Künstlich Ausgezeichnet Tanzschritte - Ensuite
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nur wüsste, worum es dem Künstler<br />
eigentlich geht. Für eine tiefergreifende<br />
Interpretation bietet der lausig<br />
verfasste Ausstellungsführer, eine<br />
eigentliche Phrasen-Dreschmaschine,<br />
keine wirkliche Hilfe, bleibt der<br />
Text doch an der Oberfläche haften,<br />
womit einen langsam aber sicher der<br />
Verdacht beschleicht, dass es sich<br />
mit der Kunst nicht anders verhält.<br />
Oder tut man ihr Unrecht? Shuravlev<br />
drängt einem mit seinen Miniaturbildchen<br />
eine Betrachtung aus der<br />
Nähe ja direkt auf, doch geht dann<br />
das, was man zu Gesicht bekommt,<br />
wenn man eingehend hinschaut,<br />
nicht in die Tiefe, sondern öffnet sich<br />
im Gegenteil hin zur Beliebigkeit.<br />
Da blickt man immer wieder in vor<br />
Schmerz oder Lust verzerrte Gesichter,<br />
trifft auf Miniatur-Totenschädel<br />
oder die gebleckten Zähne von einem<br />
Haifisch, auch dieser natürlich im<br />
putzigen Miniformat gehalten.<br />
Wenn mit bedeutungsvoller Geste<br />
und Pathos auf die Evozierung<br />
nicht minder grosser Gefühle zwischen<br />
Anziehung und Abwehr gezielt<br />
wird, verknüpft mit einer zweifelsohne<br />
gefälligen Ästhetik, dann<br />
sehnt sich der geneigte Betrachter<br />
den ironischen Bruch förmlich herbei,<br />
der die aufgeladene Stimmung<br />
etwas entspannt. Bleibt dieser aus,<br />
dann hat man es mit einem durchaus<br />
kunstwürdigen Phänomen zu<br />
tun: mit Kitsch. Überhaupt gibt es<br />
viel Drama in dieser Ausstellung:<br />
«Temporary Visual Wound» heisst<br />
die Raumintervention in der riesigen<br />
Salle Poma, die mit einer Horizontlinie<br />
aus schwarzer Farbe gewissermassen<br />
verletzt, ja zweigeteilt wird.<br />
Eine starke malerische Geste! Liegt<br />
es wohl an den inflationär in die<br />
runterlaufenden Rinnsale integrierten<br />
Fotobildchen, dass diese Wunde<br />
nicht so recht schmerzen will?<br />
Wie es geht, dem Mikroskopischen<br />
im Makrokosmos Poesie abzugewinnen,<br />
ohne mit der grossen Kelle<br />
anzurühren, zeigt die Multimediakünstlerin<br />
Zilla Leutenegger, deren<br />
Arbeiten unter anderen im Rahmen<br />
der Präsentation «Nouvelles Collections<br />
IV» zu sehen sind, welche alle<br />
drei Jahre im Centre PasquArt einer<br />
sich im Aufbau befindlichen Sammlung<br />
zeitgenössischer Kunst eine<br />
Plattform bietet, diesmal der Sammlung<br />
von Thomas Spielmann. Leuteneggers<br />
Zeichnungen haben laufen<br />
gelernt und faszinieren als Einblicke<br />
in kleine Welten, die einerseits ausserordentlich<br />
gut beobachtet sind,<br />
wie etwa die Körperhaltung und Bewegung<br />
einer telefonierenden Frau,<br />
andererseits aber auch utopische<br />
und humoristische Züge annehmen,<br />
so wenn sich eine real gefilmte Figur<br />
in eine zeichnerische Umgebung einfügt<br />
und dort locker schwingend an<br />
einer Strassenlaterne Turnübungen<br />
vollführt. Und auf einmal wird etwas<br />
Kleines ganz gross.<br />
Anatoly Shuravlev,<br />
Temporary Visual<br />
Wound, 2011,<br />
Wandmalerei,<br />
Farbe, mehrere<br />
hundert Rundfotografien.<br />
© Anatoly<br />
Shuravlev<br />
artensuite Schweizer Kunstmagazin Februar 2011 | 7