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3/2009<br />

Spannungsfeld<br />

„Just Culture“<br />

Safety<br />

Aus Fehlern lernen<br />

Personalpolitik in USA<br />

„Greise“ ans Board<br />

ATC Aktuell<br />

HEF/GED Umsetzung<br />

Himmel über der Wüste<br />

Luftfahrt in den Emiraten


Mitarbeiterangebote<br />

Ruheständler:<br />

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30.4.2009. – Seit neuestem können auch Ruheständler<br />

von den Mitarbeiterangeboten der DFS profitieren.<br />

Sie müssen auf der Einstiegsseite<br />

http://dfs.mitarbeiterangebote.de<br />

einfach den Button „Hier registrieren“ anklicken und<br />

den Anweisungen folgen, heißt: Nutzungsbedingungen<br />

lesen und das ausgefüllte und unterschriebene Formular<br />

an die angegebene Adresse senden.<br />

Da der Betriebsrat UZ, der diese Port<strong>als</strong>eite 2007 initiiert<br />

hat, sicherstellen möchte, dass auch wirklich nur<br />

ehemalige DFS Mitarbeiter in den Genuss der Vergünstigungen<br />

kommen, erfolgt der Gegencheck. Anschließend<br />

gibt der Betriebsrat das ausgefüllte Formular an<br />

seinen Partner weiter und die angegebene e-Mailadresse<br />

dient ab sofort der Authentifikation.<br />

Wer Fragen zur Vorgehensweise hat, der wende sich<br />

bitte an: Nikola Schöning, Betriebsrat Unternehmenszentrale,<br />

Telefon: 06103-707 4891.


Inhalt<br />

Editorial von Michael Schäfer ……………………………….…………….. 4<br />

GdF Aktuell<br />

05.05.2009: Ein Gerichtsurteil von Tragweite ………………......... 6<br />

Bericht der Gewerkschaft ……………………………………………………... 6<br />

Aktuell<br />

Wie sicher ist mein Job? ……………….……….……….……….……….…… 9<br />

Recht<br />

Tarifabschluss vom 12.12.2005 erhöht Betriebsrente ………….. 11<br />

Urteil des Bundessozialgerichtes zur<br />

DFS Übergangsversorgung ………………….……….……….……….…….. 12<br />

Spannungsfeld „Just Culture“ – Straf(prozess)recht ………….... 13<br />

Spannungsfeld „Just Culture“ – Straf(prozess)recht S. 13<br />

Bollywood UZ – It's a Mens World... S. 29<br />

Greise ans Board? –<br />

Personalpolitik im Zeichen der Krise S. 31<br />

AERO 2009 –<br />

Positives Signal im Zeichen der Krise? S. 44<br />

IFATCA<br />

IFATCA 2009 …………..………..………..………..………..………..………...... 11<br />

Safety<br />

Safety performance satisfactory, ATCO in prison! …….............. 17<br />

Aus Fehlern lernen oder die Krux beim Safety Management … 19<br />

Mehr Sicherheit in Russland mit der IATA …….......……….……….. 21<br />

Management<br />

Führung in der Krise …………….……….….…………………………………... 22<br />

Intern<br />

Flugleiterkommentar „Mäuschen, ick hör´dir trapsen!“ –<br />

im Echo eines Streikgeschehens .………….…………..................... 24<br />

Joe‘s Corner .…………………..…....……………………..…....…..…....….... 26<br />

Satire<br />

Bollywood UZ – It’s a Mens World .......……………………………...... 29<br />

ATC USA<br />

Greise ans Board? – Personalpolitik im Zeichen der Krise ...... 31<br />

Airports International<br />

Das Ende eines Wahrzeichens ................................................ 35<br />

Soziales<br />

Hilfe – ich habe ein Problem ……………………….………..………..……. 36<br />

ATC Aktuell<br />

HEF/GED Umsetzung .....…….….…….….….…….….….…….….….…… 37<br />

Accidents<br />

COLGAN AIR 3407 ......…………..….….…….….….…….….….…….….…. 41<br />

Luftfahrt<br />

AERO 2009 – Positives Signal im Zeichen der Krise? …….….…. 44<br />

On Tour<br />

Landung in der „Großen Bucht“ .....………………………………………. 48<br />

Airports<br />

Strandflugplatz Fraser Island ……...……………….….….…….….….…. 51<br />

Glosse<br />

Die Ferienmachen – eine satirische Typologie: …….….….…….... 52<br />

Luftfahrt International<br />

Himmel über der Wüste …….….….…….….….…….….….…….….….…. 53<br />

Ehemalige …….…………………………………………………………………....... 57<br />

Premiere<br />

Erste Pilotin bei den Marinefliegern …….….….…….….….……....... 60<br />

Airports ………………………………………….…………………………….......... 61<br />

Airlines ………………………………………….…………………………………...... 66<br />

Personalien ………………………………………….……………………………….. 69<br />

Bücher ..………………………………………….…………………………….………. 70<br />

Leserbriefe ……………………………………….……………..…………………… 71<br />

Humor ……………………………………….…………………………..…………...... 73<br />

Last Call ……………………………………….…………………………..…… 72 / 74<br />

3 der flugleiter 2009/03


Editorial<br />

Liebe Mitglieder,<br />

liebe Kolleginnen und Kollegen<br />

geneigte Leser!<br />

von Michael<br />

Schäfer,<br />

Gewerkschaftsvorsitzender<br />

In den vergangenen Wochen sind wesentliche<br />

Weichen unsere Zukunft betreffend gestellt<br />

worden, die uns alle nachhaltig berühren<br />

werden. Dies betrifft sowohl die nationale <strong>als</strong><br />

auch europäische Entwicklung in der Flugsicherung<br />

genauso wie der langfristige Tarifabschluss<br />

zur betrieblichen Altersversorgung.<br />

Außerdem haben die europäischen Gewerkschaften<br />

und Fachverbände im FAB EC eine<br />

„Organisation“ <strong>als</strong> Ansprechpartner für die<br />

betroffenen ANSP aber auch für die Staaten gegründet,<br />

welche in die entsprechenden Arbeiten im FAB<br />

EC eingebunden wird.<br />

Zunächst möchte ich mich der Grundgesetzänderung,<br />

dem Begleitgesetz (Änderungen Luftverkehrsrechtlicher<br />

Vorgaben) und dem BAF-Gesetz<br />

widmen.<br />

Die Änderung des Grundgesetzes im Artikel 87 d ist<br />

ein notwendiger Schritt zur Umsetzung der europäischen<br />

Vorgaben. Eine Alternative hierzu gibt<br />

es nicht. Die GdF hat dies frühzeitig erkannt und<br />

sich entsprechend positioniert. Wir haben zu den<br />

genannten Änderungen Forderungen entwickelt, die<br />

sich nunmehr in wesentlichen Teilen in den Änderungen<br />

zum Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) wiederfinden.<br />

Beispielsweise ist der Gesetzgeber in der<br />

Definition der hoheitlichen Aufgaben am Ende den<br />

Argumenten der GdF vollumfänglich gefolgt. Auch<br />

in der Frage der Erlaubnis- und Berechtigungspflicht<br />

für Nichtlotsen haben wir uns durchgesetzt. Es wird<br />

in Deutschland weiterhin das bewährte Erlaubnis-<br />

und Berechtigungssystem für FDB, FB und die<br />

operativen FST-Dienste geben. Es liegt nun auch<br />

ein Stück weit an uns, dieses „Lizenzierungssystem“<br />

in Europa, aber insbesondere im FAB EC voranzutreiben<br />

und umzusetzen. Aber wo viel Licht, da gibt<br />

es auch Schatten. Die Arbeitnehmerüberlassung<br />

konnte auch durch die GdF nicht gänzlich verhindert<br />

werden. Diese wurde aber auf den Bereich der<br />

Regionallotsen beschränkt. Ein Teilerfolg, der dafür<br />

sorgt, dass in wesentlichen sicherheitsrelevanten<br />

Bereichen das Arbeitsverhältnis und die operative<br />

Verantwortung in den gleichen Händen liegen. Für<br />

die Regionallotsen, die beim jeweiligen Arbeitgeber<br />

(in der Regel bei den betroffenen Flughäfen) angestellt<br />

bleiben, ist mit der europäischen Lotsenlizenz<br />

zumindest ein Sicherheitsstandard etabliert.<br />

Das BAF-Gesetz setzt die europäischen Vorgaben<br />

zur Trennung ANSP und Aufsichtsbehörde<br />

um und regelt deren Zusammenwirken. In diesem<br />

Zusammenhang gibt es erstm<strong>als</strong> neben der Rechtsaufsicht<br />

auch eine Fachaufsicht für die Technik der<br />

Flugverkehrsdienste.<br />

Im Gesamtkontext hat sich die GdF durch ihre frühzeitige<br />

Positionierung, durch ihre Hartnäckigkeit<br />

und durch ihr zielgerichtetes Vorgehen auf politischer<br />

und fachlicher Ebene durchgesetzt und für<br />

ihr oberstes gewerkschaftspolitisches Ziel – der Entwicklung<br />

einer starken deutschen Flugsicherung aus<br />

einer Hand im Rahmen des Single European Sky –<br />

die Basis geschaffen.<br />

Diese Gesetzesänderungen dienen, im Gegensatz zur<br />

Initiative aus dem Jahr 2006, nicht der DFS Kapitalprivatisierung.<br />

Durch die Definition der hoheitlichen<br />

Aufgaben sind weiterhin verfassungsrecht-<br />

der flugleiter 2009/03<br />

4


liche Hürden gegeben und im LuftVG ist festgelegt,<br />

dass zumindest die Flugverkehrsdienste (§ 27 c in<br />

Verbindung mit § 31 b) weiterhin im 100 % Besitz<br />

des Bundes verbleiben müssen. Sicherlich kann<br />

keine Aussage für alle Zukunft getroffen werden;<br />

aber sofern sich der FAB EC wie gewünscht entwickelt,<br />

wird eine Kapitalprivatisierung eines einzelnen<br />

ANSP nahezu unrealistisch, sofern die anderen<br />

ANSP bei ihren staatlichen Organisationsformen<br />

verbleiben. Der Einfluss eines einzelnen privatisierten<br />

ANSP würde sich deutlich verringern und somit<br />

für Investoren uninteressant werden. Oder kann sich<br />

jemand wirklich vorstellen, dass sich ein Zusammenwirken<br />

sowohl betrieblicher <strong>als</strong> auch strategischer<br />

Ausrichtungen zwischen 5 staatlichen Organisationen<br />

und einer privatisierten gestalten ließe? Ich<br />

behaupte mal: eher nein.<br />

Zur Beteiligung der Gewerkschaften und Fachverbände<br />

bei der Entwicklung des FAB EC gibt es ebenfalls<br />

positive Nachrichten. Auf FAB EC Ebene haben<br />

sich Gewerkschaften und Fachverbände durch ein<br />

Memorandum of Understanding (MoU) über ihre<br />

Zusammenarbeit geeinigt und die Organisation<br />

MARC (MOSAIC ATM Regional Coordination) ins<br />

Leben gerufen. MARC wird <strong>als</strong> direkter Ansprechpartner<br />

auf FAB EC Ebene sowohl den beteiligten<br />

ANSP <strong>als</strong> auch den Staaten zur Verfügung stehen.<br />

Die Einbindung der MARC-Vertreter in die FAB EC<br />

Entwicklung ist sichergestellt und zugesagt. Die jahrelang<br />

vergebliche Forderung nach Beteiligung der<br />

Arbeitnehmervertreter ist somit endlich umgesetzt.<br />

MARC nimmt dabei eine beratende, aber wesentliche<br />

Aufgabe wahr; die Mitbestimmung erfolgt<br />

jeweils auf nationaler Ebene.<br />

Lassen Sie mich noch kurz auf zwei Tarifthemen<br />

eingehen, über deren Einzelheiten Sie inzwischen<br />

ausführlich informiert sind. Nach langjährigen Verhandlungen<br />

wurde im Rahmen einer Schlichtung ein<br />

Ergebnis zur betrieblichen Altersversorgung erzielt.<br />

Durch diesen Tarifabschluss werden alle GdF-Mitglieder<br />

auch in Zukunft eine ausgesprochen gute,<br />

ausgewogene und solide Ergänzung zur gesetzlichen<br />

Rente erhalten. Eine nicht zu unterschätzende langfristige<br />

Regelung in einem schwierigen politischen<br />

und wirtschaftlichen Umfeld.<br />

Letztendlich wurde auch mit der Geschäftsführung<br />

der Flughafen Stuttgart Gesellschaft eine Kompromisslösung<br />

zur Beendigung des Tarifkonfliktes vereinbart.<br />

Diese Lösung war annehmbar und sichert<br />

die betroffenen Mitglieder dauerhaft auf einem<br />

guten Niveau.<br />

Wir haben in den vergangenen Wochen für unsere<br />

Mitglieder sehr viel erreicht. Diese durchaus bemerkenswerten<br />

Erfolge sind keine Selbstläufer. Sie lassen<br />

sich nur durch Zielstrebigkeit, Solidarität, Geduld<br />

und vorausschauendes Handeln umsetzen. Unter<br />

diesen Voraussetzungen und mit eurer Unterstützung<br />

ist mir vor den anstehenden Herausforderungen<br />

nicht bange und ich bin überzeugt, dass wir<br />

diese in gewohnt guter Qualität bewältigen werden.<br />

Michael Schäfer<br />

Bundesvorsitzender<br />

5 der flugleiter 2009/03


Spannungsfeld „Just Culture“ –<br />

Straf(prozess)recht<br />

Die Idee Just Culture<br />

Der Aufbau einer „Just Culture“ im Bereich der Flugsicherung<br />

ist ein seit Jahren heiß und kontrovers diskutiertes<br />

Thema.<br />

Sicherheitsrelevante Unfälle und Vorfälle sollen und<br />

müssen im Interesse einer Verbesserung der Luftverkehrssicherheit<br />

untersucht werden. Eine solche Untersuchung<br />

erfolgt allerdings nicht im Hinblick auf<br />

eine Schuldzuweisung oder Bestrafung eines Einzelnen.<br />

Ausschliessliches Ziel der Untersuchung im Sinne<br />

einer „Just Culture“ ist es, die technischen Ursachen<br />

eines Ereignisses festzustellen, um in der Zukunft alle<br />

erforderlichen Massnahmen zur Verhinderung eines<br />

gleichen oder ähnlichen Vorfalles ergreifen zu können.<br />

Die im Interesse aller an sich zu begrüssende Idee der<br />

„Just Culture“ wird allerdings nur dann effektiv etabliert<br />

werden können, wenn alle an einem sicherheitsrelevanten<br />

Ereignis Beteiligten frei, offen und wahrheitsgemäß<br />

berichten. Dies wiederum setzt voraus, dass keine<br />

Zweckentfremdung der Informationen zu Ungunsten<br />

des Meldenden erfolgt und eine Vertraulichkeit der Daten<br />

und Informationen auch und gerade gegenüber den<br />

Strafverfolgungsbehörden gewährleistet wird.<br />

Das deutsche Straf(prozess)recht<br />

Das deutsche Strafrecht ist geprägt von seinem Ansatz,<br />

schuldhaft begangenes individuelles Unrecht,<br />

welches unter Strafe gestellt ist, zu sanktionieren.<br />

Maßgeblich gilt insoweit das sogenannte Legalitätsprinzip.<br />

Die Strafverfolgungsbehörden, <strong>als</strong>o Polizei<br />

sowie Staatsanwaltschaften sind verpflichtet, Ermittlungen<br />

aufzunehmen, sobald der Verdacht besteht,<br />

dass möglicherweise eine Straftat begangen wurde.<br />

Diese Entscheidung steht <strong>als</strong>o nicht zur Disposition<br />

der entsprechenden Behörden.<br />

Allgemeine Kenntniserlangung<br />

durch Strafverfolgungsbehörden<br />

Es gibt zahlreiche und im allgemeinen nicht beeinflussbare<br />

Möglichkeiten, wie die Strafverfolgungsbehörden<br />

von relevanten Sachverhalten Kenntnis erlangen<br />

können.<br />

Zum einen ist hier beispielsweise an Presseberichte<br />

oder Strafanzeigen Geschädigter oder Dritter, insbesondere<br />

von Fluggästen zu denken. Auf der Hand liegen<br />

dürften diese beiden genannten Möglichkeiten<br />

dann, wenn es zu einer Flugzeugkollision mit Personen-<br />

oder Sachschaden gekommen ist, oder aber<br />

ein Beinahe-Unfall aufgrund einer Staffelungsunterschreitung<br />

oder sonstigen Fehlerhaftigkeit stattgefunden<br />

hat.<br />

Nicht außer Acht zu lassen sind jedoch auch die gesetzlich<br />

vorgeschriebenen Meldeverpflichtungen. So<br />

ist die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU)<br />

gemäß § 7 Flugunfalluntersuchungsgesetz (FlUUG)<br />

verpflichtet, die Strafverfolgungsbehörden zu unterrichten,<br />

wenn Tatsachen im Verlauf der Untersuchung<br />

zu der Annahme führen, dass eine strafbare Handlung<br />

vorliegt. § 5 der Luftverkehrsordnung (LuftVO) wiederum<br />

verpflichtet bestimmte Teilnehmer im Luftverkehr<br />

zur Anzeige von Flugunfällen und Störungen an die<br />

Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung. In all diesen<br />

Fällen muß von der Einleitung eines strafrechtlichen<br />

Ermittlungsverfahrens ausgegangen werden.<br />

von<br />

RA Boris<br />

M. Schmitz<br />

13 der flugleiter 2009/03


Recht<br />

In Betracht kommt jedoch auch eine Strafbarkeit aus<br />

§ 315 StGB im Sinne eines gefährlichen Eingriffes in<br />

den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehrs, beispielsweise<br />

durch eine vorsätzliche oder fahrlässige Störung des<br />

Funkverkehres oder aber eine Strafbarkeit aus § 315a<br />

StGB, der Gefährdung des Bahn-, Schiffs- und Luftverkehrs.<br />

Dieser Tatbestand ist meiner Einschätzung<br />

nach jedenfalls dann erfüllt, wenn infolge eines groben<br />

Verstoßes gegen Rechtsvorschriften z.B. eine eklatante<br />

Staffelungsunterschreitung zu verzeichnen ist,<br />

in deren Folge es zu einer bedrohlichen Annäherung<br />

zweier Flugzeuge gekommen ist. Die Rechtsprechung<br />

nimmt eine solche konkrete Gefährdung (für Leib oder<br />

Leben oder fremder Sachen von bedeutendem Wert,<br />

> 1.300,00 EUR) immer dann an, wenn die tatsächliche<br />

Verletzung der geschützten Rechtsgüter in eine<br />

so bedrohliche Nähe gerückt ist, dass es nur noch vom<br />

Zufall abhängt, ob ein Schaden eintritt oder nicht oder<br />

plakativ gesagt: Erforderlich ist ein Beinahe-Unfall,<br />

bei dem es „noch einmal gut gegangen ist“.<br />

Verschiedene Rollen eines Betroffenen<br />

im Ermittlungsverfahren<br />

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens können einem<br />

Betroffenen je nach Sachlage unterschiedliche Rollen<br />

mit unterschiedlich ausgeprägten Rechten und Pflichten<br />

zukommen, deren Übergang sich fließend gestalten<br />

kann. Als Zeuge wird ein Betroffener dann in Betracht<br />

kommen, wenn er zu einem strafrechtlich relevanten<br />

Vorgang aus eigener Wahrnehmung Angaben machen<br />

kann und man nicht zugleich Beschuldigter ist.<br />

In Betracht kommende Straftatbestände im<br />

Bereich des Flugsicherungsdienstes<br />

Nicht jedes Fehlverhalten im Rahmen der Berufsausübung<br />

im Bereich des Flugsicherungsdienstes wird ein<br />

Ermittlungsverfahren nach sich ziehen. Die Erfahrung<br />

zeigt, dass nur eine relativ geringe Minderheit von sicherheitsrelevanten<br />

Störfällen überhaupt <strong>als</strong> Straftaten<br />

in Betracht kommen. Sie zeigt ferner, dass nicht<br />

jedes eingeleitete Ermittlungsverfahren letzten Endes<br />

auch mit einer Verurteilung des Betroffenen endet.<br />

Wenngleich eine „Just Culture“ eine einfache Fahrlässigkeit<br />

(„honest mistake“) noch <strong>als</strong> akzeptables Verhalten<br />

anerkennt, ist im Bereich des Strafrechtes hier<br />

bereits die Schwelle zur potentiellen Sanktionierung<br />

überschritten. Definiert wird die Fahrlässigkeit <strong>als</strong> ein<br />

objektiver Verstoß gegen bestehende Sorgfaltspflichten<br />

die dem Schutze des verletzten Rechtsgutes<br />

dienen und der subjektiv vom Täter vermeidbar ist.<br />

Beurteilt wird dies durch die Strafverfolgungsbehörden<br />

durch eine nachträgliche objektive Prognose,<br />

quasi vom Schreibtisch aus.<br />

Ohne weiteres eingängig und aus sich heraus verständlich<br />

sind die bei einer Flugzeugkollision potentiell<br />

in Betracht kommenden Tatbestände der fahrlässigen<br />

Körperverletzung gemäß § 229 StGB sowie der<br />

fahrlässigen Tötung gemäß § 222 StGB.<br />

Vor Beginn einer Zeugenvernehmung muß der Vernehmende<br />

darüber belehren, dass man <strong>als</strong> Zeuge auf<br />

einzelne Fragen die Auskunft verweigern kann, deren<br />

Beantwortung einem selbst oder einem Angehörigen<br />

die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder<br />

Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden ( sog. Auskunftsverweigerungsrecht,<br />

§ 55 StPO). Darüber hinaus<br />

steht einem Zeugen ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht<br />

dann zu, wenn es sich bei dem<br />

Beschuldigten eines Ermittlungsverfahren um einen<br />

in § 52 StPO genannten Angehörigen handelt. Eine<br />

unterbliebene Belehrung des Zeugen hierüber hat zur<br />

Folge, dass die bis dahin getätigten Aussagen nicht<br />

verwertet werden dürfen. Im übrigen ist der Zeuge im<br />

Rahmen seiner Vernehmung zur Vollständigkeit und<br />

Wahrheit seiner Angaben verpflichtet.<br />

Als Beschuldigter eines Ermittlungsverfahrens gilt<br />

man allerdings dann, wenn man Verdächtiger ist und<br />

sich das Ermittlungsverfahren formell (Aktenzeichen)<br />

gegen einen richtet.<br />

Als Beschuldigter muß der Vernehmende zunächst eröffnen,<br />

welcher Tatvorwurf gemacht wird, zudem muß<br />

der Beschuldigte darauf hingewiesen werden, dass es<br />

ihm freisteht, Angaben zu machen, dass er einen Verteidiger<br />

hinzuziehen kann und er berechtigt ist zu seiner<br />

Entlastung Beweiserhebungen zu beantragen.<br />

Unterbleibt eine solche Belehrung, sind auch die An-<br />

der flugleiter 2009/03<br />

14


Recht<br />

gaben eines Beschuldigten für die Ermittlungsbehörden<br />

nicht verwertbar. Im Gegensatz zum Zeugen hat<br />

der Beschuldigte neben dem Recht zu schweigen auch<br />

das Recht zu lügen, solange er damit nicht wider besseren<br />

Wissens einen Dritten beschuldigt.<br />

Mögliche Informationsgewinnung<br />

bei Schweigen des Betroffenen<br />

Selbst wenn der Beschuldigte schweigt und/oder<br />

Zeugen von ihrem Auskunfts- oder Zeugnisverweigerungsrecht<br />

Gebrauch machen, stehen den Strafverfolgungsbehörden<br />

dennoch weitreichende Möglichkeiten<br />

der Informationsgewinnung zur Verfügung.<br />

Zum einen können Durchsuchungen beim Verdächtigen<br />

selbst angeordnet werden, zum anderen hat die<br />

Strafverfolgungsbehörde auch die Möglichkeit, bei<br />

Dritten, <strong>als</strong>o dem Arbeitgeber oder den eingeschalteten<br />

Untersuchungsstellen Durchsuchungsmaßnahmen<br />

zu ergreifen. Solche Durchsuchungen bei Dritten<br />

dürfen zwar nur unter der Voraussetzung stattfinden,<br />

dass Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist,<br />

dass sich dort – beim Dritten- Beweismittel, <strong>als</strong>o beispielsweise<br />

Unterlagen, befinden. Da den Strafverfolgern<br />

allerdings bekannt ist, dass es eine interne Meldepflicht<br />

bei Störfällen o.ä. gibt, ist die Begründung<br />

dieser Annahme grundsätzlich darstellbar.<br />

Über den (Um-)weg der Durchsuchung haben die<br />

Strafverfolgungsbehörden folglich die Möglichkeit,<br />

gegen den Willen des schweigenden Betroffenen an<br />

Informationen und Aussagen zu gelangen, die dieser<br />

zuvor im trügerischen Glauben, diese seien vertraulich,<br />

seinem Arbeitgeber oder den Untersuchungsstellen<br />

zur Verfügung gestellt hat. Ein Zugriff auf diese<br />

Informationen ist selbst gegen den Willen des Durchsuchten<br />

im Wege der Beschlagnahme möglich, wobei<br />

es ausreicht, dass die zu beschlagnahmenden Unterlagen<br />

<strong>als</strong> Beweismittel in Betracht kommen können.<br />

Für solche Unterlagen und/oder Informationen gilt<br />

auch nicht etwa der in der Strafprozessordnung genannte<br />

Grundsatz der Beschlagnahmefreiheit. Dieser<br />

gilt nur für Schriftstücke, die sich im ausschließlichen<br />

Gewahrsam eines Zeugnisverweigerungsberechtigten<br />

befinden. Vorgesetzten, Arbeitgeber oder Untersuchungsstellen<br />

steht jedoch in der Regel entweder kein<br />

Zeugnisverweigerungsrecht zu, oder aber fehlt es am<br />

notwendigen Alleingewahrsam.<br />

Auch sind die auf diesem Wege gewonnenen Erkenntnisse<br />

nicht etwa deswegen unverwertbar, weil der Erklärende<br />

nicht vom Vorgesetzten, dem Arbeitgeber<br />

oder den Untersuchungsstellen auf sein strafprozessuales<br />

Schweigerecht hingewiesen wurde und er insoweit<br />

gutgläubig seine Angaben getätigt hat. Zu einem<br />

solchen Hinweis ist aber weder Ihr Arbeitgeber, noch<br />

die betreffenden Untersuchungsstellen verpflichtet,<br />

sondern lediglich die Strafverfolgungsbehörden im<br />

Rahmen deren Belehrungspflicht bei der Vernehmung<br />

eines Betroffenen.<br />

Zusammenfassung<br />

Sobald Sie <strong>als</strong> Flugsicherungsbediensteter <strong>als</strong> Tatverdächtiger<br />

oder Zeuge von Beamten der Strafverfolgungsbehörden<br />

vernommen werden, sind Sie auf Ihre<br />

prozessualen Rechte hinzuweisen. Eine unterbliebene<br />

Belehrung hierüber hat zur Folge, dass getätigten<br />

Aussagen nicht verwertet werden dürfen.<br />

Sollten Sie allerdings „lediglich“ von Ihrem Arbeitgeber<br />

oder einer Untersuchungsstelle einvernommen<br />

werden, ist ein Hinweis auf Ihre (straf-)prozessualen<br />

Rechte überhaupt nicht notwendig. Folgerichtig entfaltet<br />

ein unterbliebener Hinweis auch keine Sperrwirkung<br />

im Hinblick auf eine spätere Verwertbarkeit Ihrer<br />

Angaben, sollten die Strafverfolgungsbehörden auf<br />

diese Angaben zugreifen wollen. Sämtliche Angaben<br />

gegenüber Nichtstrafverfolgungsbehörden sind – zumindest<br />

im Bereich der schwerwiegenden Straftatendem<br />

vollständigen Zugriff der Strafverfolgungsbehörden<br />

ausgesetzt.<br />

Dies bedeutet nun nicht, dass Sie grundsätzlich bei<br />

jedem Zwischenfall damit rechnen müssen, dass sofort<br />

eine strafrechtliche Untersuchung erfolgt. Dies<br />

hängt tatsächlich vom Einzelfall selbst ab. Im Ergebnis<br />

wird nur eine winzige Minderheit von Sicherheitsvorfällen<br />

strafrechtliche Relevanz aufweisen.<br />

Ausblick<br />

Nach derzeitiger Rechtslage stehen sich die Idee der<br />

„Just Culture“ und die strafprozessualen Risiken für<br />

„praktizierende Flugsicherungsbedienstete“ sicherlich<br />

konträr gegenüber.<br />

Wenn ein Flugsicherungsbediensteter, der Angaben<br />

im Rahmen der Idee „Just Culture“ macht, damit rechnen<br />

muß, strafrechtlich unter Zuhilfenahme dieser Angaben<br />

belangt zu werden, wird sich seine Motivation<br />

verständlicherweise in engen Grenzen halten. Nichts<br />

desto trotz ist er seinem Arbeitgeber zu entsprechenden<br />

Meldungen verpflichtet.<br />

Ratsam ist jedoch immer, zunächst einen in der Materie<br />

bewanderten Strafverteidiger zu Rate zu ziehen,<br />

bevor Angaben zur Sache gegenüber Dritten gemacht<br />

werden, die, sind sie einmal im Umlauf, nicht wieder<br />

zurückgeholt werden können und dem Zugriff der<br />

Straf verfolgungsbehörden offenstehen.<br />

Um der sicherlich förderungswürdigen Idee der „Just<br />

Culture“ zum Siegeszug zu verhelfen, müßte die Gesetzes-<br />

und Rechtslage zwingen abgeändert und angepasst<br />

werden.<br />

Zu denken wäre hier insbesondere daran, ein Beweisverwertungsverbot<br />

für solch interne Meldedaten auszusprechen,<br />

oder aber in Anwendung von § 53 StPO<br />

Vorgesetzten des meldenden Flugsicherungsbediensteten<br />

und den Untersuchungsstellen gleich einem<br />

Berufsgeheimnisträger ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht<br />

einzuräumen.<br />

15 der flugleiter 2009/03


Recht<br />

Just Culture<br />

• Keine Zweckentfremdung zu<br />

Ungunsten des Meldenden<br />

• Informationen dienen ausschließlich der<br />

Verbesserung der Luftverkehrssicherheit<br />

• Vertraulichkeit der Daten auch gegenüber<br />

Strafverfolgungsbehörden<br />

• Solange „akzeptables Verhalten“, Fahrlässigkeit<br />

Stellung im Ermittlungsverfahren<br />

• Zeuge: Kann etwas aus eigener Wahrnehmung<br />

bekunden, ist nicht Beschuldigter<br />

• Verdächtiger: Kommt <strong>als</strong> Täter/Teilnehmer<br />

einer Straftat in Betracht<br />

• Beschuldigter: Verdächtiger, gegen den sich<br />

das Ermittlungsverfahren formell richtet<br />

Beweisgewinnung im Ermittlungsverfahren<br />

• Vorladungen der Polizei sind insgesamt<br />

unbeachtlich; weder Erscheinen, noch<br />

Aussage kann durchgesetzt werden.<br />

• StA kann Aussage von Zeugen und Aussage<br />

erzwingen (Ordnungsgeld, Vorführung)<br />

• Ermittlungsrichter auch Ordnungshaft<br />

Zeugenvernehmung<br />

• § 55 StPO: Auskunftsverweigerungsrecht zu<br />

einzelnen Fragen bei Selbstbelastung oder<br />

Belastung von Angehörigen<br />

• § 52 StPO: Zeugnisverweigerungsrecht generell<br />

bei beschuldigten Angehörigen<br />

• (§ 53 StPO: Berufsgeheimnisträger)<br />

• Bei unterbliebener Belehrung hierüber<br />

Beweisverwertungsverbot<br />

• Pflicht zur Wahrheit und Vollständigkeit<br />

Beschuldigtenvernehmung<br />

• Muß über Tatvorwurf aufgeklärt werden, ebenso<br />

im Hinblick auf sein Schweigerecht (nemotenetur-Grundsatz)<br />

belehrt werden, Hinweis<br />

auf Recht, einen Verteidiger hinzuzuziehen<br />

und Beweiserhebungen zu beantragen<br />

• Bei unterbliebener Belehrung hierüber<br />

Beweisverwertungsverbot<br />

• Recht zu lügen<br />

• (Gesamt-)Schweigen darf nicht nachteilig<br />

gewertet werden<br />

Beschlagnahmefreiheit<br />

• § 97 StPO: Unterlagen im alleinigen Gewahrsam<br />

des Zeugnisverweigerungsberechtigten<br />

• Ist der Beschuldigte zivilrechtlich/arbeitsrechtlich<br />

verpflichtet, sich zu einem strafrechtlich relevanten<br />

Vorgang zu äußern, so sind diese Angaben verwertbar,<br />

Unterlagen sind bei schwerwiegenden Straftaten<br />

(fahrlässige Tötung etc.) auch grundsätzlich<br />

beschlagnahmefähig<br />

Ausblick<br />

• Beweisverwertungsverbot für interne Meldedaten<br />

• Zeugnisverweigerungsrecht für Vorgesetzte der<br />

Meldenden und/oder Untersuchungsstellen<br />

(Analogie zu § 53 StPO)<br />

der flugleiter 2009/03<br />

16


Safety<br />

Safety<br />

performance<br />

satisfactory,<br />

ATCO in prison!<br />

✈ AEROSAFETYWORLD. March 2008<br />

Search for culprits – an increasing trend<br />

IFATCA has in the recent months been involved in defending<br />

air traffic controllers in incidents and/or accidents,<br />

which have been prosecuted by the judicial<br />

authorities. On a global level we have observed an increasing<br />

trend that media, public and judicial look for<br />

individual culprits in aviation, and not only when accidents<br />

occur. Like in the past when witch hunts were<br />

organized, societal needs are satisfied in the name of<br />

the (not necessarily religious) safety of the general<br />

public. Human Factors and systemic safety science<br />

have taught us that in high risk organization like civil<br />

aviation or in particular Air Traffic Control, only a systemic<br />

safety approach will lead to improvement of<br />

the safety performance. This however seems to be<br />

against human nature1 which demands errors receiving<br />

a punishment, based on a Judeo- Christian education<br />

starting at the creation of the world with the<br />

expulsion of mankind from paradise2.<br />

Why and How will safety performance be measured?<br />

ICAO through it’s Global ATM Concept has introduced<br />

the notion of performance for the future system. The<br />

overall system in order to be able to grow, will have to<br />

satisfy a bandwidth of performance in so called key<br />

performance areas. 11 are described in detail by ICAO.<br />

Organizations such as an ANSP will have to work with<br />

their own performance targets in order to achieve a<br />

regional or global performance standard which should<br />

meet a timeline. Safety is a key performance which is<br />

the most prominent at a global level, but as well at the<br />

Single European Sky II legislation and the NEXTGEN<br />

documentation currently available. ICAO is insisting to<br />

have the Annexes of the Chicago Convention translated<br />

into meaningful implementation at the operational<br />

level. Recently Safety Management Systems have<br />

been one of these important recommendations. Part<br />

of the Safety Management System are reporting systems<br />

(automated or operator report) which is the<br />

baseline for a structured organizational learning. This<br />

kind of learning is the first step in an improvement of<br />

the Safety Management System. Eurocontrol has just<br />

recently established a methodology for States and<br />

ANSPs to measure the safety maturity of it’s member<br />

states. This would allow a measurement of safety performance<br />

in a level playing field and then being able<br />

to draw benchmarks from it. There is however a need<br />

for lessons learned dissemination and insight into the<br />

followup action with regard to the safety recommendation<br />

– as benchmarking will not be enough to have<br />

a learning effect.<br />

SES II – Safety Performance linked to incentives<br />

Part of the safety performance to be addressed<br />

through measurement and safety management systems<br />

are, reporting system, incident measurements<br />

etc. and traceability of procedures. This means that<br />

states have to make sure that the air navigation service<br />

providers and the state itself have reporting systems<br />

for incidents in order to measure «reactive safety».<br />

Under the SES II legislation it is foreseen that a<br />

bonus/malus (disincentives) system will be coupled<br />

to the performance targets. So in order to achieve the<br />

safety targets and the maturity of safety measures<br />

throughout the European system – a reporting system<br />

will be put in place in order to satisfy the regulators<br />

wishes – but not necessarily to improve the overall system.<br />

There is a possibility that this will lead to increased<br />

pressure to report incidents (by internal orders<br />

and/or AIPs and ATM Manual) in order to achieve a<br />

better (what Dekker calls an accountability bureaucracy)<br />

performance. There is a risk that only the data<br />

collection system will be measured and not necessarily<br />

the safety of the system.<br />

Why we need incident reporting?<br />

We have learned from the past that accidents being a<br />

rare event, are difficult to use only as a source for<br />

von<br />

Marc<br />

Baumgartner,<br />

President and<br />

CEO IFATCA<br />

17 der flugleiter 2009/03


Safety<br />

Safety<br />

Justice<br />

remedial action to the system that ATM requires a<br />

mandatory incident reporting system and a voluntary<br />

reporting system in order to improve the current system.<br />

Some of these incidents are even investigated<br />

by several Accident Investigation Boards following the<br />

Annex 13 recommendations of ICAO. These investigations<br />

have to take place under the umbrella of a Just<br />

Culture philosophy which can <strong>als</strong>o be defined as a<br />

cornerstone in the process of Organizational learning.<br />

This just culture is defined by IFATCA/EUROCONTROL/<br />

ECAC as: A culture in which front line operators or<br />

others are not punished for actions, omissions or decisions<br />

taken by them that are commensurate with<br />

their experience and training, but where gross negligence,<br />

wilful violations and destructive acts are not<br />

tolerated.<br />

Just culture as a means to achieving the ultimate goal<br />

to have a safety system which is one of constant improvement<br />

facilitated by a free flow of safety information<br />

with the objective (next to an increase of safety<br />

information and an antidote against nil reporting system)<br />

to achieve a balance between the interests of<br />

safety (e.g. protection of safety information) and those<br />

of a proper administration of justice. This is when<br />

we have discovered that reporting for an ATCO is a risky<br />

business as it can lead directly to appearing in front<br />

of a prosecutor and legal investigation for a wrongdoing<br />

at the penal code level.<br />

Why accident investigators prepare the ground for<br />

criminalization of operational staff?<br />

Like in an accident some of the incidents IFATCA has<br />

been involved in have found out that the accident investigators<br />

–sometimes lack sufficient ATM knowledge<br />

or do not have any basic systemic safety approach<br />

in the way they are conducting the investigation.<br />

Many of the reports of the AAIB are written in a judgmental<br />

way – which are then used in those terms (or at<br />

least consulted by the prosecutors). All this is of<br />

course not foreseen in Annex 13, neither in the attachment<br />

Echo of ICAO – however it is a trend we were able<br />

to recently observe.<br />

ATCOs are being «ordered» by rules and procedures to<br />

report incidents, to give interviews as witness to the<br />

AAIB and to find themselves then accused for a crime<br />

(such as endangering public transport, or other penal<br />

code articles – depending on the gravity of the accident<br />

or incident), which they have, through their testimony<br />

(in good faith) to the AIIB investigator given–<br />

ammunition to have them indicted. Mind boggling!<br />

Proper training of Investigators<br />

and court expert needed?!<br />

IFATCA has found out that most of the AAIB around<br />

the world, lack sufficiently well educated and trained<br />

ATC investigators, which have learned what it means<br />

to look at an incident from a systemic point of view.<br />

Further, IFATCA is amazed to see that around the world<br />

that states ignore Annex 13 fundament<strong>als</strong> and prosecutors<br />

are allowed to use the AIIB reports for their investigations,<br />

maybe stemming from the fact that data<br />

from safety investigation are evidence and judicial investigation<br />

will use this evidence. (see Dutch Safety<br />

Board’s first publication after the crash of the Turkish<br />

aircraft in Amsterdam).<br />

When confronted with court tri<strong>als</strong> – IFATCA has been<br />

amazed in some cases to see – who is acting as ATC<br />

experts of prosecutors/court. In other cases these experts<br />

have never visited an ATC facility and do not separate<br />

reality from the movies i.e. what they have seen<br />

in the film called «Pushing Tin». IFATCA believes that a<br />

proper training is needed for ATC experts (including<br />

specialist aviation lawyers – or specially trained AT-<br />

COs) in both the investigation teams but <strong>als</strong>o in the<br />

case of a prosecutor or a court needing ATC expertise.<br />

These people have to be trained and understand the<br />

systemic safety approach otherwise we will continue<br />

to see an increase of incident reports being transferred<br />

to a prosecutor or lead to condemnation based on<br />

judgmental behavior of these so called experts.<br />

Conclusion<br />

There is a need to be sure that the future performance<br />

based ATM system does not increase the criminalization<br />

of front end operators for the purpose of performance<br />

measurement. ATCOs do not go to work to<br />

commit a crime. They are striving to do the best in any<br />

given situation. The systemic approach to the current<br />

and future ATM system is clearly indicating – that if<br />

high risk or complex system do fail – it is a failure of<br />

the system and not a failure of an individual. If you<br />

end up with the conclusion that the reason for an incident<br />

was Human Error then this will not be the end it<br />

will be the starting point for an investigation as there<br />

is deeper trouble inside the system (Dekker). A court<br />

case will not always improve safety neither will it be<br />

always just. To avoid any kind of cut and dried opinions<br />

get us at least a recognition of the potential misrepresentation<br />

and or miscarriage of justice of the<br />

ATCO by having processes in place that ensures that<br />

fairness in representation by competent persons is in<br />

place.<br />

der flugleiter 2009/03<br />

18


Management<br />

Führung in der Krise?<br />

von<br />

Claudia<br />

Campina<br />

Der „Führung“ und deren Qualität gilt in der DFS momentan<br />

besondere Aufmerksamkeit. Es wird diskutiert und getrommelt,<br />

Grundsätze zur Führung aufgeschrieben. In Zeiten wirtschaftlicher<br />

Depression bauen sich auch im System Flugsicherung Spannungsfelder<br />

auf. Dies führt unweigerlich zu Konflikten. Der Druck auf<br />

Entscheidungen wächst, da Ressourcenknappheit die Verteilung<br />

erschwert und Unsicherheit Ängste erzeugt.<br />

Der „Führung“ und deren Qualität gilt in der DFS<br />

momentan besondere Aufmerksamkeit. Es wird diskutiert<br />

und getrommelt, Grundsätze zur Führung aufgeschrieben.<br />

In Zeiten wirtschaftlicher Depression bauen<br />

sich auch im System Flugsicherung Spannungsfelder<br />

auf. Dies führt unweigerlich zu Konflikten. Der Druck<br />

auf Entscheidungen wächst, da Ressourcenknappheit<br />

die Verteilung erschwert und Unsicherheit Ängste<br />

erzeugt.<br />

Gut, dass man nun auch das „Thema Führung“ kritisch<br />

betrachtet. Für Kolleginnen und Kollegen stellt sich<br />

die Frage, ob dieses Vorgehen relevante Erkenntnisse<br />

bringt und letztendlich eine Änderung des Führungsverhaltens<br />

ermöglichen wird.<br />

Nicht wenige Führungskräfte werden durch eigene<br />

Mitarbeiter beziehungsweise andere Bereiche heute<br />

eher kritisch bewertet. Das Personalkarusell in diesen<br />

Ebenen dreht sich immer schneller, es müssen Entscheidungen<br />

zur Besetzung getroffen werden. Konsequente<br />

Trennungen in den oberen Etagen sind eher<br />

selten. (Sieht man von der plötzlichen Verabschiedung<br />

des vor nur wenigen Monaten neu berufenen<br />

„Chef der Kommunikation“ einmal ab, der eine neue<br />

Rekordzeit in der Verweildauer auf seinem Posten<br />

aufstellte.)<br />

Zunächst sollte man sich mit dem<br />

Begriff Führung grundsätzlich auseinandersetzten.<br />

Was versteht man<br />

eigentlich unter diesem Begriff? Der<br />

Führende bekommt die Legitimation,<br />

bewusst, ja zielgerichtet Einfluss auf<br />

andere Menschen zu nehmen. Er trägt somit hohe Verantwortung,<br />

wie er auf die Verhaltens- und Gefühlsebene<br />

seiner Mitarbeiter einwirkt, ähnlich einer erzieherischen<br />

Verantwortung in anderen Lebensbereichen.<br />

Es ist durchaus nicht selten, dass ein Mitarbeiter<br />

Handlungen durchführen muss, die seinen eigenen<br />

Wertvorstellungen widersprechen.<br />

Worin liegen die Gründe, dass Geführte unzufrieden<br />

sind und Prozesse nicht funktionieren?<br />

Ein wesentliches Problem ist in diesem Kreis der<br />

Umgang mit Macht. Ist das Selbstwertgefühl eines<br />

Führenden zu wenig ausgeprägt, wird seine Stellung<br />

für ihn immaterielles Statussymbol. Weder die Interessen<br />

des Unternehmens noch die seiner Unterstellten<br />

lenken im Kern seine Entscheidungen. Der Machtdrang<br />

verengt den Blick für Objektivität und Dialog,<br />

selbst projizierte Konflikte übertragen sich auf die<br />

Mitarbeiter und enden schlimmstenfalls in Bereichsfehden.<br />

Symbole der Macht können u.a. Anzahl der<br />

Geführten, Büroausstattung, Führungsebene oder<br />

das Jahresbruttoeinkommen sein.<br />

Eine andere Schwierigkeit stellt das rein leistungsorientierte<br />

Führen dar. Die Führungskraft schafft ein<br />

Wunschbild jenseits der Realität, nämlich dass sich<br />

die Wertschöpfung des Menschen auf rein fachliche<br />

Nachruf Thomas Heitzer<br />

Wir trauern um unseren Freund und Kollegen Thomas Heitzer, der am 30.05.2009 bei einem tragischen Verkehrsunfall<br />

ums Leben kam.<br />

Thomas beruflicher Weg führte ihn nach seinem Eintritt in die Bundeswehr über die Grundausbildung und die<br />

Sprachschule in Appen nach Kaufbeuren, wo er 1981 den Grundlehrgang für Tower und GCA erfolgreich abschloss.<br />

Weitere Stationen waren Büchel, Spangdahlem und Ramstein, wo er die Übernahme des Luftraums von der US-<br />

Luftwaffe begleitete. Als einer der Ersten ging er dann 1993 ins alte Center in Frankfurt, um die Aufnahme der beurlaubten<br />

Soldaten vorzubereiten. Nach dem Umzug des Centers nach Langen arbeitete Thomas <strong>als</strong> Fluglotse in der<br />

EBG05, wo er durch Fachwissen, Gewissenhaftigkeit und Kollegialität zu überzeugen wusste. Wir Kollegen wussten<br />

das zu schätzen und wählten ihn ins Safety Panel und zum Kompetenzbeobachter in der EBG05.<br />

Auch in den Verband Deutscher Flugleiter, einen der beiden Vorgängerverbände der GdF, brachte Thomas sein<br />

Fachwissen ein. Hier war er von 2002 bis 2004 <strong>als</strong> Vorstand für Fachliche Angelegenheiten tätig und begleitete<br />

in dieser Funktion auch die Geburtswehen der GdF. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand vertrat er<br />

weiterhin <strong>als</strong> Delegierter der ÖMV Rhein/Main die Interessen der GdF-Mitglieder.<br />

Unser besonderes Mitgefühl gilt seiner Familie. Thomas hinterlässt eine Frau und drei Kinder.<br />

Wir werden ihn schmerzlich vermissen.<br />

der flugleiter 2009/03<br />

22


Management<br />

und intellektuelle Intelligenz beschränkt, Zahlen und<br />

Kommas beherrschen sein Weltbild. Er findet keinen<br />

Zugang zur fremden und eigenen Wesenstiefe. Trifft<br />

er auf zwischenmenschliche Störungen, ist er oft überfordert<br />

und kann diese nicht konstruktiv auflösen.<br />

Wie würden die Mitarbeiter die Glaubwürdigkeit ihrer<br />

Führungskräfte einschätzen? Hält die Führungskraft<br />

was sie verspricht? Wie ehrlich ist sie? Handelt sie so,<br />

wie sie spricht? Glaubwürdigkeit ist losgelöst von jeglicher<br />

Hierarchie und bedeutet, dass ein Zuhörer oder<br />

Gesprächspartner eine Aussage ohne weitere Beweise<br />

anerkennt. Sie kann nicht erzwungen werden und ist<br />

eine Auszeichnung. Fehlt einer Führungskraft dieser<br />

Aspekt, werden zumindest die Mitarbeiter sich bald<br />

eine andere Aufgabe suchen. Glaubwürdigkeit ist der<br />

wichtigste fundamentale Träger von Verhandlungen<br />

zwischen Betriebsparteien. Hält sich eine Seite nicht an<br />

die Vereinbarung, verliert sie den Vorteil, auf gleicher<br />

Augenhöhe weiterzuverhandeln. Vertrauen nach Verlust<br />

zurückzubekommen, ist äußerst schwierig.<br />

Außerdem sind Angst vor Versagen und vor dem<br />

Entzug von Zuneigung elementare Ursachen von<br />

Führungsschwäche.<br />

Indikatoren dafür können beispielsweise die Bildung<br />

von Managementgremien sein. Um zu vermeiden,<br />

individuell f<strong>als</strong>ch zu entscheiden, werden unangenehme<br />

Themen auf viele Schultern verteilt – damit<br />

entsteht weniger Eigenverantwortung. Führungskräfte,<br />

die andere Meinungen vertreten <strong>als</strong> die Hierarchie<br />

über ihnen, müssen damit rechnen, sich erklären<br />

zu müssen und auf Missstimmung zu treffen. Autonome<br />

Entscheidungen verlangen Angstfreiheit und<br />

die Akzeptanz, Fehler machen zu dürfen. Wird selbst<br />

durch Angst geführt, in dem Drohungen ausgesprochen<br />

oder die Argumente der Mitarbeiter ignoriert<br />

werden, zeigt dies letztendlich nur die eigene Unsicherheit<br />

der Führenden.<br />

Verfügen wir über diese reifen, ethischen Potenziale<br />

für die Zukunft? Dies herauszubekommen bedarf es<br />

mehr <strong>als</strong> nur eines AC. Zuerst muss die Bereitschaft<br />

des Unternehmens bestehen, auf eine enge Vorauswahl<br />

zu verzichten und eine vakante Führungsposition<br />

frei auszuschreiben. Wie überraschend kann es sein,<br />

an Mitarbeitern neue Seiten zu entdecken. Danach<br />

sollte die Auswahl ohne Vorurteile stattfinden, intensive<br />

Gespräche mit den Bewerberinnen und Bewerbern<br />

verraten viel über Persönlichkeit und Motive.<br />

Gleichermaßen ist auch eine konsequente Trennungskultur<br />

notwendig. Wenn sich die Besetzung einer Führungsposition<br />

im Nachhinein <strong>als</strong> ein Fehler herausstellt,<br />

sollte die Entscheidung auch auf eine faire und<br />

wertschätzende Art zurückgenommen werden. Dass<br />

soll nicht bedeuten, ein Risiko ein zweites Mal zuzulassen.<br />

Das Problem zu verlagern statt es zu lösen ,<br />

bedeutet Ärger und Kosten. Entweder kann sich der<br />

Betroffene zurückbewegen in Tätigkeiten ohne Führungsverantwortung<br />

oder verlässt das Unternehmen.<br />

Schmitz<br />

Herrmann<br />

Rechtsanwälte<br />

Boris M. Schmitz<br />

Rechtsanwalt und<br />

Fachanwalt für Strafrecht<br />

Stammheimer Straße 10<br />

70806 Kornwestheim<br />

Telefon: 07154 – 17 84 44<br />

Telefax: 07154 – 17 84 45<br />

www.schmitzherrmann.de<br />

Nicht führen zu können, ist kein Makel, muss aber für<br />

die berufliche Entwicklung eines Mitarbeiters berücksichtigt<br />

werden.<br />

Desöfteren stellt man fest, dass manche Bereiche<br />

eine auffällig hohe Fluktuation aufweisen. Wenn fast<br />

jeder Mitarbeiter nach einem Jahr die Stelle wechselt,<br />

kostet dies das Unternehmen viel Geld, die Abteilung<br />

kann kein stabiles Fundament für ihre Aufgaben aufbauen.<br />

Dafür bedarf es der Sensibilität zu erkennen,<br />

endlich die Führungskraft statt ständig die Mitarbeiter<br />

auszuwechseln.<br />

Menschen sind von Natur aus verschieden. Wie sieht<br />

die Führungskraft aus, die die Kunst des Führens<br />

beherrscht?<br />

Erfolgreich führen, erfordert eine reife und stabile Persönlichkeit,<br />

die Wertebewusstsein besitzt und sich für<br />

die Belange der Geführten interessiert. Das bedeutet<br />

auch zu akzeptieren, dass jede Beziehung zu anderen<br />

Menschen von Gefühlen getragen wird und Fachkompetenz<br />

allein niem<strong>als</strong> ausreicht, Menschen führen zu<br />

können. Außer Wissen und Können lassen Gerechtigkeit,<br />

Geduld und Verständnis Führung erfolgreich<br />

werden.<br />

In der „Allgemeinen Führungslehre“ der Bundeswehr<br />

ist Führungsverantwortung wie folgt beschrieben:<br />

„Wer Führungsverantwortung trägt, muss für sein<br />

Handeln Rechenschaft ablegen.“<br />

23 der flugleiter 2009/03


ATC USA<br />

Greise ans Board? –<br />

Personalpolitik im Zeichen der Krise<br />

Aufgrund der besonderen Fähigkeiten, die für die Tätigkeit eines<br />

Air Traffic Controllers erforderlich sind und ihrer außerordentlichen<br />

Belastung haben Fluglotsen das „Privileg“, etwas früher in den<br />

Ruhestand zu wechseln <strong>als</strong> Angehörige anderer Berufsstände. Nun<br />

scheint eine Studie in den USA dieses in Frage zu stellen.<br />

Ältere Controller sind genauso in der Lage, für die erforderliche<br />

Sicherheit im Luftraum zu sorgen wie ihre<br />

jüngeren Kollegen, weil sie die im Alter nachlassende<br />

Leistungsstärke durch ihre Erfahrung ausgleichen<br />

können. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die<br />

im März dieses Jahres in der von der „American Psychological<br />

Association“ herausgegebenen Fachzeitschrift<br />

„The Journal of Experimental Psychology“ veröffentlicht<br />

wurde. Um zu diesem Ergebnis zu kommen,<br />

hatten Ashley Nunes und Arthur F. Kramer von der Universität<br />

von Illinois die Leistungsfähigkeit von 36 lizensierten<br />

Controllern mit 36 Personen anderer Berufe<br />

verglichen. Wobei in jeder der beiden Gruppen 18<br />

jüngere und 18 ältere Testpersonen unter die Lupe genommen<br />

wurden.<br />

Dabei wurden bei beiden Gruppen altersbedingte Einschränkungen<br />

hinsichtlich der Selbstkontrolle, bei<br />

wechselnder Aufgabenstellung, des räumlichen Vorstellungsvermögens,<br />

des Gedächtnisses und der Arbeitsgeschwindigkeit<br />

festgestellt. Eigentlich ist dies<br />

nichts Neues. Denn schließlich hat der Mensch, ob er<br />

es wahrhaben möchte oder nicht, im Alter von ca. 30<br />

Jahren den Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit bereits<br />

überschritten. Wobei diese nachlassende Leistungsfähigkeit<br />

bekanntlich durch die Lebenserfahrung<br />

bis zu einem bestimmten Grad kompensiert<br />

werden kann. Bei den untersuchten Controllern stellten<br />

die Verfasser der Studie jedoch fest, dass die älteren<br />

Controller ihre Kontrollaufgaben ganz gut („quite<br />

well“) erledigt haben, wobei sie aufgrund ihrer Berufserfahrung<br />

insbesondere bei der Lösung komplexer<br />

Verkehrssituationen besonders gut abschnitten.<br />

Zudem benötigten sie dabei weniger Anweisungen <strong>als</strong><br />

ihre jüngeren Kollegen. Und dies, obwohl die jüngeren<br />

Controller über bessere kognitive Fähigkeiten verfügten.<br />

Aufgrund dieser Ergebnisse kamen Ashley Nunes und<br />

Arthur F. Kramer zu der Empfehlung, das Pensionsalter<br />

der Controller (in den USA liegt es bei 56 Jahren)<br />

neu zu überdenken. Die FAA wird sich über dieses Ergebnis<br />

gefreut haben. Schließlich werden bis zum Jahr<br />

2012 rund 7 100 ihrer insgesamt 15 000 Controller das<br />

56. Lebensjahr erreichen. Das ist fast die Hälfte der<br />

aktiven Lotsen und es ist unwahrscheinlich, dass bis<br />

von<br />

Werner<br />

Fischbach<br />

✈ Immer mehr Verkehr mit immer weniger Personal?<br />

Photo: T. Säfström / lfv<br />

31 der flugleiter 2009/03


ATC USA<br />

dahin eine ausreichende Zahl von Controllern ausgebildet<br />

werden kann (über die Personalmisere der FAA<br />

wurde im „flugleiter“ schon des öfteren berichtet, so<br />

dass hierauf nicht im Besondern eingegangen werden<br />

soll). Nun könnte die US Luftfahrtbehörde auf die Idee<br />

kommen, unter Berufung auf diese Studie das Pensionsalter<br />

ihrer Controller einfach zu erhöhen. Frei nach<br />

dem Motto „Greise ans Board“!<br />

Thema verfehlt<br />

Nun ist es mit Studien und Gutachten so eine Sache.<br />

Bereits die Themen- bzw. Fragestellung nimmt oftm<strong>als</strong><br />

schon eine Antwort vorweg. Zudem kommt, dass die<br />

Wissenschaft schon längst ihren Elfenbeinturm verlassen<br />

hat. Oder um es genauer zu sagen, sie gezwungen<br />

wurde, diesen zu verlassen. Wissenschaft wird<br />

heute nicht mehr betrieben, um herauszubekommen,<br />

was die Welt in ihrem Innersten zusammenhält. Wissenschaft<br />

muss sich lohnen und deshalb sind oftm<strong>als</strong><br />

nicht die Neugierde und der Forschertrieb das treibende<br />

Element, bestimmten Dingen auf den Grund zu<br />

gehen, sondern der Auftraggeber bzw. Sponsor legt<br />

fest, was erforscht werden soll. Was nicht bedeuten<br />

soll, dass damit auch schon bestimmte Ergebnisse<br />

vorgegeben werden. Und um Missverständnisse<br />

von vorneherein auszuräumen –<br />

die Studie wurde nicht von der FAA,<br />

sondern vom „National Institute<br />

of Aging“ in Auftrag gegeben.<br />

So ging es den Verfassern der<br />

Studie nach eigenem Bekunden<br />

nicht unbedingt um die<br />

Lösung der Personalprobleme<br />

bei der FAA, sondern<br />

um die Überwindung von<br />

negativen Stereotypen hin-<br />

sichtlich des Alterns. Sie kamen zu dem Schluss, dass<br />

Arbeiter ihren Job nicht aufgrund ihres Alters, sondern<br />

ihrer Fähigkeiten bekommen und erhalten sollten.<br />

„Workers should get and keep jobs on the basis to<br />

their ability, not their age“. Gut gebrüllt, Löwe!<br />

Nun wird der vorzeitige Ruhestand für Controller weniger<br />

mit ihrer im Alter nachlassenden Leistungsfähigkeit<br />

begründet, sondern hauptsächlich wegen der<br />

psychischen und sozialen Belastung, der sie bei der<br />

Ausübung ihres Berufes ausgesetzt sind. Allein der<br />

Schichtdienst und die hohe Zahl der Nachtschichten<br />

werden von den Medizinern <strong>als</strong> äußerst gesundheitsschädlich<br />

angesehen. Dazu kommen oftm<strong>als</strong> mentale<br />

Höchstleistungen, um zum Beispiel den Verkehr zur<br />

„Rushhour“ sicher und effizient abzuwickeln oder<br />

komplexe Verkehrssituationen zu lösen. Verbunden<br />

mit dem Druck, immer mehr Verkehr mit immer weniger<br />

Personal abwickeln zu müssen.<br />

Die Reaktion des US Controllerverbands NATCA (National<br />

Air Traffic Controllers Association) kam recht<br />

schnell. Zunächst einmal stimmte Pressesprecher<br />

Doug Church der Studie zu, indem er die Leistungsfähigkeit,<br />

Erfahrung und Fähigkeit älterer Controller für<br />

die sichere Abwicklung des Luftverkehrs hervorhob.<br />

Aber, erklärte er weiter, dass die Tätigkeit der Controller<br />

einen sehr hohen psychischen und physischen<br />

Preis fordert, die meisten von ihnen ausgebrannt sind<br />

und deshalb im Alter zwischen 50 und 56 Jahren berechtigterweise<br />

in den Ruhestand gehen. „They have<br />

earned their retirement.“ Deshalb haben in den letzten<br />

drei Jahren nur zwei Prozent der Controller bis zum<br />

56. Lebensjahr durchgehalten. So findet diese Studie<br />

nach Meinung von Doug Church „the right conclusion,<br />

but offered the wrong recommendation“. Ein deut-<br />

Photo: Mark Brouwer<br />

der flugleiter 2009/03<br />

32


ATC USA<br />

✈ Längere Dienstzeiten und später in den<br />

Ruhestand wegen der Krise?<br />

Photo: DFS<br />

scher Gymnasiallehrer hätte das ein wenig anders,<br />

aber kürzer ausgedrückt: Thema verfehlt!<br />

Die Tätigkeit eines Controllers ist keine einfache. Das<br />

ist hinlänglich bekannt; über die Belastung und den<br />

daraus entstehenden Stress für die Controller wurden<br />

zahlreiche Bücher geschrieben. Auch wenn diese bereits<br />

vor einigen Jahren herausgegeben wurden, so<br />

hat sich an ihren Kernaussagen nicht besonders viel<br />

geändert. Wer sich in den Chefetagen der Flugsicherungsdienstleister<br />

(ANSPs) mit Hilfe der Studie von<br />

Ashley Nunes und Arthur F. Kramer dennoch berufen<br />

fühlt, leichtfertig an der Altersgrenze der Controller zu<br />

drehen, sollte sich zumindest die Mühe machen, sich<br />

auch diese Literatur zu Gemüte zu führen.<br />

Die Probleme der ANSPs zu Zeiten der Krise<br />

Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat nicht<br />

nur die Fluggesellschaften und Flugzeughersteller erwischt,<br />

sondern auch die ANSPs (Air Navigation Services<br />

Provider). Denn wenn die Airlines kleinere Flugzeuge<br />

einsetzen, Strecken ausdünnen oder ganz<br />

streichen, dann macht sich das negativ in den Kassen<br />

der Flugsicherungsdienstleister bemerkbar. In einigen<br />

FIRs wurde ein Rückgang des Verkehrsaufkommens<br />

bis zu 18% festgestellt und sollten, wie von einigen<br />

befürchtet, die Einnahmen um 20% zurückgehen, so<br />

stehen einige ANSPs vor ernsthaften Problemen. Die<br />

Frage ist nur, wie diese Probleme zu lösen sind. Die<br />

einfachste Lösung wäre natürlich eine Erhöhung der<br />

Flugsicherungsgebühren. Allerdings wäre dies nicht<br />

besonders sinnvoll, da dadurch die fliegende Kundschaft<br />

zusätzlich belastet und dies für einige Fluggesellschaften<br />

das endgültige Aus bedeuten würde. Zudem<br />

besteht die Gefahr, dass die Aufsichts- bzw.<br />

Regulierungsbehörden oder die zuständigen Verkehrsminister<br />

einem derartigen Vorhaben einen Riegel<br />

vorschieben würden. Deshalb sind etwas intelligentere<br />

Lösungen gefragt. Natürlich hat sich auch die<br />

CANSO (Civil Air Navigation Services Organisation),<br />

gewissermaßen der internationale Arbeitgeberverband<br />

der Flugsicherungsdienstleister, mit diesen Problemen<br />

auseinander gesetzt. Was bei der CANSO hinter<br />

verschlossenen Türen besprochen wird und welche<br />

Maßnahmen dort diskutiert und vorgeschlagen werden,<br />

ist natürlich nicht in Erfahrung zu bringen. Wer<br />

sich jedoch die CANSO News, die man von der Homepage<br />

(www.canso.org) dieser Organisaton herunterladen<br />

kann, zu Gemüte führt, kann sich ein Bild machen,<br />

wohin die Reise gehen soll.<br />

Am 27. März hat sich CANSO in einem offenen Brief an<br />

die Flugzeugbetreiber gewandt und dargelegt, welchen<br />

Beitrag sie zur Bewältigung der Krise leisten wolle<br />

und eine Reihe von Maßnahmen aufgelistet, mit<br />

welchen sie die Höhe der Flugsicherungsgebühren auf<br />

einem stabilen Niveau zu halten versucht. Dass es da-<br />

33 der flugleiter 2009/03


ATC USA<br />

Photo: FAA<br />

✈ US Towercontroller – leistungsfähig im Alter,<br />

aber kaum einer bleibt bis 56<br />

bei auch ihren Bediensteten ans Geld und an soziale<br />

Errungenschaften gehen soll, versteht sich fast von<br />

selbst. Wobei fairerweise angemerkt werden muss,<br />

dass dabei auch an das Gehalt der Manager gedacht<br />

wird („cut own wages first“). Wie dies dann in der Praxis<br />

gestaltet wird, muss sich noch zeigen. Schließlich<br />

ist ja noch das Verhalten diverser Investment-Bänker,<br />

die auf der einen Seite Staatsknete abzockten und auf<br />

der anderen Seite ihre Boni erhöhten, in schlechter<br />

Erinnerung.<br />

In dem erwähnten offenen Brief werden von CANSO-<br />

Gener<strong>als</strong>ekretär Alexander ter Kuile insgesamt 15<br />

Maßnahmen aufgeführt. Nicht alle betreffen unmittelbar<br />

das Personal. Zumindest nicht direkt. Und einige<br />

wie das Bemühen, mehr auf die interne Kosteneffizienz<br />

zu achten oder die Reisekosten zu kürzen, können<br />

<strong>als</strong> Allgemeinplätze abgelegt werden. Wie die nachfolgende,<br />

unvollständige Aufzählung zeigt, haben es andere<br />

jedoch in sich (wörtlich aus der Liste entnommen):<br />

• Reduction of staff overtime and/or<br />

(external) staff numbers<br />

• Freeze salaries where possible<br />

• Adjust retirement ages and consider<br />

pension schemes where practical<br />

• Review training programs, when this<br />

does not impact future capacity<br />

• Optimise rosters and shift planning<br />

• Consider revised ATM services at night<br />

• Delay projects<br />

Was hier den Kunden in Aussicht gestellt wird, ist<br />

nichts anderes <strong>als</strong> ein neoliberaler Maßnahmenkatalog,<br />

der allerdings auf die Belange der Flugsicherung<br />

zugeschnitten wurde. Natürlich geht es an das Geld<br />

(freeze salaries), an die Altersgrenze (adjust retirement)<br />

und an die Dienstzeiten (optimise roosters and<br />

shiftplanning). Wobei man davon ausgehen muss,<br />

dass die Altersgrenze nicht nach unten, sondern nach<br />

oben angepasst werden soll. Und dass bei einer Optimierung<br />

der Schichtpläne Controller und Flugdatenbearbeiter<br />

nicht weniger, sondern länger am Board<br />

sitzen sollen. Für die Bediensteten der Flugsicherungen<br />

bekommen Aussagen, nach welchen der Markt<br />

es schon richten werde oder dass privatrechtlich organisierte<br />

Organisationen viel effizienter auf neue Herausforderungen<br />

reagieren können, eine ganz andere,<br />

nämlich negative Bedeutung. Die Erkenntnis, dass die<br />

Belastungen, denen die Controller bei ihrer Tätigkeit<br />

ausgesetzt sind, durch soziale Maßnahmen ausgeglichen<br />

werden sollten, tritt da in den Hintergrund und<br />

die in den Hochglanzbroschüren der Unternehmen so<br />

gerne abgedruckte Phrase, nach welchen die Angestellten<br />

das höchste Gut eines Unternehmens darstelle,<br />

verkommt so zu einem reinen Lippenbekenntnis.<br />

Eines fehlt bei der CANSO-Maßnahmenliste: die Bereitschaft,<br />

die Krise gemeinsam mit ihren Bediensteten<br />

bzw. deren Vertreter zu lösen. Vielmehr scheinen<br />

zumindest einige CEOs auf Konflikt gebürstet zu sein.<br />

So hat nach einer unbestätigten Meldung der CEO<br />

eines ANSPs aus einem anderen Teil der Welt seine<br />

Kunden gefragt, wie weit er bei den Auseinanderssetzungen<br />

mit den Arbeitnehmern denn gehen könne.<br />

Und die antworteten, dass sie für die Sache schon ein<br />

wenig zu leiden bereit wären. Wo die Schmerzgrenze<br />

der Airlines dann liegen wird, kann nicht mit Sicherheit<br />

vorausgesagt werden. Wenn es jedoch zu Arbeitsniederlegungen<br />

kommen sollte, dann werden sie (einmal<br />

wieder) lauth<strong>als</strong> beklagen, dass die raffgierigen<br />

Controller ihren Frust auf dem Rücken der Passagiere<br />

austragen. Oder wahlweise, diese für ihre Interessen<br />

in Geiselhaft nehmen!<br />

Beim Studium des offenen CANSO-Briefes kann man<br />

sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die gegenwärtige<br />

Krise <strong>als</strong> Chance gesehen wird, die sozialen<br />

Errungenschaften der Flugsicherungsbediensteten,<br />

insbesondere der Controller, auf einfachem Weg zu<br />

ent sorgen. Möglicherweise werden sich die ANSPs<br />

dann auch noch auf ein Gutachten berufen, das anstatt<br />

die Belastungen, die Leistungsfähigkeit älterer<br />

Controller untersucht und dabei das Thema verfehlt hat.<br />

der flugleiter 2009/03<br />

34


ATC Aktuell<br />

HEF/GED Umsetzung<br />

Am 12. März 2009 ging nach einem Jahr Planung und Schulung mit<br />

der Einführung der Umstrukturierung der Sektoren HEF (Hersfeld)<br />

und GED (Gedern) in der langen FIR eine lange Leidenszeit für die<br />

Lotsen und Flugdatenbearbeiter <strong>als</strong> auch den Luftraumnutzern im<br />

Bereich nordöstlich von Frankfurt zu Ende. Aber bevor ich zu einer<br />

Erklärung der Sektoren komme, sollten die Hintergründe der Änderungen<br />

beleuchtet werden.<br />

von<br />

Dirk Müller<br />

Die Sektoren HEF und GED wurden vor einigen Jahren<br />

im Rahmen eines Gesamtpakets mit Änderungen bei<br />

Karlsruhe UAC sowie München ACC/MUAC neu gestaltet.<br />

Leider wurden die Einwände der Experten von den<br />

Strategen verworfen. Es hieß dam<strong>als</strong>, das Gesamtpaket<br />

würde allen Nutzern helfen, untergeordnete Bedenken<br />

sollten zurückstehen. Also musste die EBG 03<br />

im Center Langen die bittere Kröte schlucken und der<br />

Einführung zustimmen.<br />

Aus dem früheren reinen Inbound Sektor GED wurde<br />

ein Stack- bzw. Overflowsektor. Er wurde nur bei exzessiven<br />

Holding geöffnet. Dies hatte zur Folge, dass<br />

der HEF-Sektor zu einem Inbound, Overbound und<br />

Outbound Sektor mit allen Konsequenzen wurde. Wie<br />

jedem schnell klar sein dürfte, war die Kapazität des<br />

HEF-Sektors schnell erschöpft. Flow-Control-Maßnahmen<br />

zu den Spitzenzeiten waren die Folge. Es wurden<br />

viele Variationen der Regulierungsmaßnahmen ausprobiert,<br />

doch die allerletzte Wahrheitsfindung wurde<br />

nie erreicht. Es gibt keinen Lotsen in der EBG, der trotz<br />

Steuerungsmaßnahmen auf HEF/GED nicht schon mal<br />

abgesoffen wäre. Die Komplexität des Sektors HEF<br />

war so hoch, dass eine korrekte Vorhersage des zu erwartenden<br />

Verkehrs durch die CFMU nicht möglich<br />

war. HEF/GED wurde innerhalb kürzester Zeit die<br />

Nummer zwei in der Hitliste der Regulierungsmaßnahmen<br />

der Langen FIR (EDGG FIR). Das berühmt berüchtigte<br />

„Bunching“ führte öfter zu Werten von ca.<br />

20 Luftfahrzeugen in 20-25 Minuten.<br />

Speziell das Flugprofil aus Richtung Südosteuropa mit<br />

Ziel Köln/Bonn (Sauerland Approach) mit Übergang<br />

aus dem oberen in den unteren Luftraum sorgte bei<br />

uns für abenteuerliche Kontrollanweisungen sowie<br />

Anfragen der Piloten, ganz abgesehen von den unnötigen<br />

Diskussionen auf der Frequenz. Da die Möglichkeit<br />

der Rücknahme von Streckenprofilen zur Entlastung<br />

des Sektors gegen Null ging, suchten wir<br />

fortwährend nach Lösungsansätzen.<br />

37 der flugleiter 2009/03


ATC Aktuell<br />

Bevor die AG EBG 03 in Aktion treten konnte, benötigten<br />

wir das „Go“ des COS (Chief of Section). Die Genehmigung<br />

zur Weiterführung (mittlerweile ein Teilprojekt<br />

des Projekt ELL) erhielten wir erst nach<br />

längeren Diskussionen und Erläuterungen und auch<br />

nur unter Auflagen. Glücklicherweise hatte sich Peter<br />

Joecks aus der EBG03 schon früh mit den möglichen<br />

Lösungsansätzen des neuen Luftraums am Rose-Simulator<br />

auseinandergesetzt und Simulationsübungen<br />

zum Projekt geschrieben, so daß diese <strong>als</strong> Argumentationshilfe<br />

sehr hilfreich waren.<br />

Bedingungen zur Fortführung<br />

der Arbeiten waren u.a.<br />

• die Forderung nach einer Personal unabhängigen<br />

Umsetzung, denn auch die EBG 03 leidet unter der<br />

DFS-weiten Personalmisere.<br />

• Weiterhin sollten die Übergabepunkte mit den benachbarten<br />

Sektoren nicht wesentlich verändert<br />

werden. Folglich wurden schon im Sommer letzten<br />

Jahres Abstimmungsgespräche unter Federführung<br />

von ZU/FDA durchgeführt. Dort wurde unser Vorhaben<br />

den Sachbearbeitern und Lotsen der benach-<br />

der flugleiter 2009/03<br />

38


ATC Aktuell<br />

barten Kontrollstellen vorgestellt. Erste Bedenken<br />

konnten somit ausgeräumt und neue Ideen entwickelt<br />

werden<br />

Unsere Hartnäckigkeit wurde belohnt und fast allen<br />

Änderungswünschen wurde zugestimmt. Sicherlich<br />

mussten alle Seiten Zugeständnisse machen, aber<br />

nicht nur wir können mit dem Resultat zufrieden sein,<br />

auch die Nachbarn sollten es sein, obwohl es wahrscheinlich<br />

noch ein paar Tage braucht, bis jeder die<br />

neue Sektorisierung verinnerlicht hat.<br />

Nun zur Erläuterung der Aufgaben und Abläufe in den<br />

neuen Sektoren. Grundsätzlich bearbeitet der GED<br />

Sektor nur noch Anflüge nach Frankfurt. Bisher sah<br />

der Flugverlauf es vor, dass diese Flüge durch beide<br />

Sektoren gingen und somit eine Frequenzdoppelbelastung<br />

verursachten. Heute bleiben sie durch die neue<br />

Stufenstruktur klar vom HEF-Sektor. Einzige Ausnahme<br />

ist die Strecke WRB-GED für Abflüge EDLP, EDWW,<br />

EDVV, EDDH. Diese werden untereinander koordiniert.<br />

Der HEF Sektor ist jetzt nur noch für die Abflüge EDDF<br />

und Überflüge zuständig.<br />

Diese beiden Sektoren winden sich wie ein „Gordischer<br />

Knoten“ umeinander. Die Frankfurt-Anflüge<br />

von Norden müssen zum Beispiel in verschiedenen<br />

Stufen (Treppendescent) aus ihrer Flughöhe genommen<br />

werden, um nicht den darunter wie auch teils darüber<br />

befindlichen HEF-Sektor zu penetrieren. Erst im<br />

Nahbereich des Frankfurter Flughafens können diese<br />

auf die Übergabehöhe mit Frankfurt Approach sinken.<br />

Dennoch sorgt die neu eingeführte Struktur durch die<br />

Verkehrsentzerrung für deutlich weniger Delay und<br />

Lotsenkapazität.<br />

Die Bilder 1-3 zeigen die komplizierte Luftraumstruktur<br />

der beiden miteinander verschlungenen Sektoren.<br />

Sicherlich mussten einige Flugprofile zu Lasten der<br />

Überflüge geändert werden, um dem GED-Sektor entsprechend<br />

Spielraum geben zu können. So wurden<br />

z.B. die Nutzung der Luftstraßen G5 und L604 für zunächst<br />

drei Monate stark eingeschränkt (aktuell wurden<br />

die Einschränkungen bis Ende 2009 verlängert).<br />

Aber die Vorteile der Anfüge EDDF überwiegen die<br />

Nachteile der anderen Luftfahrzeuge. Der Luftfahrzeuganteil<br />

der Frankfurt-Anflüge zu Spitzenzeiten lag<br />

bei fast zwei Dritteln (> 20 EDDF-Anflüge pro Std.)<br />

der Gesamtzahl im Sektor. Dies allein berechtigt das<br />

Umleiten der anderen Luftraumnutzer.<br />

Sicherlich werden einige Leser jetzt sagen: „Wo bleibt<br />

die allgemeine Luftfahrt? Die muss wieder einmal in<br />

den sauren Apfel beißen und längere Strecken akzeptieren“.<br />

Dies ist richtig, aber die meiste Zeit des Tages<br />

werden die beiden Sektoren zusammengelegt sein.<br />

Dann obliegt es der Entscheidung des jeweiligen Lotsen,<br />

den Luftfahrzeugen entsprechende Direct-Routings<br />

zu erteilen. Auch während Zeiten hohen Ver-<br />

39 der flugleiter 2009/03


ATC Aktuell<br />

kehrsaufkommens, wenn beide Sektoren getrennt<br />

sind, wird es die eine oder andere Möglichkeit geben,<br />

den Nutzern den Umweg zu ersparen.<br />

Abschließend noch ein Ausblick in die Zukunft und<br />

zum alles beherrschenden Thema „Kapazität“: Mit<br />

dieser Änderung des Luftraums ist der Nordostbereich<br />

der EBG 03 für die Zukunft hervorragend aufgestellt,<br />

denn die notwendigen Strukturen für die Inbetriebnahme<br />

der vierten Bahn in Frankfurt wurden schon<br />

weit im Voraus geschaffen. Wie die Simulation und die<br />

bisherigen Erfahrungen gezeigt haben, ist eine erhebliche<br />

Steigerung der Kapazität realistisch. Von Werten<br />

möchte ich an dieser Stelle nicht reden, aber seit dem<br />

Einführungstag wurde nicht eine Verkehrsflusssteuerungsmaßnahme<br />

aus Kapazitätsgründen benötigt.<br />

Die Anzahl der Luftfahrtzeuge, die unter den Streckensperrungen<br />

leiden mussten, hielt sich bisher in Grenzen.<br />

Leider wird die Notwendigkeit der Sperrungen<br />

immer noch nicht richtig eingeschätzt.<br />

Mit Inbetriebnahme der vierten Bahn wird eine Verlagerung<br />

des jetzigen Übergabepunkts GED inklusive<br />

Holding nach Osten hin notwendig. Voraussichtlich<br />

müssen die Luftfahrtzeuge künftig vom Center, je nach<br />

vorgesehener Landebahn, vorsortiert werden. Spätestens<br />

dann wird man sich dem Thema Luftraumstruktur<br />

HEF/GED sehr schnell wieder widmen müssen.<br />

Denn wozu wird eine zusätzliche Bahn gebaut, wenn<br />

das Center die geschaffenen Kapazitäten womöglich<br />

nicht ausfüllen kann.<br />

der flugleiter 2009/03<br />

40


On Tour<br />

Landung in der<br />

„Großen Bucht“<br />

Text und<br />

Photos von<br />

Kai Schlender<br />

Wenn ein Flughafen nicht wegen des Verkehrsaufkommens spektakuläre Inselwelt vor dem schottischen<br />

Mainland frei. Im langsamen<br />

Berühmtheit erlangt, dann kann eigentlich nur ein spektakuläres<br />

Anflugverfahren der Grund dafür sein. Der kleine Flugplatz auf Sinkflug geht es nach Sichtflugbedingungen<br />

über die Hebridensee direkt<br />

der schottischen Hebriden­Insel Barra hat nichts von diesen beiden<br />

Eigenschaften zu bieten und kann dennoch mit einer weltweit Richtung Isle of Barra. Obwohl es in<br />

einmaligen Besonderheit aufwarten. Gelegen vor der eigentlichen EGPR (ICAO-Indicator für Barra) ein<br />

Küstenlinie in der Bucht Traigh Mhor (gälisch für: „Große Bucht“) NDB gibt, existieren keine IFR-Verfahren.<br />

Also muß vor dem Erreichen des<br />

ist der Isle of Barra Airport der einzige Strand­Landeplatz mit gezeitenabhängigem<br />

Linienflugbetrieb*. Grund genug, dieses außergewöhnliche<br />

Abenteuer einmal „live“ zu erleben.<br />

durchgeführt werden, bei den wech-<br />

Platzes stets eine IFR-cancellation<br />

selhaften atlantischen Wetterbedingungen<br />

hier nicht immer selbstverständlich. Allerdings<br />

gelten die Piloten bei Loganair <strong>als</strong> sehr erfahren und<br />

die Twin Otter wird natürlich mit Zwei-Mann-Cockpit<br />

betrieben, wobei die Copilotin auch die Aufgaben<br />

eines Flugbegleiters übernimmt (was jedoch keinen<br />

großen Mehraufwand bedeutet, da es keinen Service<br />

während des Fluges gibt).<br />

✈ DeHavilland DHC-6 Twin Otter auf dem Isle of<br />

Barra Airport<br />

So wird es für die Besatzung an diesem Tage kein<br />

großes Problem gewesen sein, auch ohne hochentwickeltes<br />

GPS an Bord rechtzeitig Sichtkontakt auf die<br />

langgezogene Inselkette der Äußeren Hebriden zu bekommen.<br />

Das knapp 40 m 2 große Barra ist eine der<br />

südlichsten Inseln der Gruppe. In der kurzen Platzrunde<br />

kann man einen wunderschönen Blick auf die einsamen<br />

Sandstrände genießen, natürlich auch auf den<br />

Landeplatz. Trotz böigen Südwindes von bis zu 30<br />

Knoten setzt die kleine Turboprop sanft auf der Piste<br />

15 im Watt vor Barra auf. Nach wenigen Augenblicken<br />

ist die Parkposition am Strand erreicht und die etwa<br />

8-9 Passagiere erfahren die frische Brise auf dem<br />

kurzen Weg zum kleinen Terminal.<br />

Flug über Highlands und Islands<br />

Am frühen Nachmittag startet die robuste DHC-6 Twin<br />

Otter mit der Flugnummer BE6847 am internationalen<br />

Flughafen von Glasgow zu ihrem 70-minütigen Flug<br />

zum westlichsten Flugplatz Schottlands auf der kleinen<br />

Insel Barra (Äußere Hebriden). Operator der 18sitzigen<br />

Maschine ist die Fluggesellschaft Loganair, welche<br />

schon seit den 1970er Jahren die luftseitige<br />

Verbindung zu den entlegenen Atlantikinseln herstellt.<br />

Vorher fast ausschließlich im Auftrag der British Airways<br />

tätig, fliegt man seit ca. 1 Jahr für die aufstrebende<br />

FlyBe, was sich auch in der Bemalung der Maschinen<br />

zeigt.<br />

Bei heiterem April-Himmel (von wegen typisch britisches<br />

Regenwetter!) steigt die Twin Otter nach dem<br />

Start auf der Piste 23 in Glasgow langsam auf 6500<br />

Fuß. Beim Passieren der Hafenstadt Oban verschwinden<br />

die letzten Wolken und machen den Blick auf die<br />

✈ Marker Posts sind die einzige Möglichkeit zur<br />

Identifizierung der Runways<br />

Isle of Barra Airport<br />

Auch wenn es sich praktisch um ein gezeitenabhängiges,<br />

großes Stück Sandstrand handelt, verfügt der<br />

Flugplatz über drei Start- und Landebahnen, oder besser<br />

–richtungen (15/33, 07/25, 11/29). Diese sind<br />

der flugleiter 2009/03<br />

48


On Tour<br />

durch sogenannte „Marker Posts“, Holzschilder mit<br />

der Bezeichnung der Start- bzw. Landerichtung vor<br />

der jeweiligen „Piste“, gekennzeichnet. Mit einer Länge<br />

zwischen 680m und 846m sind die Bahnen mehr<br />

<strong>als</strong> ausreichend für die STOL-taugliche DHC-6.<br />

Die Sand-Runways auf Barra sind übrigens sehr fest<br />

und könnten auch problemlos größere Luftfahrzeuge<br />

tragen. Auf diese wird man hier aber eher vergeblich<br />

warten. Im Normalfall ist der werktägliche Linienflug<br />

aus Glasgow, welcher danach noch einen kurzen Umlauf<br />

zur nördlich gelegenen Insel Benbecula macht<br />

und wenig später wieder von Barra zurück zu Schottlands<br />

Industriemetropole aufbricht, die einzige Flugbewegung.<br />

Einmal im Jahr findet dann noch ein Fly-Inn<br />

statt. Auch die Ambulanz-Flüge (es gibt auf der Insel<br />

kein richtiges Krankenhaus) sind nur noch selten zu<br />

Gast, seit diese nicht mehr mit der Britten-Norman Islander,<br />

sondern meist mit einem flugplatzunabhängigen<br />

Eurocopter EC-135 durchgeführt werden. Sonntags<br />

ist der Platz generell geschlossen – Barra ist noch<br />

streng katholisch. Somit ist es auch kein Wunder, daß<br />

bei knapp 1300 Flugbewegungen pro Jahr lediglich<br />

etwa 10 400 Passagiere auf die Insel fliegen.<br />

Fliegen bei Wind & Wetter<br />

Die große Herausforderung auf Barra ist natürlich das<br />

Wetter, allen voran der Wind. Mit den drei unterschiedlich<br />

ausgerichteten Bahnen kann man jedoch die ungewollte<br />

Seitenwindkomponente weitgehend gering<br />

halten. Und selbst bei widrigsten Verhältnissen bietet<br />

die Bucht einen einmaligen Vorteil: „On pilots descretion“<br />

wird dann schon mal einfach genau in den Wind<br />

gelandet, unabhängig von der Pistenausrichtung. So<br />

ist es dann auch kein Wunder, daß man mit der Twin<br />

Otter bei bis zu 40 kts Wind landet. Mir wurde erzählt,<br />

den Rekord halte ein Ambulanzflug, der einst bei<br />

einem Wind von 64 Knoten gelandet sei.<br />

Diese Vorteile und der Naturschutz sind dann auch die<br />

Hauptgründe, warum die immer mal wieder diskutierten<br />

Pläne, eine feste Piste auf der Insel zu bauen (z.B.<br />

gegenüber der Straße, welche am Terminal vorbei<br />

führt), wohl verworfen werden, obwohl Loganair verständlicherweise<br />

nicht gerade sehr erfreut ist über<br />

den hohen Wartungsaufwand, der durch die Salzwasserbelastung<br />

beim Flugbetrieb in der Bucht entsteht.<br />

Andererseits befürchtet man auf dem Tower Probleme<br />

mit der Betriebsgenehmigung, wenn das neue EU-<br />

Recht greifen sollte. Eine Schließung des Platzes hätte<br />

unabsehbare Folgen für die Insel. Von den etwa 1300<br />

Einwohnern Barras arbeiten nicht wenige Familienväter<br />

auf den schottischen Ölplattformen und sind auf<br />

schnelle (Umsteige-)Verbindungen angewiesen, um<br />

genügend Wochenend-Zeit mit ihren Angehörigen zu<br />

verbringen. Eine Einstellung der Flüge würde diese zur<br />

Abwanderung zwingen, denn die alternative Fährüberfahrt<br />

allein bis zur Westküste Schottlands dauert<br />

schon fast fünf Stunden.<br />

✈ Arbeitsplatz mit Strandblick: Die Towerkanzel<br />

Betreiber des seit 1933 existierenden Flugplatzes ist<br />

die in Inverness ansässige Highlands and Islands Airports<br />

Ltd. (HIA), welche alle schottischen Insel-Airports<br />

sowie vier Plätze auf dem Mainland besitzt. Der<br />

Tower ist wie das Terminal (welches Café, check-in<br />

und Wartebereich in einem Raum vereint) ein praktischer<br />

Zweckbau. Die Lotsen sind gleichzeitig Flughafen-Feuerwehr<br />

und umgedreht. Die Ausstattung des<br />

Kontrollturmes ist sehr modern und für die Bedeutung<br />

des Flugplatzes vollkommen ausreichend. Natürlich<br />

gibt es hier kein Radar, aber trotzdem den Kontakt zur<br />

„großen weiten Fliegerwelt“, und zwar immer dann,<br />

wenn hin und wieder die Crew eines „Widebody“ auf<br />

ihrem Transatlantikflug aus Langeweile mal bei BAR-<br />

RA INFO reinruft. Eine willkommene Abwechselung für<br />

beide Seiten.<br />

✈ Klein und zweckmäßig: Tower mit dem dahinter<br />

liegenden Terminal-Häuschen<br />

Für uns ist schon nach nicht einmal zwei Stunden wieder<br />

Zeit, die Insel zu verlassen. Außerdem zieht nun<br />

doch das vermeintlich typische schottische Regenwetter<br />

auf. Nach einer gemütlichen Tea Time im Terminal-Café<br />

und einer Sicherheitskontrolle, die vergleichbar<br />

mit der bei einem ganz normalem Disco-<br />

Einlaß ist, „flüchten“ wir mit der nun etwas besser<br />

ausgelasteten Twin Otter vor der herannahenden, von<br />

oben <strong>als</strong> auch von unten kommenden Flut. Nichtsdestotrotz<br />

bleiben schöne Eindrücke vom knapp zweistündigen<br />

Aufenthalt auf der Isle of Barra. Besonderer<br />

Dank gilt natürlich auch der netten Flugplatz-Crew,<br />

49 der flugleiter 2009/03


On Tour<br />

welche einen unkomplizierten und trotz des kurzen<br />

Aufenthaltes umfassenden Einblick in die örtlichen<br />

Gegebenheiten ermöglichte.<br />

*) nach unbestätigten Recherchen des Autors existiert<br />

auf Frasier Island/Australien noch ein zweiter<br />

„Strand-Landeplatz“ mit Linienflugbetrieb, ob dieser<br />

aber auch tidenabhängig ist, ist nicht bekannt.<br />

(s. dazu auch Bericht auf S. 51)<br />

✈ Hier rechnet niemand mit Gedränge<br />

bei der Gepäckausgabe<br />

Photos: Kai Schlender<br />

Firmenprofil Loganair<br />

Loganair (ICAO-Kürzel: LOG, Rufzeichen: „Logan“) darf<br />

sich wohl zu Recht „Scotland’s Airline“ nennen. Denn<br />

erst in den letzten Jahren etablierten sich weitere<br />

schottische Fluggesellschaften, wie z.B. Highland Airways<br />

oder Flyglobespan. Der Pionier des planmäßigen<br />

Luftverkehrs im Land der Clans und des Whyskies begann<br />

im Jahre 1962, mit einer Piper Aztec Air Taxi-<br />

Dienste von Edinburgh aus durchzuführen. Damit ist<br />

Loganair eine der am längsten existierenden Airlines<br />

in Großbritannien.<br />

Das „Orkney Inter Island Network“ wurde bereits 1964<br />

eingeführt. Sechs Jahre später wurden auch die Shetland-Inseln<br />

per Flugzeug eingebunden, nachdem man<br />

schon seit 1967 mit der Britten Norman Islander Ambulanzflüge<br />

auf den der schottischen Westküste vorgelagerten<br />

Inneren Hebriden durchgeführt hatte.<br />

Ab 1975 weitete sich das Netz kontinuierlich aus, da<br />

British Airways die Bedienung aufkommensschwacher<br />

Routen an Loganair übertrug, so zum Beispiel zu den<br />

Western Isles (Äußere Hebriden), <strong>als</strong> auch erste innerschottische<br />

„Mainland“-Routen. Mit Glasgow-Derry<br />

(Nordirland) folgte 1979 die erste außerschottische<br />

Route. Gerade Nordirland erwies sich dam<strong>als</strong> <strong>als</strong> gro-<br />

ßer Erfolg, da man es schaffte, mit der 1981 begonnenen<br />

Bedienung des Belfast-City Airports dem damaligen<br />

mächtigen Konkurrenten British Airways (der<br />

zum außerhalb gelegenen Flughafen Aldergrove flog)<br />

auf der Glasgow-Belfast-Strecke die Marktführung abzujagen.<br />

Mit der Aufnahme von Flügen nach Manchester<br />

konnte man in der Folge auch erstm<strong>als</strong> auf dem<br />

englischen Markt Fuß fassen. Diese äußerst positive<br />

Entwicklung machte die Beschaffung größeren Fluggerätes<br />

vonnöten, was man in der Fokker 27 und dem fliegenden<br />

Schuhkarton, der Shorts 360, fand. Kurz darauf<br />

stieg man mit der British Aerospace BAe 146-200, von<br />

der man zwei Exemplare betrieb, ins Jetzeitalter ein. Dadurch<br />

konnten lukrative Verbindungen nach Europa sowie<br />

auf die Kanalinseln aufgenommen werden. Mit den<br />

British Aerospace Jetstream 31, 41 und der ATP wurde<br />

die Flotte nochm<strong>als</strong> erweitert. So war man in den späten<br />

Achtzigern Marktführer in Belfast-City, zweitstärkste<br />

Airline im Passagieraufkommen in Manchester und<br />

man übernahm eine wichtige Rolle beim Aufbau des<br />

Flughafens von Southampton.<br />

Nachdem es gelang, mit der britischen Post einen Vertrag<br />

über die Durchführung der Nachtpostflüge abzuschließen,<br />

folgte 1994 eine Re-Organisation der British-Midland-Gruppe,<br />

die seit 1983 die Kontrolle über<br />

Loganair hatte. Im Ergebnis wurden alle Auslandsrouten<br />

an Manx Airlines (Isle of Man) übertragen. Im gleichen<br />

Jahr wird Loganair zweiter Franchise-Operator<br />

von British Airways – allerdings immer noch im Besitz<br />

der BMI-Group. Die innerschottischen Strecken wurden<br />

nun mit British-Airways-Rufzeichen und -Bemalung<br />

durchgeführt.<br />

Seit einem sogenannten Management-Buy-out im<br />

Jahre 1997 werden die Flüge innerhalb der Orkney-,<br />

Shetland- und Hebriden-Inseln wieder unter Loganair-<br />

Kontrolle bedient (mit Britten Norman Islander und<br />

DHC-6 Twin Otter). Für die Flüge im Auftrag von British<br />

Airways wurden Saab 340 beschafft und im März 2004<br />

eine British Aerospace ATP im wet lease von der damaligen<br />

BA CitiExpress.<br />

Im Juli 2008 wurde das langjährige Franchise-Abkommen<br />

mit British Airways beendet. Sämtliche Flüge, die<br />

bisher für den britischen Flag-Carrier durchgeführt<br />

wurden, erfolgen nun im Auftrag von FlyBE mit entsprechender<br />

Bemalung. In diesem Zusammenhang<br />

wurde auch Dundee nach vielen Jahren wieder in das<br />

Streckennetz aufgenommen. Somit fliegt Loganair<br />

mittlerweile auf 25 Routen insgesamt 18 Ziele im Vereinigten<br />

Königreich an.<br />

Loganair besitzt derzeit 2 Britten Norman BN-2 Islander,<br />

2 DeHavilland DHC-6 Twin-Otter sowie stolze 14<br />

Saab SF-340. Der Sitz der Gesellschaft ist Glasgow.<br />

Außer auf dem dortigen Flughafen kann man die Loganair-Maschinen<br />

vor allem in Edinburgh, Inverness und<br />

natürlich auf den vielen kleinen Inselflugplätzen<br />

Schott lands erleben.<br />

der flugleiter 2009/03<br />

50


Luftfahrt International<br />

Himmel über der Wüste<br />

Wer hat die schönste Airline im ganzen Land:<br />

vom Wettstreit über die Herrschaft am Himmel<br />

Die neuen Falken der Scheichs haben gewaltig an Spannweite<br />

zugelegt. Sie starten nicht mehr vom Arm ihres Besitzers aus, sondern<br />

benötigen dafür lange Bänder aus Asphalt. Sie fliegen über<br />

alle Ozeane, sind Millionen Dollar teuer, stammen aus Seattle oder<br />

Toulouse – und sind wie einst die Jagdvögel am Rande der Wüste<br />

der ganze Stolz der Herrscher am Golf. Sie treten in erbitterten<br />

Wettstreit gegeneinander an. Ihre Namen: Emirates, Etihad, Qatar<br />

Airways, Gulf Air, Oman Air, RAK Airways, Kuwait Airways, Saudi<br />

Arabian Airlines.<br />

von<br />

Helge<br />

Sobik<br />

Dabei kämpfen sie weit weniger um Passagiere und<br />

Erträge <strong>als</strong> ums beste Image, um die höchsten Auszeichnungen<br />

der Branche, um perfekten Service und<br />

größten Luxus. Gewinne sind dabei eher zweitrangig,<br />

so lange die Erträge aus dem Öl und dem Gas noch<br />

sprudeln. Auch ein Falke hat schließlich durch seine<br />

Jagd niem<strong>als</strong> Unterhalt und Erwerb wieder eingespielt,<br />

sondern galt nichts <strong>als</strong> der Freude seines Besitzers.<br />

Was Airlines angeht, stellt sich die Schneewittchenfrage<br />

leicht abgewandelt am Golf täglich neu: „Wer hat<br />

die Schönste im ganzen Land?“<br />

Die Fluggesellschaften sind Imageträger für die<br />

Staaten, aus denen sie kommen. Sie sind Lieblingsspielzeug<br />

der Milliardäre an der jeweiligen Spitze –<br />

und sie sind elementarer Bestandteil im Businessplan<br />

aller Fürstentümer, die den Erfolg nach dem Vorbild<br />

Dubais nachvollziehen wollen: erst die Touristen,<br />

dann die Geschäftsleute ins eigene Land ziehen, auf<br />

kürzestem Weg, nonstop, ohne dabei auf die Hilfe anderer<br />

angewiesen zu sein.<br />

Eine Stadt auf die Weltkarte heben<br />

Emirates, gegründet 1985, hat es vorgemacht, wie<br />

man eine Stadt auf die Weltkarte hebt: indem man<br />

kontinuierlich hinfliegt, sie erreichbar macht und damit<br />

den Boden für Investment bereitet – auch wenn es<br />

Jahre dauert, bis man den Break Even des Unternehmens<br />

erreicht. Schließlich dient man der Volkswirtschaft<br />

insgesamt. Denn erst wenn es Flüge gibt, investieren<br />

Hoteliers. Erst wenn es Flüge und Hotels gibt,<br />

kommen die Touristen. Und erst wenn es reichlich<br />

53 der flugleiter 2009/03


Luftfahrt International<br />

Photos: Wikipedia<br />

Flüge und viele Hotels gibt, kommen<br />

die Veranstalter, die noch weit mehr<br />

Touristen bringen. Erst wenn viele Fremde<br />

da sind, profitiert der Einzelhandel,<br />

entstehen immer neue Shopingzentren,<br />

werden Museen gebaut, Sehenswürdigkeiten<br />

geschaffen – und noch mehr Hotels<br />

aus dem Boden gestampft. Ein Perpetuum<br />

mobile, an dessen Anfang<br />

in Dubais Fall die Airline stand,<br />

die inzwischen längst die<br />

wichtigsten Weltstädte auf allen<br />

Kontinenten im Netz hat –<br />

von den Metropolen Fernosts<br />

und Australiens bis in den Süden<br />

Afrikas, von Nord- und Südamerika<br />

bis Europa. Über sechzig<br />

wöchentliche Flüge bietet allein Emirates<br />

inzwischen von Dubai nach Australien<br />

und Neuseeland an – im Schnitt mehr <strong>als</strong> acht am<br />

Tag. Das Bild von der Drehscheibe am Golf ist Wirklichkeit<br />

geworden.<br />

Längst ist aus einem schmächtigen Airport in der Wüste<br />

auf diese Weise ein Weltflughafen, ein interkontinentales<br />

Drehkreuz erster Güte geworden – und aus<br />

der unterschätzten Airline von einst ein globaler Branchenriese,<br />

der sich anschickt, Fortschreibung des gegenwärtigen<br />

Wachstumstempos vorausgesetzt, in<br />

deutlich weniger <strong>als</strong> einem Jahrzehnt die größte Fluggesellschaft<br />

der Welt zu sein: zum Stolz der Besitzerfamilie<br />

al-Maktoum, die ganz nebenbei in Dubai<br />

herrscht und die Rahmenbedingungen für dieses<br />

Wachstum geschaffen hat.<br />

Milliarden für neue Airports<br />

Alles, was mit Luftfahrt zu tun hat, ist am Golf erstrangige<br />

Standortpolitik. 8,2 Milliarden Dollar soll der Bau<br />

des <strong>als</strong> weltgrößter Flughafen geplanten neuen Al<br />

Maktoum Airport in Dubai kosten, 6,8 Milliarden fließen<br />

derzeit in den Ausbau des Flughafens von Abu<br />

Dhabi, neun Milliarden in den Flughafen-Neubau vor<br />

der Toren der qatarischen Hauptstadt Doha. Dieser<br />

massive Ausbau der Infrastruktur soll die Länder am<br />

Golf auf die Zeit nach dem Öl vorbereiten.<br />

Spät erst kamen Dubais Nachbarn darauf, dieselbe<br />

Trumpfkarte zu spielen – weil sie lange nicht allzu viel<br />

vom Tourismus hielten, das Öl-Geld von alleine kam<br />

und man all die Fremden im Land weder brauchte noch<br />

über ein Luftverkehrsdrehkreuz in die Welt verteilen<br />

wollte. Den Herrscherhäusern Abu Dhabis, Bahrains<br />

und Omans genügte es, gemeinsam die Fluggesellschaft<br />

Gulf Air zu betreiben, an der zeitweise auch Qatar<br />

beteiligt gewesen ist: ein kompliziertes Proporzgeschäft<br />

unter dem Zwang, <strong>als</strong> relativ kleine Firma<br />

mehrere Eigner und damit mehrere Drehkreuze halbwegs<br />

gleichberechtigt bedienen zu müssen. Es gelang<br />

nie wirklich mit großem Erfolg. Und so zog sich erst<br />

Qatar, dann Abu Dhabi und schließlich der Oman aus<br />

dem Gemeinschaftsunternehmen zurück, dass nun<br />

einzig Bahrain gehört.<br />

Die Flugpläne vereinfacht das, den Betrieb macht es<br />

kostengünstiger und effektiver zugleich: Jeder Langstreckenflug<br />

führt nun zuerst nach Bahrain. Gulf Air<br />

braucht nur noch ein Drehkreuz und kann sich endlich<br />

aufs Geld verdienen konzentrieren. Und natürlich, wie<br />

es sich für einen Falken gehört, aufs Schönsein. Mit<br />

breiten Sitzen, neuem Logo, neuen Lounges – mit<br />

allem, was Kunden locken und mehr noch das Bild<br />

Bahrains im Ausland positiv beeinflussen könnte.<br />

In Vorzeige-Fluggesellschaften investieren<br />

Die Herrscherhäuser der einstigen Partner investieren<br />

derweil in eigene Schmuckstücke: der Oman in die<br />

eher regional aufgestellte Oman Air, die dennoch bereits<br />

nach London fliegt und bald auch Frankfurt ansteuern<br />

will. Abu Dhabi in ein Prachtstück, das der<br />

Rolle des Emirats <strong>als</strong> Hauptstadt der Vereinigten Arabischen<br />

Emirate und dessen Herrscherhauses <strong>als</strong><br />

reichste Familie weit und breit endlich gerecht werden<br />

soll: Dass Etihad den Rivalen Emirates mit Macht herausfordern<br />

will, verdeutlicht schon die vom ersten<br />

Betriebstag an gewählte Unterzeile im Firmennamen:<br />

„die Airline der Vereinigten Arabischen Emirate“ – <strong>als</strong><br />

ob es nichts längst eine weitaus ältere Firma gäbe, die<br />

die Emirate sogar im Eigennamen führt und im Ausland<br />

<strong>als</strong> nichts anderes wahr genommen wird <strong>als</strong> die<br />

Fluggesellschaft des Staatenbundes am Golf. In Dubai<br />

gibt man sich gelassen und reagiert besser gar nicht<br />

der flugleiter 2009/03<br />

54


Luftfahrt International<br />

auf die Stichelei des reicheren Nachbar, der nur gut<br />

100 Kilometer vom eigenen Weltdrehkreuz seinen eigenen<br />

globalen Umsteigeflughafen aufzieht und in<br />

der Startphase sogar eine Boeing 767 aus der Privat-<br />

Flotte der Herrscherfamilie zum Bestand zählte. Sie<br />

kam immer dann zum Einsatz, wenn sich mal eine der<br />

regulär für den Passagierdienst bestuhlten Maschinen<br />

verspätete oder ausfiel.<br />

Wie Emirates generiert Etihad Umsteigeverkehre, verkauft<br />

längst nicht nur Tickets in die eigene Stadt, sondern<br />

weit mehr darüber hinaus: via Abu Dhabi nach<br />

Indien, Thailand, China, Australien – ganz so wie es<br />

Emirates via Dubai tut. Gepunktet wird mit hervorragender<br />

Bordverpflegung, mit außergewöhnlich hohem<br />

Sitzkomfort und großem Platzangebot bei vergleichsweise<br />

niedrigen Tarifen: damit Schneewittchen gelobt<br />

und bewundert werde. Damit es sich herumspricht –<br />

und irgendwann derart multipliziert hat, dass sich das<br />

Unterfangen auch finanziell trägt.<br />

Das Rezept ist dasselbe, mit dem Emirates einst Rivalen<br />

auf den Strecken nach Dubai besiegt hat – selbst<br />

Lufthansa, British Airways, Air France: Sei besser in<br />

allem, was der Passagier sieht – und sei mindestens<br />

so gut wie die anderen bei allem, was er nicht sieht.<br />

Sei dabei im schlimmsten Fall genauso teuer, aber<br />

verlange niem<strong>als</strong> mehr <strong>als</strong> der Gegner. Die Rechnung<br />

ging auf. Ob sie ein zweites Mal aufgehen wird?<br />

Wachstumsmarkt selbst in der Krise<br />

So lange die Verkehre wachsen, und davon ist weltweit<br />

unabhängig von der Wirtschaftskrise zumindest<br />

mittelfristig fest auszugehen, ist Platz<br />

für mehrere am Himmel über dem Golf.<br />

Und über den Kontinenten. Nach Schätzungen<br />

der Luftfahrtvereinigung IATA<br />

vom Jahresbeginn wird das weltweite<br />

Passagieraufkommen 2009 um drei Prozent<br />

hinter den Vorjahreswert zurückfallen,<br />

im Mittleren Osten aber mit 1,2<br />

Prozent im Plus bleiben. Das ist wenig<br />

im Vergleich zu den Vorjahren mit plus<br />

sieben Prozent in 2008 und sogar plus<br />

18,1 Prozent in 2007 – aber viel in Zeiten<br />

der Weltwirtschaftskrise. Emirates ist<br />

zumindest fürs eigene Unternehmen<br />

optimistischer und hat für 2009 die<br />

Aufstockung der Kapazitäten um sogar<br />

vierzehn Prozent angekündigt.<br />

Zu den Siegern<br />

zählen will auch<br />

Qatar Airways.<br />

Das Rezept ist bekannt:<br />

versuche der<br />

Beste zu sein, baue ein<br />

Drehkreuz auf, das Dir mehr<br />

bietet <strong>als</strong> Dein viel zu kleiner<br />

Heimatmarkt, betreibe eine Premium-Fluggesellschaft<br />

–<br />

und rede darüber.<br />

Lasse Dir Neues<br />

einfallen, was die<br />

Zielkundschaft beeindruckt,<br />

und sie<br />

wird Dir treu bleiben: ein<br />

eigenes Umsteige-Terminal<br />

für die First- und Business Class-<br />

Passagiere zum Beispiel – mit Spa für<br />

die gestresste Umsteiger-Kundschaft, mit<br />

Pool, kostenlosen Massagen, mit Duschen sowieso,<br />

mit kostenlosen Restaurants, mit Konferenzraum,<br />

Internet-Rechnern, mit Gratis-Tageszimmern<br />

sogar für alle Erste-Klasse-Passagiere, deren Anschlussflug<br />

noch auf sich warten lässt. Gedacht, gebaut,<br />

gepunktet. Das erfolgreiche Premium Terminal<br />

in Doha wurde gerade erst mit Multi-Millionen-Aufwand<br />

erweitert und ist doch nur eine Übergangslösung<br />

– denn der weit größere New Doha International<br />

Airport vier Kilometer vom bisherigen ist bereits in<br />

Bau und soll ihn in absehbarer Zeit ablösen.<br />

So oder so: Die Region bleibt Wachstumsmarkt.<br />

Binnen fünf Jahren, so<br />

eine gerade ein Jahr alte Prognose der<br />

IATA, werde sich das jährliche Passagiervolumen<br />

in der Region von rund<br />

160 Millionen auf dann 320 Millionen<br />

Flugreisende pro Jahr verdoppeln.<br />

Gute Perspektiven für ambitionierte<br />

Airlines.<br />

55 der flugleiter 2009/03


Luftfahrt International<br />

Multi-Milliarden-Bestellungen<br />

bei Airbus und Boeing<br />

Emirates, Etihad und Qatar Airways spielen im Weltluftverkehr<br />

ganz vorne mit und mischen die Reihenfolge<br />

auf dem Treppchen täglich neu. Gulf Air unterdessen<br />

ist erst dabei, sich neu zu erfinden. Oman Air will<br />

gar nicht erst eine globale Rolle spielen, mag kein<br />

Umsteige-Drehkreuz aufziehen, sondern will lediglich<br />

das Heimatland besser erreichbar machen. Saudi Arabian<br />

Airlines ist ein Spiegelbild des Heimatlandes –<br />

eher verschlossen, nach innen gewandt, kein Unternehmen,<br />

dass sich im derzeitigen Umfeld sonderlich<br />

interessiert zeigt, Passagiere von außerhalb der arabischen<br />

Welt gar für Weiterflüge zu gewinnen. Kuwait<br />

Airways unterdessen hat lange den Anschluss an die<br />

Top-Riege verloren und macht keine sichtbaren Anstalten,<br />

ihn zu suchen und aufschließen zu wollen.<br />

Und RAK Airways, die noch junge nationale Fluggesellschaft<br />

des Emirates Ras al-Khaimah, ist momentan<br />

viel zu klein und beschränkt sich trotz weit hochfliegenderer<br />

Pläne bislang überwiegend auf Flüge in die<br />

Entsendeländer der Gastarbeiter am Golf.<br />

Die Scheichs päppeln ihre Falken aus Aluminium und<br />

Kohlefaser. Die Airlines der Region haben sich gewappnet<br />

für das, was ihnen die IATA an Wachstum<br />

prognostiziert. Gerade erst hat Emirates-Shairman<br />

Scheich Ahmed bin Saeed al-Maktoum eine neue Billigfluggesellschaft<br />

unter dem Namen FlyDubai angekündigt<br />

– und mal eben 54 Maschinen vom Typ Boeing<br />

737-800 geordert. 1.300 Jets mit einem Listenpreis<br />

von 178 Milliarden Dollar haben die Airlines der Regi-<br />

on zusammengenommen binnen der letzten drei Jahre<br />

einschließlich Optionen bei Airbus in Toulouse und<br />

Boeing in Seattle bestellt, darunter etliche Doppelstock-Airbus<br />

A380. Emirates hat bereits die ersten in<br />

Betrieb – und sich eine prestigeträchtige Neuerung<br />

einfallen lassen, die den Airbus-Ingenieuren anfangs<br />

Kopfzerbrechen bereitet hat: die erste Dusche in<br />

einem Linienflugzeug – in der First Class des Riesenvogels.<br />

Das rechnet sich angesichts des mitzuführenden<br />

Wasservorrats und des für dessen Transport aufzubringenden<br />

Kerosins zwar nicht, aber schön ist es.<br />

Einzigartig. Besonders. Anders. Es bringt Renommé.<br />

Und Schlagzeilen. Das macht den Falkner glücklich.<br />

Was will man mehr.<br />

Vom Autor dieses Beitrags erscheint im August der<br />

Reportagen-Band „Sand zu Gold, Wüste zu Geld“<br />

(Picus Verlag; im Buchhandel 14,90 EUR).<br />

der flugleiter 2009/03<br />

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