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Festschrift 20 Jahre (2003) - Grüner Kreis

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Die Nachbetreuung<br />

im „Grünen <strong>Kreis</strong>“<br />

Die Nachbetreuung im „Grünen<br />

<strong>Kreis</strong>“ hat im Rahmen einer umfassenden<br />

Suchtbehandlung einen bedeutenden<br />

Stellenwert. Auch wenn KlientInnen nach<br />

Abschluss ihrer stationären Therapie „therapiemüde“<br />

sind oder vielleicht meinen,<br />

„ausbehandelt“ zu sein, ist es gerade in<br />

dieser kritischen Phase von großer Wichtigkeit,<br />

eine intensive weiterführende Therapie<br />

in Anspruch zu nehmen. Um einen<br />

langfristigen Erfolg in der Behandlung der<br />

Suchterkrankung zu erreichen, ist sowohl<br />

eine ambulante therapeutische Begleitung<br />

als auch regelmäßige Selbsthilfearbeit<br />

unumgänglich. Diese weiterführende<br />

Therapie verlangt Selbstständigkeit und<br />

Eigenverantwortung von den KlientInnen.<br />

Dazu gehört auch das Prinzip der<br />

Eigenleistung, welches bedeutet, dass die<br />

KlientInnen für die Wohnmöglichkeit,<br />

für das therapeutische Angebot, für die<br />

ärztliche Begleitung und Harntests, wie<br />

auch für die Teilnahme an Sport- und<br />

Freizeitprogrammen einen Beitrag leisten,<br />

um somit den Wert ihrer Therapie zu<br />

erkennen.<br />

Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit<br />

einer stationären und einer ambulanten<br />

Nachbetreuung, die in enger Verbindung<br />

und Wechselwirkung miteinander stehen.<br />

Die stationäre Nachbetreuung als<br />

temporäre Weiterbetreuung in den<br />

stationären Einrichtungen im Sinne des<br />

weiterführenden Therapiestufenmodells<br />

ist für TransitmitarbeiterInnen gedacht.<br />

Sie sind zum größten Teil in der Umgebung<br />

der stationären Einrichtungen<br />

angesiedelt bzw. gibt es das Angebot einer<br />

fortgesetzten Wohnmöglichkeit in einer<br />

Therapiestation. Im Mittelpunkt steht<br />

die Leistungsfähigkeit im Arbeitsbereich<br />

und die materielle und soziale Selbstständigkeit<br />

als Zielsetzung. Bedingungen für<br />

die Aufnahme in das TransitmitarbeiterInnenprogramm<br />

sind Psychotherapie,<br />

Abstinenz, die mittels Harnproben<br />

regelmäßig überprüft wird, und die fortgesetzte<br />

Einbindung in die therapeutische<br />

Gemeinschaft. Ziel ist die Fähigkeit zur<br />

eigenständigen Lebensführung außerhalb<br />

eines betreuten Systems. Möglichkeiten<br />

zur Aus- bzw. Fortbildung in dieser Zeit<br />

sollen optimale Reintegrationschancen<br />

am freien Arbeitsmarkt gewährleisten und<br />

ein zu starkes Anhaften am stationären<br />

Schutz vermeiden. Die therapeutischen<br />

Sitzungen finden in der zentralen Nachbetreuungsstelle<br />

in der Waldheimat statt.<br />

Damit wird die Ablösung vom „versorgenden<br />

BetreuerInnenteam“ des stationären<br />

Rahmens gefördert und die Eigenverantwortlichkeit<br />

tritt in den Vordergrund.<br />

Die ambulante Nachbetreuung setzt<br />

sich aus vier Schwerpunkten zusammen.<br />

Die weiterführende Therapie wird in<br />

den ambulanten Beratungs- und Betreuungszentren<br />

des Vereins angeboten und<br />

umfasst Einzelpsychotherapie, Gruppenpsychotherapie,<br />

Selbsthilfegruppe und<br />

Angehörigenarbeit.<br />

– Die Einzeltherapiesitzungen sind dem<br />

Therapiesetting einer psychotherapeutischen<br />

Praxis voll angeglichen,<br />

zwischen KlientIn und TherapeutIn<br />

besteht im Unterschied zum stationären<br />

Bereich der Kontakt ausschließlich<br />

über die psychotherapeutische Sitzung.<br />

Die KlientInnen übernehmen somit<br />

die volle Eigenverantwortung für die<br />

weiterführende Therapie. Idealerweise<br />

ist die Einzelpsychotherapie über einen<br />

längeren Zeitraum angesetzt, wobei<br />

die Sitzungsfrequenz mit Fortdauer<br />

abnimmt.<br />

– Die Gruppenpsychotherapie in der ambulanten<br />

Nachbetreuung erstreckt sich<br />

über einen längeren Zeitrahmen und<br />

bietet die Möglichkeit einer tiefergehenden<br />

Reflexion über die Problematik<br />

der nun realen Individuationsprozesse.<br />

Die Strukturen und Kräfte der Gruppe<br />

sollen die soziale Kompetenz weiter<br />

fördern.<br />

– Selbsthilfegruppen nehmen eine hohen<br />

Stellenwert in der Nachbetreuung ein,<br />

indem sie durch die soziale Struktur<br />

den Betroffenen Halt, Sicherheit und<br />

soziale Anbindung bieten, vor allem<br />

in Krisenzeiten. Es bestehen intensive<br />

Kontakte zu den Gruppen der „Narcotics<br />

Anonymous“ aber auch zu den<br />

„Anonymen Alkoholikern“.<br />

– Die Angehörigenarbeit soll vor allem<br />

co-abhängige Verhaltensmuster<br />

aufdecken und diese den Betreffenden<br />

bewusst machen, um den Rückfall in<br />

etwaige übertriebene Versorgungshandlungen<br />

und -sehnsüchte früh<br />

zu erkennen und zu vermeiden. Die<br />

ambulanten Zentren bieten Angehörigenarbeit<br />

an.<br />

Selbstverständlich gibt es die Möglichkeit<br />

einer allgemeinmedizinischen<br />

und fachärztlichen Konsultation. Die<br />

begleitenden Harnkontrollen dienen<br />

einerseits der Selbstkontrolle andererseits<br />

auch der Rückfallsprophylaxe. Eine rasche<br />

Rückfallsintervention hilft maßgeblich,<br />

ein neuerliches Abgleiten in die Sucht zu<br />

verhindern.<br />

Das Angebot an Nachbetreuung ist<br />

also vielfältig. Wir haben auch in den<br />

vergangenen Monaten einen vermehrten<br />

Zuwachs von NachbetreuungsklientInnen<br />

festgestellt. Dies spricht für ein erweitertes<br />

Interesse und vor allem Bewusstsein<br />

bezüglich Psychotherapie von Seiten der<br />

KlientInnen. Ich denke, diese Menschen<br />

sind im Begriff, die Regie in ihrem Leben<br />

selbst zu übernehmen und eigenverantwortlich<br />

die „Geschehnisse“ auf ihrer<br />

inneren und äußeren Lebensbühne<br />

zu reflektieren. Sie stellen sich somit<br />

der Herausforderung, GestalterInnen<br />

ihres Lebens zu sein. Das bedeutet einen<br />

großen Schritt in Richtung Individuation.<br />

Erst wenn das Bewusstsein integriert ist,<br />

einen aktiven Beitrag zur individuellen<br />

Weiterentwicklung zu leisten, können<br />

SuchtklientInnen aus ihrer „Abhängigenrolle“<br />

selbstbestimmt heraustreten.<br />

Text und Foto: Michael Kallinka, Leiter<br />

Ambulantes Zentrum Wien<br />

Seite 31 <strong>20</strong> <strong>Jahre</strong> „<strong>Grüner</strong> <strong>Kreis</strong>“

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