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Erstellt von: Benjamin Leisinger & Gregory Gerhardt anhand ...

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<strong>Erstellt</strong> <strong>von</strong>:<br />

<strong>Benjamin</strong> <strong>Leisinger</strong> & <strong>Gregory</strong> <strong>Gerhardt</strong><br />

<strong>anhand</strong>:<br />

Staehelin, Adrian/ Sutter, Thomas: Zivilprozessrecht


Inhalt<br />

§ 1 Bedeutung, Sinn und Zweck des Zivilprozesses 1<br />

§ 2 Geschichte des schweizerischen Zivilprozesses 1<br />

§ 3 Bundesrecht und kantonales Zivilprozessrecht 2<br />

§ 4 Quellen des Zivilprozessrechts 3<br />

§ 5 Gerichtsorganisation in Gerichtssachen 3<br />

§ 6 Zivilprozess, Verwaltungsweg und betreibungsrechtliche Streitigkeiten 4<br />

§ 7 Freiwillige Gerichtsbarkeit 5<br />

§ 8 Zuständigkeit der Gerichte 6<br />

§ 9 Partei- und Prozessfähigkeit 7<br />

§ 10 Streitgenossenschaft und Nebenparteien 10<br />

§ 11 Prozessmaximen (Prozessgrundsätze) 13<br />

§ 12 Prozesshandlungen der Parteien und des Gerichts 17<br />

§ 13 Klage 19<br />

§ 14 Beweisrecht 24<br />

§ 15 Prozesskosten 35<br />

§ 16 Sühneverfahren und ordentliches Verfahren 39<br />

§ 17 Besondere Verfahrensarten 42<br />

§ 18 Rechtskraft und Rechtshängigkeit 43<br />

§ 19 Urteil, Urteilssurrogate und Prozesserledigung ohne Urteil 48<br />

§ 20 Grundsätze der Rechtsmittel 52<br />

§ 21 Rechtsmittel des kantonalen Rechts 55<br />

§ 22 Bundesrechtliche Rechtsmittel 68<br />

§ 23 Vorsorgliche Verfügung 71<br />

§ 24 Schiedsgerichtsbarkeit 75<br />

§ 25 Kantonale Zwangsvollstreckung 80<br />

§ 26 Gedanken zur neuen BZPO 82<br />

I


§ 1 Bedeutung, Sinn und Zweck des Zivilprozesses<br />

Aus welchen Verfahrensstufen besteht der Zivilprozess?<br />

Aus dem Urteils- oder Erkenntnisverfahren und (ausnahmsweise) dem<br />

Vollstreckungsverfahren, wenn dieses kantonalen Vorschriften und nicht dem SchKG<br />

folgt.<br />

Was ist der Zweck des Zivilprozesses?<br />

Vom Einzelnen her gesehen der Schutz seiner konkreten Rechtstellung , <strong>von</strong> der<br />

Allgemeinheit her gesehen, die Wahrung der Rechtsordnung und die Sicherung des<br />

Rechtsfriedens.<br />

Was ist Gegenstand des Zivilprozesses?<br />

Streitige zivilrechtliche Rechte und Rechtsverhältnisse im kontradiktorischen Verfahren,<br />

Antrag einer Person bei freiwilliger Gerichtsbarkeit<br />

Was sind die Ziele des Zivilprozesses?<br />

Die Rechtsverwirklichung, die Rechtsgleichheit und die Wahrung des Rechtsfriedens.<br />

Was bedeutet „Justizanspruch“?<br />

Das bedeutet, dass die Parteien einen Anspruch darauf haben, dass der Staat ihnen<br />

umfassenden Rechtsschutz auch im Privatrecht garantiert, also dass die Gerichte nach<br />

Massgabe der Gesetze tätig werden.<br />

Wo<strong>von</strong> ist der Zivilprozess anzugrenzen?<br />

1. Strafprozess (dient der Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs; folgt<br />

Offizial- und Untersuchungsmaxime). Zivilansprüche aus strafbaren Handlungen<br />

können aber im sgn. Adhäsionsprozess im Strafprozess anhängig gemacht<br />

werden. Der Zivilrichter ist nach Bundesrecht (OR 53) nicht an Strafurteile<br />

gebunden, insoweit es um die Beurteilung <strong>von</strong> Schuld und Schaden geht.<br />

2. Verwaltungsgerichtliches Verfahren (dient der Durchsetzung öff. Rechts).<br />

Zivilgerichte und Verwaltungs(gerichtliche) Behörden können Vorfragen des öff.<br />

bzw. privaten Rechts selbständig entscheiden, sofern dies nicht die in der<br />

Hauptsache zuständige Behörde bereits entschieden hat.<br />

Wieso kommt es zu einem Zivilprozess?<br />

Beispiele: Schuldner zahlt nicht, oder Vorgehen mittels SchKG ist nicht möglich. Oder<br />

Schuldner bestreitet, zu einer Sachleistung verpflichtet zu sein.<br />

§ 2 Geschichte des schweizerischen Zivilprozesses<br />

(siehe Buch, Seiten 5 – 8)<br />

1


§ 3 Bundesrecht und kantonales Zivilprozessrecht<br />

Woraus ergeben sich die Eingriffe des Bundesrechts ins kantonale Prozessrecht?<br />

1. Bundesstaatlich bedingte Abgrenzung der kantonalen Gerichtsbarkeit<br />

gegeneinander<br />

2. Pflicht des Bundes, die Anwendung und Durchsetzung des Bundesprivatrechts<br />

sicherzustellen<br />

3. Verfassungsmässige Rechte<br />

Wie werden die kantonalen Gerichtsbarkeiten abgegrenzt?<br />

Art. 30 (2) BV stellt die verfassungsmässige Garantie dar, nicht vor einem (durch einen<br />

kantonalen Rechtssatz bestimmten) ausserkantonalen Gericht belangt zu werden,<br />

solange nicht Bundesrecht oder Staatsvertragsrecht einen ausserkantonalen<br />

Gerichtsstand vorsehen. Bedeutung hat diese Bestimmung heute v.a. angesichts des<br />

GestG praktisch nur noch, wenn sich die Zivilklage auf kantonales Recht stützt.<br />

Übersicht zivilprozessuale Vorschriften des Bundes<br />

1. Gerichtsstandsvorschriften im GestG<br />

2. Ausschluss der (zum voraus erfolgten) Prorogation oder Schiedsabrede GestG<br />

21 im Binnenverhältnis<br />

3. Zuständigkeit Vorsorgliche Massnahmen, GestG 33<br />

4. Beweisrecht ZGB 8-10, 139 (1) ZGB etc.<br />

5. Untersuchungsmaxime, z.B. 145 (1) ZGB (Entscheid Elternrechte), 254 Ziff. 1<br />

(Feststellung / Anfechtung Kindesverhältnis)<br />

6. Einfaches und rasches Verfahren, z.B. 280 (1) ZGB (Unterhaltsprozess), 343 (2)<br />

OR (Arbeitsstreit)<br />

7. Kostenlosigkeit des Verfahrens, z.B. 343 (2) OR (Arbeitsstreit bis 20'000.-)<br />

Von Bundesrecht bestimmte zivilprozessuale Fragen<br />

1. Rechtsschutzinteresse bei den durch Bundesprivatrecht begründeten Rechten<br />

und Rechtsverhältnissen, insb. auch bei Feststellungsklage und vorsorgliche<br />

Massnahmen!<br />

2. Fehlendes Rechtsschutzinteresse wegen Rechtshängigkeit oder materieller<br />

Rechtskraft (Bejahung oder Verneinung <strong>von</strong> Rechtshängigkeit oder materieller<br />

Rechtskraft ist als Bundesrechtsverletzung anfechtbar!)<br />

3. Bundesrechtliche Normen <strong>von</strong> allgemeiner Tragweite:<br />

a. Fristwahrung bei Eingabe am falschen Ort<br />

b. Wiederherstellung gemäss OG 35, wenn kt. Recht keine entsprechende<br />

Bestimmung enthält<br />

c. Kein Nachteil aus falscher Rechtsmittelbelehrung (sinngemässe<br />

Anwendung <strong>von</strong> 107 (3) OG)<br />

d. Fristbeginn bei gerichtlicher Zustellung<br />

Wie lässt sich der Eingriff des Bundesrechts in die kantonale Prozessrechtshoheit<br />

begründen?<br />

1. Einheitliche Durchsetzung der Privatrechtsordnung<br />

2. Ausbau des sozialen Zivilprozesses<br />

2


Wie prüft der Richter bei StaBe wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte<br />

durch den kantonalen Richter?<br />

1. Anwendung des kt. Prozessrechts wird nur auf Willkür geprüft<br />

2. Einhaltung der verfahrensrechtlichen Minimalgarantien der Verfassung prüft er in<br />

rechtlicher Hinsicht frei<br />

Verfahrensrechtlichen Minimalgarantien der Verfassung<br />

1. Rechtsgleichheit BV 8 (1), 9, 29 (1)<br />

2. Verfassungsmässiger Richter BV 30 (1)<br />

3. Bundesrecht bricht kantonales Recht BV 49 (1) (Grundsätzlich nur mit Berufung<br />

oder zivilrechtlicher Nichtigkeitsbeschwerde geltend zu machen, subsidiär StaBe)<br />

§ 4 Quellen des Zivilprozessrechts<br />

(siehe Buch, Seiten 13 – 20)<br />

§ 5 Gerichtsorganisation in Gerichtssachen<br />

Was sind Gerichte?<br />

Unabhängige Staatsorgane mit der Aufgabe zu entscheiden, sie sind die dritte Gewalt<br />

des Staates.<br />

Welche zwei Bedeutungen kann der Begriff „Gericht“ haben?<br />

Einerseits: Gerichtsbehörde als Verwaltungskörper<br />

Andererseits: Spruchkörper<br />

Was ist die Aufgabe der Gerichte?<br />

In erster Linie die Rechtsprechung, sodann in gewissen Umfang der Erlass <strong>von</strong><br />

Verordnungen sowie Verwaltung. Auch hat z.B. das Bundesgericht die Oberaufsicht<br />

über die Vollziehung des SchKG.<br />

In welcher Hinsicht gliedern sich die Gerichte?<br />

In örtlicher, funktioneller und in sachlicher Hinsicht.<br />

Wie gliedern sich die Zivilgerichte in BS in funktioneller (gradueller) Hinsicht?<br />

1. Zivilgericht<br />

2. Appellationsgericht<br />

3. (Bundesgericht)<br />

Wie gliedern sich die Gerichte in sachlicher Hinsicht?<br />

In Bezug auf den Streitwert und in Bezug auf den Streitgegenstand.<br />

3


Wie teilen sich Gerichte territorial auf?<br />

In Gerichtskreise oder –bezirke.<br />

Was existiert für gewisse besondere Streitigkeiten?<br />

So genannte Spezialgerichte.<br />

Was ist der sogenannte Friedensrichter?<br />

Dieser „Richter“ leitet das obligatorische oder fakultative Sühneverfahren. Dieser Richter<br />

ist in der Regel ein Laienrichter.<br />

Wo ist in BS die Organisation des Gerichtes geregelt?<br />

Im GOG-BS.<br />

§ 6 Zivilprozess, Verwaltungsweg und betreibungsrechtliche<br />

Streitigkeiten<br />

Was regelt der Zivilprozess?<br />

Im Zivilprozess kommen in der Regel nur Streitigkeiten privatrechtlicher Natur zur<br />

Austragung. In Basel- Stadt kommen noch gewisse Verwaltungsgerichtliche<br />

Streitigkeiten zur Austragung, so Streitigkeiten über Schadenersatzforderungen gegen<br />

den Staat aus Beamtenhaftung und die vom Zivilgericht gewählte<br />

Expropriationskommission entscheidet nach zivilprozessualen Regeln über die<br />

Entschädigung bei Enteignungen.<br />

Welche Theorien helfen zu unterscheiden, ob privatrechtliche oder<br />

öffentlichrechtliche Streitigkeiten vorliegen?<br />

Die Lehre unterscheidet nach der<br />

• Interessentheorie<br />

• Funktionstheorie<br />

• Subjektstheorie<br />

• Subjektionstheorie<br />

• Etc.<br />

• Topische Methode<br />

Was ist die Interessentheorie?<br />

Bei der Interessentheorie unterscheidet die Lehre, ob die anwendbaren Rechtssätze<br />

private oder öffentliche Interessen verfolgen.<br />

Was ist die Funktionstheorie?<br />

Bei der Funktionstheorie unterscheidet die Lehre, ob die anwendbaren Rechtssätze<br />

unmittelbar die Erfüllung öffentlicher Aufgaben betreffen oder nicht.<br />

Was besagt die Subjektstheorie?<br />

Bei der Subjektstheorie unterscheidet die Lehre, ob die anwendbaren Rechtssätze das<br />

Verhältnis zwischen Staat und Bürger oder zwischen Bürgern unter sich regeln.<br />

4


Was besagt die Subjektionstheorie?<br />

Bei der Subjektionstheorie unterscheidet die Lehre, ob die anwendbaren Rechtssätze<br />

zwischen Staat und Bürger eine Unterordnung oder eine Gleichordnung zum<br />

Gegenstand haben.<br />

Was macht die topische Methode?<br />

Lehre und Rechtsprechung neigen zur Kombination einzelner Merkmale der Theorien,<br />

indem meist <strong>von</strong> der Subjektionstheorie ausgegangen wird und dann andere Theorien<br />

ergänzend herangezogen werden.<br />

Wer steht sich also in einem Zivilprozess in der Regel gegenüber?<br />

In der Regel fallen diejenigen Rechtsverhältnisse unter die Zivilgerichtsbarkeit, bei<br />

welchem sich gleichartige, gleichberechtigte und gleichwertige Rechtssubjekte<br />

gegenüberstehen.<br />

Welche betreibungsrechtlichen Streitigkeiten werden auch vom Zivilrichter<br />

beurteilt?<br />

Sie werden in drei Gruppen aufgeteilt:<br />

• materiell-rechtliche Streitigkeiten<br />

• betreibungsrechtliche Streitigkeiten<br />

• betreibungsrechtliche Streitigkeiten mit materiell-rechtlichem Hintergrund<br />

• besondere rein betreibungsrechtliche Streitigkeiten<br />

Welches Recht, kantonales oder bundesrechtliches, kommt bei der Beurteilung<br />

dieser Streitigkeiten zur Anwendung?<br />

Sowohl kantonales Recht, als auch in unterschiedlichem Umfang Bundesrecht,<br />

namentlich Betreibungsrecht. In verfahrensrechtlicher Hinsicht unterstehen sie ganz<br />

dem kantonalen Prozessrecht, wobei dieses zu einem guten Teil <strong>von</strong> Bundesrecht<br />

bestimmt wird.<br />

§ 7 Freiwillige Gerichtsbarkeit<br />

Was ist die „freiwillige Gerichtsbarkeit“?<br />

Freiwillige Gerichtsbarkeit ist die hoheitliche Tätigkeit eines Gerichtes oder einer<br />

Verwaltungsbehörde in Unichtstreitigen AngelegenheitenU zur Feststellung, Begründung,<br />

Änderung oder Aufhebung privater Rechte oder zur Erhebung und Feststellung eines<br />

Sachverhaltes. Sie lässt sich auch als „Verwaltung zur Verwirklichung privater Rechte“<br />

bezeichnen.<br />

Was ist an diesem Begriff irreführend?<br />

Erstens handelt der Gesuchsteller nicht freiwillig, zweitens stellt die freiwillige<br />

Gerichtsbarkeit nicht immer eine Gerichtsbarkeit im Sinne einer richterlichen Tätigkeit<br />

und erst recht nicht im Sinne der Rechtsprechung dar.<br />

Welche Maxime gilt bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit?<br />

Es gilt die eingeschränkte Untersuchungsmaxime.<br />

5


§ 8 Zuständigkeit der Gerichte<br />

Woraus ergibt sich grundsätzlich die örtliche Zuständigkeit?<br />

Anknüpfungskriterium ist der Wohnsitz des Beklagten: actor sequitur forum rei.<br />

Allerdings kann das Gesetz Ausnahmen vorsehen. So lautet auch Art. 30 (2) der neuen<br />

BV.<br />

Woraus ergibt sich der Wohnsitzbegriff bei natürlichen Personen?<br />

Aus dem ZGB, vgl. GestG 3 (2). Allerdings ist ZGB 24 (1) nicht anwendbar.<br />

Was ist unter der interkantonalen Gerichtsstandsgarantie zu verstehen?<br />

Art. 30 (2) BV; allerdings ist das nicht eigentlich eine Gerichtsstandgarantie, sondern<br />

vielmehr die Abgrenzung der kantonalen Justizhoheiten <strong>von</strong>einander!<br />

Wo ist die örtliche Zuständigkeit geregelt?<br />

Die örtliche Zuständigkeit (Gerichtsstand) ist u.a. im Gerichtsstandsgesetz (GestG)<br />

geregelt<br />

Was bedeutet Kompetenz (Zuständigkeit)?<br />

Zuständigkeit bedeutet Befugnis und Verpflichtung, eine bestimmte Klage zu beurteilen.<br />

Die Zuständigkeitsregeln umschreiben die Aufgabenkreise der Gerichte unter<br />

verschiedenen Gesichtspunkten.<br />

Was sind die besonderen Gerichtsstände?<br />

Gerichtsstände, die an andere Kriterien als den Wohnsitz des Beklagten anknüpfen.<br />

Nenne die wichtigsten besonderen Gerichtsstände und wo sie gerregelt sind<br />

1. Wohnsitz des Klägers (GestG 3, 12, 22 (1) lit. A, 25)<br />

2. Erfüllungsort (Im Geltungsbereich GestG nur wenn vereinbart, vgl. GestG 9, im<br />

IPR aber vorgesehen)<br />

3. Begehungsort für Klagen aus unerlaubter Handlung (GestG 25-27)<br />

4. Ort der Geschäftsniederlassung (GestG 5; als Niederlassung gilt auch die<br />

Zweigniederlassung einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft, aber auch<br />

die berufliche oder geschäftliche Niederlassung einer natürlichen<br />

Person/Einzelfirma/Personengesellschaft)<br />

5. Ort der gelegenen Sache = forum rei sitae (GestG 19, 20, SchKG 109 (3))<br />

Zwingend für dingliche Klagen!<br />

6. Letzter Wohnsitz des Erblassers (GestG 18)<br />

7. Betreibungs-, Konkurs- und Arrestort: Nicht im GestG geregelt, GestG 1 (2) lit. B;<br />

allerdings enthält das SchKG oft keine örtliche Zuständigkeitsregel. Sehen die<br />

Kantone hier nichts Besonderes vor, sollten hier die allgemeinen<br />

Zuständigkeitsregeln des GestG gelten<br />

8. Weitere besondere Gerichtsstände: Vereinbarter Gerichtsstand, Gerichtsstand<br />

des Sachzusammenhangs etc.<br />

6


Kann ein Gerichtsstand vereinbart werden?<br />

Ja, sowohl ausdrücklich (Prorogation) als auch konkludent (Einlassung) in Form eines<br />

prozessualen Vertrags. Vgl. GestG 9<br />

Was ist Voraussetzung der Zulässigkeit <strong>von</strong> Prorogation und Einlassung?<br />

1. Verfügungsbefugnis der Parteien über den Prozessgegenstand<br />

2. Kein zwingender oder teilzwingender Gerichtsstand<br />

Wie ergibt sich, ob ein Gerichtsstand des GestG zwingend ist?<br />

Er wird ausdrücklich als solcher bezeichnet, kann sich nicht aus Auslegung ergeben!<br />

Was sind teilzwingende Gerichtsstände?<br />

Es ist kein Verzicht zum Voraus möglich. Vgl. GestG 21<br />

Wie ist die typografische Rechtsprechung des BGer zu Gerichtsstandsklauseln<br />

nach Inkrafttreten des GestG zu beurteilen?<br />

Sie gilt nicht mehr! Damit muss die Privatrechtslehre auf ihr wichtigstes Beispiel für die<br />

Ungewöhnlichkeitsregel verzichten!<br />

§ 9 Partei- und Prozessfähigkeit<br />

Was bedeutet „Parteifähigkeit“?<br />

Unter Parteifähigkeit versteht man die Fähigkeit, unter eigenem Namen als Kläger oder<br />

Beklagte im Prozess auftreten zu können. Sie ist das prozessuale Abbild der<br />

Rechtsfähigkeit.<br />

Welche verselbstständigten Vermögensmassen ohne eigene Rechtspersönlichkeit<br />

sind parteifähig?<br />

• die Konkursmasse<br />

• die Liquidationsmasse im Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />

• der ungeteilte Nachlass als Schuldner, soweit er betrieben werden kann<br />

Was ist die Prozessfähigkeit?<br />

Die Prozessfähigkeit ist die rechtliche Befugnis, in eigenem Namen oder als Vertreter im<br />

Prozess rechtswirksam zu handeln. Sie ist das Abbild der Handlungsfähigkeit.<br />

Was sind die Voraussetzungen für die Prozessfähigkeit?<br />

• für natürliche Personen:<br />

o Mündigkeit<br />

o Urteilsfähigkeit<br />

• Für juristische Personen:<br />

o das Bestehen der nach Gesetz und Statuten unentbehrlichen Organe.<br />

Was ist die Sachlegitimation?<br />

Die Sachlegitimation hat die Frage zum Inhalt, wer hinsichtlich des streitigen<br />

Anspruches berechtigt bzw. verpflichtet und demzufolge als Kläger bzw. Beklagter in<br />

den Prozess einzubeziehen ist.<br />

7


Was ist das materiell- rechtliche Pendant zur Parteifähigkeit?<br />

Die Parteifähigkeit ist das prozessuale Abbild der Rechtsfähigkeit.<br />

Was ist aktive, und was ist passive Rechtsfähigkeit?<br />

Aktive Rechtsfähigkeit ist die Befugnis, in eigenem Namen subjektive Rechte geltend zu<br />

machen.<br />

Passive Rechtsfähigkeit ist die Möglichkeit in eigenem Namen eingeklagt zu werden.<br />

Nenne ein Beispiel, bei dem die aktive und die passive Rechtsfähigkeit<br />

auseinander fallen:<br />

Die Verwaltung der AG besitzt in einem bestimmten Bereich die aktive Rechtsfähigkeit,<br />

jedoch nicht die passive, indem sie selbstständig zur Anfechtung <strong>von</strong> GV-Beschlüssen<br />

berechtigt ist.<br />

Welche drei Personengesellschaften, welche nach Bundesrecht keine<br />

Rechtsfähigkeit haben, haben dennoch die Parteifähigkeit?<br />

• Die Kollektivgesellschaft (Art. 562 OR)<br />

• Kommanditgesellschaften (Art. 602 OR)<br />

• Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer (Art. 712 l Abs. 2 ZGB)<br />

Was gilt, wenn die Rechtsfähigkeit umstritten ist?<br />

Ist die Rechtsfähigkeit umstritten und Gegenstand des Prozesses oder steht zumindest<br />

in einem engen Zusammenhang zum Prozess, so sind juristische Personen,<br />

Rechtsgemeinschaften oder Vermögensmassen parteifähig.<br />

Was ist die Prozessfähigkeit?<br />

Die Prozessfähigkeit ist die rechtliche Befugnis, in eigenem Namen oder als Vertreter im<br />

Prozess rechtswirksam zu handeln. Sie ist das prozessuale Abbild der<br />

Handlungsfähigkeit.<br />

Wann können urteilsfähige unmündige oder entmündigte Personen selber<br />

Prozesse führen?<br />

Sie können jederzeit Rechte ausüben, die ihnen um ihrer Persönlichkeit Willen<br />

zustehen. So zum Beispiel der Genugtuungsanspruch nach Art. 49 OR.<br />

Sie können mit der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters selbst Prozesse führen.<br />

Urteilsfähige Minderjährige und daher unmündige Personen können die mit der<br />

Verwaltung und Nutzung ihres Arbeitserwerbes zusammenhängenden Rechte selber<br />

gerichtlich geltend machen.<br />

Wie ist die Lage bei Urteilsunfähigkeit?<br />

Wer nicht urteilsfähig ist, ist schlechthin nicht prozessfähig. Ausnahmsweise sind sie<br />

dies bei gerichtlicher Anfechtung der Entmündigung und in Prozessen betreffend die<br />

Aufhebung der Vormundschaft.<br />

Was ist die Postulationsfähigkeit?<br />

8


Postulationsfähigkeit ist die Fähigkeit in eigenem Namen oder als Vertreter einer Partei<br />

vor Gericht aufzutreten und demzufolge mit prozessualen Handlungen zugelassen zu<br />

werden. Postulationsfähigkeit ist Teil der Prozessfähigkeit, da in der Schweiz kein<br />

Anwaltszwang herrscht: wer prozessfähig ist, ist auch postulationsfähig.<br />

Dürfen Nichtanwälte Parteien vor Gericht vertreten?<br />

Ja, kein Anwaltszwang, ausser vor Bundesgericht. Die berufsmässige Vertretung ist<br />

jedoch den zugelassenen Anwälten vorbehalten.<br />

Wann liegt bei einer Vertretung vor Gericht Berufsmässigkeit vor?<br />

Berufsmässigkeit wird <strong>von</strong> der Baselstädtischen Praxis angenommen, sobald der<br />

Vertreter den Prozess gegen Entgelt führt.<br />

Was ist ein gewillkürter Vertreter?<br />

Ein so genannter gewillkürter Vertreter ist ein mit einer Prozessführungsvollmacht einer<br />

Partei ausgewiesener Dritter, welcher unentgeltlich tätig wird.<br />

Wer kann vor dem Bundesgericht als Parteivertreter auftreten?<br />

Hier können nur patentierte Anwälte und Rechtslehrer an schweizerischen Hochschulen<br />

als Parteivertreter auftreten.<br />

Was bezweckt das Erfordernis des Anwaltpatents?<br />

Konsumentenschutz<br />

Was sind die Voraussetzungen für das Anwaltspatent?<br />

Gemäss BGFA 7 und 8 namentlich:<br />

1. Abgeschlossenes juristisches Studium<br />

2. mindestens einjähriges Praktikum mit anschliessendem Examen<br />

3. Handlungsfähigkeit<br />

4. Guter Leumund (kein Einträge ins Strafregister, keine Verlustscheine etc.)<br />

Wird ein Anwaltspatent in einem Kanton in allen Kantonen anerkannt?<br />

Heute bestimmt sich die sgn. Freizügigkeit nach BGFA 4: Wer in ein kantonales<br />

Anwaltsregister eingetragen ist, darf im entsprechenden Kanton praktizieren.<br />

Darf ein Anwalt ein Erfolgshonorar vereinbaren?<br />

Nein, ein Anteil am Prozessgewinn zu vereinbaren ist verboten, BGFA 12 lit. E<br />

Darf ein Anwalt Werbung machen?<br />

Ja, BGFA 12 lit. D<br />

Was ist die Sachlegitimation?<br />

Das ist die Frage, wer hinsichtlich eines streitigen Anspruches berechtigt oder<br />

verpflichtet ist. Man unterscheidet Aktiv- und Passivlegitimation.<br />

Nach welchem Recht entscheidet sich diese Frage?<br />

Nach dem materiellen Recht.<br />

9


Was ist die Prozessführungsbefugnis?<br />

Unter Prozessführungsbefugnis versteht man die Befugnis als Partei (Kläger oder<br />

Beklagter) über einen streitigen Anspruch einen Prozess zu führen.<br />

Die Prozessführungsbefugnis lässt sich mit der Verfügungsmacht vergleichen, die in der<br />

Regel dem Rechtsträger, ausnahmsweise auch einem Dritten zusteht.<br />

Was ist die Prozessstandschaft?<br />

Das ist die prozessuale Stellung einer Person, die einem Prozess nicht als Stellvertreter<br />

des Berechtigten, aber auch nicht aus (behaupteter) eigener Anspruchsberechtigung,<br />

sondern aufgrund spezieller Gesetzesvorschrift und im eigenen Namen führt.<br />

Sachlegitimation und Prozessführungsbefugnis fallen namentlich in folgenden Fällen<br />

auseinander:<br />

1. Verässerung des Streitgegenstands: Veräussernde Partei bleibt zur Führung des<br />

Prozesses befugt.<br />

2. der Willensvollstrecker führt Prozesse um Aktiven und Passiven des Nachlasses<br />

als Partei in eigenem Namen;<br />

3. ebenso der Erbschaftsverwalter bei der amtlichen Erbschaftsverwaltung.<br />

4. Der gesetzliche Vertreter kann Prozesse im eigenen Namen führen.<br />

Kann die Prozessstandschaft gewillkürt werden?<br />

Die Prozessstandschaft ist jedoch nur in den gesetzlich vorgesehen Fällen möglich,<br />

kann also nicht gewillkürt werden (anders in Deutschland). Die Prozessführungsbefugnis<br />

ist eine so genannte Prozessvoraussetzung.<br />

§ 10 Streitgenossenschaft und Nebenparteien<br />

Was ist die Streitgenossenschaft?<br />

Die Streitgenossenschaft (litis consortium; joinder) liegt vor, wenn auf einer Parteiseite<br />

eine Mehrheit <strong>von</strong> Personen als Prozessparteien vorhanden ist, wenn also z.B. mehrere<br />

Kläger durch eine Klage gegen den Beklagten vorgehen (aktive Streitgenossenschaft)<br />

oder wenn ein Kläger durch eine Klage gegen mehrere Beklagte vorgeht (passive<br />

Streitgenossenschaft). Die Personenmehrzahl auf einer Seite sind dann die<br />

Streitgenossen.<br />

Was ist die formelle Streitgenossenschaft, was die materielle?<br />

Bei der formellen sind die Klagegründe nur gleichartig, bei der materiellen<br />

Streitgenossenschaft beruhen die Ansprüche auf ein und demselben Rechtsgrund.<br />

Kennt die ZPO BS die formelle und die materielle Streitgenossenschaft?<br />

Nein, nur die materielle, vgl. §§ 16 und 17 ZPO BS. Die Praxis anerkennt jedoch die<br />

formelle Streitgenossenschaft.<br />

Was ist die objektive Klagehäufung?<br />

Die objektive Klagehäufung ist die Geltendmachung mehrerer Ansprüche durch eine<br />

Klage, sei es kumulativ oder eventualiter durch die Stellung <strong>von</strong> Haupt- und<br />

10


Eventualbegehren. Es müssen jedoch der gleiche Gerichtsstand und das gleiche<br />

Verfahren gegeben sein.<br />

Freiwillige Streitgenossenschaft<br />

= einfache Streitgenossenschaft, auch subjektive Klagehäufung ; mehrere Personen, die<br />

aus den gleichen Tatsachen oder Rechtsgründen berechtigt oder verpflichtet sind,<br />

können gemeinsam als Kläger auftreten oder als Beklagte belangt werden<br />

Unter welchen Voraussetzungen ist die freiwillige Prozessgenossenschaft<br />

möglich?<br />

1. Gleiche Zuständigkeit, nach 7 (1) GestG am Gerichtsstand eines Streitgenossen<br />

immer gegeben<br />

2. Gleiche Verfahrensart<br />

3. Klagen müssen auf demselben Rechtsgrund beruhen.<br />

Was ist die notwendige Streitgenossenschaft?<br />

Diese liegt vor, wenn mehreren Personen ein Recht nur gemeinschaftlich zusteht.<br />

Welche Arten der Streitgenossenschaften lassen sich unterscheiden?<br />

• Die aktive und die passive<br />

• Die freiwillige und die notwendige<br />

• Formelle und materielle<br />

Welches ist die aktive und welches die passive Streitgenossenschaft?<br />

Aktiv ist die Streitgenossenschaft, wenn mehrere Kläger durch eine Klage gegen den<br />

Beklagten vorgehen, passiv ist die Streitgenossenschaft, wenn mehrere Beklagte durch<br />

einen Kläger beklagt werden.<br />

Was besagt die Eventualmaxime?<br />

Die Parteien müssen sämtliche gleichartigen Angriffs- und Verteidigungsmittel innerhalb<br />

eines bestimmten Verfahrensabschnitts eventualiter auf einmal vorbringen. (Art 19 Abs.<br />

1 BZP; BS-ZPO § 37 Ziff. 2 und 62 für die Klagbeantwortung)<br />

Ist es möglich, dass die Streitgenossen einen gemeinsamen Vertreter bestimmen?<br />

Ja (ZPO BS § 16 und 17)<br />

Müssen die Urteile für und gegen die einzelnen freiwilligen Streitgenossen gleich<br />

lauten?<br />

Nein.<br />

Hauptfälle der notwendigen Streitgenossenschaft<br />

1. Gemeinschaften zur gemeinsamen Hand<br />

2. Gestaltungsklagen mit Auswirkungen auf mehrere<br />

3. Notwendigkeit einheitlicher Entscheidung, i.e. mehrere Abtretungsgläubiger oder<br />

unteilbare Rechtsverhältnisse<br />

11


Kann ein Erbe selbständig gegen den Schuldner auf Leistung an die<br />

Erbengemeinschaft oder alle Erben klagen?<br />

Nein.<br />

Gegen wen muss die Anklage auf Anfechtung der Vaterschaft durch den Ehemann<br />

gerichtet werden?<br />

Gegen das Kind und die Mutter (ZGB 256 II).<br />

An was fehlt es, wenn im Falle der notwendigen Streitgenossenschaft nicht alle<br />

Berechtigten zusammen klagen, bzw. nicht alle gemeinsam Verpflichteten ins<br />

Recht gefasst werden?<br />

An der notwendigen SachlegitimationAbweisung der Klage (ausser die<br />

nichteinbezogene Person erklärt, dass sie das Urteil im Vornheraus gegen sich gelten<br />

lasse und keine Einschränkung der Dispositionsmaxime besteht.<br />

Was besagt die Dispositionsmaxime und welcher Maxime steht sie gegenüber?<br />

Die beteiligten Privaten entscheiden über Einleitung und Beendigung eines Verfahrens<br />

sowie über dessen Gegenstand. Sie steht der Offizialmaxime gegenüber.<br />

Was sind Nebenparteien?<br />

Parteigehilfen.<br />

Was ist die Prozessstandschaft?<br />

Wenn der Berechtigte aus Gründen des materiellen Rechts den Prozess nicht selbst<br />

führen kann oder will, führt der Prozessstandschafter den Prozess in eigenem Namen<br />

und als Hauptpartei. Der Berechtigte kann als Nebenpartei teilnehmen.<br />

Was ist die Nebenintervention?<br />

Nebenintervention ist die Teilnahme eines Dritten am Prozess (Nebenintervenient) zur<br />

Unterstützung einer Hauptpartei (Intervent) in eigenem (rechtlichen und nicht bloss<br />

faktischen) Interesse (ZPO BS § 26).<br />

Was sind die Voraussetzungen der Nebenintervention?<br />

1. Rechtshängiger Prozess (Beginn des Erkenntnisverfahrens)<br />

2. Nebenintervenient hat eigenes rechtliches Interesse<br />

3. Interventionserklärung (umfasst Glaubhaftmachung des rechtlichen Interesses)<br />

Wann liegt ein rechtliches Interesse vor?<br />

Wenn eine Niederlage der unterstützten Hauptpartei im Hinblick auf die Rechtskraft- und<br />

Reflexwirkung des Urteils die Rechtslage des Nebenintervenienten unmittelbar oder<br />

mittelbar beeinträchtigt, gefährdet oder verschlechtert.<br />

Was sind die Befugnisse des Nebenintervenienten?<br />

Der Nebenintervenient kann grundsätzlich alle im Interesse der unterstützten<br />

Hauptpartei liegenden Angriffs- und Verteidigungsmittel benützen. Er kann alle der<br />

unterstützten Hauptpartei zustehenden Prozesshandlungen vornehmen, also z.B. auch<br />

Einlegung <strong>von</strong> Rechtsmitteln.<br />

12


Kann der Nebenintervenient nachholen, was die Hauptpartei in einem früheren<br />

Prozessstadium unterlassen hat?<br />

Nein. Er ist an den Stand des Prozesses im Zeitpunkt seiner Intervention gebunden, vgl.<br />

49 (1) ZPO BL<br />

Kann der Nebenintervenient Prozesshandlungen vornehmen, welche die Stellung<br />

der unterstützten Hauptpartei schwächt oder mit ihrem Handeln in Widerspruch<br />

steht?<br />

Nein. Solche Prozesshandlungen wären unbeachtlich und wirkungslos.<br />

Was ist die sogenannte Interventionswirkung?<br />

Das ergangene Urteil kann Wirkungen in einem weiteren Prozess zwischen Intervent<br />

und Intervenient haben. Eine solche Wirkung bestimmt sich nach Bundesrecht.<br />

Was ist die Streitverkündung?<br />

Die Streitverkündung (Litisdenunziation) ist die Aufforderung einer Hauptpartei (Kläger<br />

oder Beklagter) an einen Dritten, sie im Prozess zu unterstützen. (ZPO BS § 19 ff.)<br />

Wie unterscheidet sich die Streitverkündung <strong>von</strong> der Nebenintervention?<br />

Eigentlich nur in der Art, wie der Dritte in den Prozess eintritt!<br />

Wie werden der Streitverkünder und der Streitberufene auch genannt?<br />

Litisdenunziant und Litisdenunziat.<br />

Warum fordert die Hauptpartei den Dritten auf, sie im Prozess zu unterstützen?<br />

Weil sie bei einer Niederlage sonst Rechte gegen diesen geltend machen würde, aber<br />

dessen Einwand des schlecht geführten Prozesses zu befürchten hat (die<br />

Streitverkündung dient somit v.a. der Erhaltung der Regress- und<br />

Gewährleistungsansprüche des Streitverkünders, die im Fall des Unterliegens im<br />

Hauptprozess gegen den Streitberufenen zustehen).<br />

In welchen 3 Formen ist die Streitunterstützung des Streitverkünders durch den<br />

Streitberufenen im Allgemeinen möglich?<br />

• Normalfall: Nebenpartei im Prozess<br />

• Ausserhalb des Prozesses: durch Beratung, Hinweise auf Beweismittel...<br />

• Litisdenunziat führt Prozess als Stellvertreter (kommt kaum vor)<br />

Hauptintervention<br />

Eine Dritte Partei macht ein eigenes, beide Partein ausschliessendes besseres Recht<br />

geltend. Der Dritte ist dann Hauptpartei in einem neuen Prozess, dem<br />

Interventionsverfahren. Vgl. § 49 (2) ZPO BL<br />

§ 11 Prozessmaximen (Prozessgrundsätze)<br />

Was sind Prozessmaximen?<br />

Die allgemeinen Grundsätze nach denen der Prozess zu führen ist.<br />

13


Welche Prozessmaximen werden unterschieden?<br />

• Dispositions- und Offizialmaxime<br />

• Verhandlungs- und Untersuchungsmaxime<br />

• Eventual- bzw. Konzentrationsmaxime<br />

Welche der jeweiligen Maximen sind im ZiPR die Regel?<br />

Verhandlungs- und Dispositionsmaxime.<br />

Was besagt die Dispositionsmaxime?<br />

Dass der Richter nur dann und nur insoweit Rechtsschutz gewähren soll, wie ein<br />

Privater dies verlangt: Beginn, Gegenstand und Ende des Prozesses bestimmen die<br />

Parteien.<br />

Können die Parteien trotz vorherrschen der Offizialmaxime das Gerichtsverfahren<br />

durch gerichtlichen Vergleich oder Anerkennung der Klage zu einem vorzeitigen<br />

Ende bringen?<br />

Nein, da den Parteien keine unbeschränkte Dispositionsbefugnis über das im Streite<br />

liegende Recht oder Rechtsverhältnis zusteht.<br />

Welches Recht regelt inwiefern wann ausnahmsweise die Offizialmaxime gilt?<br />

Kantonales Recht oder Bundesrecht?<br />

Ausschliesslich Bundesrecht.<br />

Welche Frage betrifft die Verhandlungsmaxime?<br />

Wie der Richter an das für die Entscheidung des konkreten Falles relevante<br />

Prozessmaterial (Tatsachen und Beweismittel) herankommt.<br />

Darf der Richter im Geltungsbereich der Verhandlungsmaxime sein Urteil auf<br />

persönliche Kenntnisse abstützen, wenn diese Tatsachen <strong>von</strong> den Parteien nicht<br />

vorgebracht wurden?<br />

Nein, was <strong>von</strong> den Parteien nicht vorgebracht wurde, existiert für den Richter nicht<br />

(quod non est in actis, non est in mundo).<br />

Was ist die Behauptungslast?<br />

Was <strong>von</strong> den Parteien im Prozess nicht vorgebracht wird, existiert für den Richter nicht.<br />

Ist die Behauptungslast der Parteien eine Rechtspflicht oder eine Obliegenheit?<br />

Und welche zusätzliche Last obliegt den Parteien, um der Behauptung zum<br />

Durchbruch zu verhelfen?<br />

Obliegenheit. Die Beweisführungslast.<br />

Welche gesetzliche Bestimmung regelt die Verteilung der Behauptungslast und<br />

der Beweisführungslast?<br />

ZGB Art. 8.<br />

Wie nennt man die Pflicht, die Behauptungen zu konkretisieren, so dass die<br />

Gegenpartei dazu Stellung nehmen kann?<br />

14


Substantiierungspflicht oder Substantiierungslast.<br />

Was genügt also nicht nach dieser Pflicht?<br />

Globale Behauptungen.<br />

Welches Recht regelt die Frage ob und wieweit die Verhandlungsmaxime gilt?<br />

Das kantonale Prozessrecht.<br />

Kann das kantonale Prozessrecht auch die Verhandlungsmaxime vorsehen, wenn<br />

das Bundesrecht die Untersuchungsmaxime anordnet?<br />

Nein, die bundesrechtliche Anordnung ist eine Mindestgrenze.<br />

Was bedeutet „iura novit curia“ und welche Bedeutung hat dies für den ZiPr?<br />

Das Gericht kennt das Recht. Die Behauptungs- und Beweisführungslast bezieht sich<br />

nur auf Tatsachen und deren Beweis. Rechtliche Erörterungen sind also nicht<br />

notwendig, auch wenn sie <strong>von</strong> den Anwälten in deren Plädoyers meist vorgenommen<br />

werden.<br />

Durch was kann die Verhandlungsmaxime gemildert werden?<br />

Durch:<br />

• die (v.a. im mündlichen Verfahren zur Anwendung kommende) richterliche Frageund<br />

Aufklärungspflicht, welche die meisten ZPOs vorsehen<br />

• notorische und gerichtsnotorische Tatsachen<br />

• zugestandene Tatsachen<br />

Was soll die richterliche Fragepflicht bewirken?<br />

Dass die unbeholfene und juristisch unerfahrene Person <strong>von</strong> sich aus die relevanten<br />

Tatsachen vorbringt und die entsprechenden Beweismittel nennt.<br />

Welche Tatsachen müssen weder behauptet noch bewiesen werden?<br />

Von der Gegenpartei im Prozess zugestandene und notorische und gerichtsnotorische ,<br />

d.h. Tatsachen die der Allgemeinheit oder dem Gericht bekannt sind.<br />

Was hat die Untersuchungsmaxime zum Inhalt?<br />

Auf welche Weise der Richter an das für die Entscheidung des Prozesses relevante<br />

Tatsachen- und Beweismaterial herankommt.<br />

Auf was beschränkt sich jedoch die Tätigkeit des Richters auch bei der<br />

Untersuchungsmaxime?<br />

Durch ausgedehnte Befragung der Parteien den prozessrelevanten Sachverhalt zu<br />

eruieren.<br />

Welches Recht bestimmt über die Anwendung der Untersuchungsmaxime?<br />

Grundsätzlich das kantonale Recht, in Ausnahmen auch das Bundesrecht.<br />

Was besagt die Eventualmaxime?<br />

15


Wann zu einem bestimmten Zeitpunkt im Prozess Bestimmtes vorgebracht werden<br />

muss (vgl. §37 ZPO BS und §62 ZPO BS, auch §82 ZPO BS).<br />

Was ist alles <strong>von</strong> der Eventualmaxime umfasst?<br />

• Tatsachen und Beweise<br />

• Rechtsbegehren<br />

Gibt es in BS Ausnahmen <strong>von</strong> der sehr strengen Handhabung der<br />

Eventualmaxime?<br />

Ja, namentlich in den Fällen:<br />

• der §§58 und 59 ZPO BS sowie<br />

• in den Fällen der Klagänderung etc nach §79 ZPO BS<br />

• nachträgliches Gesuch um Kostenerlass nach §173(2) ZPO BS<br />

• bei neuen Tatsachen und Beweisen (Novenrecht) nach §81 ZPO BS<br />

Ist die Auflistung in §58 ZPO BS abschliessend?<br />

Nein.<br />

Wann muss ein Gesuch um Kostenerlass gestellt werden?<br />

Ein Gesuch um Kostenerlass ist, wie es die Eventualmaxime vorschreibt, zu Beginn des<br />

Prozesses zu stellen. Ausnahmen bestehen dort, wo sich die Vermögenslage des<br />

Gesuchstellers während des Prozesses erheblich verändert hat (§ 173 Abs. 2 ZPO BS).<br />

Was sind echte und was sind unechte Noven?<br />

Noven sind neue Tatsachen und Beweismittel. Echte Noven sind Noven, welche erst<br />

nach dem für die Einhaltung der Eventualmaxime massgeblichen Zeitpunkt entstanden<br />

sind. Unechte Noven sind solche, die schon vor diesem Zeitpunkt vorhanden gewesen<br />

sind, aber aus irgendwelchen Gründen, sei es mangelnde Kenntnis der Erheblichkeit<br />

oder anderem, nicht rechtzeitig in den Prozess eingeführt wurden.<br />

Nach §81 Abs. 1 ZPO BS werden Noven zugelassen, wenn früheres Vorbringen der<br />

Partei nicht möglich war. UEchte Noven sind also immer zugelassen.<br />

Erst in oder nach der Hauptverhandlung eingebrachte Noven sind in der Regel<br />

unbeachtlich.<br />

Wer ist der Instruktionsrichter?<br />

Er ist der Verfahrensleiter, im Normalfall durch den Gerichtspräsident gegeben. Der<br />

Instruktionsrichter entscheidet z.B. über die Zulassung <strong>von</strong> Noven, welche einen<br />

besonderen Gegenstand einer Noveneingabe bilden.<br />

Was fällt unter den Grundsatz des rechtlichen Gehörs?<br />

• Der Richter ist verpflichtet, vor dem Erlass des Urteils die Parteien gebührend<br />

anzuhören<br />

• Den Parteien ist Gelegenheit zu geben sich zum Ergebnis der Beweisaufnahme<br />

zu äussern<br />

• Die Parteien sind berechtigt, an allen Verhandlungen und Beweiserhebungen<br />

teilzunehmen<br />

• Die Parteien dürfen in der Regel einen Anwalt beiziehen<br />

16


• Die Parteien haben ein Akteneinsichtsrecht (eingeschränkt durch besondere<br />

Geheimhaltungsinteressen)<br />

• Die Parteien haben ein Recht auf Abnahme <strong>von</strong> beweistauglichen Beweismitteln<br />

für prozessrelevante Tatsachen<br />

• Die Parteien haben ein Recht auf eine Auseinandersetzung mit den<br />

Parteivorbringen und Beweismitteln<br />

Was geschieht, wenn einer Partei der Anspruch auf rechtliches Gehör verweigert<br />

wird?<br />

Dann leidet der Entscheid an einem schweren Mangel und ist auf entsprechenden<br />

Parteiantrag im Rechtsmittelverfahren aufzuheben.<br />

An wen richtet sich der Grundsatz <strong>von</strong> Treu und Glauben im Prozess?<br />

Sowohl an die Parteien, als auch an den Richter. Bei den Parteien bezieht sich der<br />

Grundsatz in erster Linie auf das Verbot einer böswilligen oder mutwilligen Anhebung<br />

einer Klage. Bei dem Richter (aber auch für die Parteien) gilt vor allem, dass schriftliche<br />

oder mündliche Erklärungen, nicht nach ihrem offensichtlich falschen Wortlaut, sondern<br />

nach ihrem erkennbaren Zweck zu beurteilen sind.<br />

§ 12 Prozesshandlungen der Parteien und des Gerichts<br />

Was sind Prozesshandlungen der Parteien?<br />

Prozesshandlungen sind Willenserklärungen und sonstige Betätigungen der Parteien mit<br />

unmittelbarer Wirkung auf den Prozess.<br />

Wie werden Prozesshandlungen aufgeteilt?<br />

In Erwirkungshandlungen (z.B. Vorbringen <strong>von</strong> Tatsachen) und Bewirkungstatsachen<br />

(z.B. Rückzug und Anerkennung der Klage). Erwirkungshandlungen sollen das Gericht<br />

zu einem bestimmten Handeln veranlassen, Bewirkungshandlungen führen unmittelbar<br />

zu einer Veränderung der prozessualen Rechtslage.<br />

Nenne ein Beispiel für eine zweiseitige Prozesshandlung:<br />

Der gerichtliche Vergleich, der Schiedsvertrag etc.<br />

Welche Form braucht eine Prozesshandlung?<br />

Das ergibt sich aus dem jeweiligen Prozessrecht.<br />

Welche Arten <strong>von</strong> Fristen kann man in einem Zivilprozess unterscheiden?<br />

• Gesetzliche Fristen<br />

• Richterliche Fristen<br />

Was ist der Unterschied?<br />

Richterliche Fristen können erstreckt werden.<br />

Wann ist bei einer Person im Ausland eine prozessuale Frist gewahrt?<br />

17


Wenn ihre Eingabe am letzten Tag der Frist bei einer schweizerischen diplomatischen<br />

oder konsularischen Vertretung eintrifft, §34a(1) ZPO BS.<br />

Umfang und Wirkung der Gerichtsferien bestimmen sich nach was?<br />

Nach dem massgeblichen Gerichtsorganisationsgesetz. BS § GOG 45.<br />

An die Nichtbeachtung einer Frist oder eines Termins durch die säumige Partei<br />

wird in der Regel zur Vermeidung der Prozessverschleppung was für eine<br />

Wirkung geknüpft?<br />

Präklusivwirkung (Verwirkungsfolge); d.h. die säumige Partei ist mit der prozessualen<br />

Handlung, die sie bis zum Ablauf der Frist hätte vornehmen sollen, ausgeschlossen und<br />

kann dieselbe nicht mehr nachträglich nachholen.<br />

Diese strengen Rechtsfolgen der Präklusivwirkung werden aber in der<br />

Rechtsordnung auf verschieden Weise gemildert. Was sind die Möglichkeiten?<br />

• Respektstunde<br />

• Wiedereinsetzung<br />

• In BS z.B. zusätzlich das besondere Verfahren der Einsprache, §213b ZPO BS<br />

Durch das in allen Prozessgesetzen bekannte Rechtsinstitut der<br />

Wiedereinsetzung soll was bewirkt werden?<br />

Der Prozessnachteil den eine Partei durch das Versäumen einer Prozesshandlung<br />

erlitten hat, soll beseitigt werden (Für BS ist § 34b ZPO massgeblich).<br />

Was sind die beiden allgemeinen Voraussetzungen der Wiedereinsetzung (BS)?<br />

Nach §34b(1) ZPO BS:<br />

1. Säumnis darf nicht auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen sein<br />

2. Die Wiedereinsetzung darf für den Ausgang des Prozesses nicht offenbar<br />

unerheblich sein.<br />

Wann ist die grobe Fahrlässigkeit gegeben?<br />

Wenn kein ungewöhnlicher Faktor, der das Verschulden in milderem Licht erscheinen<br />

lässt, bei der Fristversäumnis eine Rolle gespielt hat.<br />

Wem wird das Verschulden des Vertreters der säumigen Partei zugerechnet?<br />

Der Partei. Nicht hingegen das Verschulden einer Hilfsperson, z.B. einer<br />

Anwaltssekretärin (ausser bei ungenügender Beaufsichtigung, ungenügender<br />

Organisation...).<br />

Was unterscheidet den Baselstädtischen Rechtsbehelf der Einsprache <strong>von</strong> der<br />

Wiedereinsetzung?<br />

Es braucht bei der Einsprache keine Entschuldbarkeit der Säumnis, vgl. §213b ZPO BS.<br />

Was ist eine Prozessleitende Verfügung?<br />

Jede Anordnung des Verfahrensleiters oder des ganzen Gerichts, welche im Verlauf des<br />

Prozesses getroffen wird, ihn jedoch nur teilweise erledigt.<br />

18


Was ist das Gegenstück zur Prozessleitenden Verfügung?<br />

Prozesserledigender Entscheid (Urteil).<br />

§ 13 Klage<br />

Was ist die Klage?<br />

Das an das Gericht gerichtete Gesuch um Gewährung <strong>von</strong> Rechtsschutz durch<br />

Ausfällung eines Urteils. Ihre Einreichung bewirkt die Eröffnung des Prozesses.<br />

Form der Klage?<br />

Schriftlichkeit oder Mündlichkeit, je nach Verfahrensart! Normalfall ist die einfache<br />

Schriftlichkeit. Im mündlichen Verfahren wird die mündliche Stellungnahme der Parteien<br />

zu Protokoll genommen.<br />

Inhalt der Klage<br />

Vgl. §§ 37 ZPO BS, 104 (2) ZPO BL:<br />

1. Rechtsbegehren<br />

2. Begründung<br />

3. Beweismittel<br />

Welche Anforderungen werden an das Rechtsbegehren gestellt?<br />

1. Es muss bestimmt sein (so bestimmt, dass es bei Gutheissung der Klage zum<br />

richterlichen Urteil erhoben werden kann), Forderungsklagen sind genau zu<br />

beziffern. Unbezifferte Leistungsklagen sind aber <strong>von</strong> Bundesrecht wegen in<br />

bestimmten Fällen zulässig, vgl. unten.<br />

2. Die Klage muss unbedingt sein; das heisst aber nicht, dass dem Hauptbgeheren<br />

keine Eventualbegehren nachgestellt werden dürfen. Dies ist bei Geltung der<br />

Eventualmaxime sogar erforderlich!<br />

Sutter fragt gerne danach, wie denn ein Begehren formuliert sein muss. Beispiel:<br />

“Der Beklagte sei zur Zahlung <strong>von</strong> 5’000 Franken nebst Zins zu 5% ab 1. Januar<br />

2000 zu verurteilen, unter o./e. Kostenfolgen.“<br />

Mit welchem Akt wird der Prozess eröffnet?<br />

Mit der Einreichung der Klage beim Gericht, §36(1) ZPO BS.<br />

Wann wird das Prozessrechtsverhältnis begründet?<br />

Mit der Einreichung der Klage beim Gericht.<br />

Was ist die Voraussetzung jeder Klage?<br />

Ein Rechtsschutzinteresse (Interesse des Klägers an Gewährung <strong>von</strong> Rechtsschutz<br />

durch den Richter).<br />

Welche Klagearten sind zu unterscheiden?<br />

Allgemein:<br />

1. Leistungsklage<br />

19


2. Feststellungsklage<br />

3. Gestaltungsklage<br />

Besondere Formen:<br />

4. Unterlassungsklage = negative Leistungsklage<br />

5. Unbezifferte Forderungsklage<br />

6. Teilklage<br />

7. Widerklage<br />

8. Actio Duplex<br />

9. Verbandsklage<br />

10. Objektive Klagehäufung<br />

Was ist der Inhalt der Leistungsklage?<br />

Das Begehren um Verurteilung des Beklagten zur Vornahme einer positiven oder<br />

negativen Leistung.<br />

Welche besondere Formen der Leistungsklage sind neben der Unterlassungklage<br />

zu erwähnen?<br />

I. Klage auf künftige Leistung: wg. Rechtsschutzinteresse nur in einzelnen<br />

Fällen zulässig, v.a. bei periodischen Leistungen wie UNterhaltsbeiträgen<br />

II. Klage auf bedingte Leistung, auf Leistung Zug um Zug: Geklagt wird auf<br />

Leistung bei Eintritt der Bedingung<br />

III. Klage auf Abgabe einer Willenserklärung<br />

IV. Klage auf Bestreitungsvermerk<br />

Wann ist eine Klage auf eine zukünftige positive Leistung nur möglich?<br />

Wegen des erforderlichen Rechtsschutzinteresses nur dann, wenn es um periodische<br />

Leistungen geht.<br />

Wo sieht das Bundesrecht bspw. eine Unterlassungsklage vor?<br />

28a (1) Zif.. 1 ZGB<br />

Ist die unbezifferte Leistungsklage zulässig?<br />

Ja, in Ausnahmefällen Ausnahme vom Bestimmtheitsgebot <strong>von</strong> Bundesrechts wegen,<br />

vgl. 42 (2) OR und die Stufenklage (Bsp. Arbeitnehmeranspruch auf Anteil am<br />

Geschäftsergebnis. 322a OR: Jetzt verweigert Arbeitgeber Zahlung, aber Arbeitnehmer<br />

weiss nicht, welchen Umfang das Geschäftsergebnis hat, also muss er zuerst die<br />

Information einklagen, um dann seinen Anspruch einzuklagen. Mit der Stufenklage geht<br />

das im gleichen Prozess.<br />

Was verlangt der Kläger mit der Feststellungsklage?<br />

Die Feststellung, dass ein bestimmtes Recht oder Rechtsverhältnis besteht (positive<br />

Feststellungsklage) oder nicht besteht (negative Feststellungsklage).<br />

Was bezweckt die Feststellungsklage?<br />

Die Klärung einer ungewissen Rechtslage, ohne dass das Urteil dieselbe verändern<br />

würde.<br />

Wann ist die Feststellungsklage unzulässig?<br />

20


1. Zum Entscheid blosser Rechtsfragen?<br />

2. Zum Feststellen <strong>von</strong> Tatsachen (Widerrechtlichkeit eines bestimmten Verhaltens<br />

kann aber Gegenstand sein, vgl. z.B. 28a (1) ZGB)<br />

3. Wenn eine Leistungsklage zulässig ist (aber es gibt Ausnahmen)<br />

Was gilt bei der Wiedereinsetzung, wenn eine Appellations- oder Beschwerdefrist<br />

versäumt wurde?<br />

Nach § 34b Abs. 4 ZPO BS gelten für diesen Fall erhöhte Anforderungen. Der Säumige<br />

muss diesfalls darlegen, dass er vom entsprechenden Entscheid keine Kenntnis hatte<br />

und dass die Unkenntnis nicht auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen ist oder dass er<br />

die Wahrung der Frist infolge eines unverschuldeten Hindernisses versäumt hat, d.h.<br />

objektive Unmöglichkeit vorgelegen hat.<br />

Was ist Voraussetzung der Feststellungsklage?<br />

Das Feststellungsinteresse; dies ist eine Ausprägung des Rechtsschutzinteresses, das<br />

aber bei den anderen Klagearten regelmässig gegeben ist. Anders bei der<br />

Feststellungsklage.<br />

Wann ist das Feststellungsinteresse gegeben?<br />

1. Ungewissheit, Unsicherheit oder Gefährdung der Rechtsstellung des Klägers<br />

2. Unzumutbarkeit der Fortdauer dieser Rechtsungewissheit<br />

3. Unmöglichkeit der Behebung der Ungewissheit auf andere Weise, z.B. durch<br />

Leistungs- oder Feststellungsklage<br />

Ist eine Feststellungsklage über Rechtsverhältnisse Dritter zulässig?<br />

Gemäss h.L. und BGer schon, a.A. aber Sutter/Staehelin: da das richterliche Urteil für<br />

den Dritten, der nicht Partei des Verfahrens ist, unverbindlich ist und damit auch den<br />

Parteien nicht die ersehnte Klärung der Rechtslage verschaffen kann.<br />

Woraus ergibt sich das rechtliche Interesse?<br />

Für bundesrechtlich geregelte Rechte aus Bundesrecht. Z.T. wird die Feststellungsklage<br />

durch Bundesrecht ausdrücklich gewährt. Wird das Interesse zu Unrecht bejaht oder<br />

verneint, liegt also eine Verletzung <strong>von</strong> Bundesrecht vor.<br />

Ist ein Feststellungsinteresse des Klagenden vorausgesetzt?<br />

Ja, denn es soll nutzlose oder missbräuchliche Prozessführung verhindern<br />

(Prozessökonomie).<br />

Wie kann eine umstrittene aber noch nicht fällige Forderung mittels einer Klage<br />

Gegenstand eines Prozesses sein?<br />

Eine Leistungsklage ist ausgeschlossen. Die Berechtigung der Forderung kann jedoch<br />

mit einer Feststellungsklage abgeklärt werden.<br />

Was ist eine Gestaltungsklage und was bewirkt sie?<br />

Mit der Gestaltungsklage verlangt der Kläger, dass der Richter durch sein Urteil ein<br />

bestimmtes Rechtsverhältnis oder Recht gestaltet, indem er es begründet, verändert<br />

oder aufhebt.<br />

21


Beispiele <strong>von</strong> Gestaltungklagen<br />

1. Ungültigkeiterklärung, Scheidung oder Trennung der Ehe<br />

2. Anfechtung der Anerkennung der Vaterschaft, Anfechtung der<br />

Vaterschaftsvermutung, Vaterschaftsklage (Statusklagen)<br />

3. Klage auf Zusprechung <strong>von</strong> Grundeigentum<br />

4. Klagen auf Ungültigerklärung und Herabsetzung <strong>von</strong> Testamenten<br />

5. Klagen auf Aufhebung <strong>von</strong> Gesamthandschaften und Miteigentum<br />

6. Prozessuale Gestaltungsklagen des SchKG (z.B. 77, 80 SchKGund des<br />

kantonalen Prozessrechts<br />

Wie wirken Gestaltungsklagen?<br />

Gegenüber jedermann, ausser im Fall der Ungültigkeit- und Herabsetzungsklage des<br />

Erbrechts.<br />

Wirkt ein Gestaltungsurteil ex nunc oder ex tunc?<br />

Es kommt darauf an. Eine Klage auf Ehescheidung wirkt ex nunc, eine Klage auf<br />

Anfechtung des Kindesverhältnisses wirkt ex tunc.<br />

Was ist unter der Widerklage zu verstehen?<br />

Vgl. §§ 64 ff. ZPO BS, 36 / 108 ZPO BL<br />

Die im Prozess des Klägers vom Beklagten gegen den Kläger erhobene Klage, der<br />

„Gegenangriff“. Sie muss einen gegenüber der Klage selbständigen Anspruch und nicht<br />

bloss eine Einrede zum Gegenstand haben.<br />

Wie verhält sich die Widerklage zur Hauptklage?<br />

Selbständig: Sie ist <strong>von</strong> deren Schicksal unabhängig. Wird z.B. die Hauptklage<br />

zurückgezogen, so bleibt die Widerklage bestehen.<br />

Was ist unter der Konnexität zu verstehen?<br />

Will man am Gerichtsstand der Hauptklage Widerklage erheben, muss Konnexität<br />

gegeben sein; einzelne Gesetze, nicht aber BS und BL, machen da<strong>von</strong> sogar die<br />

Zulässigkeit der Widerklage abhängig. Vgl. insb. 6 GestG.<br />

Konnexität ist gegeben, wenn die Ansprüche sich aus dem gleichen Rechtsgeschäft<br />

oder Sachverhalt ableiten, oder sich auf verschiedene Sachverhalte stützen, aber eine<br />

enge rechtliche Beziehung haben.<br />

Voraussetzungen der Widerklage<br />

1. Gleiche sachliche und örtliche Zuständigkeit; dabei ist für die sachliche<br />

Zuständigkeit, wenn für die Klagen kein Sondergericht zuständig ist, allein der<br />

höhrere Streitwert entscheidend (§§ 36 (3) ZPO BL, 214 (4) ZPO BS)<br />

2. Gleiche Verfahrensart<br />

3. (Konnexität)<br />

4. Rechtshängigkeit der Hauptklage<br />

5. Rechtzeitige Erhebung der Widerklage: BS gleichzeitig mit Klagebeantwortung (§<br />

66 ZPO BS), BL bei Prozesseinleitung (§ 36 (2) ZPO BL)<br />

Ist die Eventualwiderklage zulässig?<br />

22


Es ist zulässig (also, dass im Fall der Gutheissung der Hauptklage Widerklage erhoben<br />

wird)<br />

Ist die Wider-Widerklage zulässig?<br />

In BS und BL unbekannt. Der Kläger kann aber den mit der Hauptklage erhobenen<br />

Anspruch auf dem Weg der Klageänderung nachträglich abändern oder ergänzen.<br />

Was ist eine Provokationsklage?<br />

Vgl. § 45 ZPO BS. Bei der Provokationsklage kann ein Anspruchsgegner <strong>von</strong> einer<br />

Person, die einen Anspruch behauptet, verlangen, dass das Gericht dieser Person eine<br />

Frist ansetzt, innert welcher er diesen Anspruch klageweise geltend machen muss,<br />

andernfalls er ihn verliert. Diese Klage hat aber dasselbe Ziel wie eine negative<br />

Feststellungsklage (nur das Bundesrecht bestimmt, welche Klagen eigentlich zulässig<br />

sind) und ist daher <strong>von</strong> Bundesrechts wegen nicht zulässig.<br />

Teilklage<br />

Ausfluss des Klagerechts, soll Kostenrisiko reduzieren. Zu unterscheiden sind echte und<br />

unechte Teilklage. Beispiel für letzteres: Einklagen eines Lohnanspruchs, wobei jeder<br />

einzelne Monatslohn eine eigene causa ist, man also jeden einzeln einklagen kann oder<br />

auch ein paar zusammen. Bei der echten Teilklage wird nur ein Teil eines einzelnen<br />

Anspruchs eingeklagt.<br />

Wie kann einem Missbrauch der Teilklage begegnet werden?<br />

Durch Erhebung negativer Feststellungsklage über den ganzen Anspruch des Klägers,<br />

indem Widerklage erhoben wird. Zuständig ist dann der für die Widerklage zuständige<br />

Richter<br />

Materielle Rechtskraft der Teilklage<br />

Rechtskraft erlangt die Klage nur bezüglich des eingeklagten Teilanspruchs. Der Rest<br />

kann also in einem zweiten Prozess geltend gemacht werden. Allerdings ist diese Sicht<br />

umstritten, namentlich Sutter ist nicht einverstanden<br />

Objektive Klagenhäufung<br />

Kläger kann im gleichen Verfahren mehrere Ansprüche gegen den Beklagten geltend<br />

machen, und zwar kumulativ nebeneinander oder im Eventualverhältnis, aber nicht<br />

alternativ.<br />

Voraussetzungen sind 1) gleiche örtliche und sachliche Zuständigkeit (diese ist nach<br />

GestG 7 (2) an dem für einen Anspruch gegebenen Ort stets gegeben) und gleiche<br />

Verfahrensart.<br />

Was ist die actio duplex?<br />

Doppelseitige Klage, d.h. auch die Beklagte kann Anträge auf Zusprechung ihres Anteils<br />

stellen, ohne Widerklage zu erheben, z.B. güterrechtliche Auseinandersetzung im<br />

Scheidungsprozess<br />

Verbandsklage<br />

Niemals Leistungsklage, in Frage kommt Feststellungsklage, z.B. 10 (2) UWG.<br />

23


Es liegt keine Prozessstandschaft vor, da nicht für die Mitglieder geklagt wird. Geregelt<br />

ist die Verbandsklage teilweise durch Gesetz, darüber hinaus durch die Praxis des<br />

Bundesgerichts.<br />

Class Action<br />

Gleicht einer gewillkürten Prozessstandschaft: Wer nicht mitmachen will, muss das<br />

explizit erklären. Dabei vertritt eine Person oder eine kleine Gruppe eine grosse Gruppe<br />

<strong>von</strong> Personen in einem Verfahren; ermöglicht wird so die Gleichbehandlung aller<br />

Geschädigten, vgl. Raucherklagen, Holocaustklagen.<br />

In der Schweiz unbekannt, es gibt aber z.B. im Kernenergiehaftpflichtgesetz<br />

Gruppenklagen.<br />

§ 14 Beweisrecht<br />

Worauf bezieht sich der Beweis?<br />

Auf die Frage, ob die <strong>von</strong> der Partei behaupteten oder vom Richter allenfalls <strong>von</strong> Amtes<br />

wegen ermittelten Tatsachen wahr sind.<br />

Was soll durch die Beweisführung mittels Beweismittel herbeigeführt werden?<br />

Der Beweiserfolg.<br />

Worin besteht der Beweiserfolg?<br />

Darin, dass der Richter <strong>von</strong> der Wahrheit der behaupteten Tatsachen überzeugt ist.<br />

Wem obliegt die Beweisführungslast im Rahmen der uneingeschränkten<br />

Untersuchungsmaxime?<br />

Dem Richter.<br />

Welche beweisbedürftige Tatsachen sind zu unterscheiden?<br />

1. Rechtserhebliche Tatsachen<br />

2. Indizien<br />

3. Geschäftliche Usanzen, Handelsbräuche und Verkehrsübung im rechtsgeschftlichen<br />

Verkehr<br />

In welche beiden Arten lassen sich rechtserhebliche Tatsachen aufteilen?<br />

In innere und äussere Tatsachen.<br />

Was sind äussere Tatsachen?<br />

Äussere Tatsachen sind Begebenheiten, die sich in der Aussenwelt abgespielt haben,<br />

z.B. die Tatsache einer Beschädigung einer Sache.<br />

Was sind innere Tatsachen?<br />

Hier geht es darum, was eine Partei gewusst oder gewollt hat.<br />

Können beweisbedürftige Tatsachen auch in der Zukunft liegen?<br />

Ja, so zum Beispiel ein Versorgerschaden.<br />

24


Was sind Indizien?<br />

= Hilfstatsachen. Das sind Tatsachen, die aufgrund einer erfahrungsmässigen<br />

Bedeutung den indirekten Schluss auf eine andere Tatsache zulassen (ZPO BS § 98).<br />

Müssen auch Handelsbräuche etc. bewiesen werden?<br />

Ja, denn es kommt ihnen, ausser in den Fällen in denen das Gesetz selbst auf den<br />

Ortsgebrauch verweist, nur durch eine Abrede Bedeutung zu.<br />

Was sind nicht beweisbedürftige Tatsachen?<br />

1. Notorische und gerichtsnotorische Tatsachen<br />

2. Erfahrungssätze<br />

3. Natürliche Vermutungen<br />

4. Gerichtlich zugestandene Tatsachen<br />

Was sind notorische oder gerichtsnotorische Tatsachen?<br />

Tatsachen, welche allgemein oder dem Richter aufgrund seiner Tätigkeit bekannt sind.<br />

Was, wenn der Richter privates Wissen hat?<br />

Dann muss er in den Ausstand treten und als Zeuge aussagen.<br />

Was sind Erfahrungssätze?<br />

Erkenntnisse der betreffenden Wissenschaft über bestimmte Geschehenabläufe oder<br />

über Ursachen und Wirkungen.<br />

Wann dürfen Erfahrungssätze vom Richter berücksichtigt werden?<br />

Auch dann, wenn sie <strong>von</strong> keiner Partei behauptet worden sind. Der Richter muss den<br />

Parteien jedoch Gelegenheit zur Stellungnahme geben.<br />

Was, wenn das Wissen des Richters nicht ausreicht, um den z.B. medizinischen<br />

Erfahrungssatz zu würdigen?<br />

Dann muss er einen Sachverständigen beiziehen.<br />

Genügt für eine gerichtlich zugestandene Tatsache, dass sie nicht ausdrücklich<br />

bestritten wurde?<br />

Ja.<br />

Wo<strong>von</strong> ist das Zugeständnis zu unterscheiden?<br />

Von der Anerkennung; diese bezieht sich auf das Rechtsbegehren!<br />

Wo regeln die ZPO BS und BL das Zugeständnis?<br />

BS §94, BL §106 (4)<br />

Was ist eine natürliche Vermutung?<br />

Eine Vermutung, die sich auf die allgemeine Lebenserfahrung stützt. Begründet keine<br />

eigentliche Umkehr der Beweislast.<br />

Ist ein Zugeständnis ein Beweis?<br />

25


Nein, sondern entbindet für eine bestimmte Tatsache vom Beweis und ersetzt diesen.<br />

Befreien gerichtlich zugestandene Tatsachen auch im Bereich der<br />

Untersuchungsmaxime <strong>von</strong> der Beweisführung?<br />

Ja.<br />

Müssen Rechtssätze bewiesen werden?<br />

Nein, iura novit curia.<br />

Wann sind Rechtssätze nachzuweisen?<br />

Grundsätzlich gilt der Grundsatz „iura novit curia“, allerdings ist ausländisches Recht<br />

nachzuweisen, wenn Gericht da<strong>von</strong> keine sichere Kenntnis hat, vgl. 16 (1) IPRG<br />

Was ist die Beweisführung?<br />

Das ist die Tätigkeit des Beweisens.<br />

Wer leitet das Beweisverfahren?<br />

Der Richter.<br />

Welche Arten des Beweises sind zu unterscheiden?<br />

1. Mittelbarer (indirekter) und unmittelbarer (direkter) Beweis<br />

2. Hauptbeweis, Beweis des Gegenteils und Gegenbeweis<br />

Was ist ein unmittelbarer Beweis?<br />

Der unmittelbare Beweis belegt die zu beweisende Tatsache selbst. So beweist der<br />

Vertrag den Vertragschluss.<br />

Was ist der mittelbare Beweis?<br />

Das ist ein Beweis durch Indizien. Der Beweis wird nur indirekt erbracht.<br />

Wer trägt die Beweislast für den Hauptbeweis?<br />

Diejenige Partei, welche den Richter vom Vorhandensein einer oder mehrerer<br />

Tatsachen zu überzeugen hat und ohne entsprechenden Beweiserfolg den Prozess<br />

verliert (ZGB 8).<br />

Was kann die Gegenpartei unternehmen?<br />

Sie kann den Gegenbeweis führen.<br />

Wie werden gesetzliche Vermutungen widerlegt?<br />

Durch den Beweis des Gegenteils. Dieser Beweis ist Hauptbeweis.<br />

Was sind Beweismittel?<br />

Das sind die <strong>von</strong> der Rechtsordnung anerkannten tauglichen und zulässigen<br />

Instrumente, um den Beweiserfolg herbeizuführen.<br />

Bundesrechtliche Schranken bezüglich der Beweismittel<br />

1. Es dürfen keine Beweismittel vorgesehen werden, die gar nicht beweistauglich<br />

sind (untere Schranke).<br />

26


2. Kantone dürfen keine übermässigen Anforderungen an die Beweismittel stellen<br />

(obere Schranke).<br />

Nenne die Beweismittel im Einzelnen<br />

1. Zeuge<br />

2. Urkunden<br />

3. Augenschein<br />

4. Gutachten (Sachverständiger)<br />

5. Förmliche Parteiaussage (Beweisaussage)<br />

Körperliche Untersuchung und die Auskunftsperson werden zwar <strong>von</strong> Stahelin/Sutter<br />

erwähnt, gehören aber gemäss Vogel nicht zu den klassischen Beweismitteln.<br />

Keine herkömmlichen Beweismittel sind übereinstimmend schriftliche Auskunft und<br />

informative Parteibefragung.Nicht mehr zulässig sind Eid und Handgelübde.<br />

Können Beweismittel auch ohne Parteiantrag eingesetzt werden?<br />

Gilt die Untersuchungsmaxime, sind die Beweis grundsätzlich sowieso Sache des<br />

Richters; unter der Verhandlungsmaxime können aber gewisse Beweise auch ohne<br />

Parteiantrag eingesetzt werden, namentlich der Augenschein, in BL (entgegen dem<br />

Wortlaut <strong>von</strong> 149 ZPO BS nicht aber in BS) auch das Gutachten.<br />

Was sind Zeugen?<br />

Das sind Personen, welcher <strong>von</strong> einer zu beweisenden Tatsache durch eigene<br />

Sinneswahrnehmung Kenntnis haben, vgl. §113 ZPO BS.<br />

Können Kinder Zeugen sein?<br />

Vorausgesetzt ist urteilsfähigkeit; Kinder können über alle Tatsachen Zeugnis ablegen,<br />

deren Erkenntnis ihrem Sinnes- und Denkvermögen zugänglich ist., 114 (2) ZPO BS;<br />

anders aber ZPO BL, die Kinder erst ab 14 Jahren als Zeugen zulässt.<br />

Welche Arten der Zeugnisunfähigkeit sind zu unterscheiden?<br />

1. Absolute Zeugnisunfähigkeit<br />

2. Relative Zeugnisunfähigkeit<br />

3. Zeugnisunfähigkeit wegen Befangenheit (als Einwand geltend zu machen)<br />

Was ist die absolute und was die relative Zeugnisunfähigkeit?<br />

Wer infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen nicht in der Lage gewesen ist, die zu<br />

beweisende Tatsache wahrzunehmen, gilt als absolut zeugnisunfähig, §114(1) ZPO BS,<br />

160 Ziff. 1, 171 (1) ZPO BL<br />

Relative Zeugnisunfähigkeit liegt dagegen dann vor, wenn zwischen einem Zeugen und<br />

einer Partei eine starke persönliche Bindung besteht, §115 ZPO BS. Hier spielt es keine<br />

Rolle, ob die Person zu Gunsten oder zu Lasten der Partei aussagen wollte.<br />

Beispiele relativer Zeugnisunfähigkeit in BS<br />

Anwalt einer Partei, Organe einer juristischen Person, wenn letztere selber Partei ist.<br />

Was ist die Zeugnisunfähigkeit wegen Befangenheit?<br />

Diese liegt dann vor, wenn ein Zeuge mit einer Partei befreundet oder verfeindet ist bzw.<br />

<strong>von</strong> einer Partei abhängig ist oder Interesse am Ausgang des Prozesses hat Der Richter<br />

kann diese Personen dann als Zeugen ausschliessen.<br />

27


Was ist die „Rekusation“ des Zeugen?<br />

Dies ist der Einwand der Befangenheit, §117 ZPO BS, 162 ZPO BL. Er ist den Parteien<br />

gestattet und muss, wenn die Eventualmaxime gilt, rechtzeitig geltend gemacht werden.<br />

Gibt es im schweizerischen Zivilprozess so etwas wie die Zeugnispflicht?<br />

Ja, die Zeugnispflicht ist eine Bürgerpflicht, §128 ZPO BS, 159 ZPO BL. Nötigenfalls<br />

kann der Zeuge zwangsweise vorgeführt werden, was aber in der Praxis selten<br />

vorkommt.<br />

Gibt es ein Zeugnisverweigerungsrecht?<br />

Ja, wer zu seinem eigenen Nachteil oder zu seiner Schande aussagen müsste, der darf<br />

das Zeugnis verweigern, §116 ZPO BS, 161 Ziff. 1 ZPO BL.<br />

Für bestimmte Personen sehen 116 Ziff. 2 ZPO BS, 161 Ziff. 2 ZPO BL ein<br />

Zeugnisverweigerungsrecht vor; Richtigerweise geht es hier um eine<br />

Zeugnisverweigerungspflicht!<br />

Sind Personen, die <strong>von</strong> Gesetzes wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind,<br />

<strong>von</strong> der allgemeinen Zeugnispflicht ausgenommen?<br />

Nein, ausser es wird ihnen vom kantonalen Recht eine solche Ausnahme eingeräumt.<br />

Was ist die Zeugnisverweigerungspflicht und für wen besteht eine solche?<br />

Art. 321 StGB verpflichtet Angehörige gewisser Berufsgruppen zur Verschwiegenheit<br />

betreffend Geheimnisse, die ihnen aufgrund ihres Berufes anvertraut worden sind. Die<br />

Kantone können diese Pflicht einschränken, was BS und BL getan haben, Ziff. 2 ZPO<br />

BS und 161 Ziff. 2 ZPO BL. Damit ist die Pflicht in BS und BL auf die in deren<br />

Prozessordnungen aufgeführten Personen beschränkt.<br />

Die Aufzählung ist abschliessend. Diese Personen sind zur Zeugnisverweigerung<br />

verpflichtet und dürfen nur vom Geheimnisherrn <strong>von</strong> dieser Pflicht befreit werden. Ist<br />

diese Entbindung erfolgt, so besteht auch kein Verweigerungsrecht mehr.<br />

Was ist die Zeugenbefragung und durch wen wird sie vorgenommen?<br />

Die Zeugenbefragung wird vom Richter vorgenommen. Im schweizerischen Zivilprozess<br />

gibt es keine Kreuzverhöre nach amerikanischem Vorbild. Der Richter mahnt den<br />

Zeugen an seine Wahrheitspflicht und macht ihn darauf aufmerksam, dass falsches<br />

Zeugnis strafbar ist.<br />

Nach der Zeugenbefragung durch den Richter erhalten die Partien ihrerseits<br />

Gelegenheit, Fragen an den Zeugen zu stellen. Unter Umständen kann es notwendig<br />

sein, verschiedene Zeugen miteinander zu konfrontieren.<br />

Vgl. 125 ff. ZPO BS, 164 ff. ZPO BL<br />

Was ist eine Auskunftsperson?<br />

Eine Auskunftsperson ist eine Person, die relativ zeugnisunfähig ist. Ihre Aussage hat<br />

nicht die gleiche Beweiskraft wie eine Zeugenaussage, kann jedoch zur Erhellung des<br />

Sachverhaltes beitragen. 115 (2) ZPO BS<br />

Was ist eine Urkunde?<br />

Eine Urkunde ist jedes Schriftstück, das einen Gedanken verkörpert.<br />

28


Wann ist eine Urkunde beweiskräftig?<br />

Um beweiskräftig zu sein, muss die Urkunde echt sein, d.h. <strong>von</strong> ihrem Aussteller<br />

stammen. Eine Fälschung muss <strong>von</strong> der Partei bewiesen werden, die diesen Einwand<br />

erhebt. Sie kann den Beweis des Gegenteils erbringen. 100 ff. ZPO BS, 139 ZPO BL.<br />

Welche Urkunde muss im Original vorgewiesen werden?<br />

Nur die Urkunden im Rechtseröffnungsverfahren nach Art. 82 SchKG, wo der<br />

Eröffnungstitel im Original vorgewiesen werden muss. Ansonsten genügt in BS und BL<br />

das Einreichen einer Kopie, wobei die Pflicht besteht, auf Verlangen des Richters das<br />

Original nachzureichen (Praxis zu 40 ZPO BS).<br />

Welche Urkundenarten sind zu unterscheiden?<br />

1. Öffentliche Urkunden und Privaturkunden<br />

2. Dispositiv- und Indizienurkunden<br />

Wie unterscheiden sich öffentliche und Privaturkunden?<br />

1. Ersteres sind Schriftstücke, die <strong>von</strong> einer Behörde bzw. einem Beamten oder<br />

einem Notar in Ausübung der öffentlichen Aufgabe ausgestellt worden sind,<br />

letzteres sind Urkunden, die <strong>von</strong> Privaten ausgestellt wurden. §101, 102 ZPO BS,<br />

136, 137 ZPO BL.<br />

2. Erstere haben eine erhöhte Beweiskraft, für sie gilt die Vermutung der Richtigkeit.<br />

Letzteren kommt ebenfalls Beweiskraft zu, der Richter ist in ihrer Würdigung aber<br />

frei; sie erbringen gegen denjenigen Beweis, der sie ausgestellt hat.<br />

Steht der Gegenpartei bei öffentlichen Urkunden der Beweis des Gegenteils zu?<br />

Im Anwendungsbereich <strong>von</strong> 9 (2) ZGB: Ja, und zwar ist der Nachweis an keine<br />

besondere Form gebunden, kann als auch durch einen Zeugen erfolgen. 9 ZGB gilt aber<br />

nur für Urkunden, die vom Bundesprivatrecht vorgesehen werden.<br />

Was sind Dispositiv- und was Indizienurkunden?<br />

Die Dispositivurkunde verkörpert selbst den zu beweisenden Rechtsakt, welcher ohne<br />

Errichtung der Urkunde gar nicht zustande gekommen wäre. Dies ist zum Beispiel das<br />

Grundbuch bei der Grundeigentumsübertragung.<br />

Die Indizienurkunde gibt Kenntnis <strong>von</strong> einem ihr ausserhalb liegenden Rechtsakts. So<br />

beweist die Quittung die Tilgung der Schuld.<br />

Herausgabepflicht<br />

Sgn. Editionspflicht = Pflicht zur Herausgabe <strong>von</strong> Urkunden. Über die Editinspflicht<br />

entscheidet der Richter. Sie geht in BL weiter als in BS.<br />

109 ff. ZPO ZPO BS, 141 f. ZPO BL.<br />

Bestimmt der Richter, dass eine Partei Urkunden herauszugeben hat, so wird vermutet,<br />

dass die Tatsachen, welche die Gegenpartei als in der Urkunde enthalten behauptet,<br />

sich tatsächlich zugetragen haben. Dies gilt namentlich auch sowohl bei Verweigerung<br />

der Herausgabe als auch bei schuldhafter Vernichtung oder Entäusserung der Urkunde!<br />

29


Können Dritte zur Edition verpflichtet werden?<br />

Ja, wobei ihre Pflicht weniger weit geht, 110 ZPO BS, 142 ZPO BL. Bei Verweigerung<br />

kann auch höchstens eine Schadenersatzpflicht des Dritten entstehen, keine Vermutung<br />

der Richtigkeit der behaupteten Tatsachen.<br />

Wahrung <strong>von</strong> Geschäftsgeheimnissen im Rahmen der Editionspflicht<br />

BS kennt kein Schutz <strong>von</strong> Geschäftsgeheimnissen, allenfalls in dem Sinn, dass die<br />

Editionspflicht eingeschränkt ist; anders 143 ZPO BL. Ausserdem bestehen für wichtige<br />

Bereiche wie das Patentrecht bundesrechtliche Spezialvorschriften.<br />

Welche Vorschriften kommen bei Urkunden öffentlichen Rechts zur Anwendung?<br />

Das ist eine Frage der massgebenden Vorschriften des öffentlichen Rechts. Berechtigte<br />

Geheimhaltungsinteressen sind zu wahren, indem der Richter die Akten z.B. nur<br />

teilweise zur Kenntnis bringt.<br />

Was ist der Augenschein?<br />

Der Augenschein, 148 ZPO BS, 146 ZPO BL, dient der eigenen Sinnerwahrnehmung<br />

der Richter und ist zugleich Aufklärungs- sowie Beweismittel. Er ist auch unter der<br />

Verhandlungsmaxime ohne Parteiantrag zulässig.<br />

Können Dritte verpflichtet werden, dem Richter z.B. Zutritt zu ihrem Grundstück<br />

zu geben?<br />

Ja, eine eventuelle Einschränkung dieser Pflicht kann sich höchstens in Analogie zum<br />

Zeugnisverweigerungsrecht ergeben.<br />

Können Menschen Gegenstand eines Augenscheins sein?<br />

Nein, nur Gegenstände und Örtlichkeiten. Menschen sind <strong>von</strong> einem Sachverständigen<br />

zu untersuchen.<br />

Welche Aufgabe erfüllt ein Sachverständiger?<br />

Der Sachverständige (Experte) soll dem Richter durch seine speziellen fachlichen<br />

Kenntnisse die zur Entscheidung des Prozesses notwendige Erfahrung vermitteln, 149<br />

ZPO BS, 149 ZPO BL.<br />

Kann eine Rechtsfrage Gegenstand einer Expertise sein?<br />

Nur ausnahmsweise, nämlich dann, wenn es um die Anwendung <strong>von</strong> ausländischem<br />

Recht geht, welches nicht gerichtsnotorisch ist. Ansonsten sind Rechtsfragen vom<br />

Richter zu entscheiden.<br />

Pflichten des Experten<br />

Erstellung des Gutachtens in objektiver und unbefangener Weise; vorsätzliches<br />

Erstellen eines falschen Gutachtens wird nach 307 StGB bestraft.<br />

Gibt es eine Pflicht zur Erstattung <strong>von</strong> Gutachten?<br />

Ja, das kantonale Recht kann eine solche Pflicht vorsehen, so in BS in §151 ZPO BS.<br />

BL kennt eine Pflicht nur für Ärzte.<br />

30


In welcher Form ist das Gutachten zu erstellen?<br />

Je nachdem schriftlich oder mündlich, 153 (1) ZPO BS, 154 f. ZPO BL<br />

Ist der Richter an das Ergebnis des Gutachtens eines Sachverständigen<br />

gebunden?<br />

Nein, es steht ihm die freie Würdigung zu. Allerdings muss er triftige Gründe haben,<br />

wenn er in der Urteilsbegründung vom Gutachten abweicht, andernfalls liegt willkürliche<br />

Beweiswürdigung vor.<br />

Besitzen Expertisen, welche nicht vom Richter, sondern <strong>von</strong> Parteien eingeholt<br />

worden sind, die gleiche Beweiskraft wie die gerichtlichen Expertisen?<br />

Nein, sie sind Parteibehauptungen in tatsächlicher Hinsicht gleichgestellt. Der Richter<br />

kann jedoch auch Parteigutachten Beweiskraft zuerkennen.<br />

Worin liegt die grösste praktische Bedeutung der körperlichen Untersuchung?<br />

In Prozessen zur Feststellung oder Anfechtung des Kindesverhältnisses.<br />

Wann besteht die Pflicht zur Duldung einer körperlichen Pflicht nicht?<br />

1. Wenn keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage vorliegt<br />

2. Wenn ein Recht auf Zeugnisverweigerung besteht<br />

3. oder wenn eine körperliche Schädigung entstehen würde.<br />

Genügen die kantonalen Vorschriften über die allgemeine Zeugnispflicht zur<br />

Begründung der Pflicht, eine körperliche Untersuchung über sich ergehen zu<br />

lassen?<br />

Nein, die notwendige Vorschrift kann im Bundesrecht oder im kantonalen Recht<br />

enthalten sein. In Prozessen zur Feststellung oder Anfechtung des Kindesverhältnisses<br />

besteht gemäss ZGB 254 Ziff. 2 eine Pflicht der Parteien und Dritter (Personen, welche<br />

als Vater des Kindes in Frage kommen), an Untersuchungen mitzuwirken, die zur<br />

Aufklärung der Abstammung nötig sind.<br />

Was ist die amtliche Erkundigung?<br />

Mit der amtlichen Erkundigung ersucht das Gericht eine Behörde oder einen Privaten<br />

um schriftliche Auskunft über einen bestimmten Sachverhalt, 158 ZPO BS.<br />

Wann kann der Richter eine amtliche Erkundigung einholen?<br />

Von Amtes wegen nur dort, wo das Gericht ohne Parteiantrag einen bestimmten<br />

Sachverhalt eruieren muss, also insb. bei Geltung der Untersuchungsmaxime. In den<br />

übrigen Fällen ist ein Parteiantrag nötig.<br />

Aus welchem Grundsatz ergibt sich die Pflicht des Gerichts, das Ergebnis der<br />

amtlichen Erkundigung den Parteien zur Stellungnahme zur Kenntnis zu bringen?<br />

Grundsatz des rechtlichen Gehörs.<br />

Zwischen welchen zwei Formen der Parteibefragung ist zu unterscheiden?<br />

1. Förmliche Parteibefragung (=Beweisaussage)<br />

2. Informative Parteibefragung<br />

31


Kennen BS und BL beide Formen der Parteibefragung?<br />

Nein, nur die informative.<br />

Stellt die informative Parteibefragung ein Beweismittel dar?<br />

Nein, sie dient dem Richter lediglich zur Erfüllung seiner Fragepflicht, z.B. bei der<br />

Geltung der Untersuchungsmaxime (Scheidungsprozess...).<br />

Eid<br />

= Feierliche Anrufung Gottes zur Bekräftigung einer Tatsachenbehauptung.<br />

Alle Formen des Eids sind aufgrund BV 15 (4) verfassungswidrig: Niemand darf<br />

gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder<br />

anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu<br />

folgen.<br />

Was besagt das Recht auf Beweis?<br />

Dass der Richter rechtzeitig bezeichnete und eingereichte Beweismittel für<br />

rechtserhebliche Tatsachen nicht einfach unberücksichtigt lässt, sondern die Beweise<br />

tatsächlich abnimmt (langjährige – aus ZGB 8 abgeleitete – Rechtssprechung).<br />

Was stellt die Nichtabnahme beweistauglicher und rechtzeitig anerbotener<br />

Beweismittel dar?<br />

Ein wesentlicher Verfahrensmangel.<br />

Was ist die Beweiswürdigung?<br />

Die Bewertung der Ergebnisse des Beweisverfahrens im Hinblick auf die zu<br />

beweisenden Tatsachen durch den Richter. Durch den Beweis soll der Richter <strong>von</strong> der<br />

Wahrheit der behaupteten Tatsache überzeugt werden.<br />

Sie richtet sich grundsätzlich nach kantonalem Recht, wird aber in bestimmten<br />

Bereichen durch Bundesprivatrecht geregelt.<br />

Worum geht es bei der Beweiswürdigung?<br />

Nur um die Feststellung des Sachverhalts (Tatfrage), nicht auch um die rechtliche<br />

Würdigung der Tatsachen (Rechtsfrage)! Namentlich ist die freie Beweiswürdigung vom<br />

freien Ermessen des Richters zu unterscheiden.<br />

Was besagt der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung?<br />

Dass der Richter ohne Bindung an bestimmte formelle Beweisregeln, nach<br />

pflichtgemäss ausgeübten Ermessen und nach seiner frei gebildeten Überzeugung frei<br />

darüber befinden soll, ob der Beweis (auch auf Grund <strong>von</strong> Indizien oder höherer<br />

Wahrscheinlichkeit, wenn der direkte Beweis nicht möglich ist) geleistet worden ist oder<br />

nicht.<br />

Es bedeutet aber nicht, dass der Richter nach Belieben und Willkür entscheiden kann.<br />

Er muss seinen Entscheid auch zumindest summarisch begründen, damit er überprüft<br />

werden kann.<br />

Nenne ein Beispiel für eine formelle Beweisregel (die die freie richterliche<br />

Beweiswürdigung doch einschränkt)!<br />

32


ZGB 9 (1): „...vollen Beweis...“. Allerdings gilt für den Beweis der Unrichtigkeit wiederum<br />

freie Beweiswürdigung, 9 (2) ZGB.<br />

Was ist unter dem Beweismass zu verstehen?<br />

Intensität der Überzeugung des Richters, die vorgeschrieben ist, damit der Beweis<br />

erbracht ist. Nicht jede erhebliche und bestrittene Tatsache muss strikt bewiesen<br />

werden (Absolute Sicherheit), wie das z.B. 34 oder 254 Ziff. 1 ZGB vorschreiben. In<br />

gewissen Fällen genügt das blosse Glaubhaftmachen, z.B. ZGB 256b II, 260b II, 961 III.<br />

Wann ist eine Tatsache glaubhaft?<br />

Wenn eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der behaupteten Tatsache<br />

besteht.<br />

Was ist die antizipierte Beweiswürdigung?<br />

Kommt der Richter zum Schluss, dass ein bestimmtes Beweismittel am Beweisergebnis<br />

nichts mehr ändern würde, kann er auf die Abnahme des Beweismittels verzichten. Es<br />

muss aber unwiderlegbar feststehen, dass die Beweisabnahme nichts mehr ändern<br />

würde.<br />

Was stellt die fehlerhaft antizipierte Beweiswürdigung in BS und BL dar?<br />

Kein Verfahrensmangel, sondern Willkür, womit in appellablen<br />

Fällen die Beschwerde ausgeschlossen ist.<br />

Was bedeutet die Beweislastpflicht für die betroffene Partei?<br />

Die Folgen der Beweislosigkeit tragen zu müssen: Der Richter hat da<strong>von</strong> auszugehen,<br />

dass die Tatsache, für die kein Beweis erbracht wurde, nicht wahr ist. ZGB 8.<br />

Zwischen welchen zwei Formen der Beweislast wird in der Lehre unterschieden?<br />

Subjektive Beweislast (Beweisführungslast) und objektive Beweislast (Risiko der<br />

Beweislosigkeit), wobei sich ersteres aus letzterem ergibt.<br />

Ist die Unterscheidung zwischen subjektiver und objektiver Beweislast <strong>von</strong><br />

praktischer Bedeutung?<br />

Gilt nur die eingeschränkte Untersuchungsmaxime, entfällt die subjektive Beweislast, im<br />

Bereich der vollen Offizialmaxime entfällt sogar die objektive Beweislast.<br />

Welche drei „Tatsachen“ bilden die Grundlage der sog. Normentheorie?<br />

1. Rechtserzeugende Tatsachen, z.B. Vorliegen eines Testaments, das der Legatar<br />

zu beweisen hat, wenn er seine Ansprüche geltend machen will. Den Beweis hat<br />

gemäss ZGB 8 der zu führen, der aus den Tatsachen ein Recht oder ein<br />

Rechtsverhältnis ableitet<br />

2. Rechtshindernde Tatsachen, z.B. Widerruf der Offerte rechtshindernde<br />

Tatsachen verhindern trotz Vorliegen eines an sich rechtserzeugenden<br />

Sachverhalts die Entstehung des Rechts. Den Beweis hat der zu führen, der die<br />

Tatsachen behauptet.<br />

3. Rechtsvernichtende Tatsachen, namentlich alle Tatsachen, aus denen sich die<br />

Ausübung eines auflösenden Gestaltungsrechts ergibt. Den Beweis hat der zu<br />

führen, der die Tatsachen behauptet.<br />

33


Kritik an der Normentheorie<br />

An Stelle einer allgemeinen Regel soll die richtige Beweislastverteilung für jede einzelne<br />

Norm durch deren Auslegung ermittelt werden. Ausschlaggebend sollen primär die<br />

Möglichkeit des Beweises, die Zumutbarkeit und Angemessenheit und er Zweck der<br />

Norm sein.<br />

Welche Vermutungen sind zu unterscheiden?<br />

1. Gesetzliche Vermutungen (praesumptio iuris)<br />

a. Gesetzliche Tatsachenvermutungen<br />

b. Gesetzliche Rechtsvermutungen<br />

2. Tatsächliche = natürliche Vermutungen (praesumptio hominis)<br />

Die Fiktion (praesumptio iuris et de iure) wird <strong>von</strong> manchen den Vermutungen (sgn.<br />

unwiderlegbare gesetzliche Vermutung) zugeteilt, <strong>von</strong> manchen nicht.<br />

Was sind gesetzlich vermutete Tatsachen?<br />

Es handelt sich um Beweislastverteilungsvorschriften. Tatsachen, die nicht bewiesen<br />

werden müssen, weil sie <strong>von</strong> einer bestimmten Rechtsnorm als vorhanden vermutet<br />

werden, solange nicht das Gegenteil bewiesen worden ist, z.B. der gute Glaube (ZGB 3<br />

I). Der Richter kann und muss da<strong>von</strong> ausgehen, dass die Vermutete Tatsache wahr ist.<br />

Kann i.d.R. durch Beweis des Gegenteils entkräftet werden.<br />

Hat die gesetzliche Tatsachenvermutungen einen Einfluss auf die<br />

Beweislastverteilung?<br />

Manchmal wird in dem Zusammenhang <strong>von</strong> der Umkehr der Beweislast gesprochen.<br />

Genau genommen bewirkt die Gesetzliche Tatsachenvermutungen aber keine<br />

Umkehrung, weil ja noch gar nicht feststeht, wer die Beweislast trägt!<br />

Gesetzliche Rechtsvermutung<br />

Aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift ergibt sich aus einer bestimmten Tatsache eine<br />

bestimmte Rechtsfolge. Kann in der Regel durch den Beweis des Gegenteils entkräftet<br />

werden. Bsp. 930 ZGB.<br />

Nenne ein Beispiel für eine praesumptio iuris et de iure!<br />

156 OR<br />

Was ist eine natürliche Vermutung?<br />

Eine natürliche Vermutung stützt sich auf die allgemeine Lebenserfahrung. Indem der<br />

Richter <strong>von</strong> Bekanntem auf Unbekanntes schliesst, trifft er eine<br />

Wahrscheinlichkeitsfolgerung, welche bei der gesetzlichen Tatsachenvermutung sogar<br />

bereits vom Gesetzgeber vorgenommen worden ist.<br />

Gehört systematische eigentlich zur Beweiswürdigung.<br />

Bekanntestes Beispiel: Vermutung des Beischlafs gestützt darauf, dass ein Mann bei<br />

einer Frau übernachtet hat (violenta praesumptio fornicationis).<br />

Was ist der „Beweis negativer Tatsachen“?<br />

34


Beweis des Nichtvorhandensein bestimmter Tatsachen. Dieser Beweis kann bei<br />

bestimmten Tatsachen leicht geführt werden, bei einer unbestimmten Mehrzahl <strong>von</strong><br />

Tatsachen aber sehr schwierig sein, was das Gericht zu berücksichtigen hat, indem es<br />

z.B. die Gegenpartei zur Mitwirkung anhält.<br />

Was ist die vorsorgliche Beweisabnahme?<br />

Sie wird auch Beweissicherung oder Beweis zum ewigen Gedächtnis genannt. Sie dient<br />

der Sicherung gefährdeter Beweise. Sie ist angezeigt, wenn das Beweismittel verloren<br />

zu gehen droht oder seine Benutzung erschwert wird. ZPO BS § 131ff. und 156, 190<br />

ZPO BL. Nach der Praxis in BS kann sie auch ohne Gefährdung zugelassen wird, weil<br />

sie auch der Vermeidung oder Vereinfachung eines künftigen Prozesses dient.<br />

Wann kann sie in BS und BL durchgeführt werden?<br />

Sie kann schon durchgeführt werden, bevor ein Prozess über den streitigen Anspruch<br />

hängig ist. Möglich ist auch ihre Durchführung während des Prozesses vor dem<br />

Abschnitt, der für die Beweisabnahme vorgesehen ist.<br />

In welchem Verfahren wird das Gesuch um Anordnung einer vorsorglichen<br />

Beweisabnahme behandelt?<br />

Durchwegs im summarischen Verfahren. Meistens ist das Gesuch jedoch schriftlich<br />

einzureichen.<br />

Was geschieht in BL, wenn der Gesuchsteller seinen streitigen Anspruch nicht<br />

binnen 2 Monaten klageweise geltend macht?<br />

Nichts, denn der Gesuchsteller hat 3 Monate Zeit, seinen streitigen Anspruch<br />

klageweise geltend zu machen. Danach verliert der vorsorglich erhobene Beweis seine<br />

Beweiskraft.<br />

Wer ist für die Anordnung der vorsorglichen Beweisabnahme zuständig?<br />

GestG 33<br />

Wie sind die ordentlichen und ausserordentlichen Prozesskosten des Verfahrens<br />

zur Anordnung der vorsorglichen Beweisabnahme zu verteilen?<br />

Vorerst provisorisch nach dem Verursacherprinzip. Das heisst der Gesuchsteller hat<br />

zunächst die Kosten zu tragen. Auf Begehren hin Entscheidet der Richter nach dem<br />

mutmasslichen Ausgang der Hauptsache, wobei er auch die Erheblichkeit der<br />

vorsorglichen Beweisabnahme berücksichtigt.<br />

§ 15 Prozesskosten<br />

Was sind die Prozesskosten?<br />

Die Kosten, die die Führung eines Prozesses verursacht. Sie teilen sich auf in:<br />

1. Gerichtskosten (ordentliche Kosten/ordinaria/o.)<br />

2. Parteikosten (ausserordentliche Kosten/extraordinaria/e.)<br />

Was umfassen die Parteikosten?<br />

35


1. Anwaltskosten<br />

2. Wegentschädigung<br />

Nicht aber Lohnausfall (BS, anders in ZH)<br />

Wann werden vorprozessuale Anwaltskosten zu den Parteikosten gerechnet?<br />

1. Als Schadensposten in Haftpflichtprozessen<br />

2. Ausnahmsweise immer dann, wenn sie das Verfahren vereinfachen und<br />

entlasten. So z.B. für Vergleichsverhandlungen.<br />

Wie bemessen sich die Gebühren des Gerichts?<br />

Nach dem massgeblichen Gerichtsgebührentarif. Für diesen gelten wie für alle Abgaben<br />

Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip. Es müssen nur die Grundsätz im Gesetz<br />

geregelt sein. Massgebender Faktor für vermögensrechtliche Streitigkeiten ist der<br />

Streitwert. Für zusätzliche Bemühungen werden Zuschläge erhoben.<br />

Wie bemessen sich die Anwaltskosten?<br />

Diese bemessen sich in den meisten Kantonen ebenfalls nach einem behördlichen Tarif.<br />

Massgebend ist hier wiederum der Streitwert.<br />

Wann werden die ordentlichen Kosten beziffert und sämtliche Prozesskosten<br />

verteilt?<br />

Diese Entscheide sind Gegenstand des Kostenentscheides als Bestandteil des<br />

Endurteils oder Abschreibungsbeschlusses. Auch der Zwischenentscheid kann einen<br />

Entscheid über die bisher ergangenen Kosten beinhalten.<br />

Wie werden die Kosten verteilt?<br />

Grundsätzlich hat die Partei zu zahlen, die den Prozess verursacht hat, also gewöhnlich<br />

die unterliegende Partei (Veranlassungsprinzip). Bei teilweisem Unterliegen erfolgt eine<br />

verhältnismässige Aufteilung. Ausnahmen:<br />

1. Partei hat Kosten unnötig verursacht oder vermehrt<br />

2. Trotz ihres (teilweisen) Obsiegens kann eine Partei mit Kosten belegt werden,<br />

wenn die Gegenpartei den Prozess in guter Treu führen durfte.<br />

Gerichtskosten werden <strong>von</strong> Amtes wegen verteilt, Parteikosten werden nur verteilt,<br />

wenn ein entsprechender Antrag vorliegt (Üblicherweise beantragen die Parteien in<br />

ihren Rechtsbegehren, dass sämtliche ordentliche und ausserordentliche Kosten der<br />

Gegenpartei aufzuerlegen sind).<br />

Was geschieht, wenn zwischen Anwalt und Gegenpartei oder Klient Differenzen<br />

über die Höhe der Anwaltskosten entstehen?<br />

Dann entscheidet in BS das betreffende erstinstanzliche Gericht in einem besonderen<br />

Verfahren auf Gesuch des Anwaltes (Tarifierung) oder der zahlungspflichtigen Partei<br />

(Moderation).<br />

Wer trägt die Kosten grundsätzlich beim Klagrückzug, wer bei der<br />

Klaganerkennung?<br />

Bei dem Klagrückzug gehen die Kosten grundsätzlich zu Lasten des Klägers, bei<br />

Klaganerkennung zu Lasten des Beklagten.<br />

36


Was geschieht im Falle eines gerichtlichen Vergleiches ohne Kostenregelung?<br />

Dann sehen einzelne Prozessordnungen die Halbierung der Kosten vor. In BS und BL<br />

wird nach summarischer Prüfung auf das mutmassliche Ergebnis abgestellt, wobei auch<br />

das Vergleichsergebnis mit berücksichtigt wird.<br />

Wer haftet in BS und BL grundsätzlich für die Gerichtskosten?<br />

Der Kläger bzw. in BS auch sein Vertreter (44 ZPO BS, 69 ZPO BL). Zur Sicherstellung<br />

der Kosten wird ein Vorschuss verlangt und hierfür eine Frist gesetzt. In BS und<br />

Umgebung ansässige Anwälte sind <strong>von</strong> der Vorschusspflicht befreit, sofern ihre Solvenz<br />

nicht als zweifelhaft erscheint.<br />

Mit wem rechnet das Gericht am Ende ab?<br />

Nur mit dem Kläger, dieser muss also die Gerichtskosten, die dem Beklagten auferlegt<br />

wurden, bei diesem einfordern!<br />

Was geschieht, wenn sich der geleistete Vorschuss als zu gering erweist?<br />

Dies kann z.B. wegen kostspieliger Beweisabnahmen nötig werden. Dann kann der<br />

Kläger zu weiteren Vorschüssen gehalten werden. Bei Nichtzahlung andernfalls<br />

unterbleiben die vorgesehenen teureren Beweisabnahmen, auch im Bereich der<br />

UNtersuchungsmaxime<br />

Was gilt, wo keine allgemeine Kostenhaftung besteht?<br />

Dann kann u.U. eine Prozesskaution vom Beklagten verlangt werden.<br />

1. Ordentliche Kosten: in bestimmten Kantonen wie ZH in gewissen Fällen<br />

Prozesskaution möglich, nicht aber in BS und BL, wo ja für die ordentlichen<br />

Kosten eine allgemeine Kostenhaftung des Klägers gilt<br />

2. A.o. Kosten: Allgemein vorgesehen, sgn. cautio iudicatum solvi, muss vom<br />

Beklagten verlangt werden.<br />

a. BS: Wohnsitz des Klägers im Ausland, ausser es besteht ein<br />

entgegenstehender Staatsvertrag, 44 (2), 229 (2) ZPO BS<br />

b. BL: wenn sie in der Schweiz keinen Wohnsitz hat und keine<br />

staatsvertragliche Vereinbarung sie <strong>von</strong> der Sicherheitsleistung befreit,<br />

oder wenn sie nachgewiesenermassen zahlungsunfähig ist, 70 (1) ZPO BL<br />

Was passiert, wenn keine Kaution gestellt wird?<br />

Abweisung der Klage<br />

Was bedeutet Zahlungsunfähigkeit in Bezug auf die Prozesskautionspflicht?<br />

Das bedeutet das Fehlen <strong>von</strong> pfändbaren Aktiven. Sie muss vom Beklagten bewiesen<br />

werden.<br />

Was bedeutet unentgeltliche Rechtspflege?<br />

Eine bedürftige Partei muss für die Führung eines nicht aussichtslosen Prozesses die<br />

unentgeltliche Prozessführung bewilligt werden<br />

Wie ist bei der unentgeltliche Rechtspflege hinsichtlich der Wirkungen zu<br />

unterscheiden?<br />

1. Erlass der Vorschuss- und Kautionspflicht<br />

37


2. Kostenbefreiung betr. Gerichtskosten<br />

3. Unentgeltlicher Rechtsvertreter (Armenanwalt)<br />

4. Erlass der Entschädigungspflicht<br />

Woraus ergibt sich der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege?<br />

29 (3) BV: Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf<br />

unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.<br />

Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf<br />

unentgeltlichen Rechtsbeistand.<br />

Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege<br />

1. Anspruchsberechtigung<br />

2. Der Anspruch gilt nach aktueller Praxis des BGer für alle Verfahrensarten, auch<br />

in Prozessen des SchKG<br />

3. Bedürftigkeit<br />

4. Keine Aussichtslosigkeit des Prozesses<br />

5. Bei unentgeltlichem Rechtsbeistand: Notwendigkeit der Prozessführung durch<br />

einen Anwalt (mangelnde Rechtskenntnis, fehlende Intelligenz etc.)<br />

Wer ist Anspruchsberechtigt?<br />

Grundsätzlich nur natürliche Personen, u.U. aber auch Kollektiv- und<br />

Kommanditgesellschaften, wenn die Prozessartmut sowohl der Gesellschaft als auch<br />

der unbeschränkt haftenden Gesellschafter erstellt ist.<br />

Der Anspruch gilt für Schweizer und Ausländer, unabhängig <strong>von</strong> ihrem Wohnsitz<br />

Wann liegt Bedürftigkeit vor?<br />

Wenn kein betreibungsrechtlich pfändbares Vermögen vorliegt, aber auch unter<br />

Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles. So kann nicht alleine auf das<br />

betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt werden!<br />

Wann entfällt die Pflicht des Staates zur Gewährung unentgeltlicher<br />

Rechtspflege?<br />

Wenn Dritte aufgrund einer familienrechtlichen Beistandsspflicht für die Kosten<br />

aufkommen oder sie zumindest vorschiessen müssen.<br />

Wann liegt Aussichtslosigkeit des Prozesses für eine Partei vor?<br />

Wenn eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung<br />

nicht zu einem Prozess entschliessen würde, wenn also die Gewinnaussichten erheblich<br />

geringer sind als die Verlustgefahren und nicht mehr als ernsthaft bezeichnet werden<br />

können.<br />

Entfällt die Entschädigungspflicht im Fall der unentgeltlichen Prozessführung?<br />

Obsiegt die Gegenpartei ganz oder teilweise, kann sie in BS keine Entschädigung für<br />

die Prozesskosten <strong>von</strong> der hablosen Partei verlangen, 172 ZPO BS, in BL aber schon,<br />

72 (2) ZPO BL!<br />

Was ist das Problem der BL- Lösung?<br />

38


Das Risiko der nachträglichen Kostentragung kann den Hablosen u.U da<strong>von</strong> abhalten<br />

und damit den ihm zustehenden Rechtsschutz beeinträchtigen.<br />

Wer ist sachlich zuständig für den Entscheid über das Kostenerlassbegehren?<br />

Der Einzelrichter, nach Einreichung der Klage der prozessleitende Präsident<br />

(Instruktionsrichter), §173 ZPO BS.<br />

Wird der Kostenerlass nur für die betreffende Instanz oder für ein etwaiges<br />

Rechtsmittelverfahren an weitere Instanzen bewilligt?<br />

Nur für die betreffende Instanz. Im Rechtsmittelverfahren muss demnach ein neues<br />

Begehren gestellt werden.<br />

In wessen Ermessen liegt es, zu entscheiden ob ein erst während des Prozesses<br />

gestelltes Kostenerlassgesuch nur für die Zukunft oder auch für die bis anhin<br />

aufgelaufenen Kosten bewilligt wird?<br />

Gericht.<br />

Hat der Gesuchsteller die Voraussetzungen für die Bewilligung des<br />

Kostenerlasses (Hablosigkeit und nicht mangelnde Aussichtslosigkeit) zu<br />

beweisen?<br />

Nein, nur glaubhaft zu machen, §173 ZPO BS. Der Richter prüft <strong>von</strong> Amtes wegen, ob<br />

die Angaben des Gesuchsstellers zutreffen.<br />

Wann hat der Prozessgegner Anspruch darauf, sich zum Kostenerlass zu<br />

äussern?<br />

Wenn die Bewilligung des Kostenerlasses seine Rechtsstellung beeinträchtigen würde<br />

(z.B.: wie in BS, wo er riskieren würde, auch bei Obsiegen für seine Kosten selber<br />

aufkommen zu müssen).<br />

Stimmt es, dass in BS und BL das vom Gericht bezahlte Armenanwaltshonorar<br />

während 10 Jahren zurückzubezahlen ist, wenn sich die Vermögensverhältnisse<br />

bei der betreffenden Partei derartig günstiger gestalten, dass sie durch die<br />

Rückerstattung in keine gedrückte Lage versetzt wird?<br />

Nur in BL.<br />

Der Beschwerde an welches Gericht untersteht die Kostenerlassverfügung in BS<br />

und BL?<br />

Appellationsgericht und Kantonsgericht und danach an das Bundesgericht, welches<br />

zweistufig prüft:<br />

1. Anwendung des kantonalen Rechts auf Willkür<br />

2. Einhaltung der bundesrechtlichen Minimalgarantie in rechtlicher Hinsicht frei, in<br />

tatsächlicher Hinsicht nur auf Willkür.<br />

§ 16 Sühneverfahren und ordentliches Verfahren<br />

Was bezweckt das Sühneverfahren?<br />

39


Die Durchführung vermeidbarer Prozesse zu verhindern.<br />

Wie soll dies bewerkstelligt werden?<br />

Indem der Sühnerichter:<br />

Den Kläger <strong>von</strong> aussichtsloser Klage abhält<br />

Den Beklagten zur Anerkennung berechtigter Ansprüche bewegt<br />

Zwischen den Parteien eine Einigung über die Streitsache erzielt.<br />

Welche Streitigkeiten müssen in BL dem Friedensrichter unterbreitet werden?<br />

Alle Rechtsstreitigkeiten, ausser:<br />

Arbeitsrechtliche Streitigkeiten<br />

Betreibungsrechtliche Streitigkeiten<br />

Welche Streitigkeiten müssen in BS dem Friedensrichter unterbreitet werden?<br />

Obligatorisch nur Mietstreitigkeiten betreffend im Kanton gelegene Immobilien und<br />

nichtlandwirtschaftlicher Pacht. Jedoch nicht einem Friedensrichter, sondern einer<br />

staatlichen Schlichtungsstelle in Mietstreitigkeiten, §45b ZPO BS. Ausserdem in<br />

Diskriminierungsstreitigkeiten, §45c ZPO BS.<br />

Was passiert bei einem ergebnislosen Sühneverfahren?<br />

Der Kläger enthält eine entsprechende Bescheinigung (Weisung, Leitschein, in BL<br />

Akzessschein)<br />

Was hat der Kläger nun zu tun, wenn er seinen Anspruch wahren will?<br />

Klage erheben:<br />

BS: 6 Monate nach Zustellung der Bescheinigung<br />

BL: 1 Jahr nach der friedensrichterlichen Verhandlung.<br />

Ansonsten ist der klägerische Anspruch verwirkt.<br />

Was passiert, wenn der Kläger die Klage ohne (zwingend) vorgeschriebenes<br />

Sühneverfahren direkt beim Gericht einreicht?<br />

Es kommt zum Nichteintretensbeschluss.<br />

Ist das Sühneverfahren Äquivalent des Vermittlungsverfahrens oder des<br />

obligatorischen Vergleichsversuchs?<br />

Weder noch. Diese sind dem Gerichtsverfahren nicht vorangestellt.<br />

Kann sich das ordentliche Verfahren schriftlich und mündlich abwickeln?<br />

Ja.<br />

Wodurch kennzeichnet sich das schriftliche, und wodurch das mündliche<br />

Verfahren?<br />

Schriftlich: Dadurch, dass die Parteien alle Behauptungen und Beweisanträge in<br />

schriftlichen Eingaben (Rechtsschriften) vorbringen.<br />

Mündlich: Dadurch, dass die Parteien ihren Standpunkt dem Richter mündlich vortragen.<br />

Für was eignet sich das schriftliche Verfahren eher, für was das mündliche?<br />

40


Schriftlich: Prozesse <strong>von</strong> grösserer Tragweite mit verwickelter Sach- und Rechtslage.<br />

Dauert monat- oder sogar jahrelang.<br />

Mündlich: Einfache Fälle. Erlaubt eine rasche Erledigung des Streites, u.U ohne Beizug<br />

<strong>von</strong> Advokaten.<br />

Nach was bestimmt sich die Verfahrensart in BS?<br />

Nach dem sachlich zuständigen Spruchkörper und damit nach dem Streitwert.<br />

Vor welchen Spruchkörpern ist das Verfahren in BS grundsätzlich mündlich?<br />

Einzelrichter<br />

Dreiergericht<br />

Gewerbliches Schiedsgericht<br />

Wann ist das Verfahren in BL grundsätzlich mündlich?<br />

Bei Klagen bis zum Streitwert <strong>von</strong> 4000.-<br />

Bei Ehescheidungs- und Trennungsklagen<br />

Was müssen die Parteien (nach der Verhandlungsmaxime) in ihren<br />

Rechtsschriften festhalten?<br />

Alle ihnen zweckdienlichen Behauptungen<br />

Die erforderlichen Beweismittel einreichen oder beantragen<br />

Durch was wird in BS bei Geltung des schriftlichen Verfahrens die Klage<br />

erhoben?<br />

Klage mit Bezeichnung <strong>von</strong>:<br />

Rechtsbegehren<br />

Parteien<br />

Begründung<br />

Alle zeckdienlichen Beweise (Belege).<br />

Da in BL die Verfahrensart gewöhnlich erst in der Prozesseinleitung vom<br />

Präsidenten entschieden wird und somit nicht <strong>von</strong> vornherein feststeht, genügt<br />

was für die Anhängigmachung der Klage?<br />

Die Einreichung des Akzessscheins oder des Klagebegehrens samt Bezeichnung der<br />

Parteien.<br />

Was passiert im Vorverfahren?<br />

Bei der (fakultativen) auch Schlusseinleitungsverhandlung genannten Prozesstufe<br />

nimmt der Richter seine Frage- und Aufklärungspflicht war, informiert, befragt und<br />

versucht zwischen den Parteien eine Einigung zu erzielen.<br />

Was passiert im Beweisverfahren?<br />

Nach der Durchführung des Schriftenwechsels gehört es zur Aufgabe des Richters, für<br />

die bestrittenen rechtserheblichen Tatsachen die erforderlichen Beweise abzunehmen.<br />

Es kommt zur:<br />

Beweisanordnung<br />

Abnahme der Beweise in BS und BL in der Hauptverhandlung<br />

41


Was passiert in der Hauptverhandlung?<br />

Die Parteien können zum Beweisergebnis mündlich Stellung nehmen und sich zu den<br />

Rechtsfragen äussern.<br />

Was ist das Säumnisverfahren?<br />

Bei Unterlassung der Klagbeantwortung greift das Säumnisverfahren (sog.<br />

Kontumazialverfahren) Platz. In BS und BL werden die Parteien zur Verhandlung<br />

geboten, wo der Beklagte seine versäumten Tatsachenbehauptungen und<br />

Beweisanträge nicht nachholen, sondern sich nur zu den Rechtsfragen äussern kann.<br />

Wie geht das mündliche Verfahren in BS gewöhnlich vor sich?<br />

Einreichung des Klagebegehrens mit Bezeichnung der Parteien und des Klagegrundes.<br />

Bei Gericht schriftlich, auf der Gerichtskanzlei mündlich.<br />

Vorladung der Parteien. Jeder kommt mindestens zweimal zu Wort.<br />

Allfällige Stellungnahme der Parteien zum Beweisergebnis und der Beratung.<br />

Mündliche Eröffnung des Urteils im Dispositiv samt kurzer Begründung.<br />

Kann auch im mündlichen Verfahren ein Vorverfahren durchgeführt werden?<br />

Ja.<br />

Was passiert in BS, wenn eine Partei der ersten Verhandlung fernbleibt?<br />

Es greift das Säumnisverfahren Platz:<br />

Erscheint der Beklagte nicht zur Verhandlung, so wird die Klage gutgeheissen, sofern<br />

sich nicht aus den Ausführungen des Klägers ihr Ungrund oder ihre Unzulässigkeit<br />

ergibt. (BL zuerst Ordnungsbusse)<br />

Erscheint der Kläger nicht zur Verhandlung, so wird die Klage auf Antrag des Beklagten<br />

abgewiesen. (BL zuerst Ordnungsbusse)<br />

Bei Ausbleiben beider Parteien wird die Klage als desert erklärt. Mit der Deserterklärung<br />

gilt die Klage als nicht angehoben. Es tritt also nicht materieller Rechtsverlust ein.<br />

§ 17 Besondere Verfahrensarten<br />

Nenne die besonderen Verfahrensarten:<br />

• Zum einen gelten für das familienrechtliche Verfahren, das Verfahren in<br />

Wechselsachen und in Gleichstellungssachen besondere Vorschriften. Diese<br />

können daher zu den besonderen Verfahren gezählt werden<br />

• Des Weiteren gibt es noch das summarische Verfahren und das beschleunigte<br />

Verfahren.<br />

Was ist besonders im familienrechtlichen Verfahren?<br />

Es gilt die eingeschränkte Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand und es gilt<br />

die verstärkte Geltung der Untersuchungsmaxime.<br />

Was ist das summarische Verfahren?<br />

42


Das summarische Verfahren ist ein abgekürztes Verfahren, in welchem den Parteien<br />

nicht alle Angriffs- und Verteidigungsmittel zur Verfügung stehen. So finden auch weder<br />

Zeugeneinvernahmen noch Durchführung <strong>von</strong> Expertisen statt.<br />

Woraus ergibt sich die summarische Natur des Verfahrens?<br />

Diese ergibt sich entweder aus der Beschränkung des Beweisthemas, d.h. der<br />

Sachverhalt ist einigermassen klar, oder aus der zeitlichen Dringlichkeit der Sache.<br />

Nenne ein Verfahren, bei dem das summarische Verfahren bundesrechtlich<br />

vorgeschrieben ist:<br />

z.B. bei den Massnahmen zum Eheschutz, oder bei betreibungsrechtlichen<br />

Streitigkeiten, namentlich bei der Bewilligung des Rechtsvorschlages etc.<br />

Ist das summarische Verfahren in der Regel mündlich oder schriftlich?<br />

In der Regel findet das summarische Verfahren mündlich statt.<br />

Was unterscheidet das summarische Verfahren in BL noch <strong>von</strong> den übrigen<br />

Verfahren?<br />

Dann findet keine Prozesseinleitungsverhandlung statt und wenn die Partei nicht zum<br />

Gerichtstermin erscheint, urteilt der Richter schon beim erstmaligen Fernbleiben der<br />

Partei auf Grund der Akten.<br />

Was ist die Besonderheit beim beschleunigten Verfahren?<br />

Beim beschleunigten Verfahren werden vor allem verkürzte Fristen vorgegeben, die<br />

Vertagung der Gerichtsverhandlung ist beschränkt und es besteht eine gesetzliche<br />

Höchstdauer <strong>von</strong> z.B. 6 Monaten in BL.<br />

Wie regelt die BS- ZPO das beschleunigte Verfahren?<br />

Es wird nicht geregelt. Es obliegt dem Verfahrensleiter, durch Ansetzung kurzer Fristen<br />

und Zurückhaltung <strong>von</strong> Verschiebungsgesuchen dafür zu sorgen, dass die Prozesse, für<br />

die das beschleunigte Verfahren vorgeschrieben ist, auch innert nützlicher Frist<br />

abgeschlossen werden.<br />

Was ist das einfache und rasche Verfahren?<br />

Diese Verfahrenstypen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur mündlich möglich sind.<br />

Ein Schriftenwechsel ist <strong>von</strong> Bundesrechts wegen ausgeschlossen.<br />

§ 18 Rechtskraft und Rechtshängigkeit<br />

Was ist die Rechtskraft und wie unterteilt sie sich?<br />

Die Endgültigkeit des Urteils nennt man Rechtskraft. Sie teilt sich in die formelle und die<br />

materielle Rechtskraft.<br />

Was ist die formelle und was die materielle Rechtskraft?<br />

43


Die formelle Rechtskraft ist die Unabänderlichkeit des Urteils. Das bedeutet, dass das<br />

Urteil nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten werden kann. Die<br />

materielle Rechtskraft ist die Verbindlichkeit des Urteils in einem späteren Prozess.<br />

Welche Endscheide können die formelle Rechtskraft entfalten?<br />

End- und Zwischenurteile, prozesserledigende Beschlüsse, die nicht frei widerruflichen<br />

prozessleitenden Verfügungen sowie in BS und BL Urteilssurrogate.<br />

Wann tritt die formelle Rechtskraft ein?<br />

Bei nicht appellablen Urteilen mit deren Eröffnung und bei appellablen nach ungenutzt<br />

verstrichener Frist.<br />

Was sind Urteilssurrogate?<br />

Das sind z.B. Klagrückzug, Klaganerkennung oder der gerichtliche Vergleich.<br />

Kennen BS und BL eine Teilrechtskraft?<br />

Nein. Dies hat zur Folge, dass eine Appellation die Rechtskraft des gesamten Urteils<br />

aufschiebt, nicht nur des appellierten Teils.<br />

Wie sieht es mit einem anerkannten Teilanspruch aus bei einer Appellation?<br />

Dieser Teilanspruch erhält sofort mit der Anerkennung volle Rechtskraft. Eine gerichtlich<br />

bescheinigte Teilanerkennung kann sofort vollstreckt werden und gilt als definitiver<br />

Rechtsöffnungstitel.<br />

Wohin geht die Entwicklung in Bezug auf die Teilrechtskraft?<br />

Die Entwicklung geht dahin, die Teilrechtskraft grundsätzlich zuzulassen, sie aber<br />

ausnahmsweise zu verweigern, wenn die Klage mehrere untrennbar verbundene<br />

Ansprüche zum Gegenstand hat.<br />

Was sind die Wirkungen der formellen Rechtskraft?<br />

Sie ist eine Vorbedingung der materiellen Rechtskraft und beendigt die<br />

Rechtshängigkeit. Ausserdem macht die formelle Rechtskraft die Leistungsurteile<br />

vollstreckbar und die Feststellungs- oder Gestaltungsurteile unmittelbar wirksam.<br />

Welche Urteile sind fähig die materielle Rechtskraft zu erhalten?<br />

Endurteile, prozesserledigende Beschlüsse und Urteilssurrogate.<br />

Rechtsöffnungsentscheide haben nur Rechtskraft im selben Betreibungsverfahren.<br />

Was erhält materielle Rechtskraft im entsprechenden Urteil?<br />

Nur das Urteilsdispositiv und der Bestand oder Nichtbestand der zur Verrechnung<br />

gestellten Forderung.<br />

Wann tritt die materielle Rechtskraft in zeitlicher Hinsicht ein?<br />

Wenn die Entscheidung formell rechtskräftig wird.<br />

Entfaltet sich die materielle Rechtskraft auch gegenüber Dritten in einem neuen<br />

Prozess?<br />

44


Grundsätzlich wird Identität der Parteien vorausgesetzt. Ausnahmsweise, nämlich wenn<br />

es sich um den Rechtsnachfolger handelt oder Gestaltungsurteile ergangen sind oder<br />

wo der Bestand oder Nichtbestand eines Rechtsverhältnisses oder Rechts die<br />

Voraussetzung für den Anspruch gegen einen Dritten bildet, können auch Dritte <strong>von</strong> der<br />

materiellen Rechtskraft betroffen sein.<br />

Neben der Identität der Parteien setzt die materielle Rechtskraft noch die Identität<br />

<strong>von</strong> was voraus?<br />

Identität des Streitgegenstandes<br />

Was ist der Streitgegenstand?<br />

Der in der Klage erhobene Anspruch, der auf einem bestimmten Sachverhalt gründet.<br />

Wann ist ein Anspruch mit dem im späteren Prozess beurteilten Anspruch<br />

identisch?<br />

Wenn die beiden Ansprüche auf den gleichen Gegenstand hinzielen und sich aus dem<br />

gleichen Lebensvorgang ergeben<br />

Schliesst die Abweisung der Klage auf Lieferung der Kaufsache eine spätere<br />

Klage auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung aus, wenn sich beide Klagen auf<br />

einen vom Beklagten angeblich nicht erfüllten Kaufvertrag stützen?<br />

Nein, denn die eine Klage geht auf Sachleistung, die andere auf Geld.<br />

Reicht die Verschiedenheit des Entstehungsgrundes (Anspruchskonkurrenz) aus,<br />

um die Identität des Streitgegenstandes zu verneinen?<br />

Nein. Die Praxis des BGer ist unklar. In BGE 98 II 158 lehnt es die Identität des<br />

Streitgegenstandes ab, wenn „jemand gegenüber der gleichen Person aus zwei<br />

verschiedenen Rechtsgründen Anspruch auf dieselbe Leistung (Anspruchskonkurrenz)<br />

hat“. In anderen Entscheiden scheint es eher auf den gesamten Lebensvorgang<br />

abzustellen.<br />

Wo fängt die materielle Rechtskraft in zeitlicher Hinsicht an?<br />

BS: Zeitpunkt, bis zu welchem neue Tatsachen im Prozess vorgebracht werden können.<br />

BL: Zeitpunkt der Urteilsfällung<br />

Können im ersten Prozess bereits vorhandene, der betreffenden Partei jedoch erst<br />

nachträglich bekannt gewordene Tatsachen die materielle Rechtskraft<br />

erschüttern?<br />

Grundsätzlich nein. Nur bei triftigen Gründen.<br />

Wo gelten besondere Regeln hinsichtlich der zeitlichen Grenzen der materiellen<br />

Rechtskraft?<br />

Im Ehescheidungsrecht. Wird eine Scheidungsklage abgewiesen, die sich auf einen in<br />

sich abgeschlossenen Lebensvorgang stützt (z.B. Ehebruch), so steht die materielle<br />

Rechtskraft des Urteils einer neuen Scheidungsklage, die auf einem anderen<br />

Sachverhalt <strong>von</strong> selbständiger Bedeutung beruht, nicht entgegen, auch wenn dieser<br />

Sachverhalt dem klagenden Ehegatten schon bei der ersten Scheidungsklage bekannt<br />

war. Der klagende Ehegatte kann somit eine neue Klage mit Tatsachen begründen, die<br />

45


er schon im Prozess hätte vorbringen können, dies aber aus irgendwelchen Gründen<br />

unterlassen hat (z.B. aus Rücksichtnahme).<br />

Verbietet die materielle Rechtskraft des ersten Urteils, dass eine Partei im zweiten<br />

Prozess das unmittelbare Gegenteil der rechtskräftigen Entscheidung begehrt?<br />

Ja. So kann z.B. der rechtskräftig zur Zahlung verurteilte Forderungsschuldner nicht in<br />

einem zweiten Prozess seine Zahlung unter dem Titel der ungerechtfertigten<br />

Bereicherung zurückfordern, auch wenn das frühere Urteil fehlerhaft war.<br />

Bewirkt die materielle Rechtskraft die Verbindlichkeit des früheren Urteils auch für<br />

die Vorfrage, die sich in einem späteren Prozess zur Beurteilung der dort<br />

erhobenen Klagen stellt?<br />

Ja. Beispiel: Wird die Klage des Käufers auf Lieferung der Kaufsache wegen<br />

Unverbindlichkeit des Kaufvertrags abgewiesen und klagt der Käufer in der Folge auf<br />

Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrags, so muss der Richter im zweiten<br />

Prozess auf Grund des früheren Urteils da<strong>von</strong> ausgehen, das der Verkäufer nicht zur<br />

Erfüllung verpflichtet war. Die Verpflichtung zur Erfüllung stellt sich im zweiten Prozess<br />

als Vorfrage; deren Verneinung führt zur Abweisung der zweiten Klage.<br />

Kommt dem in einem früheren Prozess als Vorfrage beurteilten Recht oder<br />

Rechtsverhältnis materielle Rechtskraft zu?<br />

Nein. Beispiel: Wird bei einer Teilklage die Gültigkeit des ihr zugrunde liegenden<br />

Arbeitsverhältnisses vom Richter vorfrageweise bejaht, so ist dem Richter im zweiten<br />

Prozess um die restlichen Forderungen unbenommen, die Gültigkeit des<br />

Arbeitsverhältnisses vorfrageweise zu verneinen.<br />

Wer regelt ob der Richter im späteren Prozess die materielle Rechtskraft des<br />

früheren Urteils <strong>von</strong> Amtes wegen oder nur auf Antrag einer Partei<br />

berücksichtigt?<br />

Die ZPOs.<br />

BS: Richter prüft <strong>von</strong> Amtes wegen.<br />

BL: Nur dann ohne Parteiantrag, wenn ihm der frühere Entscheid <strong>von</strong> Amtes wegen<br />

bekannt ist.<br />

Was bedeutet Rechtshängigkeit (Litispendenz)?<br />

Das Bestehen eines Urteilsverfahrens über einen streitigen Anspruch<br />

Tritt die Litispendenz auch bei Fehlen einer sog. Prozessvoraussetzung, z.B.<br />

mangelnde Zuständigkeit eines angerufenen Gerichts ein?<br />

Ja.<br />

Bezieht sich die Litispendenz auch auf die Verteidigungsmittel des Beklagten?<br />

Nein, grundsätzlich nur auf die Klage und die allfällige Widerklage<br />

Wann tritt die Litispendenz ein?<br />

In den ZPOs wird der Eintritt der Rechtshängigkeit unterschiedlich geregelt. Findet kein<br />

Sühneverfahren vor einer besonderen Instanz statt, so tritt die Rechtshängigkeit im<br />

Allgemeinen mit der Einreichung der Klagschrift beim Gericht (schriftliches Verfahren)<br />

46


oder der Einreichung des Gesuchs um Vorladung des Beklagten (mündliches Verfahren)<br />

ein.<br />

Wann tritt die Rechtshängigkeit ein, wo dem Prozess ein friedensrichterliches<br />

Sühneverfahren vorangeht?<br />

Am Ende des Sühneverfahrens, wenn das Scheitern der Vergleichsbemühungen<br />

feststeht und aufgrund der klägerischen Rechtsbegehren der Akzessschein ausgestellt<br />

wird.<br />

Bei Fällen mit Auslandberührung setzt IPRG 9 III den Eintritt der Rechtshängigkeit<br />

für die in der Schweiz angehobenen Klagen wann ein?<br />

Einheitlich auf den Zeitpunkt der ersten für die Klageinreichung notwendigen<br />

Verfahrenshandlung, wobei die Einleitung des Sühneverfahrens genügt.<br />

Die Litispendenz zeitigt welche prozessualen Wirkungen (welche den ungestörten<br />

und geordneten Ablauf des Prozesses gewährleisten)?<br />

Fixierung der sachlichen Zuständigkeit<br />

Fixierung des Gerichtsstandes (sog. perpetuatio fori)<br />

Obliegenheit zur Fortführung des Prozesses<br />

Verbot der Klagänderung<br />

Verbot der Veränderung und Veräusserung des Streitgegenstandes<br />

Ausschluss weiterer gleichgerichteter Prozesse<br />

Wo sich für die sachliche Zuständigkeit des Richters nach dem Streitwert der<br />

Klage richtet, ist für dessen Berechnung welcher Zeitpunkt massgebend?<br />

Zeitpunkt, in welchem die Rechtshängigkeit eintritt. Spätere Veränderungen des<br />

Streitwerts können daher grundsätzlich die einmal begründete sachliche Zuständigkeit<br />

nicht mehr beseitigen.<br />

Für die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts wird an bestimmte<br />

Tatsachen oder Rechtsbeziehungen angeknüpft, wie sie zu welchem Zeitpunkt<br />

vorliegen?<br />

Eintritt der Litispendenz.<br />

Was bedeutet die Obliegenheit zur Fortführung des Prozesses?<br />

Der Kläger ist grundsätzlich gezwungen, seine Klage weiterzuverfolgen oder seines<br />

angeblichen Rechts verlustig zu gehen.<br />

Kennt BS oder BL eine ausdrückliche Vorschrift, welche die Veränderung oder<br />

Veräusserung des Streitgegenstandes während des Prozesses ausschliessen<br />

würde?<br />

Nein.<br />

Schliesst eine im Ausland hängige Klage eine Klage um den gleichen<br />

Streitgegenstand in der Schweiz aus?<br />

Nur wenn das entsprechende ausländische Urteil in der CH anerkennbar ist und zu<br />

erwarten ist, dass das ausländische Gericht in angemessener Frist eine Entscheidung<br />

fällt (IPRG 9 I)<br />

47


§ 19 Urteil, Urteilssurrogate und Prozesserledigung ohne<br />

Urteil<br />

Welche Arten <strong>von</strong> Urteilen gibt es?<br />

Es gibt Sach- und Prozessurteile.<br />

Was sind Urteile?<br />

Urteile stellen eine richterliche Entscheidung dar, mit welcher über die Zulässigkeit und<br />

die Begründetheit der Klage teilweise oder ganz entschieden wird.<br />

Über was entscheidet das Sachurteil und über was das Prozessurteil?<br />

Das Sachurteil entscheidet über die Begründetheit der Klage. Fehlt die Begründetheit,<br />

so lautet das Urteil auf Abweisung der Klage.<br />

Das Prozessurteil hingegen entscheidet nur über das Vorliegen der<br />

Prozessvoraussetzungen.<br />

Was geschieht, wenn eine Klage mangels Fälligkeit abgewiesen wird?<br />

Dann erfolgt eine Abweisung „zur Zeit“. Damit wird über die Begründetheit der<br />

Forderung nicht rechtskräftig entschieden, der Entscheid entfaltet also keine materielle<br />

Rechtskraft<br />

Welche Prozessvoraussetzungen gibt es?<br />

a. Rechtsschutzinteresse.<br />

b. Örtlich und sachliche Zuständigkeit<br />

c. Partei- und prozessfähigkeit<br />

d. Fehlende andersweitige Rechtshängigkeit<br />

e. Fehlende res iudicata<br />

f. Bezahlung <strong>von</strong> Vorschuss und die Sicherheit für die Prozesskosten<br />

Ist auch die Aktivlegitimation eine Prozessvoraussetzung?<br />

Nein! Hier geht es um eine materielle Frage, die durch ein Sachurteil zu entscheiden ist.<br />

Die Aktivlegitimation ist die eigentliche Hauptfrage des Prozesses: Hat der Kläger<br />

überhaupt einen Anspruch?!<br />

Zwischen welchen Prozessvoraussetzungsarten kann man unterscheiden?<br />

Zwischen positiven und negativen Prozessvoraussetzungen. Negative<br />

Prozessvoraussetzungen dürfen nicht vorliegen (Rechtshängigkeit, res iudicata) und<br />

positive müssen vorliegen (örtliche, funktionelle und sachliche Zuständigkeit des<br />

Gerichtes; Parteifähigkeit; Prozessfähigkeit, Postulationsfähigkeit).<br />

Was geschieht, wenn eine negative Prozessvoraussetzung vorliegt oder eine<br />

positive nicht?<br />

Dann wird auf die Klage nicht eingetreten, ohne dass der streitige Anspruch materiell<br />

beurteilt wird. Es ergeht also ein Prozessurteil.<br />

48


Was ist ein Endurteil und welche Arten gibt es?<br />

Das Endurteil führt zur Beendigung des Prozesses in der betreffenden Instanz. Es kann<br />

ein Sach- oder ein Prozessurteil sein.<br />

Es wird zwischen einem Vollendurteil und einem sog. Teilurteil unterschieden.<br />

Das Vollendurteil führt für die ganze Klage zur Beendigung des Prozesses, das Teilurteil<br />

wird nur über einen Teil des Anspruches entschieden. BS und BL ist das Teilurteil<br />

fremd.<br />

Was ist ein Zwischenurteil?<br />

Das Zwischenurteil ergeht im Laufe des Prozesses über einzelne Streitpunkte. Es kann<br />

als Sach- oder als Prozessurteil ergehen. Als Sachurteil äussert es sich über eine für die<br />

Begründetheit der Klage relevante präjudizielle Vorfrage, als Prozessurteil kann es z.B.<br />

auf das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen lauten und damit auf Eintreten der Klage<br />

lauten.<br />

Was ist der Inhalt des Urteils?<br />

Der Inhalt des Urteils ist:<br />

das Rubrum<br />

die Rechtsbegehren der Parteien<br />

die Entscheidgründe<br />

und schliesslich das Urteilsdispositiv<br />

Ist ein bedingtes Urteil zulässig?<br />

Ja, es ist aber im Interesse der Rechtssicherheit nur in bestimmten Fällen zuzulassen.<br />

In welchen Fällen ist das bedingte Urteil zugelassen?<br />

Das bedingte Urteil ist zugelassen für:<br />

1. Nach § 160 Abs. 1 ZPO BS, dass eine Partei abgewiesen oder verurteilt wird, falls sie<br />

nicht innert einer festzusetzenden Frist einen im Urteil anzugebenden Beweis beibringt<br />

oder antritt.<br />

2. Des Weiteren kann gemäss § 218 ZPO BS durch bedingtes Urteil die Klage<br />

gutgeheissen werden, ihre Vollstreckbarkeit jedoch bis zum Entscheid über eine<br />

Gegenforderung aufgeschoben werden, wenn der an sich begründeten Klagforderung<br />

eine Gegenforderung zur Verrechnung gestellt wird, für welche dem Gericht die<br />

sachliche Zuständigkeit fehlt.<br />

3. Wenn das Urteil dem Kläger die Leistung Zug um Zug gegen die Erbringung einer<br />

gewissen Gegenleistung zuspricht.<br />

4. Die Verurteilung eines unterhaltspflichtigen Beklagten zur Zahlung <strong>von</strong> Kinderzulagen<br />

für den Fall, dass ihm solche vom Arbeitgeber ausgerichtet werden.<br />

Wie wird der Eintritt der Bedingung abgeklärt?<br />

Meistens im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens, für verwickelte Fälle muss der<br />

Kläger den Eintritt mit einer neuen Klage feststellen lassen.<br />

Kann ein Richter sein Urteil korrigieren?<br />

Grundsätzlich ist der Richter an sein Urteil gebunden. Es gibt jedoch verschiedene<br />

Ausnahmen:<br />

49


es bestehen verschiedene nicht devolutive Rechtsmittel und sonstige Rechtsbehelfe,<br />

durch welche der Richter zu einer neuen Beurteilung der <strong>von</strong> ihm entschiedenen Sache<br />

veranlasst werden kann<br />

auch besteht die Möglichkeit durch Erläuterungen das unklare, unvollständige oder mit<br />

offensichtlichen Unrichtigkeiten behaftete Urteil zu korrigieren.<br />

Aufgrund veränderter Umstände kann in einem sog. Abänderungsprozess das Urteil den<br />

veränderten Umständen angepasst werden<br />

Nach der Kassation einer oberen Instanz die Neubeurteilung<br />

Was sind Urteilssurrogate?<br />

Das sind bestimmte Prozesshandlungen, die den Prozess in jedem Verfahrensstadium<br />

ohne Urteil zum Abschluss bringen.<br />

In Frage kommen die:<br />

Klaganerkennung durch den Beklagten<br />

Der Klagrückzug durch den Kläger<br />

Und der gerichtliche Vergleich<br />

Was bewirken die Urteilssurrogate?<br />

Die Urteilssurrogate bewirken als solche den Eintritt der materiellen Rechtskraft.<br />

Wann wird der Prozess formell beendet?<br />

Erst durch den Abschreibungsbeschluss durch welchen das Gericht das Urteilssurrogat<br />

zu Protokoll nimmt, allfällige Kosten festsetzt und die Klage mit deklaratorischer Wirkung<br />

als erledigt erklärt.<br />

Was ist eine Klaganerkennung?<br />

Eine Klaganerkennung ist eine, auf das Rechtsbegehren gerichtete, einseitige Erklärung<br />

der Beklagten Partei, dass sie die Klage anerkenne.<br />

Sie kann sich auf das gesamte Rechtsbegehren beziehen oder in Form eines<br />

Teilabstandes nur auf einen Teil desselben.<br />

Was bedeutet die rechtliche Doppelnatur des Klagrückzuges?<br />

Das bedeutet, dass er einerseits ein privatrechtliches Rechtsgeschäft ist und<br />

andererseits eine prozessuale Handlung.<br />

Was ist die Wirkung der Klagenerkennung?<br />

Sie hat die gleiche Wirkung wie das die Klage gutheissende Urteil. Sie bewirkt also die<br />

materielle Rechtskraft und somit die Vollstreckbarkeit.<br />

Was ist die Wirkung des Klagrückzuges?<br />

Dem Klagrückzug kommt in der Regel die gleiche Rechtskraft zu, wie einem Sachurteil,<br />

das die Klage abweist. Auf die erneut eingereichte Klage darf das Gericht also nicht<br />

mehr eintreten wegen der res iudicata.<br />

Gibt es Ausnahmen <strong>von</strong> diesem Grundsatz und wenn ja, dann nenne die Fälle, in<br />

denen der Kläger seine Klage ohne Rechtsverlust zurückzieht und später neu<br />

einreichen kann?<br />

Es gibt 4 mögliche Fallkonstellationen:<br />

50


• die Rechtskraftwirkung der Abstandserklärung tritt erst nach Eintritt der<br />

Rechtshängigkeit ein<br />

• nach einzelnen ZPOs bis zu einem bestimmten Verfahrensstadium oder jederzeit<br />

mit Einwilligung der Gegenpartei<br />

• wenn die eingereichte Klage unter einem prozessualen Mangel leidet, der einem<br />

Sachurteil entgegensteht, dann kann die Klage unter Vorbehalt ihrer späteren<br />

Wiedereinbringung („angebrachtermassen“) zurückgezogen werden.<br />

• Mit dem Klagrückzug „zur Zeit“, wenn der Kläger zum Ausdruck bringt, dass er<br />

die Klage nur mangels Fälligkeit zurückzieht und dem tatsächlich so ist, also eine<br />

Abweisung zur Zeit erfolgt wäre.<br />

Unterliegt die Abstandserklärung der Anfechtung wegen Willensmängeln?<br />

Ja. Es müssen jedoch zwei verschiedene Fallkonstellationen unterschieden werden.<br />

Falls die Abstandserklärung das Prozessverfahren <strong>von</strong> Gesetzes wegen beendet und<br />

1. noch kein Abschreibungsentschluss ergangen ist, dann entscheidet der Richter im<br />

gleichen Verfahren<br />

2. schon ein Abschreibungsbeschluss ergangen ist und diesem als solchem formelle<br />

und materielle Rechtskraft erwächst, dann ist die Anfechtung durch Rechtsmittel gegen<br />

den Abschreibungsbeschluss geltend zu machen.<br />

Was ist ein gerichtlicher Vergleich?<br />

Der gerichtliche Vergleich ist ein zweiseitig verpflichtender Vertrag, mit welchem sich die<br />

Parteien zur Beseitigung des Streites oder der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis<br />

durch gegenseitiges Nachgeben einigen.<br />

Besitzt der gerichtliche Vergleich dieselbe doppelte Rechtsnatur wie der<br />

Klagrückzug oder die Klaganerkennung?<br />

Ja, auch der gerichtliche Vergleich ist ein privatrechtliches Rechtsgeschäft und eine<br />

prozessuale Vereinbarung.<br />

In welcher Form hat der gerichtliche Vergleich zu erfolgen?<br />

Das bestimmt sich nach dem massgeblichen Prozessrecht und nicht nach dem<br />

Privatrecht.<br />

Durchwegs ist der gerichtliche Vergleich möglich indem der Vergleichstext im<br />

Gerichtsprotokoll festgehalten wird oder indem der unterschriebene Text dem Gericht<br />

zugestellt wird.<br />

Was ist die Wirkung des gerichtlichen Vergleichs?<br />

Der gerichtliche Vergleich entfaltet materielle Rechtskraft, ist vollstreckbar und führt zur<br />

Beendigung des Prozesses.<br />

Kann eine Partei vom gerichtlichen Vergleich zurücktreten?<br />

Nein, der Rücktritt ist ausgeschlossen, er führt zur definitiven Beendigung des Streites.<br />

Welchen Beendigungsgrund gibt es sonst noch?<br />

Z.B. die Gegenstandslosigkeit des Prozesses. Diese kann auf zwei verschiedene Arten<br />

vorkommen:<br />

51


1. wenn der Streitgegenstand oder<br />

2. das Rechtsschutzinteresse des Klägers nach Eintritt der Rechtshängigkeit wegfällt.<br />

Nenne weitere Erledigungsgründe:<br />

Des Weiteren kann die Unterlassung gewisser dem Kläger zu Beginn des Verfahrens<br />

obliegender Prozesshandlungen zur Erledigung des Prozesses ohne Urteil führen.<br />

1. Allgemein bei Nichtleistung des Kostenvorschusses oder der Kaution<br />

2. Bei Unterlassung die wegen formellen Mängeln zurückgewiesene Klage innert der<br />

gesetzten Nachfrist zu verbessern (in BS ergeht das Urteil dann gestützt auf die<br />

mangelhafte Rechtsschrift).<br />

3. U.U. wenn im schriftlichen Verfahren die ausnahmsweise zulässige nachträgliche<br />

Begründung nicht eingereicht wird.<br />

§ 20 Grundsätze der Rechtsmittel<br />

Was sind Rechtsmittel?<br />

Prozessuale Rechtsmittel, die der Überprüfung und allfälligen Verbesserung des Urteils<br />

auf Antrag einer Partei dienen. Damit können fehlerhafte Entscheidungen, wie sie<br />

angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit immer wieder vorkommen, korrigiert<br />

werden.<br />

Was sind die Nachteile der Rechtsmittel?<br />

Verlängerung und Verteuerung der Verfahren<br />

Durch was zeichnen sich ordentliche Rechtsmittel v.a. aus?<br />

Durch die gesetzliche Suspensivwirkung<br />

Wann kommt einem Rechtsmittel Suspensiveffekt zu?<br />

Wenn es <strong>von</strong> Gesetzes wegen die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheides,<br />

d.h. die Durchsetzbarkeit der im Dispositiv enthaltenen staatlichen Anordnung mit<br />

staatlichem Zwang bis zur erneuten Beurteilung hemmt.<br />

Wann spricht man <strong>von</strong> einem vollkommenen Rechtsmittel?<br />

Wenn mit einem Rechtsmittel sowohl in der Feststellung des Sachverhalts als auch in<br />

der Rechtsanwendung alle Mängel geltend gemacht werden können.<br />

Wann spricht man <strong>von</strong> einem unvollkommenen Rechtsmittel?<br />

Wenn mit einem Rechtsmittel lediglich die beschränkte Überprüfung des angefochtenen<br />

Entscheids möglich ist.<br />

Stellen ordentliche Rechtsmittel in der Regel vollkommene oder unvollkommene<br />

Rechtsmittel dar?<br />

Vollkommene, ausserordentliche Rechtsmittel i.d.R. unvollkommene<br />

Nenne ein Beispiel für ein vollkommenes Rechtsmittel!<br />

Kantonalrechtliche Berufung (Appellation).<br />

52


Wann kommt einem Rechtsmittel Devolutiveffekt zu?<br />

Wenn durch das Einlegen des Rechtsmittels die Streitsache <strong>von</strong> einer unteren (iudex a<br />

quo) an eine höhere Instanz (iudex ad quem) zur Beurteilung gelangt.<br />

Welches der nachfolgend genannten Rechtsmittel ist kein devolutives<br />

Rechtsmittel?<br />

• Appellation<br />

• Kantonalrechtliche Beschwerde<br />

• Revision<br />

• Erläuterung<br />

• Zivilrechtliche Berufung ans Bundesgericht<br />

• Nichtigkeitsbeschwerde ans Bundesgericht<br />

Revision und Erläuterung<br />

Was unterscheidet das reformatorische vom kassatorischen Rechtsmittel?<br />

Beim reformatorischen Urteilt die obere Instanz (iudex ad quem) selbst in der Sache,<br />

beim kassatorischen Rechtsmittel wird das angefochtene Urteil lediglich aufgehoben<br />

(kassiert) und im Sinne der Erwägung der oberen Instanz zur Neubeurteilung an das<br />

untere Gericht zurückgewiesen.<br />

Können die Parteien bereits vor Anhebung des Prozesses auf ordentliche<br />

Rechtsmittel verzichten?<br />

Im Geltungsbereich der Dispositionsmaxime ja. Ein derartiger Verzicht liegt<br />

insbesondere vor, wenn die Parteien vereinbaren, allfällige spätere Streitigkeiten nicht<br />

vor dem ordentlichen Richter, sondern vor einem Schiedsgericht auszutragen.<br />

Was gilt im Bereich der Offizialmaxime?<br />

Ein Verzicht ist unbeachtlich.<br />

Was gilt für die ausserordentlichen Rechtsmittel und warum?<br />

Ein Verzicht auf ausserordentliche Rechtsmittel ist generell ausgeschlossen und<br />

unbeachtlich. Dies, weil mit diesen Rechtsmitteln jeweils gravierende Mängel geltend<br />

gemacht werden können, deren Existenz vor Erlass des Urteils unter Umständen gar<br />

nicht erkennbar sind. Der Verzicht käme einer übermässigen Beschränkung der<br />

Persönlichkeit gleich oder könnte gar sittenwidrig sein. (vgl. ZGB 27 II, OR 20 I).<br />

Bis wann kann in BS, bis wann in BL das Rechtsmittel zurückgezogen werden?<br />

BS: Bis zur Urteilsfällung<br />

BL: Der Rückzug ist bereits nach Beginn der Appellationsverhandlung ausgeschlossen.<br />

Was besagt das Verbot der reformatio in peius?<br />

Nach dem sog. Verbot der reformatio in peius, die sich aus der Dispositionsmaxime<br />

ergibt, darf diejenige Partei die das Rechtsmittel ergreift (Rechtsmittelkläger)<br />

grundsätzlich durch das Urteil der Rechtsmittelinstanz nicht schlechter gestellt werden<br />

als durch den angefochtenen Entscheid.<br />

53


Gilt das Verbot der reformatio in peius auch im Bereich der Offizialmaxime?<br />

Nein.<br />

Was sind die Voraussetzungen der Rechtsmittel?<br />

• Die Partei die ein Rechtsmittel ergreift, darf nicht gültig verzichtet haben<br />

• Form:<br />

o Richtige Bezeichnung<br />

o Stellung eines Rechtsbegehrens<br />

o Begründung des Rechtsbegehrens<br />

o Nennung der Beweismittel<br />

o Unterschrift<br />

• Frist:<br />

o Einreichung innert der massgeblichen Rechtsmittelfrist<br />

• Instanz:<br />

o Einreichung bei der zuständigen Instanz<br />

• Anfechtungsobjekt:<br />

o Taugliches Anfechtungsobjekt<br />

• Rüge:<br />

o Rüge, welche für das betreffende RM zur Verfügung steht<br />

• Beschwer:<br />

o Partei muss durch angefochtenes Urteil beschwert sein<br />

(schützenswertes Interesse).<br />

• Legitimation:<br />

o Die Partei muss zur Einlegung des RM legitimiert sein.<br />

Was kann die Rechtsmittel einlegende Partei tun, wenn die obere kantonale<br />

Instanz wegen einer unrichtigen Bezeichnung des Rechtsmittels einen<br />

Nichteintretensentscheid erlässt?<br />

Es kann u.U. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Verbots des<br />

überspitzten Formalismus geführt werden.<br />

Nach was bestimmt sich, ob das Rechtsmittel beim iudex a quo oder beim iudex<br />

ad quem einzureichen ist?<br />

Nach dem massgeblichen Prozessrecht.<br />

Kann in BS ein Urteil des gewerblichen Schiedsgerichts mit der Appellation<br />

angefochten werden?<br />

Nein, es stellt kein taugliches Anfechtungsobjekt dar. Welche Voraussetzungen der<br />

angefochtene Entscheid aufweisen muss, bestimmt sich nach den jeweiligen<br />

gesetzlichen Voraussetzungen.<br />

Was passiert wenn eine Rüge geltend gemacht wird, für welche das betreffende<br />

Rechtsmittel nicht zur Verfügung steht (z.B. wenn bei der Willkürbeschwerde<br />

überspitzter Formalismus geltend gemacht wird)?<br />

Auf das Rechtsmittel wird grundsätzlich nicht eingetreten.<br />

Zwischen welchen Arten der Beschwer unterscheidet man?<br />

54


Formelle und materielle Beschwer<br />

Was wird unter formeller Beschwer verstanden?<br />

Die Diskrepanz zwischen dem Parteiantrag und der im Dispositiv bzw. Teilen des<br />

Urteils, welche der Rechtskraft zugänglich sind enthaltenen Entscheidung.<br />

Ist derjenige beschwert, der auf Abweisung der Klage beantragt, das Gericht<br />

jedoch auf Nichteintreten bekennt?<br />

Ja, er ist formell beschwert, denn er hat als Beklagter ein schützenswertes Interesse<br />

daran, über den streitigen Anspruch ein Sachurteil zu erhalten und nicht in einem neuen<br />

Verfahren mit der gleichen Klage belangt zu werden.<br />

Ist die formelle Beschwer stets Zulässigkeitsvoraussetzung?<br />

Ja. Fehlt dies, so wird auf das Rechtsmittel nicht eingetreten.<br />

Wann liegt materielle Beschwer vor?<br />

Wenn der Rechtsmittelkläger, auch wenn seinen Anträgen entsprochen wurde, durch<br />

das angefochtene Urteil in seiner Rechtsposition belastet wird und einen Rechtsnachteil<br />

erleidet.<br />

Was schliesst gewöhnlich die Einlegung eines Rechtsmittels aus; materielle<br />

Beschwer ohne formelle Beschwer oder formelle Beschwer ohne materielle<br />

Beschwer?<br />

Materielle Beschwer ohne formelle Beschwer.<br />

Zur Einlegung eines Rechtsmittels ist grundsätzlich nur wer legitimiert?<br />

Grundsätzlich nur die am unterinstanzlichen Verfahren beteiligten Haupt- und allenfalls<br />

Nebenparteien.<br />

Wann können ausnahmsweise auch Dritte legitimiert sein?<br />

Sofern ihre Rechtsposition durch den Entscheid berührt wird, so z.B. der Dritte, der sich<br />

in einem Vaterschaftsprozess einer Blutprobe unterziehen muss, oder der Armenanwalt,<br />

der die Höhe der Vergütung anficht.<br />

§ 21 Rechtsmittel des kantonalen Rechts<br />

Nenne die kantonalen Rechtsmittel!<br />

Es gibt:<br />

die Appellation<br />

die kantonalrechtliche Beschwerde<br />

die Revision<br />

die Berichtigung und Erläuterung<br />

und weitere kantonale Rechtsmittel in BS wie der Rekurs oder die Aufsichts- oder<br />

Dienstbeschwerde<br />

Was ist die Appellation?<br />

55


Die Appellation ist ein ordentliches, vollkommenes Rechtsmittel mit Devolutiv- und<br />

Suspensiveffekt. In der Regel ist es reformatorisch und nicht kassatorisch.<br />

Was ist die sog. Anschlussappellation?<br />

Anschlussappellation wird genannt, wenn sich die Gegenpartei der Appellation<br />

(Appellat) des Appellanten anschliesst. (ZPO BS 220 IV)<br />

Was ist der Sinn einer Anschlussappellation?<br />

Durch die Anschlussappellation geht das Verbot der „reformatio in peius“ verloren. Die<br />

Anschlussappellation teilt jedoch das Schicksal der Appellation im Falle des Rückzugs,<br />

jedoch nur bis zu Beginn der Hauptverhandlung (ZPO BS 232)<br />

Wann ist die Anschlussappellation spätestens in BS einzureichen, und wann in<br />

BL?<br />

In BS bis zum Aktenschluss (ZPO BS 220 IV) beim iudex a quo und in BL innert der für<br />

die Hauptappellation massgeblichen Hauptfrist (meistens 10 Tage).<br />

Was bezweckt die Anschlussappellationsfrist?<br />

Nur die Festlegung des Endtermins. Eine Anschlussappellation vor Beginn der Frist ist<br />

also gültig.<br />

Wer ist zur Appellation befugt?<br />

In erster Linie die Hauptparteien. Daneben auch noch die Rechtsnachfolger,<br />

Streitgenossen, Contumax und die Nebenparteien (allerdings nicht gegen den<br />

ausdrücklichen Willen der Hauptpartei).<br />

Was sind die Voraussetzungen der Appellation?<br />

Es muss:<br />

ein appellables Urteil vorliegen (in BS Urteile des Zivilgerichts)<br />

die Appellationserklärung muss form- und fristgerecht bei der zuständigen Behörde<br />

eingereicht worden sein<br />

die Appellationssumme bzw. in BS und BL der quantitative Beschwer muss erreicht<br />

worden sein.<br />

Welche Urteile sind in BS appellabel und welche in BL?<br />

In BS sind nur Urteile der 5er-Kammer des Zivilgerichts und in BL auch Urteile des<br />

Bezirksgerichtspräsidenten als Einzelrichter, gegen Urteile des Ausschusses des<br />

Bezirksgerichtes wie auch Urteile des Bezirksgerichtes (alle mit gewissen gesetzlichen<br />

Einschränkungen).<br />

Sind nur Sach- oder auch Prozessurteile appellabel?<br />

Sowohl als auch, im Allgemeinen jedoch nur Endurteile, sowie gegen Zwischenurteile<br />

über die Zuständigkeit des Gerichts.<br />

Die neuere Praxis lässt die Appellation auch gegen Zwischenurteile über gewisse<br />

weitere Prozessvoraussetzungen zu.<br />

Sind Prozessleitende Verfügungen appellabel?<br />

56


Nein, sie können nur mittelbar, nämlich durch Appellation gegen das ergangene<br />

Zwischen- oder Endurteil angefochten werden, soweit diese nicht ausnahmsweise der<br />

selbstständigen Beschwerde unterliegen.<br />

Kann sich die Appellation auch nur gegen einzelne Teile des erstinstanzlichen<br />

Urteilsdispositivs richten?<br />

Ja, jedoch kann der Kostenentscheid nicht separat mittels der Appellation angefochten<br />

werden, sondern nur mit der Beschwerde.<br />

Wie viele Tage beträgt die Appellationsfrist in der Regel?<br />

In der Regel in BS und BL 10 Tage. Ausnahmen sind zum Beispiel einige Verfahren des<br />

SchKG (5 Tage) und z.B. das beschleunigte Verfahren (3 Tage).<br />

Ist die Appellationsfrist erstreckbar?<br />

Nein, es handelt sich somit um eine Verwirkungsfrist.<br />

Was ist nach Ablauf der Appellationsfrist eventuell möglich?<br />

In BS sowie in BL eventuell die Wiedereinsetzung (ZPO BS 34b IV).<br />

Wann beginnt die Appellationsfrist zu laufen?<br />

Am folgenden Tag der (vollständigen) schriftlichen oder mündlichen Urteilseröffnung<br />

(ZPO BS 222)<br />

Was geschieht in Bezug auf die Appellationsfrist mit Einreichung einer<br />

Beschwerde?<br />

Dann wird die Appellationsfrist aufgehoben und beginnt erneut nach einer eventuellen<br />

Abweisung der Beschwerde (ZPO BS 222 II).<br />

In welcher Form hat die Appellationserklärung zu erfolgen?<br />

In BS schriftlich zu Händen des Zivilgerichts (ZPO BS 225 I), in BL mündlich oder<br />

schriftlich bei der Kanzlei des Gerichts, dessen Urteil angefochten wird. In BL ist auch<br />

die unmittelbar nach Abschluss der Verhandlung vor den Schranken zu Protokoll<br />

gegebene Appellationserklärung gültig.<br />

Nach was berechnet sich die quantitative Beschwer?<br />

Sie berechnet sich nach dem Unterschied zwischen dem <strong>von</strong> der Partei im Prozess<br />

zuletzt gestellten Rechtsbegehren und dem angefochtenen Urteil. Will eine Partei also<br />

5000 SFr und erhält nur 2000 SFr zugesprochen, so beträgt ihre quantitative Beschwer<br />

nur 3000 Sfr.<br />

Was ist die erforderliche Beschwer der Summe nach?<br />

In BS mehr als 8'000 SFr (ZPO BS 220 I), in BL mehr als 2'000 SFr.<br />

Was ist, wenn die Streitsumme unbestimmt ist?<br />

Dann steht die Appellation ebenfalls offen. Darunter fallen in erster Linie nicht<br />

vermögensrechtliche Streitigkeiten (ZPO BS 220).<br />

57


Wie sieht es mit Entscheiden der 5er-Kammer des Zivilgerichts wegen Verletzung<br />

der Vorschriften über die Zuständigkeit aus?<br />

Ebenfalls ohne Vorliegen der Appellationssumme, auch summa gravaminis genannt, der<br />

Appellation geöffnet (ZPO BS 220 II).<br />

Wie sieht es mit Entscheiden der 3er-Kammer des Zivilgerichts wegen Verletzung<br />

der Vorschriften über die Zuständigkeit aus?<br />

Entscheiden der 3er Kammer sind nicht appellabel (Der Wortlaut „Zivilgericht“ in ZPO<br />

BS 220 I bezeichnet gemäss GOG-BS 27 nur die 5er-Kammer).<br />

Welche Wirkungen hat die Appellation?<br />

Devolutiv- und Suspensiveffekt.<br />

Wer bewilligt die Appellation?<br />

In BS zuerst der Präsident der erkennenden Zivilrechtskammer (ZPO BS 225 I i.V.m<br />

226). Gegen dessen Entscheid ist die Anrufung der Kammer möglich, danach die<br />

Beschwerde innert 10 Tagen (ZPO BS 230). Darüber entscheidet dann endgültig das<br />

Appellationsgericht in freier Kognition.<br />

Was ist der sog. Aktenschluss?<br />

Der Aktenschluss ist die Vorladung auf die Zivilgerichtsschreiberei. Auf diesen Termin<br />

werden alle Akten des erstinstanzlichen Verfahrens zusammengestellt und für den<br />

Übergang zur nächsten Instanz bereit gemacht (ZPO BS 227).<br />

Was passiert, wenn die eventuell verfügte Kostenvorschusspflicht, also<br />

Deposition oder Sicherstellung der Kosten, nicht erfüllt wird?<br />

Dann fällt die Appellation dahin (ZPO BS 229 III).<br />

Wann ist das Gesuch um unentgeltliche Kostenführung vom Appellaten<br />

spätestens einzureichen?<br />

Spätestens mit den Appellationsanträgen (ZPO BS 229 IV).<br />

Wer entscheidet über das Gesuch?<br />

der instruierende Appellationsgerichtspräsident unter Anwendung der erstinstanzlichen<br />

Grundsätze (ZPO BS 229 V).<br />

Wer entscheidet in BS, wer in BL über die Zulässigkeit der Appellation?<br />

BS: Der Präsident der erkennenden Zivilgerichtskammer (ZPO BS 226)<br />

BL: Obergerichtspräsident, der erstinstanzliche Richter hat lediglich den zu<br />

hinterlegenden Kostenvorschuss zu bestimmen.<br />

Was steht dem Appellanten in BS offen, wenn die Zulassung der Appellation<br />

verweigert wird?<br />

Die Anrufung der Kammer (ZPO BS 230) (empfiehlt sich innert 10 Tagen, jedoch keine<br />

ausdrückliche Vorschrift). Gegen den die Appellation ebenfalls verweigernden<br />

Kammerentscheid kann der Appellant innert 10 Tagen Beschwerde führen (ZPO BS<br />

230), worauf das Appellationsgericht mit freier Kognition endgültig über die Zulassung<br />

der Appellation entscheidet.<br />

58


Muss das Appellationsgericht die Zulässigkeit der Appellation nochmals prüfen,<br />

auch wenn diese <strong>von</strong> der ersten Instanz als Zulässig erklärt wurde?<br />

Ja, <strong>von</strong> Amtes wegen.<br />

Was passiert nach der Zulassung der Appellation?<br />

Beide Parteien werden auf die Zivilgerichtsschreiberei zum sog. Aktenschluss geladen.<br />

Auf diesen Termin stellt das Zivilgericht sämtliche Akten des erstinstanzlichen<br />

Verfahrens zusammen und macht sie für den Übergang an die obere Instanz bereit.<br />

Was können die Parteien anlässlich des Aktenschlusses kontrollieren?<br />

Ob die Akten vollständig und das Protokoll über die mündlichen Verhandlungen,<br />

namentlich die Hauptverhandlung richtig ist und entsprechende Berichtigungen und<br />

Ergänzungen beantragen, über welche das Zivilgericht entscheidet (ZPO BS 227)<br />

Was ist die Kostendeposition?<br />

Die Deponierung der ausserordentlichen und ordentlichen Kosten, die das Gericht dem<br />

Appellant auferlegt. Dies bis zum Aktenschluss bei der Gerichtskasse; ansonsten fällt<br />

die Appellation dahin (ZPO BS 229 III)<br />

Auch für die Gerichtskosten des Appellationsverfahrens besteht eine<br />

grundsätzliche Kostenvorschusspflicht. Nach welchen Grundsätzen?<br />

Erstinstanzliche Grundsätze (ZPO BS 229)<br />

Wann hat der Appellant in BS seine Anträge spätestens einzureichen?<br />

Innert dreissig Tagen seit Aktenschluss (ZPO BS 232a)<br />

Was passiert in BS und BL, wenn der Appellant keine Anträge stellt?<br />

Es gelten die im unterinstanzlichen Urteil gestellten Anträge (ZPO BS 232a).<br />

Was passiert mit den Anträgen des Appellanten?<br />

Diese werden samt allfälligen Begründungen vom instruierenden<br />

Appellationsgerichtspräsidenten, der i.d.R. mit dem Referenten identisch ist, der<br />

Gegenpartei unter Ansetzung einer erstreckbaren Frist zur Vernehmlassung und zur<br />

Einreichung <strong>von</strong> Gegenanträgen zugestellt (ZPO BS 232b I).<br />

Gilt die Eventualmaxime auch im Verfahren vor dem Appellationsgericht?<br />

Ja, in BS und BL.<br />

In welcher Weise erleidet der Konzentrationsgrundsatz indessen auch im<br />

Appellationsverfahren gewisse Einschränkungen?<br />

In gleicher Weise, wie sie bereits für den erstinstanzlichen Prozess vorgesehen sind<br />

Was heisst das konkret?<br />

Die Parteien dürfen auch vor Appellationsgericht neue Tatsachen und Beweismittel<br />

vorbringen, seien es echte Noven, die erst nachträglich eingetreten sind oder unechte<br />

Noven, die den Parteien im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht bekannt waren und<br />

ihr auch nicht bekannt sein konnten, oder für deren Vorbringen kein Anlass bestand.<br />

59


Wann sind Noven im zweitinstanzlichen Verfahren in BS spätestens einzureichen?<br />

Spätestens beim Aktenschluss, wenn sie der Partei erst später zur Kenntnis kommen,<br />

baldmöglichst, spätestens aber am dritten Tag vor der Verhandlung (ZPO BS 237 II)<br />

Wann sind Noven im zweitinstanzlichen Verfahren in BL spätestens einzureichen?<br />

Die ZPO BL enthält keine ausdrückliche Vorschrift. Die Praxis wendet die Vorschriften<br />

des erstinstanzlichen Verfahrens analog an.<br />

Was heisst das konkret?<br />

Noven müssen grundsätzlich zu Beginn der Appellationsverhandlung geltend gemacht<br />

werden. Kommen die Noven der betreffenden Partei erst im Laufe des Verfahrens zur<br />

Kenntnis, so müssen sie grundsätzlich sofort geltend gemacht werden.<br />

Wer entscheidet in BS über die Zulassung der Noven?<br />

Der instruierende Appellationsgerichtspräsident.<br />

An wen und mit welchem Mittel kann die beschwerte Partei in BS die<br />

prozessleitende Verfügung des Appellationsgerichtspräsidenten weiterziehen?<br />

In analoger Anwendung <strong>von</strong> ZPO BS 82a bis zum Ablauf des dritten Tages vor der<br />

Verhandlung mittels Rekurs an die Kammer des Appellationsgerichts<br />

Wann ist das Urteil in BL schriftlich zu eröffnen?<br />

Wenn gegen das Urteil zivilrechtliche Berufung an das BGer geführt werden kann (OG<br />

51 I lit. d)<br />

Wie wird die kantonalrechtliche Beschwerde in gewissen Kantonen auch<br />

genannt?<br />

Nichtigkeitsbeschwerde oder Kassationsbeschwerde<br />

Was sind die Merkmale der Beschwerde?<br />

• Ausserordentlich<br />

• Unvollkommen<br />

• Devolutiv<br />

• Meistens subsidiär<br />

• Ohne Suspensivwirkung<br />

• Dient dazu die sog. Nichtigkeitsgründe zu rügen.<br />

Ist eine Anschlussbeschwerde nach den Rechten <strong>von</strong> BS und BL<br />

ausgeschlossen?<br />

Ja; der Beschwerdegegner muss selber fristgemäss Beschwerde erheben, um eine<br />

Abänderung des angefochtenen Entscheids zu seinen Gunsten zu erwirken.<br />

Unterliegen der Verfahrensmangelbeschwerde in BS die Urteile aller<br />

Spruchkörper?<br />

Ja (ZPO BS § 242(1) Ziff. 1), also auch die Kammerurteile, gegen die die Appellation<br />

offen steht.<br />

60


Wer ist zur Beschwerde legitimiert?<br />

Die Haupt- und Nebenparteien des erstinstanzlichen Verfahrens. Es gelten die gleichen<br />

Grundsätze wie bei der Appellation. Ausnahmsweise sind auch Dritte zur Beschwerde<br />

zugelassen, wenn sie vom angefochtenen Entscheid unmittelbar berührt werden, so z.B.<br />

der Armenanwalt hinsichtlich des ihm verweigerten Anwaltshonorars.<br />

Wann können in BS Urteile der Kammer mit Willkürbeschwerde angefochten<br />

werden?<br />

Wenn sie nicht appellabel sind (ZPO BS 242 1 Ziff. 2)<br />

Sind grundsätzlich auch Zwischenentscheide beschwerdefähig?<br />

Nein, grundsätzlich nur Endentscheide. Dieser Grundsatz wird in der BS Praxis jedoch<br />

in zahlreichen Fällen durchbrochen, welche den Begriff des Endurteils weit auslegt. Ein<br />

beschwerdefähiger Entscheid liegt bereits dann vor, wenn durch den erstinstanzlichen<br />

(Zwischen-)entscheid wesentliche prozessuale Rechte der Parteien endgültig<br />

geschmälert oder vernichtet würden.<br />

Wann kann in BS gegen Zwischenurteile auch noch Beschwerde geführt werden?<br />

Wenn andernfalls direkt das BGer mittels staatsrechtlicher Beschwerde angerufen<br />

werden könnte (Verfahrensökonomie)<br />

Die kantonalrechtliche Beschwerde setzt voraus:<br />

1. Beschwerdefähiges Urteil<br />

2. tauglicher Beschwerdegrund und<br />

3. Beschwer<br />

Was sind die tauglichen Beschwerdegründe?<br />

Verfahrensmangel<br />

Willkür<br />

Verletzung der Vorschriften über die Zuständigkeit<br />

Bewilligung oder Verweigerung der Vollstreckung auswärtiger Urteile<br />

Was ist ein Verfahrensmangel (error in procedendo)?<br />

Ein Verfahrensmangel liegt vor, wenn der Richter gegen geschriebene oder<br />

ungeschriebene Verfahrensnormen verstösst.<br />

Welcher ist der häufigste Verfahrensmangel?<br />

Verletzung des rechtlichen Gehörs.<br />

Der Verfahrensmangel muss i.d.R. wesentlich sein. Gilt dies auch für die<br />

Verletzung des rechtlichen Gehörs?<br />

Entsprechend der Praxis des BGer NEIN!. Hier ist demnach belanglos, ob bei<br />

Einräumung des rechtlichen Gehörs der Entscheid anders ausgefallen wäre.<br />

Welche Beschwerdegründe sind bei der kantonalen Beschwerde tauglich?<br />

Es kommen nur 4 taugliche Gründe in Frage:<br />

Ein Verfahrensmangel (error in procedendo)<br />

61


Willkür<br />

Verletzungen der Vorschriften über die Zuständigkeit (ausser bei Kammerentscheiden)<br />

Bewilligung oder Verweigerung der Vollstreckung <strong>von</strong> auswärtigen (und Baselstädtischen)<br />

Urteilen<br />

Wie wird die Beschwerde gegen Willkür noch genannt?<br />

error in iudicando. Diese Art der Beschwerde stellt in BS den wichtigsten<br />

Beschwerdegrund dar.<br />

Kann die kantonale Willkürbeschwerde auch gegen appellable Urteile geführt<br />

werden?<br />

Nein. Sie ist zur Appellation subsidiär.<br />

Wann ist ein Urteil willkürlich?<br />

Wenn es qualifiziert unrichtig ist, d.h. schlechthin unhaltbar und somit gegen klares<br />

Recht verstösst. Sie ist auch bei Ermessensüberschreitung des Richters möglich.<br />

Gegen was kann sich die kantonale Willkürbeschwerde beim Kostenentscheid<br />

richten?<br />

Sowohl gegen die Höhe der Gerichtsgebühr und der bezifferten Parteientschädigung,<br />

als auch gegen die Verurteilung der ordentlichen und ausserordentlichen<br />

Gerichtskosten.<br />

Bei welchen drei Arten <strong>von</strong> Urteilen beurteilt das Appellationsgericht<br />

Beschwerden ohne Beschränkung auf Willkür, also in freier Kognition?<br />

In freier Kognition urteilt das Appellationsgericht bei (§2242a ZPO BS):<br />

Entscheidungen des Zivilgerichtspräsidenten betreffend die Erstreckung <strong>von</strong> Miet- und<br />

Pachtverhältnissen<br />

Entscheidungen des Zivilgerichtspräsidenten betreffend die Gewährung des<br />

Gegendarstellungsrechtes<br />

Urteilen des gewerblichen Schiedsgerichtes bei einer Beschwer <strong>von</strong> über 8'000 SFr.<br />

Wie wird diese in freier Kognition stattfindende Anfechtung <strong>von</strong> Urteilen noch<br />

genannt?<br />

Diese Anfechtungen mittels der Beschwerde werden noch „kleine Appellation“ genannt.<br />

Bei welchen Gerichten in BS ist die kantonale Beschwerde und nicht die<br />

Appellation bei Verletzung der Vorschriften über die Zuständigkeit möglich?<br />

Bei allen, ausser bei Kammerentscheiden, wo die Appellation zulässig ist, jedoch ohne<br />

erforderliche Beschwer.<br />

Wer entscheidet in BS über die Bewilligung oder die Verweigerung der<br />

Vollstreckung auswärtiger Urteile?<br />

Der Zivilgerichtspräsident.<br />

Was sind die Voraussetzungen für die kantonalrechtliche Beschwerde?<br />

Das sind die folgenden drei Voraussetzungen:<br />

beschwerdefähiges Urteil<br />

62


tauglicher Beschwerdegrund<br />

Beschwer (nicht in bestimmter Höhe)<br />

Wann liegt die erforderliche Beschwer vor?<br />

Immer dann, wenn eine Partei mit ihren Rechtsbegehren nicht vollständig<br />

durchgedrungen ist.<br />

Welche Wirkungen hat die kantonalrechtliche Beschwerde?<br />

Da es sich um ein ausserordentliches Rechtsmittel handelt, kommt der Beschwerde kein<br />

Suspensiveffekt zu, §243(3) ZPO BS.<br />

Auf Gesuch hin kann jedoch die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheides vom<br />

Richter aufgeschoben werden.<br />

Wie lange dauert die Beschwerdefrist, d.h. innert welchem Zeitraum muss die<br />

Beschwerde eingereicht werden?<br />

Innert 10 Tagen, §243(1) ZPO BS.<br />

Wann beginnt die Beschwerdefrist?<br />

Am Tag nach der Eröffnung des Urteils.<br />

Ist die Beschwerde an eine bestimmte Form gebunden?<br />

Ja, die Beschwerde ist schriftlich einzureichen, §243(1) ZPO BS.<br />

Was muss die Beschwerde inhaltlich erfüllen?<br />

Die Beschwerde muss neben dem Antrag auch eine substantiierte Begründung und da<br />

es sich um ein ausserordentliches meist unvollkommenes Rechtsmittel handelt muss die<br />

Beschwerdeschrift auch im Einzelnen aufführen, inwiefern es sich um einen<br />

Verfahrensmangel, Willkür etc. handelt.<br />

Sind Noven im Beschwerdeverfahren zulässig?<br />

Nein, da beurteilt werden soll, ob das Gericht auf der Grundlage der ihm vorliegenden<br />

Sachlage die Sache richtig beurteilt hat.<br />

Muss bei der Beschwerde der Beschwerdeführer einen Kostenvorschuss leisten?<br />

Ja, dieser wird gerichtlich festgesetzt, §242(3) ZPO BS.<br />

Wie erfolgt der Beschwerdeentscheid?<br />

In BS in der Regel kassatorisch und nur ausnahmsweise reformatorisch, in BL nur<br />

ausnahmsweise kassatorisch und in der Regel reformatorisch.<br />

Was ist die Revision?<br />

Die Revision ist ein ausserordentliches, subsidiäres, unvollkommenes, kassatorisches<br />

und nicht devolutives Rechtsmittel ohne Suspensiveffekt durch welches ein, durch ein<br />

rechtskräftiges Urteil erledigter, Zivilprozess wegen bestimmter schwerer Mängel, den<br />

sog. Revisionsgründen, NEU durchgeführt werden kann.<br />

Wer ist zur Revision legitimiert?<br />

Die an dem seinerzeitigen Verfahren beteiligten Haupt- und Nebenparteien.<br />

63


Was sind die Voraussetzungen für eine Revision?<br />

Es gibt zwei Voraussetzungen:<br />

Ein revisionsfähiges Urteil<br />

Und ein Revisionsgrund<br />

Was ist das Anfechtungsobjekt der Revision?<br />

Das rechtskräftige Urteil einer unteren oder oberen kantonalen Instanz.<br />

Welche Revisionsgründe gibt es?<br />

Es gibt zwei Revisionsgründe:<br />

Wenn mittel eines strafrechtlich festgestellten Vergehens auf das Urteil eingewirkt wurde<br />

(revisio propter falsa)<br />

Wenn Urkunden <strong>von</strong> entscheidender Bedeutung aufgefunden wurden (revisio propter<br />

nova)<br />

Welche Voraussetzungen gibt es in Hinsicht auf die revisio propter falsa?<br />

Es muss ein rechtskräftiges entsprechendes Strafurteil vorliegen und es muss ein<br />

Kausalzusammenhang bestehen.<br />

Welche Voraussetzungen gibt es für die revisio propter nova?<br />

Die neu aufgefundene Urkunde muss zum Zeitpunkt des Urteils schon existiert haben<br />

(echte Noven sind also nicht zulässig) und es darf den Revisionskläger kein<br />

vorwerfbares Versäumnis treffen. Drittens müsste sich die Urkunde auf das Ergebnis<br />

des Prozesses positiv ausgewirkt haben, d.h. es muss für eine prozessrelevante<br />

Tatsache aufgeführt werden und beweistauglich sein.<br />

Welche Fristen sind bei der Revision zu beachten?<br />

Die relative und die absolute Frist.<br />

Was ist die relative Frist und wie lange ist diese?<br />

Die relative Frist ist die Frist, die mit Auffinden neuer Urkunden oder der Kenntnisnahme<br />

vom rechtskräftigen Urteil beginnt. Sie dauert in BS 1 und in BL 3 Monate.<br />

Was ist die absolute Frist und wann beginnt diese?<br />

Nach dieser Zeit kann trotz dem vorliegen eines Revisionsgrundes keine Revision mehr<br />

eingereicht werden.<br />

In BS beträgt die absolute Frist bei Strafurteilen 10 und bei neuen Urkunden 5 Jahre in<br />

BL in beiden Fällen 5 Jahre.<br />

In BS beginnt die Frist mit der formellen Rechtskraft des angefochtenen Urteils, in BL<br />

mit der Urteilsfällung.<br />

Zwischen welchen beiden Revisionsurteilen kann man unterscheiden?<br />

Zwischen dem iudicium rescidens und dem iudicium rescissorium. Ersteres spricht sich<br />

über das Revisionsurteil aus, Das iudicium rescissorium ist das neue Urteil in der Sache<br />

selber.<br />

Was ist der Unterschied zwischen einer Berichtigung und einer Erläuterung?<br />

64


Bei der Berichtigung wird ein das Urteil Rechnungs- oder Sinnentstellender Fehler oder<br />

ein <strong>von</strong> der Beratung offensichtlich abweichendes Urteil vom Gericht auf Antrag oder<br />

<strong>von</strong> Amtes wegen berichtigt.<br />

Bei der Erläuterung wird ein unklares Urteil klargestellt, insbesondere dann, wenn das<br />

Urteilsdispositiv zweideutig ist.<br />

Wie nennt man Rechnungs- oder sinnentstellende Fehler?<br />

Diese Fehler werden Kanzleifehler genannt.<br />

Dürfen gerichtliche Vergleiche durch eine Erläuterung klargestellt werden?<br />

Nein, es sei denn, sie bedürfen zu ihrer Gültigkeit der gerichtlichen Genehmigung (z.B.<br />

Vergleich über die Nebenfolgen der Scheidung).<br />

Welche Frist gilt für das Erläuterungsbegehren?<br />

Dieses Begehren ist an KEINE Frist gebunden.<br />

Welches Verfahren und welche Formvorschriften gelten für das<br />

Erläuterungsverfahren?<br />

BS enthält keine Regelung, die Rechtsunsicherheit sollte jedoch so schnell wie nur<br />

möglich beendet werden. In BL ist das Begehren schriftlich einzureichen.<br />

Zwischen welchen prozessleitenden Verfügungen wird unterschieden beim<br />

Rekurs gegen Verfügungen des Instruktionsrichters?<br />

Zwischen solchen, wo der Instruktionsrichter in eigener Kompetenz entscheidet und<br />

sonstigen wobei bei den sonstigen unterschieden wird, ob sie sich auf den formellen<br />

Gang des Prozesses beziehen (Ansetzen <strong>von</strong> Fristen) oder ob sie den materiellen Inhalt<br />

des Prozesses berühren (z.B. Verweigerung der nachgesuchten Klagänderung).<br />

Was gilt für die Rekursfrist?<br />

Allgemein dasselbe wie für die Noveneingabe, d.h. bis zum Ablauf des dritten Tages vor<br />

der Hauptverhandlung, §81(3) ZPO BS analog.<br />

Nenne zusammenfassend die Rechtsmittel des kantonalen Rechts!<br />

Appellation (kantonalrechtliche Berufung)<br />

Kantonalrechtliche Beschwerde<br />

Revision<br />

Berichtigung und Erläuterung<br />

Weitere kantonale Rechtsmittel in BS und BL:<br />

Rekurs gegen prozessleitende Verfügungen des Instruktionsrichters (BS)<br />

Rekurs gegen Verfügungen des Eheschutzrichters und des Instruktionsrichters im<br />

Scheidungsprozess (BS)<br />

Aufsichts- oder Dienstbeschwerde<br />

Nenne zusammenfassend die Rechtsmittel des Bundesrechts!<br />

Zivilrechtliche Berufung<br />

Zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde<br />

Staatsrechtliche Beschwerde<br />

Revision<br />

65


Erläuterung<br />

Welche der Verfügungen sind grundsätzlich nicht rekursfähig: Verfügungen, die<br />

sich auf den formellen Gang des Prozesses beziehen (z.B. Ansetzung <strong>von</strong> Fristen<br />

und Terminen) und Verfügungen, die den materiellen Inhalt des Prozesses<br />

betreffen (z.B. Verweigerung einer nachgesuchten Klagänderung)?<br />

Grundsätzlich die Verfügungen, die den formellen Inhalt des Prozesses betreffen.<br />

Welche prozessleitenden Verfügungen unterliegen der direkten Beschwerde an<br />

das Appellationsgericht?<br />

Verfügungen, die in derart einschneidender Art einen nicht wiedergutzumachenden<br />

Nachteil bewirken oder prozessuale Rechte der Parteien vernichten, dass die<br />

Weiterführung des Prozesses in Frage gestellt wird, z.B. Verfügungen über den <strong>von</strong><br />

einer Partei zu leistenden Kostenvorschuss, Verweigerung des Kostenerlasses oder der<br />

anwaltlichen Vertretung.<br />

Es wird anerkannt, dass u.U. auch die formellen prozessleitenden Verfügungen<br />

dem Rekurs an die Kammer unterliegen können. Die Unterscheidung zwischen<br />

materiellen und formellen prozessleitenden Verfügungen eignet sich daher nicht<br />

zur Abgrenzung der rekursfähigen Verfügungen und ist ohnehin unpraktikabel, da<br />

sich die beiden Arten <strong>von</strong> prozessleitenden Verfügungen nicht klar abgrenzen<br />

lassen. Auf was ist richtigerweise abzustellen?<br />

Auf das Rechtsschutzinteresse der rekurrierenden Partei.<br />

Ist das Rechtsschutzinteresse gegeben, bei der Wegweisung einer angeblich<br />

nicht fristgemäss eingereichten Rechtsschrift?<br />

Ja<br />

Ist das Rechtsschutzinteresse gegeben, bei einer rechtmässigen Gewährung einer<br />

Fristverlängerung an die Gegenpartei?<br />

Nein<br />

Was gilt hinsichtlich der Rekursfrist in BS?<br />

Allgemein, was ZPO BS 81 III für Verfügungen über die Zulassung <strong>von</strong> Noveneingaben<br />

bestimmt: Der Rekurs ist innert der Frist <strong>von</strong> ZPO BS 76, d.h. bis zum Ablauf des dritten<br />

Tages vor der Hauptverhandlung zu erklären. Erst nach diesem Zeitpunkt ergangene<br />

prozessuale Verfügungen können bis zum Beginn der Hauptverhandlung angefochten<br />

werden.<br />

Was ist in BL das entsprechende Rechtsmittel zum BS Rekurs?<br />

BL kennt kein entsprechendes Rechtsmittel. Sofern keine direkte Beschwerde möglich<br />

ist, ist der Mangel mit dem Endentscheid anzufechten und zwar unter den allgemeinen<br />

Voraussetzungen mittels Appellation oder Beschwerde.<br />

An wen ist in BS der „Rekurs“ gegen Verfügungen des Eheschutzrichters und des<br />

Instruktionsrichters im Scheidungsprozess zu richten?<br />

An die Kammer des Zivilgerichts<br />

66


Obwohl das Rechtsmittel in der Praxis „Rekurs“ genannt wird, ist es weder dem<br />

Rekurs im Sinne <strong>von</strong> BS ZPO 82a noch der Beschwerde <strong>von</strong> BS ZPO<br />

gleichzusetzen. Um was für ein Rechtsmittel handelt es sich also?<br />

RM sui generis, das<br />

devolutiv<br />

vollkommen<br />

reformatorisch<br />

nicht suspensiv<br />

ist.<br />

Im Ggs. zu BL (ZPO BL 11 III lit. a) erwähnt die BS ZPO die Aufsichts- oder<br />

Dienstbeschwerde (Disziplinarbeschwerde) nicht. Dennoch existiert sie. Wo ist die<br />

geregelt?<br />

Im Gerichtsorganisationsgesetz<br />

Wer übt in BS, wer in BL die Aufsicht über die unteren Dienststellen aus?<br />

BS: Appellationsgericht als Gesamtbehörde<br />

BL: Obergericht<br />

Was ist die Aufsichtsbeschwerde?<br />

Das gesetzliche Mittel, die obere kantonale Instanz auf einen rechtswidrigen Zustand<br />

oder ein pflichtwidriges Verhalten unterer Instanzen aufmerksam zu machen, welches<br />

das Eingreifen der Aufsichtsinstanz erfordert.<br />

Ist die Aufsichtsbeschwerde eher ein verwaltungsrechtliches oder zivilrechtliches<br />

Rechtsinstitut?<br />

Verwaltungsrechtliches<br />

Wo liegt der klassische Anwendungsbereich der Aufsichtsbeschwerde?<br />

In der Justizverwaltung (Wahlen, Geschäftsverteilung, Kassawesen etc.). Sie dient<br />

weiter dem Zweck, allfälligem ungebührlichem Verhalten <strong>von</strong> Richtern gegenüber den<br />

Parteien, Zeugen und Sachverständigen Einhalt zu gebieten und schliesslich dient die<br />

Aufsichtsbeschwerde auch als Rechtsbehelf gegen Rechtsverweigerung und<br />

Rechtsverzögerung.<br />

Wie stark muss ein Rechtsschutzinteresse sein, um für eine Aufsichtsbeschwerde<br />

legitimiert zu sein?<br />

Jedermann ist – auch ohne Nachweis eines Rechtsschutzinteresses – legitimiert.<br />

Wann liegt eine Rechtsverweigerung vor?<br />

Wenn der Richter sich weigert, eine Amtshandlung vorzunehmen, zu der er gesetzlich<br />

verpflichtet ist.<br />

Nenne ein Beispiel, bei dem Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung nicht<br />

nur durch blosse richterliche Unterlassung, sondern durch eine positive<br />

Anordnung des Richters bewirkt wird!<br />

67


Wenn der Richter zu Unrecht eine Sistierungsverfügung erlässt und das Verfahren damit<br />

ungerechtfertigt zum Stillstand kommt oder wenn der Gegenpartei unzulässige<br />

Fristerstreckung gewährt werden.<br />

Wann lässt das Appellationsgericht BS die Aufsichtsbeschwerde wegen<br />

Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung zu?<br />

Wenn kein anderes Rechtsmittel offen steht.<br />

§ 22 Bundesrechtliche Rechtsmittel<br />

Das Bundesrecht stellt den Parteien im OG verschiedene Rechtsmittel zur<br />

Verfügung. Diese lassen sich in welche zwei Gruppen einteilen?<br />

Rechtsmittel, welche der Überprüfung <strong>von</strong> kantonalen Entscheiden durch das<br />

Bundesgericht dienen<br />

Rechtsmittel, welche eine Kontrolle <strong>von</strong> bundesgerichtlichen Urteilen durch das BGer<br />

selbst bezwecken.<br />

Welche Rechtsmittel gehören zur ersten Gruppe?<br />

Zivilrechtliche Berufung<br />

Zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde<br />

StaBe<br />

Was ist diesen Rechtsmitteln gemeinsam?<br />

Dass sie eine Überprüfung des kantonalen Entscheides im Hinblick auf dessen<br />

Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht ermöglichen. Sie dienen somit der Durchsetzung der<br />

derogatorischen Kraft des Bundesrechts.<br />

Welche Rechtsmittel gehören zur zweiten Gruppe?<br />

Revision<br />

Erläuterung<br />

Bei wem kann wegen mangelhafter Vollziehung <strong>von</strong> bundesgerichtlichen Urteilen<br />

Beschwerde erhoben werden?<br />

Beim Bundesrat (OG 39 II)<br />

Welches ist <strong>von</strong> der praktischen Bedeutung her das wichtigste bundesrechtliche<br />

Rechtsmittel in Zivilsachen?<br />

Die zivilrechtliche Berufung (OG 43-67).<br />

Kommt der zivilrechtlichen Berufung Suspensiveffekt zu?<br />

Ja<br />

Ist die zivilrechtliche Berufung ein ordentliches und vollkommenes Rechtsmittel?<br />

Ordentlich, aber nur beschränkt vollkommen, weil das BGer den kantonalen Entscheid<br />

nur in rechtlicher Hinsicht frei überprüfen kann (OG 43 II und IV, 63 I und III).<br />

68


Heisst das, dass das BGer an die Sachverhaltsfeststellung der kantonalen Instanz<br />

immer gebunden ist?<br />

Nein, nicht immer sondern nur grundsätzlich. Wenn die Sachverhaltsfeststellung unter<br />

Verletzung <strong>von</strong> bundesrechtlichen Beweisvorschriften erfolgt kann das BGer prüfen (OG<br />

43 III, 55 I lit. c, 63 II).<br />

Kann der Berufungskläger mit der Berufung auch die Verletzung <strong>von</strong> kantonalem<br />

Recht geltend machen?<br />

Nein, nur die Verletzung <strong>von</strong> Bundesrecht (einschliesslich der durch den Bund<br />

abgeschlossenen Staatsverträge).<br />

Wer ist zur Berufung berechtigt?<br />

Hauptparteien<br />

Nebenparteien, sofern ihnen nach kantonalem Prozessrecht Parteirechte zukommen<br />

und sie vor der letzten kantonalen Instanz am Prozess teilgenommen haben.<br />

Wann liegt die Verletzung <strong>von</strong> Bundesrecht vor?<br />

Wenn ein in einer eidgenössischen Vorschrift ausdrücklich ausgesprochener oder<br />

daraus sich ergebender Rechtssatz nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.<br />

Falsche Auslegung und unrichtige Anwendung<br />

Anwendung <strong>von</strong> kantonalem statt Bundesrecht und umgekehrt<br />

Wozu dient die Tatfrage?<br />

Die Feststellung über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein <strong>von</strong> rechtlich<br />

relevanten Tatsachen<br />

Wozu dient die Rechtsfrage?<br />

Die Feststellung ob die Rechtssätze richtig ausgelegt und angewendet wurden.<br />

Mit welchem Rechtsmittel müssen nicht streitige Zivilsachen angefochten<br />

werden?<br />

Zivilrechtlicher Nichtigkeitsbeschwerde<br />

Bedarf die Zulässigkeit der Berufung bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten<br />

einer gewissen Berufungssumme?<br />

Grundsätzlich ja, und zwar nur wenn der Streitwert (zur Berechnung siehe OG 36) nach<br />

Massgabe der Rechtsbegehren wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig<br />

waren, wenigstens CHF 8000.- beträgt (OG 46 f.): Nur in gesetzlich vorgesehenen<br />

Ausnahmefällen (OG 45) ist die Berufung in vermögensrechtlichen Zivilsachen auch<br />

ohne Vorliegen der Berufungssumme zulässig.<br />

Können auch Zwischenentscheide mittels Berufung angefochten werden?<br />

Nein, grundsätzlich nur Endentscheide (OG 48 I vgl. aber auch OG 49 für<br />

Berufungsfähige selbständige Vor- und Zwischenentscheide).<br />

Wann liegt ein Endentscheid im Sinne eines endgültigen Entscheids vor?<br />

Wenn durch ihn der mittels Klage geltend gemachte Anspruch endgültig abgewiesen<br />

oder zugesprochen wird<br />

69


Grundsätzlich können ja nur Endentscheide mittels der zivilrechtlichen Berufung<br />

angefochten werden. Was ist aber, wenn ein Teilurteil ein Endurteil darstellt?<br />

In diesem Fall kann dagegen ebenfalls Berufung geführt werden, sofern die Streitsache,<br />

über die entschieden worden ist, zum Gegenstand eines besonderen Verfahrens hätte<br />

gemacht werden können und für die Entscheidung über die restlichen Ansprüche<br />

präjudiziell ist.<br />

Innert welcher Frist ist die zivilrechtliche Berufung geltend zu machen?<br />

Innert 30 Tagen, vom Eingang der schriftlichen Mitteilung des Entscheides an<br />

gerechnet.<br />

Wo ist die zivilrechtliche Berufung einzureichen?<br />

Beim iudex a quo.<br />

Was kann der Berufungsbeklagte tun?<br />

Er kann Anschlussberufung erheben, indem er eigene Änderungsanträge gegen den<br />

Berufungskläger stellt. Wird auf die Berufung nicht eingetreten etc. so fällt die<br />

Anschlussberufung dahin.<br />

Was ist die zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde?<br />

Die zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde ist ein devolutives, nicht suspendierendes<br />

unvollkommenes Rechtsmittel des Bundes.<br />

Was sind die zulässigen Beschwerdegründe?<br />

Diese sind in Art. 68 OG abschliessend aufgezählt.<br />

Gegen welche Urteile kann die zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde geführt<br />

werden?<br />

Nur gegen letztinstanzliche kantonale Urteile. Wenn noch ein ordentliches kantonales<br />

Rechtsmittel zur Verfügung steht, ist die zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde<br />

ausgeschlossen.<br />

Wie lange ist die Rechtsmittelfrist bei der Nichtigkeitsbeschwerde?<br />

30 Tage. Sie beginnt mit der Eröffnung des kantonalen Entscheides.<br />

Kann die Vollstreckung des angefochtenen Urteils aufgeschoben werden?<br />

Ja, es braucht jedoch einen entsprechenden Parteiantrag.<br />

Ist das Urteil dann i.d.R. kassatorisch oder reformatorisch?<br />

Grundsätzlich kassatorisch, eine Ausnahme ist eine Entscheidung über die<br />

Zuständigkeit im Falle <strong>von</strong> OG 68 Abs. 1 lit. e.<br />

Nenne das Wesen der staBe:<br />

Die staatsrechtliche Beschwerde ist ein ausserordentliches kassatorisches Rechtsmittel<br />

ohne Suspensiveffekt.<br />

Welche Beschwerdegründe kommen in Betracht?<br />

70


Die Beschwerdegründe sind in OG 84 geregelt.<br />

In Betracht kommt die Verletzung <strong>von</strong> verfassungsmässigen Freiheitsrechten, die<br />

Verletzung <strong>von</strong> Konkordaten, die Verletzung <strong>von</strong> Staatsverträgen und die Verletzung<br />

bundesrechtliches Vorschriften über die Abgrenzung über die sachliche und örtliche<br />

Zuständigkeit der Behörden.<br />

Wann liegt ein letztinstanzliches kantonales Urteil im Sinne der staBe vor?<br />

Wenn gegen ein letztinstanzliches Urteil kein ordentliches oder ausserordentliches<br />

kantonales Rechtsmittel mehr zulässig ist.<br />

Sind auch Zwischenentscheide mit der staBe überprüfbar?<br />

Nein, denn diese bringen das kantonale Verfahren nicht zum Abschluss.<br />

Wie lange ist die Beschwerdefrist?<br />

30 Tage seit der Eröffnung des kantonalen Urteils.<br />

Wo ist die staBe einzureichen?<br />

direkt beim Bundesgericht.<br />

Welche Revisionsgründe gibt es beim Bund?<br />

Dieselben wie bei der kantonalen Revision:<br />

Einwirkung durch strafbare Handlung und auffinden neuer Tatsachen oder Beweise<br />

unverschuldetermassen<br />

Und schwerwiegende Verfahrensmängel<br />

Wie sind die Revisionsfristen auf Bundesebene?<br />

Bei Verfahrensmängeln muss das Revisionsgesuch innert 30 Tagen eingereicht werden,<br />

vom Eingang der schriftlichen Ausfertigung des Entscheids an gerechnet, bei neuen<br />

Tatsachen innert 90 Tagen seit Entdeckung des Revisionsgrundes (absolut 10 Jahren).<br />

Nach 10 Jahren kann das Revisionsgesuch nur noch wegen Verbrechen oder Vergehen<br />

eingereicht werden.<br />

Was gilt bei der Erläuterung auf Bundesebene?<br />

Es gelten die gleichen Voraussetzungen wie auf kantonaler Ebene (vorliegen eines<br />

Kanzleifehlers etc.). Der einzige Unterschied ist, dass ein schriftliches Gesuch einer<br />

Partei erforderlich ist und das Gericht nicht <strong>von</strong> sich selbst auf handelt.<br />

§ 23 Vorsorgliche Verfügung<br />

Wie wird die vorsorgliche Verfügung auch noch genannt?<br />

Provisorische Verfügung oder einstweilige Massnahme<br />

Was für Zwecken dient die vorsorgliche Verfügung?<br />

Dem angeblich anspruchsberechtigten schon vor dem rechtskräftigen Urteil, nötigenfalls<br />

schon vor Klageeinreichung, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren (Sicherung).<br />

71


Dient auch der Regelung bestimmter vom Prozess nur mittelbar berührter<br />

Rechtsverhältnisse für die Dauer des Prozesses im Sinne einer vorläufigen<br />

Friedensordnung (Regelung).<br />

Fallen unter die vorsorglichen Verfügungen auch definitive richterliche<br />

Entscheide über einen streitigen Anspruch?<br />

Nein, auch wenn ihnen ein sichernder oder regelnder Charakter zukommt und oft nur<br />

summarisch und ohne erschöpfende Abklärung des Sachverhalts entschieden wird.<br />

Nenne die lateinischen Begriffe für Besitzesstreit und Rechtsstreit!<br />

possessorium und petitorium<br />

Nenne einige Institute des Bundesrechts, welche trotz der Sicherung oder der<br />

vorläufigen Vollstreckung streitiger Geldforderungen keine vorsorglichen<br />

Massnahmen darstellen!<br />

Behelfe des SchKG<br />

Vorläufige Hinterlegung oder Zahlung <strong>von</strong> Kinderalimenten (ZGB 281-283)<br />

Anweisung an den Drittschuldner des Alimentenschuldners nach ZGB 177 und 291.<br />

Beschränkung der Verfügungsbefugnis nach ZGB 178, soweit sie der Sicherung einer<br />

Geldforderung des Ehegatten gegen den anderen aus der ehelichen Gemeinschaft<br />

dienen.<br />

Gehört die Sicherstellung gefährdeter Beweise schon vor dem Prozess<br />

(Zeugeneinvernahmen...) auch zu den einstweiligen Massnahmen?<br />

Nein, es geht hier einzig um die vorsorgliche Feststellung <strong>von</strong> Tatsachen und nicht um<br />

den vorläufigen Schutz des behaupteten Rechts.<br />

Nenne einige Beispiele <strong>von</strong> auf Bundesebene geregelten vorsorglichen<br />

Massnahmen!<br />

Im Persönlichkeitsschutz: ZGB 28c<br />

Bei der Erbschaftsklage: ZGB 598<br />

Vorläufige Eintragung zur Sicherung behaupteter dinglichen Rechte: ZGB 961 I Ziff. 1<br />

Klagen aus unlauterem Wettbewerb: UWG 14<br />

Immaterialgüterrecht: MMG 28, MSchG 31, URG 52, PatG 43, Sortenschutzgesetz<br />

Kartellrecht: KG 13<br />

In welchen zwei Bereichen ist ausschliesslich Bundesrecht massgebend?<br />

Bei den vom Prozess nur unmittelbar berührten Dauerrechtsverhältnissen (da es eine<br />

Frage des Zivilrechts darstellt, inwiefern die Rechte und Pflichten der beteiligten<br />

Personen durch den Rechtsstreit gewisse Änderungen erfahren. Nur das Bundesrecht<br />

kann für die Prozessdauer subjektive Privatrechte zu- oder aberkennen.)<br />

Die Sicherung streitiger Geldforderungen, da sie in den Bereich des SchKG fällt.<br />

Können aufgrund des kantonalen Rechts, vorsorgliche Verfügungen vor dem<br />

Prozess erlassen werden, wenn das Bundesrecht zwar auf demselben Gebiet<br />

schon Bestimmungen über die vorsorglichen Verfügungen enthält, jedoch nur für<br />

die Phase nach Klageeinreichung?<br />

Ja.<br />

72


Nenne die Voraussetzungen für die Zulässigkeit <strong>von</strong> vorsorglichen Massnahmen!<br />

Zivilrechtlicher Anspruch der Rechtsschutz bedarf<br />

Verletzung oder drohende Verletzung des Anspruchs durch den Gesuchsgegner<br />

Drohender Nachteil (materiell oder immateriell)<br />

Dringlichkeit<br />

Verhältnismässigkeit<br />

Gibt es Fälle, in denen ausnahmsweise eine vorsorgliche Verfügung ohne<br />

vorherige Anhörung der Gegenpartei erlassen werden kann?<br />

Ja, wenn eine besondere zeitliche Dringlichkeit besteht. Man spricht <strong>von</strong> sog.<br />

superprovisorischen oder vorvorsorglichen Verfügungen (ZPO BS 260 II Satz 3)<br />

Was heisst, dass die vorsorgliche Verfügung verhältnismässig sein muss?<br />

Sie darf nicht weitergehen, als zum vorläufigen Schutz des behaupteten Anspruchs<br />

notwendig ist.<br />

In welche Massnahmen lassen sich die vorsorglichen Verfügungen unterteilen?<br />

Sicherungsmassnahmen<br />

Leistungsmassnahmen<br />

Regelungsmassnahmen<br />

Was für eine Funktion haben Sicherungsmassnahmen?<br />

Sicherung der Vollstreckung des streitigen Anspruchs, z.B. Verbot über den<br />

Streitgegenstand zu verfügen oder Verbot an die Aktiengesellschaft den angefochtenen<br />

GV-Beschluss zu vollziehen.<br />

Was für eine Funktion haben Leistungsmassnahmen?<br />

Sie führen zur vorläufigen Vollstreckung des behaupteten Rechts.<br />

Wieso sind bei den Leistungsmassnahmen eine besondere Zurückhaltung und<br />

strenge Anforderungen an die Erfordernisse der Dringlichkeit und<br />

Verhältnismässigkeit geboten?<br />

Weil sie einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Gesuchsgegners darstellen<br />

und oft nicht rückgängig gemacht werden können.<br />

Welchem Zweck dienen die Regelungsmassnahmen?<br />

Der vorläufigen Regelung eines Dauerrechtsverhältnisses, das vom Prozess nur<br />

unmittelbar berührt ist. Hier ist allein Bundesrecht massgebend.<br />

Gegen wen richtet sich die Verfügung immer?<br />

Gegen den Gesuchsbeklagten<br />

Wer ist der Gesuchsgegner, wenn der Kläger vorsorglich den Besitz an den <strong>von</strong><br />

ihm beanspruchten Wertschriften verschaffen will; die Bank oder der<br />

Depotinhaber?<br />

Die Bank, da er in deren Rechtsstellung eingreifen will.<br />

73


Gegen wen hat der Gesuchskläger seine Klage zu richten, wenn er einer Bank<br />

verbieten lassen will, aufgrund einer Bankgarantie Zahlungen an einen Dritten<br />

vorzunehmen?<br />

Gegen die Bank und den Dritten; denn er greift in die Rechtsstellung beider ein.<br />

Wer ist für den Erlass einer vorsorglichen Verfügung zuständig?<br />

Der für den Hauptprozess zuständige Richter<br />

Wer ist in BS und BL vor und nach Klageeinreichung sachlich zuständig?<br />

Vor: Der Einzelrichter<br />

Nach: Der Verfahrensleitende Präsident (BS: Instruktionsrichter, BL:<br />

Bezirksgerichtspräsident)<br />

Wie ist die Art des Verfahrens und warum?<br />

Summarisch, da die Dringlichkeit der Sache einen raschen Entscheid verlangt.<br />

Wie ist die Form des Gesuchs?<br />

BS und BL kann das Gesuch mündlich oder schriftlich gestellt werden.<br />

Was gilt bezüglich des Beweismasses?<br />

Der Gesuchssteller muss sein Gesuch nur Glaubhaft machen (Glaubhaftmachen ist<br />

mehr als Behaupten und weniger als Beweisen)<br />

Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs muss dem Gesuchsgegner was für eine<br />

Gelegenheit geboten werden?<br />

Sich zum Gesuch mündlich in einer Verhandlung oder schriftlich zu äussern.<br />

Da die vorsorgliche Verfügung nur vorläufigen Rechtsschutz gewährt, ist der<br />

Gesuchssteller bei Sicherungs- und Leistungsmassnahmen, die er schon vor<br />

Beginn des Prozesses erlangt gehalten, seinen behaupteten Anspruch<br />

einzuklagen. Zu diesem Behuf setzt ihm der Richter beim Erlass der vorsorglichen<br />

Verfügung eine Frist zur Anhebung der Klage. Wie nennt sich diese?<br />

Prosekutionsfrist, Rechtsverfolgungsfrist (ZPO BS 261, ZPO BL 244)<br />

Was passiert, wenn die Prosekutionsfrist unbenützt bleibt?<br />

Die vorsorgliche Massnahme fällt dahin (ZPO BS 261 II, ZPO BL 244)<br />

Wenn sich nach einer Leistungsmassnahme der Anspruch als unberechtigt<br />

herausstellt, die Rückgewähr aber nicht mehr möglich ist, kann der<br />

Gesuchsgegner was unternehmen?<br />

Schadenersatzklage wegen ungerechtfertigter vorsorglicher Verfügung mit dem Urteil<br />

des Prosekutionsprozesses als Grundlage.<br />

Wie ist die Situation rechtlich zu beurteilen, wenn die provisorische Verfügung<br />

sich nachträglich als ungerechtfertigt erweist?<br />

Dann ist der Gesuchsteller für den Schaden haftbar.<br />

Handelt es sich hierbei um einen gewöhnlichen Schadenersatzanspruch?<br />

74


Nein, es handelt sich nicht um eine materiell-rechtlichen, sondern um eine prozessuale<br />

Schadenersatzpflicht.<br />

Wie ist diese Haftung ausgebildet?<br />

Diese Haftung ist als Kausalhaftung ausgebildet, ein Verschulden ist also nicht<br />

vorausgesetzt.<br />

Was kann der Richter in Zürich jedoch bei fehlendem Verschulden des<br />

Gesuchstellers machen?<br />

In Zürich kann der Richter die Schadenersatzpflicht ermässigen oder gänzlich<br />

verneinen.<br />

Besteht daneben noch eine weitere Anspruchsgrundlage?<br />

Ja, daneben haftet der Gesuchsteller noch aus unerlaubter Handlung, also aus Art. 41<br />

ff. OR sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.<br />

Was kann der Richter zur Sicherung des Schadenersatzanspruches verfügen?<br />

Der Gesuchsteller kann vom Richter die Leistung <strong>von</strong> Sicherheiten verlangen und die<br />

vorsorgliche Verfügung <strong>von</strong> der Sicherheitsleistung abhängig machen.<br />

Ist für das Verlangen <strong>von</strong> Sicherungsleistungen ein Antrag der anderen Partei<br />

nötig?<br />

In BS und BL kann der Richter die Sicherheitsleistung sogar ex officio verlangen, was<br />

aber höchstens beim Erlass einer superprovisorischen Verfügung als zweckmässig<br />

erscheint.<br />

Wann kann der Gesuchgegner noch nachträglich um Sicherheitsleistung<br />

ersuchen?<br />

Wenn sich der Gesuchsgegner hierfür auf echte oder unechte Noven berufen kann.<br />

Wie hoch ist die Sicherheitsleistung?<br />

Die Sicherheitsleistung muss sowohl den zu erwartenden Schaden, als auch die<br />

Prozesskosten voll decken.<br />

Wann ist in BL die Sicherheitsleistung ausgeschlossen?<br />

Wenn die „Habhaftigkeit“ des Gesuchstellers ausser Zweifel steht.<br />

Wie lange dauert die vorsorgliche Verfügung?<br />

Sie fällt mit der rechtskräftigen Beendigung des Prozesses dahin. Weitere Gründe sind<br />

die fehlende Sicherheitsleistung, Missachtung der Prosekutionsfrist und ein Verzicht des<br />

Gesuchstellers.<br />

§ 24 Schiedsgerichtsbarkeit<br />

Was sind Schiedsgerichte?<br />

75


Schiedsgerichte sind private Gerichte, die im Einverständnis der Parteien an Stelle der<br />

staatlichen Gerichte zur Entscheidung eines zivilrechtlichen Rechtsstreits berufen sind.<br />

Was sind eventuelle Vor- und was sind die Nachteile?<br />

Ein Vorteil ist erstens, dass Fachkundige Personen als Richter bestellt werden können.<br />

Ein weiterer Vorteil ist, dass der Prozess und der Ausgang vor der Öffentlichkeit geheim<br />

gehalten werden kann und drittens, dass ein beschleunigtes Verfahren angewandt<br />

werden kann.<br />

Die gewichtigsten Nachteile sind die Verfahrenskosten und die Tatsache, dass gegen<br />

Schiedsurteile keine ordentlichen Rechtsmittel erhoben werden können.<br />

Was sind die beiden wichtigen Rechtsquellen für die Schiedsgerichtsbarkeit in<br />

der Schweiz?<br />

Das ist zum einen das Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit (KSG) und zum<br />

anderen das IPRG.<br />

Wann sind Schiedsgerichte international?<br />

Immer dann, wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarung<br />

wenigstens eine Partei ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ausserhalb der<br />

Schweiz hatte.<br />

In welchen Fällen ist eine Mitwirkung eines staatlichen Richters notwendig?<br />

Erstens in solchen Fällen, in denen das Schiedsgericht <strong>von</strong> den streitenden Parteien<br />

blockiert wird, und zweitens, bei Funktionen, die der Staat wegen ihres hoheitlichen<br />

Charakters seinen eigenen Organen vorbehalten möchte (z.B. bei<br />

Beweismassnahmen).<br />

Wer ist für diese Mitwirkung örtlich Zuständig?<br />

Der Richter am Sitz des Schiedsgerichts.<br />

Über welche Rechtsverhältnisse ist ein Schiedsverfahren überhaupt nur zulässig?<br />

Über solche, über welche die Parteien frei disponieren können.<br />

Wie nennt man eine Schiedsabrede, die eine bereits bestehende Streitigkeit einem<br />

Schiedsgericht unterbreitet?<br />

Diese Abrede nennt man Schiedsvertrag.<br />

Wie nennt man hingegen eine Schiedsabrede, die eine zukünftige Streitigkeit an<br />

ein Schiedsgericht verweist?<br />

Diese Vereinbarung wird Schiedsklausel genannt.<br />

Bedarf die Schiedsabrede einer bestimmten Form?<br />

Ja, sie bedarf der Schriftlichkeit. Zumindest muss auf eine <strong>von</strong> beiden Parteien<br />

unterzeichnete Schiedsabrede ausdrücklich verwiesen werden.<br />

Sind zur Auslegung des Schiedsvertrages die allgemeinen Bestimmungen des OR<br />

anwendbar?<br />

Höchstens analog, da es sich um einen Vertrag des Prozessrechts handelt.<br />

76


Wenn in einem internationalen Verhältnis unterschiedliche<br />

Gültigkeitsvoraussetzungen bestehen, welche gelten dann?<br />

Nach dem Grundsatz „in favorem validitas“ ist die Schiedsabrede gültig, wenn sie dem<br />

günstigsten Recht entspricht.<br />

Wie sehr hängt das Schicksal der Schiedsabrede vom Schicksal des<br />

Hauptvertrages ab?<br />

Gar nicht. Es gilt die sog. Separability Doctrine.<br />

Wie werden die Schiedsrichter bestellt?<br />

In der Regel wird ein 3er Gericht bestellt. Die Parteien bestimmen je einen Richter,<br />

welche dann zusammen den Vorsitzenden, den sog. Obmann, bestimmen.<br />

Wie nennt man den Vertrag zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern?<br />

Diesen Vertrag nennt man Schiedsrichtervertrag (receptum arbitri).<br />

Wann ist ein Schiedsverfahren hängig?<br />

Sobald eine Partei einen bezeichneten Schiedsrichter anruft oder das vereinbarte<br />

Verfahren zur Bildung des Schiedsgerichtes einleitet. Ist kein Verfahren vereinbart<br />

worden, so beginnt die Rechtshängigkeit in dem Zeitpunkt, in dem der Richter um<br />

Ernennung der Schiedsrichter angegangen wird.<br />

Wer entscheidet über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, also über die<br />

Gültigkeit der Schiedsabrede etc.?<br />

Nach der sog. Kompetenz-Kompetenz entscheidet das Schiedsgericht selbst über seine<br />

Zuständigkeit. Es kann auch ein provisorisches Urteil fällen und sich die materiellen<br />

Begehren anhören.<br />

Wann darf ein Schiedsrichter abgelehnt werden?<br />

Wenn er die üblichen Voraussetzungen an einen Richter nicht erfüllt, z.B.<br />

Unabhängigkeit.<br />

Wie läuft das Verfahren eines Schiedsgerichtes ab?<br />

Das Verfahren richtet sich nach der Vereinbarung der Parteien. Es kann auf eine<br />

beliebige Schiedsgerichtsordnung verwiesen werden. Subsidiär gilt die<br />

Bundeszivilprozessordnung.<br />

Wie nennt man einen Billigkeitsentscheid noch und ist dieser im<br />

Schiedsverfahren möglich?<br />

Dieser Entscheid wird amiable composition oder iudicium ex bono ex aequo genannt.<br />

Die Parteien können nämlich das staatliche materielle Recht ausschliessen.<br />

Was hat das Schiedsgericht ohne entgegenstehende Vereinbarung nach dem<br />

Schiedsspruch zu tun?<br />

Das Schiedsgericht muss dann den schriftlichen Schiedsspruch beim staatlichen Richter<br />

hinterlegen. Dieser hat dann den Entscheid den Parteien zuzustellen.<br />

77


Gibt es auch bei Schiedssprüchen die Möglichkeit, Rechtsmittel zu ergreifen?<br />

Ja, die Beschwerde, jedoch keine ordentlichen Rechtsmittel.<br />

Wo werden die Rechtmittel wesentlich eingeschränkter zugelassen; im<br />

internationalen Schiedsverfahren, oder im Konkordatsrecht?<br />

Im internationalen Schiedsverfahren<br />

Kann in der nationalen Schiedsgerichtsbarkeit auf das Recht zur Beschwerde zum<br />

Voraus verzichtet werden?<br />

Nein, der Verzicht ist unbeachtlich.<br />

Wann ist in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ein Rechtsmittelverzicht<br />

zulässig?<br />

Wenn das Schiedsgericht keine Binnenbeziehung zur Schweiz besitzt, d.h. wenn keine<br />

Partei Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Niederlassung in der CH hat (IPRG<br />

192).<br />

Welches ist bei den nationalen Schiedsgerichten die erste Beschwerdeinstanz?<br />

Das obere ordentliche kantonale Zivilgericht desjenigen Kantons, in dem sich der Sitz<br />

des Schiedsgerichts befindet.<br />

Welches wäre das in BS und BL?<br />

Appellationsgericht und Kantonsgericht<br />

Welches ist bei den internationalen Schiedsgerichten die Beschwerdeinstanz?<br />

Das BGer im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde (OG 85 BSt. C) oder wenn es<br />

die Parteien so vereinbarten, der kantonale Richter (BS:Appellationsgericht)am Sitz des<br />

Schiedsgerichts, als einzige Beschwerdeinstanz (IPRG 191).<br />

Was ist die Beschwerdefrist?<br />

30 Tagen. Sie hat keine aufschiebende Wirkung, solange ihr dieselbe nicht vom<br />

Verfahrensleiter zuerkannt wird (KSG 37/38; IPRG 191 i.V.m. OG 89/94).<br />

In welche zwei Obergruppen teilen sich die Beschwerdegründe auf?<br />

Formellen Beschwerdegründe und materielle Beschwerdegründe<br />

Welche 5 formellen Beschwerdegründe können sowohl gegen Entscheide<br />

nationaler wie internationaler Schiedsgerichte vorgebracht werden?<br />

Schiedsgericht sei nicht ordnungsgemäss zusammengesetzt gewesen (KSG 36 Bst. A;<br />

IPRG 190 II Bst. 1)<br />

Schiedsgericht habe sich zu Unrecht für zuständig oder unzuständig erklärt (KSG 36<br />

Bst. b; IPRG 190 II Bst. b)<br />

Schiedsgericht haben über Streitpunkte entschieden, die ihm nicht unterbreitet wurden<br />

oder es habe Rechtsbegehren unbeurteilt gelassen (KSG 36 Bst. c; IPRG 190 II Bst. c)<br />

Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien oder der Grundsatz des rechtlichen<br />

Gehörs sei verletzt worden (KSG 36 Bst. d i.V.m. 25; IPRG 190 Bst. 2 d)<br />

78


Schiedsgericht habe in Verletzung der Dispositionsmaxime mehr oder etwas anderes<br />

zugesprochen, als der Kläger verlangt hat (KSG 36 Bst. a, gilt auch in der<br />

internationalen Schiedsgerichtsbarkeit).<br />

Welcher der beiden Punkte kann auch im internationalen Schiedsverfahren gerügt<br />

werden; das Schiedsgericht habe nach Ablauf seiner vertraglich vereinbarten<br />

Amtsdauer entschieden (KSG 36 Bst. g) oder es seien die formellen Vorschriften<br />

über den Inhalt des Schiedsspruches nicht eingehalten worden (KSG 36 Bst. h)?<br />

Keiner.<br />

Was kann bei nationalen Schiedsverfahren in materieller Hinsicht gerügt werden?<br />

Der Entschied sei willkürlich (KSG 36 Bst. f)<br />

Ist im internationalen Verfahren die Rüge wegen Willkür auch zulässig?<br />

Nein, nur die Rüge, der Entscheid verletze den ordre public (engerer Begriff)<br />

Wann ist die Verletzung des ordre public der Fall?<br />

Dies ist nur dann der Fall, wenn fundamentale Rechtsgrundsätze verletzt werden und<br />

der Entscheid mit der schweizerischen Rechts- und Wertordnung schlechthin<br />

unvereinbar ist.<br />

Was gehört zu diesen Grundsätzen?<br />

Pacta sunt servanda<br />

Rechtsmissbrauchsverbot<br />

Treu und Glauben<br />

Verbot der entschädigungslosen Enteignung<br />

Diskriminierungsverbot<br />

Schutz der Handlungsunfähigen<br />

Kann gegen Entscheide des oberen kantonalen Gerichts bei nationalen<br />

Schiedsgerichten StaBe an das BGer ergriffen werden?<br />

Ja.<br />

Wo wird bestimmt, dass bis maximal 5 Jahre seit der Zustellung des<br />

Schiedsspruches dessen Revision verlangt werden kann?<br />

KSG 41f.<br />

Wo findet sich diese Bestimmung im IPRG?<br />

Gar nirgends. Da die Möglichkeit einer Revision zu den fundamentalen Grundsätzen<br />

jeder rechtsstaatlichen Zivilprozessordnung gezählt werden muss, ist hier eine echte<br />

Lücke anzunehmen und in Analogie zu KSG 45 zu schliessen.<br />

Wem obliegt die Vollstreckung des Schiedsspruches?<br />

Den staatlichen Behörden. Diese vollstrecken Schiedssprüche wie Urteile staatlicher<br />

Gerichte.<br />

Wer stellt die für die Vollstreckung notwendige Rechtskraftbescheinigung aus?<br />

79


Der staatliche Richter am Sitz des Schiedsgerichts (KSG 44, IPRG 193 II). Die<br />

Vollstreckbarkeit kann jedoch auch auf andere Weise nachgewiesen werden.<br />

Eine derartige Vollstreckbarkeitsbescheinigung bindet die Vollstreckungsorgane<br />

höchstens wann?<br />

Wenn sie im gleichen Kanton erlassen wurden. Bei der Vollstreckung <strong>von</strong><br />

Entscheidungen nationaler Schiedsgerichte in einem anderen Kanton können dagegen<br />

immer noch die in SchKG 81 II, resp. Art. 6 des Konkordates über die Vollstreckung <strong>von</strong><br />

Zivilurteilen aufgeführten Einwände geltend gemacht werden.<br />

Was ist eine weitere Voraussetzung der Vollstreckbarkeit?<br />

Dass der Schiedsspruch den Parteien zugestellt worden ist, wobei in der<br />

Binnenschiedsgerichtsbarkeit, nicht aber in der internationalen, zu beachten ist, dass<br />

eine Zustellung durch das Schiedsgericht selber nur gültig ist, wenn die Parteien auf die<br />

Zustellung durch das staatliche Gericht verzichtet haben (KSG 35 Abs. 5)<br />

Nach was richtet sich die Vollstreckbarkeit ausländischer Schiedssprüche, d.h.<br />

<strong>von</strong> Urteilen <strong>von</strong> Schiedsgerichten, die ihren Sitz nicht in der Schweiz haben?<br />

Gemäss IPRG 194 nach dem Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung<br />

ausländischer Schiedssprüche (New Yorker Konvention).<br />

§ 25 Kantonale Zwangsvollstreckung<br />

Wozu dient die kantonale Zwangsvollstreckung?<br />

Der zwangsweisen Durchsetzung der durch Sachurteil als rechtsmässig anerkannten,<br />

teilweise auch freiwillig anerkannten Ansprüche.<br />

Welches Recht regelt die Vollstreckung <strong>von</strong> Geldansprüchen oder<br />

Sicherheitsleistungen?<br />

SchKG<br />

Was für ein Begriff hat sich für die sonstigen, auch durch die Kantone regelbaren,<br />

Ansprüche durchgesetzt?<br />

Realexekution.<br />

Was fällt alles unter die Realexekution?<br />

Ansprüche auf Sachleistung (einschliesslich Leistung <strong>von</strong> ausländischer Währung, die<br />

aufgrund einer Effektivklausel nicht in schweizerische Währung umgerechnet werden<br />

darf)<br />

Ansprüche auf Handlung, Duldung und Unterlassung<br />

Die Gestaltungsurteile sind keiner Vollstreckung, jedoch was fähig?<br />

Anerkennung<br />

Schliesst das BS Recht die Realexekution bei vertretbaren Sachen aus?<br />

80


Ja (ZPO BS 254 I), der Kläger muss seinen Anspruch in eine entsprechende<br />

Geldforderung umwandeln und den Betreibungsweg nach SchKG beschreiten (ZPO BS<br />

251f.).<br />

Was sind die Voraussetzungen der Vollstreckung?<br />

Rechtsgenüglicher Vollstreckungstitel (Sachurteil, Klaganerkennung, gerichtlicher<br />

Vergleich und die vollstreckbaren vorsorglichen Verfügungen)<br />

Formelle Rechtskraft (vgl. ZPO BS 224 aber auch SchKG 80. Für ausländische<br />

Zivilurteile und Schiedssprüchen bedarf es aufgrund <strong>von</strong> IPRG oder der massgeblichen<br />

Staatsverträge über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und<br />

Schiedssprüche eine richterliche Vollstreckbarerklärung. Durch Exequatur oder indirekt<br />

durch Bewilligung des vom Kläger gestellten Vollstreckungsgesuchs).<br />

Wo werden die Erfordernisse des Vollstreckungstitels umschrieben, wenn es um<br />

die Vollstreckung eines in einem anderen CH Kanton ergangenen Urteils geht?<br />

Vom ungeschriebenen Bundesrecht, wobei für die Realexekution die Regeln des SchKG<br />

über die definitive Rechtsöffnung auf Grund eines in einem anderen Kanton ergangenen<br />

Urteils analog gelten (SchKG 81 II), sowie Art. 6 des Konkordats über die Vollstreckung<br />

<strong>von</strong> Zivilurteilen.<br />

Zähle die 2 Schritte der Vollstreckung auf!<br />

Behördliche, an den Beklagten gerichtete Aufforderung zur Erfüllung des Urteils,<br />

verbunden mit dem Hinweis auf StGB 292 (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen)<br />

Bleibt diese Aufforderung erfolglos kommt es zum direkten behördlichen Zwang: Die<br />

Zuständige Behörde bezieht die geschuldete Sache beim Beklagten. Pflichten die auf<br />

eine Tun gerichtet sind, können durch Ersatzvornahme durchgesetzt werden, indem der<br />

Kläger oder ein Dritter ermächtigt wird, die geschuldete Handlung auf Kosten des<br />

Beklagten vorzunehmen (ZPO BS 254 III).<br />

Erfolgt die kantonal-rechtliche Vollstreckung immer <strong>von</strong> Amtes wegen?<br />

Nein, nie. Die wird immer eingeleitet durch ein entsprechendes Gesuch, das der Kläger<br />

an die zuständige Behörde (BS: Zivilgerichtspräsident; BL: Polizei-, Justiz- und<br />

Militärdirektion).<br />

Was passiert nach dem entsprechenden Gesuch?<br />

Der zuständige Richter erlässt einen Exekutionsbefehl, der den Verurteilten zur<br />

Erfüllung auffordert.<br />

Was hat der Verurteilte für Möglichkeiten, die Erfüllung abzuwenden?<br />

Er kann innert der gesetzlichen Frist Einsprache erheben, worauf der<br />

Zivilgerichtspräsident nach Anhörung beider Parteien den Exekutionsbefehl bestätigt<br />

oder aufhebt (ZPO BS 255/258 II). Mit der der Bestätigung des Exekutionsbefehls<br />

gewährt er indirekt die allenfalls erforderliche Vollstreckbarkeitserklärung.<br />

Wie ist das Verfahren ausgestaltet; einfach, rasch oder summarisch?<br />

Summarisch<br />

81


Im Sinne der durch das summarische Verfahren bedingten<br />

Beweismittelbeschränkung sind welche Beweismittel nur zugelassen?<br />

Urkunden.<br />

Kläger: Vollstreckungstitel (Urteil) mit Rechtskraftsbescheinigung<br />

Beklagter: Urkunde, die den Einwand der Tilgung des Erlasses oder der Stundung der<br />

Forderung seit Erlass des angefochtenen Urteils belegt.<br />

Welches sind in BS und BL die Vollzugsorgane?<br />

BS: Zivilgerichtsschreiberei<br />

BL: Bezirksstatthalter<br />

Nötigenfalls noch die Polizei<br />

Was kann der Kläger tun, wenn sich die Realexekution als undurchführbar oder<br />

erfolglos herausstellt?<br />

Er kann seinen rechtskräftig beurteilten Anspruch auf Realerfüllung in eine<br />

entsprechende Geldforderung umwandeln, wofür verschiedene Kantone ein<br />

vereinfachtes Verfahren (sog. Taxation) entweder vor dem Vollstreckungsrichter oder<br />

vor dem erkennenden Gericht vorsehen.<br />

§ 26 Gedanken zur neuen BZPO<br />

Gerichtsorganisation verbleibt in der Kompetenz der Kantone<br />

GestG scheint überflüssig zu werden, da die BZPO die örtliche Zuständigkeit regelt<br />

Verfahrensgrundsätze sind:<br />

1. Vorausgesetzt wird Rechtsschutzinteresse<br />

2. Es gilt Treu und Glauben<br />

3. Anspruch auf rechtliches Gehör<br />

4. Grundsätzlich sind die Verhandlungen öffentlich<br />

5. Grundsätzlich Verhandlungs- und Dispositionsmaxime, ausser wo es das Gesetz<br />

anders bestimmt<br />

6. Gerichtliches Fragerecht<br />

7. Rechtsanwendung <strong>von</strong> Amtes wegen<br />

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