Einführung / Grundlagen I: Geschichte, APR, BVerfG
Einführung / Grundlagen I: Geschichte, APR, BVerfG
Einführung / Grundlagen I: Geschichte, APR, BVerfG
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Datenschutzrecht<br />
FH Kiel, Master Studiengang<br />
Vorstellung, Vorlesungsinhalte,<br />
Allgemeine <strong>Grundlagen</strong> des Datenschutzrechts<br />
02. Oktober 2012<br />
Harald Zwingelberg<br />
www.datenschutzzentrum.de<br />
Übersicht<br />
• Vorstellung (das ULD und dessen Aufgaben)<br />
• Organisatorisches (Prüfungsleistung, Literatur)<br />
• Vorlesungsinhalte<br />
• <strong>Geschichte</strong> des Datenschutzes<br />
Entstehungsgeschichte, Hintergründe<br />
<strong>BVerfG</strong> Volkszählungsurteil<br />
<strong>BVerfG</strong> Online-Durchsuchung<br />
• verfassungsrechtliche Verankerung, Grundrechte,<br />
Datenschutz im Rechtssystem<br />
• Goldene Regeln des Datenschutzrechts<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 2<br />
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• Dozententeam: Mitarbeiter des ULD<br />
Organisatorisches I<br />
• Prüfungsleistung: Klausur. Wird zu 1/3 in die Modulnote<br />
eingerechnet. Modulnote wird durch Prof. Reimers erteilt.<br />
• Klausurvorbereitung und Klausurstellung durch das<br />
Dozententeam. Klausur wird in den Räumen des ULD<br />
geschrieben.<br />
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Organisatorisches II: Material<br />
• Die Folien der Veranstaltungen werden auf der Seite<br />
des ULD zur Verfügung gestellt<br />
• Gesetzestexte: Dürfen für die Klausur verwendet<br />
werden. Unterstreichungen und Hervorhebungen<br />
sind erlaubt. Ebenso Paragraphenverweise in der<br />
Form „=> § 3 VIII“ oder „siehe § 3 VIII“ nicht aber<br />
Anmerkungen mit Wörtern oder Text.<br />
• Gesetzessammlung des ULD, 5. Auflage, 2012.<br />
• BDSG:<br />
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bdsg_1990/gesamt.pdf<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 4<br />
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Vorstellung des ULD<br />
Rechtliche <strong>Grundlagen</strong> in §§ 32 ff LDSG<br />
• Name: Unabhängiges Landeszentrum für<br />
Datenschutz Schleswig-Holstein<br />
• Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR)<br />
• Leiter Dr. Thilo Weichert Datenschutzbeauftragter<br />
Schleswig-Holsteins, 2. Amtszeit 2009-2014<br />
• Aufsichtsbehörde im nicht-öffentlichen Bereich<br />
(Privatwirtschaft) im Sinne von § 38 BDSG, § 39 II<br />
LDSG<br />
• Überwacht Einhaltung der Datenschutzvorschriften<br />
bei den öffentlichen Stellen, § 39 I LDSG<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 5<br />
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Kernaufgaben des ULD<br />
Geregelt in §§ 39 ff LDSG, § 16 IFG-SH<br />
• Kontrolle Einhaltung der Datenschutzvorschriften bei<br />
öffentlichen Stellen, § 39 I LDSG<br />
• Aufsichtsbehörde im nicht-öffentlichen Bereich: Kontrolle der<br />
Ausführung des BDSG und weiterer DS-Gesetze, § 39 II LDSG<br />
• Beratung der obersten Landesbehörden und sonstiger<br />
öffentlicher Stellen in Datenschutzfragen, § 39 III LDSG<br />
• Erstellung von Gutachten und Berichterstattung gegenüber<br />
dem Landtag, Fraktionen und Landesregierung sowie<br />
jährlicher Tätigkeitsbericht, § 39 IV LDSG<br />
• Anrufung durch jedermann, der annimmt, dass<br />
datenschutzrechtliche Vorschriften verletzt wurden, § 40 LDSG<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 6<br />
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Serviceaufgaben des ULD<br />
• Beratung der Bürgerinnen und Bürger über Fragen<br />
des Datenschutzes, § 43 I LDSG<br />
• Zertifizierung durch Audit / Gütesiegel, § 43 II<br />
LDSG<br />
• Beurteilung von Datenschutzkonzepten von<br />
öffentlichen Stellen, § 43 II LDSG<br />
• Fortbildungsveranstaltungen: WAK, Uni Kiel, FH Kiel<br />
Datenschutzakademie, § 43 III LDSG<br />
• Auf Anfrage: Beratung nichtöffentlicher Stellen,<br />
§ 43 III LDSG<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 7<br />
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7 Säulen des ULD<br />
Prüfung Beratung Schulung<br />
inkl.<br />
DATEN-<br />
SCHUTZ-<br />
AKADEMIE<br />
IT-Labor<br />
Modellprojekte<br />
Gütesiegel<br />
Audit<br />
Primäre<br />
Adressaten:<br />
Öffentl. Verwaltungen<br />
Wirtschaft,<br />
Wissenschaft,<br />
Unternehmen<br />
Verwaltung<br />
Bürger, Kunden, Klienten, Patienten<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 8<br />
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• Literaturhinweise zur Vertiefung (Kauf für<br />
Vorlesung oder Klausur nicht erforderlich):<br />
Literatur<br />
Lehrbuch zum Datenschutzrecht von<br />
Kühling/Seidel/Sivridis, 2011<br />
Kommentar zum BDSG: Gola / Schomerus<br />
Referenzwerk: Simitis Kommentar zum BDSG<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 9<br />
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Vorlesungsinhalte I<br />
Lernziele<br />
- Datenschutzrelevante Probleme erkennen<br />
- einfache Fragestellen in der Praxis selbst beantworten können<br />
- Problembewusstsein, um rechtzeitig Dritte einzubinden<br />
- Vorbereitung für eine Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter<br />
Datenschutzrecht (allgemein)<br />
Sieben Grundregeln des Datenschutzrechts<br />
1. Rechtmäßigkeit<br />
2. Einwilligung<br />
3. Erforderlichkeit<br />
4. Zweckbindung<br />
5. Transparenz<br />
6. Datensicherheit<br />
7. Kontrolle<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 10<br />
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Vorlesungsinhalte II<br />
Besonderes Datenschutzrecht<br />
• Betrieblicher Datenschutz, Datenschutzbeauftragte<br />
• Rechtliche Sicherheitsanforderungen, Vertraulichkeitsschutz<br />
• Arbeitnehmerdatenschutz<br />
• Kundendatenschutz<br />
• Sozial- und Medizindatenschutz<br />
• Datenschutz im Bereich Telemedien, Telekommunikation<br />
• Identitätsmanagement (Authentizität), IdM-Infrastruktur<br />
• Europäischer Datenschutz<br />
• Zertifizierung und Gütesiegel<br />
• Erörterung aktueller Entwicklungen im Datenschutz<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 11<br />
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Wie geht es diese Stunde weiter?<br />
• Grundbegriffe, Terminologie<br />
personenbezogene Daten<br />
verantwortliche Stelle<br />
• <strong>Geschichte</strong> des Datenschutzes<br />
Volkszählungsurteil<br />
Jüngere Entwicklungen (<strong>BVerfG</strong>-Urteile,<br />
Skandale, aktuelle Gesetzesänderungen und -<br />
vorhaben)<br />
• Datenschutz im Rechtssystem<br />
• Grundprinzipien des Datenschutzes („Goldene<br />
Regeln“)<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 12<br />
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Datenschutz ein Randthema?<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 13<br />
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Personenbezogene Daten<br />
Was Bedeutet der Begriff Datenschutz?<br />
Schutz von Daten?<br />
⇒ Schutz der Person, deren Daten verarbeitet werden!<br />
u.a.<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 14<br />
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Personenbezogene Daten<br />
Personenbezogene Daten, § 3 I BDSG<br />
Natürliche Person<br />
• Kein Schutz für juristischer Personen mangels<br />
Menschenwürde. Aber: Schutz der natürlichen Person<br />
hinter der juristischen Person (Unternehmer)<br />
• Kein Schutz Verstorbener<br />
Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse<br />
• Es gibt kein belangloses Datum unter den Bedingungen der<br />
automatischen Datenverarbeitung (Volkszählungsurteil).<br />
• Alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas<br />
aussagen.<br />
Bestimmte oder bestimmbare Person (Betroffener), § 3 I BDSG<br />
• Aus den Angaben muss sich ergeben, dass sie sich auf<br />
Person beziehen.<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 15<br />
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Anonymisierung, Pseudonymisierung<br />
Rechtsfolgen<br />
• BDSG / LDSG nicht<br />
anwendbar für anonyme<br />
Daten<br />
• BDSG anwendbar aber<br />
erweiterte<br />
Verarbeitungsbefugnisse<br />
bei pseudonymen Daten<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 16<br />
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Personenbezogenes Datum? § 3 I BDSG<br />
• Einzelangaben über<br />
Persönliche und sachliche Verhältnisse<br />
Einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person<br />
• Pseudonymisierung?<br />
Ersetzen des Namens und anderer Identifikationsmerkmale durch ein<br />
Kennzeichen<br />
Bestimmbarkeit über Zuordnungsregel noch gegeben, damit liegt weiterhin<br />
Personenbezug vor. (juristisch umstritten: z.B. dynamische IP-Adressen)<br />
• Anonymisierung?<br />
Verändern von personenbezogenen Daten derart, dass Einzelangaben über<br />
persönliche oder sachliche Verhältnisse nicht oder nur unter<br />
unverhältnismäßig großem Aufwand an Zeit, Kosten, Arbeitskraft einer<br />
bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können<br />
Kein Personenbezug mehr!<br />
• Rechtsfolge:<br />
Anonyme Daten / pseudonyme Daten zu denen der verarbeitenden Stelle<br />
die Zuordnungsregel unbekannt ist (umstritten), sind keinen<br />
personenbezogenen Daten mehr: Erleichterung der Datenverarbeitung!<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 17<br />
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Big Data<br />
• Durch die Zusammenführung von Datenbeständen ist eine<br />
Anonymisierung nahezu unmöglich geworden.<br />
• Z.B. können Bewegungsdaten, IP-Adressen mit timestamps<br />
etc. zur Verkettung genutzt werden und sobald<br />
einer der verketteten Datensätze einer Person zuzuordnen<br />
ist, ist der Datensatz nicht mehr anonym.<br />
• Wie mit dieser Entwicklung in der rechtlichen Bewertung<br />
umzugehen ist, ist noch unklar.<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 18<br />
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Stadien der Datenverarbeitung<br />
Erheben => Verarbeiten => Nutzen<br />
• Beschaffen von Daten über Betroffenen<br />
Es ist eine gezieltes Beschaffen erforderlich. Daher kein Erheben,<br />
wenn ein Informant einer Behörde unaufgefordert etwas mitteilt,<br />
Stichwort: aufgedrängte Information. (Dann aber meist „Nutzen“)<br />
Grundsatz der Direkterhebung: Daten sind bei dem Betroffenen<br />
selbst zu erheben, § 4 II 1 BDSG.<br />
Ohne Kenntnis des Betroffenen dürfen Daten nur im engen Rahmen<br />
gesetzlicher Vorschriften erhoben werden,<br />
soweit dies zwingend erforderlich ist für den Zweck und<br />
Direkterhebung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich<br />
Informations- und Unterrichtungspflichten sind vor der Erhebung zu<br />
beachten.<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 19<br />
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Stadien der Datenverarbeitung<br />
Erheben => Verarbeiten => Nutzen<br />
• Speichern: jedes Fixieren von Daten (aufschreiben, speichern auf el.<br />
Datenträger, Entgegennehmen eines beschriebenen Datenträgers).<br />
Kein Speichern bei kurzzeitigem Zwischenspeichern<br />
• Verändern: Das personenbezogene Datum erhält einen neuen<br />
Informations- und Aussagegehalt<br />
• Übermitteln: Bekanntgabe an einen Dritten<br />
• Sperren: Kennzeichnen von Daten, um weitere Verarbeitung<br />
einzuschränken. Z.B. nach Widerruf, während Aufbewahrungsfristen<br />
• Löschen: Handlung, die dazu führt, dass Daten unkenntlich werden<br />
(Schreddern, Überschreiben)<br />
=>Anders als in der EU-DSRL im BDSG keine einheitliche Verwendung<br />
eines umfassenden Verarbeitungsbegriffs<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 20<br />
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Stadien der Datenverarbeitung<br />
Erheben => Verarbeiten => Nutzen<br />
• Jede Verwendung personenbezogener Daten, die keine<br />
Verarbeitung ist.<br />
• Auffangtatbestand für nicht aufgezählte Vorgänge z.B.<br />
Weitergabe an empfangende Stelle, die nicht Dritte<br />
sondern nur Empfänger ist.<br />
Kein Nutzen ist Verwendung von Daten, die sich nicht<br />
auf den Personenbezug erstreckt (Statistik)<br />
Duplizieren, Kopieren, Auszüge anfertigen<br />
Weitergabe an Auftragsdatenverarbeiter (kein Dritter)<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 21<br />
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Verarbeitungsbegriff<br />
Verarbeiten<br />
iSd<br />
Datenschutzrichtlinie<br />
automatisierte<br />
Verarbeitung,<br />
§ 3 II 1 BDSG<br />
weiter<br />
Verarbeitungsbegriff<br />
Erheben,<br />
§ 3 III BDSG<br />
Verarbeiten,<br />
§ 3 IV BDSG<br />
enges Verständnis<br />
nach BDSG<br />
Nutzen,<br />
§ 3 V BDSG<br />
Speichern,<br />
§ 3 IV Nr. 1 BDSG<br />
Verändern,<br />
§ 3 IV Nr. 2 BDSG<br />
Übermitteln,<br />
§ 3 IV Nr. 3 BDSG<br />
Sperren,<br />
§ 3 IV Nr. 1 BDSG<br />
Löschen,<br />
§ 3 IV Nr. 5 BDSG<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 22<br />
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Entwicklung des Datenschutzes I<br />
• Anfang der 70er Jahre: Computer in Verwaltung und<br />
Wirtschaft<br />
• 1970: erstes Datenschutzgesetz in Hessen als erstes<br />
allgemeines Datenschutzgesetz der Welt<br />
• 1977: Bundesdatenschutzgesetz<br />
– <strong>Einführung</strong> von Datenschutzbeauftragten<br />
– Automatisierte Datenverarbeitung<br />
– Schutz personenbezogener Daten<br />
• 1978: Landesdatenschutzgesetz Schleswig-Holstein<br />
• 1981: alle Bundesländer haben ein LDSG<br />
• 1983: Volkszählungsurteil<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 23<br />
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Volkszählungsurteil<br />
• <strong>BVerfG</strong>E 65, 1: Anlass Verfassungsbeschwerde<br />
gegen Volkszählungsgesetz<br />
• Melderegisterabgleich, Vermischung administrativer<br />
und statistischer Funktionen<br />
• Wesentliche Inhalte:<br />
– Die automatisierte Datenverarbeitung birgt die Möglichkeit der Auswertung<br />
und Verknüpfung von Datenbeständen, die an verschiedenen Orten vorhanden<br />
sind: keine belanglosen Informationen<br />
– Möglich wird damit eine vollständige Offenlegung der Privatsphäre der Bürger<br />
(Stichwort: „gläserner Bürger“)<br />
– [Es] wird der Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung […] seiner<br />
persönlichen Daten von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1<br />
GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet<br />
insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe<br />
und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen:<br />
=> Recht auf informationelle Selbstbestimmung<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 24<br />
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Informationelle Selbstbestimmung<br />
Herleitung des Grundrechts<br />
• Art. 1, Abs. 1 GG:<br />
Die Würde des Menschen ist<br />
unantastbar. Sie zu achten<br />
und zu schützen ist<br />
Verpflichtung aller<br />
staatlichen Gewalt.„<br />
• Art. 2, Abs. 1 GG:<br />
"Jeder hat das Recht auf die<br />
freie Entfaltung seiner<br />
Persönlichkeit, soweit er<br />
nicht die Rechte anderer<br />
verletzt und nicht gegen die<br />
verfassungsmäßige Ordnung<br />
oder das Sittengesetz<br />
verstößt."<br />
Inhalt der Informationellen<br />
Selbstbestimmung<br />
1. Recht der<br />
Selbstbestimmung über die<br />
Preisgabe und Verwendung<br />
eigener Daten zu<br />
bestimmen<br />
2. Schutz der Privatsphäre<br />
3. Freie Entfaltung der<br />
Persönlichkeit<br />
4. Aufrechterhaltung fairer<br />
Kommunikationsverhältnisse<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 25<br />
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WH: Recht auf informationelle<br />
Selbstbestimmung<br />
Recht auf informationelle Selbstbestimmung<br />
Teil der<br />
Objektiven Werteordnung -<br />
Durchdringung der gesamten<br />
Rechtsordnung<br />
Abwehrrecht<br />
des Bürgers gegen<br />
Staat<br />
Schutzpflicht<br />
des Staates<br />
Unmittelbare Wirkung<br />
zwischen Privaten<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 26<br />
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Entwicklung des Datenschutzes II<br />
• Nutzung von Computern bei Behörden und Privaten<br />
• Beginnende Vernetzung<br />
• Grenzüberschreitender Datenverkehr nimmt zu<br />
• 1991: 1. Novellierung des BDSG<br />
– Informationelle Selbstbestimmung<br />
– Keine Zweiteilung nicht-öffentlich / öffentlich<br />
– BDSG als Auffanggesetz gleichermaßen für<br />
öffentliche Verwaltung und Privatwirtschaft<br />
• Seit 1991 Beratungen auf EU-Ebene<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 27<br />
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Entwicklung des Datenschutzes III<br />
• Novellierung der Landesdatenschutzgesetze unter<br />
Berücksichtigung des Volkszählungsurteils<br />
• 1995: Europäische Datenschutzrichtlinie 1995/46/EG<br />
• Informationsfreiheitsgesetz SH 2000<br />
• 2. Novellierung des BDSG 2001<br />
– In Kraft Mai 2001<br />
– Gefordert nicht nur Umsetzung der Richtlinie, sondern<br />
grundlegende Modernisierung. Modernisierung aber im Geiste<br />
von 9/11 nicht mehr durchgeführt.<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 28<br />
14
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Entwicklung des Datenschutzes IV<br />
• 2. Novellierung des BDSG, Modernisierungen;<br />
– Datensparsamkeit / Datenvermeidung, § 3a BDSG<br />
– Datenschutzaudit, § 9a BDSG<br />
– Videoüberwachung, § 6b BDSG<br />
– Mobile Speicher-/ und Verarbeitungsmedien, § 6 c BDSG<br />
– Sensible Daten<br />
– Erweiterter Geltungsbereich Privatwirtschaft:<br />
§ 1 Abs. 1 Nr. 3: jede unter Einbeziehung von<br />
Datenverarbeitungsanlagen erfolgende<br />
Verarbeitung personenbezogener Daten<br />
– Datenübermittlung in Drittländer: Datenschutzniveau<br />
entscheidet<br />
• IFG des Bundes 2006<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 29<br />
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Entwicklung des Datenschutzes V<br />
2008 / 2009 Datenschutz in Bewegung:<br />
• <strong>BVerfG</strong> zum Kfz-Kennzeichenabgleich<br />
• <strong>BVerfG</strong> zu Online-Durchsuchungen<br />
• <strong>BVerfG</strong> zur Vorratsdatenspeicherung<br />
• EuGH zur Vorratsdatenspeicherung, data retention directive<br />
• Pressemeldungen über Datenschutzskandale<br />
• Novelle BDSG I (Auskunfteien, Scoring) ab IV/2010<br />
• Novelle BDSG II (Auditgesetz, Adresshandel) ab IX/2009<br />
• Novelle BDSG III (Verbraucherdarlehen) ab VI/2010<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 30<br />
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<strong>BVerfG</strong> Kennzeichenabgleich<br />
• Bundesverfassungsgericht (<strong>BVerfG</strong>) vom 11.3.2008<br />
• Sachverhalt: automatisches Erfassen, Speichern von<br />
Kennzeichen beim “Blitzen” in Hessen und S-H<br />
• Gericht hat Schutzbereich erweitert: Recht auf informat.<br />
Selbstbestimmung muss Technik angepasst werden.<br />
• Speicherung und Verknüpfung ermöglicht Profiling<br />
• Anlasslose Erfassung hat Einschüchterungseffekte mit<br />
Rückwirkung auf Ausübung von Grundrechte<br />
• Heimlichkeit des Eingriffs erhöht Eingriff, weil kein<br />
vorghergehender Rechtsschutz für Bürger möglich ist<br />
=> Scannen erlaubt, soweit Daten unmittelbar nach Erfassung<br />
spurenlos, anonym und ohne Möglichkeit des Personenbezugs<br />
ausgesondert werden.<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 31<br />
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<strong>BVerfG</strong> Online-Durchsuchung<br />
Schutz infomationstechn. Systeme<br />
• Bundesverfassungsgericht 27. Feb. 2008<br />
• Sachverhalt:<br />
Verfassungsschutzgesetz NRW sah Möglichkeit der Online-Durchsuchung vor.<br />
• Urteil: Gesetz ist verfassungswidrig weil unverhältnismäßig, Schwere des<br />
Eingriffs muss besonders schwerwiegende Gefahr gegenüberstehen<br />
• Eingriffsvoraussetzungen:<br />
Tatsächliche Anhaltspunkte für…<br />
konkrete Gefahr für ein…<br />
überragend wichtiges Rechtsgut (Leib, Leben, Freiheit der Person, Bestand<br />
des Rechtsstaates)<br />
• Ein Ermächtigungsgesetz muss vorsehen:<br />
richterliche Anordnung<br />
Vorkehrungen für Schutz des Kernbereichs privater Lebensführung<br />
• Erhebung aus laufendem Telekommunikationsvorgang unterfällt Art. 10 GG<br />
⇒ Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität<br />
informationstechnischer Systeme<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 32<br />
16
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<strong>BVerfG</strong> Online-Durchsuchung<br />
Schutz infomationstechn. Systeme<br />
• Wissenswertes aus der Urteilsbegründung:<br />
Nicht zwingend Eingriff in Art 10 GG (Post- und<br />
Fernmeldegeheimnis), weil nur der Kommunikationsvorgang<br />
selbst geschützt ist. D.h. kein Schutz der<br />
bereits empfangenen Daten auf der Festplatte.<br />
Nicht zwingend Eingriff in Art. 13 GG (Unverletzlichkeit<br />
der Wohnung), soweit nicht in Wohnung eingedrungen<br />
wird, um Software zu installieren oder mittels<br />
eingebauter Kamera oder Mikrofon die Wohnung<br />
überwacht wird.<br />
⇒ Daher hat <strong>BVerfG</strong> ein „neues“ Grundrecht formuliert<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 33<br />
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Datenschutz im Rechtssystem I<br />
• Grundgesetz: Allg. Pers.R<br />
• Recht auf informationelle Selbstbestimmung<br />
• Recht auf Vertraulichkeit und Integrität<br />
informationstechnischer Systeme<br />
• BDSG<br />
• SGB<br />
• TKG, TMG<br />
Normenhierarchie<br />
• LDSG<br />
• LVwG (=„PolizeiG“)<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 34<br />
17
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Datenschutz im Rechtssystem II<br />
Grundrechte:<br />
– Binden unmittelbar den Staat (Art. 1 Abs. 3 GG)<br />
– Sind individuelle Abwehrrechte gegen den Staat<br />
– Bedeuten Schutzpflicht für den Staat<br />
– Träger: natürliche Personen, (juristische Personen: Art. 19 III GG)<br />
– Ausstrahlungswirkung ins Privatrecht: Grundrechte wirken als<br />
„objektive Wertordnung“ mittelbar auf Rechtsbeziehungen des<br />
Privatrechts; Generalklauseln sind verfassungskonform auszulegen<br />
– Grundrechte sind nicht schrankenlos gewährleistet; Beschränkung<br />
nur innerhalb festgelegter Grenzen zulässig<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 35<br />
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Datenschutz im Rechtssystem III<br />
Grundrechte mit Datenschutzrelevanz<br />
• Artikel 1 und Artikel 2: Verankerung, allgPersR<br />
• Artikel 3 GG – Allgemeine Gleichbehandlung<br />
• Artikel 4 GG – Glaubens- und Gewissensfreiheit<br />
• Artikel 5 GG – Meinungsfreiheit<br />
• Artikel 8 – Versammlungsfreiheit<br />
• Artikel 9 – Vereinigungsfreiheit<br />
• Artikel 10 – Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis<br />
• Artikel 13 – Unverletzlichkeit der Wohnung<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 36<br />
18
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BDSG: Regelungen für die Wirtschaft<br />
Abschnitte des BDSG:<br />
Erster Abschnitt BDSG (Allgemeiner Teil: § 1 bis § 11<br />
BDSG)<br />
Zweiter Abschnitt BDSG (Bundesverwaltung)<br />
Dritter Abschnitt BDSG (Wirtschaft: §§ 27 ff. BDSG)<br />
Fünfter Abschnitt BDSG (Bußgeld und Strafvorschriften:<br />
§§ 43 f BDSG)<br />
Abschnitte des LDSG:<br />
Keine interne Aufteilung sondern Orientierung am<br />
zeitlichen Ablauf der Datenverarbeitung +<br />
Sonderregelungen<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 37<br />
Grundbegriffe des Datenschutzrechts<br />
19
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Anwendungsbereich des BDSG<br />
Anwendungsbereich des BDSG, § 1 Abs. 2 BDSG:<br />
Verarbeitung personenbezogener Daten durch:<br />
1. öffentliche Stellen des Bundes<br />
2. öffentliche Stellen der Länder<br />
a) soweit der Datenschutz nicht durch Landesgesetz<br />
geregelt ist und<br />
b) soweit sie Bundesrecht ausführen oder als Organe der<br />
Rechtspflege tätig werden<br />
3. nicht-öffentliche Stellen (Wirtschaft)<br />
Ausnahme: persönliche oder familiäre Zwecke<br />
(siehe nächste Folie)<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 39<br />
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Persönliche oder familiäre Tätigkeiten<br />
• Ausnahme vom Anwendungsbereich des BDSG<br />
• Persönliche oder familiäre Tätigkeiten, § 1 II Nr. 3 BDSG<br />
Abgrenzung des Bereichs persönlicher Lebensführung von<br />
beruflicher und geschäftlicher Sphäre.<br />
Äußerer Rahmen, organisatorische Anlage und inhaltliche<br />
Konzeption müssen persönliche/familiäre Zwecksetzung erkennen<br />
lassen.<br />
Beispiel: Nutzung einer Adressdatei auf PC von Familie und<br />
Freunden, private Fotosammlung, Urlaubsbilder.<br />
Nicht aber: Mitgliederliste eines Vereins, private Homepage, Social<br />
networks 1 .<br />
Bei intensiven Rechtseingriffen: Abwehransprüche aus BGB möglich<br />
1<br />
zu social networks siehe: http://ec.europa.eu/justice/policies/privacy/docs/wpdocs/2009/wp163_de.pdf<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 40<br />
20
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Sonstige Rechtsquellen<br />
Grundsatz: Subsidiarität des Bundesdatenschutzgesetzes<br />
• Telekommunikation: TKG<br />
• Telemedien: TMG<br />
• Sozialdatenschutz im SGB (insbes. §§ 67 ff SGB X)<br />
• Andere Rechtsvorschriften<br />
Polizeigesetze, Strafprozessordnung<br />
Kunst-Urhebergesetz (KUG)<br />
Landesgesetze z.B. Archivgesetze, Polizeigesetze<br />
BetrVG, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen<br />
Berufsordnungen für Heilberufe, Rechtsanwälte<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 41<br />
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Subsidiarität des BDSG / LDSG<br />
• Die allgemeinen Datenschutzgesetze treten gegenüber den<br />
bereichsspezifischen Regelungen zurück. Sie sind subsidiär.<br />
• Das BDSG ist Auffanggesetz, d.h. es greift, wenn keine<br />
speziellere Regelung einschlägig ist, § 1 III 1 BDSG.<br />
• Subsidiarität gilt nur für deckungsgleiche Tatbestände.<br />
Trifft die andere Norm daher keine Aussage, schränkt sie<br />
das BDSG auch nicht ein.<br />
• Andere Bundesgesetze dürfen hinter dem Schutzniveau des<br />
BDSG zurück bleiben, nicht aber untergesetzliche Normen<br />
(z.B. Vorordnungen des Bundes, Betriebsvereinbarungen,<br />
Tarifverträge).<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 42<br />
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besondere Arten personenbezogener Daten<br />
Besondere Arten personenbezogener Daten, § 3 Abs. 9<br />
Rassische und ethnische Herkunft<br />
Politische Meinung<br />
Religiöse oder philosophische Überzeugung<br />
Gewerkschaftszugehörigkeit<br />
Gesundheit<br />
Sexualleben<br />
• Besondere Anforderungen<br />
Ausdrückliche Einwilligung nach § 4a Abs. 3 BDSG<br />
Besondere gesetzliche Anforderungen § 28 Abs. 6ff. BDSG<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 43<br />
<strong>Einführung</strong> Teil 2<br />
Goldene Regeln des Datenschutzrechts<br />
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<strong>Einführung</strong> BDSG II - Übersicht<br />
• Rechtsquellen (BDSG und andere gesetzliche Quellen)<br />
• Anwendungsbereich, Abgrenzungen<br />
• Grundprinzipien des Datenschutzes (7 goldene Regeln)<br />
1. Rechtmäßigkeit<br />
2. Einwilligung<br />
3. Zweckbindung<br />
4. Erforderlichkeit<br />
5. Transparenz<br />
6. Datensicherheit<br />
7. Kontrolle<br />
Quelle: Bizer, DuD 2007, 31 => Zur Lektüre empfohlen!<br />
H. Zwingelberg: Datenschutzrecht I 45<br />
Vielen Dank für Ihre<br />
Aufmerksamkeit!<br />
Kontakt:<br />
Harald Zwingelberg<br />
hzwingelberg@datenschutzzentrum.de<br />
www.datenschutzzentrum.de<br />
0431/988-1228<br />
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