Brüder nach 1951 eine neue Ästhetik des immateriel - Die Deutsche ...
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36 u Schwerpunkt<br />
der in Scheibenmitte am stärksten erhellten<br />
Spielebene. Der in der Horizontalen<br />
sichtbare Schatten resultierte<br />
aus den Überhöhungen im Glas. 8 <strong>Die</strong><br />
Idee s<strong>eine</strong>r zunächst rein symbolischen<br />
Lichtführung erklärte Wieland Wagner<br />
bereits 1952: „M<strong>eine</strong> Regieabsicht ist es,<br />
ganz deutlich und auffällig immer die<br />
für jede Szene entscheidende Person<br />
hervortreten zu lassen und alles andere<br />
abzublenden. Dadurch schwindet<br />
der Naturalismus und steigt das Sinnbildhafte.“<br />
9 Im Dunkeln blieben meist<br />
auch die sichtbaren Begrenzungen im<br />
Bühnenraum zwischen Scheibe und<br />
Rundhorizont sowie die Rampe. Das<br />
Übereinandersetzen von Scheinwerfern<br />
konnte <strong>eine</strong> Erhöhung der horizontalen<br />
Tiefenwirkung erzielen.<br />
„Durch Veränderung der Schärfe, Begrenzen<br />
<strong>des</strong> Projektionsausschnitts<br />
oder Mehrfachprojektion entstanden<br />
jene überwirklichen Lichtbilder,<br />
die insbesondere die Lichtregie von<br />
Wieland Wagner seit 1952 berühmt<br />
machten.“ 10<br />
<strong>Die</strong> Technik der Mehrfachprojektion<br />
wandte der Beleuchtungsexperte<br />
Paul Eberhardt auch bei<br />
Ingrid Kapsamer, Autorin dieses Beitrags, veröffentlichte<br />
ein wegweisen<strong>des</strong> Buch zur Bühnenästhetik Wieland<br />
Wagners: „Wieland Wagner. Wegbereiter und Weltwirkung“.<br />
Vorwort von Nike Wagner. Styria Premium, Wien<br />
2010. Sie wurde in Linz geboren, absolvierte ein Studium<br />
der Theaterwissenschaft, Musikwissenschaft, Philosophie<br />
und deutschen Philologie an der Universität<br />
Wien, wo sie am Institut für Theater-, Film und Medienwissenschaft<br />
an der philologisch-kulturwissenschaftlichen<br />
Fakultät promovierte. Forschungsaufenthalte<br />
führten sie <strong>nach</strong> München und <strong>nach</strong> Bayreuth, wo<br />
sie bereits 2003 als Stipendiatin der Richard-Wagner-<br />
Stipendienstiftung gewesen war. Zur Vertiefung ihrer<br />
theoretischen Arbeit war sie an der Wiener Staatsoper<br />
als Dramaturgieassistentin tätig und im Österreichischen<br />
Theatermuseum im Archiv für Bühnenbild- und<br />
Kostümentwürfe sowie an der Akademie der Wissenschaften<br />
im Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte.<br />
Parallel absolvierte sie <strong>eine</strong> Ausbildung<br />
zur Kulturmanagerin. Seit 2006 widmet sie sich <strong>eine</strong>r<br />
PR-Tätigkeit in verschiedenen Organisationen.<br />
speziellen Ornamentprojektionen an.<br />
Dabei verwendete er „Ornamentglas<br />
unterschiedlichster Strukturen oder<br />
auch in geschwärzte Glasscheiben gekratzte<br />
Ornamente als ‚Bilder‘“ 11 – so<br />
entstanden Strukturprojektionen am<br />
Rundhorizont und / oder Bühnenboden<br />
zum Zweck <strong>eine</strong>r, in Entsprechung<br />
zur modernen bildenden Kunst, zeitgemäßen<br />
Darstellung von Naturszenen<br />
und -stimmungen in abstrahierten<br />
Formen <strong>des</strong> Organischen (z.B. „Parsifal“:<br />
Klingsors Zaubergarten, „Tannhäuser“:<br />
Wartburgtal). Wieland Wagner betonte,<br />
dass er diesbezüglich „lieber <strong>eine</strong><br />
Überstilisierung als <strong>eine</strong>n Rückfall in<br />
den Naturalismus der Vergangenheit<br />
in Kauf“ 12 nehme, und mit s<strong>eine</strong>m konsequenten<br />
Verzicht auf die herkömmliche<br />
Illusionserzeugung schuf er <strong>eine</strong><br />
„Dramaturgie <strong>des</strong> ‚unsichtbaren Theaters‘“<br />
13 , die dem gestaltenden Licht und<br />
der Musik viel Raum ließ und auch den<br />
Reformideen Adolphe Appias zu <strong>neue</strong>r<br />
Aktualität verhalf. Angeregt durch das<br />
Erlebnis der naturalistischen Illusionsbühne<br />
bei den Bayreuther Festspielen<br />
und den technischen Status quo der<br />
(zwar elektrischen, aber noch <strong>nach</strong> dem<br />
starren Schema der Kulissen-Soffiten-<br />
Bühne) erhellenden Bühnenbeleuchtung<br />
in Verbindung mit den Effektprojektionen<br />
zur Imitation von Wellen- und<br />
Wolkenbewegungen entwickelte er<br />
s<strong>eine</strong> zukunftsweisende Theorie der Inszenierung<br />
für Wagners mythische Musikdramen,<br />
basierend auf der Idee <strong>eine</strong>r<br />
systematischen Teilung der gesamten<br />
Bühnenbeleuchtung in „verteilen<strong>des</strong><br />
Licht“ oder „Helligkeit“ sowie in aktives,<br />
„gestalten<strong>des</strong> Licht“ 14 als adäquates<br />
Ausdrucksmedium für die Musik.<br />
Wieland Wagner entwickelte im Bewusstsein<br />
der diversen Ansätze der<br />
Theaterreformbewegung um 1900<br />
und aus der Perspektive <strong>des</strong> die Musik<br />
wissenden, intellektuellen Interpreten<br />
und bildenden Künstlers s<strong>eine</strong><br />
eigene, innovative Visualisierungskonzeption,<br />
die er <strong>eine</strong>r naturalistischen<br />
Unverbindlichkeit entgegensetzte:<br />
„Operntheater bedeutet für mich Fülle,<br />
Abwechslung, Bewegung um jeden<br />
Preis, Asymmetrie. Das andere Theater,<br />
ich möchte es das archetypische Theater<br />
nennen, bedeutet für mich leerer<br />
Raum, Farbe, Stimmung, strenge<br />
choreographische Führung [...].“ 15 „Ich<br />
brachte Ihnen als Novum den leeren<br />
Raum, während Sie bisher, bis zu den<br />
letzten Festspielen im Krieg, Dekorationen<br />
ausgeleuchtet hatten, die durch<br />
Form, Volumen und Farbe von sich aus<br />
die Bühne füllten. M<strong>eine</strong> Bühnenräume<br />
konnten aber erst durch Ihr Licht –<br />
und durch den Wechsel dieses Lichtes!<br />
– zum musikalischen Raum, wie ich ihn<br />
mir für die Musik <strong>des</strong> Wagnerschen<br />
Werkes erträumte, werden.“ 16 , betonte<br />
er in <strong>eine</strong>m offenen Brief an den<br />
von ihm hoch geschätzten beleuchtungstechnischen<br />
Mitarbeiter Paul<br />
Eberhardt 17 , mit dem er stets bestrebt<br />
war, <strong>neue</strong> Lösungen zu finden, „über<br />
die Nuancen <strong>eine</strong>s Grün oder Blau,<br />
<strong>eine</strong>r Filtermischung oder die exakte<br />
musikalische Einteilung <strong>eine</strong>s Beleuchtungsübergangs<br />
für das Stellwerk zu<br />
diskutieren, und zu versuchen – immer<br />
wieder zu versuchen.“ 18<br />
Farbgebung und Modifikationen der<br />
Lichtführung standen in Relation<br />
zum Tempo der Musik, zu den Tonarten<br />
und zum eventuell wechselnden<br />
Stimmungscharakter <strong>eine</strong>r musikalischen<br />
bzw. dramatischen Situation.<br />
Basierend auf s<strong>eine</strong>r genauen Kenntnis<br />
der Musik, den klangsymbolischen<br />
Bedeutungen, Tonarten und Leitmotiven<br />
aller Partituren 19 integrierte er<br />
die „Lichtgestaltung, die ohne jeden<br />
Zweifel das Primat aller Dekorationskünste<br />
darstellt“ 20 , bereits in den gesamten<br />
Prozess der Erarbeitung <strong>eine</strong>r<br />
<strong>neue</strong>n Inszenierungskonzeption: „Er<br />
ging vom musikalischen Hören sofort<br />
an den Modellbau, saß nächtelang im<br />
Atelier davor, rückte s<strong>eine</strong> Figuren im<br />
gebauten Raum oder experimentierte<br />
mit Stoffproben unter wechselnden<br />
Beleuchtungen“ 21 – im Bewusstsein<br />
der modernen Raumkunst: Es war der<br />
legendäre Wiener Bühnenreformer Alfred<br />
Roller, der ihm, ausgehend von der<br />
<strong>Die</strong> <strong>Deutsche</strong> Bühne 5 I 2012