Der Aktivist
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<strong>Der</strong> <strong>Aktivist</strong><br />
www.pi-23.de<br />
Ausgabe 10/09<br />
23. Okt. 09 - Nr. 65<br />
Nicht rütteln am Atomausstieg<br />
Eine Warnung an Schwarz-Gelb - AKW abschalten oder Proteste anschalten Union und FDP haben die<br />
Bundestagswahl nicht wegen, sondern trotz ihrer Pläne zur Aufkündigung des Atomausstiegs gewonnen.<br />
Kündige Deinen Protest an, falls sie AKW-Laufzeiten verlängern wollen. Die Unterschriften werden<br />
in großen Tageszeitungen veröffentlicht:<br />
http://www.ausgestrahlt.de/aktionen/unterschreiben.html<br />
Protestaktion gegen Vertreibungen durch Palmöl<br />
Kolumbien gehört zu den Hauptproduzenten von Palmöl, das zu großen Teilen zu Agrokraftstoffen<br />
verarbeitet wird. Für den Palmölanbau wurden zahllose afrokolumbianische Gemeinden gewaltsam von<br />
Paramilitärs mehr als 10.000 Menschen vertrieben und ihrer Heimat beraubt. Zudem werden die artenreichsten<br />
Regenwaldgebiete stark gerodet. Kolumbiens Regierung schützt Agrarunternehmer, die illegalen<br />
Ölpalmanbau auf dem Land der Gemeinden betreiben. Exportgewinne scheinen mehr zu wiegen<br />
als die Bekämpfung von massiven Menschenrechtsverletzungen. Am 12. November findet die Übergabe<br />
an die Kolumbianische Botschafterin in Berlin statt. Bis dahin wollen wir 2.000 Online-Unterschriften<br />
sammeln. 1.406 Menschen haben sich schon an der Aktion beteiligt. Es fehlen noch 594 Online-Unterschriften!<br />
Unterstützen Sie den Protest der Vertriebenen unter: www.inkota.de/agrosprit/protestmail<br />
ethische Werbekampagne<br />
Erstmals haben wir in diesem Jahr Geld ausgegeben für eine Werbekampagne, die Ihnen möglicherweise<br />
schon begegnet ist. Aus den Motiven dieser Kampagne sind jetzt neun Post karten entstanden. Unsere<br />
Kunden können diese kostenfrei bestellen. Die Botschaft ist politisch und dreht sich um die Ursachen<br />
der Finanzkrise. Natürlich interessiert uns Ihre Meinung, denn schließlich geht es um die erste Ethik-<br />
Bank-Kampagne überhaupt. Wie denken Sie darüber? Bitte äußern Sie sich. Das geht am einfachsten<br />
mit einer Schulnote oder - wenn Sie mögen - mit aufrichtigen Worten. Zum Dank für Ihre Mühe schenken<br />
wir Ihnen einen kompletten Satz dieser Postkarten (s. die umseitigen Beispiele). Postkarten im<br />
Internet bestellen:<br />
http://www.ethikbank.de/inhalt/home/motive_ wechsel_zur_ethikbank.htm<br />
Ausbildung für alle<br />
Die Bundestagswahl ist vorbei und aktuell werden bei den Koalitionsverhandlungen die Karten neu gemischt.<br />
Hier feilschen die Parteien um Verantwortlichkeiten und Posten. Ein guter Zeitpunkt, sie noch<br />
einmal daran zu erinnern, dass die Jugend ein Recht auf Zukunft und Perspektiven hat und dafür auch<br />
aktiv wird. Unter dem Motto „Ausbildung für alle“ fordern wir deshalb jetzt von der Politik, endlich<br />
ein Grundrecht auf Ausbildung gesetzlich zu verankern und die Ausbildungsumlage durchzusetzen. Wir<br />
wollen die Politiker/-innen an ihre Verantwortung erinnern und wir wollen, dass möglichst viele von<br />
unserer Aktion erfahren und sich daran beteiligen: http://www.was-soll-politik.de/aufruf_versand/new<br />
23 des Monats:<br />
23 Karat hauchdünnes Blattgold zieren die holländischen Pralinen aus dem Hause Linders Bonbons. Jeweils neun<br />
“Goldleaf Chocolate”-Pralinen aus 70-prozentiger Zartbitter-Schokolade, mit einer feinen Schicht essbarem Gold<br />
überzogen, sind für 30,00 bis 35,00 Euro zu ergattern, berichtete www.lz-messeblog.de am 02.02.2009. Diese<br />
dekadenten Süßwaren legt man sich in Zeiten der Finanzkrise besser in den Kühltresor…<br />
kleine Konspirationskunde: „MKULTRA“ • Integration • Hallo wach! • Film-Tipps<br />
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salutatio<br />
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Inmitten der schwersten Krise seit Jahrzehnten<br />
haben die Bürger über eine neue Bundesregierung<br />
entschieden. Mit welchem Personal wird<br />
Schwarz-Gelb künftig regieren und wie sortiert<br />
sich die Opposition? Kommt der Kahlschlag nach<br />
der Wahl?<br />
<strong>Der</strong> Kündigungsschutz wurde bereits diskutiert.<br />
Steht ein Stellenabbau bevor? Gab es von<br />
Seiten der deutschen Industrie bis zum Wahlabend<br />
ein Stillhalteabkommen mit Berlin, oder hat die<br />
Wirtschaft die Weltuntergangsangst überwunden?<br />
Nach Rückschlägen ist das Barometer sicherlich<br />
wieder gestiegen. Dennoch, vor der Wahl munkelte<br />
man, dass es eine Art Stillhalteabkommen zwischen<br />
Industrie und Regierung gegeben hat, wodurch<br />
bereits früher ein größerer Arbeitsplatzabbau<br />
in Deutschland verhindert wurde. Von einem<br />
solchen Pakt wollte die Financial Times von mehreren<br />
Spitzenmanagern erfahren haben. „Deutschland<br />
ist momentan vor Veränderungen sicher.<br />
Aber nach der Wahl wird sich die Botschaft ändern.<br />
Das ist ganz normal“, sagte Hakan Samuelsson,<br />
Vorstandschef des Münchner Dax-Konzerns<br />
MAN. Das Eingeständnis der Manager belegt Befürchtungen,<br />
dass den deutschen Arbeitnehmern<br />
die härtesten Einschnitte noch bevorstehen, auch<br />
wenn die Wirtschaft wieder zu wachsen beginnt.<br />
Bislang verzichten die meisten Unternehmen auf<br />
Stellenstreichungen. Die Bundesregierung fördert<br />
diesen Kurs, etwa durch das milliardenteure Programm<br />
zur Kurzarbeit. Experten bezweifeln jedoch,<br />
dass die Wirtschaft diesen Kurs beibehalten<br />
kann: In puncto Produktivität haben die deutschen<br />
Unternehmen zuletzt deutlich an Boden verloren,<br />
vor allem im Vergleich zur US-Industrie, die die<br />
Krise zur Sanierung genutzt hat. Hinsichtlich notwendiger<br />
Umstrukturierungsmaßnahmen verliert<br />
Deutschland in vielen Fällen wohl kostbare Zeit.<br />
Wie sich die Wirtschaftsleistung entwickeln wird,<br />
wissen wir nicht. Aber warm anziehen müssen wir<br />
uns auf jeden Fall. Es wird Winter.<br />
Lucky<br />
2<br />
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Aktion: Earth First!<br />
www.pi-23.de<br />
(kleine)<br />
Konspirationskunde: „MKULTRA“<br />
Earth First! ist ein internationales Netzwerk von<br />
radikalen Umweltgruppen, die vor allem durch spektakuläre<br />
direkte Aktionen auf sich aufmerksam machten.<br />
Um 1979 entstand Earth First im Südwesten der USA.<br />
Inspiriert von Rachel Carsons Silent Spring, Aldo Leopolds<br />
Land Ethic und Edward Abbeys The Monkey<br />
Wrench Gang, plädierte eine Gruppe von <strong>Aktivist</strong>en<br />
für No Compromise in Defense of Mother Earth! (Kein<br />
Kompromiss bei der Verteidigung von Mutter Erde).<br />
Inspiriert wurde es durch dem US-Umweltaktivisten<br />
Dave Foreman, der bis dahin Umweltgutachter und<br />
aktives Mitglied der Wilderness Society war. Foreman<br />
ließ sich nach eigenen Angaben von dem Buch The<br />
Monkey Wrench Gang von Edward Abbey inspirieren.<br />
<strong>Der</strong> verstellbare Schraubenschlüssel (engl. monkey<br />
wrench) wurde zum Symbol für Sabotage und zum<br />
Markenzeichen von Earth First!.<br />
Seit 1990 wurde das Handeln innerhalb der Earth<br />
First!-Bewegung verstärkt durch die politische Philosophie<br />
des Anarchismus beeinflusst. <strong>Der</strong> Wandel brachte<br />
in verschiedenen Regionen einen Wechsel des primären<br />
Medienorgans, Aversionen gegen eine organisierte<br />
Führung oder eine Verwaltungsstruktur und einen neuen<br />
Trend der Identifikation von Earth First! als eher eine<br />
offene Bewegung als eine Organisation. <strong>Der</strong> Ruck von<br />
Earth First! in Richtung offene Bewegung 1992 brachte<br />
Mitglieder, die sich weigerten kriminielle Aktionen<br />
einzustellen, dazu den militanten Ableger Earth Liberation<br />
Front zu gründen. Die Meisten Mitglieder von<br />
Earth First! tendieren zu einem dezentralisierten, lokal<br />
informierten Aktivismus, der auf einer gemeinschaftlichen<br />
Ethik basiert, während Earth First!-Gegner die<br />
Gruppen bezichtigen, sich einer Form des Terrorismus<br />
zu bedienen.<br />
Earth First!-Gruppen organisieren politische<br />
Graswurzelaktionen, die legale Formen annehmen können,<br />
wie z.B. Proteste, Aufrufe und Aufklärungskampagnen,<br />
in Form von zivilem Ungehorsam ausgeübt<br />
werden, wie z.B. Baumbesetzungen, Feldbesetzungen,<br />
Ankettung an Baufahrzeuge und Straßenblockaden<br />
oder die Form der illegalen Sabotageaktionen darstellen,<br />
welche von manchen Earth First!-Mitgliedern als<br />
eine Form der ecodefense, also der Verteidigung der<br />
Natur verstanden wird. Auch Solidaritätsaktionen mit<br />
von Lebensraumzerstörung betroffenen Indigenen sind<br />
Teil der Earth First!-Aktionen, wie z.B. die Kampagne<br />
South Pacific Solidarity mit Indigenen auf West Papua.[2]<br />
Ziel aller Aktionen ist, die Zerstörung der Natur<br />
aufzuhalten oder gar Rückgängig<br />
zu machen. Earth<br />
First! glaubt nicht, dass<br />
über Führer, Regierungen<br />
oder Firmen die Natur effektiv<br />
geschützt werden<br />
kann. Daher ist für sie die<br />
direkte Aktion das zentrale Mittel um die Zerstörung<br />
der Natur selbst zu bekämpfen. Earth First! versteht<br />
sich dabei als loses Netzwerk von Individuen, Gruppen<br />
und Kampagnen, die für ökologische direkte Aktionen<br />
zusammenarbeiten und sich der nicht-hierarchischen<br />
Organisierung verpflichtet. <strong>Der</strong> Name Earth First! soll<br />
als Banner funktionieren, der von allen verwendet werden<br />
kann, die sich dieser Philosophie nahe fühlen. Ein<br />
Slogan von Earth First! besagt: „Wenn du glaubst, dass<br />
Aktionen lauter sprechen als Worte, dass ist Earth First!<br />
für dich da.“ Oberster Grundsatz ist es nach eigenen<br />
Angaben, Menschen nicht zu verletzen. Daher werden<br />
die Aktionen teilweise hinterher bekannt gemacht. Inspiration<br />
für viele Earth-First!-<strong>Aktivist</strong>en ist Foremans<br />
Buch Ecodefense – A Field Guide to Monkeywrenching.<br />
Die deutsche Übersetzung Notwehr – Sabotage<br />
im Namen der Erde ist allerdings nicht im Buchhandel<br />
erhältlich. Ferner gibt es das Earth First! Journal, das<br />
nach eigenen Angaben 15.000 Abonnenten vor allem<br />
in den USA hat. Mitte der 1980er Jahre und erneut Mitte<br />
der 1990er Jahre bildeten sich auch in Deutschland<br />
aktive Earth-First!-Gruppen, zu Beginn des 21. Jahrhunderts<br />
waren jedoch keine derartigen Gruppen mehr<br />
bekannt. Ein loses Netz von <strong>Aktivist</strong>en organisiert ähnliche<br />
Aktionen, wie Genfeldbesetzungen, ohne ein bestimmtes<br />
Label zu verwenden.<br />
www.earthfirst.org<br />
MKULTRA (auch MK ULTRA) ist der Codename<br />
für ein umfangreiches, geheimes Forschungsprogramm<br />
der CIA über die Möglichkeiten der<br />
Bewusstseinskontrolle. MK steht dabei nicht, wie<br />
häufig behauptet, für „Mind Kontrol“, sondern ist<br />
lediglich ein von der CIA verwendetes Kürzel, das<br />
von der Technical Service Division geleitete Projekte<br />
bezeichnet. Das Projekt wurde von 1953 bis in die<br />
1970er Jahre hinein durchgeführt. Mit einem Budget<br />
von mindestens 25 Mio. Dollar erforschte der amerikanische<br />
Geheimdienst CIA ein Vierteljahrhundert<br />
lang Verhaltenskontrolle an ahnungslosen Opfern.<br />
Er ließ Universitäten und Institute, aber auch Gefangene<br />
und Prostituierte nicht nur im eigenen Land<br />
für sich arbeiten. Unter anderem umfasste das Programm<br />
tausende von Menschenversuchen, bei denen<br />
ahnungslose, willkürlich ausgesuchte Testpersonen<br />
unter halluzinogene Drogen wie LSD gesetzt und<br />
mit Elektroschocks „behandelt“ wurden. Zu Anfang<br />
der 50er Jahre hatte die CIA befürchtet, dass<br />
Sowjets und Chinesen über ausgefeilte Methoden<br />
zur Manipulation menschlichen Verhaltens verfügten<br />
und hatte Forschungsprojekte veranlasst, um die<br />
vermeintliche Lücke in der Bewusstseinskontrolle<br />
zu schließen.<br />
Ziel des Projekts MK Ultra war, ein perfektes Wahrheitsserum<br />
für die Verwendung im Verhör von Sowjet-Spionen<br />
im Kalten Krieg zu entwickeln, sowie<br />
die Möglichkeiten der Gedankenkontrolle zu erforschen.<br />
Die überwiegend gesundheitsschädlichen<br />
bis lebensgefährlichen Experimente wurden meist<br />
ohne Wissen oder Zustimmung der Versuchspersonen<br />
durchgeführt, häufig auch gegen deren erklärten<br />
Willen. Dazu gehörten neben tausenden von zufällig<br />
ausgewählten US-Bürgern auch Krankenhauspatienten<br />
und Gefängnisinsassen. Es ist erwiesen, dass<br />
zahlreiche Versuchspersonen bei den Experimenten<br />
schwerste körperliche und psychische Schäden davontrugen,<br />
bis hin zum Tod. Ein großer Teil der im<br />
Rahmen des Projekts durchgeführten Experimente<br />
verstieß gegen amerikanische Gesetze, viele sind<br />
nach der heutigen Definition der UNO als Folter<br />
zu bewerten. Die politischen und gesellschaftlichen<br />
Hintergründe des Projekts waren der Kalte Krieg<br />
mit der Sowjetunion und der starke amerikanische<br />
Antikommunismus während der McCarthy-Ära in<br />
den 1950er Jahren.<br />
MKULTRA wurde auf Befehl des CIA-Direktors<br />
Allen Dulles im April 1953 begonnen. Es war der<br />
Nachfolger der Projekte Artischocke und BLUE-<br />
BIRD sowie von ähnlichen Programmen des Deutschen<br />
Reiches. Grundlage waren die Arbeiten von<br />
Dr. Josef Mengele und so arbeiteten an dem Projekt<br />
auch etliche SS-Ärzte und Forscher mit; sie durften<br />
ihre durch das Kriegsende unterbrochenen Menschenversuche<br />
im Rahmen von MKULTRA auch in<br />
Deutschland fortführen. MKULTRA wurde hauptsächlich<br />
in den USA und Kanada, aber auch in Europa<br />
betrieben. Dies war offiziell vor allem eine Reaktion<br />
auf Gedankenkontrolltechniken, die angeblich<br />
von Sowjets, Chinesen und Nordkoreanern gegen<br />
US-Kriegsgefangene im Koreakrieg eingesetzt wurden,<br />
was unter dem Namen „Brainwashing“ bekannt<br />
wurde. Neben dem Willen, ähnliche Methoden auf<br />
die eigenen Gefangenen anzuwenden, hatte die CIA<br />
auch Interesse daran, fremde Herrscher mit derartigen<br />
Techniken manipulieren zu können. Später soll<br />
es mehrere Pläne gegeben haben, den kubanischen<br />
Staatschef Fidel Castro zu beeinflussen.<br />
Oberstes Ziel war laut CIA die „Vorhersage, Steuerung<br />
und Kontrolle des menschlichen Verhaltens“.<br />
Eines der wenigen öffentlich bekannt gewordenen<br />
Beispiele für solche Techniken ist die Verhörmethode,<br />
die die Britische Armee bei Gefangenen in Nordirland<br />
verwendete. Sie wurde als „UDIT“ (Ulster<br />
Depth Interrogation Techniques) bezeichnet und<br />
durch den Psychologen T. Shallice der Universität<br />
London nach Berichten und Daten des britischen<br />
Innenministeriums 1972 veröffentlicht.<strong>Der</strong> für die<br />
UDIT-Methode verantwortliche britische Kommandeur<br />
wurde in den 1980er Jahren bei einem Urlaub<br />
in Osnabrück durch einen Anschlag der IRA getötet.<br />
Eine weitere Testperon (Ken Kesey) verarbeitete<br />
seine Erfahrungen als Testperson in dem Buch „Einer<br />
flog über das Kuckucksnest“.<br />
Die meisten offiziellen Dokumente zu dem Projekt<br />
wurden 1972 unter dem damaligen CIA-Direktor<br />
Richard Helms vorsätzlich und illegal vernichtet.<br />
Helms war bis zu seiner Berufung zum CIA-Direktor<br />
der maßgebliche Verantwortliche für MKUL-<br />
TRA innerhalb der CIA. Es ist daher nicht möglich,<br />
das gesamte Projekt mit seinen ungefähr 150 individuellen<br />
Forschungsprojekten und den zugehörigen<br />
CIA-Programmen zu rekonstruieren. Es existieren<br />
jedoch genügend Akten, um die wesentlichen Strukturen<br />
und zahlreiche Programme zu rekonstruieren.<br />
Mehrere staatliche Untersuchungskommissionen<br />
beschäftigten sich mit MKULTRA und ein Teil der<br />
erhaltenen Dokumente wurde mittlerweile der Öffentlichkeit<br />
zugänglich gemacht...<br />
14<br />
www.pi-23.de 3
www.pi-23.de<br />
U-Turn<br />
Inspired by:<br />
Fletchers Visionen, <strong>Der</strong> Manchurian Kandidat und<br />
Einer flog über das Kuckucksnest<br />
Dokumentation:<br />
Die Dressierten Killer - Geheimdienste und Gehirnwäsche<br />
Deckname Artischocke - Die geheimen Menschenversuche<br />
der CIA<br />
Versklavte Gehirne - Bewußtseinskontrolle und Verhaltensbeeinflussung<br />
Links:<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/MKULTRA<br />
http://www.allmystery.de/themen/gg49733<br />
http://www.mein-parteibuch.com/wiki/MKULTRA<br />
http://www.michael-robinett.com/declass/c000.htm<br />
http://www.extremnews.com/premium/vermischtes/<br />
berichte/welt/7d5b11916091314<br />
http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=13508748&top=SPIEGEL<br />
Da sitz ich so mit Ratze zusammen und wir diskutieren<br />
über Gott und die Welt, wie man so landläufig sagt.<br />
Ob Politik, Umwelt, Kriege usw., die tägliche Themenvielfalt<br />
reißt nicht ab, die Medienlandschaft verstummt<br />
nicht. Nachrichtensendungen und Talkshows präsentieren<br />
ständig News aus der Kategorie „das Schweigen der<br />
Lämmer“. Die Nahrung für Zwerchfell und Seele ist<br />
dagegen Fehlanzeige. Was ist also bitteschön auf diesem<br />
Planet Erde los. Bekommt die Menschheit nichts<br />
mehr in den Griff und gar, wie viel Mensch verträgt die<br />
Erde? Statistiker rechnen damit, dass es 2012 schon 7<br />
Milliarden Erdenbewohner sein werden. Wer weiß wie<br />
viel Ufos hier noch landen und wie viel Außerirdische<br />
um Asyl bitten werden. Häufig hört man die Frage, ob<br />
die Erde solche Scharen auf Dauer ernähren kann, ob<br />
das Trinkwasser reicht und welche Völkerwanderungen<br />
es geben wird. Hinzu kommen Fragen nach den Energievorräten<br />
und der Klimaentwicklung. Dabei muss<br />
man berücksichtigen, dass der Reichtum der Erde sehr<br />
ungleich verteilt ist und der reiche Teil der Welt nur<br />
sehr wenig unternimmt, die Güter gleichmäßiger und<br />
gerechter zu verteilen. Im Gegenteil, die politischen<br />
Gegensätze und das Gewinnstreben verstärkt die Not.<br />
Wir erleben zusätzlich die Auswirkungen des Terrorismus.<br />
Ob wir an den Schöpfungsbericht oder die Evolution<br />
glauben, eins ist klar, biblische Maßstäbe haben<br />
ein anderes Menschenbild, als das, was der Großteil<br />
der Menschen mit Egoismus, Neid, Gier, Materialismus,<br />
Gewalt, Krieg, produziert. Wieso ist der Mensch<br />
des Menschen Wolf? Verspielen wir unsere Zukunft?<br />
Neben all den Problemen sind wir auch noch zu Spekulanten<br />
auf den Finanzmärkten geworden.<br />
Die Finanzkrise geht weiter. Erst langsam wird<br />
sie in Form zurückgehender Wirtschaftsleistung und<br />
steigender Arbeitslosenzahlen begreifbar. Viele Menschen<br />
fragen nicht nur „Wie konnte es soweit kommen?“,<br />
sondern auch: „Was kommt noch auf uns zu?“<br />
Die Abwracker: Wie Zocker und Politiker unsere Zukunft<br />
verspielen, ist eine Buchausgabe von Hans-Olaf<br />
Henkel, um mal ein Beispiel dafür zu nennen, dass das<br />
Bewusstsein nicht allerorts ausgeblendet wird. Henkel<br />
ist ein ehemaliger deutscher Manager sowie ehemaliger<br />
BDI-Vorsitzender und ehemaliger Präsident<br />
der Leibniz-Gemeinschaft. Aber warum wissen wir<br />
scheinbar so viel, füllen Bücher und Sendezeiten, erkennen<br />
Handlungsbedarf und tun dennoch so wenig?<br />
Werte und Normen erstellen wir für Haus und Hof und<br />
Gebrauchtwagen, aber nicht mehr für eine weltweite<br />
Wertegemeinschaft. Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit,<br />
Rechtstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte<br />
werden proklamiert, aber die tatsächlichen globalen<br />
Herausforderungen werden doch gegen alle politischen<br />
Erklärungen nicht bzw. nur ansatzweise angenommen.<br />
Wir brauchen dabei gar nicht immer ins Weite<br />
zu blicken. Hat sich diese Kultur nicht auch in unsere<br />
Arbeitswelt eingeschlichen? Die Rückbesinnung auf<br />
Werte ist heute für Führungskräfte und Mitarbeiter in<br />
Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung unverzichtbar.<br />
Wer in unserer individualisierten Gesellschaft<br />
erfolgreich führen will, muss Prinzipien auch vorleben.<br />
Nur wenn an der Führungsspitze Werte wie Ethik, Verantwortungsbereitschaft<br />
und Engagement glaubwürdig<br />
verwirklicht werden, kann der dringend benötigte<br />
Stimmungswandel erzielt werden, mit der Folge, dass<br />
mehr Optimismus und Vertrauen gelingen. Wetteifer<br />
für mehr Antrieb und Eigenverantwortung muss sich<br />
paaren mit Hilfsbereitschaft, Respekt und Toleranz.<br />
Nur eine Gesellschaft, die gegen die eigene Resignation<br />
neue Weichenstellungen vornimmt, kann die Kraft<br />
aufbringen, die Zukunft zu gestalten.<br />
Und nun bekommt die Politik noch ihr Fett weg.<br />
Ich möchte einen Ausspruch von Oswald Metzger aus<br />
der Sendung „hartaberfair“ aufgreifen. <strong>Der</strong> Publizist<br />
und langjährige Politiker der Grünen, jetzt CDU, weiß<br />
aus eigener Erfahrung: „Wer hierzulande die Wahrheit<br />
sagt, wird abgestraft. Leider sind in Deutschland nur<br />
Weichzeichner gefragt, denn das gilt dann als „politisch<br />
korrekt. Alle Achtung.<br />
Dann wollen wir die tote „Ehrlichkeit“ mal reanimieren.<br />
Ist nur die Frage, ob andere auch zu dieser<br />
Erkenntnis kommen und Abhilfe schaffen.<br />
4<br />
www.pi-23.de 13
PI-Film-Tipp: HOME<br />
www.pi-23.de<br />
Integration<br />
Über vier Milliarden Jahre herrschte auf der<br />
Erde ein empfindliches, aber stabiles Gleichgewicht.<br />
Weniger als 200.000 Jahre hat der Mensch<br />
gebraucht, um dieses Gleichgewicht vollkommen<br />
durcheinander zu bringen. Globale Erwärmung,<br />
Verknappung der Bodenschätze, bedrohte Artenvielfalt:<br />
der Mensch gefährdet die Grundlagen seiner<br />
eigenen Existenz. <strong>Der</strong> Film HOME nimmt uns mit<br />
auf eine Reise um die Welt. Für die Luftaufnahmen<br />
des Films reiste Yann Arthus-Bertrand mit seinem<br />
Team in über 50 Länder. Die Bilder verdeutlichen<br />
uns komplexe Zusammenhänge, ohne dass es komplizierter<br />
Erklärungen bedarf. Wir sehen überwältigende<br />
Panoramen unserer natürlichen Umwelt, aber<br />
auch der Narben, die die menschliche Zivilisation<br />
auf der Erde hinterlässt. HOME will aufrütteln und<br />
uns bewusst machen: es ist Zeit, zu handeln, um<br />
unseren Heimatplaneten zu retten<br />
Eine Reise in 50 Länder, die schönsten Bilder unserer<br />
Erde und ein Plädoyer für ihre Zukunft.<br />
<strong>Der</strong> Ansatz mag schon älter sein, aber insbesondere<br />
zu Zeiten des real existierenden Klimawandels ist<br />
es drängender und aktueller denn je.<br />
<strong>Der</strong> hervorragende Kommentar erzählt die Entstehung<br />
des Lebens bis hin zum Menschen, dessen immer<br />
Höher-Schneller-Weiter nun eine Bedrohung<br />
für den Planeten darstellt. Berührende Musik von<br />
großem Orchester und hie und da Solisten, durchwoben<br />
von verschiedenen ethnischen Sounds, viele<br />
mutige kritische Tatsachen über die Missstände unserer<br />
Welt. Jedoch verknüpft Arthus-Bertrands Film<br />
diese Geschichte, die im Grunde seit den 80er Jahren<br />
des letzten Jahrhunderts die gleiche geblieben ist,<br />
mit Bildeindrücken die ihresgleichen suchen. Egal<br />
ob schön oder hässlich, die Bilder unserer Welt, die<br />
wir in „HOME“ sehen, sind allesamt Meisterwerke<br />
voller Farbenpracht und gestochener Schärfe. Jede<br />
Einstellung eine kunstvoll inszenierte Ästhetik,<br />
jede Kamerafahrt dramaturgisch eindrucksvoll. So<br />
führt dieser Film 88 Minuten durch nahezu hypnotisch-ruhige<br />
Bilderwelten, die zeitlos scheinen und<br />
doch niemals aktueller waren.<br />
„Home“ ist eine Dokumentation, die das Verhältnis<br />
des Menschen zu „seiner“ Natur beschreibt.<br />
Das wichtigste Zitat des Films: „Es ist zu spät, ein<br />
Pessimist zu sein“...<br />
Ein altes Thema im neuen Gewand. Souffleur<br />
ist dabei Thilo Sarrazin, ein deutscher Politiker. Seit<br />
1975 ist er im öffentlichen Dienst tätig, war von<br />
2000 bis 2001 bei der Deutschen Bahn AG beschäftigt.<br />
Von 2002 bis April 2009 war er Finanzsenator<br />
im Berliner Senat und ist seit Mai 2009 Mitglied<br />
des Vorstands der Deutschen Bundesbank.<br />
Thilo Sarrazins Äußerung: „Ich muss niemanden<br />
anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat<br />
ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht<br />
vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen<br />
produziert“.<br />
Im öffentlichen Diskurs hat Thilo Sarrazin für<br />
seine Äußerungen Prügel bezogen. In der Bevölkerung<br />
findet er laut Umfragen aber auch zahlreiche<br />
Befürworter.<br />
Nun sollte man grundsätzlich erstmal mit jedem<br />
respektvoll umgehen. Es gibt Meinungsfreiheit<br />
und Stimmenvielfalt im Lande, sieht man mal vom<br />
politischen Fraktionszwang ab. Die Konzentration<br />
auf die Aussage ist gefragt, nicht eine Themenvermischung<br />
neben sonstigen Spekulationen. Natürlich<br />
kann sich ein Bundesbankvorstand auch Gedanken<br />
über die Auslöser und Folgen der Finanzkrise machen.<br />
Wer will, kann ihn ja dazu auffordern. Aber<br />
das ist hier nicht das Thema. Es gibt viele Baustellen<br />
im Lande und die Auswahl muss keine Frage<br />
der Gewichtung sein. Allerdings können diejenigen,<br />
die Schnittstellen der Betroffenheit haben,<br />
ganz andere Schlussfolgerungen ziehen. Nun kennt<br />
und meint Sarrazin insbesondere die Berliner Verhältnisse,<br />
die sich sicherlich von denen der Restrepublik<br />
abheben. Warum soll ich ihm also absprechen,<br />
dass er sich ernsthaft Gedanken um die dortige<br />
Problemlage macht und eben sehr mit der Stadt<br />
verbunden ist. „Denn was man liebt, betrachtet man<br />
auch besonders sorgsam und mit scharfem Auge“,<br />
sagte Sarrazin. Die Aussage, für ihn sei ein Großteil<br />
der arabischen und türkischen Einwanderer „weder<br />
integrationswillig noch integrationsfähig“, ist nicht<br />
nur die These eines Einzelnen. Sie macht aber auch<br />
direkt klar, dass es nicht um „die Ausländer“, sondern<br />
den Teil einer Gruppe geht. Damit ist aber auch<br />
gleichzeitig ausgesagt, dass Zuwanderung und Integration<br />
in der Vergangenheit bei anderen Personengruppen<br />
bzw. Nationalitäten unauffällig und lautlos<br />
vollzogen wurde. Geht doch. Es ist somit legitim<br />
über die Hintergründe anderer Erfahrungen nachzudenken.<br />
Ob Sarrazin allerdings den richtigen Ton<br />
getroffen hat, ist fragwürdig. Hierüber kann man<br />
reden. Dennoch finden 69 Prozent der Bundesbürger,<br />
es sei richtig, dass Sarrazin eine Debatte über<br />
Integration angestoßen habe. Nur 22 Prozent meinten,<br />
„er hätte besser seinen Mund gehalten“. Für die<br />
Erhebung befragte Emnid 501 Personen.<br />
Nun ist dies ein Indiz dafür, dass Probleme<br />
existent sind. Eine Aufarbeitung könnte damit doch<br />
beiden Seiten dienen. Weichzeichner lösen keine<br />
Debatte aus. Die Folge ist Schweigen und das<br />
hilft im Zweifel nur der „braunen Sauce“. Berichtet<br />
Sarrazin z. B. über den Problembezirk Neukölln,<br />
ist dies eine andere Debatte als über Integration<br />
in NRW zu reden. CDU-Vorstand Laschet ist seit<br />
2005 Minister für Generationen, Familie, Frauen<br />
und Integration in Nordrhein-Westfalen. Wollte das<br />
Land einen arbeitslosen Minister? Nein, es gibt Arbeit<br />
und man muss sie nicht verschweigen. Deshalb<br />
sagt Laschet bei aller berechtigten Kritik: „Man<br />
kann Defizite benennen und darf sie auch benennen,<br />
wenn man sie bekämpfen will“. Richtig Herr<br />
Minister. Wenn in Thilo Sarrazins Äußerung die Erfahrung<br />
verankert ist, dass Mitbürger für die Ausbildung<br />
der eigenen Kinder nicht vernünftig sorgen,<br />
oder insbesondere diesen Staat ablehnen, kann man<br />
es nicht ignorieren. Warum sind in der öffentlichen<br />
Verwaltung Sonderprogramme und Hinweisschilder<br />
für Türken notwendig. Weil es Defizite gibt. Hoffentlich<br />
vergessen wir darüber hinaus nicht die bedürftigen<br />
aber zurückhaltenden Menschen anderer<br />
Nationalitäten. Es handelt sich aber auch um eine<br />
Angstdebatte, die Ordnungskräfte und Justiz lähmt<br />
und Zusammenleben behindert. Dabei haben nicht<br />
nur Migranten Pflichten, sondern auch die Aufnahmegesellschaft.<br />
Die deutsche Sprache ist für den<br />
Zugang und gleichberechtigte Chancen in der Gesellschaft<br />
unverzichtbar. Die Öffnung für kulturelle<br />
und soziale Integration bringt Erwachsene aller<br />
Nationalitäten näher und fördert den Umgang von<br />
Kindern untereinander. Wer angenommen werden<br />
will, muss auch ein persönliches Zugehörigkeitsgefühl<br />
zur Aufnahmegesellschaft entwickeln. Es bleibt<br />
eine gemeinsame Aufgabe. Gewollte Gettoisierung<br />
zeugt nicht von Kommunikationsfähigkeit und –bereitschaft.<br />
<strong>Der</strong> Wunsch, Verkehrskreise innerhalb<br />
der eigenen Volksgruppe aufzubauen widerspricht<br />
dem und überträgt sich auf die nächste Generation.<br />
Noch eins. Dass Sarrazin nach seinen umstrittenen<br />
Äußerungen wesentliche Kompetenzen bei<br />
der Bundesbank entzogen wurden, weil man ihn offenbar<br />
nicht loswerden kann, ist bedenklich. Bun-<br />
12<br />
www.pi-23.de 5
www.pi-23.de<br />
desbankchef Axel Weber sollte ihm in der Sache<br />
begegnen, oder ihm seine Fachlichkeit absprechen.<br />
Wenn so etwas Schule macht und wir zukünftig wegen<br />
unerwünschter Äußerungen um Arbeitsplätze<br />
bangen müssten, wird ein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung<br />
verletzt. Maulkörbe schaffen Frust<br />
und Ablehnung, dienen niemandem.<br />
Wer keine Ausgrenzung bzw. Parallelgesellschaften<br />
will, kann eine Debatte über „wohlgemerkt<br />
Missstände“ auch als Chance begreifen.<br />
PI-Film-Tipp: Age of Stupid<br />
Leben wir schon im Zeitalter der Dummen?<br />
Haben wir noch eine Chance, die Welt zu retten?<br />
Oder wird unser Jahrzehnt wegen all der vergebenen<br />
Chancen als das „Zeitalter der Dummen“ in die<br />
Menschheitsgeschichte eingehen? <strong>Der</strong> Film Age of<br />
Stupid, der am 21. September Weltpremiere hatte,<br />
warnt mit einem apokalyptischen Zukunftsszenario<br />
eindringlich vor Untätigkeit in Zeiten des Klimawandels.<br />
Wir schreiben das Jahr 2055. London ist überflutet,<br />
Sydney in Flammen, Las Vegas von der Wüste<br />
verschluckt... Wie konnte es so weit kommen?<br />
Die Macher des Films „Age of Stupid“ lassen den<br />
Gründer des Weltarchivs für alle menschlichen Errungenschaften<br />
und Erzeugnisse in seinem Turm in<br />
der geschmolzenen Arktis nach einer Antwort auf<br />
diese Frage suchen. Vor einem interaktiven Bildschirm<br />
stöbert er durch Originalnachrichten und<br />
Dokumentationen der Vergangenheit. Dabei stößt<br />
er auf sechs wahre, heutige Lebensgeschichten, die<br />
zusammen ein Bild davon zeichnen, warum wir unseren<br />
Lebensraum nicht bewahren konnten.<br />
Weltpremiere des Doku-Dramas war am 21.<br />
September in einem Solarkino in New York. Mit<br />
der Feier wurde ein deutliches Zeichen gegen die<br />
Klimaerwärmung gesetzt. Es gab Live-Schaltungen<br />
zu Greenpeace-<strong>Aktivist</strong>en im Himalaya und in der<br />
Arktis sowie eine Ansprache durch Gastgeber Kofi<br />
Annan. Per Satellit wurde die Premiere in über 60<br />
Länder weltweit übertragen, in Deutschland konnte<br />
die Veranstaltung in sieben Kinos verfolgt werden,<br />
da ansonsten die<br />
technischen Voraussetzungen<br />
fehlten.<br />
Leider wurde<br />
für Deutschland<br />
kein Kinoverleih<br />
gefunden, so dass<br />
der Film nicht<br />
in weiteren Vorführungen<br />
gesehen<br />
werden kann.<br />
Nach ersten Informationen<br />
soll ab<br />
Oktober 2009 eine<br />
DVD zu erwerben<br />
sein.<br />
satt und mit Flachbildfernsehern ausgestattet sein<br />
mag, aber isoliert, passiv, erziehungsohnmächtig<br />
und perspektivlos vor sich hinlebt. Aber Herr Sarrazin<br />
konzentriert sich auf „türkische Mentalität“<br />
und „türkische Wärmestuben“, auf Menschen, die<br />
„Kopftuchmädchen produzieren“ - das ist herabsetzend,<br />
pauschal und in Teilen eine menschenverachtende<br />
Wortwahl.<br />
Bei Finanzministern und Senatoren sind naturgemäß<br />
die Zeitgenossen am meisten geachtet, die<br />
viel arbeiten und das große Geld verdienen. Nicht<br />
minder werden diejenigen respektiert, die nichts<br />
arbeiten, aber so viel Kapital angehäuft haben, dass<br />
sie von den Erträgen ordentlich Steuern bezahlen<br />
können. Wenig Achtung genießen die Landsleute,<br />
die auch nicht arbeiten, aber kein Kapital und<br />
keinen Job besitzen und deshalb für den Staat zur<br />
fiskalischen Belastung und zum reinen Kostenfaktor,<br />
den es zu minimieren gilt, geworden sind. Das<br />
herausragendste Exemplar dieser „nichtsnutzigen<br />
Gattung“ ist in Deutschland der Hartz-IV-Empfänger.<br />
Sarrazins Denkanstöße gehen wie immer<br />
in die falsche Richtung. Es ist sicher richtig, dass<br />
die Finanzlage des Berliner Senats katastrophal ist.<br />
Grund dafür sind jedoch nicht türkischstämmige<br />
Migranten, die am Fließband kleine Kopftuchträgerinnen<br />
in die Welt setzen, sondern ein soziales<br />
Milieu, das die Gesellschaft alleine im letzten Jahr<br />
mehr gekostet hat, als alle Migranten in der Geschichte<br />
der Bundesrepublik zusammen – die Banker.<br />
Sarrazin täte daher besser daran, sich an die eigene<br />
Nase zu fassen. So viel Steuergelder, wie alle<br />
„kleinen Kopftuchträgerinnen“ den Staat in ihrem<br />
ganzen Leben kosten, verbrennt ein durchschnittlicher<br />
Banker in einer besseren Frühstückspause<br />
– Pöbel-Thilo, übernehmen sie.<br />
ABER:<br />
Ausgetobt wird sich auf der rassistischen<br />
Spielwiese, dort wo man auf diejenigen einprügeln<br />
darf, die für alles verantwortlich gemacht<br />
werden können; die heute den Deutschen die Arbeitsplätze<br />
wegnehmen, aber morgen schuldig<br />
sind, weil sie mit ihren Arbeitslosenkarrieren die<br />
Sozialkassen schächten. Wie kann es sein, dass<br />
„aufgeklärte Menschen“ heutzutage wieder gegen<br />
„Sozialschmarotzer“ hetzen - und damit nicht den<br />
vollgesogenen Unternehmer meinen, der durch<br />
immer stärkeren Arbeitsplatzabbau, zunehmende<br />
Leiharbeit, Lohnkürzungen und „Minijobs“ seine<br />
Sozialabgaben drückt? Wie kann es sein, dass dieses<br />
braune Gedankengut von Figuren wie Sarrazin,<br />
Koch und vielen anderen wieder verbreitet werden<br />
kann, ohne dass eine große Mehrheit aufsteht und<br />
vollkommen entsetzt „Nein“ schreit?Wir wissen,<br />
warum das sein kann, und können doch nur ohnmächtig<br />
daneben stehen. Die Medien sind es, die<br />
diesen Protagonisten eine willfährige Plattform<br />
bieten. Und wir wissen auch, dass hinter den (angeblich<br />
„freien“) Medien Interessen stecken, die<br />
den Interessen des Volkes diametral entgegenstehen.<br />
Zitat-Quellen:<br />
*http://feynsinn.org/?p=1648<br />
*http://www.spiegelfechter.com/wordpress/<br />
*http://ad-sinistram.blogspot.com/2009/10/sturmist-immer.html<br />
*http://www.tagesspiegel.de/berlin/Thilo-Sarrazin-Hartz-IV-Heiner-Geissler;art270,2475592<br />
* h t t p : / / w w w. s t u t t g a r t e r- z e i t u n g . d e / s t z /<br />
page/2228712_0_3916_-provokateur-thilo-sarrazin-ein-schwerer-fall-von-ruhestoerung.html<br />
*http://www.scharf-links.de/48.0.html?&tx_<br />
ttnews[pointer]=2&tx_ttnews[tt_news]= 7095&tx_<br />
ttnews[backPid]=56&cHash=176cca4eb9<br />
6<br />
www.pi-23.de 11
www.pi-23.de<br />
Hallo wach! Glück<br />
sprechen mag politisch unkorrekt sein, die Augen<br />
vor diesen Problemen zu verschließen, ist jedoch<br />
grundsätzlich falsch – mit Denkblockaden hat man<br />
noch nie Probleme lösen können. Wenn eine Gesellschaft<br />
keine soziale Mobilität zulässt, entstehen<br />
automatisch Parallelgesellschaften – dies hat<br />
nichts mit dem Islam oder mit der Staatsangehörigkeit<br />
zu tun und trifft auch auf deutsche subproletarische<br />
Milieus zu. Was für den einen der Koran und<br />
das Kopftuch, ist für den anderen RTL II und das<br />
Arschgeweih. Die Schere zwischen arm und reich<br />
klafft immer weiter – vor allem für die Großstädte,<br />
die überproportional vom Armutsproblem betroffen<br />
sind, ist dies eine Herausforderung für die Zukunft.<br />
Sarrazins menschenfeindlichen Äußerungen<br />
bilden jedoch nur die Spitze eines Eisberges, der<br />
sich bis tief in die gesellschaftliche Basis verwurzelt<br />
hat. Nicht allein aufgrund der Tatsache, dass<br />
Thilo Sarrazin seit Jahren seine diskriminierenden<br />
Äußerungen über verschiedene gesellschaftlichen<br />
Gruppen, vornehmlich schwache, regelmäßig ungestraft<br />
verkünden konnte, wurde damit eine gesamtgesellschaftliche<br />
Akzeptanz-Atmosphäre für<br />
solcherart Gedankengut geschaffen. Gleichsam<br />
predigen Politiker aller etablierten Parteien sowie<br />
Wirtschaftsverantwortliche und Vertreter verschiedener<br />
Verbände in seinem geistigen Fahrwasser<br />
seit Monaten fortwährend scheinbar berechtigte<br />
Begriffe wie „Leistungsgerechtigkeit“ und „Leistungsträger“.<br />
Hierdurch wurden jedoch Begrifflichkeiten<br />
geprägt und mit einem allgemeinen Konsens<br />
belegt, welche bei näherer Betrachtung starke<br />
eugenistische Züge tragen. Mit seiner auf völkische<br />
Zugehörigkeit ausgerichteten Sprache ethnisiert<br />
Sarrazin ein Problem, das in Wahrheit in weiten<br />
Teilen ein soziales ist - was er in dem Interview an<br />
anderer Stelle selbst erkennt. Auch in den östlichen<br />
Plattenbaugebieten gibt es eine breite deutsche,<br />
von der Gesellschaft abgehängte Unterschicht, die<br />
Deutschland hat gewählt. Nun wird die Koalition<br />
geschlossen, die Regierung gebildet, as Kabinett<br />
vereidigt. Und ich bin dank bar dafür, dass mein<br />
ästhetisches Empfinden nun nicht länger gestört ist<br />
durch die profanen Sprüche und die Schön-Wetter-<br />
Gesichter, die monatelang von allen Wahlplakaten<br />
auf mich herab schauten. Ich weiß allerdings noch<br />
nicht, worüber ich mehr staunen soll. Über den Erfolg<br />
des schwarz-gelben Bündnisses (Haben die<br />
Menschen nichts aus der Krise gelernt?) oder über<br />
diese merkwürdige Stimmung im Lande. Diese<br />
Wahl hat der Gesellschaft den Spiegel vorgehalten<br />
und die Risse in deren Abbild sichtbar gemacht.<br />
Ist das nun gut oder schlecht? Versuchen wir<br />
einmal, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Eine<br />
Gesellschaft, die sich in zwei große Lager teilt und<br />
deren Individuen – je nach persönlichem Glücksstatus<br />
– beim Urnengang mal die einen, mal die anderen<br />
abzustrafen bereit sind, ist in sich starr. Sie<br />
kann sich nicht verändern, und sie muss es auch<br />
nicht. In einer solchen Gesellschaft verläuft das Leben<br />
in halbwegs geordneten Bahnen, solange sich<br />
der Wohlstand stetig mehrt. Wie anders ist das heute!<br />
Erstmals erlebte ich eine Bundestagswahl, aus<br />
der fünf Parteien mit einem zweistelligen Wahlergebnis<br />
hervor gingen. Zum Beispiel die Linken,<br />
deren Werbung mich besonders ärgerte, weil diese<br />
Partei gegen alles, aber für nichts ist: gegen die<br />
Rente ab 67 und gegen Hartz IV. Auf dem nächsten<br />
Schild die Parole: „Raus aus Afghanistan!“ Es<br />
gab nur ein FÜR-Plakat, von dem Gregor Gysi mit<br />
spitzbübischem Lächeln verkündet: „Reichtum für<br />
alle!“ Darüber habe ich eine Weile nachgedacht.<br />
Von welchem Reichtum ist da eigentlich die Rede?<br />
Von unbegrenztem Wachstum und mehr Mehr in jeder<br />
Hinsicht als Inbegriff des Lebensglückes? „In<br />
Krisenzeiten hat die Philosophie Hochkonjunktur,<br />
und sie ist noch anspruchsvoller als die Wirtschaftswissenschaft,<br />
da sie das Ziel menschlichen Lebens<br />
nicht im wackeligen Einzelglück sieht, sondern in<br />
der Glückseligkeit - dem Zustand vollkommener<br />
Befriedigung und Wunschlosigkeit“, schreibt Ute<br />
Lauterbach in der Februarausgabe der emotion. Gefragt<br />
sind bei dieser Sinnsuche nicht die äußeren<br />
Glücksumstände (Wirtschaftswachstum), sondern<br />
die innere Glücksfähigkeit (Wunschlosigkeit). Das<br />
wunschlose Glück ist demnach nicht erreicht, wenn<br />
wir endlich alles haben, sondern wenn wir innere<br />
Fülle erleben in dem Bewusstsein, dass wir niemals<br />
alles haben werden. Doch selbst die einst alternativen<br />
Parteien reden von Reichtum. Und auch sie<br />
scheuen eine Debatte, die unsere Gesellschaft so<br />
dringend nötig hätte. Und warum? Weil wir<br />
zugunsten dieser Glücksfähigkeit materiellen<br />
Wohlstand abgeben müssten, und zwar wir alle. Offenbar<br />
ist es deshalb so schwer, die grundsätzliche<br />
Frage zu stellen, wie wir in Zukunft leben wollen?<br />
Angesichts begrenzter Ressourcen, angesichts der<br />
krank machenden Beschleunigung und angesichts<br />
der grenzenlosen Verschwendung in den Industrieländern.<br />
Diese grundsätzliche Frage wird nicht gestellt,<br />
weil wir Angst vor der Antwort haben und<br />
den Preis dafür nicht bezahlen wollen. Dieser Preis<br />
wäre nämlich das Gegenteil von all dem, was uns<br />
die Politiker immer und immer wieder verkünden.<br />
Er bestünde darin, auf Wachstum und weitere Schulden,<br />
aber auch auf mehr Wohlstand zu verzichten.<br />
<strong>Der</strong> Philosoph Martin Heidegger macht auf den<br />
Unterschied von „brauchen“ und „entbehren können“<br />
aufmerksam. Was brauchen wir wirklich? <strong>Der</strong><br />
Krempel als Ballast! „Wer loslässt, hat zwei Hände<br />
frei“, sagt man in China. Glücklich sind wir, wenn<br />
unser Kopf frei und unser Herz weit ist. Frei vom<br />
Wachstumszwang, frei von diesem Getriebensein!<br />
Dieses Glück zu fördern, könnte der Beginn eines<br />
neuen Zeitalters sein. Aber vielleicht hat Gregor<br />
Gysi ja genau diese Art von Reichtum gemeint.<br />
10 www.pi-23.de<br />
7
<strong>Der</strong> Sarrazin’er<br />
www.pi-23.de<br />
-Sarazener: „ist ein Begriff, der ursprünglich einen im Nordwesten der Arabischen Halbinsel siedelnden<br />
Volksstamm bezeichnete. Im Gefolge der islamischen Expansion wurde der Begriff in lateinischen Quellen als<br />
Sammelbezeichnung für die muslimischen Völker des Mittelmeerraums und im Rahmen der christlichen Islampolemik<br />
verwendet.“ wikipedia.de<br />
-„Thilo Sarrazin (* 12. Februar 1945 in Gera) ist ein deutscher Politiker (SPD). Er war von 2002 bis<br />
April 2009 Finanzsenator im Berliner Senat und ist seit dem 1. Mai 2009 Mitglied des Vorstands der Deutschen<br />
Bundesbank. Dort ist er für Risikocontrolling und den Bargeldumlauf in Deutschland zuständig.“ wikipedia.de<br />
Ein exponierter Vertreter des Großbürgertums<br />
pöbelt gegen die Unterschicht und die Mehrheit<br />
des Volkes – darunter sicher auch viele Angehörige<br />
der angesprochenen Unterschicht – gibt ihm recht.<br />
Die öffentliche Diskussion um die neuesten polemischen<br />
Spitzen des Bundesbankers, SPD-Politikers<br />
und ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo<br />
Sarrazin nimmt von Tag zu Tag abstrusere Formen<br />
an. Hatte Sarrazin früher mit Vorliebe gegen die<br />
gesamte Berliner Unterschicht gepöbelt, zerrte er<br />
in seiner neuesten Philippika türkische und arabische<br />
Migranten in den Mittelpunkt seiner Angriffe<br />
– und siehe da, das Volk ist endlich auf einer Linie<br />
mit Pöbel-Thilo.<br />
Sarrazins Gedankenwelt ist im konservativen<br />
Bürger- und Großbürgertum weitverbreitet – die<br />
geistigen Brandstifter tragen auch die Namen Broder<br />
und Giordano. In ihren Köpfen spukt ein Kulturkampf,<br />
in dem eine neue fremde Kultur das jüdisch-christliche<br />
Abendland über das Schlachtfeld<br />
der Kreißsäle erobern will. Sarrazin ist demnach<br />
auch kein klassischer Rassist, er hat gar nichts gegen<br />
Ausländer, Migranten oder Menschen mit Migrationshintergrund<br />
– aber nur solange sie ihren<br />
ökonomischen Teil in der Gesellschaft beitragen.<br />
Erbringen sie weniger monetäre Leistungen, als sie<br />
von der Gesellschaft zugewiesen bekommen, sind<br />
sie unerwünscht.<br />
Thilo Sarrazin ist selbst ein Bundesbürger mit<br />
Migrationshintergrund – er entstammt einem hugenottischen<br />
Geschlecht, das vor Jahrhunderten seine<br />
Chance in der Migration nach Deutschland suchte.<br />
Die Sarrazins haben es geschafft, Thilo wurde<br />
als Sohn eines großbürgerlichen Arztes und einer<br />
westpreußischen Großgrundbesitzerin geboren. In<br />
Sarrazins Kreisen ist eine antiegalitäre Weltsicht<br />
keineswegs ungewöhnlich. Angehörige der unteren<br />
Klassen werden nur dann als vollwertige Mitglieder<br />
der Gesellschaft angesehen, wenn sie dem<br />
Staat, der Gesellschaft und letztlich dem Großbürgertum<br />
treue Dienste leisten und Leistung erbringen.<br />
Eine Gesellschaft besteht allerdings nie nur<br />
aus Leistungsträgern nach Sarrazins Gusto, sondern<br />
auch aus den Mitmenschen, die für die Sarrazins<br />
dieser Welt dem Lumpenproletariat zugerechnet<br />
werden. Ginge es Thilo Sarrazin wirklich<br />
um Integration und Auflösung subproletarischer<br />
Milieus, so müsste er vor allem verstärkte Integrations-<br />
und Bildungsinvestitionen fordern. Sarrazin<br />
glaubt jedoch nicht an die soziale Mobilität. <strong>Der</strong><br />
Sohn eines immigrierten persischen Arztes oder<br />
eines sowjetischen Intellektuellen ist für ihn zwar<br />
immer noch ein Migrant, aber kein Problemfall, da<br />
er ganz nach Sarrazins Klassendünkel ja ein Angehöriger<br />
des Bürgertums ist.<br />
Waren in der alten Bonner Republik noch die<br />
meisten Vertreter der politischen Eliten kleinbürgerlicher<br />
oder proletatischer Herkunft, so befanden<br />
sich in der letzten Bundesregierung mit Ulla<br />
Schmidt, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier<br />
nur noch drei Arbeiterkinder auf der Regierungsbank,<br />
während erstmals mit Ursula von der<br />
Leyen, Thomas de Maizière und Karl Theodor<br />
zu Guttenberg gleich drei Vertreter des Großbürgertums<br />
Ministerposten bekleideten. In der neuen<br />
schwarz-gelben Koalition wird sich das Verhältnis<br />
wahrscheinlich noch weiter zugunsten des Großbürgertums<br />
verschieben. Es ist nicht zu bestreiten,<br />
dass Deutschland ein Integrationsproblem hat. Die<br />
von Sarrazin angesprochenen Fehlentwicklungen<br />
haben jedoch weniger eine ethnische, sondern vor<br />
allem eine soziale Komponente. Die alten und neuen<br />
Unterschichten in Gelsenkirchen, Berlin oder<br />
Halle sind zuvörderst nicht deutsch, türkisch oder<br />
arabisch. Sie eint vor allem eins – sie sind arm und<br />
haben kaum Chancen, diesem Schicksal zu entkommen.<br />
Wer versucht, die Diskussion um Chancengerechtigkeit<br />
auf eine ethnische Schiene zu lenken,<br />
will nur einen Keil in die Gesellschaft treiben.<br />
Gemäß dem Prinzip „teile und herrsche“<br />
soll davon abgelenkt werden, dass es beinahe die<br />
gleichen Ursachen hat, warum Mehmet aus Berlin-Neukölln,<br />
dessen Vater Hartz IV-Empfänger<br />
ist, und Anna aus Berlin-Marzahn, deren Vater<br />
ebenfalls Hartz IV-Empfänger ist, kaum Chancen<br />
haben, selbst aus diesem subproletarischen Milieu<br />
herauszukommen. Wenn sich in BILD und RTL<br />
über die Hartz IV-Abzocker aufgeregt wird, so hat<br />
dies vor allem einen Grund – eine ganze Bevölkerungsschicht<br />
soll anhand einiger schwarzer Schafe<br />
stigmatisiert werden, so dass der gemeine Bürger<br />
auf der Straße nicht erkennt, worin die eigentlichen<br />
wirtschafts- und sozialpolitischen Probleme des<br />
Landes liegen. Solange der Bürger denkt, Hartz<br />
IV-Empfänger wären für ihr Schicksal selbst verantwortlich,<br />
und würden ihm als Steuerzahler betrügerisch<br />
auf der Tasche liegen, werden antiegalitäre<br />
Politiker weiterhin ihre neokonservative und<br />
neoliberale Politik betreiben können. Wenn sich<br />
Sarrazin nun über faule und integrationsunwillige<br />
Türken und Araber aufregt und von der konservativen<br />
Presselandschaft dafür mit klammheimlichem<br />
Beifall überschüttet wird, so wird dabei nur die<br />
nächste Sau durchs mediale Dorf getrieben. Nicht<br />
nur der deutsche Hartz IV-Betrüger, sondern auch<br />
„der Türke“ liegen also dem Steuerzahler auf der<br />
Tasche – und da „der Türke als solcher“ ja auch<br />
weder integrationswillig noch integrationsfähig ist,<br />
muss man den Sozialstaat gegen derlei ungewollte<br />
Kostenfaktoren abschirmen. Dass der Bürger auf<br />
der Straße letztendlich unter genau diesen Abschirmungen<br />
selbst am meisten leiden wird, wenn er im<br />
Alter von 50 Jahren von seinem Arbeitgeber vor die<br />
Tür gesetzt wird, und die Chancen seine eigenen<br />
Kinder unter einem antiegalitären Bildungssystem<br />
ebenfalls leiden, erkennt er jedoch nicht – teile und<br />
herrsche.<br />
Sarrazins Philippika wäre nie von der Mehrheit<br />
der Bevölkerung begrüßt worden, wenn sich<br />
die Gesellschaft nicht bereits seit Jahrzehnten vor<br />
einer sachlich geführten Einwanderungsdiskussion<br />
drücken würde. Natürlich ist der rosarote Traum<br />
einer multikulturellen Gesellschaft gescheitert, natürlich<br />
gibt es vor allem bei Türken und Arabern<br />
ein massives Integrationsproblem, natürlich muss<br />
man darüber nachdenken und offen diskutieren, an<br />
welche Voraussetzungen eine Aufenthaltsgenehmigung<br />
in Deutschland geknüpft sein soll. Dies anzu-<br />
8<br />
www.pi-23.de 9