Globale Wertschöpfungsketten - Die Volkswirtschaft
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Spotlight<br />
Grafik 2<br />
Internationale Wertschöpfungskette des iPhone<br />
(in Mio. USD)<br />
<br />
Kasten 1<br />
USA<br />
229<br />
Komponenten<br />
Endprodukt<br />
1875<br />
Das Beispiel iPhone<br />
China<br />
Montage<br />
65<br />
207<br />
413<br />
161<br />
800<br />
Das in Grafik 2 gezeigte Beispiel des iPhone<br />
illustriert, dass die Handelsbilanz der USA<br />
neu gelesen werden muss, wenn sie auf Wertschöpfungszahlen<br />
basiert. Wird die gängige<br />
Handelsstatistik herangezogen, resultiert<br />
beim iPhone mit China ein Handelsbilanzdefizit<br />
von 1646 Mio. US-Dollar. Auf Wertschöpfungsbasis<br />
gemessen schrumpft dieses auf 65<br />
Mio. US-Dollar, da in China fast nur die Endmontage<br />
erfolgt, welche nur einen Bruchteil<br />
der Herstellungskosten ausmacht. Dafür resultieren<br />
Handelsbilanzdefizite der USA mit<br />
Taiwan, Deutschland, Korea und anderen Ländern,<br />
die Vorleistungsprodukte für die Fertigung<br />
des iPhone in China liefern. Nicht gezeigt<br />
werden in der Abbildung u.a. die diesen<br />
Lieferantenländern weiter vorgelagerten Liefer-<br />
oder Produktionsketten sowie die Vorleistungen<br />
dieser Vorleistungen. Für eine vertiefte<br />
Analyse braucht es daher eine globale Input-Output-Tabelle<br />
mit bilateralen Handelsverflechtungen.<br />
Das Beispiel zeigt auch, dass über Handelsdaten<br />
hinaus mehr Informationen zu anderen<br />
Einkommensflüssen nötig sind, um die<br />
Frage zu beantworten, wer schlussendlich<br />
vom Handel profitiert. Insbesondere die Nutzung<br />
geistiger Eigentumsrechte ist hier relevant.<br />
Korkeamäki und Takalo (2012) schätzen,<br />
dass patentierbare Technologien allein rund<br />
25% des Werts eines iPhones bestimmen.<br />
Aber auch die Besitzverhältnisse spielen eine<br />
wichtige Rolle: <strong>Die</strong> Firma Foxconn, welche die<br />
iPhones in China fertigt, ist taiwanesischen<br />
Ursprungs. Ein Teil der chinesischen Wertschöpfung<br />
fliesst deshalb in Form von Beteiligungserträgen<br />
nach Taiwan. Berücksichtigt<br />
man – neben den Vorleistungen in den USA –<br />
auch die Löhne der konzeptionellen Tätigkeiten,<br />
die Gewinne der Firma Apple sowie die<br />
Einnahmen aus dem Vertrieb, so verbleibt<br />
insgesamt der grösste Teil der Wertschöpfung<br />
nach wie vor in den USA.<br />
Quellen: OECD (2011), Revisiting Trade in a Globalised<br />
World: Current and Future Work on Measuring Trade in<br />
Value Added Terms, Working Paper; OECD, (2012), Trade in<br />
Value-Added: Concepts, Methodologies and Challenges<br />
(Joint OECD/WTO Note); Korkeamäki, Timo und Takalo,<br />
Tuomas (2012), Valuation of Innovation: The Case of<br />
iPhone, Research Discussion Papers 24/2012, Bank of<br />
Finland.<br />
Taiwan<br />
Deutschland<br />
Korea<br />
Rest der Welt<br />
?<br />
Vorgelagerte<br />
Lieferanten<br />
Quelle: OECD / <strong>Die</strong> <strong>Volkswirtschaft</strong><br />
ten, indem eine Aufwertung der Währung<br />
durch eine Verbilligung der Importe teilweise<br />
kompensiert wird.<br />
Je nach Branche unterschiedliche<br />
Wertschöpfungstiefe<br />
Deutlich über die Hälfte des Werts der<br />
Schweizer Chemie-/Pharmaexporte wird im<br />
Ausland generiert. Im Vergleich dazu sind es<br />
rund 30% für die gesamte Schweizer Exportwirtschaft.<br />
3 <strong>Die</strong> fortgeschrittene Integration<br />
in die globalen <strong>Wertschöpfungsketten</strong> (GVC)<br />
bedeutet, dass von jeder Milliarde Franken<br />
Exporteinnahmen der Chemie-/Pharmabranche<br />
nur 370 Mio. Franken an Wertschöpfung<br />
in der Schweiz verbleiben und<br />
dabei eine Beschäftigung von weniger als<br />
2000 Stellen schaffen (siehe Grafik 1). Anders<br />
die Finanzbranche: Hier generiert jede Milliarde<br />
Franken Exporteinnahmen eine Wertschöpfung<br />
von 851 Mio. Franken und 3700<br />
Arbeitsplätze in der Schweiz. <strong>Die</strong> Wertschöpfung<br />
pro Arbeitsplatz – und damit der wichtigste<br />
Bestimmungsgrund der Löhne – ist in<br />
beiden Branchen sehr hoch. Gegenpol ist der<br />
wenig in die GVC eingebundene Tourismussektor,<br />
der für eine hohe Wertschöpfung von<br />
670 Mio. Fr. je Mrd. Exporte in der Schweiz<br />
eine Beschäftigung von über 9100 Arbeitsplätzen<br />
mit eher tiefen Löhnen schafft.<br />
Auswirkungen auf die Beschäftigungsstruktur<br />
<strong>Die</strong> internationale Fragmentierung der<br />
Produktion hat nach gängiger Auffassung<br />
anfangs vor allem zur Auslagerung von Tätigkeiten<br />
in Niedriglohnländer geführt, die<br />
mit der eigentlichen Fertigung in der Industrie<br />
in Verbindung stehen. Industriefirmen<br />
sind zwar in den fortgeschrittenen <strong>Volkswirtschaft</strong>en<br />
nach wie vor präsent. Sie beschränken<br />
sich dort jedoch in erster Linie auf<br />
wissensintensive <strong>Die</strong>nstleistungstätigkeiten,<br />
die in der Wertschöpfungskette der eigentlichen<br />
Fertigung – wie etwa Design, Forschung<br />
und Entwicklung – vorgelagert und – wie<br />
Marketing oder Logistik – nachgelagert sind.<br />
Studien 4 bestätigen, dass durch Auslagerungen<br />
bislang nicht die gesamte Beschäftigung,<br />
sondern nur bestimmte Arbeitsplätze<br />
und Qualifikationen unter Druck geraten<br />
sind. Das Offshoring arbeitsintensiver Tätigkeiten<br />
trägt vielmehr dazu bei, dass die verbleibenden<br />
Tätigkeiten eher in Hochlohnländern<br />
gehalten werden können, und dass<br />
es dadurch in den fortgeschrittenen <strong>Volkswirtschaft</strong>en<br />
– mindestens je Arbeitsplatz gerechnet<br />
– zu höherer Wertschöpfung und<br />
höheren Löhnen kommen kann. Das Beispiel<br />
der Firma Apple zeigt auf, dass die in den<br />
fortgeschrittenen <strong>Volkswirtschaft</strong>en verbleibende<br />
Wertschöpfung auch nach Auslagerung<br />
des grössten Teils der Fertigung nach<br />
China sehr hoch ist (siehe Kasten 1 und Grafik<br />
2). Allerdings sind mit den Fortschritten<br />
in der Informationstechnologie vermehrt<br />
auch Wissenstätigkeiten an jedem beliebigem<br />
Ort auf der Welt erstellbar und einfach<br />
in die Wertschöpfungskette zu integrieren.<br />
Parallel dazu wächst das Wissenskapital in<br />
aufstrebenden <strong>Volkswirtschaft</strong>en.<br />
<strong>Die</strong> Wettbewerbsfähigkeit eines Landes<br />
lässt sich vor diesem Hintergrund nicht<br />
mehr rein anhand der exportierten Güter beurteilen.<br />
Vielmehr ist zu berücksichtigen, wie<br />
sehr sich ein Land innerhalb von GVC nachhaltig<br />
auf Tätigkeiten und Arbeitsplätze mit<br />
hoher Wertschöpfung und damit hohen<br />
Löhnen spezialisieren kann. Für die Aussenhandelsströme<br />
bedeutet dies, dass es immer<br />
unwichtiger wird, was man exportiert, sondern<br />
eine Betrachtung an dem ansetzen sollte,<br />
was man tut, respektive welche inländischen<br />
Tätigkeiten und Wertschöpfung in<br />
einem exportierten Produkt enthalten sind.<br />
Grafik 3 illustriert, dass auch in der Schweiz<br />
ein Strukturwandel weg von traditionellen<br />
Tätigkeiten der Industrie hin zu in der Wertschöpfungskette<br />
vor- und nachgelagerten,<br />
oft hochqualifizierten <strong>Die</strong>nstleistungen stattgefunden<br />
hat. Das bedeutet zum Beispiel weniger<br />
Her stellen und Bearbeiten von Produkten<br />
oder Einrichten, Bedienen, Unterhalten<br />
von Maschinen und mehr Begutachten, Beraten<br />
oder Beurkunden.<br />
Handel innerhalb von Firmen und<br />
Produktionsnetzwerken<br />
Der weltweite Handel ist zunehmend<br />
Handel von Vorleistungsgütern, der innerhalb<br />
von Firmen abgewickelt wird. Gemäss<br />
einer Studie der Unctad 5 stehen rund 80%<br />
des globalen Handels in Zusammenhang mit<br />
48 <strong>Die</strong> <strong>Volkswirtschaft</strong> Das Magazin für Wirtschaftspolitik 6-2013