-der-jugend.de
Die Texte sind in der Sonderausgabe FZ Literatur nachzulesen.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Hörspiel: Happy End
Mittwoch, 29. Mai 2013, 22:00 Uhr
Konzert: MomosMind
Freitag, 31. Mai 2013, 22:00 Uhr
Hörspiel von: Julia Wolf und Ragnhild Sørensen
Eine Produktion der Raumstation im Auftrag
des WDR
Rebekka Blum ist eine Frau und wird bald 30
Jahre alt. Als sei das nicht schlimm genug, erscheint
ihr zu allem Überfluss Angelina Jolie
höchstpersönlich und verkündet, dass Rebekka
in 20 Tagen sterben wird. So hatte Rebekka sich
ihren Geburtstag nicht vorgestellt. Und ihr Leben
auch nicht. Im obskuren „Amt für finale Angelegenheiten“
erhebt sie Einspruch gegen das
Todesurteil. Die beiden Anhörungsrichter lassen
kein gutes Haar an ihr, „im Zweifel gegen die
Angeklagte“ scheint ihr Motto zu sein. Rebekka
kämpft gegen die überlebensgroße Angelina Jolie,
den Zynismus ihrer Richter und nicht zuletzt
gegen sich selbst. Was fängt man urplötzlich
mit seinem Leben an? Reichen 20 Tage, um darüber
nachzudenken?
Konzert für die Gäste des Theatertreffens der
Jugend. Eintritt frei.
Die Band MomosMind gehörte zu den Preisträgern
des Treffens junge Musik-Szene 2012. Sie
kommen aus Essen und das musikalische Spektrum
ihrer Musik lässt sich mit Indie-Funk-Pop
mit Einflüssen aus Ska und Blues am besten
beschreiben.
Es spielten:
Gesang und Synthesizer: Rhian Antonia Schütte
Schlagzeug: Junis El Hussein
Gitarre: Lorenz Luboldt
Bass: Raphael Schulte
Zum Reinhören:
85
Nominierungen 2013
Für die Zwischenauswahl zur Teilnahme am Theatertreffen der Jugend waren neben den
Preisträger-Ensembles folgende Produktionen nominiert:
Jugendensemble Perform[d]ance e.V., Stralsund
Identität 2.0
Junge Akteure am Theater Bremen
Warum das Kind in der Polenta kocht nach Aglaja Veteranyi
Junges DT Berlin
Fluchtpunkt Berlin
914 Musikklasse der Sophie-Scholl-Schule, Berlin
Traumatical
Offene Theater-AG Max-Eyth-Schule Alsfeld
post ist das prä von hmhmhm
P14 – Jugendtheater, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin
Ein Käfig ging einen Vogel suchen
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Projektkurs Theater des Georg-Büchner-Gymnasiums, Kaarst
Puppen sind wir?
Theater-AG der Goetheschule Hannover
Girlsnightout
von Gesine Danckwart
Theatergruppe am Goethe, Düsseldorf
Ingrimm
Theatergruppe des Benedikt-Stattler-Gymnasiums, Bad Kötzting
Wosanano
Theaterjugendclub Die KarateMilchTiger – Schauspiel Chemnitz
Küsse.Bisse.Penthesilea. nach Heinrich von Kleist
87
Campus
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Campus
Das Campus-Programm richtete sich an die Teilnehmer/
-innen des Theatertreffens der Jugend. Es untergliederte
sich in die Bereich Praxis mit verschiedenen Theaterworkshops,
Dialog mit den täglichen Aufführungsgesprächen
und der täglich erscheinenden Festivalzeitung. Neue Einund
Ausblicke konnten in der Rubrik Spezial gewonnen werden.
Praxis
Samstag, 25. Mai 2013
Sonntag, 26. Mai 2013
Montag, 27. Mai 2013
Mittwoch, 29. Mai 2013
jeweils 09:30 bis 12:00 und 13:30 bis 16:00 Uhr
Workshop-Präsentation:
Donnerstag, 30. Mai 2013
von 11:00 bis 12:30
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Workshop I: Jetzt rocke ich die Bühne!
Was will man eigentlich wenn man eine Bühne betritt? Den Laden rocken? Die
Welt verändern? Sich verändern? Auf die Frage einer Journalistin, was das eigentlich
heißt, „Schauspieler“, antwortete Fabian Hinrichs mal: darüber müsste man
mal nachdenken – darüber müsste ich mal nachdenken. ….
mit Nikolai Plath – 1984 in Flensburg geboren. Ausbildung an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (Diplom
2008), Engagements im Ballhaus Ost, Berlin, Theater Bonn, Heimathafen Neukölln, Berlin, Staatsschauspiel Dresden,
Deutsches Theater, Berlin, Maxim Gorki Theater, Berlin, BAT Studiotheater, Berlin, Eigenreich Theater, Berlin / Akademie der
Künste, Berlin. Letzte Produktionen: „Aber sicher!“ (2013) UA; „Hamlet“ (2012) Regie: Alexander Riemenschneider, Theater
Bremen; „Dämonen“ (2012) Regie: Krzysztof Minkowski, JVA Charlottenburg/aufBruch Berlin; Mathilde Bäumler. „Ein
Dschungelstück“ (2013) Regie: Alexander Riemenschneider, Theater Bonn.
Workshop II: Don’t worry – dance!
Erkunde deine individuelle Tanzform und zeige sie auf der Bühne. Wir werden mit
Alltags- und Tanzbewegungen, Gesten, Worten, Musik, Bilder improvisieren und
untersuchen, wie aus Impulsen und instinktiven Reaktionen ein szenischer Vorgang
oder eine Choreografie entstehen kann. ….
mit Mirjam Bührer – geboren 1986 in Frauenfeld, hat den Bachelor in Sport-, Theater- und Tanzwissenschaft an der Universität
Bern absolviert und sich danach an der Zürcher Hochschule der Künste und bei Bewegungsart in Freiburg im Breisgau in zeitgenössischen
Bühnentanz, Performance und Improvisation vertieft. Sie unterrichtet seit einigen Jahren Tanz in verschiedensten
Formen (Jazz, Modern, Hip-Hop, Impro) in Projektwochen, Jugend- und Sportlagern und in Freikursen an Schulen.
und David Speiser – geboren 1984 in Basel, hat an diversen Jugendclubs und Projekten am Theater Basel und Jungen Theater
Basel mitgewirkt. Während der Produktion „strange days, indeed“ des belgischen Choreografen Ives Thuwis entdeckte er seine
Begeisterung für den Bühnentanz. Momentan absolviert er die Ausbildung als Tänzer bei der Bewegungsart in Freiburg im
Breisgau. Daneben unterrichtet er Kinder und Jugendliche im Circus Basilisk.
Workshop III: Textwerkstatt
Was will ich sagen? Und wie schreibe ich es? Die Textwerkstatt bietet Raum für
Fragen nach dem Anfangen und Weitermachen. Anhand verschiedener dramatischer
Formen soll erprobt werden, wie man Worte für Ideen findet und wie man
sich ein Gerüst für einen Text baut, das Struktur schafft und gleichsam Freiräume
öffnet…
mit Julia Wolf – lebt als freie Autorin in Berlin. Sie schreibt Prosa, Theaterstücke, Hörspiele und Drehbücher. Ihr Stück „Der
Du“ wurde 2010 am Düsseldorfer Schauspielhaus uraufgeführt und 2011 als Hörspiel für den WDR produziert. Mit dem Stück
„Ein Mädchen namens Elvis“ war sie zu 2010 zu den Werkstatttagen am Wiener Burgtheater und 2011 zu den Autorentheatertagen
am Deutschen Theater, Berlin eingeladen. Seit 2010 schreibt und produziert sie in Zusammenarbeit mit der Berliner
Produktionsfirma Raumstation regelmäßig Hörspiele. Im Rahmen einer Drehbuchförderung der Filmförderanstalt arbeitet Julia
Wolf momentan an ihrem ersten Drehbuch für einen Spielfilm.
91
Workshop IV: RECLAM GOES CELLULOID – Klappe die Zweite!
Und bitte! 4 Tage, ein Konzept, drei Teams, ein Film. „Die Orestie“ wird dekonstruiert,
durchgelüftet und unter die Lupe genommen, zerschlagen und umgewandelt,
und dann wieder liebevoll zusammengesetzt. 3 Bücher. 3 Teams. Wir produzieren
den Klassiker der Klassiker der Klassiker (noch älter geht’s nicht!) auf ganz
und gar unklassische Art und Weise.
mit Hannah Dörr – geboren 1990, arbeitet als freie Videokünstlerin für Theater und studiert an der Kunsthochschule für Medien
in Köln und an der Universität der Künste Berlin. Eigene Arbeiten zeigte sie an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz,
Berlin innerhalb des P14-Jugendtheaters, dem Hebbel am Ufer, Berlin und dem Radialsystem, Berlin.
und Jan Koslowski – geboren 1987, Regisseur und Filmemacher. Er studierte an der Akademie für Darstellende Kunst Baden-
Württemberg und besucht zurzeit die Masterclass für Regie an der Zürcher Hochschule der Künste. Er arbeitet für das Jugendtheater
der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz P14. Jan Koslowski und Hannah Dörr arbeiten schon seit Jugendtagen zusammen,
sie kooperierten in zahlreichen Theaterproduktionen und realisierten gemeinsam mehrere Kurzfilme.
Workshop V: Wer oder was fragt nach dem Bild
Erzählen, darstellen, präsentieren – schon im Alltag handeln wir theatral, schlüpfen
in verschiedene Rollen, setzen uns den Blicken anderer aus und inszenieren
uns. Jeden Tag gehen wir mit verschiedenen Darstellungsstrategien um, meist unbewusst
und zufällig. Gemeinsam wollen wir diese Selbstdarstellungsstrategien
des Alltags entschlüsseln. Aber was hat das mit Theater zu tun, und vor allem:
Was hat das mit UNSEREM Theater zu tun? …
mit Julia Gräfner – geboren 1989 in Schwerin, hat 2012 ihr Schauspielstudium Bachelor of Arts in Theatre an der Hochschule
der Künste Bern abgeschlossen. Im Jahr 2008 gehörte sie mit der Produktion „hamlet.net“ der Theatergruppe am Goethe-
Gymnasium Schwerin zu den Teilnehmern des Theatertreffens der Jugend. Im darauffolgenden Jahr war sie Redaktionsmitglied
der Festivalzeitung und 2010 und 2011 Jungjurorin in der Festivaljury. Seit Herbst 2012 studiert sie im Studiengang Master
of Scenic Art Practice an der Hochschule der Künste Bern. Verschiede Produktionen und Projekte führten sie in den letzten
Jahren an das Luzerner Theater, Konzerttheater Bern, Sophiensæle, Berlin, Pathos, München, AUA-Wir leben! Festival, Bern,
SKENA-UP! Festival Prishtina und Schaubudensommer Dresden.
und Anna Wille – geboren 1989 in Schwerin. Während der Schulzeit wirkte sie konzeptionell und spielerisch an diversen Projekten
der Theatergruppe am Goethe Gymnasium Schwerin TaGGS mit. 2008 wurde die Gruppe mit „hamlet.net“ zum Theatertreffen
der Jugend und zum Liebe Macht Tod Festival des ZDFtheaterkanals eingeladen. Nach dem Abitur und während des
Studiums folgten Dramaturgie-Hospitanzen und Assistenzen am Mecklenburgischen Staatstheater, Schwerin, Staatsschauspiel
Dresden und Maxim Gorki Theater, Berlin. Bis 2012 studierte sie Dramaturgie an der Hochschule für Musik und Theater
Leipzig. Sie ist Mitglied des Werkstattmacher e.V. für Theaternachwuchs in Leipzig und arbeitet als Assistentin für das Kollektiv
ehrliche arbeit – freies Kulturbüro in Projekten der Freien Theater Szene Berlin.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Workshop VI: Theatrale Games – Werkstatt theatrale Spielformate
Dieser Workshop soll einige Game-Formate untersuchen, ausprobieren und erklären.
Das Theater- und Medienkollektiv machina eX produziert Computerspiele mit
theatralen Mitteln. Insbesondere die Spielregeln des Point'n'Click-Adventures werden
hierbei vom virtuellen in den realen Raum überführt. Dieses und zwei weitere
Spielformate – Performerfernsteuerung und Streetgames – wollen wir im Workshop
betrachten… sowie gemeinsam Games in den jeweiligen Formaten entwickeln, testen
und vor allem spielen! …
mit Nele Katharina Lenz – studierte Szenische Künste an der Universität Hildesheim und an der Université Sorbonne-Nouvelle,
Paris. Sie ist Theatermacherin, Produktionsleiterin und Videofilmerin und leitete medien- und theaterpädagogische
Workshops in Berlin und Hamburg. Als Gründungsmitglied des Medien-Theaterkollektivs machina eX arbeitet sie seit 2009 mit
an der Entwicklung von theatralen Games.
und Mathias Prinz – Sounddesigner, Musiker, Theatermacher und Literaturwissenschaftler. Als Mitglied von machina eX ist er
seit 2009 mit der Zusammenführung von Computerspielen und Theater beschäftigt. Er studiert momentan Literarisches Schreiben
an der Universität Hildesheim und schreibt an einem Buch über Friedrich Dürrenmatts Spätwerk.
Workshop VII: Fehler für alle!
Das Theater ist ein Ort der Urteile. Ständig bewerten wir die Dinge, die wir sehen:
die Inszenierung, die Schauspieler, die Regie, das Bühnenbild, die Musik, und so
weiter. Auch auf diesem Festival wird es sicher oft darum gehen, wem was warum
gefällt und was nicht. Theatermachern ist es anscheinend wichtig, schnell sagen
zu können, ob sie etwas „gut“ oder „schlecht“ finden, etwas „richtig“ oder
„falsch“ ist – bei Vorstellungen, aber auch schon bei den Proben. Hier setzt der
Workshop an….
mit Alexander Riemenschneider – geboren 1981 und aufgewachsen im Rheinland, lebt in Bremen; war zunächst als Musiker in
Deutschland und Nachbarländern unterwegs; ab 2003 Theatermusiker und Regieassistent am Theater Bonn; dann Regiestudium
in Hamburg; während des Studiums Einladungen zu mehreren europäischen Theaterfestivals, seit 2009 tätig als Theaterregisseur,
u. a. am Schauspielhaus Hamburg und am Deutschen Theater, Berlin, in Bonn, Oldenburg und Prag. Seit der Spielzeit
2012/13 ist Alexander Riemenschneider als Hausregisseur im Schauspiel am Theater Bremen engagiert.
und Jacob Suske – geboren 1980 bei Graz, arbeitete als Theaterkomponist bereits u. a. am Deutschen Theater, Berlin, der
Schaubühne, Berlin, Schauspiel Frankfurt, Staatstheater Dresden, Residenztheater, München, Luzerner Theater, Stadttheater
Bern, dem Düsseldorfer Schauspielhaus, Theaterhaus Jena und mit freien Gruppen wie Faradaycage oder Banality Dreams.
Vor allem mit der Regiesseurin Sabine auf der Heyde verbindet ihn eine langjährige und intensive Zusammenarbeit. Als Bassist
spielte er unter anderem mit Bonaparte, One Shot Orchestra, Lunik oder Sophie Hunger, produzierte Bands wie Lily Yellow
oder Huck Finn und arbeitete als Dozent an der Schauspielschule des Mozarteum Salzburg, der ZHdK Zürich und der Jazzschule
Luzern. Zurzeit arbeitet er an seinem Soloprojekt Zachov.
93
Dialog
Aufführungsgespräche
täglich 17:00 Uhr
Samstag 01. Juni 2013, 10:30 Uhr im Oberen Foyer
Die Aufführungsgespräche zu den Produktionen waren neben deren Aufführungen
und dem Workshop-Programm wichtiges Element des intensiven inhaltlichen Austauschs
der Gruppen untereinander. In kleineren Gesprächsgruppen hatten die
Jugendlichen täglich Gelegenheit, ihre persönlichen Reflektionen und Kritiken anzubringen
und auszutauschen. Es öffnete sich ein konzentrierter Raum, in dem die
inhaltliche und künstlerische Auseinandersetzung der Spielerinnen und Spieler der
jeweiligen Produktion gemeinsam mit allen jugendlichen Festivalteilnehmern besprochen
wurde. Diese Aufführungsgespräche wurden von einer Patengruppe moderiert.
Die Moderatoren wurden von den ehemaligen Teilnehmerinnen Sarah Gailer und Katharina Bartels
in das Gesprächsformat eingeführt.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Festivalzeitung FZ
Die Festivalzeitung FZ kritisierte, interviewte, porträtierte, spekulierte, fabulierte
und eröffnete zusätzliche Denkräume, neue und andere Perspektiven auf die gezeigten
Produktionen.
Die Redaktion 2013 bestand aus:
Khesrau Behroz – Redaktionsleitung,
geboren 1987 in Kabul,
Student, liest und lebt in Berlin.
Womit er besonders zufrieden
ist: Kunstvermittlung bei „Die
Welt bewohnen“ im Rahmen der
documenta 12; diverse (Schul-)
Theaterproduktionen; Redakteur
des Theaterfestivals Kaltstart in
Hamburg, Auftritte auf Lesebühnen
und bei Poetry Slams.
Veröffentlichung in „schräg gegens
licht“ (2010), Gründung von
„echauffier – Magazin für Empörung“
(2011), Kurzgeschichte mit
Illustrationen und Hörspiel „Gift
und die alten Herren“ (2012), Lesereise
„Wasil rennt davon“ – Ryo
Takeda liest Texte von Khesrau
Behroz (2013).
Luna Ali, geboren 1993 in Syrien,
Studentin, Bochum, lebt seit
2001 in Deutschland. Sie schreibt
nicht nur auf Deutsch, sondern
denkt und träumt auch in dieser
Sprache. Angefangen hat alles
mit Briefeschreiben, ging über in
exzessives Theaterspielen und
endete beim Poetry Slam. Politik
und Bücher spielen eine große
Rolle in ihrem Leben. Veröffentlichung
in der Anthologie „ich
stell dir die schatten schärfer“
des Treffens junger Autoren der
Berliner Festspiele, 2012.
Anna-Theresia Bohn, geboren
im Mai 1989 in Mainz. Studiert
Relevantes in Berlin. Ehemalige
Preisträgerin des Treffens junger
Autoren, ehemaliges Jurymitglied
des poet | bewegt. Veröffentlichungen
in Anthologien.
Ist auf Lesungen anzuhören,
-schauen, -treffen. Schreibt Gerüchten
zufolge an einem Buch:
„Jahresbilanz“. Schreibt den Tatsachen
entsprechend mit Herzblut
an dem, was sie selbst gerne
lesen würde.
Lydia Dimitrow, geboren 1989
in Berlin. Schreibt Prosa, Gedichte,
Szenisches, Songs. 2005
und 2007 beim Treffen junger
Autoren, seit 2008 in der FZ-Redaktion
des Theatertreffens der
Jugend. Studiert Allgemeine und
Vergleichende Literaturwissenschaft,
deutsche und französische
Philologie an der Freien
Universität Berlin und an der
Université de Lausanne. Liest
seit 2008 regelmäßig bei der Lesebühne
Lauschgift. Seit 2011
kleinere Übersetzungen aus dem
Französischen. Mag Theater. Sehr.
Dave Großmann – FZ Fotograf,
geboren 1989 in Jena, lebt und
wütet seit einigen Jahren in
Berlin. Kann und will sich nicht
entscheiden, was er als aktuelle
Tätigkeit angeben soll. Auf der
einen Seite Gestalter, in der
Grafik, mit der Kamera, aber
auch mit Pinsel und Farben unterwegs.
Auf der anderen Seite
Tänzer und Choreograf im Bereich
BBoying, aber auch im
zeitgenössischen Kontext. Preisträger
diverser Tanz- und Fotowettbewerbe
auf nationaler
und internationaler Ebene. Studiert
Kommunikationsdesign
an der FH Potsdam und arbeitete
für diverse Institutionen:
Bundeswettbewerbe der Berliner
Festspiele, Berliner Ensemble,
Tanz im August, TanzTangente
Berlin sowie UdK und
danceworks berlin.
95
David Holdowanski, geboren
1991, Heidelberg, Studium der
Philosophie, Slawistik und
Komparatistik. Preisträger des
Treffens junger Autoren 2007
und 2009. Stipendiat der Stiftung
Niedersachsen, Teilnehmer am
„Literaturlabor“ der Bundesakademie
für kulturelle Bildung,
Wolfenbüttel 2009. Redakteur
und Regisseur der
Festivalzeitung beim Theatertreffen
der Jugend. Finalist bei
Radikal Büchner, zdf.kultur
2013. Veröffentlichung in Anthologien,
u.a. in „Der Horizont
hängt schief“, Berlin 2008, „Destillate“,
Wolfenbüttel 2009,
„schräg gegens licht“, Frankfurt
a. M. 2010.
Margarita Iov, geboren 1993 in
Kiew, nahm 2011 am Treffen
junger Autoren teil und ist 2013
Stipendiatin der Niedersächsischen
Kulturstiftung. Ihre Texte
wurden in verschiedenen Anthologien
– „Freihändig“, „Hundert
Herzschläge Freigepäck“ –
sowie in der Edit #61
veröffentlicht. Im Verlag Das
neue Berlin erschien im Jahr
2011 ihre Übersetzung der
Kriegstagebücher des russischen
Fotografen Jewgeni
Chaldej. Sie lebt in Berlin.
Felix Kracke, geboren 1990 in
Hamburg, aufgewachsen in
Detmold. Studium Kunsttheorie
an der Zürcher Hochschule
der Künste und seit 2012 Theaterregie
an der Hochschule für
Musik und Darstellende Kunst
in Frankfurt am Main. Schreibt
Kurzprosa und Theatertexte (u.
a. für das Staatstheater Karlsruhe,
Theaterhaus Jena, die
Neuköllner Oper, Berlin). Aktuell
Teilnehmer des Förderprogramms
stück / für / stück am
Schauspielhaus, Wien.
Sebastian Meineck, geboren
1992 in Mainz, ist Student der
Allgemeinen und Vergleichenden
Literaturwissenschaft und
der Soziologie in Frankfurt am
Main. Er schreibt, liest, treibt
sein Unwesen da, wo andere
schreiben und lesen (dreimaliger
Preisträger beim Treffen
junger Autoren, beim Europäischen
Literaturwettbewerb der
Jugend-Literatur-Werkstatt
Graz, Teilnehmer im Literatur-
Labor Wolfenbüttel). Veröffentlichungen
in Anthologien,
im Internet und im Radio. Mitarbeiter
bei Radio Klinikfunk
Wiesbaden. Liest vor in Cafés
und Kellern.
Fine Riebner, geboren 1993 in
Berlin-Neukölln. 2009 erstes
Theaterprojekt „Bernarda Albas
Haus“ mit Patricia von Miserony.
Anfang 2010 erste Lesung
eigener Texte im
Neuköllner Schillerpalais. 2011
Preisträgerin des Treffen junger
Autoren. Im Jahr 2012 Engagement
am Theater unterm Turm,
Berlin und Nachwuchsdramatikerin
beim Interplay
Europe in Madrid. 2013 Engagement
im schaltwerk. Studentin
der Psychologie.
Julian Eric Christian, geboren
1990 in Frankfurt am Main, Student
an der UdK Berlin mit Ausrichtung
auf transmediales
Raumdesign bzw. raumspezifische
Erkenntnisprovokation.
Kunstvermittlung im Rahmen
der documenta 12 „Die Welt bewohnen“,
dokumentarische Begleitung
diverser Zusammenkünfte
im theatralen Bereich in
Bild, Grafik und Ton. Stets an
der Erlebbarmachung eines
psychogeographischen Reizes
interessiert – bezogen auf performative
und zeitbasierte Medien
– welcher beim Adressaten
mindestens so intensiv ist wie
beim Performer.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Essay
Rezension und Party – von Sebastian Meineck
Das Theatertreffen der Jugend ist ein Festival, aber es ist mehr als nur ein Fest. Wenn die Blumen
verteilt werden und der Applaus durch den Saal rauscht, wenn abends die Party steigt, dann ist es
Zeit fürs Fest. Jede eingeladene Produktion hat auf hohem Niveau etwas geschaffen, das bemerkenswert
ist. Das darf so richtig gefeiert werden.
Das Theatertreffen der Jugend
– ein komischer Raum
Das Theatertreffen ist aber
auch ein Raum für Gespräche
und für neue Gedanken. Die
Produktionen kommen aus
ganz Deutschland. Manchmal
kommen sie aus kleinen Ortschaften,
und bisher haben nur
Lokalzeitungen über sie geschrieben.
In Berlin öffnet sich
ein ganz anderer Raum. Hier
gibt’s eine neue Öffentlichkeit.
Das Festival ist zwar zu groß,
als dass man hier jeden Einzelnen
kennen lernen kann. Aber
es ist auch so klein, dass man
sich auf eines verlassen könnte:
Es ist ein geschützter Raum.
Wir sind eine kleine Gemeinschaft.
Das Theatertreffen der
Jugend ist ein Raum, in dem
sich keiner zurückhalten muss
mit spontanen Einfällen, frechen
Späßen oder einfach nur
Klartext. Dazu sind die Workshops
da, die Aufführungsgespräche,
und auch: die Festivalzeitung.
Die Festivalzeitung FZ –
ein komisches Ereignis
Die Festivalzeitung ist nicht nur
dazu da, all das abzubilden, was
in diesen acht Tagen hier geschieht.
Das gehört natürlich
auch dazu, und deshalb laufen
wir jeden Tag mit Aufnahmegeräten
und Fotoapparaten
herum. Uns geht es aber auch
darum, neue Ereignisse zu schaffen,
und zum Festival etwas beizutragen,
das es sonst nicht
geben würde. Und ein solcher
Beitrag zum Festival, das sind
die Rezensionen.
Überraschung!
Mit den Rezensionen wollen wir
Gespräche über die Stücke anregen,
die sonst vielleicht nicht
geführt worden wären. Ich bin
jetzt seit drei Jahren beim Theatertreffen
der Jugend, und jedes
Jahr treffe ich überraschte
Leute, die nicht gedacht hätten,
dass wir das schreiben,
was wir schreiben. Wir von der
Redaktion sind in erster Linie
Autoren und haben uns beim
Schwester-Wettbewerb des
Theatertreffens der Jugend,
dem Treffen junger Autoren,
kennen gelernt. Einige von uns
sind schon seit mehr als fünf
Jahren beim Theatertreffen der
Jugend. Wir lieben das Theater,
aber wir kommen in der Regel
nicht von der Bühne. Wir schauen
uns die Stücke an und horchen
in uns rein, was sie bei uns
auslösen. Manche von uns machen
sich direkt im Stück Notizen.
Am Abend und am Morgen
danach diskutieren wir darüber.
Dann geht es uns darum,
unsere Eindrücke in einen Text
zu bringen, und dabei deutlich
zu machen, woher diese Eindrücke
kommen. Unser Ziel ist
es dabei, der Wirkung gerecht
zu werden, die das Stück in uns
ausgelöst hat. Unser Ziel ist es
aber nicht, Verbesserungsvorschläge
zu machen, denn wir
sind keine Regisseure. Und allgemeingültige
Urteile wollen
wir auch nicht fällen. Das können
wir gar nicht, und wahrscheinlich
kann das ohnehin
keiner. Was man mit diesen Rezensionen
dann anfängt, das
ist jedem selbst überlassen.
Bestimmt kann man nicht immer
ganz nachvollziehen, warum
der Rezensent nun diesen
oder jenen Eindruck vom Stück
mitgenommen hat. Ich wundere
mich auch manchmal über
meine Kollegen. Manche Sachen
kann ich erst Tage später
diskutieren, weil ich die erst einmal
sacken lassen muss. Aber
gerade darin sehen wir den besonderen
Input der Rezensionen.
Die wollen nicht eingeschweißt
oder eingerahmt
werden. Sie wollen überraschen
und irritieren, um Gespräche
übers Theater anzuregen.
97
Spezial
Außenblick
Dienstag, 28. Mai 2012
10:00 – 12:00 Uhr
Raus aus dem Mikrokosmos Theatertreffen der Jugend. Es galt, die Großstadt zu
entdecken: ganz klassisch im Bus, ganz touristisch…
Innenblick
Dienstag, 28. Mai 2012
15:00 Uhr – 16:00 Uhr
Prospektzüge, Ober- und Untermaschinerie, Galerien in schwindelerregender
Höhe und mehr aus der Welt der Theatertechnik waren zu bestaunen in der Tour
durch das Haus der Berliner Festspiele.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Stimmen zum Festival
+++ ich habe neue formen von theater kennengelernt +++ ich habe über
sehr viele themen neu nachgedacht, auch über mich selbst, und ich bin zu
neuen schlüssen gekommen +++ ich habe es geliebt, so viel zu lernen +++
als ehemaliger habe ich nicht alles miterlebt, aber es gab trotzdem sehr
viel neuen input, man lernt einfach nicht aus, und hier wird so offen miteinander
umgegangen +++ ich war ja auch schon letztes jahr dabei und
fand, dass die stücke dieses jahr noch viel abwechslungsreicher waren +++
die leute waren toll, die band auch, die fassbrause ist natürlich immer das
coolste, ich hab viel gelernt +++ die stücke sind vielfältiger geworden, zum
beispiel die performance aus solingen war eine neue erfahrung für mich:
abschreckend, aber sehr interessant +++ ich habe gesehen, wie leute neue
formen vom theater ausprobieren +++ ich kann im namen der gruppe sprechen:
wir haben uns persönlich total verändert, wir sind stärker geworden,
wir können mehr kritik vertragen als vorher +++ der tanzworkshop hat
mich unglaublich weitergebracht +++ man lernt so viele leute kennen, man
ist so erschlagen von der wucht +++ es hat sich alles verändert bei mir +++
ich bin sehr viel offener geworden, als vorher, das hat mich richtig verändert
+++ ich glaube schon, dass es mich verändert hat, aber das muss sich
erstmal setzen +++ für mich war das festival auch sehr schön, es war mal
anders als die festivals, auf denen ich sonst war, auch von der struktur her
+++ die workshops waren sehr toll, es hat mir auch gut gefallen, dass wir so
viele workshops hatten +++ zum beispiel das stück gestern (aus heidelberg)
hab ich nicht richtig verstanden +++ ich fand das festival sehr dicht, ich
fands toll, all die stücke sehen zu können, acht stücke nacheinander jeden
abend! +++ ich fand die workshops sehr cool, sehr abwechslungsreich, es
war sehr intensiv, ich bin jetzt aber ganz froh, erstmal ’ne pause zu haben
+++ ich habe hier tolle leute kennen gelernt und mich mit leuten unterhalten,
mit denen ich mich sonst nicht unterhalten würde. nicht, weil ich die
verachten würde oder so, nein, einfach, weil ich die sonst nie treffen würde
+++ das festival war cool, es gab gute stimmung, und alles war auf einem
hohen niveau +++
99
Forum
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
101
Forum
Das FORUM des Theatertreffens der Jugend richtete sich
an Spielleiter/-innen und untergliederte sich in drei
Sektionen: Praxis, Dialog und Fokus. Praxis enthielt zwei
kompakte Blöcke mit jeweils mehreren Impulsworkshops
und einem Intensivworkshop sowie einen Block Impulsworkshops
für Studierende. Dialog beinhaltete alle Aufführungsgespräche
des Festivals. Fokus widmete sich
einem Schwerpunkt innerhalb des Forum-Programms.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Praxis
Praxis I
Handlungen, die in einem zeitlichen Ablauf
reproduzierbar organisiert sind, so
lassen sich Choreografien beschreiben.
Je mehr sich Theaterformen vom Text
entfernen, desto interessanter werden
choreografische Zugriffe: Bilder statt
Sprache, physische Realität statt
Sprechtechnik. Aber was macht Choreografien
aus und sind sie auch jenseits
von Tanz denkbar? Die vier Referenten
vermittelten unterschiedliche
Zugänge, Methoden und Bausteine.
Im Workshop von Tom Bünger stand der
sprechende Körper im Zentrum. Zentral
dabei ist, dass Tanz kein „Als-Ob“
kennt, sondern die unmittelbare, reale
Physis. Der Workshop machte das „Dasein“
stark, eine neutrale körperliche
Präsenz, die eine große Kraft auf der
Bühne entwickeln kann. Davon ausgehend
wurden mit großer Reduktion die
Zeichenhaftigkeit von Bewegungen,
Raumrichtungen, Geschwindigkeiten,
Nähe und Distanz, Synchronität und
Gegenbewegung untersucht. Was erzählt
ein neutraler Blick ins Publikum,
ein Rücken, ein fallender Arm, was
macht der restliche Körper dabei? Der
Workshop konzentrierte die Aufmerksamkeit
auf den Körper, noch bevor
Tanz stattfindet. Erst im zweiten Schritt
wurde das Körperzeichen dann in den
Raum, in eine Choreografie transportiert.
Wichtigste Arbeitsmethode dabei
war nicht die Komposition von Bewegung,
sondern die zufällige Gleichzeitigkeit
oder Begegnung von vorgegebenen
und improvisierten Bewegungs -
elementen: so entstanden die interessantesten
choreografischen Wirkungen
des Workshops. Der Workshop machte
auch Nicht-Tänzern Mut, Tanz einmal
nur als den physischen Körper zu denken:
Der Körper spricht schon durch
einfachste Bewegungen wie die Drehung
eines Kopfes, das Fallen von
Schultern oder das Einknicken der Knie.
Der Praxis-Impuls von Andreas Simon
hingegen spielte mit den Extremen der
zeitlichen Gestaltung: Langsamkeit und
maximale Geschwindigkeit sowohl in
Form von Bewegungsetüden, als auch
einer Arbeitsmethode: Was passiert,
wenn sich Bewegung unter Zeitdruck
entwickeln muss? Im Kontrast dazu:
Wie läuft die langsamste Bewegung an,
was passiert im Körper? Wie hängen
Tempo und Größe der Bewegung zusammen,
welche Grenzen gibt es? Die
Wirkung von Tempovariationen wurden
in unterschiedlichen choreografischen
Sets ausprobiert. Deutlich wurde, dass
Zeitdruck Hemmungen fallen lässt und
das spielerische Moment einer Improvisationsphase
fördert. Die Konzentration
auf extreme Langsamkeit schafft ein
Bewusstsein für den Körper: Gewichtsverlagerung,
Kraft, Form, Größe einer
103
Bewegung. Als spannendste Gestaltungsmittel
für Choreografien wurden
im Workshop Kontraste und Tempowechsel
formuliert.
Auch Musik kann ein wichtiges choreografisches
Element sein, wenn sie überlegt
eingesetzt wird. Dominik Blumer
fokussierte seinen Workshop auf Musik
als Teil der Inszenierung (in Abgrenzung
zum Einsatz in der Probenarbeit, zur
Entwicklung von Figuren oder Szenen
etc.) und schärfte die Aufmerksamkeit
für die unterschiedlichen Wirkungen
von Musikeinsätzen. Zentrale Fragen bei
der Verwendung von Musik waren: Wer
hört die Musik? Ist sie für den Zuschauer
zusätzliche Bebilderung oder agieren
die Spieler damit? Wer spielt die Musik?
Gibt es eine Band, wird sie auf der Bühne
produziert oder kommt sie als Einspielung?
Welchen Anlass im Stück gibt
es für Musik und wie motiviert sie sich
im konkreten Moment? Musik kann ein
szenisches Mittel zur Unterstützung
oder Verfremdung der Situation auf der
Bühne sein. Sie kann auch dramaturgisches
Mittel sein, beispielsweise leitmotivisch
für eine Figur klingen oder eine
Entwicklung abbilden, in dem sie die
Handlung an Anfang und Schluss klammert
und die Schlussmusik eine Variation
der Anfangsmusik ist (z.B. andere
Instrumentierung). Als rhythmisches
Element dynamisiert sie die Handlung,
kann verlangsamen oder beschleunigen.
Musikeinsätze lassen sich auch auf
der Konzeptebene motivieren: durch die
Liedtexte, die Zeitebene oder ein Genre
– wenn Musik sich mit anderen Mitteln
in eine Richtung verdichtet, entfaltet
sie die größtmögliche szenische Wirkung.
Im Workshopexperiment wurden
anhand einer Szene aus „Das Fest“ die
Wirkung von unterschiedlichen Musiken
und Musikeinsätzen untersucht. Schauspiel
lässt sich als ein Dialog zwischen
physischer Handlung und einem Text
beschreiben, der Anhaltspunkt, die Folie
für die konkrete Handlung ist.
In Maike Krauses Workshop waren zufällige
Choreografien in physischen
Handlungen zentral. Ein performatives
Experiment führte in den theoretischen
Workshophintergrund ein und war
gleichzeitig schon Spielraum für Zufälle:
Ausgangsbasis war ein identischer Text,
jedoch mit drei unterschiedlichen Regieanweisungen,
die dem Publikum
nicht bekannt waren. Dieser Text wurde
von drei Personen vorgelesen, die jeweils
ihre Regieanweisungen umsetzten.
Die Versuchsanordnung lenkte unsere
Aufmerksamkeit auf die physische
Handlung, die sich beim Lesen zwischen
den Spielern vollzieht – die zufällige
Choreografie. Als Mittel konkretisierten
sich Form, Zeit, Ausdruck,
Bewegung und Bewegungsqualität,
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Raum, Richtung, Tempo und Tempowechsel,
Dauer, Geste. Diese Gestaltungsmittel
gehen zurück auf die Werkzeuge
des Schauspielers: Augen
(Blicke), Atem, Kontakt (mit sich, mit
dem Boden, mit einem Partner), Bewegung,
Rhythmus (Dynamik, zeitliche
Struktur) – der Körper agiert wie eine
Skulptur, die sich in Bewegung setzen
kann. Mithilfe von „Instant Compositions“,
kleinen körperlichen Handlungsanweisungen,
entwickelten wir dann
Kurzchoreografien, in denen die Werkzeuge
und Stilmittel erprobt werden
konnten.
Durch die Impulsworkshops leitete: Rieke Oberländer, geboren
1982, Studium der Kulturwissenschaften und ästhetischen
Praxis mit Schwerpunkt Theater an der Universität Hildesheim.
2003 und 2005 Jurorin beim Theatertreffen der Jugend,
2004 bei den Landesschultheatertagen Thüringen, 2008 Jurorin
beim Festival Liebe Macht Tod – Schüler spielen Shakespeare,
Regieassistentin in verschiedenen Schauspielproduktionen
in Hildesheim und Bremen. Workshopleiterin für
verschiedene Träger – u.a. Theatertreffen der Jugend, Schiller
05, Schultheater der Länder. 2004 bis 2007 Leiterin des Jugendclubs
am Stadttheater Hildesheim. Seit Sommer 2007
Theaterpädagogin und Leiterin der Theaterpädagogik am
Theater Bremen.
Im Intensivworkshop mit Heiko Kalmbach
erkundeten und (er)probten die
Teilnehmer/-innen Einsatzmöglichkeiten
von Video im Theater.
105
Praxis II
Wie arbeiten theaterpädagogische Eigenproduktionen
mit Figuren? Welches
Verhältnis zwischen Figur und Spieler
gibt es da und wie viel Fiktion braucht
das Biografische Theater? Wie wird aus
Biografischem Fiktionales und geht es
auch umgekehrt? In Praxis II sollten die
Workshops der drei Referenten einen
Austausch über unterschiedliche Perspektiven
auf das Thema anregen.
Die Einheit von Ulrike Hatzer fand als
Gradwanderung zwischen fiktionaler
Figur und physischer Realhandlung
statt. Aus körperlichen Zuständen und
Handlungsabfolgen wurden zum Thema
„Meine letzte große Schlacht“ Texte
und Subtexte entwickelt und miteinander
in Beziehung gesetzt. Welche Sätze
kommen, wenn mein Körper beengt am
Boden kauert? Welche Figur aus der Literatur,
aus Film oder Geschichte fällt
mir dazu ein? Und welche Wirkung entsteht,
wenn ich nun einen fremden Text
zu meiner Bewegungsabfolge spreche,
diesen aber in Einschüben mit kurzen
Bestandsaufnahmen meines realen
körperlichen Befindens kommentiere?
Deutlich wurde, wie sinnlich Figuren
durch körperliche Handlungen werden,
wie viel Spannung erzeugt wird, wenn
Körper und Text sich reiben und wie das
Kommentieren sowohl eine humorvolle
Leichtigkeit, als auch eine Tiefe schaffen
kann. Plötzlich erscheint die Figur mehrdimensionaler
und gleichzeitig kommt
der Spieler selbst zum Vorschein. Reizvoll
ist die Beziehung, die sich zwischen beiden
andeutet und dem Zuschauer viel
Raum für Deutungen überlässt.
Der Schreibworkshop von Thomas Freyer
arbeitete an der Fiktionalisierung von
Biografischem. Orientiert am Prinzip
„Distanz erzeugt Spannung“ ging es um
die Reduktion, die Konzentration auf das
eigentliche Interesse an etwas bereits
Ausgesprochenem. Biografisches Material
hat nicht per se theatrale Qualität,
in der Auswahl und Komposition liegt die
Kraft. Der Workshop vermittelte einen
Ansatz, wie dokumentarisches Material
zu einer Figur jenseits der Klischees inspirieren
kann, der später das Material
als Sprache zurückgegeben wird. In einer
dreischrittigen Schreibaufgabe entwickelten
wir aus Figuren Situationen und
später (Dialog-) Szenen.
Performance inszeniert im Gegensatz
zum traditionellen Theaterverständnis
keine „Als-Ob“-Situationen, sondern
zeigt reale Handlung, die Spielregeln
folgt. Figuren schaffen Zusammenhänge,
sind aber ein Fiktionalitätssignal. In
der Performance steht die Realpräsenz
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
des Performerkörpers im Zentrum. Können
Figuren demnach überhaupt performativ
handeln? Und können Performer
zu Figuren werden?
Anhand von Beispielinszenierungen von
Rimini Protokoll und She She Pop wurden
im Impuls von Linda Waack Möglichkeiten
der Grenzüberschreitung zwischen
Performance und Figur diskutiert.
Beispielsweise erlebt das Publikum bei
sehr langen Theaterabenden Schauspieler
auch als Performer, deren Körper
auf die körperliche Belastung des Spiels
reagieren. Denkbar sind auch performative
Elemente in Inszenierungen, wie
z.B. in „Wilhelm Tell“ den Apfelschuss in
Korrespondenz zu Marina Abramovics
Performance „Rest energy“ zu gestalten.
Rimini Protokoll überschreiten die
Grenze des Fiktionalen mithilfe von Experten
des Alltags, die sie anhand der
Figurenliste des Stücks auswählen. Der
Wallenstein wird so ein echter Politiker,
der über seinen Aufstieg und Fall berichtet,
Soldaten sind echte Soldaten,
die ihre Einsätze schildern. Im Workshop
wurde nach diesem Vorbild aus der Figurenliste
unterschiedlicher Klassiker
eine Taskperformance entwickelt und
Handlungsanweisungen für die Theatralisierung
des Expertenmaterials erfunden.
Durch die Impulsworkshops leitete: Rieke Oberländer (Vita s.
Praxis I)
Dennis Deter und Lea Martini stellten in
ihrem Intensivworkshop den Körper als
Material und Werkzeug künstlerischer
Forschungsprozesse in den Mittelpunkt.
107
Praxis für Studierende
Im Fokus der vier Impulseinheiten standen
Fragen des „drüber Redens“ im Mittelpunkt:
Wie lässt sich über das Theater
von und mit Jugendlichen reden? Woran
lassen sich Beschreibungen von Jugend
auf der Bühne anknüpfen und von welchem
Theater ist überhaupt die Rede?
Den Impuls 1 mit dem Titel „Buntzone -
Theaterpädagogik und/oder/ist nicht/
ist auch/ Regie“ leitete Ulrike Hatzer,
die sich diesen Fragen spielerisch mittels
theatraler Dialogformate annäherte.
So ging es zunächst einmal darum,
sich im wahrsten Sinne des Wortes um
Kopf und Kragen zu reden, losgelöst
von „Wissen“. Begrifflichkeiten wie biografisches
und dokumentarisches Theater,
ästhetische Bildung, Amateurtheater,
Laientheater wurden in einem
assoziativen Reihum zum Thema gemacht.
Anschließend wurden diese Begrifflichkeiten
in einer fiktiven Konferenzsituation
zwischen Repräsentanten
des Biografischen (z.B. Andres Veiel)
und Experten/-innen des Theaters
(Theaterlehrer,-pädagogen, Regisseure)
verhandelt. Wenn auch fiktiv, so wurde
ein Dialog eröffnet, der verschiedene
Perspektiven aufzeigte und im Nachdenken
über das eigene Theatermachen
wiederum „Realität“ erlangte.
Im zweiten Impuls „Von der Recherche
zur Szene – Herausforderungen für die
Dramaturgie“ mit Birgit Lengers standen
Form und Verfahren des sogenannten
Recherchetheaters im Mittelpunkt.
Anhand einer Produktion des Jungen DT
(„Fluchtpunkt Berlin”) wurde beispielhaft
aufgezeigt, wie biografisches Material
im Rahmen eines Projekts recherchiert,
erhoben und in Szene gesetzt
werden kann, was nicht von den Spielern
selbst stammt. Ein solcher Transformations-
bzw. Gestaltungsprozess
wurde anhand einer Recherche zum
Thema „fremder Tascheninhalt“ erprobt.
So wurde nicht die eigene Tasche
nach Inhalt durchsucht und anschließend
in der Art einer kleinen Installation
aufbereitet, sondern die des Partners.
Im Arrangement des
„persönlichen Materials“ zeigte sich der
fremde Blick auf das je Eigene und war
für alle Beteiligten eine besondere Erfahrung.
Mit dem Impuls 3 unter dem Titel „Qualitätskriterien
– Meilensteine der Jurytätigkeit“
eröffnete Martin Frank ebenfalls
spielerisch das Gespräch über
Qualitätskriterien im Theater von und
mit Jugendlichen. Im Spiel mit den
vier Elementen konnte zunächst dem
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
eigenen Empfinden im Festival-Hierund-Jetzt
nachgespürt werden. Anschließend
wurden Fragen zur Qualität
im Theater allgemein oder im Theater
mit Jugendlichen über die Elemente
verhandelt. Hierbei wurde auch auf die
eingeladenen Produktionen Bezug genommen.
So lautetet z.B. eine Frage:
Welches Element war die Inszenierung
Almost Lovers? Welches Element hat
der Inszenierung gefehlt? Im Spiel mit
den Elementen eröffnete sich hier eine
andere, abstrakte Form des Nachdenkens
und Redens über Theater.
Form zu finden, über die sich im Durchdringen
von Sagen und Zeigen sinnstiftende
Momente ereigneten; Aha-Effekte
der besonderen Art und Weise.
Leitung: Ina Driemel > Sozialpädagogin und Theaterpädagogin.
Tätig als freischaffende Theaterpädagogin und Lehrbeauftragte
im Bereich Ästhetik/ Medien/Kunst; forscht zum
Thema „Jugend” in der Theaterpädagogik.
Der vierte Impuls unter dem Titel „Lecture-Performance-Experimente“
wurde
von Veronika Reichl geleitet. Auch hier
wurde auf die Produktionen des Festivals
Bezug genommen und zum Gegenstand
kleinerer Lecture-Performance-
Experimente gemacht. Das „Reden
über“ wurde theatral bzw. performativ
gerahmt, beispielweise durch die Einnahme
einer öffentlichen Sprecherposition
oder über die Auseinandersetzung
mit dem, was genau nicht
gemeint ist, quasi als Performance des
Gegenteiligen. Eine Analyse von Produktionen
auf körperliche Art und Weise
wurde ebenfalls erprobt. Unter dem
Motto: Dance your analysis! galt es eine
109
Dialog
Aufführungsgespräche
25. – 31. Mai 2013, jeweils 17:00 – 18:00 Uhr,
01. Juni 2013, 10:30 – 11:30 Uhr
Beschreibungen und Beobachtungen führten in das tägliche Aufführungsgespräch
mit Juror/-innen, Spielleiter/-innen und Forumsteilnehmer/-innen über formalästhetische,
inhaltliche und thematische Aspekte der Produktionen. Gefragt waren
Expertise, Toleranz, grenzenlose Neugier und viel Lust auf das Experimentieren
mit Gesprächsstrukturen.
mit Ulrike Hatzer – Siehe Jury
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Fokus
Gespräch mit der Jury
Dienstag, 28. Mai 2013
13:30 – 16:00 Uhr
Die Bedingungen rund ums Jugendtheater sind im Wandel. Wie kann zwischen G8
und Smartphones gutes Jugendtheater entstehen? Diese und weitere Fragen wurden
von den Teilnehmer/-innen in einer offenen Gesprächsrunde für die Gäste des
Theatertreffens der Jugend mit dessen Jury erörtert.
111
Essay
Die Gefahr liegt in der Imitation – von Lydia Dimitrow
In der Parkaue-Inszenierung
„Romeo und Julia” ging es vor
allem um die Unmöglichkeit,
als Jugendtheater so einen
Klassiker auf die Bühne zu bringen.
FZ hat nachgedacht und
ist ins Gespräch gekommen,
und stellt die ketzerische Frage:
Sind Textrealisationen im Jugendtheater
sinnvoll? Bei den
vielen Literaturverweisen, die
das Heidelberger Ensemble in
seinem Programmheft angibt,
ist nicht ganz klar, ob wir da
gestern eine Textrealisation
von Christopher Krieses „ich
bin nicht hamlet“, „ich bin
hamlet“ und „bin ich hamlet
oder bin ich’s nicht ist das ein
titel oder ein gedicht“ gesehen
haben, oder ob es sich bei
der Inszenierung um eine große
collagierte Adaption handelt
(abgesehen davon, dass
auch nicht ganz klar ist, ob es
sich bei Krieses Texten um
dramatische handelt). Aber
ansonsten ist die Lage klar:
Sechs Abende voller Eigenproduktionen
bis jetzt, woran
auch nichts ändert, dass sich
eine davon als „Romeo und
Julia“-Inszenierung ausgibt.
Ein Theaterfestival, das fast
nur Eigenproduktionen zeigt –
bildet das einen Trend ab oder
eine Notwendigkeit?
Jury-Mitglied Maike Plath sieht
durchaus einen Zusammenhang
zwischen der Überzahl an
Eigenproduktionen und der
Festivalphilosophie des Theatertreffens
der Jugend: „Wir
suchen hier ja Gruppen, die die
eigene oder eine kritische Haltung
auf die Bühne bringen.“
Für eine Eigenproduktion ist
dieser Ansatz schon Grundvoraussetzung,
bei Textrealisationen
liegt der vielleicht weniger
auf der Hand. Die Gefahr liegt
in der Imitation. Maike Plath
erzählt, es gebe auch Bewerbungen,
die nicht nur versuchen,
möglichst texttreu zu
sein, sondern die sogar ganze
Inszenierungen nachahmen.
„Das ist dann einfach wahnsinnig
langweilig.“ Und laut Plath
auch gefährlich. Man könne die
Tatsache nicht ignorieren, dass
viele Schauspieler im professionellen
Theater schlicht drei bis
vier Jahre Schauspielausbildung
hinter sich haben. Wenn
man sich dann mit Stoff oder
Inszenierung in den direkten
Vergleich begebe, könne Jugendtheater
leicht „defizitär“
wirken, sagt Plath. „Uns interessiert
nicht, wie Schüler versuchen,
Schauspieler zu sein.“
Auf diesen Punkt kommt auch
Workshopleiterin Linda Waack
zu sprechen. Für sie ist es wichtig,
dass es nicht als Mangel
behandelt wird, dass die Spieler
beispielsweise keine ausgebildeten
Sprecher sind, sondern
dass man versucht, damit produktiv
umzugehen. „Man legt
dem Handwerk das Handwerk“,
sagt sie. Und auch das
sei laut Maike Plath ein Aspekt,
der bei Textrealisationen oft zu
kurz kommt: „Da werden die
Jugendlichen dann oft nur als
Schauspieler behandelt.“ Dabei
sei doch das Tolle am Jugendtheater,
dass die Spieler eher als
ganzheitliche Künstler wahrgenommen
werden, Künstler, die
gleichzeitig Schauspiel, Dramaturgie,
Bühne und Kostüm machen
können. Man kann im Jugendtheater
einfach freier sein,
mehr ausprobieren – ohne Berufshierarchie
oder die Angst
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Dialog
um das nächste Engagement.
Eine besondere Freiheit ergibt
sich im Jugendtheater auch
daraus, dass es kein Abonnentenpublikum
gibt, das es zu befriedigen
gilt. Man kann sich
relativ ungebunden fragen:
Welche Themen bewegen uns?
Mit welcher Sprache wollen wir
uns ausdrücken? Warum also
dann ein Stück finden, das dem
nur annähernd entspricht,
wenn man auch eins selber
machen kann, eben so, wie es
einem gefällt. Bei Realisationen
müsse man sich das Stück
mit all seinen Überforderungsmomenten
aneignen, sagt Linda
Waack. Bei einer Adaption
könne man zumindest die ganze
Fremdheit der Vorlage ausstellen
und einen Abstand dazu
schaffen. „Deswegen münden
auch so viele Textrealisationen
irgendwann in Textadaptionen.“
Da stellt sich doch die
Frage: Ist nicht genau diese
Fremdheit eines anderen Textes,
die etwaige Komplexität eine
Herausforderung? Wenn man
sich an etwas abarbeitet, das
eben nicht das Eigene ist – kann
nicht gerade das zu neuen
Gedanken, einer neuen Auseinandersetzung
führen?
Auch Textrealisationen bzw.
-adaptionen könnten spannend
sein, sagt Jurymitglied
Klaus Riedel. Dann müsse man
sich auch gar nicht fragen, wie
die Lebenswelt der Spieler auf
das Stück zu adaptieren sei,
wichtig sei nur, dass das Ensemble
etwas mit dem Kernkonflikt
anfangen könne. Es
sei nur so schwer, passende
Texte fürs Jugendtheater zu
finden. Denn während man im
professionellen Theater nach
dem passenden Ensemble für
ein Stück sucht, muss man im
Jugendtheater natürlich oft
nach dem passenden Stück
fürs Ensemble suchen. Da
brauche man Textvorlagen, die
eher „Textflächen” seien, die
nicht vollkommen durch dialogisiert
sind, die eine „hohe
Leerstellendichte“ aufweisen.
So etwas sei in der Gegenwartsdramatik
leichter zu
finden als bei den Klassikern,
und damit könne man dann
viel anfangen.
Interessant ist: Bei der Frage,
ob man sich für eine Eigenproduktion
entscheidet oder
für eine Textvorlage, scheinen
auch vor allem praktische Entscheidungen
eine Rolle zu
spielen, denn gegen Letzteres
scheint rein konzeptionell erst
mal nichts zu sprechen. Klar –
es sollte etwas Eigenes entstehen.
Aber man kann genauso
gut aus einer Textvorlage etwas
Eigenes machen wie aus
einer Produktion, für die man
von vorneherein den Text
selbst entwickelt, selbst aus
einem Klassiker. Denn dann
könnte man versuchen, sich
eben nicht nur am Text selbst
abzuarbeiten, sondern auch
an dem Diskurs, der sich schon
um ihn rankt. Schließlich kann
selbst der Vergleich mit anderen
produktiv werden – wenn
Jugendliche ganz selbstbewusst
sagen: Das können wir
besser! Ein bisschen Größenwahn
gehört eben auch dazu.
113
Epilog
Wir haben es getan – von Margarita Iov
Wir haben so viel geschafft in
den vergangenen acht Tagen.
Und wir haben so viel Spaß gehabt
dabei. Wir sind hier alle
aufgeblüht, jeder auf seine Art.
Wir haben eingesehen, dass wir
alle nur versuchen, gute Jungs
zu sein. Dass wir Ängste haben
und Sorgen, aber eben auch
Träume. Wir haben gesehen,
dass es da eine große Kluft gibt
zwischen zwei Welten und dass
das Internet die Welt einerseits
kleiner, aber andererseits auch
einsamer macht. Wir haben
gesehen, wie viel Hellersdorf
uns allen zu erzählen hat über
das, was sich ändern soll, in der
Welt und in uns. Wir haben gesehen,
dass es mitten in unserem
Land ein riesiges Loch gibt,
das unaufhaltbar wächst. Dass
Menschen ihre Heimat verlieren
und wir nichts davon mitkriegen.
Wir haben uns gemeinsam
empört und einander
mal richtig die Meinung gegeigt.
Uns geärgert, über Gott
und die Welt und über unsere
eigene Antriebslosigkeit. Wir
haben gesehen, dass man „Romeo
und Julia” nicht mehr guten
Gewissens aufführen kann
und es gerade deshalb doch
tun sollte. Wir waren kurzzeitig
alle wieder 14 und verknallt. Wir
haben totes und lebendiges
Fleisch auf der Bühne gesehen
und waren alle mal kurz Hamlet
und alle mal Ophelia. Wir
haben was über Kunst gelernt.
Wir haben uns auf einen musikalischen
Berlin-Trip eingelassen
und mal ganz genau hingehört.
Wir haben uns immer
wieder die Hände wund geklatscht.
Wir haben ein Hörspiel
gehört, in dem Angelina
Jolie vorkommt. Wir haben gehört,
dass die FZ-Redaktion
auch super seriös kann, wenn
sie will. Will sie aber nur ganz
selten. Wir haben uns überraschen
und beeindrucken lassen,
manchmal sogar von uns
selbst. Wir haben getrunken
und gefeiert und gespielt, neue
Bekanntschaften gemacht und
neue Freundschaften geschlossen.
Wir haben gelernt, uns zu
konzentrieren. Wir haben gelernt,
einander ernst zu nehmen.
Wir haben gelernt, mit
anderen zu arbeiten. Wir haben
uns weiterentwickelt. Wir haben
gelernt, Kritik auszuteilen
und einzustecken. Wir haben
die Hosen runtergelassen und
sind über unseren Schatten gesprungen.
Wir haben uns was
getraut. Und hoffentlich ein
bisschen was gelernt. Auch
über uns. Wir haben Texte geschrieben
und Spiele entwickelt.
Wir haben Filme gedreht
und Fotos geschossen. Wir haben
getanzt und gesungen. Wir
haben nachgedacht, über die
Schauspielerei und das Theater
an sich. Gesehen, was man alles
machen kann auf einer
Bühne. Und sind zu dem Ergebnis
gekommen, dass man absolut
alles machen kann und
sich auch ruhig mal irren darf.
Wir haben uns angesehen, was
die anderen so gemacht haben.
Und dann darüber gesprochen.
Wir haben herausgefunden,
dass der Dancefloor unten
„Ritze” heißt. Und der Barmann
„Levin”. Und wir haben hoffentlich
ein bisschen in der FZ
geblättert. Wir haben sogar
tatsächlich mal eine Stadtrundfahrt
gemacht. Wir haben
einsehen müssen, dass der Mai
ein Wintermonat ist und dass
es in Berlin jeden Tag regnet.
Jeden Tag. Wir haben unglaublich
gut gegessen und
literweise Fassbrause getrunken.
Und unglaublich gut ausgesehen.
Wir haben eigentlich
kaum geschlafen. Dafür
abends gemeinsam das Tanzbein
geschwungen. Im Garten
herumgehangen, bei jedem
Wetter und zu jeder Uhrzeit.
Uns stundenlang unterhalten.
Und was haben wir gelacht.
Und wie werden wir das hier
alles vermissen.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
115
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
117
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
119
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
121
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
123
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
125
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
127
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
129
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
131
Jury
Martin Frank (Jury-Vorsitz), Basel
geboren 1962, Lithograph, Diplom-Sozialpädagoge,
Berufspraxis in der offenen Psychiatrie,
Ausbildung an der Theaterspielschule Nordrhein-
Westfalen, Theaterpädagoge am Theater im
Zentrum Stuttgart, an der Württembergischen
Landesbühne Esslingen, am Staatstheater
Braunschweig und carrousel Theater in Berlin,
Gründung des Theaterpädagogischen Zentrums
Theaterplus Basel und des Schweizer Jugendclub-
Festivals Spiilplätz, zahlreiche Inszenierungen im
professionellen und Laientheater in den Sparten
Schauspiel, Tanz und Oper. In der Jury seit 1994.
Ulrike Hatzer, Braunschweig
geboren 1966, Schreinerin, Studium der Theaterwissenschaft,
Philosophie und Regie in München
und Dublin, Mitglied in Künstlergruppen
wie Fatal Theater, Micro Oper München, Forum
Kunst und Bühne. Nach Assistenzen/Hospitanzen
bei Regisseuren wie Bob Wilson, Vicco von
Bülow und Arbeiten für die Schauburg am Elisabethplatz
in München fünf Jahre künstlerische
und geschäftsführende Leitung der TheaterFAB-
RIK Gera des Theaters Altenburg-Gera. Ihre Produktionen
erhielten Festivaleinladungen und
Auszeichnungen zum Theatertreffen der Jugend,
Bundestreffen der Jugendclubs an Theatern
und Preis des Kinder- und Jugendtheaterzentrums
der BRD in Frankfurt / M. Seit 2005
Inszenierungen in Potsdam, Bonn, Duisburg,
seit 2010 regelmäßig für das Junge Staatstheater
in Braunschweig und für das Stadt-Theater
des Staatstheaters – ein Bürgerensemble, das
sie mitinitiiert und -entwickelt hat. Seit 2010 Arbeit
mit Regiestudenten der Abteilung für
Schauspiel und Regie des Mozarteums in Salzburg
zum dokumentarischen Theater mit professionellen
und nichtprofessionellen Schauspielern.
In der Jury seit 2007.
Josef Meißner, Passau
geboren 1950, seit 1981 Lehrer am Gymnasium
Leopoldinum Passau; 1982ff Aufbau und Leitung
einer Schultheatergruppe mit überwiegend kabarettistischen
Eigenproduktionen mit Einladungen
zum Theatertreffen der Jugend 2006, den
Theatertagen der bayerischen Gymnasien 1992,
2002, 2005 und zum Jugendtheaterfestival in
Straubing 2005, 2007; 1998–2006 Neuinszenierungen
von Freilichtspielen mit Laien in Niederbayern;
2003–2008 Gründung und Leitung des Kabarettensembles
TREIBGUT/Passau; Referent in den
Bereichen Kabarett, Regie und szenisches Lernen;
2007 Jurymitglied des Jugendtheaterfestivals
EuroArt in Brasov/ROM; seit 2008 Jurymitglied für
den Nachwuchspreis Scharfrichterbeil für Kabarettisten;
2010 Gründung des Kabarettensembles
Kellerkinder / Passau und Regie; seit 2010 Leiter
der Fördergemeinschaft für die bayerischen Theatertage
der Gymnasien. In der Jury seit 2008.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Jan Koslowski, Zürich
aufgewachsen in Berlin, seit 2007 Mitglied des
Jugendtheaters P14 der Volksbühne Berlin am
Rosa Luxemburg Platz, zunächst auf der Bühne,
später als Regisseur. Es folgten Regie-Hospitanzen
bei René Pollesch und erste eigene Stücke
im Rahmen von P14. Teilnahme am Theatertreffen
der Jugend 2010 mit dem Stück „Paulina sulla
spiaggia“ und am Bundestreffen der Jugendclubs
an Theatern mit der Produktion
„Beschissene Umarmungen“. Er studierte an der
Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg
und besucht zurzeit die Masterclass für
Regie an der Zürcher Hochschule der Künste. Er
inszenierte unter anderem für das Dramatikerfestival
des Badischen Staatstheaters und die
Biennale Neue Stücke Europa in Wiesbaden sowie
aktuell für das Schauspielhaus Stuttgart.
In der Jury als Jungjuror seit 2011.
Klaus Riedel, Kassel
geboren 1969, Studienleiter und Lehrer für
Deutsch, Politik und Darstellendes Spiel an der
Modellschule Obersberg in Bad Hersfeld. Ausbilder
in der Lehrerfortbildung für Darstellendes
Spiel/Theater; Leitung von Workshops zu den
Themen Klassikerinszenierungen, Theatertheorie,
Didaktik. Mitglied des Vorstandes des Landesverbandes
Schultheater in Hessen e.V.; Organisation
verschiedener Theaterfestivals. Mit mehreren
Schultheater-Produktionen eingeladen
zum Theatertreffen der Jugend und dem Schultheater
der Länder. Veröffentlichungen bei Klett
und Edition Körber-Stiftung; Mitglied der Autorengruppe
der Schulbuchreihe „Grundkurs Darstellendes
Spiel“, Schroedel-Verlag. In der Jury
seit 2010.
Maike Plath, Berlin
geboren 1970 in Flensburg, 1998 – 2013 Lehrerin
für Darstellendes Spiel, Deutsch und Englisch in
der Sekundarstufe 1. Seit 2004 Entwicklung und
Durchführung zahlreicher Theaterproduktionen
an der Anna-Siemsen-Hauptschule Berlin Neukölln.
Seit 2013 freiberufliche Theaterpädagogin,
Fortbildnerin und Autorin. Workshops und Vorträge
zum Biografischen Theater und zur Statuslehre
(nach Keith Johnstone) in Deutschland
und in der Schweiz. 2008 – 2012 Vorstandsmitglied
im Bundesverband Theater in Schulen
(BVTS). Seit 2011 Künstlerische Leitung der Jugendtheaterprojekte
am Heimathafen Neukölln.
Publikationen: „Biografisches Theater in
der Schule“, Beltz Verlag 2009, „Spielend unterrichten
und Kommunikation gestalten – Warum
jeder Lehrer ein Schauspieler ist“, Beltz Verlag
2010, „Freeze & Blick ins Publikum – Das Methodenrepertoire
für den Theaterunterricht“, Beltz
Verlag 2011. In der Jury seit 2008.
133
Sebastian Stolz, Eisenach
geboren 1980 in Gera, freiberuflicher Regisseur,
Dramaturg und Filmemacher. Beginn der Theater-
und Filmarbeit 1997 in der TheaterFABRIK
des Theater Altenburg-Gera. 2003 Gründung der
Filmgruppe Allesfilm Apfelfilm, anschließend 4
Jahre Film&Theater in Lodz/Polen. 2008 Dozent
für Filmproduktion bei der International Film
Workshop Academy in Zusammenarbeit mit der
Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin.
2008-2012 Leiter des Jungen Schauspiel am Landestheater
Eisenach, davor Dramaturg am Jungen
Theater des Hans Otto Theaters Potsdam.
Ab 2012 Studium Theater- und Musikmanagement
an der Ludwig-Maximilians-Universität
München. Seit 2013 Inhaber der FILMWILD Produktionsfirma.
Zudem tätig als Werkstattleiter
und Coach in den Bereichen Film, Theater und
Kommunikation. Zahlreiche Auszeichnungen,
u.a. vier Einladungen zum Theatertreffen der
Jugend in Berlin. In der Jury seit 2011.
Carmen Waack, Hildesheim
geboren 1981 in Gießen, Studium der Kulturwissenschaften
und ästhetischen Praxis an der
Universität Hildesheim mit Schwerpunkt Theater.
Seit 1990 eigene künstlerische Tätigkeiten und
Theaterproduktionen. Theaterpädagogische
und -vermittelnde Tätigkeit seit 1996 u.a. bei
Theaterprojekten des Bund Deutscher PfadfinderInnen,
bei dem bolivianischen Straßentheaterprojekt
„Ojo Morado“, am Jungen Schauspiel
Hannover und beim UnArt-Festival in Dresden
und Berlin. Mitbegründung des Hildesheimer
Theater- und Performancekollektivs Fräulein
Wunder AG 2006. Jungjurorin des Theatertreffens
der Jugend 2008 und 2009. Lehrtätigkeit an
der Universität Hannover im Studienfach Darstellendes
Spiel, an der HBK Braunschweig, an
der Universität der Künste Berlin und an der
Universität Hildesheim. Leitung Theaterpädagogik/Junges
Staatstheater am Staatstheater
Braunschweig 2010. In der Jury seit 2010.
Anna Wille, Leipzig
geboren 1989 in Schwerin, während der Schulzeit
wirkte sie konzeptionell und spielerisch an diversen
Projekten der Theatergruppe am Goethe
Gymnasium Schwerin TaGGS mit. 2008 wurde
die Gruppe mit „hamlet.net“ zum Bundestreffen
Theater der Jugend und zum Liebe Macht Tod-
Festival des ZDFtheaterkanals eingeladen. Nach
dem Abitur und während des Studiums folgten
Dramaturgie-Hospitanzen und Assistenzen am
Staatstheater Schwerin, Staatsschauspiel Dresden
und Maxim Gorki Theater Berlin. Bis 2012
studierte sie Dramaturgie an der Hochschule für
Musik und Theater Leipzig. Sie ist Mitglied des
Werkstattmacher e.V. für Theaternachwuchs in
Leipzig und arbeitet als Assistentin für das Kollektiv
ehrliche arbeit – freies Kulturbüro in Projekten
der Freien Theater Szene Berlin. In der
Jury als Jungjurorin seit 2012.
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Kuratorium
Dr. Irina Ehrhardt, Bundesministerium für Bildung und Forschung (Vorsitz)
Agnes Schipper, Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, Berlin
(stellvertretender Vorsitz)
Michael Assies, Bundesverband Theater an Schulen e. V. (BVTS), Berlin
Eva Besteck, Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur
Rheinland-Pfalz, Mainz
Prof. Dr. Dagmar Dörger, Fachhochschule Erfurt
Günter Frenzel, Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, München
Annett Israel, Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland,
Frankfurt am Main
Thomas Lang, Bundesakademie für Kulturelle Bildung, Wolfenbüttel
Rosemarie Meyer-Behrendt, Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes
Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
N.N., Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit – Landesjugendamt, Erfurt
Brigitte Menell, Ministerium für Bildung und Wissenschaft des Landes Schleswig-Holstein, Kiel
Maren Schmidt, BAG Spiel und Theater e.V., Hannover
Dr. Gerd Taube, Bundesvereinigung für Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V. (BKJ), Remscheid
135
Statistik
Bewerbungen insgesamt 102
Verteilung auf Bundesländer:
Baden-Württemberg 9
Bayern 6
Berlin 18
Brandenburg 2
Bremen 1
Hamburg 1
Hessen 7
Mecklenburg-Vorpommern 3
Niedersachsen 10
Nordrhein-Westfalen 28
Rheinland-Pfalz 4
Saarland 1
Sachsen 5
Sachsen-Anhalt 0
Schleswig-Holstein 4
Thüringen 3
Produktionsform:
Eigenproduktion 60
Textadaption 25
Textrealisation 17
Produktionsort:
Schule 37
- Grundschule 1
- Hauptschule (Grundkurs) 1
- Gesamtschule (Theater-AG’s) 5
- Realschule 0
- Gymnasium 25
- davon Theater AG (17)
- davon Grundkurs/DS/LK (8)
- Oberschule 1
- Förderschule 0
- Waldorfschule 0
- Freie Schule 0
- Berufsschule/Berufsausbildung (Theater-AG’s) 4
- Hochschule 0
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Außerschulischer Bereich 65
- Vereine 5
- freie Gruppen 8
- Kooperationen Schule/Theater 1
- Kooperationen Schule/Vereine 1
- Projekte von Ehemaligen 1
- Jugendkunst- und/oder Musikschule 2
- Jugendkulturzentren 1
- kirchliche Träger 1
Jugendtheater und Jugendgruppen an Freien Theatern 12
Jugendclubs an Stadt-/Landes-/Staatstheater 31
Genre:
Sprechtheater 93
Tanztheater 4
Musiktheater/Musicals 4
Performance 1
Alterszusammensetzung:
Unter 15 Jahren 2
Überwiegend zwischen 11 und 19 23
Überwiegend zwischen 16 und 21 52
Überwiegend ab 17 bis über 21 23
Überwiegend über 20 2
137
Bundeswettbewerbe der
Berliner Festspiele
30. Treffen junge Musik-Szene 07. bis 11. November 2013
Konzert der Preisträger
08. November 2013, 19:00 Uhr
Neuer Ausschreibungsbeginn März 2014
28. Treffen junger Autoren 21. bis 25. November 2013
Lesung der Preisträger
22. November 2013, 19:00 Uhr
Neuer Ausschreibungsbeginn März 2014
35. Theatertreffen der Jugend 30. Mai bis 07. Juni 2014
Ausschreibungsbeginn Oktober 2013
Einsendeschluss 10. Februar 2014
01. Tanztreffen der Jugend 27. August bis 01. September 2014
Ausschreibungsbeginn Oktober 2013
Einsendeschluss 24. März 2014
Alle Bundeswettbewerbe der Berliner Festspiele werden gefördert vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Das Programm der Bundeswettbewerbe der Berliner Festspiele gliedert sich in allen Sparten in drei
Säulen: Auf der BÜHNE erfolgen die öffentlichen Präsentationen der Arbeiten. Der CAMPUS beinhaltet
das Workshop-Programm und verschiedene Gesprächsformate für die ausgewählten
Teilnehmer/-innen. Und das FORUM richtet sich an Pädagogen/-innen, Praktiker/-innen und Studierende
der jeweiligen Bereiche der kulturellen Jugendarbeit.
Die Bundeswettbewerbe der Berliner Festspiele auch auf Facebook:
www.facebook.com/bundeswettbewerbe
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
Impressum
Festival
Leitung: Dr. Christina Schulz
Koordination: Renate Kligge
Koordination Forum: Ina Driemel
Mitarbeit: Gudrun Ohst
Technische Leitung: Thomas Pix
Beleuchtungsmeisterin: Petra Dorn
Tonmeister: Manfred Tiesler / Jürgen Kramer
Spielstättenleitung: Karsten Neßler
Presse: Sara Franke
Festivalbüro: bundeswettbewerbe@berlinerfestspiele.de
Tel. +49 30 254 89 213 / Fax +49 30 254 89 132
Veranstalter
Berliner Festspiele
Ein Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH
Gefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
Intendant: Dr. Thomas Oberender
Kaufmännische Geschäftsführerin: Charlotte Sieben
Leitung Redaktion: Christina Tilmann
Leitung Marketing: Stefan Wollmann
Leitung Presse: Jagoda Engelbrecht
Technische Leitung: Andreas Weidmann
Leitung Ticket Office: Michael Grimm
Leitung Hotelbüro: Heinz Bernd Kleinpaß
Protokoll: Gerhild Heyder
Magazin
Herausgeber: Berliner Festspiele
Redaktion: Dr. Christina Schulz, Christina Tilmann
Mitarbeit: Renate Kligge, Anne Phillips-Krug, Barbara Barthelmes
Grafik: Ta-Trung, Berlin
Festival-Fotografie: Dave Grossmann
Festival-Motiv: Philipp Jester
Druck: enka-druck GmbH
Stand: September 2013
Berliner Festspiele, Schaperstraße 24, 10719 Berlin, T +49 30 254 89 0
www.berlinerfestspiele.de, info@berlinerfestspiele.de
Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH, Schöneberger Str. 15
10963 Berlin, www.kbb.eu
139
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend
141
Dokumentation
Theatertreffen der Jugend