Erstellt von: Benjamin Leisinger & Gregory Gerhardt anhand ...
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<strong>Erstellt</strong> <strong>von</strong>:<br />
<strong>Benjamin</strong> <strong>Leisinger</strong> & <strong>Gregory</strong> <strong>Gerhardt</strong><br />
<strong>anhand</strong>:<br />
Staehelin, Adrian/ Sutter, Thomas: Zivilprozessrecht
Inhalt<br />
§ 1 Bedeutung, Sinn und Zweck des Zivilprozesses 1<br />
§ 2 Geschichte des schweizerischen Zivilprozesses 1<br />
§ 3 Bundesrecht und kantonales Zivilprozessrecht 2<br />
§ 4 Quellen des Zivilprozessrechts 3<br />
§ 5 Gerichtsorganisation in Gerichtssachen 3<br />
§ 6 Zivilprozess, Verwaltungsweg und betreibungsrechtliche Streitigkeiten 4<br />
§ 7 Freiwillige Gerichtsbarkeit 5<br />
§ 8 Zuständigkeit der Gerichte 6<br />
§ 9 Partei- und Prozessfähigkeit 7<br />
§ 10 Streitgenossenschaft und Nebenparteien 10<br />
§ 11 Prozessmaximen (Prozessgrundsätze) 13<br />
§ 12 Prozesshandlungen der Parteien und des Gerichts 17<br />
§ 13 Klage 19<br />
§ 14 Beweisrecht 24<br />
§ 15 Prozesskosten 35<br />
§ 16 Sühneverfahren und ordentliches Verfahren 39<br />
§ 17 Besondere Verfahrensarten 42<br />
§ 18 Rechtskraft und Rechtshängigkeit 43<br />
§ 19 Urteil, Urteilssurrogate und Prozesserledigung ohne Urteil 48<br />
§ 20 Grundsätze der Rechtsmittel 52<br />
§ 21 Rechtsmittel des kantonalen Rechts 55<br />
§ 22 Bundesrechtliche Rechtsmittel 68<br />
§ 23 Vorsorgliche Verfügung 71<br />
§ 24 Schiedsgerichtsbarkeit 75<br />
§ 25 Kantonale Zwangsvollstreckung 80<br />
§ 26 Gedanken zur neuen BZPO 82<br />
I
§ 1 Bedeutung, Sinn und Zweck des Zivilprozesses<br />
Aus welchen Verfahrensstufen besteht der Zivilprozess?<br />
Aus dem Urteils- oder Erkenntnisverfahren und (ausnahmsweise) dem<br />
Vollstreckungsverfahren, wenn dieses kantonalen Vorschriften und nicht dem SchKG<br />
folgt.<br />
Was ist der Zweck des Zivilprozesses?<br />
Vom Einzelnen her gesehen der Schutz seiner konkreten Rechtstellung , <strong>von</strong> der<br />
Allgemeinheit her gesehen, die Wahrung der Rechtsordnung und die Sicherung des<br />
Rechtsfriedens.<br />
Was ist Gegenstand des Zivilprozesses?<br />
Streitige zivilrechtliche Rechte und Rechtsverhältnisse im kontradiktorischen Verfahren,<br />
Antrag einer Person bei freiwilliger Gerichtsbarkeit<br />
Was sind die Ziele des Zivilprozesses?<br />
Die Rechtsverwirklichung, die Rechtsgleichheit und die Wahrung des Rechtsfriedens.<br />
Was bedeutet „Justizanspruch“?<br />
Das bedeutet, dass die Parteien einen Anspruch darauf haben, dass der Staat ihnen<br />
umfassenden Rechtsschutz auch im Privatrecht garantiert, also dass die Gerichte nach<br />
Massgabe der Gesetze tätig werden.<br />
Wo<strong>von</strong> ist der Zivilprozess anzugrenzen?<br />
1. Strafprozess (dient der Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs; folgt<br />
Offizial- und Untersuchungsmaxime). Zivilansprüche aus strafbaren Handlungen<br />
können aber im sgn. Adhäsionsprozess im Strafprozess anhängig gemacht<br />
werden. Der Zivilrichter ist nach Bundesrecht (OR 53) nicht an Strafurteile<br />
gebunden, insoweit es um die Beurteilung <strong>von</strong> Schuld und Schaden geht.<br />
2. Verwaltungsgerichtliches Verfahren (dient der Durchsetzung öff. Rechts).<br />
Zivilgerichte und Verwaltungs(gerichtliche) Behörden können Vorfragen des öff.<br />
bzw. privaten Rechts selbständig entscheiden, sofern dies nicht die in der<br />
Hauptsache zuständige Behörde bereits entschieden hat.<br />
Wieso kommt es zu einem Zivilprozess?<br />
Beispiele: Schuldner zahlt nicht, oder Vorgehen mittels SchKG ist nicht möglich. Oder<br />
Schuldner bestreitet, zu einer Sachleistung verpflichtet zu sein.<br />
§ 2 Geschichte des schweizerischen Zivilprozesses<br />
(siehe Buch, Seiten 5 – 8)<br />
1
§ 3 Bundesrecht und kantonales Zivilprozessrecht<br />
Woraus ergeben sich die Eingriffe des Bundesrechts ins kantonale Prozessrecht?<br />
1. Bundesstaatlich bedingte Abgrenzung der kantonalen Gerichtsbarkeit<br />
gegeneinander<br />
2. Pflicht des Bundes, die Anwendung und Durchsetzung des Bundesprivatrechts<br />
sicherzustellen<br />
3. Verfassungsmässige Rechte<br />
Wie werden die kantonalen Gerichtsbarkeiten abgegrenzt?<br />
Art. 30 (2) BV stellt die verfassungsmässige Garantie dar, nicht vor einem (durch einen<br />
kantonalen Rechtssatz bestimmten) ausserkantonalen Gericht belangt zu werden,<br />
solange nicht Bundesrecht oder Staatsvertragsrecht einen ausserkantonalen<br />
Gerichtsstand vorsehen. Bedeutung hat diese Bestimmung heute v.a. angesichts des<br />
GestG praktisch nur noch, wenn sich die Zivilklage auf kantonales Recht stützt.<br />
Übersicht zivilprozessuale Vorschriften des Bundes<br />
1. Gerichtsstandsvorschriften im GestG<br />
2. Ausschluss der (zum voraus erfolgten) Prorogation oder Schiedsabrede GestG<br />
21 im Binnenverhältnis<br />
3. Zuständigkeit Vorsorgliche Massnahmen, GestG 33<br />
4. Beweisrecht ZGB 8-10, 139 (1) ZGB etc.<br />
5. Untersuchungsmaxime, z.B. 145 (1) ZGB (Entscheid Elternrechte), 254 Ziff. 1<br />
(Feststellung / Anfechtung Kindesverhältnis)<br />
6. Einfaches und rasches Verfahren, z.B. 280 (1) ZGB (Unterhaltsprozess), 343 (2)<br />
OR (Arbeitsstreit)<br />
7. Kostenlosigkeit des Verfahrens, z.B. 343 (2) OR (Arbeitsstreit bis 20'000.-)<br />
Von Bundesrecht bestimmte zivilprozessuale Fragen<br />
1. Rechtsschutzinteresse bei den durch Bundesprivatrecht begründeten Rechten<br />
und Rechtsverhältnissen, insb. auch bei Feststellungsklage und vorsorgliche<br />
Massnahmen!<br />
2. Fehlendes Rechtsschutzinteresse wegen Rechtshängigkeit oder materieller<br />
Rechtskraft (Bejahung oder Verneinung <strong>von</strong> Rechtshängigkeit oder materieller<br />
Rechtskraft ist als Bundesrechtsverletzung anfechtbar!)<br />
3. Bundesrechtliche Normen <strong>von</strong> allgemeiner Tragweite:<br />
a. Fristwahrung bei Eingabe am falschen Ort<br />
b. Wiederherstellung gemäss OG 35, wenn kt. Recht keine entsprechende<br />
Bestimmung enthält<br />
c. Kein Nachteil aus falscher Rechtsmittelbelehrung (sinngemässe<br />
Anwendung <strong>von</strong> 107 (3) OG)<br />
d. Fristbeginn bei gerichtlicher Zustellung<br />
Wie lässt sich der Eingriff des Bundesrechts in die kantonale Prozessrechtshoheit<br />
begründen?<br />
1. Einheitliche Durchsetzung der Privatrechtsordnung<br />
2. Ausbau des sozialen Zivilprozesses<br />
2
Wie prüft der Richter bei StaBe wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte<br />
durch den kantonalen Richter?<br />
1. Anwendung des kt. Prozessrechts wird nur auf Willkür geprüft<br />
2. Einhaltung der verfahrensrechtlichen Minimalgarantien der Verfassung prüft er in<br />
rechtlicher Hinsicht frei<br />
Verfahrensrechtlichen Minimalgarantien der Verfassung<br />
1. Rechtsgleichheit BV 8 (1), 9, 29 (1)<br />
2. Verfassungsmässiger Richter BV 30 (1)<br />
3. Bundesrecht bricht kantonales Recht BV 49 (1) (Grundsätzlich nur mit Berufung<br />
oder zivilrechtlicher Nichtigkeitsbeschwerde geltend zu machen, subsidiär StaBe)<br />
§ 4 Quellen des Zivilprozessrechts<br />
(siehe Buch, Seiten 13 – 20)<br />
§ 5 Gerichtsorganisation in Gerichtssachen<br />
Was sind Gerichte?<br />
Unabhängige Staatsorgane mit der Aufgabe zu entscheiden, sie sind die dritte Gewalt<br />
des Staates.<br />
Welche zwei Bedeutungen kann der Begriff „Gericht“ haben?<br />
Einerseits: Gerichtsbehörde als Verwaltungskörper<br />
Andererseits: Spruchkörper<br />
Was ist die Aufgabe der Gerichte?<br />
In erster Linie die Rechtsprechung, sodann in gewissen Umfang der Erlass <strong>von</strong><br />
Verordnungen sowie Verwaltung. Auch hat z.B. das Bundesgericht die Oberaufsicht<br />
über die Vollziehung des SchKG.<br />
In welcher Hinsicht gliedern sich die Gerichte?<br />
In örtlicher, funktioneller und in sachlicher Hinsicht.<br />
Wie gliedern sich die Zivilgerichte in BS in funktioneller (gradueller) Hinsicht?<br />
1. Zivilgericht<br />
2. Appellationsgericht<br />
3. (Bundesgericht)<br />
Wie gliedern sich die Gerichte in sachlicher Hinsicht?<br />
In Bezug auf den Streitwert und in Bezug auf den Streitgegenstand.<br />
3
Wie teilen sich Gerichte territorial auf?<br />
In Gerichtskreise oder –bezirke.<br />
Was existiert für gewisse besondere Streitigkeiten?<br />
So genannte Spezialgerichte.<br />
Was ist der sogenannte Friedensrichter?<br />
Dieser „Richter“ leitet das obligatorische oder fakultative Sühneverfahren. Dieser Richter<br />
ist in der Regel ein Laienrichter.<br />
Wo ist in BS die Organisation des Gerichtes geregelt?<br />
Im GOG-BS.<br />
§ 6 Zivilprozess, Verwaltungsweg und betreibungsrechtliche<br />
Streitigkeiten<br />
Was regelt der Zivilprozess?<br />
Im Zivilprozess kommen in der Regel nur Streitigkeiten privatrechtlicher Natur zur<br />
Austragung. In Basel- Stadt kommen noch gewisse Verwaltungsgerichtliche<br />
Streitigkeiten zur Austragung, so Streitigkeiten über Schadenersatzforderungen gegen<br />
den Staat aus Beamtenhaftung und die vom Zivilgericht gewählte<br />
Expropriationskommission entscheidet nach zivilprozessualen Regeln über die<br />
Entschädigung bei Enteignungen.<br />
Welche Theorien helfen zu unterscheiden, ob privatrechtliche oder<br />
öffentlichrechtliche Streitigkeiten vorliegen?<br />
Die Lehre unterscheidet nach der<br />
• Interessentheorie<br />
• Funktionstheorie<br />
• Subjektstheorie<br />
• Subjektionstheorie<br />
• Etc.<br />
• Topische Methode<br />
Was ist die Interessentheorie?<br />
Bei der Interessentheorie unterscheidet die Lehre, ob die anwendbaren Rechtssätze<br />
private oder öffentliche Interessen verfolgen.<br />
Was ist die Funktionstheorie?<br />
Bei der Funktionstheorie unterscheidet die Lehre, ob die anwendbaren Rechtssätze<br />
unmittelbar die Erfüllung öffentlicher Aufgaben betreffen oder nicht.<br />
Was besagt die Subjektstheorie?<br />
Bei der Subjektstheorie unterscheidet die Lehre, ob die anwendbaren Rechtssätze das<br />
Verhältnis zwischen Staat und Bürger oder zwischen Bürgern unter sich regeln.<br />
4
Was besagt die Subjektionstheorie?<br />
Bei der Subjektionstheorie unterscheidet die Lehre, ob die anwendbaren Rechtssätze<br />
zwischen Staat und Bürger eine Unterordnung oder eine Gleichordnung zum<br />
Gegenstand haben.<br />
Was macht die topische Methode?<br />
Lehre und Rechtsprechung neigen zur Kombination einzelner Merkmale der Theorien,<br />
indem meist <strong>von</strong> der Subjektionstheorie ausgegangen wird und dann andere Theorien<br />
ergänzend herangezogen werden.<br />
Wer steht sich also in einem Zivilprozess in der Regel gegenüber?<br />
In der Regel fallen diejenigen Rechtsverhältnisse unter die Zivilgerichtsbarkeit, bei<br />
welchem sich gleichartige, gleichberechtigte und gleichwertige Rechtssubjekte<br />
gegenüberstehen.<br />
Welche betreibungsrechtlichen Streitigkeiten werden auch vom Zivilrichter<br />
beurteilt?<br />
Sie werden in drei Gruppen aufgeteilt:<br />
• materiell-rechtliche Streitigkeiten<br />
• betreibungsrechtliche Streitigkeiten<br />
• betreibungsrechtliche Streitigkeiten mit materiell-rechtlichem Hintergrund<br />
• besondere rein betreibungsrechtliche Streitigkeiten<br />
Welches Recht, kantonales oder bundesrechtliches, kommt bei der Beurteilung<br />
dieser Streitigkeiten zur Anwendung?<br />
Sowohl kantonales Recht, als auch in unterschiedlichem Umfang Bundesrecht,<br />
namentlich Betreibungsrecht. In verfahrensrechtlicher Hinsicht unterstehen sie ganz<br />
dem kantonalen Prozessrecht, wobei dieses zu einem guten Teil <strong>von</strong> Bundesrecht<br />
bestimmt wird.<br />
§ 7 Freiwillige Gerichtsbarkeit<br />
Was ist die „freiwillige Gerichtsbarkeit“?<br />
Freiwillige Gerichtsbarkeit ist die hoheitliche Tätigkeit eines Gerichtes oder einer<br />
Verwaltungsbehörde in Unichtstreitigen AngelegenheitenU zur Feststellung, Begründung,<br />
Änderung oder Aufhebung privater Rechte oder zur Erhebung und Feststellung eines<br />
Sachverhaltes. Sie lässt sich auch als „Verwaltung zur Verwirklichung privater Rechte“<br />
bezeichnen.<br />
Was ist an diesem Begriff irreführend?<br />
Erstens handelt der Gesuchsteller nicht freiwillig, zweitens stellt die freiwillige<br />
Gerichtsbarkeit nicht immer eine Gerichtsbarkeit im Sinne einer richterlichen Tätigkeit<br />
und erst recht nicht im Sinne der Rechtsprechung dar.<br />
Welche Maxime gilt bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit?<br />
Es gilt die eingeschränkte Untersuchungsmaxime.<br />
5
§ 8 Zuständigkeit der Gerichte<br />
Woraus ergibt sich grundsätzlich die örtliche Zuständigkeit?<br />
Anknüpfungskriterium ist der Wohnsitz des Beklagten: actor sequitur forum rei.<br />
Allerdings kann das Gesetz Ausnahmen vorsehen. So lautet auch Art. 30 (2) der neuen<br />
BV.<br />
Woraus ergibt sich der Wohnsitzbegriff bei natürlichen Personen?<br />
Aus dem ZGB, vgl. GestG 3 (2). Allerdings ist ZGB 24 (1) nicht anwendbar.<br />
Was ist unter der interkantonalen Gerichtsstandsgarantie zu verstehen?<br />
Art. 30 (2) BV; allerdings ist das nicht eigentlich eine Gerichtsstandgarantie, sondern<br />
vielmehr die Abgrenzung der kantonalen Justizhoheiten <strong>von</strong>einander!<br />
Wo ist die örtliche Zuständigkeit geregelt?<br />
Die örtliche Zuständigkeit (Gerichtsstand) ist u.a. im Gerichtsstandsgesetz (GestG)<br />
geregelt<br />
Was bedeutet Kompetenz (Zuständigkeit)?<br />
Zuständigkeit bedeutet Befugnis und Verpflichtung, eine bestimmte Klage zu beurteilen.<br />
Die Zuständigkeitsregeln umschreiben die Aufgabenkreise der Gerichte unter<br />
verschiedenen Gesichtspunkten.<br />
Was sind die besonderen Gerichtsstände?<br />
Gerichtsstände, die an andere Kriterien als den Wohnsitz des Beklagten anknüpfen.<br />
Nenne die wichtigsten besonderen Gerichtsstände und wo sie gerregelt sind<br />
1. Wohnsitz des Klägers (GestG 3, 12, 22 (1) lit. A, 25)<br />
2. Erfüllungsort (Im Geltungsbereich GestG nur wenn vereinbart, vgl. GestG 9, im<br />
IPR aber vorgesehen)<br />
3. Begehungsort für Klagen aus unerlaubter Handlung (GestG 25-27)<br />
4. Ort der Geschäftsniederlassung (GestG 5; als Niederlassung gilt auch die<br />
Zweigniederlassung einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft, aber auch<br />
die berufliche oder geschäftliche Niederlassung einer natürlichen<br />
Person/Einzelfirma/Personengesellschaft)<br />
5. Ort der gelegenen Sache = forum rei sitae (GestG 19, 20, SchKG 109 (3))<br />
Zwingend für dingliche Klagen!<br />
6. Letzter Wohnsitz des Erblassers (GestG 18)<br />
7. Betreibungs-, Konkurs- und Arrestort: Nicht im GestG geregelt, GestG 1 (2) lit. B;<br />
allerdings enthält das SchKG oft keine örtliche Zuständigkeitsregel. Sehen die<br />
Kantone hier nichts Besonderes vor, sollten hier die allgemeinen<br />
Zuständigkeitsregeln des GestG gelten<br />
8. Weitere besondere Gerichtsstände: Vereinbarter Gerichtsstand, Gerichtsstand<br />
des Sachzusammenhangs etc.<br />
6
Kann ein Gerichtsstand vereinbart werden?<br />
Ja, sowohl ausdrücklich (Prorogation) als auch konkludent (Einlassung) in Form eines<br />
prozessualen Vertrags. Vgl. GestG 9<br />
Was ist Voraussetzung der Zulässigkeit <strong>von</strong> Prorogation und Einlassung?<br />
1. Verfügungsbefugnis der Parteien über den Prozessgegenstand<br />
2. Kein zwingender oder teilzwingender Gerichtsstand<br />
Wie ergibt sich, ob ein Gerichtsstand des GestG zwingend ist?<br />
Er wird ausdrücklich als solcher bezeichnet, kann sich nicht aus Auslegung ergeben!<br />
Was sind teilzwingende Gerichtsstände?<br />
Es ist kein Verzicht zum Voraus möglich. Vgl. GestG 21<br />
Wie ist die typografische Rechtsprechung des BGer zu Gerichtsstandsklauseln<br />
nach Inkrafttreten des GestG zu beurteilen?<br />
Sie gilt nicht mehr! Damit muss die Privatrechtslehre auf ihr wichtigstes Beispiel für die<br />
Ungewöhnlichkeitsregel verzichten!<br />
§ 9 Partei- und Prozessfähigkeit<br />
Was bedeutet „Parteifähigkeit“?<br />
Unter Parteifähigkeit versteht man die Fähigkeit, unter eigenem Namen als Kläger oder<br />
Beklagte im Prozess auftreten zu können. Sie ist das prozessuale Abbild der<br />
Rechtsfähigkeit.<br />
Welche verselbstständigten Vermögensmassen ohne eigene Rechtspersönlichkeit<br />
sind parteifähig?<br />
• die Konkursmasse<br />
• die Liquidationsmasse im Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung<br />
• der ungeteilte Nachlass als Schuldner, soweit er betrieben werden kann<br />
Was ist die Prozessfähigkeit?<br />
Die Prozessfähigkeit ist die rechtliche Befugnis, in eigenem Namen oder als Vertreter im<br />
Prozess rechtswirksam zu handeln. Sie ist das Abbild der Handlungsfähigkeit.<br />
Was sind die Voraussetzungen für die Prozessfähigkeit?<br />
• für natürliche Personen:<br />
o Mündigkeit<br />
o Urteilsfähigkeit<br />
• Für juristische Personen:<br />
o das Bestehen der nach Gesetz und Statuten unentbehrlichen Organe.<br />
Was ist die Sachlegitimation?<br />
Die Sachlegitimation hat die Frage zum Inhalt, wer hinsichtlich des streitigen<br />
Anspruches berechtigt bzw. verpflichtet und demzufolge als Kläger bzw. Beklagter in<br />
den Prozess einzubeziehen ist.<br />
7
Was ist das materiell- rechtliche Pendant zur Parteifähigkeit?<br />
Die Parteifähigkeit ist das prozessuale Abbild der Rechtsfähigkeit.<br />
Was ist aktive, und was ist passive Rechtsfähigkeit?<br />
Aktive Rechtsfähigkeit ist die Befugnis, in eigenem Namen subjektive Rechte geltend zu<br />
machen.<br />
Passive Rechtsfähigkeit ist die Möglichkeit in eigenem Namen eingeklagt zu werden.<br />
Nenne ein Beispiel, bei dem die aktive und die passive Rechtsfähigkeit<br />
auseinander fallen:<br />
Die Verwaltung der AG besitzt in einem bestimmten Bereich die aktive Rechtsfähigkeit,<br />
jedoch nicht die passive, indem sie selbstständig zur Anfechtung <strong>von</strong> GV-Beschlüssen<br />
berechtigt ist.<br />
Welche drei Personengesellschaften, welche nach Bundesrecht keine<br />
Rechtsfähigkeit haben, haben dennoch die Parteifähigkeit?<br />
• Die Kollektivgesellschaft (Art. 562 OR)<br />
• Kommanditgesellschaften (Art. 602 OR)<br />
• Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer (Art. 712 l Abs. 2 ZGB)<br />
Was gilt, wenn die Rechtsfähigkeit umstritten ist?<br />
Ist die Rechtsfähigkeit umstritten und Gegenstand des Prozesses oder steht zumindest<br />
in einem engen Zusammenhang zum Prozess, so sind juristische Personen,<br />
Rechtsgemeinschaften oder Vermögensmassen parteifähig.<br />
Was ist die Prozessfähigkeit?<br />
Die Prozessfähigkeit ist die rechtliche Befugnis, in eigenem Namen oder als Vertreter im<br />
Prozess rechtswirksam zu handeln. Sie ist das prozessuale Abbild der<br />
Handlungsfähigkeit.<br />
Wann können urteilsfähige unmündige oder entmündigte Personen selber<br />
Prozesse führen?<br />
Sie können jederzeit Rechte ausüben, die ihnen um ihrer Persönlichkeit Willen<br />
zustehen. So zum Beispiel der Genugtuungsanspruch nach Art. 49 OR.<br />
Sie können mit der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters selbst Prozesse führen.<br />
Urteilsfähige Minderjährige und daher unmündige Personen können die mit der<br />
Verwaltung und Nutzung ihres Arbeitserwerbes zusammenhängenden Rechte selber<br />
gerichtlich geltend machen.<br />
Wie ist die Lage bei Urteilsunfähigkeit?<br />
Wer nicht urteilsfähig ist, ist schlechthin nicht prozessfähig. Ausnahmsweise sind sie<br />
dies bei gerichtlicher Anfechtung der Entmündigung und in Prozessen betreffend die<br />
Aufhebung der Vormundschaft.<br />
Was ist die Postulationsfähigkeit?<br />
8
Postulationsfähigkeit ist die Fähigkeit in eigenem Namen oder als Vertreter einer Partei<br />
vor Gericht aufzutreten und demzufolge mit prozessualen Handlungen zugelassen zu<br />
werden. Postulationsfähigkeit ist Teil der Prozessfähigkeit, da in der Schweiz kein<br />
Anwaltszwang herrscht: wer prozessfähig ist, ist auch postulationsfähig.<br />
Dürfen Nichtanwälte Parteien vor Gericht vertreten?<br />
Ja, kein Anwaltszwang, ausser vor Bundesgericht. Die berufsmässige Vertretung ist<br />
jedoch den zugelassenen Anwälten vorbehalten.<br />
Wann liegt bei einer Vertretung vor Gericht Berufsmässigkeit vor?<br />
Berufsmässigkeit wird <strong>von</strong> der Baselstädtischen Praxis angenommen, sobald der<br />
Vertreter den Prozess gegen Entgelt führt.<br />
Was ist ein gewillkürter Vertreter?<br />
Ein so genannter gewillkürter Vertreter ist ein mit einer Prozessführungsvollmacht einer<br />
Partei ausgewiesener Dritter, welcher unentgeltlich tätig wird.<br />
Wer kann vor dem Bundesgericht als Parteivertreter auftreten?<br />
Hier können nur patentierte Anwälte und Rechtslehrer an schweizerischen Hochschulen<br />
als Parteivertreter auftreten.<br />
Was bezweckt das Erfordernis des Anwaltpatents?<br />
Konsumentenschutz<br />
Was sind die Voraussetzungen für das Anwaltspatent?<br />
Gemäss BGFA 7 und 8 namentlich:<br />
1. Abgeschlossenes juristisches Studium<br />
2. mindestens einjähriges Praktikum mit anschliessendem Examen<br />
3. Handlungsfähigkeit<br />
4. Guter Leumund (kein Einträge ins Strafregister, keine Verlustscheine etc.)<br />
Wird ein Anwaltspatent in einem Kanton in allen Kantonen anerkannt?<br />
Heute bestimmt sich die sgn. Freizügigkeit nach BGFA 4: Wer in ein kantonales<br />
Anwaltsregister eingetragen ist, darf im entsprechenden Kanton praktizieren.<br />
Darf ein Anwalt ein Erfolgshonorar vereinbaren?<br />
Nein, ein Anteil am Prozessgewinn zu vereinbaren ist verboten, BGFA 12 lit. E<br />
Darf ein Anwalt Werbung machen?<br />
Ja, BGFA 12 lit. D<br />
Was ist die Sachlegitimation?<br />
Das ist die Frage, wer hinsichtlich eines streitigen Anspruches berechtigt oder<br />
verpflichtet ist. Man unterscheidet Aktiv- und Passivlegitimation.<br />
Nach welchem Recht entscheidet sich diese Frage?<br />
Nach dem materiellen Recht.<br />
9
Was ist die Prozessführungsbefugnis?<br />
Unter Prozessführungsbefugnis versteht man die Befugnis als Partei (Kläger oder<br />
Beklagter) über einen streitigen Anspruch einen Prozess zu führen.<br />
Die Prozessführungsbefugnis lässt sich mit der Verfügungsmacht vergleichen, die in der<br />
Regel dem Rechtsträger, ausnahmsweise auch einem Dritten zusteht.<br />
Was ist die Prozessstandschaft?<br />
Das ist die prozessuale Stellung einer Person, die einem Prozess nicht als Stellvertreter<br />
des Berechtigten, aber auch nicht aus (behaupteter) eigener Anspruchsberechtigung,<br />
sondern aufgrund spezieller Gesetzesvorschrift und im eigenen Namen führt.<br />
Sachlegitimation und Prozessführungsbefugnis fallen namentlich in folgenden Fällen<br />
auseinander:<br />
1. Verässerung des Streitgegenstands: Veräussernde Partei bleibt zur Führung des<br />
Prozesses befugt.<br />
2. der Willensvollstrecker führt Prozesse um Aktiven und Passiven des Nachlasses<br />
als Partei in eigenem Namen;<br />
3. ebenso der Erbschaftsverwalter bei der amtlichen Erbschaftsverwaltung.<br />
4. Der gesetzliche Vertreter kann Prozesse im eigenen Namen führen.<br />
Kann die Prozessstandschaft gewillkürt werden?<br />
Die Prozessstandschaft ist jedoch nur in den gesetzlich vorgesehen Fällen möglich,<br />
kann also nicht gewillkürt werden (anders in Deutschland). Die Prozessführungsbefugnis<br />
ist eine so genannte Prozessvoraussetzung.<br />
§ 10 Streitgenossenschaft und Nebenparteien<br />
Was ist die Streitgenossenschaft?<br />
Die Streitgenossenschaft (litis consortium; joinder) liegt vor, wenn auf einer Parteiseite<br />
eine Mehrheit <strong>von</strong> Personen als Prozessparteien vorhanden ist, wenn also z.B. mehrere<br />
Kläger durch eine Klage gegen den Beklagten vorgehen (aktive Streitgenossenschaft)<br />
oder wenn ein Kläger durch eine Klage gegen mehrere Beklagte vorgeht (passive<br />
Streitgenossenschaft). Die Personenmehrzahl auf einer Seite sind dann die<br />
Streitgenossen.<br />
Was ist die formelle Streitgenossenschaft, was die materielle?<br />
Bei der formellen sind die Klagegründe nur gleichartig, bei der materiellen<br />
Streitgenossenschaft beruhen die Ansprüche auf ein und demselben Rechtsgrund.<br />
Kennt die ZPO BS die formelle und die materielle Streitgenossenschaft?<br />
Nein, nur die materielle, vgl. §§ 16 und 17 ZPO BS. Die Praxis anerkennt jedoch die<br />
formelle Streitgenossenschaft.<br />
Was ist die objektive Klagehäufung?<br />
Die objektive Klagehäufung ist die Geltendmachung mehrerer Ansprüche durch eine<br />
Klage, sei es kumulativ oder eventualiter durch die Stellung <strong>von</strong> Haupt- und<br />
10
Eventualbegehren. Es müssen jedoch der gleiche Gerichtsstand und das gleiche<br />
Verfahren gegeben sein.<br />
Freiwillige Streitgenossenschaft<br />
= einfache Streitgenossenschaft, auch subjektive Klagehäufung ; mehrere Personen, die<br />
aus den gleichen Tatsachen oder Rechtsgründen berechtigt oder verpflichtet sind,<br />
können gemeinsam als Kläger auftreten oder als Beklagte belangt werden<br />
Unter welchen Voraussetzungen ist die freiwillige Prozessgenossenschaft<br />
möglich?<br />
1. Gleiche Zuständigkeit, nach 7 (1) GestG am Gerichtsstand eines Streitgenossen<br />
immer gegeben<br />
2. Gleiche Verfahrensart<br />
3. Klagen müssen auf demselben Rechtsgrund beruhen.<br />
Was ist die notwendige Streitgenossenschaft?<br />
Diese liegt vor, wenn mehreren Personen ein Recht nur gemeinschaftlich zusteht.<br />
Welche Arten der Streitgenossenschaften lassen sich unterscheiden?<br />
• Die aktive und die passive<br />
• Die freiwillige und die notwendige<br />
• Formelle und materielle<br />
Welches ist die aktive und welches die passive Streitgenossenschaft?<br />
Aktiv ist die Streitgenossenschaft, wenn mehrere Kläger durch eine Klage gegen den<br />
Beklagten vorgehen, passiv ist die Streitgenossenschaft, wenn mehrere Beklagte durch<br />
einen Kläger beklagt werden.<br />
Was besagt die Eventualmaxime?<br />
Die Parteien müssen sämtliche gleichartigen Angriffs- und Verteidigungsmittel innerhalb<br />
eines bestimmten Verfahrensabschnitts eventualiter auf einmal vorbringen. (Art 19 Abs.<br />
1 BZP; BS-ZPO § 37 Ziff. 2 und 62 für die Klagbeantwortung)<br />
Ist es möglich, dass die Streitgenossen einen gemeinsamen Vertreter bestimmen?<br />
Ja (ZPO BS § 16 und 17)<br />
Müssen die Urteile für und gegen die einzelnen freiwilligen Streitgenossen gleich<br />
lauten?<br />
Nein.<br />
Hauptfälle der notwendigen Streitgenossenschaft<br />
1. Gemeinschaften zur gemeinsamen Hand<br />
2. Gestaltungsklagen mit Auswirkungen auf mehrere<br />
3. Notwendigkeit einheitlicher Entscheidung, i.e. mehrere Abtretungsgläubiger oder<br />
unteilbare Rechtsverhältnisse<br />
11
Kann ein Erbe selbständig gegen den Schuldner auf Leistung an die<br />
Erbengemeinschaft oder alle Erben klagen?<br />
Nein.<br />
Gegen wen muss die Anklage auf Anfechtung der Vaterschaft durch den Ehemann<br />
gerichtet werden?<br />
Gegen das Kind und die Mutter (ZGB 256 II).<br />
An was fehlt es, wenn im Falle der notwendigen Streitgenossenschaft nicht alle<br />
Berechtigten zusammen klagen, bzw. nicht alle gemeinsam Verpflichteten ins<br />
Recht gefasst werden?<br />
An der notwendigen SachlegitimationAbweisung der Klage (ausser die<br />
nichteinbezogene Person erklärt, dass sie das Urteil im Vornheraus gegen sich gelten<br />
lasse und keine Einschränkung der Dispositionsmaxime besteht.<br />
Was besagt die Dispositionsmaxime und welcher Maxime steht sie gegenüber?<br />
Die beteiligten Privaten entscheiden über Einleitung und Beendigung eines Verfahrens<br />
sowie über dessen Gegenstand. Sie steht der Offizialmaxime gegenüber.<br />
Was sind Nebenparteien?<br />
Parteigehilfen.<br />
Was ist die Prozessstandschaft?<br />
Wenn der Berechtigte aus Gründen des materiellen Rechts den Prozess nicht selbst<br />
führen kann oder will, führt der Prozessstandschafter den Prozess in eigenem Namen<br />
und als Hauptpartei. Der Berechtigte kann als Nebenpartei teilnehmen.<br />
Was ist die Nebenintervention?<br />
Nebenintervention ist die Teilnahme eines Dritten am Prozess (Nebenintervenient) zur<br />
Unterstützung einer Hauptpartei (Intervent) in eigenem (rechtlichen und nicht bloss<br />
faktischen) Interesse (ZPO BS § 26).<br />
Was sind die Voraussetzungen der Nebenintervention?<br />
1. Rechtshängiger Prozess (Beginn des Erkenntnisverfahrens)<br />
2. Nebenintervenient hat eigenes rechtliches Interesse<br />
3. Interventionserklärung (umfasst Glaubhaftmachung des rechtlichen Interesses)<br />
Wann liegt ein rechtliches Interesse vor?<br />
Wenn eine Niederlage der unterstützten Hauptpartei im Hinblick auf die Rechtskraft- und<br />
Reflexwirkung des Urteils die Rechtslage des Nebenintervenienten unmittelbar oder<br />
mittelbar beeinträchtigt, gefährdet oder verschlechtert.<br />
Was sind die Befugnisse des Nebenintervenienten?<br />
Der Nebenintervenient kann grundsätzlich alle im Interesse der unterstützten<br />
Hauptpartei liegenden Angriffs- und Verteidigungsmittel benützen. Er kann alle der<br />
unterstützten Hauptpartei zustehenden Prozesshandlungen vornehmen, also z.B. auch<br />
Einlegung <strong>von</strong> Rechtsmitteln.<br />
12
Kann der Nebenintervenient nachholen, was die Hauptpartei in einem früheren<br />
Prozessstadium unterlassen hat?<br />
Nein. Er ist an den Stand des Prozesses im Zeitpunkt seiner Intervention gebunden, vgl.<br />
49 (1) ZPO BL<br />
Kann der Nebenintervenient Prozesshandlungen vornehmen, welche die Stellung<br />
der unterstützten Hauptpartei schwächt oder mit ihrem Handeln in Widerspruch<br />
steht?<br />
Nein. Solche Prozesshandlungen wären unbeachtlich und wirkungslos.<br />
Was ist die sogenannte Interventionswirkung?<br />
Das ergangene Urteil kann Wirkungen in einem weiteren Prozess zwischen Intervent<br />
und Intervenient haben. Eine solche Wirkung bestimmt sich nach Bundesrecht.<br />
Was ist die Streitverkündung?<br />
Die Streitverkündung (Litisdenunziation) ist die Aufforderung einer Hauptpartei (Kläger<br />
oder Beklagter) an einen Dritten, sie im Prozess zu unterstützen. (ZPO BS § 19 ff.)<br />
Wie unterscheidet sich die Streitverkündung <strong>von</strong> der Nebenintervention?<br />
Eigentlich nur in der Art, wie der Dritte in den Prozess eintritt!<br />
Wie werden der Streitverkünder und der Streitberufene auch genannt?<br />
Litisdenunziant und Litisdenunziat.<br />
Warum fordert die Hauptpartei den Dritten auf, sie im Prozess zu unterstützen?<br />
Weil sie bei einer Niederlage sonst Rechte gegen diesen geltend machen würde, aber<br />
dessen Einwand des schlecht geführten Prozesses zu befürchten hat (die<br />
Streitverkündung dient somit v.a. der Erhaltung der Regress- und<br />
Gewährleistungsansprüche des Streitverkünders, die im Fall des Unterliegens im<br />
Hauptprozess gegen den Streitberufenen zustehen).<br />
In welchen 3 Formen ist die Streitunterstützung des Streitverkünders durch den<br />
Streitberufenen im Allgemeinen möglich?<br />
• Normalfall: Nebenpartei im Prozess<br />
• Ausserhalb des Prozesses: durch Beratung, Hinweise auf Beweismittel...<br />
• Litisdenunziat führt Prozess als Stellvertreter (kommt kaum vor)<br />
Hauptintervention<br />
Eine Dritte Partei macht ein eigenes, beide Partein ausschliessendes besseres Recht<br />
geltend. Der Dritte ist dann Hauptpartei in einem neuen Prozess, dem<br />
Interventionsverfahren. Vgl. § 49 (2) ZPO BL<br />
§ 11 Prozessmaximen (Prozessgrundsätze)<br />
Was sind Prozessmaximen?<br />
Die allgemeinen Grundsätze nach denen der Prozess zu führen ist.<br />
13
Welche Prozessmaximen werden unterschieden?<br />
• Dispositions- und Offizialmaxime<br />
• Verhandlungs- und Untersuchungsmaxime<br />
• Eventual- bzw. Konzentrationsmaxime<br />
Welche der jeweiligen Maximen sind im ZiPR die Regel?<br />
Verhandlungs- und Dispositionsmaxime.<br />
Was besagt die Dispositionsmaxime?<br />
Dass der Richter nur dann und nur insoweit Rechtsschutz gewähren soll, wie ein<br />
Privater dies verlangt: Beginn, Gegenstand und Ende des Prozesses bestimmen die<br />
Parteien.<br />
Können die Parteien trotz vorherrschen der Offizialmaxime das Gerichtsverfahren<br />
durch gerichtlichen Vergleich oder Anerkennung der Klage zu einem vorzeitigen<br />
Ende bringen?<br />
Nein, da den Parteien keine unbeschränkte Dispositionsbefugnis über das im Streite<br />
liegende Recht oder Rechtsverhältnis zusteht.<br />
Welches Recht regelt inwiefern wann ausnahmsweise die Offizialmaxime gilt?<br />
Kantonales Recht oder Bundesrecht?<br />
Ausschliesslich Bundesrecht.<br />
Welche Frage betrifft die Verhandlungsmaxime?<br />
Wie der Richter an das für die Entscheidung des konkreten Falles relevante<br />
Prozessmaterial (Tatsachen und Beweismittel) herankommt.<br />
Darf der Richter im Geltungsbereich der Verhandlungsmaxime sein Urteil auf<br />
persönliche Kenntnisse abstützen, wenn diese Tatsachen <strong>von</strong> den Parteien nicht<br />
vorgebracht wurden?<br />
Nein, was <strong>von</strong> den Parteien nicht vorgebracht wurde, existiert für den Richter nicht<br />
(quod non est in actis, non est in mundo).<br />
Was ist die Behauptungslast?<br />
Was <strong>von</strong> den Parteien im Prozess nicht vorgebracht wird, existiert für den Richter nicht.<br />
Ist die Behauptungslast der Parteien eine Rechtspflicht oder eine Obliegenheit?<br />
Und welche zusätzliche Last obliegt den Parteien, um der Behauptung zum<br />
Durchbruch zu verhelfen?<br />
Obliegenheit. Die Beweisführungslast.<br />
Welche gesetzliche Bestimmung regelt die Verteilung der Behauptungslast und<br />
der Beweisführungslast?<br />
ZGB Art. 8.<br />
Wie nennt man die Pflicht, die Behauptungen zu konkretisieren, so dass die<br />
Gegenpartei dazu Stellung nehmen kann?<br />
14
Substantiierungspflicht oder Substantiierungslast.<br />
Was genügt also nicht nach dieser Pflicht?<br />
Globale Behauptungen.<br />
Welches Recht regelt die Frage ob und wieweit die Verhandlungsmaxime gilt?<br />
Das kantonale Prozessrecht.<br />
Kann das kantonale Prozessrecht auch die Verhandlungsmaxime vorsehen, wenn<br />
das Bundesrecht die Untersuchungsmaxime anordnet?<br />
Nein, die bundesrechtliche Anordnung ist eine Mindestgrenze.<br />
Was bedeutet „iura novit curia“ und welche Bedeutung hat dies für den ZiPr?<br />
Das Gericht kennt das Recht. Die Behauptungs- und Beweisführungslast bezieht sich<br />
nur auf Tatsachen und deren Beweis. Rechtliche Erörterungen sind also nicht<br />
notwendig, auch wenn sie <strong>von</strong> den Anwälten in deren Plädoyers meist vorgenommen<br />
werden.<br />
Durch was kann die Verhandlungsmaxime gemildert werden?<br />
Durch:<br />
• die (v.a. im mündlichen Verfahren zur Anwendung kommende) richterliche Frageund<br />
Aufklärungspflicht, welche die meisten ZPOs vorsehen<br />
• notorische und gerichtsnotorische Tatsachen<br />
• zugestandene Tatsachen<br />
Was soll die richterliche Fragepflicht bewirken?<br />
Dass die unbeholfene und juristisch unerfahrene Person <strong>von</strong> sich aus die relevanten<br />
Tatsachen vorbringt und die entsprechenden Beweismittel nennt.<br />
Welche Tatsachen müssen weder behauptet noch bewiesen werden?<br />
Von der Gegenpartei im Prozess zugestandene und notorische und gerichtsnotorische ,<br />
d.h. Tatsachen die der Allgemeinheit oder dem Gericht bekannt sind.<br />
Was hat die Untersuchungsmaxime zum Inhalt?<br />
Auf welche Weise der Richter an das für die Entscheidung des Prozesses relevante<br />
Tatsachen- und Beweismaterial herankommt.<br />
Auf was beschränkt sich jedoch die Tätigkeit des Richters auch bei der<br />
Untersuchungsmaxime?<br />
Durch ausgedehnte Befragung der Parteien den prozessrelevanten Sachverhalt zu<br />
eruieren.<br />
Welches Recht bestimmt über die Anwendung der Untersuchungsmaxime?<br />
Grundsätzlich das kantonale Recht, in Ausnahmen auch das Bundesrecht.<br />
Was besagt die Eventualmaxime?<br />
15
Wann zu einem bestimmten Zeitpunkt im Prozess Bestimmtes vorgebracht werden<br />
muss (vgl. §37 ZPO BS und §62 ZPO BS, auch §82 ZPO BS).<br />
Was ist alles <strong>von</strong> der Eventualmaxime umfasst?<br />
• Tatsachen und Beweise<br />
• Rechtsbegehren<br />
Gibt es in BS Ausnahmen <strong>von</strong> der sehr strengen Handhabung der<br />
Eventualmaxime?<br />
Ja, namentlich in den Fällen:<br />
• der §§58 und 59 ZPO BS sowie<br />
• in den Fällen der Klagänderung etc nach §79 ZPO BS<br />
• nachträgliches Gesuch um Kostenerlass nach §173(2) ZPO BS<br />
• bei neuen Tatsachen und Beweisen (Novenrecht) nach §81 ZPO BS<br />
Ist die Auflistung in §58 ZPO BS abschliessend?<br />
Nein.<br />
Wann muss ein Gesuch um Kostenerlass gestellt werden?<br />
Ein Gesuch um Kostenerlass ist, wie es die Eventualmaxime vorschreibt, zu Beginn des<br />
Prozesses zu stellen. Ausnahmen bestehen dort, wo sich die Vermögenslage des<br />
Gesuchstellers während des Prozesses erheblich verändert hat (§ 173 Abs. 2 ZPO BS).<br />
Was sind echte und was sind unechte Noven?<br />
Noven sind neue Tatsachen und Beweismittel. Echte Noven sind Noven, welche erst<br />
nach dem für die Einhaltung der Eventualmaxime massgeblichen Zeitpunkt entstanden<br />
sind. Unechte Noven sind solche, die schon vor diesem Zeitpunkt vorhanden gewesen<br />
sind, aber aus irgendwelchen Gründen, sei es mangelnde Kenntnis der Erheblichkeit<br />
oder anderem, nicht rechtzeitig in den Prozess eingeführt wurden.<br />
Nach §81 Abs. 1 ZPO BS werden Noven zugelassen, wenn früheres Vorbringen der<br />
Partei nicht möglich war. UEchte Noven sind also immer zugelassen.<br />
Erst in oder nach der Hauptverhandlung eingebrachte Noven sind in der Regel<br />
unbeachtlich.<br />
Wer ist der Instruktionsrichter?<br />
Er ist der Verfahrensleiter, im Normalfall durch den Gerichtspräsident gegeben. Der<br />
Instruktionsrichter entscheidet z.B. über die Zulassung <strong>von</strong> Noven, welche einen<br />
besonderen Gegenstand einer Noveneingabe bilden.<br />
Was fällt unter den Grundsatz des rechtlichen Gehörs?<br />
• Der Richter ist verpflichtet, vor dem Erlass des Urteils die Parteien gebührend<br />
anzuhören<br />
• Den Parteien ist Gelegenheit zu geben sich zum Ergebnis der Beweisaufnahme<br />
zu äussern<br />
• Die Parteien sind berechtigt, an allen Verhandlungen und Beweiserhebungen<br />
teilzunehmen<br />
• Die Parteien dürfen in der Regel einen Anwalt beiziehen<br />
16
• Die Parteien haben ein Akteneinsichtsrecht (eingeschränkt durch besondere<br />
Geheimhaltungsinteressen)<br />
• Die Parteien haben ein Recht auf Abnahme <strong>von</strong> beweistauglichen Beweismitteln<br />
für prozessrelevante Tatsachen<br />
• Die Parteien haben ein Recht auf eine Auseinandersetzung mit den<br />
Parteivorbringen und Beweismitteln<br />
Was geschieht, wenn einer Partei der Anspruch auf rechtliches Gehör verweigert<br />
wird?<br />
Dann leidet der Entscheid an einem schweren Mangel und ist auf entsprechenden<br />
Parteiantrag im Rechtsmittelverfahren aufzuheben.<br />
An wen richtet sich der Grundsatz <strong>von</strong> Treu und Glauben im Prozess?<br />
Sowohl an die Parteien, als auch an den Richter. Bei den Parteien bezieht sich der<br />
Grundsatz in erster Linie auf das Verbot einer böswilligen oder mutwilligen Anhebung<br />
einer Klage. Bei dem Richter (aber auch für die Parteien) gilt vor allem, dass schriftliche<br />
oder mündliche Erklärungen, nicht nach ihrem offensichtlich falschen Wortlaut, sondern<br />
nach ihrem erkennbaren Zweck zu beurteilen sind.<br />
§ 12 Prozesshandlungen der Parteien und des Gerichts<br />
Was sind Prozesshandlungen der Parteien?<br />
Prozesshandlungen sind Willenserklärungen und sonstige Betätigungen der Parteien mit<br />
unmittelbarer Wirkung auf den Prozess.<br />
Wie werden Prozesshandlungen aufgeteilt?<br />
In Erwirkungshandlungen (z.B. Vorbringen <strong>von</strong> Tatsachen) und Bewirkungstatsachen<br />
(z.B. Rückzug und Anerkennung der Klage). Erwirkungshandlungen sollen das Gericht<br />
zu einem bestimmten Handeln veranlassen, Bewirkungshandlungen führen unmittelbar<br />
zu einer Veränderung der prozessualen Rechtslage.<br />
Nenne ein Beispiel für eine zweiseitige Prozesshandlung:<br />
Der gerichtliche Vergleich, der Schiedsvertrag etc.<br />
Welche Form braucht eine Prozesshandlung?<br />
Das ergibt sich aus dem jeweiligen Prozessrecht.<br />
Welche Arten <strong>von</strong> Fristen kann man in einem Zivilprozess unterscheiden?<br />
• Gesetzliche Fristen<br />
• Richterliche Fristen<br />
Was ist der Unterschied?<br />
Richterliche Fristen können erstreckt werden.<br />
Wann ist bei einer Person im Ausland eine prozessuale Frist gewahrt?<br />
17
Wenn ihre Eingabe am letzten Tag der Frist bei einer schweizerischen diplomatischen<br />
oder konsularischen Vertretung eintrifft, §34a(1) ZPO BS.<br />
Umfang und Wirkung der Gerichtsferien bestimmen sich nach was?<br />
Nach dem massgeblichen Gerichtsorganisationsgesetz. BS § GOG 45.<br />
An die Nichtbeachtung einer Frist oder eines Termins durch die säumige Partei<br />
wird in der Regel zur Vermeidung der Prozessverschleppung was für eine<br />
Wirkung geknüpft?<br />
Präklusivwirkung (Verwirkungsfolge); d.h. die säumige Partei ist mit der prozessualen<br />
Handlung, die sie bis zum Ablauf der Frist hätte vornehmen sollen, ausgeschlossen und<br />
kann dieselbe nicht mehr nachträglich nachholen.<br />
Diese strengen Rechtsfolgen der Präklusivwirkung werden aber in der<br />
Rechtsordnung auf verschieden Weise gemildert. Was sind die Möglichkeiten?<br />
• Respektstunde<br />
• Wiedereinsetzung<br />
• In BS z.B. zusätzlich das besondere Verfahren der Einsprache, §213b ZPO BS<br />
Durch das in allen Prozessgesetzen bekannte Rechtsinstitut der<br />
Wiedereinsetzung soll was bewirkt werden?<br />
Der Prozessnachteil den eine Partei durch das Versäumen einer Prozesshandlung<br />
erlitten hat, soll beseitigt werden (Für BS ist § 34b ZPO massgeblich).<br />
Was sind die beiden allgemeinen Voraussetzungen der Wiedereinsetzung (BS)?<br />
Nach §34b(1) ZPO BS:<br />
1. Säumnis darf nicht auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen sein<br />
2. Die Wiedereinsetzung darf für den Ausgang des Prozesses nicht offenbar<br />
unerheblich sein.<br />
Wann ist die grobe Fahrlässigkeit gegeben?<br />
Wenn kein ungewöhnlicher Faktor, der das Verschulden in milderem Licht erscheinen<br />
lässt, bei der Fristversäumnis eine Rolle gespielt hat.<br />
Wem wird das Verschulden des Vertreters der säumigen Partei zugerechnet?<br />
Der Partei. Nicht hingegen das Verschulden einer Hilfsperson, z.B. einer<br />
Anwaltssekretärin (ausser bei ungenügender Beaufsichtigung, ungenügender<br />
Organisation...).<br />
Was unterscheidet den Baselstädtischen Rechtsbehelf der Einsprache <strong>von</strong> der<br />
Wiedereinsetzung?<br />
Es braucht bei der Einsprache keine Entschuldbarkeit der Säumnis, vgl. §213b ZPO BS.<br />
Was ist eine Prozessleitende Verfügung?<br />
Jede Anordnung des Verfahrensleiters oder des ganzen Gerichts, welche im Verlauf des<br />
Prozesses getroffen wird, ihn jedoch nur teilweise erledigt.<br />
18
Was ist das Gegenstück zur Prozessleitenden Verfügung?<br />
Prozesserledigender Entscheid (Urteil).<br />
§ 13 Klage<br />
Was ist die Klage?<br />
Das an das Gericht gerichtete Gesuch um Gewährung <strong>von</strong> Rechtsschutz durch<br />
Ausfällung eines Urteils. Ihre Einreichung bewirkt die Eröffnung des Prozesses.<br />
Form der Klage?<br />
Schriftlichkeit oder Mündlichkeit, je nach Verfahrensart! Normalfall ist die einfache<br />
Schriftlichkeit. Im mündlichen Verfahren wird die mündliche Stellungnahme der Parteien<br />
zu Protokoll genommen.<br />
Inhalt der Klage<br />
Vgl. §§ 37 ZPO BS, 104 (2) ZPO BL:<br />
1. Rechtsbegehren<br />
2. Begründung<br />
3. Beweismittel<br />
Welche Anforderungen werden an das Rechtsbegehren gestellt?<br />
1. Es muss bestimmt sein (so bestimmt, dass es bei Gutheissung der Klage zum<br />
richterlichen Urteil erhoben werden kann), Forderungsklagen sind genau zu<br />
beziffern. Unbezifferte Leistungsklagen sind aber <strong>von</strong> Bundesrecht wegen in<br />
bestimmten Fällen zulässig, vgl. unten.<br />
2. Die Klage muss unbedingt sein; das heisst aber nicht, dass dem Hauptbgeheren<br />
keine Eventualbegehren nachgestellt werden dürfen. Dies ist bei Geltung der<br />
Eventualmaxime sogar erforderlich!<br />
Sutter fragt gerne danach, wie denn ein Begehren formuliert sein muss. Beispiel:<br />
“Der Beklagte sei zur Zahlung <strong>von</strong> 5’000 Franken nebst Zins zu 5% ab 1. Januar<br />
2000 zu verurteilen, unter o./e. Kostenfolgen.“<br />
Mit welchem Akt wird der Prozess eröffnet?<br />
Mit der Einreichung der Klage beim Gericht, §36(1) ZPO BS.<br />
Wann wird das Prozessrechtsverhältnis begründet?<br />
Mit der Einreichung der Klage beim Gericht.<br />
Was ist die Voraussetzung jeder Klage?<br />
Ein Rechtsschutzinteresse (Interesse des Klägers an Gewährung <strong>von</strong> Rechtsschutz<br />
durch den Richter).<br />
Welche Klagearten sind zu unterscheiden?<br />
Allgemein:<br />
1. Leistungsklage<br />
19
2. Feststellungsklage<br />
3. Gestaltungsklage<br />
Besondere Formen:<br />
4. Unterlassungsklage = negative Leistungsklage<br />
5. Unbezifferte Forderungsklage<br />
6. Teilklage<br />
7. Widerklage<br />
8. Actio Duplex<br />
9. Verbandsklage<br />
10. Objektive Klagehäufung<br />
Was ist der Inhalt der Leistungsklage?<br />
Das Begehren um Verurteilung des Beklagten zur Vornahme einer positiven oder<br />
negativen Leistung.<br />
Welche besondere Formen der Leistungsklage sind neben der Unterlassungklage<br />
zu erwähnen?<br />
I. Klage auf künftige Leistung: wg. Rechtsschutzinteresse nur in einzelnen<br />
Fällen zulässig, v.a. bei periodischen Leistungen wie UNterhaltsbeiträgen<br />
II. Klage auf bedingte Leistung, auf Leistung Zug um Zug: Geklagt wird auf<br />
Leistung bei Eintritt der Bedingung<br />
III. Klage auf Abgabe einer Willenserklärung<br />
IV. Klage auf Bestreitungsvermerk<br />
Wann ist eine Klage auf eine zukünftige positive Leistung nur möglich?<br />
Wegen des erforderlichen Rechtsschutzinteresses nur dann, wenn es um periodische<br />
Leistungen geht.<br />
Wo sieht das Bundesrecht bspw. eine Unterlassungsklage vor?<br />
28a (1) Zif.. 1 ZGB<br />
Ist die unbezifferte Leistungsklage zulässig?<br />
Ja, in Ausnahmefällen Ausnahme vom Bestimmtheitsgebot <strong>von</strong> Bundesrechts wegen,<br />
vgl. 42 (2) OR und die Stufenklage (Bsp. Arbeitnehmeranspruch auf Anteil am<br />
Geschäftsergebnis. 322a OR: Jetzt verweigert Arbeitgeber Zahlung, aber Arbeitnehmer<br />
weiss nicht, welchen Umfang das Geschäftsergebnis hat, also muss er zuerst die<br />
Information einklagen, um dann seinen Anspruch einzuklagen. Mit der Stufenklage geht<br />
das im gleichen Prozess.<br />
Was verlangt der Kläger mit der Feststellungsklage?<br />
Die Feststellung, dass ein bestimmtes Recht oder Rechtsverhältnis besteht (positive<br />
Feststellungsklage) oder nicht besteht (negative Feststellungsklage).<br />
Was bezweckt die Feststellungsklage?<br />
Die Klärung einer ungewissen Rechtslage, ohne dass das Urteil dieselbe verändern<br />
würde.<br />
Wann ist die Feststellungsklage unzulässig?<br />
20
1. Zum Entscheid blosser Rechtsfragen?<br />
2. Zum Feststellen <strong>von</strong> Tatsachen (Widerrechtlichkeit eines bestimmten Verhaltens<br />
kann aber Gegenstand sein, vgl. z.B. 28a (1) ZGB)<br />
3. Wenn eine Leistungsklage zulässig ist (aber es gibt Ausnahmen)<br />
Was gilt bei der Wiedereinsetzung, wenn eine Appellations- oder Beschwerdefrist<br />
versäumt wurde?<br />
Nach § 34b Abs. 4 ZPO BS gelten für diesen Fall erhöhte Anforderungen. Der Säumige<br />
muss diesfalls darlegen, dass er vom entsprechenden Entscheid keine Kenntnis hatte<br />
und dass die Unkenntnis nicht auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen ist oder dass er<br />
die Wahrung der Frist infolge eines unverschuldeten Hindernisses versäumt hat, d.h.<br />
objektive Unmöglichkeit vorgelegen hat.<br />
Was ist Voraussetzung der Feststellungsklage?<br />
Das Feststellungsinteresse; dies ist eine Ausprägung des Rechtsschutzinteresses, das<br />
aber bei den anderen Klagearten regelmässig gegeben ist. Anders bei der<br />
Feststellungsklage.<br />
Wann ist das Feststellungsinteresse gegeben?<br />
1. Ungewissheit, Unsicherheit oder Gefährdung der Rechtsstellung des Klägers<br />
2. Unzumutbarkeit der Fortdauer dieser Rechtsungewissheit<br />
3. Unmöglichkeit der Behebung der Ungewissheit auf andere Weise, z.B. durch<br />
Leistungs- oder Feststellungsklage<br />
Ist eine Feststellungsklage über Rechtsverhältnisse Dritter zulässig?<br />
Gemäss h.L. und BGer schon, a.A. aber Sutter/Staehelin: da das richterliche Urteil für<br />
den Dritten, der nicht Partei des Verfahrens ist, unverbindlich ist und damit auch den<br />
Parteien nicht die ersehnte Klärung der Rechtslage verschaffen kann.<br />
Woraus ergibt sich das rechtliche Interesse?<br />
Für bundesrechtlich geregelte Rechte aus Bundesrecht. Z.T. wird die Feststellungsklage<br />
durch Bundesrecht ausdrücklich gewährt. Wird das Interesse zu Unrecht bejaht oder<br />
verneint, liegt also eine Verletzung <strong>von</strong> Bundesrecht vor.<br />
Ist ein Feststellungsinteresse des Klagenden vorausgesetzt?<br />
Ja, denn es soll nutzlose oder missbräuchliche Prozessführung verhindern<br />
(Prozessökonomie).<br />
Wie kann eine umstrittene aber noch nicht fällige Forderung mittels einer Klage<br />
Gegenstand eines Prozesses sein?<br />
Eine Leistungsklage ist ausgeschlossen. Die Berechtigung der Forderung kann jedoch<br />
mit einer Feststellungsklage abgeklärt werden.<br />
Was ist eine Gestaltungsklage und was bewirkt sie?<br />
Mit der Gestaltungsklage verlangt der Kläger, dass der Richter durch sein Urteil ein<br />
bestimmtes Rechtsverhältnis oder Recht gestaltet, indem er es begründet, verändert<br />
oder aufhebt.<br />
21
Beispiele <strong>von</strong> Gestaltungklagen<br />
1. Ungültigkeiterklärung, Scheidung oder Trennung der Ehe<br />
2. Anfechtung der Anerkennung der Vaterschaft, Anfechtung der<br />
Vaterschaftsvermutung, Vaterschaftsklage (Statusklagen)<br />
3. Klage auf Zusprechung <strong>von</strong> Grundeigentum<br />
4. Klagen auf Ungültigerklärung und Herabsetzung <strong>von</strong> Testamenten<br />
5. Klagen auf Aufhebung <strong>von</strong> Gesamthandschaften und Miteigentum<br />
6. Prozessuale Gestaltungsklagen des SchKG (z.B. 77, 80 SchKGund des<br />
kantonalen Prozessrechts<br />
Wie wirken Gestaltungsklagen?<br />
Gegenüber jedermann, ausser im Fall der Ungültigkeit- und Herabsetzungsklage des<br />
Erbrechts.<br />
Wirkt ein Gestaltungsurteil ex nunc oder ex tunc?<br />
Es kommt darauf an. Eine Klage auf Ehescheidung wirkt ex nunc, eine Klage auf<br />
Anfechtung des Kindesverhältnisses wirkt ex tunc.<br />
Was ist unter der Widerklage zu verstehen?<br />
Vgl. §§ 64 ff. ZPO BS, 36 / 108 ZPO BL<br />
Die im Prozess des Klägers vom Beklagten gegen den Kläger erhobene Klage, der<br />
„Gegenangriff“. Sie muss einen gegenüber der Klage selbständigen Anspruch und nicht<br />
bloss eine Einrede zum Gegenstand haben.<br />
Wie verhält sich die Widerklage zur Hauptklage?<br />
Selbständig: Sie ist <strong>von</strong> deren Schicksal unabhängig. Wird z.B. die Hauptklage<br />
zurückgezogen, so bleibt die Widerklage bestehen.<br />
Was ist unter der Konnexität zu verstehen?<br />
Will man am Gerichtsstand der Hauptklage Widerklage erheben, muss Konnexität<br />
gegeben sein; einzelne Gesetze, nicht aber BS und BL, machen da<strong>von</strong> sogar die<br />
Zulässigkeit der Widerklage abhängig. Vgl. insb. 6 GestG.<br />
Konnexität ist gegeben, wenn die Ansprüche sich aus dem gleichen Rechtsgeschäft<br />
oder Sachverhalt ableiten, oder sich auf verschiedene Sachverhalte stützen, aber eine<br />
enge rechtliche Beziehung haben.<br />
Voraussetzungen der Widerklage<br />
1. Gleiche sachliche und örtliche Zuständigkeit; dabei ist für die sachliche<br />
Zuständigkeit, wenn für die Klagen kein Sondergericht zuständig ist, allein der<br />
höhrere Streitwert entscheidend (§§ 36 (3) ZPO BL, 214 (4) ZPO BS)<br />
2. Gleiche Verfahrensart<br />
3. (Konnexität)<br />
4. Rechtshängigkeit der Hauptklage<br />
5. Rechtzeitige Erhebung der Widerklage: BS gleichzeitig mit Klagebeantwortung (§<br />
66 ZPO BS), BL bei Prozesseinleitung (§ 36 (2) ZPO BL)<br />
Ist die Eventualwiderklage zulässig?<br />
22
Es ist zulässig (also, dass im Fall der Gutheissung der Hauptklage Widerklage erhoben<br />
wird)<br />
Ist die Wider-Widerklage zulässig?<br />
In BS und BL unbekannt. Der Kläger kann aber den mit der Hauptklage erhobenen<br />
Anspruch auf dem Weg der Klageänderung nachträglich abändern oder ergänzen.<br />
Was ist eine Provokationsklage?<br />
Vgl. § 45 ZPO BS. Bei der Provokationsklage kann ein Anspruchsgegner <strong>von</strong> einer<br />
Person, die einen Anspruch behauptet, verlangen, dass das Gericht dieser Person eine<br />
Frist ansetzt, innert welcher er diesen Anspruch klageweise geltend machen muss,<br />
andernfalls er ihn verliert. Diese Klage hat aber dasselbe Ziel wie eine negative<br />
Feststellungsklage (nur das Bundesrecht bestimmt, welche Klagen eigentlich zulässig<br />
sind) und ist daher <strong>von</strong> Bundesrechts wegen nicht zulässig.<br />
Teilklage<br />
Ausfluss des Klagerechts, soll Kostenrisiko reduzieren. Zu unterscheiden sind echte und<br />
unechte Teilklage. Beispiel für letzteres: Einklagen eines Lohnanspruchs, wobei jeder<br />
einzelne Monatslohn eine eigene causa ist, man also jeden einzeln einklagen kann oder<br />
auch ein paar zusammen. Bei der echten Teilklage wird nur ein Teil eines einzelnen<br />
Anspruchs eingeklagt.<br />
Wie kann einem Missbrauch der Teilklage begegnet werden?<br />
Durch Erhebung negativer Feststellungsklage über den ganzen Anspruch des Klägers,<br />
indem Widerklage erhoben wird. Zuständig ist dann der für die Widerklage zuständige<br />
Richter<br />
Materielle Rechtskraft der Teilklage<br />
Rechtskraft erlangt die Klage nur bezüglich des eingeklagten Teilanspruchs. Der Rest<br />
kann also in einem zweiten Prozess geltend gemacht werden. Allerdings ist diese Sicht<br />
umstritten, namentlich Sutter ist nicht einverstanden<br />
Objektive Klagenhäufung<br />
Kläger kann im gleichen Verfahren mehrere Ansprüche gegen den Beklagten geltend<br />
machen, und zwar kumulativ nebeneinander oder im Eventualverhältnis, aber nicht<br />
alternativ.<br />
Voraussetzungen sind 1) gleiche örtliche und sachliche Zuständigkeit (diese ist nach<br />
GestG 7 (2) an dem für einen Anspruch gegebenen Ort stets gegeben) und gleiche<br />
Verfahrensart.<br />
Was ist die actio duplex?<br />
Doppelseitige Klage, d.h. auch die Beklagte kann Anträge auf Zusprechung ihres Anteils<br />
stellen, ohne Widerklage zu erheben, z.B. güterrechtliche Auseinandersetzung im<br />
Scheidungsprozess<br />
Verbandsklage<br />
Niemals Leistungsklage, in Frage kommt Feststellungsklage, z.B. 10 (2) UWG.<br />
23
Es liegt keine Prozessstandschaft vor, da nicht für die Mitglieder geklagt wird. Geregelt<br />
ist die Verbandsklage teilweise durch Gesetz, darüber hinaus durch die Praxis des<br />
Bundesgerichts.<br />
Class Action<br />
Gleicht einer gewillkürten Prozessstandschaft: Wer nicht mitmachen will, muss das<br />
explizit erklären. Dabei vertritt eine Person oder eine kleine Gruppe eine grosse Gruppe<br />
<strong>von</strong> Personen in einem Verfahren; ermöglicht wird so die Gleichbehandlung aller<br />
Geschädigten, vgl. Raucherklagen, Holocaustklagen.<br />
In der Schweiz unbekannt, es gibt aber z.B. im Kernenergiehaftpflichtgesetz<br />
Gruppenklagen.<br />
§ 14 Beweisrecht<br />
Worauf bezieht sich der Beweis?<br />
Auf die Frage, ob die <strong>von</strong> der Partei behaupteten oder vom Richter allenfalls <strong>von</strong> Amtes<br />
wegen ermittelten Tatsachen wahr sind.<br />
Was soll durch die Beweisführung mittels Beweismittel herbeigeführt werden?<br />
Der Beweiserfolg.<br />
Worin besteht der Beweiserfolg?<br />
Darin, dass der Richter <strong>von</strong> der Wahrheit der behaupteten Tatsachen überzeugt ist.<br />
Wem obliegt die Beweisführungslast im Rahmen der uneingeschränkten<br />
Untersuchungsmaxime?<br />
Dem Richter.<br />
Welche beweisbedürftige Tatsachen sind zu unterscheiden?<br />
1. Rechtserhebliche Tatsachen<br />
2. Indizien<br />
3. Geschäftliche Usanzen, Handelsbräuche und Verkehrsübung im rechtsgeschftlichen<br />
Verkehr<br />
In welche beiden Arten lassen sich rechtserhebliche Tatsachen aufteilen?<br />
In innere und äussere Tatsachen.<br />
Was sind äussere Tatsachen?<br />
Äussere Tatsachen sind Begebenheiten, die sich in der Aussenwelt abgespielt haben,<br />
z.B. die Tatsache einer Beschädigung einer Sache.<br />
Was sind innere Tatsachen?<br />
Hier geht es darum, was eine Partei gewusst oder gewollt hat.<br />
Können beweisbedürftige Tatsachen auch in der Zukunft liegen?<br />
Ja, so zum Beispiel ein Versorgerschaden.<br />
24
Was sind Indizien?<br />
= Hilfstatsachen. Das sind Tatsachen, die aufgrund einer erfahrungsmässigen<br />
Bedeutung den indirekten Schluss auf eine andere Tatsache zulassen (ZPO BS § 98).<br />
Müssen auch Handelsbräuche etc. bewiesen werden?<br />
Ja, denn es kommt ihnen, ausser in den Fällen in denen das Gesetz selbst auf den<br />
Ortsgebrauch verweist, nur durch eine Abrede Bedeutung zu.<br />
Was sind nicht beweisbedürftige Tatsachen?<br />
1. Notorische und gerichtsnotorische Tatsachen<br />
2. Erfahrungssätze<br />
3. Natürliche Vermutungen<br />
4. Gerichtlich zugestandene Tatsachen<br />
Was sind notorische oder gerichtsnotorische Tatsachen?<br />
Tatsachen, welche allgemein oder dem Richter aufgrund seiner Tätigkeit bekannt sind.<br />
Was, wenn der Richter privates Wissen hat?<br />
Dann muss er in den Ausstand treten und als Zeuge aussagen.<br />
Was sind Erfahrungssätze?<br />
Erkenntnisse der betreffenden Wissenschaft über bestimmte Geschehenabläufe oder<br />
über Ursachen und Wirkungen.<br />
Wann dürfen Erfahrungssätze vom Richter berücksichtigt werden?<br />
Auch dann, wenn sie <strong>von</strong> keiner Partei behauptet worden sind. Der Richter muss den<br />
Parteien jedoch Gelegenheit zur Stellungnahme geben.<br />
Was, wenn das Wissen des Richters nicht ausreicht, um den z.B. medizinischen<br />
Erfahrungssatz zu würdigen?<br />
Dann muss er einen Sachverständigen beiziehen.<br />
Genügt für eine gerichtlich zugestandene Tatsache, dass sie nicht ausdrücklich<br />
bestritten wurde?<br />
Ja.<br />
Wo<strong>von</strong> ist das Zugeständnis zu unterscheiden?<br />
Von der Anerkennung; diese bezieht sich auf das Rechtsbegehren!<br />
Wo regeln die ZPO BS und BL das Zugeständnis?<br />
BS §94, BL §106 (4)<br />
Was ist eine natürliche Vermutung?<br />
Eine Vermutung, die sich auf die allgemeine Lebenserfahrung stützt. Begründet keine<br />
eigentliche Umkehr der Beweislast.<br />
Ist ein Zugeständnis ein Beweis?<br />
25
Nein, sondern entbindet für eine bestimmte Tatsache vom Beweis und ersetzt diesen.<br />
Befreien gerichtlich zugestandene Tatsachen auch im Bereich der<br />
Untersuchungsmaxime <strong>von</strong> der Beweisführung?<br />
Ja.<br />
Müssen Rechtssätze bewiesen werden?<br />
Nein, iura novit curia.<br />
Wann sind Rechtssätze nachzuweisen?<br />
Grundsätzlich gilt der Grundsatz „iura novit curia“, allerdings ist ausländisches Recht<br />
nachzuweisen, wenn Gericht da<strong>von</strong> keine sichere Kenntnis hat, vgl. 16 (1) IPRG<br />
Was ist die Beweisführung?<br />
Das ist die Tätigkeit des Beweisens.<br />
Wer leitet das Beweisverfahren?<br />
Der Richter.<br />
Welche Arten des Beweises sind zu unterscheiden?<br />
1. Mittelbarer (indirekter) und unmittelbarer (direkter) Beweis<br />
2. Hauptbeweis, Beweis des Gegenteils und Gegenbeweis<br />
Was ist ein unmittelbarer Beweis?<br />
Der unmittelbare Beweis belegt die zu beweisende Tatsache selbst. So beweist der<br />
Vertrag den Vertragschluss.<br />
Was ist der mittelbare Beweis?<br />
Das ist ein Beweis durch Indizien. Der Beweis wird nur indirekt erbracht.<br />
Wer trägt die Beweislast für den Hauptbeweis?<br />
Diejenige Partei, welche den Richter vom Vorhandensein einer oder mehrerer<br />
Tatsachen zu überzeugen hat und ohne entsprechenden Beweiserfolg den Prozess<br />
verliert (ZGB 8).<br />
Was kann die Gegenpartei unternehmen?<br />
Sie kann den Gegenbeweis führen.<br />
Wie werden gesetzliche Vermutungen widerlegt?<br />
Durch den Beweis des Gegenteils. Dieser Beweis ist Hauptbeweis.<br />
Was sind Beweismittel?<br />
Das sind die <strong>von</strong> der Rechtsordnung anerkannten tauglichen und zulässigen<br />
Instrumente, um den Beweiserfolg herbeizuführen.<br />
Bundesrechtliche Schranken bezüglich der Beweismittel<br />
1. Es dürfen keine Beweismittel vorgesehen werden, die gar nicht beweistauglich<br />
sind (untere Schranke).<br />
26
2. Kantone dürfen keine übermässigen Anforderungen an die Beweismittel stellen<br />
(obere Schranke).<br />
Nenne die Beweismittel im Einzelnen<br />
1. Zeuge<br />
2. Urkunden<br />
3. Augenschein<br />
4. Gutachten (Sachverständiger)<br />
5. Förmliche Parteiaussage (Beweisaussage)<br />
Körperliche Untersuchung und die Auskunftsperson werden zwar <strong>von</strong> Stahelin/Sutter<br />
erwähnt, gehören aber gemäss Vogel nicht zu den klassischen Beweismitteln.<br />
Keine herkömmlichen Beweismittel sind übereinstimmend schriftliche Auskunft und<br />
informative Parteibefragung.Nicht mehr zulässig sind Eid und Handgelübde.<br />
Können Beweismittel auch ohne Parteiantrag eingesetzt werden?<br />
Gilt die Untersuchungsmaxime, sind die Beweis grundsätzlich sowieso Sache des<br />
Richters; unter der Verhandlungsmaxime können aber gewisse Beweise auch ohne<br />
Parteiantrag eingesetzt werden, namentlich der Augenschein, in BL (entgegen dem<br />
Wortlaut <strong>von</strong> 149 ZPO BS nicht aber in BS) auch das Gutachten.<br />
Was sind Zeugen?<br />
Das sind Personen, welcher <strong>von</strong> einer zu beweisenden Tatsache durch eigene<br />
Sinneswahrnehmung Kenntnis haben, vgl. §113 ZPO BS.<br />
Können Kinder Zeugen sein?<br />
Vorausgesetzt ist urteilsfähigkeit; Kinder können über alle Tatsachen Zeugnis ablegen,<br />
deren Erkenntnis ihrem Sinnes- und Denkvermögen zugänglich ist., 114 (2) ZPO BS;<br />
anders aber ZPO BL, die Kinder erst ab 14 Jahren als Zeugen zulässt.<br />
Welche Arten der Zeugnisunfähigkeit sind zu unterscheiden?<br />
1. Absolute Zeugnisunfähigkeit<br />
2. Relative Zeugnisunfähigkeit<br />
3. Zeugnisunfähigkeit wegen Befangenheit (als Einwand geltend zu machen)<br />
Was ist die absolute und was die relative Zeugnisunfähigkeit?<br />
Wer infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen nicht in der Lage gewesen ist, die zu<br />
beweisende Tatsache wahrzunehmen, gilt als absolut zeugnisunfähig, §114(1) ZPO BS,<br />
160 Ziff. 1, 171 (1) ZPO BL<br />
Relative Zeugnisunfähigkeit liegt dagegen dann vor, wenn zwischen einem Zeugen und<br />
einer Partei eine starke persönliche Bindung besteht, §115 ZPO BS. Hier spielt es keine<br />
Rolle, ob die Person zu Gunsten oder zu Lasten der Partei aussagen wollte.<br />
Beispiele relativer Zeugnisunfähigkeit in BS<br />
Anwalt einer Partei, Organe einer juristischen Person, wenn letztere selber Partei ist.<br />
Was ist die Zeugnisunfähigkeit wegen Befangenheit?<br />
Diese liegt dann vor, wenn ein Zeuge mit einer Partei befreundet oder verfeindet ist bzw.<br />
<strong>von</strong> einer Partei abhängig ist oder Interesse am Ausgang des Prozesses hat Der Richter<br />
kann diese Personen dann als Zeugen ausschliessen.<br />
27
Was ist die „Rekusation“ des Zeugen?<br />
Dies ist der Einwand der Befangenheit, §117 ZPO BS, 162 ZPO BL. Er ist den Parteien<br />
gestattet und muss, wenn die Eventualmaxime gilt, rechtzeitig geltend gemacht werden.<br />
Gibt es im schweizerischen Zivilprozess so etwas wie die Zeugnispflicht?<br />
Ja, die Zeugnispflicht ist eine Bürgerpflicht, §128 ZPO BS, 159 ZPO BL. Nötigenfalls<br />
kann der Zeuge zwangsweise vorgeführt werden, was aber in der Praxis selten<br />
vorkommt.<br />
Gibt es ein Zeugnisverweigerungsrecht?<br />
Ja, wer zu seinem eigenen Nachteil oder zu seiner Schande aussagen müsste, der darf<br />
das Zeugnis verweigern, §116 ZPO BS, 161 Ziff. 1 ZPO BL.<br />
Für bestimmte Personen sehen 116 Ziff. 2 ZPO BS, 161 Ziff. 2 ZPO BL ein<br />
Zeugnisverweigerungsrecht vor; Richtigerweise geht es hier um eine<br />
Zeugnisverweigerungspflicht!<br />
Sind Personen, die <strong>von</strong> Gesetzes wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind,<br />
<strong>von</strong> der allgemeinen Zeugnispflicht ausgenommen?<br />
Nein, ausser es wird ihnen vom kantonalen Recht eine solche Ausnahme eingeräumt.<br />
Was ist die Zeugnisverweigerungspflicht und für wen besteht eine solche?<br />
Art. 321 StGB verpflichtet Angehörige gewisser Berufsgruppen zur Verschwiegenheit<br />
betreffend Geheimnisse, die ihnen aufgrund ihres Berufes anvertraut worden sind. Die<br />
Kantone können diese Pflicht einschränken, was BS und BL getan haben, Ziff. 2 ZPO<br />
BS und 161 Ziff. 2 ZPO BL. Damit ist die Pflicht in BS und BL auf die in deren<br />
Prozessordnungen aufgeführten Personen beschränkt.<br />
Die Aufzählung ist abschliessend. Diese Personen sind zur Zeugnisverweigerung<br />
verpflichtet und dürfen nur vom Geheimnisherrn <strong>von</strong> dieser Pflicht befreit werden. Ist<br />
diese Entbindung erfolgt, so besteht auch kein Verweigerungsrecht mehr.<br />
Was ist die Zeugenbefragung und durch wen wird sie vorgenommen?<br />
Die Zeugenbefragung wird vom Richter vorgenommen. Im schweizerischen Zivilprozess<br />
gibt es keine Kreuzverhöre nach amerikanischem Vorbild. Der Richter mahnt den<br />
Zeugen an seine Wahrheitspflicht und macht ihn darauf aufmerksam, dass falsches<br />
Zeugnis strafbar ist.<br />
Nach der Zeugenbefragung durch den Richter erhalten die Partien ihrerseits<br />
Gelegenheit, Fragen an den Zeugen zu stellen. Unter Umständen kann es notwendig<br />
sein, verschiedene Zeugen miteinander zu konfrontieren.<br />
Vgl. 125 ff. ZPO BS, 164 ff. ZPO BL<br />
Was ist eine Auskunftsperson?<br />
Eine Auskunftsperson ist eine Person, die relativ zeugnisunfähig ist. Ihre Aussage hat<br />
nicht die gleiche Beweiskraft wie eine Zeugenaussage, kann jedoch zur Erhellung des<br />
Sachverhaltes beitragen. 115 (2) ZPO BS<br />
Was ist eine Urkunde?<br />
Eine Urkunde ist jedes Schriftstück, das einen Gedanken verkörpert.<br />
28
Wann ist eine Urkunde beweiskräftig?<br />
Um beweiskräftig zu sein, muss die Urkunde echt sein, d.h. <strong>von</strong> ihrem Aussteller<br />
stammen. Eine Fälschung muss <strong>von</strong> der Partei bewiesen werden, die diesen Einwand<br />
erhebt. Sie kann den Beweis des Gegenteils erbringen. 100 ff. ZPO BS, 139 ZPO BL.<br />
Welche Urkunde muss im Original vorgewiesen werden?<br />
Nur die Urkunden im Rechtseröffnungsverfahren nach Art. 82 SchKG, wo der<br />
Eröffnungstitel im Original vorgewiesen werden muss. Ansonsten genügt in BS und BL<br />
das Einreichen einer Kopie, wobei die Pflicht besteht, auf Verlangen des Richters das<br />
Original nachzureichen (Praxis zu 40 ZPO BS).<br />
Welche Urkundenarten sind zu unterscheiden?<br />
1. Öffentliche Urkunden und Privaturkunden<br />
2. Dispositiv- und Indizienurkunden<br />
Wie unterscheiden sich öffentliche und Privaturkunden?<br />
1. Ersteres sind Schriftstücke, die <strong>von</strong> einer Behörde bzw. einem Beamten oder<br />
einem Notar in Ausübung der öffentlichen Aufgabe ausgestellt worden sind,<br />
letzteres sind Urkunden, die <strong>von</strong> Privaten ausgestellt wurden. §101, 102 ZPO BS,<br />
136, 137 ZPO BL.<br />
2. Erstere haben eine erhöhte Beweiskraft, für sie gilt die Vermutung der Richtigkeit.<br />
Letzteren kommt ebenfalls Beweiskraft zu, der Richter ist in ihrer Würdigung aber<br />
frei; sie erbringen gegen denjenigen Beweis, der sie ausgestellt hat.<br />
Steht der Gegenpartei bei öffentlichen Urkunden der Beweis des Gegenteils zu?<br />
Im Anwendungsbereich <strong>von</strong> 9 (2) ZGB: Ja, und zwar ist der Nachweis an keine<br />
besondere Form gebunden, kann als auch durch einen Zeugen erfolgen. 9 ZGB gilt aber<br />
nur für Urkunden, die vom Bundesprivatrecht vorgesehen werden.<br />
Was sind Dispositiv- und was Indizienurkunden?<br />
Die Dispositivurkunde verkörpert selbst den zu beweisenden Rechtsakt, welcher ohne<br />
Errichtung der Urkunde gar nicht zustande gekommen wäre. Dies ist zum Beispiel das<br />
Grundbuch bei der Grundeigentumsübertragung.<br />
Die Indizienurkunde gibt Kenntnis <strong>von</strong> einem ihr ausserhalb liegenden Rechtsakts. So<br />
beweist die Quittung die Tilgung der Schuld.<br />
Herausgabepflicht<br />
Sgn. Editionspflicht = Pflicht zur Herausgabe <strong>von</strong> Urkunden. Über die Editinspflicht<br />
entscheidet der Richter. Sie geht in BL weiter als in BS.<br />
109 ff. ZPO ZPO BS, 141 f. ZPO BL.<br />
Bestimmt der Richter, dass eine Partei Urkunden herauszugeben hat, so wird vermutet,<br />
dass die Tatsachen, welche die Gegenpartei als in der Urkunde enthalten behauptet,<br />
sich tatsächlich zugetragen haben. Dies gilt namentlich auch sowohl bei Verweigerung<br />
der Herausgabe als auch bei schuldhafter Vernichtung oder Entäusserung der Urkunde!<br />
29
Können Dritte zur Edition verpflichtet werden?<br />
Ja, wobei ihre Pflicht weniger weit geht, 110 ZPO BS, 142 ZPO BL. Bei Verweigerung<br />
kann auch höchstens eine Schadenersatzpflicht des Dritten entstehen, keine Vermutung<br />
der Richtigkeit der behaupteten Tatsachen.<br />
Wahrung <strong>von</strong> Geschäftsgeheimnissen im Rahmen der Editionspflicht<br />
BS kennt kein Schutz <strong>von</strong> Geschäftsgeheimnissen, allenfalls in dem Sinn, dass die<br />
Editionspflicht eingeschränkt ist; anders 143 ZPO BL. Ausserdem bestehen für wichtige<br />
Bereiche wie das Patentrecht bundesrechtliche Spezialvorschriften.<br />
Welche Vorschriften kommen bei Urkunden öffentlichen Rechts zur Anwendung?<br />
Das ist eine Frage der massgebenden Vorschriften des öffentlichen Rechts. Berechtigte<br />
Geheimhaltungsinteressen sind zu wahren, indem der Richter die Akten z.B. nur<br />
teilweise zur Kenntnis bringt.<br />
Was ist der Augenschein?<br />
Der Augenschein, 148 ZPO BS, 146 ZPO BL, dient der eigenen Sinnerwahrnehmung<br />
der Richter und ist zugleich Aufklärungs- sowie Beweismittel. Er ist auch unter der<br />
Verhandlungsmaxime ohne Parteiantrag zulässig.<br />
Können Dritte verpflichtet werden, dem Richter z.B. Zutritt zu ihrem Grundstück<br />
zu geben?<br />
Ja, eine eventuelle Einschränkung dieser Pflicht kann sich höchstens in Analogie zum<br />
Zeugnisverweigerungsrecht ergeben.<br />
Können Menschen Gegenstand eines Augenscheins sein?<br />
Nein, nur Gegenstände und Örtlichkeiten. Menschen sind <strong>von</strong> einem Sachverständigen<br />
zu untersuchen.<br />
Welche Aufgabe erfüllt ein Sachverständiger?<br />
Der Sachverständige (Experte) soll dem Richter durch seine speziellen fachlichen<br />
Kenntnisse die zur Entscheidung des Prozesses notwendige Erfahrung vermitteln, 149<br />
ZPO BS, 149 ZPO BL.<br />
Kann eine Rechtsfrage Gegenstand einer Expertise sein?<br />
Nur ausnahmsweise, nämlich dann, wenn es um die Anwendung <strong>von</strong> ausländischem<br />
Recht geht, welches nicht gerichtsnotorisch ist. Ansonsten sind Rechtsfragen vom<br />
Richter zu entscheiden.<br />
Pflichten des Experten<br />
Erstellung des Gutachtens in objektiver und unbefangener Weise; vorsätzliches<br />
Erstellen eines falschen Gutachtens wird nach 307 StGB bestraft.<br />
Gibt es eine Pflicht zur Erstattung <strong>von</strong> Gutachten?<br />
Ja, das kantonale Recht kann eine solche Pflicht vorsehen, so in BS in §151 ZPO BS.<br />
BL kennt eine Pflicht nur für Ärzte.<br />
30
In welcher Form ist das Gutachten zu erstellen?<br />
Je nachdem schriftlich oder mündlich, 153 (1) ZPO BS, 154 f. ZPO BL<br />
Ist der Richter an das Ergebnis des Gutachtens eines Sachverständigen<br />
gebunden?<br />
Nein, es steht ihm die freie Würdigung zu. Allerdings muss er triftige Gründe haben,<br />
wenn er in der Urteilsbegründung vom Gutachten abweicht, andernfalls liegt willkürliche<br />
Beweiswürdigung vor.<br />
Besitzen Expertisen, welche nicht vom Richter, sondern <strong>von</strong> Parteien eingeholt<br />
worden sind, die gleiche Beweiskraft wie die gerichtlichen Expertisen?<br />
Nein, sie sind Parteibehauptungen in tatsächlicher Hinsicht gleichgestellt. Der Richter<br />
kann jedoch auch Parteigutachten Beweiskraft zuerkennen.<br />
Worin liegt die grösste praktische Bedeutung der körperlichen Untersuchung?<br />
In Prozessen zur Feststellung oder Anfechtung des Kindesverhältnisses.<br />
Wann besteht die Pflicht zur Duldung einer körperlichen Pflicht nicht?<br />
1. Wenn keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage vorliegt<br />
2. Wenn ein Recht auf Zeugnisverweigerung besteht<br />
3. oder wenn eine körperliche Schädigung entstehen würde.<br />
Genügen die kantonalen Vorschriften über die allgemeine Zeugnispflicht zur<br />
Begründung der Pflicht, eine körperliche Untersuchung über sich ergehen zu<br />
lassen?<br />
Nein, die notwendige Vorschrift kann im Bundesrecht oder im kantonalen Recht<br />
enthalten sein. In Prozessen zur Feststellung oder Anfechtung des Kindesverhältnisses<br />
besteht gemäss ZGB 254 Ziff. 2 eine Pflicht der Parteien und Dritter (Personen, welche<br />
als Vater des Kindes in Frage kommen), an Untersuchungen mitzuwirken, die zur<br />
Aufklärung der Abstammung nötig sind.<br />
Was ist die amtliche Erkundigung?<br />
Mit der amtlichen Erkundigung ersucht das Gericht eine Behörde oder einen Privaten<br />
um schriftliche Auskunft über einen bestimmten Sachverhalt, 158 ZPO BS.<br />
Wann kann der Richter eine amtliche Erkundigung einholen?<br />
Von Amtes wegen nur dort, wo das Gericht ohne Parteiantrag einen bestimmten<br />
Sachverhalt eruieren muss, also insb. bei Geltung der Untersuchungsmaxime. In den<br />
übrigen Fällen ist ein Parteiantrag nötig.<br />
Aus welchem Grundsatz ergibt sich die Pflicht des Gerichts, das Ergebnis der<br />
amtlichen Erkundigung den Parteien zur Stellungnahme zur Kenntnis zu bringen?<br />
Grundsatz des rechtlichen Gehörs.<br />
Zwischen welchen zwei Formen der Parteibefragung ist zu unterscheiden?<br />
1. Förmliche Parteibefragung (=Beweisaussage)<br />
2. Informative Parteibefragung<br />
31
Kennen BS und BL beide Formen der Parteibefragung?<br />
Nein, nur die informative.<br />
Stellt die informative Parteibefragung ein Beweismittel dar?<br />
Nein, sie dient dem Richter lediglich zur Erfüllung seiner Fragepflicht, z.B. bei der<br />
Geltung der Untersuchungsmaxime (Scheidungsprozess...).<br />
Eid<br />
= Feierliche Anrufung Gottes zur Bekräftigung einer Tatsachenbehauptung.<br />
Alle Formen des Eids sind aufgrund BV 15 (4) verfassungswidrig: Niemand darf<br />
gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder<br />
anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu<br />
folgen.<br />
Was besagt das Recht auf Beweis?<br />
Dass der Richter rechtzeitig bezeichnete und eingereichte Beweismittel für<br />
rechtserhebliche Tatsachen nicht einfach unberücksichtigt lässt, sondern die Beweise<br />
tatsächlich abnimmt (langjährige – aus ZGB 8 abgeleitete – Rechtssprechung).<br />
Was stellt die Nichtabnahme beweistauglicher und rechtzeitig anerbotener<br />
Beweismittel dar?<br />
Ein wesentlicher Verfahrensmangel.<br />
Was ist die Beweiswürdigung?<br />
Die Bewertung der Ergebnisse des Beweisverfahrens im Hinblick auf die zu<br />
beweisenden Tatsachen durch den Richter. Durch den Beweis soll der Richter <strong>von</strong> der<br />
Wahrheit der behaupteten Tatsache überzeugt werden.<br />
Sie richtet sich grundsätzlich nach kantonalem Recht, wird aber in bestimmten<br />
Bereichen durch Bundesprivatrecht geregelt.<br />
Worum geht es bei der Beweiswürdigung?<br />
Nur um die Feststellung des Sachverhalts (Tatfrage), nicht auch um die rechtliche<br />
Würdigung der Tatsachen (Rechtsfrage)! Namentlich ist die freie Beweiswürdigung vom<br />
freien Ermessen des Richters zu unterscheiden.<br />
Was besagt der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung?<br />
Dass der Richter ohne Bindung an bestimmte formelle Beweisregeln, nach<br />
pflichtgemäss ausgeübten Ermessen und nach seiner frei gebildeten Überzeugung frei<br />
darüber befinden soll, ob der Beweis (auch auf Grund <strong>von</strong> Indizien oder höherer<br />
Wahrscheinlichkeit, wenn der direkte Beweis nicht möglich ist) geleistet worden ist oder<br />
nicht.<br />
Es bedeutet aber nicht, dass der Richter nach Belieben und Willkür entscheiden kann.<br />
Er muss seinen Entscheid auch zumindest summarisch begründen, damit er überprüft<br />
werden kann.<br />
Nenne ein Beispiel für eine formelle Beweisregel (die die freie richterliche<br />
Beweiswürdigung doch einschränkt)!<br />
32
ZGB 9 (1): „...vollen Beweis...“. Allerdings gilt für den Beweis der Unrichtigkeit wiederum<br />
freie Beweiswürdigung, 9 (2) ZGB.<br />
Was ist unter dem Beweismass zu verstehen?<br />
Intensität der Überzeugung des Richters, die vorgeschrieben ist, damit der Beweis<br />
erbracht ist. Nicht jede erhebliche und bestrittene Tatsache muss strikt bewiesen<br />
werden (Absolute Sicherheit), wie das z.B. 34 oder 254 Ziff. 1 ZGB vorschreiben. In<br />
gewissen Fällen genügt das blosse Glaubhaftmachen, z.B. ZGB 256b II, 260b II, 961 III.<br />
Wann ist eine Tatsache glaubhaft?<br />
Wenn eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der behaupteten Tatsache<br />
besteht.<br />
Was ist die antizipierte Beweiswürdigung?<br />
Kommt der Richter zum Schluss, dass ein bestimmtes Beweismittel am Beweisergebnis<br />
nichts mehr ändern würde, kann er auf die Abnahme des Beweismittels verzichten. Es<br />
muss aber unwiderlegbar feststehen, dass die Beweisabnahme nichts mehr ändern<br />
würde.<br />
Was stellt die fehlerhaft antizipierte Beweiswürdigung in BS und BL dar?<br />
Kein Verfahrensmangel, sondern Willkür, womit in appellablen<br />
Fällen die Beschwerde ausgeschlossen ist.<br />
Was bedeutet die Beweislastpflicht für die betroffene Partei?<br />
Die Folgen der Beweislosigkeit tragen zu müssen: Der Richter hat da<strong>von</strong> auszugehen,<br />
dass die Tatsache, für die kein Beweis erbracht wurde, nicht wahr ist. ZGB 8.<br />
Zwischen welchen zwei Formen der Beweislast wird in der Lehre unterschieden?<br />
Subjektive Beweislast (Beweisführungslast) und objektive Beweislast (Risiko der<br />
Beweislosigkeit), wobei sich ersteres aus letzterem ergibt.<br />
Ist die Unterscheidung zwischen subjektiver und objektiver Beweislast <strong>von</strong><br />
praktischer Bedeutung?<br />
Gilt nur die eingeschränkte Untersuchungsmaxime, entfällt die subjektive Beweislast, im<br />
Bereich der vollen Offizialmaxime entfällt sogar die objektive Beweislast.<br />
Welche drei „Tatsachen“ bilden die Grundlage der sog. Normentheorie?<br />
1. Rechtserzeugende Tatsachen, z.B. Vorliegen eines Testaments, das der Legatar<br />
zu beweisen hat, wenn er seine Ansprüche geltend machen will. Den Beweis hat<br />
gemäss ZGB 8 der zu führen, der aus den Tatsachen ein Recht oder ein<br />
Rechtsverhältnis ableitet<br />
2. Rechtshindernde Tatsachen, z.B. Widerruf der Offerte rechtshindernde<br />
Tatsachen verhindern trotz Vorliegen eines an sich rechtserzeugenden<br />
Sachverhalts die Entstehung des Rechts. Den Beweis hat der zu führen, der die<br />
Tatsachen behauptet.<br />
3. Rechtsvernichtende Tatsachen, namentlich alle Tatsachen, aus denen sich die<br />
Ausübung eines auflösenden Gestaltungsrechts ergibt. Den Beweis hat der zu<br />
führen, der die Tatsachen behauptet.<br />
33
Kritik an der Normentheorie<br />
An Stelle einer allgemeinen Regel soll die richtige Beweislastverteilung für jede einzelne<br />
Norm durch deren Auslegung ermittelt werden. Ausschlaggebend sollen primär die<br />
Möglichkeit des Beweises, die Zumutbarkeit und Angemessenheit und er Zweck der<br />
Norm sein.<br />
Welche Vermutungen sind zu unterscheiden?<br />
1. Gesetzliche Vermutungen (praesumptio iuris)<br />
a. Gesetzliche Tatsachenvermutungen<br />
b. Gesetzliche Rechtsvermutungen<br />
2. Tatsächliche = natürliche Vermutungen (praesumptio hominis)<br />
Die Fiktion (praesumptio iuris et de iure) wird <strong>von</strong> manchen den Vermutungen (sgn.<br />
unwiderlegbare gesetzliche Vermutung) zugeteilt, <strong>von</strong> manchen nicht.<br />
Was sind gesetzlich vermutete Tatsachen?<br />
Es handelt sich um Beweislastverteilungsvorschriften. Tatsachen, die nicht bewiesen<br />
werden müssen, weil sie <strong>von</strong> einer bestimmten Rechtsnorm als vorhanden vermutet<br />
werden, solange nicht das Gegenteil bewiesen worden ist, z.B. der gute Glaube (ZGB 3<br />
I). Der Richter kann und muss da<strong>von</strong> ausgehen, dass die Vermutete Tatsache wahr ist.<br />
Kann i.d.R. durch Beweis des Gegenteils entkräftet werden.<br />
Hat die gesetzliche Tatsachenvermutungen einen Einfluss auf die<br />
Beweislastverteilung?<br />
Manchmal wird in dem Zusammenhang <strong>von</strong> der Umkehr der Beweislast gesprochen.<br />
Genau genommen bewirkt die Gesetzliche Tatsachenvermutungen aber keine<br />
Umkehrung, weil ja noch gar nicht feststeht, wer die Beweislast trägt!<br />
Gesetzliche Rechtsvermutung<br />
Aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift ergibt sich aus einer bestimmten Tatsache eine<br />
bestimmte Rechtsfolge. Kann in der Regel durch den Beweis des Gegenteils entkräftet<br />
werden. Bsp. 930 ZGB.<br />
Nenne ein Beispiel für eine praesumptio iuris et de iure!<br />
156 OR<br />
Was ist eine natürliche Vermutung?<br />
Eine natürliche Vermutung stützt sich auf die allgemeine Lebenserfahrung. Indem der<br />
Richter <strong>von</strong> Bekanntem auf Unbekanntes schliesst, trifft er eine<br />
Wahrscheinlichkeitsfolgerung, welche bei der gesetzlichen Tatsachenvermutung sogar<br />
bereits vom Gesetzgeber vorgenommen worden ist.<br />
Gehört systematische eigentlich zur Beweiswürdigung.<br />
Bekanntestes Beispiel: Vermutung des Beischlafs gestützt darauf, dass ein Mann bei<br />
einer Frau übernachtet hat (violenta praesumptio fornicationis).<br />
Was ist der „Beweis negativer Tatsachen“?<br />
34
Beweis des Nichtvorhandensein bestimmter Tatsachen. Dieser Beweis kann bei<br />
bestimmten Tatsachen leicht geführt werden, bei einer unbestimmten Mehrzahl <strong>von</strong><br />
Tatsachen aber sehr schwierig sein, was das Gericht zu berücksichtigen hat, indem es<br />
z.B. die Gegenpartei zur Mitwirkung anhält.<br />
Was ist die vorsorgliche Beweisabnahme?<br />
Sie wird auch Beweissicherung oder Beweis zum ewigen Gedächtnis genannt. Sie dient<br />
der Sicherung gefährdeter Beweise. Sie ist angezeigt, wenn das Beweismittel verloren<br />
zu gehen droht oder seine Benutzung erschwert wird. ZPO BS § 131ff. und 156, 190<br />
ZPO BL. Nach der Praxis in BS kann sie auch ohne Gefährdung zugelassen wird, weil<br />
sie auch der Vermeidung oder Vereinfachung eines künftigen Prozesses dient.<br />
Wann kann sie in BS und BL durchgeführt werden?<br />
Sie kann schon durchgeführt werden, bevor ein Prozess über den streitigen Anspruch<br />
hängig ist. Möglich ist auch ihre Durchführung während des Prozesses vor dem<br />
Abschnitt, der für die Beweisabnahme vorgesehen ist.<br />
In welchem Verfahren wird das Gesuch um Anordnung einer vorsorglichen<br />
Beweisabnahme behandelt?<br />
Durchwegs im summarischen Verfahren. Meistens ist das Gesuch jedoch schriftlich<br />
einzureichen.<br />
Was geschieht in BL, wenn der Gesuchsteller seinen streitigen Anspruch nicht<br />
binnen 2 Monaten klageweise geltend macht?<br />
Nichts, denn der Gesuchsteller hat 3 Monate Zeit, seinen streitigen Anspruch<br />
klageweise geltend zu machen. Danach verliert der vorsorglich erhobene Beweis seine<br />
Beweiskraft.<br />
Wer ist für die Anordnung der vorsorglichen Beweisabnahme zuständig?<br />
GestG 33<br />
Wie sind die ordentlichen und ausserordentlichen Prozesskosten des Verfahrens<br />
zur Anordnung der vorsorglichen Beweisabnahme zu verteilen?<br />
Vorerst provisorisch nach dem Verursacherprinzip. Das heisst der Gesuchsteller hat<br />
zunächst die Kosten zu tragen. Auf Begehren hin Entscheidet der Richter nach dem<br />
mutmasslichen Ausgang der Hauptsache, wobei er auch die Erheblichkeit der<br />
vorsorglichen Beweisabnahme berücksichtigt.<br />
§ 15 Prozesskosten<br />
Was sind die Prozesskosten?<br />
Die Kosten, die die Führung eines Prozesses verursacht. Sie teilen sich auf in:<br />
1. Gerichtskosten (ordentliche Kosten/ordinaria/o.)<br />
2. Parteikosten (ausserordentliche Kosten/extraordinaria/e.)<br />
Was umfassen die Parteikosten?<br />
35
1. Anwaltskosten<br />
2. Wegentschädigung<br />
Nicht aber Lohnausfall (BS, anders in ZH)<br />
Wann werden vorprozessuale Anwaltskosten zu den Parteikosten gerechnet?<br />
1. Als Schadensposten in Haftpflichtprozessen<br />
2. Ausnahmsweise immer dann, wenn sie das Verfahren vereinfachen und<br />
entlasten. So z.B. für Vergleichsverhandlungen.<br />
Wie bemessen sich die Gebühren des Gerichts?<br />
Nach dem massgeblichen Gerichtsgebührentarif. Für diesen gelten wie für alle Abgaben<br />
Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip. Es müssen nur die Grundsätz im Gesetz<br />
geregelt sein. Massgebender Faktor für vermögensrechtliche Streitigkeiten ist der<br />
Streitwert. Für zusätzliche Bemühungen werden Zuschläge erhoben.<br />
Wie bemessen sich die Anwaltskosten?<br />
Diese bemessen sich in den meisten Kantonen ebenfalls nach einem behördlichen Tarif.<br />
Massgebend ist hier wiederum der Streitwert.<br />
Wann werden die ordentlichen Kosten beziffert und sämtliche Prozesskosten<br />
verteilt?<br />
Diese Entscheide sind Gegenstand des Kostenentscheides als Bestandteil des<br />
Endurteils oder Abschreibungsbeschlusses. Auch der Zwischenentscheid kann einen<br />
Entscheid über die bisher ergangenen Kosten beinhalten.<br />
Wie werden die Kosten verteilt?<br />
Grundsätzlich hat die Partei zu zahlen, die den Prozess verursacht hat, also gewöhnlich<br />
die unterliegende Partei (Veranlassungsprinzip). Bei teilweisem Unterliegen erfolgt eine<br />
verhältnismässige Aufteilung. Ausnahmen:<br />
1. Partei hat Kosten unnötig verursacht oder vermehrt<br />
2. Trotz ihres (teilweisen) Obsiegens kann eine Partei mit Kosten belegt werden,<br />
wenn die Gegenpartei den Prozess in guter Treu führen durfte.<br />
Gerichtskosten werden <strong>von</strong> Amtes wegen verteilt, Parteikosten werden nur verteilt,<br />
wenn ein entsprechender Antrag vorliegt (Üblicherweise beantragen die Parteien in<br />
ihren Rechtsbegehren, dass sämtliche ordentliche und ausserordentliche Kosten der<br />
Gegenpartei aufzuerlegen sind).<br />
Was geschieht, wenn zwischen Anwalt und Gegenpartei oder Klient Differenzen<br />
über die Höhe der Anwaltskosten entstehen?<br />
Dann entscheidet in BS das betreffende erstinstanzliche Gericht in einem besonderen<br />
Verfahren auf Gesuch des Anwaltes (Tarifierung) oder der zahlungspflichtigen Partei<br />
(Moderation).<br />
Wer trägt die Kosten grundsätzlich beim Klagrückzug, wer bei der<br />
Klaganerkennung?<br />
Bei dem Klagrückzug gehen die Kosten grundsätzlich zu Lasten des Klägers, bei<br />
Klaganerkennung zu Lasten des Beklagten.<br />
36
Was geschieht im Falle eines gerichtlichen Vergleiches ohne Kostenregelung?<br />
Dann sehen einzelne Prozessordnungen die Halbierung der Kosten vor. In BS und BL<br />
wird nach summarischer Prüfung auf das mutmassliche Ergebnis abgestellt, wobei auch<br />
das Vergleichsergebnis mit berücksichtigt wird.<br />
Wer haftet in BS und BL grundsätzlich für die Gerichtskosten?<br />
Der Kläger bzw. in BS auch sein Vertreter (44 ZPO BS, 69 ZPO BL). Zur Sicherstellung<br />
der Kosten wird ein Vorschuss verlangt und hierfür eine Frist gesetzt. In BS und<br />
Umgebung ansässige Anwälte sind <strong>von</strong> der Vorschusspflicht befreit, sofern ihre Solvenz<br />
nicht als zweifelhaft erscheint.<br />
Mit wem rechnet das Gericht am Ende ab?<br />
Nur mit dem Kläger, dieser muss also die Gerichtskosten, die dem Beklagten auferlegt<br />
wurden, bei diesem einfordern!<br />
Was geschieht, wenn sich der geleistete Vorschuss als zu gering erweist?<br />
Dies kann z.B. wegen kostspieliger Beweisabnahmen nötig werden. Dann kann der<br />
Kläger zu weiteren Vorschüssen gehalten werden. Bei Nichtzahlung andernfalls<br />
unterbleiben die vorgesehenen teureren Beweisabnahmen, auch im Bereich der<br />
UNtersuchungsmaxime<br />
Was gilt, wo keine allgemeine Kostenhaftung besteht?<br />
Dann kann u.U. eine Prozesskaution vom Beklagten verlangt werden.<br />
1. Ordentliche Kosten: in bestimmten Kantonen wie ZH in gewissen Fällen<br />
Prozesskaution möglich, nicht aber in BS und BL, wo ja für die ordentlichen<br />
Kosten eine allgemeine Kostenhaftung des Klägers gilt<br />
2. A.o. Kosten: Allgemein vorgesehen, sgn. cautio iudicatum solvi, muss vom<br />
Beklagten verlangt werden.<br />
a. BS: Wohnsitz des Klägers im Ausland, ausser es besteht ein<br />
entgegenstehender Staatsvertrag, 44 (2), 229 (2) ZPO BS<br />
b. BL: wenn sie in der Schweiz keinen Wohnsitz hat und keine<br />
staatsvertragliche Vereinbarung sie <strong>von</strong> der Sicherheitsleistung befreit,<br />
oder wenn sie nachgewiesenermassen zahlungsunfähig ist, 70 (1) ZPO BL<br />
Was passiert, wenn keine Kaution gestellt wird?<br />
Abweisung der Klage<br />
Was bedeutet Zahlungsunfähigkeit in Bezug auf die Prozesskautionspflicht?<br />
Das bedeutet das Fehlen <strong>von</strong> pfändbaren Aktiven. Sie muss vom Beklagten bewiesen<br />
werden.<br />
Was bedeutet unentgeltliche Rechtspflege?<br />
Eine bedürftige Partei muss für die Führung eines nicht aussichtslosen Prozesses die<br />
unentgeltliche Prozessführung bewilligt werden<br />
Wie ist bei der unentgeltliche Rechtspflege hinsichtlich der Wirkungen zu<br />
unterscheiden?<br />
1. Erlass der Vorschuss- und Kautionspflicht<br />
37
2. Kostenbefreiung betr. Gerichtskosten<br />
3. Unentgeltlicher Rechtsvertreter (Armenanwalt)<br />
4. Erlass der Entschädigungspflicht<br />
Woraus ergibt sich der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege?<br />
29 (3) BV: Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf<br />
unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.<br />
Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf<br />
unentgeltlichen Rechtsbeistand.<br />
Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege<br />
1. Anspruchsberechtigung<br />
2. Der Anspruch gilt nach aktueller Praxis des BGer für alle Verfahrensarten, auch<br />
in Prozessen des SchKG<br />
3. Bedürftigkeit<br />
4. Keine Aussichtslosigkeit des Prozesses<br />
5. Bei unentgeltlichem Rechtsbeistand: Notwendigkeit der Prozessführung durch<br />
einen Anwalt (mangelnde Rechtskenntnis, fehlende Intelligenz etc.)<br />
Wer ist Anspruchsberechtigt?<br />
Grundsätzlich nur natürliche Personen, u.U. aber auch Kollektiv- und<br />
Kommanditgesellschaften, wenn die Prozessartmut sowohl der Gesellschaft als auch<br />
der unbeschränkt haftenden Gesellschafter erstellt ist.<br />
Der Anspruch gilt für Schweizer und Ausländer, unabhängig <strong>von</strong> ihrem Wohnsitz<br />
Wann liegt Bedürftigkeit vor?<br />
Wenn kein betreibungsrechtlich pfändbares Vermögen vorliegt, aber auch unter<br />
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles. So kann nicht alleine auf das<br />
betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt werden!<br />
Wann entfällt die Pflicht des Staates zur Gewährung unentgeltlicher<br />
Rechtspflege?<br />
Wenn Dritte aufgrund einer familienrechtlichen Beistandsspflicht für die Kosten<br />
aufkommen oder sie zumindest vorschiessen müssen.<br />
Wann liegt Aussichtslosigkeit des Prozesses für eine Partei vor?<br />
Wenn eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung<br />
nicht zu einem Prozess entschliessen würde, wenn also die Gewinnaussichten erheblich<br />
geringer sind als die Verlustgefahren und nicht mehr als ernsthaft bezeichnet werden<br />
können.<br />
Entfällt die Entschädigungspflicht im Fall der unentgeltlichen Prozessführung?<br />
Obsiegt die Gegenpartei ganz oder teilweise, kann sie in BS keine Entschädigung für<br />
die Prozesskosten <strong>von</strong> der hablosen Partei verlangen, 172 ZPO BS, in BL aber schon,<br />
72 (2) ZPO BL!<br />
Was ist das Problem der BL- Lösung?<br />
38
Das Risiko der nachträglichen Kostentragung kann den Hablosen u.U da<strong>von</strong> abhalten<br />
und damit den ihm zustehenden Rechtsschutz beeinträchtigen.<br />
Wer ist sachlich zuständig für den Entscheid über das Kostenerlassbegehren?<br />
Der Einzelrichter, nach Einreichung der Klage der prozessleitende Präsident<br />
(Instruktionsrichter), §173 ZPO BS.<br />
Wird der Kostenerlass nur für die betreffende Instanz oder für ein etwaiges<br />
Rechtsmittelverfahren an weitere Instanzen bewilligt?<br />
Nur für die betreffende Instanz. Im Rechtsmittelverfahren muss demnach ein neues<br />
Begehren gestellt werden.<br />
In wessen Ermessen liegt es, zu entscheiden ob ein erst während des Prozesses<br />
gestelltes Kostenerlassgesuch nur für die Zukunft oder auch für die bis anhin<br />
aufgelaufenen Kosten bewilligt wird?<br />
Gericht.<br />
Hat der Gesuchsteller die Voraussetzungen für die Bewilligung des<br />
Kostenerlasses (Hablosigkeit und nicht mangelnde Aussichtslosigkeit) zu<br />
beweisen?<br />
Nein, nur glaubhaft zu machen, §173 ZPO BS. Der Richter prüft <strong>von</strong> Amtes wegen, ob<br />
die Angaben des Gesuchsstellers zutreffen.<br />
Wann hat der Prozessgegner Anspruch darauf, sich zum Kostenerlass zu<br />
äussern?<br />
Wenn die Bewilligung des Kostenerlasses seine Rechtsstellung beeinträchtigen würde<br />
(z.B.: wie in BS, wo er riskieren würde, auch bei Obsiegen für seine Kosten selber<br />
aufkommen zu müssen).<br />
Stimmt es, dass in BS und BL das vom Gericht bezahlte Armenanwaltshonorar<br />
während 10 Jahren zurückzubezahlen ist, wenn sich die Vermögensverhältnisse<br />
bei der betreffenden Partei derartig günstiger gestalten, dass sie durch die<br />
Rückerstattung in keine gedrückte Lage versetzt wird?<br />
Nur in BL.<br />
Der Beschwerde an welches Gericht untersteht die Kostenerlassverfügung in BS<br />
und BL?<br />
Appellationsgericht und Kantonsgericht und danach an das Bundesgericht, welches<br />
zweistufig prüft:<br />
1. Anwendung des kantonalen Rechts auf Willkür<br />
2. Einhaltung der bundesrechtlichen Minimalgarantie in rechtlicher Hinsicht frei, in<br />
tatsächlicher Hinsicht nur auf Willkür.<br />
§ 16 Sühneverfahren und ordentliches Verfahren<br />
Was bezweckt das Sühneverfahren?<br />
39
Die Durchführung vermeidbarer Prozesse zu verhindern.<br />
Wie soll dies bewerkstelligt werden?<br />
Indem der Sühnerichter:<br />
Den Kläger <strong>von</strong> aussichtsloser Klage abhält<br />
Den Beklagten zur Anerkennung berechtigter Ansprüche bewegt<br />
Zwischen den Parteien eine Einigung über die Streitsache erzielt.<br />
Welche Streitigkeiten müssen in BL dem Friedensrichter unterbreitet werden?<br />
Alle Rechtsstreitigkeiten, ausser:<br />
Arbeitsrechtliche Streitigkeiten<br />
Betreibungsrechtliche Streitigkeiten<br />
Welche Streitigkeiten müssen in BS dem Friedensrichter unterbreitet werden?<br />
Obligatorisch nur Mietstreitigkeiten betreffend im Kanton gelegene Immobilien und<br />
nichtlandwirtschaftlicher Pacht. Jedoch nicht einem Friedensrichter, sondern einer<br />
staatlichen Schlichtungsstelle in Mietstreitigkeiten, §45b ZPO BS. Ausserdem in<br />
Diskriminierungsstreitigkeiten, §45c ZPO BS.<br />
Was passiert bei einem ergebnislosen Sühneverfahren?<br />
Der Kläger enthält eine entsprechende Bescheinigung (Weisung, Leitschein, in BL<br />
Akzessschein)<br />
Was hat der Kläger nun zu tun, wenn er seinen Anspruch wahren will?<br />
Klage erheben:<br />
BS: 6 Monate nach Zustellung der Bescheinigung<br />
BL: 1 Jahr nach der friedensrichterlichen Verhandlung.<br />
Ansonsten ist der klägerische Anspruch verwirkt.<br />
Was passiert, wenn der Kläger die Klage ohne (zwingend) vorgeschriebenes<br />
Sühneverfahren direkt beim Gericht einreicht?<br />
Es kommt zum Nichteintretensbeschluss.<br />
Ist das Sühneverfahren Äquivalent des Vermittlungsverfahrens oder des<br />
obligatorischen Vergleichsversuchs?<br />
Weder noch. Diese sind dem Gerichtsverfahren nicht vorangestellt.<br />
Kann sich das ordentliche Verfahren schriftlich und mündlich abwickeln?<br />
Ja.<br />
Wodurch kennzeichnet sich das schriftliche, und wodurch das mündliche<br />
Verfahren?<br />
Schriftlich: Dadurch, dass die Parteien alle Behauptungen und Beweisanträge in<br />
schriftlichen Eingaben (Rechtsschriften) vorbringen.<br />
Mündlich: Dadurch, dass die Parteien ihren Standpunkt dem Richter mündlich vortragen.<br />
Für was eignet sich das schriftliche Verfahren eher, für was das mündliche?<br />
40
Schriftlich: Prozesse <strong>von</strong> grösserer Tragweite mit verwickelter Sach- und Rechtslage.<br />
Dauert monat- oder sogar jahrelang.<br />
Mündlich: Einfache Fälle. Erlaubt eine rasche Erledigung des Streites, u.U ohne Beizug<br />
<strong>von</strong> Advokaten.<br />
Nach was bestimmt sich die Verfahrensart in BS?<br />
Nach dem sachlich zuständigen Spruchkörper und damit nach dem Streitwert.<br />
Vor welchen Spruchkörpern ist das Verfahren in BS grundsätzlich mündlich?<br />
Einzelrichter<br />
Dreiergericht<br />
Gewerbliches Schiedsgericht<br />
Wann ist das Verfahren in BL grundsätzlich mündlich?<br />
Bei Klagen bis zum Streitwert <strong>von</strong> 4000.-<br />
Bei Ehescheidungs- und Trennungsklagen<br />
Was müssen die Parteien (nach der Verhandlungsmaxime) in ihren<br />
Rechtsschriften festhalten?<br />
Alle ihnen zweckdienlichen Behauptungen<br />
Die erforderlichen Beweismittel einreichen oder beantragen<br />
Durch was wird in BS bei Geltung des schriftlichen Verfahrens die Klage<br />
erhoben?<br />
Klage mit Bezeichnung <strong>von</strong>:<br />
Rechtsbegehren<br />
Parteien<br />
Begründung<br />
Alle zeckdienlichen Beweise (Belege).<br />
Da in BL die Verfahrensart gewöhnlich erst in der Prozesseinleitung vom<br />
Präsidenten entschieden wird und somit nicht <strong>von</strong> vornherein feststeht, genügt<br />
was für die Anhängigmachung der Klage?<br />
Die Einreichung des Akzessscheins oder des Klagebegehrens samt Bezeichnung der<br />
Parteien.<br />
Was passiert im Vorverfahren?<br />
Bei der (fakultativen) auch Schlusseinleitungsverhandlung genannten Prozesstufe<br />
nimmt der Richter seine Frage- und Aufklärungspflicht war, informiert, befragt und<br />
versucht zwischen den Parteien eine Einigung zu erzielen.<br />
Was passiert im Beweisverfahren?<br />
Nach der Durchführung des Schriftenwechsels gehört es zur Aufgabe des Richters, für<br />
die bestrittenen rechtserheblichen Tatsachen die erforderlichen Beweise abzunehmen.<br />
Es kommt zur:<br />
Beweisanordnung<br />
Abnahme der Beweise in BS und BL in der Hauptverhandlung<br />
41
Was passiert in der Hauptverhandlung?<br />
Die Parteien können zum Beweisergebnis mündlich Stellung nehmen und sich zu den<br />
Rechtsfragen äussern.<br />
Was ist das Säumnisverfahren?<br />
Bei Unterlassung der Klagbeantwortung greift das Säumnisverfahren (sog.<br />
Kontumazialverfahren) Platz. In BS und BL werden die Parteien zur Verhandlung<br />
geboten, wo der Beklagte seine versäumten Tatsachenbehauptungen und<br />
Beweisanträge nicht nachholen, sondern sich nur zu den Rechtsfragen äussern kann.<br />
Wie geht das mündliche Verfahren in BS gewöhnlich vor sich?<br />
Einreichung des Klagebegehrens mit Bezeichnung der Parteien und des Klagegrundes.<br />
Bei Gericht schriftlich, auf der Gerichtskanzlei mündlich.<br />
Vorladung der Parteien. Jeder kommt mindestens zweimal zu Wort.<br />
Allfällige Stellungnahme der Parteien zum Beweisergebnis und der Beratung.<br />
Mündliche Eröffnung des Urteils im Dispositiv samt kurzer Begründung.<br />
Kann auch im mündlichen Verfahren ein Vorverfahren durchgeführt werden?<br />
Ja.<br />
Was passiert in BS, wenn eine Partei der ersten Verhandlung fernbleibt?<br />
Es greift das Säumnisverfahren Platz:<br />
Erscheint der Beklagte nicht zur Verhandlung, so wird die Klage gutgeheissen, sofern<br />
sich nicht aus den Ausführungen des Klägers ihr Ungrund oder ihre Unzulässigkeit<br />
ergibt. (BL zuerst Ordnungsbusse)<br />
Erscheint der Kläger nicht zur Verhandlung, so wird die Klage auf Antrag des Beklagten<br />
abgewiesen. (BL zuerst Ordnungsbusse)<br />
Bei Ausbleiben beider Parteien wird die Klage als desert erklärt. Mit der Deserterklärung<br />
gilt die Klage als nicht angehoben. Es tritt also nicht materieller Rechtsverlust ein.<br />
§ 17 Besondere Verfahrensarten<br />
Nenne die besonderen Verfahrensarten:<br />
• Zum einen gelten für das familienrechtliche Verfahren, das Verfahren in<br />
Wechselsachen und in Gleichstellungssachen besondere Vorschriften. Diese<br />
können daher zu den besonderen Verfahren gezählt werden<br />
• Des Weiteren gibt es noch das summarische Verfahren und das beschleunigte<br />
Verfahren.<br />
Was ist besonders im familienrechtlichen Verfahren?<br />
Es gilt die eingeschränkte Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand und es gilt<br />
die verstärkte Geltung der Untersuchungsmaxime.<br />
Was ist das summarische Verfahren?<br />
42
Das summarische Verfahren ist ein abgekürztes Verfahren, in welchem den Parteien<br />
nicht alle Angriffs- und Verteidigungsmittel zur Verfügung stehen. So finden auch weder<br />
Zeugeneinvernahmen noch Durchführung <strong>von</strong> Expertisen statt.<br />
Woraus ergibt sich die summarische Natur des Verfahrens?<br />
Diese ergibt sich entweder aus der Beschränkung des Beweisthemas, d.h. der<br />
Sachverhalt ist einigermassen klar, oder aus der zeitlichen Dringlichkeit der Sache.<br />
Nenne ein Verfahren, bei dem das summarische Verfahren bundesrechtlich<br />
vorgeschrieben ist:<br />
z.B. bei den Massnahmen zum Eheschutz, oder bei betreibungsrechtlichen<br />
Streitigkeiten, namentlich bei der Bewilligung des Rechtsvorschlages etc.<br />
Ist das summarische Verfahren in der Regel mündlich oder schriftlich?<br />
In der Regel findet das summarische Verfahren mündlich statt.<br />
Was unterscheidet das summarische Verfahren in BL noch <strong>von</strong> den übrigen<br />
Verfahren?<br />
Dann findet keine Prozesseinleitungsverhandlung statt und wenn die Partei nicht zum<br />
Gerichtstermin erscheint, urteilt der Richter schon beim erstmaligen Fernbleiben der<br />
Partei auf Grund der Akten.<br />
Was ist die Besonderheit beim beschleunigten Verfahren?<br />
Beim beschleunigten Verfahren werden vor allem verkürzte Fristen vorgegeben, die<br />
Vertagung der Gerichtsverhandlung ist beschränkt und es besteht eine gesetzliche<br />
Höchstdauer <strong>von</strong> z.B. 6 Monaten in BL.<br />
Wie regelt die BS- ZPO das beschleunigte Verfahren?<br />
Es wird nicht geregelt. Es obliegt dem Verfahrensleiter, durch Ansetzung kurzer Fristen<br />
und Zurückhaltung <strong>von</strong> Verschiebungsgesuchen dafür zu sorgen, dass die Prozesse, für<br />
die das beschleunigte Verfahren vorgeschrieben ist, auch innert nützlicher Frist<br />
abgeschlossen werden.<br />
Was ist das einfache und rasche Verfahren?<br />
Diese Verfahrenstypen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur mündlich möglich sind.<br />
Ein Schriftenwechsel ist <strong>von</strong> Bundesrechts wegen ausgeschlossen.<br />
§ 18 Rechtskraft und Rechtshängigkeit<br />
Was ist die Rechtskraft und wie unterteilt sie sich?<br />
Die Endgültigkeit des Urteils nennt man Rechtskraft. Sie teilt sich in die formelle und die<br />
materielle Rechtskraft.<br />
Was ist die formelle und was die materielle Rechtskraft?<br />
43
Die formelle Rechtskraft ist die Unabänderlichkeit des Urteils. Das bedeutet, dass das<br />
Urteil nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten werden kann. Die<br />
materielle Rechtskraft ist die Verbindlichkeit des Urteils in einem späteren Prozess.<br />
Welche Endscheide können die formelle Rechtskraft entfalten?<br />
End- und Zwischenurteile, prozesserledigende Beschlüsse, die nicht frei widerruflichen<br />
prozessleitenden Verfügungen sowie in BS und BL Urteilssurrogate.<br />
Wann tritt die formelle Rechtskraft ein?<br />
Bei nicht appellablen Urteilen mit deren Eröffnung und bei appellablen nach ungenutzt<br />
verstrichener Frist.<br />
Was sind Urteilssurrogate?<br />
Das sind z.B. Klagrückzug, Klaganerkennung oder der gerichtliche Vergleich.<br />
Kennen BS und BL eine Teilrechtskraft?<br />
Nein. Dies hat zur Folge, dass eine Appellation die Rechtskraft des gesamten Urteils<br />
aufschiebt, nicht nur des appellierten Teils.<br />
Wie sieht es mit einem anerkannten Teilanspruch aus bei einer Appellation?<br />
Dieser Teilanspruch erhält sofort mit der Anerkennung volle Rechtskraft. Eine gerichtlich<br />
bescheinigte Teilanerkennung kann sofort vollstreckt werden und gilt als definitiver<br />
Rechtsöffnungstitel.<br />
Wohin geht die Entwicklung in Bezug auf die Teilrechtskraft?<br />
Die Entwicklung geht dahin, die Teilrechtskraft grundsätzlich zuzulassen, sie aber<br />
ausnahmsweise zu verweigern, wenn die Klage mehrere untrennbar verbundene<br />
Ansprüche zum Gegenstand hat.<br />
Was sind die Wirkungen der formellen Rechtskraft?<br />
Sie ist eine Vorbedingung der materiellen Rechtskraft und beendigt die<br />
Rechtshängigkeit. Ausserdem macht die formelle Rechtskraft die Leistungsurteile<br />
vollstreckbar und die Feststellungs- oder Gestaltungsurteile unmittelbar wirksam.<br />
Welche Urteile sind fähig die materielle Rechtskraft zu erhalten?<br />
Endurteile, prozesserledigende Beschlüsse und Urteilssurrogate.<br />
Rechtsöffnungsentscheide haben nur Rechtskraft im selben Betreibungsverfahren.<br />
Was erhält materielle Rechtskraft im entsprechenden Urteil?<br />
Nur das Urteilsdispositiv und der Bestand oder Nichtbestand der zur Verrechnung<br />
gestellten Forderung.<br />
Wann tritt die materielle Rechtskraft in zeitlicher Hinsicht ein?<br />
Wenn die Entscheidung formell rechtskräftig wird.<br />
Entfaltet sich die materielle Rechtskraft auch gegenüber Dritten in einem neuen<br />
Prozess?<br />
44
Grundsätzlich wird Identität der Parteien vorausgesetzt. Ausnahmsweise, nämlich wenn<br />
es sich um den Rechtsnachfolger handelt oder Gestaltungsurteile ergangen sind oder<br />
wo der Bestand oder Nichtbestand eines Rechtsverhältnisses oder Rechts die<br />
Voraussetzung für den Anspruch gegen einen Dritten bildet, können auch Dritte <strong>von</strong> der<br />
materiellen Rechtskraft betroffen sein.<br />
Neben der Identität der Parteien setzt die materielle Rechtskraft noch die Identität<br />
<strong>von</strong> was voraus?<br />
Identität des Streitgegenstandes<br />
Was ist der Streitgegenstand?<br />
Der in der Klage erhobene Anspruch, der auf einem bestimmten Sachverhalt gründet.<br />
Wann ist ein Anspruch mit dem im späteren Prozess beurteilten Anspruch<br />
identisch?<br />
Wenn die beiden Ansprüche auf den gleichen Gegenstand hinzielen und sich aus dem<br />
gleichen Lebensvorgang ergeben<br />
Schliesst die Abweisung der Klage auf Lieferung der Kaufsache eine spätere<br />
Klage auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung aus, wenn sich beide Klagen auf<br />
einen vom Beklagten angeblich nicht erfüllten Kaufvertrag stützen?<br />
Nein, denn die eine Klage geht auf Sachleistung, die andere auf Geld.<br />
Reicht die Verschiedenheit des Entstehungsgrundes (Anspruchskonkurrenz) aus,<br />
um die Identität des Streitgegenstandes zu verneinen?<br />
Nein. Die Praxis des BGer ist unklar. In BGE 98 II 158 lehnt es die Identität des<br />
Streitgegenstandes ab, wenn „jemand gegenüber der gleichen Person aus zwei<br />
verschiedenen Rechtsgründen Anspruch auf dieselbe Leistung (Anspruchskonkurrenz)<br />
hat“. In anderen Entscheiden scheint es eher auf den gesamten Lebensvorgang<br />
abzustellen.<br />
Wo fängt die materielle Rechtskraft in zeitlicher Hinsicht an?<br />
BS: Zeitpunkt, bis zu welchem neue Tatsachen im Prozess vorgebracht werden können.<br />
BL: Zeitpunkt der Urteilsfällung<br />
Können im ersten Prozess bereits vorhandene, der betreffenden Partei jedoch erst<br />
nachträglich bekannt gewordene Tatsachen die materielle Rechtskraft<br />
erschüttern?<br />
Grundsätzlich nein. Nur bei triftigen Gründen.<br />
Wo gelten besondere Regeln hinsichtlich der zeitlichen Grenzen der materiellen<br />
Rechtskraft?<br />
Im Ehescheidungsrecht. Wird eine Scheidungsklage abgewiesen, die sich auf einen in<br />
sich abgeschlossenen Lebensvorgang stützt (z.B. Ehebruch), so steht die materielle<br />
Rechtskraft des Urteils einer neuen Scheidungsklage, die auf einem anderen<br />
Sachverhalt <strong>von</strong> selbständiger Bedeutung beruht, nicht entgegen, auch wenn dieser<br />
Sachverhalt dem klagenden Ehegatten schon bei der ersten Scheidungsklage bekannt<br />
war. Der klagende Ehegatte kann somit eine neue Klage mit Tatsachen begründen, die<br />
45
er schon im Prozess hätte vorbringen können, dies aber aus irgendwelchen Gründen<br />
unterlassen hat (z.B. aus Rücksichtnahme).<br />
Verbietet die materielle Rechtskraft des ersten Urteils, dass eine Partei im zweiten<br />
Prozess das unmittelbare Gegenteil der rechtskräftigen Entscheidung begehrt?<br />
Ja. So kann z.B. der rechtskräftig zur Zahlung verurteilte Forderungsschuldner nicht in<br />
einem zweiten Prozess seine Zahlung unter dem Titel der ungerechtfertigten<br />
Bereicherung zurückfordern, auch wenn das frühere Urteil fehlerhaft war.<br />
Bewirkt die materielle Rechtskraft die Verbindlichkeit des früheren Urteils auch für<br />
die Vorfrage, die sich in einem späteren Prozess zur Beurteilung der dort<br />
erhobenen Klagen stellt?<br />
Ja. Beispiel: Wird die Klage des Käufers auf Lieferung der Kaufsache wegen<br />
Unverbindlichkeit des Kaufvertrags abgewiesen und klagt der Käufer in der Folge auf<br />
Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrags, so muss der Richter im zweiten<br />
Prozess auf Grund des früheren Urteils da<strong>von</strong> ausgehen, das der Verkäufer nicht zur<br />
Erfüllung verpflichtet war. Die Verpflichtung zur Erfüllung stellt sich im zweiten Prozess<br />
als Vorfrage; deren Verneinung führt zur Abweisung der zweiten Klage.<br />
Kommt dem in einem früheren Prozess als Vorfrage beurteilten Recht oder<br />
Rechtsverhältnis materielle Rechtskraft zu?<br />
Nein. Beispiel: Wird bei einer Teilklage die Gültigkeit des ihr zugrunde liegenden<br />
Arbeitsverhältnisses vom Richter vorfrageweise bejaht, so ist dem Richter im zweiten<br />
Prozess um die restlichen Forderungen unbenommen, die Gültigkeit des<br />
Arbeitsverhältnisses vorfrageweise zu verneinen.<br />
Wer regelt ob der Richter im späteren Prozess die materielle Rechtskraft des<br />
früheren Urteils <strong>von</strong> Amtes wegen oder nur auf Antrag einer Partei<br />
berücksichtigt?<br />
Die ZPOs.<br />
BS: Richter prüft <strong>von</strong> Amtes wegen.<br />
BL: Nur dann ohne Parteiantrag, wenn ihm der frühere Entscheid <strong>von</strong> Amtes wegen<br />
bekannt ist.<br />
Was bedeutet Rechtshängigkeit (Litispendenz)?<br />
Das Bestehen eines Urteilsverfahrens über einen streitigen Anspruch<br />
Tritt die Litispendenz auch bei Fehlen einer sog. Prozessvoraussetzung, z.B.<br />
mangelnde Zuständigkeit eines angerufenen Gerichts ein?<br />
Ja.<br />
Bezieht sich die Litispendenz auch auf die Verteidigungsmittel des Beklagten?<br />
Nein, grundsätzlich nur auf die Klage und die allfällige Widerklage<br />
Wann tritt die Litispendenz ein?<br />
In den ZPOs wird der Eintritt der Rechtshängigkeit unterschiedlich geregelt. Findet kein<br />
Sühneverfahren vor einer besonderen Instanz statt, so tritt die Rechtshängigkeit im<br />
Allgemeinen mit der Einreichung der Klagschrift beim Gericht (schriftliches Verfahren)<br />
46
oder der Einreichung des Gesuchs um Vorladung des Beklagten (mündliches Verfahren)<br />
ein.<br />
Wann tritt die Rechtshängigkeit ein, wo dem Prozess ein friedensrichterliches<br />
Sühneverfahren vorangeht?<br />
Am Ende des Sühneverfahrens, wenn das Scheitern der Vergleichsbemühungen<br />
feststeht und aufgrund der klägerischen Rechtsbegehren der Akzessschein ausgestellt<br />
wird.<br />
Bei Fällen mit Auslandberührung setzt IPRG 9 III den Eintritt der Rechtshängigkeit<br />
für die in der Schweiz angehobenen Klagen wann ein?<br />
Einheitlich auf den Zeitpunkt der ersten für die Klageinreichung notwendigen<br />
Verfahrenshandlung, wobei die Einleitung des Sühneverfahrens genügt.<br />
Die Litispendenz zeitigt welche prozessualen Wirkungen (welche den ungestörten<br />
und geordneten Ablauf des Prozesses gewährleisten)?<br />
Fixierung der sachlichen Zuständigkeit<br />
Fixierung des Gerichtsstandes (sog. perpetuatio fori)<br />
Obliegenheit zur Fortführung des Prozesses<br />
Verbot der Klagänderung<br />
Verbot der Veränderung und Veräusserung des Streitgegenstandes<br />
Ausschluss weiterer gleichgerichteter Prozesse<br />
Wo sich für die sachliche Zuständigkeit des Richters nach dem Streitwert der<br />
Klage richtet, ist für dessen Berechnung welcher Zeitpunkt massgebend?<br />
Zeitpunkt, in welchem die Rechtshängigkeit eintritt. Spätere Veränderungen des<br />
Streitwerts können daher grundsätzlich die einmal begründete sachliche Zuständigkeit<br />
nicht mehr beseitigen.<br />
Für die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts wird an bestimmte<br />
Tatsachen oder Rechtsbeziehungen angeknüpft, wie sie zu welchem Zeitpunkt<br />
vorliegen?<br />
Eintritt der Litispendenz.<br />
Was bedeutet die Obliegenheit zur Fortführung des Prozesses?<br />
Der Kläger ist grundsätzlich gezwungen, seine Klage weiterzuverfolgen oder seines<br />
angeblichen Rechts verlustig zu gehen.<br />
Kennt BS oder BL eine ausdrückliche Vorschrift, welche die Veränderung oder<br />
Veräusserung des Streitgegenstandes während des Prozesses ausschliessen<br />
würde?<br />
Nein.<br />
Schliesst eine im Ausland hängige Klage eine Klage um den gleichen<br />
Streitgegenstand in der Schweiz aus?<br />
Nur wenn das entsprechende ausländische Urteil in der CH anerkennbar ist und zu<br />
erwarten ist, dass das ausländische Gericht in angemessener Frist eine Entscheidung<br />
fällt (IPRG 9 I)<br />
47
§ 19 Urteil, Urteilssurrogate und Prozesserledigung ohne<br />
Urteil<br />
Welche Arten <strong>von</strong> Urteilen gibt es?<br />
Es gibt Sach- und Prozessurteile.<br />
Was sind Urteile?<br />
Urteile stellen eine richterliche Entscheidung dar, mit welcher über die Zulässigkeit und<br />
die Begründetheit der Klage teilweise oder ganz entschieden wird.<br />
Über was entscheidet das Sachurteil und über was das Prozessurteil?<br />
Das Sachurteil entscheidet über die Begründetheit der Klage. Fehlt die Begründetheit,<br />
so lautet das Urteil auf Abweisung der Klage.<br />
Das Prozessurteil hingegen entscheidet nur über das Vorliegen der<br />
Prozessvoraussetzungen.<br />
Was geschieht, wenn eine Klage mangels Fälligkeit abgewiesen wird?<br />
Dann erfolgt eine Abweisung „zur Zeit“. Damit wird über die Begründetheit der<br />
Forderung nicht rechtskräftig entschieden, der Entscheid entfaltet also keine materielle<br />
Rechtskraft<br />
Welche Prozessvoraussetzungen gibt es?<br />
a. Rechtsschutzinteresse.<br />
b. Örtlich und sachliche Zuständigkeit<br />
c. Partei- und prozessfähigkeit<br />
d. Fehlende andersweitige Rechtshängigkeit<br />
e. Fehlende res iudicata<br />
f. Bezahlung <strong>von</strong> Vorschuss und die Sicherheit für die Prozesskosten<br />
Ist auch die Aktivlegitimation eine Prozessvoraussetzung?<br />
Nein! Hier geht es um eine materielle Frage, die durch ein Sachurteil zu entscheiden ist.<br />
Die Aktivlegitimation ist die eigentliche Hauptfrage des Prozesses: Hat der Kläger<br />
überhaupt einen Anspruch?!<br />
Zwischen welchen Prozessvoraussetzungsarten kann man unterscheiden?<br />
Zwischen positiven und negativen Prozessvoraussetzungen. Negative<br />
Prozessvoraussetzungen dürfen nicht vorliegen (Rechtshängigkeit, res iudicata) und<br />
positive müssen vorliegen (örtliche, funktionelle und sachliche Zuständigkeit des<br />
Gerichtes; Parteifähigkeit; Prozessfähigkeit, Postulationsfähigkeit).<br />
Was geschieht, wenn eine negative Prozessvoraussetzung vorliegt oder eine<br />
positive nicht?<br />
Dann wird auf die Klage nicht eingetreten, ohne dass der streitige Anspruch materiell<br />
beurteilt wird. Es ergeht also ein Prozessurteil.<br />
48
Was ist ein Endurteil und welche Arten gibt es?<br />
Das Endurteil führt zur Beendigung des Prozesses in der betreffenden Instanz. Es kann<br />
ein Sach- oder ein Prozessurteil sein.<br />
Es wird zwischen einem Vollendurteil und einem sog. Teilurteil unterschieden.<br />
Das Vollendurteil führt für die ganze Klage zur Beendigung des Prozesses, das Teilurteil<br />
wird nur über einen Teil des Anspruches entschieden. BS und BL ist das Teilurteil<br />
fremd.<br />
Was ist ein Zwischenurteil?<br />
Das Zwischenurteil ergeht im Laufe des Prozesses über einzelne Streitpunkte. Es kann<br />
als Sach- oder als Prozessurteil ergehen. Als Sachurteil äussert es sich über eine für die<br />
Begründetheit der Klage relevante präjudizielle Vorfrage, als Prozessurteil kann es z.B.<br />
auf das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen lauten und damit auf Eintreten der Klage<br />
lauten.<br />
Was ist der Inhalt des Urteils?<br />
Der Inhalt des Urteils ist:<br />
das Rubrum<br />
die Rechtsbegehren der Parteien<br />
die Entscheidgründe<br />
und schliesslich das Urteilsdispositiv<br />
Ist ein bedingtes Urteil zulässig?<br />
Ja, es ist aber im Interesse der Rechtssicherheit nur in bestimmten Fällen zuzulassen.<br />
In welchen Fällen ist das bedingte Urteil zugelassen?<br />
Das bedingte Urteil ist zugelassen für:<br />
1. Nach § 160 Abs. 1 ZPO BS, dass eine Partei abgewiesen oder verurteilt wird, falls sie<br />
nicht innert einer festzusetzenden Frist einen im Urteil anzugebenden Beweis beibringt<br />
oder antritt.<br />
2. Des Weiteren kann gemäss § 218 ZPO BS durch bedingtes Urteil die Klage<br />
gutgeheissen werden, ihre Vollstreckbarkeit jedoch bis zum Entscheid über eine<br />
Gegenforderung aufgeschoben werden, wenn der an sich begründeten Klagforderung<br />
eine Gegenforderung zur Verrechnung gestellt wird, für welche dem Gericht die<br />
sachliche Zuständigkeit fehlt.<br />
3. Wenn das Urteil dem Kläger die Leistung Zug um Zug gegen die Erbringung einer<br />
gewissen Gegenleistung zuspricht.<br />
4. Die Verurteilung eines unterhaltspflichtigen Beklagten zur Zahlung <strong>von</strong> Kinderzulagen<br />
für den Fall, dass ihm solche vom Arbeitgeber ausgerichtet werden.<br />
Wie wird der Eintritt der Bedingung abgeklärt?<br />
Meistens im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens, für verwickelte Fälle muss der<br />
Kläger den Eintritt mit einer neuen Klage feststellen lassen.<br />
Kann ein Richter sein Urteil korrigieren?<br />
Grundsätzlich ist der Richter an sein Urteil gebunden. Es gibt jedoch verschiedene<br />
Ausnahmen:<br />
49
es bestehen verschiedene nicht devolutive Rechtsmittel und sonstige Rechtsbehelfe,<br />
durch welche der Richter zu einer neuen Beurteilung der <strong>von</strong> ihm entschiedenen Sache<br />
veranlasst werden kann<br />
auch besteht die Möglichkeit durch Erläuterungen das unklare, unvollständige oder mit<br />
offensichtlichen Unrichtigkeiten behaftete Urteil zu korrigieren.<br />
Aufgrund veränderter Umstände kann in einem sog. Abänderungsprozess das Urteil den<br />
veränderten Umständen angepasst werden<br />
Nach der Kassation einer oberen Instanz die Neubeurteilung<br />
Was sind Urteilssurrogate?<br />
Das sind bestimmte Prozesshandlungen, die den Prozess in jedem Verfahrensstadium<br />
ohne Urteil zum Abschluss bringen.<br />
In Frage kommen die:<br />
Klaganerkennung durch den Beklagten<br />
Der Klagrückzug durch den Kläger<br />
Und der gerichtliche Vergleich<br />
Was bewirken die Urteilssurrogate?<br />
Die Urteilssurrogate bewirken als solche den Eintritt der materiellen Rechtskraft.<br />
Wann wird der Prozess formell beendet?<br />
Erst durch den Abschreibungsbeschluss durch welchen das Gericht das Urteilssurrogat<br />
zu Protokoll nimmt, allfällige Kosten festsetzt und die Klage mit deklaratorischer Wirkung<br />
als erledigt erklärt.<br />
Was ist eine Klaganerkennung?<br />
Eine Klaganerkennung ist eine, auf das Rechtsbegehren gerichtete, einseitige Erklärung<br />
der Beklagten Partei, dass sie die Klage anerkenne.<br />
Sie kann sich auf das gesamte Rechtsbegehren beziehen oder in Form eines<br />
Teilabstandes nur auf einen Teil desselben.<br />
Was bedeutet die rechtliche Doppelnatur des Klagrückzuges?<br />
Das bedeutet, dass er einerseits ein privatrechtliches Rechtsgeschäft ist und<br />
andererseits eine prozessuale Handlung.<br />
Was ist die Wirkung der Klagenerkennung?<br />
Sie hat die gleiche Wirkung wie das die Klage gutheissende Urteil. Sie bewirkt also die<br />
materielle Rechtskraft und somit die Vollstreckbarkeit.<br />
Was ist die Wirkung des Klagrückzuges?<br />
Dem Klagrückzug kommt in der Regel die gleiche Rechtskraft zu, wie einem Sachurteil,<br />
das die Klage abweist. Auf die erneut eingereichte Klage darf das Gericht also nicht<br />
mehr eintreten wegen der res iudicata.<br />
Gibt es Ausnahmen <strong>von</strong> diesem Grundsatz und wenn ja, dann nenne die Fälle, in<br />
denen der Kläger seine Klage ohne Rechtsverlust zurückzieht und später neu<br />
einreichen kann?<br />
Es gibt 4 mögliche Fallkonstellationen:<br />
50
• die Rechtskraftwirkung der Abstandserklärung tritt erst nach Eintritt der<br />
Rechtshängigkeit ein<br />
• nach einzelnen ZPOs bis zu einem bestimmten Verfahrensstadium oder jederzeit<br />
mit Einwilligung der Gegenpartei<br />
• wenn die eingereichte Klage unter einem prozessualen Mangel leidet, der einem<br />
Sachurteil entgegensteht, dann kann die Klage unter Vorbehalt ihrer späteren<br />
Wiedereinbringung („angebrachtermassen“) zurückgezogen werden.<br />
• Mit dem Klagrückzug „zur Zeit“, wenn der Kläger zum Ausdruck bringt, dass er<br />
die Klage nur mangels Fälligkeit zurückzieht und dem tatsächlich so ist, also eine<br />
Abweisung zur Zeit erfolgt wäre.<br />
Unterliegt die Abstandserklärung der Anfechtung wegen Willensmängeln?<br />
Ja. Es müssen jedoch zwei verschiedene Fallkonstellationen unterschieden werden.<br />
Falls die Abstandserklärung das Prozessverfahren <strong>von</strong> Gesetzes wegen beendet und<br />
1. noch kein Abschreibungsentschluss ergangen ist, dann entscheidet der Richter im<br />
gleichen Verfahren<br />
2. schon ein Abschreibungsbeschluss ergangen ist und diesem als solchem formelle<br />
und materielle Rechtskraft erwächst, dann ist die Anfechtung durch Rechtsmittel gegen<br />
den Abschreibungsbeschluss geltend zu machen.<br />
Was ist ein gerichtlicher Vergleich?<br />
Der gerichtliche Vergleich ist ein zweiseitig verpflichtender Vertrag, mit welchem sich die<br />
Parteien zur Beseitigung des Streites oder der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis<br />
durch gegenseitiges Nachgeben einigen.<br />
Besitzt der gerichtliche Vergleich dieselbe doppelte Rechtsnatur wie der<br />
Klagrückzug oder die Klaganerkennung?<br />
Ja, auch der gerichtliche Vergleich ist ein privatrechtliches Rechtsgeschäft und eine<br />
prozessuale Vereinbarung.<br />
In welcher Form hat der gerichtliche Vergleich zu erfolgen?<br />
Das bestimmt sich nach dem massgeblichen Prozessrecht und nicht nach dem<br />
Privatrecht.<br />
Durchwegs ist der gerichtliche Vergleich möglich indem der Vergleichstext im<br />
Gerichtsprotokoll festgehalten wird oder indem der unterschriebene Text dem Gericht<br />
zugestellt wird.<br />
Was ist die Wirkung des gerichtlichen Vergleichs?<br />
Der gerichtliche Vergleich entfaltet materielle Rechtskraft, ist vollstreckbar und führt zur<br />
Beendigung des Prozesses.<br />
Kann eine Partei vom gerichtlichen Vergleich zurücktreten?<br />
Nein, der Rücktritt ist ausgeschlossen, er führt zur definitiven Beendigung des Streites.<br />
Welchen Beendigungsgrund gibt es sonst noch?<br />
Z.B. die Gegenstandslosigkeit des Prozesses. Diese kann auf zwei verschiedene Arten<br />
vorkommen:<br />
51
1. wenn der Streitgegenstand oder<br />
2. das Rechtsschutzinteresse des Klägers nach Eintritt der Rechtshängigkeit wegfällt.<br />
Nenne weitere Erledigungsgründe:<br />
Des Weiteren kann die Unterlassung gewisser dem Kläger zu Beginn des Verfahrens<br />
obliegender Prozesshandlungen zur Erledigung des Prozesses ohne Urteil führen.<br />
1. Allgemein bei Nichtleistung des Kostenvorschusses oder der Kaution<br />
2. Bei Unterlassung die wegen formellen Mängeln zurückgewiesene Klage innert der<br />
gesetzten Nachfrist zu verbessern (in BS ergeht das Urteil dann gestützt auf die<br />
mangelhafte Rechtsschrift).<br />
3. U.U. wenn im schriftlichen Verfahren die ausnahmsweise zulässige nachträgliche<br />
Begründung nicht eingereicht wird.<br />
§ 20 Grundsätze der Rechtsmittel<br />
Was sind Rechtsmittel?<br />
Prozessuale Rechtsmittel, die der Überprüfung und allfälligen Verbesserung des Urteils<br />
auf Antrag einer Partei dienen. Damit können fehlerhafte Entscheidungen, wie sie<br />
angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit immer wieder vorkommen, korrigiert<br />
werden.<br />
Was sind die Nachteile der Rechtsmittel?<br />
Verlängerung und Verteuerung der Verfahren<br />
Durch was zeichnen sich ordentliche Rechtsmittel v.a. aus?<br />
Durch die gesetzliche Suspensivwirkung<br />
Wann kommt einem Rechtsmittel Suspensiveffekt zu?<br />
Wenn es <strong>von</strong> Gesetzes wegen die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheides,<br />
d.h. die Durchsetzbarkeit der im Dispositiv enthaltenen staatlichen Anordnung mit<br />
staatlichem Zwang bis zur erneuten Beurteilung hemmt.<br />
Wann spricht man <strong>von</strong> einem vollkommenen Rechtsmittel?<br />
Wenn mit einem Rechtsmittel sowohl in der Feststellung des Sachverhalts als auch in<br />
der Rechtsanwendung alle Mängel geltend gemacht werden können.<br />
Wann spricht man <strong>von</strong> einem unvollkommenen Rechtsmittel?<br />
Wenn mit einem Rechtsmittel lediglich die beschränkte Überprüfung des angefochtenen<br />
Entscheids möglich ist.<br />
Stellen ordentliche Rechtsmittel in der Regel vollkommene oder unvollkommene<br />
Rechtsmittel dar?<br />
Vollkommene, ausserordentliche Rechtsmittel i.d.R. unvollkommene<br />
Nenne ein Beispiel für ein vollkommenes Rechtsmittel!<br />
Kantonalrechtliche Berufung (Appellation).<br />
52
Wann kommt einem Rechtsmittel Devolutiveffekt zu?<br />
Wenn durch das Einlegen des Rechtsmittels die Streitsache <strong>von</strong> einer unteren (iudex a<br />
quo) an eine höhere Instanz (iudex ad quem) zur Beurteilung gelangt.<br />
Welches der nachfolgend genannten Rechtsmittel ist kein devolutives<br />
Rechtsmittel?<br />
• Appellation<br />
• Kantonalrechtliche Beschwerde<br />
• Revision<br />
• Erläuterung<br />
• Zivilrechtliche Berufung ans Bundesgericht<br />
• Nichtigkeitsbeschwerde ans Bundesgericht<br />
Revision und Erläuterung<br />
Was unterscheidet das reformatorische vom kassatorischen Rechtsmittel?<br />
Beim reformatorischen Urteilt die obere Instanz (iudex ad quem) selbst in der Sache,<br />
beim kassatorischen Rechtsmittel wird das angefochtene Urteil lediglich aufgehoben<br />
(kassiert) und im Sinne der Erwägung der oberen Instanz zur Neubeurteilung an das<br />
untere Gericht zurückgewiesen.<br />
Können die Parteien bereits vor Anhebung des Prozesses auf ordentliche<br />
Rechtsmittel verzichten?<br />
Im Geltungsbereich der Dispositionsmaxime ja. Ein derartiger Verzicht liegt<br />
insbesondere vor, wenn die Parteien vereinbaren, allfällige spätere Streitigkeiten nicht<br />
vor dem ordentlichen Richter, sondern vor einem Schiedsgericht auszutragen.<br />
Was gilt im Bereich der Offizialmaxime?<br />
Ein Verzicht ist unbeachtlich.<br />
Was gilt für die ausserordentlichen Rechtsmittel und warum?<br />
Ein Verzicht auf ausserordentliche Rechtsmittel ist generell ausgeschlossen und<br />
unbeachtlich. Dies, weil mit diesen Rechtsmitteln jeweils gravierende Mängel geltend<br />
gemacht werden können, deren Existenz vor Erlass des Urteils unter Umständen gar<br />
nicht erkennbar sind. Der Verzicht käme einer übermässigen Beschränkung der<br />
Persönlichkeit gleich oder könnte gar sittenwidrig sein. (vgl. ZGB 27 II, OR 20 I).<br />
Bis wann kann in BS, bis wann in BL das Rechtsmittel zurückgezogen werden?<br />
BS: Bis zur Urteilsfällung<br />
BL: Der Rückzug ist bereits nach Beginn der Appellationsverhandlung ausgeschlossen.<br />
Was besagt das Verbot der reformatio in peius?<br />
Nach dem sog. Verbot der reformatio in peius, die sich aus der Dispositionsmaxime<br />
ergibt, darf diejenige Partei die das Rechtsmittel ergreift (Rechtsmittelkläger)<br />
grundsätzlich durch das Urteil der Rechtsmittelinstanz nicht schlechter gestellt werden<br />
als durch den angefochtenen Entscheid.<br />
53
Gilt das Verbot der reformatio in peius auch im Bereich der Offizialmaxime?<br />
Nein.<br />
Was sind die Voraussetzungen der Rechtsmittel?<br />
• Die Partei die ein Rechtsmittel ergreift, darf nicht gültig verzichtet haben<br />
• Form:<br />
o Richtige Bezeichnung<br />
o Stellung eines Rechtsbegehrens<br />
o Begründung des Rechtsbegehrens<br />
o Nennung der Beweismittel<br />
o Unterschrift<br />
• Frist:<br />
o Einreichung innert der massgeblichen Rechtsmittelfrist<br />
• Instanz:<br />
o Einreichung bei der zuständigen Instanz<br />
• Anfechtungsobjekt:<br />
o Taugliches Anfechtungsobjekt<br />
• Rüge:<br />
o Rüge, welche für das betreffende RM zur Verfügung steht<br />
• Beschwer:<br />
o Partei muss durch angefochtenes Urteil beschwert sein<br />
(schützenswertes Interesse).<br />
• Legitimation:<br />
o Die Partei muss zur Einlegung des RM legitimiert sein.<br />
Was kann die Rechtsmittel einlegende Partei tun, wenn die obere kantonale<br />
Instanz wegen einer unrichtigen Bezeichnung des Rechtsmittels einen<br />
Nichteintretensentscheid erlässt?<br />
Es kann u.U. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Verbots des<br />
überspitzten Formalismus geführt werden.<br />
Nach was bestimmt sich, ob das Rechtsmittel beim iudex a quo oder beim iudex<br />
ad quem einzureichen ist?<br />
Nach dem massgeblichen Prozessrecht.<br />
Kann in BS ein Urteil des gewerblichen Schiedsgerichts mit der Appellation<br />
angefochten werden?<br />
Nein, es stellt kein taugliches Anfechtungsobjekt dar. Welche Voraussetzungen der<br />
angefochtene Entscheid aufweisen muss, bestimmt sich nach den jeweiligen<br />
gesetzlichen Voraussetzungen.<br />
Was passiert wenn eine Rüge geltend gemacht wird, für welche das betreffende<br />
Rechtsmittel nicht zur Verfügung steht (z.B. wenn bei der Willkürbeschwerde<br />
überspitzter Formalismus geltend gemacht wird)?<br />
Auf das Rechtsmittel wird grundsätzlich nicht eingetreten.<br />
Zwischen welchen Arten der Beschwer unterscheidet man?<br />
54
Formelle und materielle Beschwer<br />
Was wird unter formeller Beschwer verstanden?<br />
Die Diskrepanz zwischen dem Parteiantrag und der im Dispositiv bzw. Teilen des<br />
Urteils, welche der Rechtskraft zugänglich sind enthaltenen Entscheidung.<br />
Ist derjenige beschwert, der auf Abweisung der Klage beantragt, das Gericht<br />
jedoch auf Nichteintreten bekennt?<br />
Ja, er ist formell beschwert, denn er hat als Beklagter ein schützenswertes Interesse<br />
daran, über den streitigen Anspruch ein Sachurteil zu erhalten und nicht in einem neuen<br />
Verfahren mit der gleichen Klage belangt zu werden.<br />
Ist die formelle Beschwer stets Zulässigkeitsvoraussetzung?<br />
Ja. Fehlt dies, so wird auf das Rechtsmittel nicht eingetreten.<br />
Wann liegt materielle Beschwer vor?<br />
Wenn der Rechtsmittelkläger, auch wenn seinen Anträgen entsprochen wurde, durch<br />
das angefochtene Urteil in seiner Rechtsposition belastet wird und einen Rechtsnachteil<br />
erleidet.<br />
Was schliesst gewöhnlich die Einlegung eines Rechtsmittels aus; materielle<br />
Beschwer ohne formelle Beschwer oder formelle Beschwer ohne materielle<br />
Beschwer?<br />
Materielle Beschwer ohne formelle Beschwer.<br />
Zur Einlegung eines Rechtsmittels ist grundsätzlich nur wer legitimiert?<br />
Grundsätzlich nur die am unterinstanzlichen Verfahren beteiligten Haupt- und allenfalls<br />
Nebenparteien.<br />
Wann können ausnahmsweise auch Dritte legitimiert sein?<br />
Sofern ihre Rechtsposition durch den Entscheid berührt wird, so z.B. der Dritte, der sich<br />
in einem Vaterschaftsprozess einer Blutprobe unterziehen muss, oder der Armenanwalt,<br />
der die Höhe der Vergütung anficht.<br />
§ 21 Rechtsmittel des kantonalen Rechts<br />
Nenne die kantonalen Rechtsmittel!<br />
Es gibt:<br />
die Appellation<br />
die kantonalrechtliche Beschwerde<br />
die Revision<br />
die Berichtigung und Erläuterung<br />
und weitere kantonale Rechtsmittel in BS wie der Rekurs oder die Aufsichts- oder<br />
Dienstbeschwerde<br />
Was ist die Appellation?<br />
55
Die Appellation ist ein ordentliches, vollkommenes Rechtsmittel mit Devolutiv- und<br />
Suspensiveffekt. In der Regel ist es reformatorisch und nicht kassatorisch.<br />
Was ist die sog. Anschlussappellation?<br />
Anschlussappellation wird genannt, wenn sich die Gegenpartei der Appellation<br />
(Appellat) des Appellanten anschliesst. (ZPO BS 220 IV)<br />
Was ist der Sinn einer Anschlussappellation?<br />
Durch die Anschlussappellation geht das Verbot der „reformatio in peius“ verloren. Die<br />
Anschlussappellation teilt jedoch das Schicksal der Appellation im Falle des Rückzugs,<br />
jedoch nur bis zu Beginn der Hauptverhandlung (ZPO BS 232)<br />
Wann ist die Anschlussappellation spätestens in BS einzureichen, und wann in<br />
BL?<br />
In BS bis zum Aktenschluss (ZPO BS 220 IV) beim iudex a quo und in BL innert der für<br />
die Hauptappellation massgeblichen Hauptfrist (meistens 10 Tage).<br />
Was bezweckt die Anschlussappellationsfrist?<br />
Nur die Festlegung des Endtermins. Eine Anschlussappellation vor Beginn der Frist ist<br />
also gültig.<br />
Wer ist zur Appellation befugt?<br />
In erster Linie die Hauptparteien. Daneben auch noch die Rechtsnachfolger,<br />
Streitgenossen, Contumax und die Nebenparteien (allerdings nicht gegen den<br />
ausdrücklichen Willen der Hauptpartei).<br />
Was sind die Voraussetzungen der Appellation?<br />
Es muss:<br />
ein appellables Urteil vorliegen (in BS Urteile des Zivilgerichts)<br />
die Appellationserklärung muss form- und fristgerecht bei der zuständigen Behörde<br />
eingereicht worden sein<br />
die Appellationssumme bzw. in BS und BL der quantitative Beschwer muss erreicht<br />
worden sein.<br />
Welche Urteile sind in BS appellabel und welche in BL?<br />
In BS sind nur Urteile der 5er-Kammer des Zivilgerichts und in BL auch Urteile des<br />
Bezirksgerichtspräsidenten als Einzelrichter, gegen Urteile des Ausschusses des<br />
Bezirksgerichtes wie auch Urteile des Bezirksgerichtes (alle mit gewissen gesetzlichen<br />
Einschränkungen).<br />
Sind nur Sach- oder auch Prozessurteile appellabel?<br />
Sowohl als auch, im Allgemeinen jedoch nur Endurteile, sowie gegen Zwischenurteile<br />
über die Zuständigkeit des Gerichts.<br />
Die neuere Praxis lässt die Appellation auch gegen Zwischenurteile über gewisse<br />
weitere Prozessvoraussetzungen zu.<br />
Sind Prozessleitende Verfügungen appellabel?<br />
56
Nein, sie können nur mittelbar, nämlich durch Appellation gegen das ergangene<br />
Zwischen- oder Endurteil angefochten werden, soweit diese nicht ausnahmsweise der<br />
selbstständigen Beschwerde unterliegen.<br />
Kann sich die Appellation auch nur gegen einzelne Teile des erstinstanzlichen<br />
Urteilsdispositivs richten?<br />
Ja, jedoch kann der Kostenentscheid nicht separat mittels der Appellation angefochten<br />
werden, sondern nur mit der Beschwerde.<br />
Wie viele Tage beträgt die Appellationsfrist in der Regel?<br />
In der Regel in BS und BL 10 Tage. Ausnahmen sind zum Beispiel einige Verfahren des<br />
SchKG (5 Tage) und z.B. das beschleunigte Verfahren (3 Tage).<br />
Ist die Appellationsfrist erstreckbar?<br />
Nein, es handelt sich somit um eine Verwirkungsfrist.<br />
Was ist nach Ablauf der Appellationsfrist eventuell möglich?<br />
In BS sowie in BL eventuell die Wiedereinsetzung (ZPO BS 34b IV).<br />
Wann beginnt die Appellationsfrist zu laufen?<br />
Am folgenden Tag der (vollständigen) schriftlichen oder mündlichen Urteilseröffnung<br />
(ZPO BS 222)<br />
Was geschieht in Bezug auf die Appellationsfrist mit Einreichung einer<br />
Beschwerde?<br />
Dann wird die Appellationsfrist aufgehoben und beginnt erneut nach einer eventuellen<br />
Abweisung der Beschwerde (ZPO BS 222 II).<br />
In welcher Form hat die Appellationserklärung zu erfolgen?<br />
In BS schriftlich zu Händen des Zivilgerichts (ZPO BS 225 I), in BL mündlich oder<br />
schriftlich bei der Kanzlei des Gerichts, dessen Urteil angefochten wird. In BL ist auch<br />
die unmittelbar nach Abschluss der Verhandlung vor den Schranken zu Protokoll<br />
gegebene Appellationserklärung gültig.<br />
Nach was berechnet sich die quantitative Beschwer?<br />
Sie berechnet sich nach dem Unterschied zwischen dem <strong>von</strong> der Partei im Prozess<br />
zuletzt gestellten Rechtsbegehren und dem angefochtenen Urteil. Will eine Partei also<br />
5000 SFr und erhält nur 2000 SFr zugesprochen, so beträgt ihre quantitative Beschwer<br />
nur 3000 Sfr.<br />
Was ist die erforderliche Beschwer der Summe nach?<br />
In BS mehr als 8'000 SFr (ZPO BS 220 I), in BL mehr als 2'000 SFr.<br />
Was ist, wenn die Streitsumme unbestimmt ist?<br />
Dann steht die Appellation ebenfalls offen. Darunter fallen in erster Linie nicht<br />
vermögensrechtliche Streitigkeiten (ZPO BS 220).<br />
57
Wie sieht es mit Entscheiden der 5er-Kammer des Zivilgerichts wegen Verletzung<br />
der Vorschriften über die Zuständigkeit aus?<br />
Ebenfalls ohne Vorliegen der Appellationssumme, auch summa gravaminis genannt, der<br />
Appellation geöffnet (ZPO BS 220 II).<br />
Wie sieht es mit Entscheiden der 3er-Kammer des Zivilgerichts wegen Verletzung<br />
der Vorschriften über die Zuständigkeit aus?<br />
Entscheiden der 3er Kammer sind nicht appellabel (Der Wortlaut „Zivilgericht“ in ZPO<br />
BS 220 I bezeichnet gemäss GOG-BS 27 nur die 5er-Kammer).<br />
Welche Wirkungen hat die Appellation?<br />
Devolutiv- und Suspensiveffekt.<br />
Wer bewilligt die Appellation?<br />
In BS zuerst der Präsident der erkennenden Zivilrechtskammer (ZPO BS 225 I i.V.m<br />
226). Gegen dessen Entscheid ist die Anrufung der Kammer möglich, danach die<br />
Beschwerde innert 10 Tagen (ZPO BS 230). Darüber entscheidet dann endgültig das<br />
Appellationsgericht in freier Kognition.<br />
Was ist der sog. Aktenschluss?<br />
Der Aktenschluss ist die Vorladung auf die Zivilgerichtsschreiberei. Auf diesen Termin<br />
werden alle Akten des erstinstanzlichen Verfahrens zusammengestellt und für den<br />
Übergang zur nächsten Instanz bereit gemacht (ZPO BS 227).<br />
Was passiert, wenn die eventuell verfügte Kostenvorschusspflicht, also<br />
Deposition oder Sicherstellung der Kosten, nicht erfüllt wird?<br />
Dann fällt die Appellation dahin (ZPO BS 229 III).<br />
Wann ist das Gesuch um unentgeltliche Kostenführung vom Appellaten<br />
spätestens einzureichen?<br />
Spätestens mit den Appellationsanträgen (ZPO BS 229 IV).<br />
Wer entscheidet über das Gesuch?<br />
der instruierende Appellationsgerichtspräsident unter Anwendung der erstinstanzlichen<br />
Grundsätze (ZPO BS 229 V).<br />
Wer entscheidet in BS, wer in BL über die Zulässigkeit der Appellation?<br />
BS: Der Präsident der erkennenden Zivilgerichtskammer (ZPO BS 226)<br />
BL: Obergerichtspräsident, der erstinstanzliche Richter hat lediglich den zu<br />
hinterlegenden Kostenvorschuss zu bestimmen.<br />
Was steht dem Appellanten in BS offen, wenn die Zulassung der Appellation<br />
verweigert wird?<br />
Die Anrufung der Kammer (ZPO BS 230) (empfiehlt sich innert 10 Tagen, jedoch keine<br />
ausdrückliche Vorschrift). Gegen den die Appellation ebenfalls verweigernden<br />
Kammerentscheid kann der Appellant innert 10 Tagen Beschwerde führen (ZPO BS<br />
230), worauf das Appellationsgericht mit freier Kognition endgültig über die Zulassung<br />
der Appellation entscheidet.<br />
58
Muss das Appellationsgericht die Zulässigkeit der Appellation nochmals prüfen,<br />
auch wenn diese <strong>von</strong> der ersten Instanz als Zulässig erklärt wurde?<br />
Ja, <strong>von</strong> Amtes wegen.<br />
Was passiert nach der Zulassung der Appellation?<br />
Beide Parteien werden auf die Zivilgerichtsschreiberei zum sog. Aktenschluss geladen.<br />
Auf diesen Termin stellt das Zivilgericht sämtliche Akten des erstinstanzlichen<br />
Verfahrens zusammen und macht sie für den Übergang an die obere Instanz bereit.<br />
Was können die Parteien anlässlich des Aktenschlusses kontrollieren?<br />
Ob die Akten vollständig und das Protokoll über die mündlichen Verhandlungen,<br />
namentlich die Hauptverhandlung richtig ist und entsprechende Berichtigungen und<br />
Ergänzungen beantragen, über welche das Zivilgericht entscheidet (ZPO BS 227)<br />
Was ist die Kostendeposition?<br />
Die Deponierung der ausserordentlichen und ordentlichen Kosten, die das Gericht dem<br />
Appellant auferlegt. Dies bis zum Aktenschluss bei der Gerichtskasse; ansonsten fällt<br />
die Appellation dahin (ZPO BS 229 III)<br />
Auch für die Gerichtskosten des Appellationsverfahrens besteht eine<br />
grundsätzliche Kostenvorschusspflicht. Nach welchen Grundsätzen?<br />
Erstinstanzliche Grundsätze (ZPO BS 229)<br />
Wann hat der Appellant in BS seine Anträge spätestens einzureichen?<br />
Innert dreissig Tagen seit Aktenschluss (ZPO BS 232a)<br />
Was passiert in BS und BL, wenn der Appellant keine Anträge stellt?<br />
Es gelten die im unterinstanzlichen Urteil gestellten Anträge (ZPO BS 232a).<br />
Was passiert mit den Anträgen des Appellanten?<br />
Diese werden samt allfälligen Begründungen vom instruierenden<br />
Appellationsgerichtspräsidenten, der i.d.R. mit dem Referenten identisch ist, der<br />
Gegenpartei unter Ansetzung einer erstreckbaren Frist zur Vernehmlassung und zur<br />
Einreichung <strong>von</strong> Gegenanträgen zugestellt (ZPO BS 232b I).<br />
Gilt die Eventualmaxime auch im Verfahren vor dem Appellationsgericht?<br />
Ja, in BS und BL.<br />
In welcher Weise erleidet der Konzentrationsgrundsatz indessen auch im<br />
Appellationsverfahren gewisse Einschränkungen?<br />
In gleicher Weise, wie sie bereits für den erstinstanzlichen Prozess vorgesehen sind<br />
Was heisst das konkret?<br />
Die Parteien dürfen auch vor Appellationsgericht neue Tatsachen und Beweismittel<br />
vorbringen, seien es echte Noven, die erst nachträglich eingetreten sind oder unechte<br />
Noven, die den Parteien im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht bekannt waren und<br />
ihr auch nicht bekannt sein konnten, oder für deren Vorbringen kein Anlass bestand.<br />
59
Wann sind Noven im zweitinstanzlichen Verfahren in BS spätestens einzureichen?<br />
Spätestens beim Aktenschluss, wenn sie der Partei erst später zur Kenntnis kommen,<br />
baldmöglichst, spätestens aber am dritten Tag vor der Verhandlung (ZPO BS 237 II)<br />
Wann sind Noven im zweitinstanzlichen Verfahren in BL spätestens einzureichen?<br />
Die ZPO BL enthält keine ausdrückliche Vorschrift. Die Praxis wendet die Vorschriften<br />
des erstinstanzlichen Verfahrens analog an.<br />
Was heisst das konkret?<br />
Noven müssen grundsätzlich zu Beginn der Appellationsverhandlung geltend gemacht<br />
werden. Kommen die Noven der betreffenden Partei erst im Laufe des Verfahrens zur<br />
Kenntnis, so müssen sie grundsätzlich sofort geltend gemacht werden.<br />
Wer entscheidet in BS über die Zulassung der Noven?<br />
Der instruierende Appellationsgerichtspräsident.<br />
An wen und mit welchem Mittel kann die beschwerte Partei in BS die<br />
prozessleitende Verfügung des Appellationsgerichtspräsidenten weiterziehen?<br />
In analoger Anwendung <strong>von</strong> ZPO BS 82a bis zum Ablauf des dritten Tages vor der<br />
Verhandlung mittels Rekurs an die Kammer des Appellationsgerichts<br />
Wann ist das Urteil in BL schriftlich zu eröffnen?<br />
Wenn gegen das Urteil zivilrechtliche Berufung an das BGer geführt werden kann (OG<br />
51 I lit. d)<br />
Wie wird die kantonalrechtliche Beschwerde in gewissen Kantonen auch<br />
genannt?<br />
Nichtigkeitsbeschwerde oder Kassationsbeschwerde<br />
Was sind die Merkmale der Beschwerde?<br />
• Ausserordentlich<br />
• Unvollkommen<br />
• Devolutiv<br />
• Meistens subsidiär<br />
• Ohne Suspensivwirkung<br />
• Dient dazu die sog. Nichtigkeitsgründe zu rügen.<br />
Ist eine Anschlussbeschwerde nach den Rechten <strong>von</strong> BS und BL<br />
ausgeschlossen?<br />
Ja; der Beschwerdegegner muss selber fristgemäss Beschwerde erheben, um eine<br />
Abänderung des angefochtenen Entscheids zu seinen Gunsten zu erwirken.<br />
Unterliegen der Verfahrensmangelbeschwerde in BS die Urteile aller<br />
Spruchkörper?<br />
Ja (ZPO BS § 242(1) Ziff. 1), also auch die Kammerurteile, gegen die die Appellation<br />
offen steht.<br />
60
Wer ist zur Beschwerde legitimiert?<br />
Die Haupt- und Nebenparteien des erstinstanzlichen Verfahrens. Es gelten die gleichen<br />
Grundsätze wie bei der Appellation. Ausnahmsweise sind auch Dritte zur Beschwerde<br />
zugelassen, wenn sie vom angefochtenen Entscheid unmittelbar berührt werden, so z.B.<br />
der Armenanwalt hinsichtlich des ihm verweigerten Anwaltshonorars.<br />
Wann können in BS Urteile der Kammer mit Willkürbeschwerde angefochten<br />
werden?<br />
Wenn sie nicht appellabel sind (ZPO BS 242 1 Ziff. 2)<br />
Sind grundsätzlich auch Zwischenentscheide beschwerdefähig?<br />
Nein, grundsätzlich nur Endentscheide. Dieser Grundsatz wird in der BS Praxis jedoch<br />
in zahlreichen Fällen durchbrochen, welche den Begriff des Endurteils weit auslegt. Ein<br />
beschwerdefähiger Entscheid liegt bereits dann vor, wenn durch den erstinstanzlichen<br />
(Zwischen-)entscheid wesentliche prozessuale Rechte der Parteien endgültig<br />
geschmälert oder vernichtet würden.<br />
Wann kann in BS gegen Zwischenurteile auch noch Beschwerde geführt werden?<br />
Wenn andernfalls direkt das BGer mittels staatsrechtlicher Beschwerde angerufen<br />
werden könnte (Verfahrensökonomie)<br />
Die kantonalrechtliche Beschwerde setzt voraus:<br />
1. Beschwerdefähiges Urteil<br />
2. tauglicher Beschwerdegrund und<br />
3. Beschwer<br />
Was sind die tauglichen Beschwerdegründe?<br />
Verfahrensmangel<br />
Willkür<br />
Verletzung der Vorschriften über die Zuständigkeit<br />
Bewilligung oder Verweigerung der Vollstreckung auswärtiger Urteile<br />
Was ist ein Verfahrensmangel (error in procedendo)?<br />
Ein Verfahrensmangel liegt vor, wenn der Richter gegen geschriebene oder<br />
ungeschriebene Verfahrensnormen verstösst.<br />
Welcher ist der häufigste Verfahrensmangel?<br />
Verletzung des rechtlichen Gehörs.<br />
Der Verfahrensmangel muss i.d.R. wesentlich sein. Gilt dies auch für die<br />
Verletzung des rechtlichen Gehörs?<br />
Entsprechend der Praxis des BGer NEIN!. Hier ist demnach belanglos, ob bei<br />
Einräumung des rechtlichen Gehörs der Entscheid anders ausgefallen wäre.<br />
Welche Beschwerdegründe sind bei der kantonalen Beschwerde tauglich?<br />
Es kommen nur 4 taugliche Gründe in Frage:<br />
Ein Verfahrensmangel (error in procedendo)<br />
61
Willkür<br />
Verletzungen der Vorschriften über die Zuständigkeit (ausser bei Kammerentscheiden)<br />
Bewilligung oder Verweigerung der Vollstreckung <strong>von</strong> auswärtigen (und Baselstädtischen)<br />
Urteilen<br />
Wie wird die Beschwerde gegen Willkür noch genannt?<br />
error in iudicando. Diese Art der Beschwerde stellt in BS den wichtigsten<br />
Beschwerdegrund dar.<br />
Kann die kantonale Willkürbeschwerde auch gegen appellable Urteile geführt<br />
werden?<br />
Nein. Sie ist zur Appellation subsidiär.<br />
Wann ist ein Urteil willkürlich?<br />
Wenn es qualifiziert unrichtig ist, d.h. schlechthin unhaltbar und somit gegen klares<br />
Recht verstösst. Sie ist auch bei Ermessensüberschreitung des Richters möglich.<br />
Gegen was kann sich die kantonale Willkürbeschwerde beim Kostenentscheid<br />
richten?<br />
Sowohl gegen die Höhe der Gerichtsgebühr und der bezifferten Parteientschädigung,<br />
als auch gegen die Verurteilung der ordentlichen und ausserordentlichen<br />
Gerichtskosten.<br />
Bei welchen drei Arten <strong>von</strong> Urteilen beurteilt das Appellationsgericht<br />
Beschwerden ohne Beschränkung auf Willkür, also in freier Kognition?<br />
In freier Kognition urteilt das Appellationsgericht bei (§2242a ZPO BS):<br />
Entscheidungen des Zivilgerichtspräsidenten betreffend die Erstreckung <strong>von</strong> Miet- und<br />
Pachtverhältnissen<br />
Entscheidungen des Zivilgerichtspräsidenten betreffend die Gewährung des<br />
Gegendarstellungsrechtes<br />
Urteilen des gewerblichen Schiedsgerichtes bei einer Beschwer <strong>von</strong> über 8'000 SFr.<br />
Wie wird diese in freier Kognition stattfindende Anfechtung <strong>von</strong> Urteilen noch<br />
genannt?<br />
Diese Anfechtungen mittels der Beschwerde werden noch „kleine Appellation“ genannt.<br />
Bei welchen Gerichten in BS ist die kantonale Beschwerde und nicht die<br />
Appellation bei Verletzung der Vorschriften über die Zuständigkeit möglich?<br />
Bei allen, ausser bei Kammerentscheiden, wo die Appellation zulässig ist, jedoch ohne<br />
erforderliche Beschwer.<br />
Wer entscheidet in BS über die Bewilligung oder die Verweigerung der<br />
Vollstreckung auswärtiger Urteile?<br />
Der Zivilgerichtspräsident.<br />
Was sind die Voraussetzungen für die kantonalrechtliche Beschwerde?<br />
Das sind die folgenden drei Voraussetzungen:<br />
beschwerdefähiges Urteil<br />
62
tauglicher Beschwerdegrund<br />
Beschwer (nicht in bestimmter Höhe)<br />
Wann liegt die erforderliche Beschwer vor?<br />
Immer dann, wenn eine Partei mit ihren Rechtsbegehren nicht vollständig<br />
durchgedrungen ist.<br />
Welche Wirkungen hat die kantonalrechtliche Beschwerde?<br />
Da es sich um ein ausserordentliches Rechtsmittel handelt, kommt der Beschwerde kein<br />
Suspensiveffekt zu, §243(3) ZPO BS.<br />
Auf Gesuch hin kann jedoch die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheides vom<br />
Richter aufgeschoben werden.<br />
Wie lange dauert die Beschwerdefrist, d.h. innert welchem Zeitraum muss die<br />
Beschwerde eingereicht werden?<br />
Innert 10 Tagen, §243(1) ZPO BS.<br />
Wann beginnt die Beschwerdefrist?<br />
Am Tag nach der Eröffnung des Urteils.<br />
Ist die Beschwerde an eine bestimmte Form gebunden?<br />
Ja, die Beschwerde ist schriftlich einzureichen, §243(1) ZPO BS.<br />
Was muss die Beschwerde inhaltlich erfüllen?<br />
Die Beschwerde muss neben dem Antrag auch eine substantiierte Begründung und da<br />
es sich um ein ausserordentliches meist unvollkommenes Rechtsmittel handelt muss die<br />
Beschwerdeschrift auch im Einzelnen aufführen, inwiefern es sich um einen<br />
Verfahrensmangel, Willkür etc. handelt.<br />
Sind Noven im Beschwerdeverfahren zulässig?<br />
Nein, da beurteilt werden soll, ob das Gericht auf der Grundlage der ihm vorliegenden<br />
Sachlage die Sache richtig beurteilt hat.<br />
Muss bei der Beschwerde der Beschwerdeführer einen Kostenvorschuss leisten?<br />
Ja, dieser wird gerichtlich festgesetzt, §242(3) ZPO BS.<br />
Wie erfolgt der Beschwerdeentscheid?<br />
In BS in der Regel kassatorisch und nur ausnahmsweise reformatorisch, in BL nur<br />
ausnahmsweise kassatorisch und in der Regel reformatorisch.<br />
Was ist die Revision?<br />
Die Revision ist ein ausserordentliches, subsidiäres, unvollkommenes, kassatorisches<br />
und nicht devolutives Rechtsmittel ohne Suspensiveffekt durch welches ein, durch ein<br />
rechtskräftiges Urteil erledigter, Zivilprozess wegen bestimmter schwerer Mängel, den<br />
sog. Revisionsgründen, NEU durchgeführt werden kann.<br />
Wer ist zur Revision legitimiert?<br />
Die an dem seinerzeitigen Verfahren beteiligten Haupt- und Nebenparteien.<br />
63
Was sind die Voraussetzungen für eine Revision?<br />
Es gibt zwei Voraussetzungen:<br />
Ein revisionsfähiges Urteil<br />
Und ein Revisionsgrund<br />
Was ist das Anfechtungsobjekt der Revision?<br />
Das rechtskräftige Urteil einer unteren oder oberen kantonalen Instanz.<br />
Welche Revisionsgründe gibt es?<br />
Es gibt zwei Revisionsgründe:<br />
Wenn mittel eines strafrechtlich festgestellten Vergehens auf das Urteil eingewirkt wurde<br />
(revisio propter falsa)<br />
Wenn Urkunden <strong>von</strong> entscheidender Bedeutung aufgefunden wurden (revisio propter<br />
nova)<br />
Welche Voraussetzungen gibt es in Hinsicht auf die revisio propter falsa?<br />
Es muss ein rechtskräftiges entsprechendes Strafurteil vorliegen und es muss ein<br />
Kausalzusammenhang bestehen.<br />
Welche Voraussetzungen gibt es für die revisio propter nova?<br />
Die neu aufgefundene Urkunde muss zum Zeitpunkt des Urteils schon existiert haben<br />
(echte Noven sind also nicht zulässig) und es darf den Revisionskläger kein<br />
vorwerfbares Versäumnis treffen. Drittens müsste sich die Urkunde auf das Ergebnis<br />
des Prozesses positiv ausgewirkt haben, d.h. es muss für eine prozessrelevante<br />
Tatsache aufgeführt werden und beweistauglich sein.<br />
Welche Fristen sind bei der Revision zu beachten?<br />
Die relative und die absolute Frist.<br />
Was ist die relative Frist und wie lange ist diese?<br />
Die relative Frist ist die Frist, die mit Auffinden neuer Urkunden oder der Kenntnisnahme<br />
vom rechtskräftigen Urteil beginnt. Sie dauert in BS 1 und in BL 3 Monate.<br />
Was ist die absolute Frist und wann beginnt diese?<br />
Nach dieser Zeit kann trotz dem vorliegen eines Revisionsgrundes keine Revision mehr<br />
eingereicht werden.<br />
In BS beträgt die absolute Frist bei Strafurteilen 10 und bei neuen Urkunden 5 Jahre in<br />
BL in beiden Fällen 5 Jahre.<br />
In BS beginnt die Frist mit der formellen Rechtskraft des angefochtenen Urteils, in BL<br />
mit der Urteilsfällung.<br />
Zwischen welchen beiden Revisionsurteilen kann man unterscheiden?<br />
Zwischen dem iudicium rescidens und dem iudicium rescissorium. Ersteres spricht sich<br />
über das Revisionsurteil aus, Das iudicium rescissorium ist das neue Urteil in der Sache<br />
selber.<br />
Was ist der Unterschied zwischen einer Berichtigung und einer Erläuterung?<br />
64
Bei der Berichtigung wird ein das Urteil Rechnungs- oder Sinnentstellender Fehler oder<br />
ein <strong>von</strong> der Beratung offensichtlich abweichendes Urteil vom Gericht auf Antrag oder<br />
<strong>von</strong> Amtes wegen berichtigt.<br />
Bei der Erläuterung wird ein unklares Urteil klargestellt, insbesondere dann, wenn das<br />
Urteilsdispositiv zweideutig ist.<br />
Wie nennt man Rechnungs- oder sinnentstellende Fehler?<br />
Diese Fehler werden Kanzleifehler genannt.<br />
Dürfen gerichtliche Vergleiche durch eine Erläuterung klargestellt werden?<br />
Nein, es sei denn, sie bedürfen zu ihrer Gültigkeit der gerichtlichen Genehmigung (z.B.<br />
Vergleich über die Nebenfolgen der Scheidung).<br />
Welche Frist gilt für das Erläuterungsbegehren?<br />
Dieses Begehren ist an KEINE Frist gebunden.<br />
Welches Verfahren und welche Formvorschriften gelten für das<br />
Erläuterungsverfahren?<br />
BS enthält keine Regelung, die Rechtsunsicherheit sollte jedoch so schnell wie nur<br />
möglich beendet werden. In BL ist das Begehren schriftlich einzureichen.<br />
Zwischen welchen prozessleitenden Verfügungen wird unterschieden beim<br />
Rekurs gegen Verfügungen des Instruktionsrichters?<br />
Zwischen solchen, wo der Instruktionsrichter in eigener Kompetenz entscheidet und<br />
sonstigen wobei bei den sonstigen unterschieden wird, ob sie sich auf den formellen<br />
Gang des Prozesses beziehen (Ansetzen <strong>von</strong> Fristen) oder ob sie den materiellen Inhalt<br />
des Prozesses berühren (z.B. Verweigerung der nachgesuchten Klagänderung).<br />
Was gilt für die Rekursfrist?<br />
Allgemein dasselbe wie für die Noveneingabe, d.h. bis zum Ablauf des dritten Tages vor<br />
der Hauptverhandlung, §81(3) ZPO BS analog.<br />
Nenne zusammenfassend die Rechtsmittel des kantonalen Rechts!<br />
Appellation (kantonalrechtliche Berufung)<br />
Kantonalrechtliche Beschwerde<br />
Revision<br />
Berichtigung und Erläuterung<br />
Weitere kantonale Rechtsmittel in BS und BL:<br />
Rekurs gegen prozessleitende Verfügungen des Instruktionsrichters (BS)<br />
Rekurs gegen Verfügungen des Eheschutzrichters und des Instruktionsrichters im<br />
Scheidungsprozess (BS)<br />
Aufsichts- oder Dienstbeschwerde<br />
Nenne zusammenfassend die Rechtsmittel des Bundesrechts!<br />
Zivilrechtliche Berufung<br />
Zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde<br />
Staatsrechtliche Beschwerde<br />
Revision<br />
65
Erläuterung<br />
Welche der Verfügungen sind grundsätzlich nicht rekursfähig: Verfügungen, die<br />
sich auf den formellen Gang des Prozesses beziehen (z.B. Ansetzung <strong>von</strong> Fristen<br />
und Terminen) und Verfügungen, die den materiellen Inhalt des Prozesses<br />
betreffen (z.B. Verweigerung einer nachgesuchten Klagänderung)?<br />
Grundsätzlich die Verfügungen, die den formellen Inhalt des Prozesses betreffen.<br />
Welche prozessleitenden Verfügungen unterliegen der direkten Beschwerde an<br />
das Appellationsgericht?<br />
Verfügungen, die in derart einschneidender Art einen nicht wiedergutzumachenden<br />
Nachteil bewirken oder prozessuale Rechte der Parteien vernichten, dass die<br />
Weiterführung des Prozesses in Frage gestellt wird, z.B. Verfügungen über den <strong>von</strong><br />
einer Partei zu leistenden Kostenvorschuss, Verweigerung des Kostenerlasses oder der<br />
anwaltlichen Vertretung.<br />
Es wird anerkannt, dass u.U. auch die formellen prozessleitenden Verfügungen<br />
dem Rekurs an die Kammer unterliegen können. Die Unterscheidung zwischen<br />
materiellen und formellen prozessleitenden Verfügungen eignet sich daher nicht<br />
zur Abgrenzung der rekursfähigen Verfügungen und ist ohnehin unpraktikabel, da<br />
sich die beiden Arten <strong>von</strong> prozessleitenden Verfügungen nicht klar abgrenzen<br />
lassen. Auf was ist richtigerweise abzustellen?<br />
Auf das Rechtsschutzinteresse der rekurrierenden Partei.<br />
Ist das Rechtsschutzinteresse gegeben, bei der Wegweisung einer angeblich<br />
nicht fristgemäss eingereichten Rechtsschrift?<br />
Ja<br />
Ist das Rechtsschutzinteresse gegeben, bei einer rechtmässigen Gewährung einer<br />
Fristverlängerung an die Gegenpartei?<br />
Nein<br />
Was gilt hinsichtlich der Rekursfrist in BS?<br />
Allgemein, was ZPO BS 81 III für Verfügungen über die Zulassung <strong>von</strong> Noveneingaben<br />
bestimmt: Der Rekurs ist innert der Frist <strong>von</strong> ZPO BS 76, d.h. bis zum Ablauf des dritten<br />
Tages vor der Hauptverhandlung zu erklären. Erst nach diesem Zeitpunkt ergangene<br />
prozessuale Verfügungen können bis zum Beginn der Hauptverhandlung angefochten<br />
werden.<br />
Was ist in BL das entsprechende Rechtsmittel zum BS Rekurs?<br />
BL kennt kein entsprechendes Rechtsmittel. Sofern keine direkte Beschwerde möglich<br />
ist, ist der Mangel mit dem Endentscheid anzufechten und zwar unter den allgemeinen<br />
Voraussetzungen mittels Appellation oder Beschwerde.<br />
An wen ist in BS der „Rekurs“ gegen Verfügungen des Eheschutzrichters und des<br />
Instruktionsrichters im Scheidungsprozess zu richten?<br />
An die Kammer des Zivilgerichts<br />
66
Obwohl das Rechtsmittel in der Praxis „Rekurs“ genannt wird, ist es weder dem<br />
Rekurs im Sinne <strong>von</strong> BS ZPO 82a noch der Beschwerde <strong>von</strong> BS ZPO<br />
gleichzusetzen. Um was für ein Rechtsmittel handelt es sich also?<br />
RM sui generis, das<br />
devolutiv<br />
vollkommen<br />
reformatorisch<br />
nicht suspensiv<br />
ist.<br />
Im Ggs. zu BL (ZPO BL 11 III lit. a) erwähnt die BS ZPO die Aufsichts- oder<br />
Dienstbeschwerde (Disziplinarbeschwerde) nicht. Dennoch existiert sie. Wo ist die<br />
geregelt?<br />
Im Gerichtsorganisationsgesetz<br />
Wer übt in BS, wer in BL die Aufsicht über die unteren Dienststellen aus?<br />
BS: Appellationsgericht als Gesamtbehörde<br />
BL: Obergericht<br />
Was ist die Aufsichtsbeschwerde?<br />
Das gesetzliche Mittel, die obere kantonale Instanz auf einen rechtswidrigen Zustand<br />
oder ein pflichtwidriges Verhalten unterer Instanzen aufmerksam zu machen, welches<br />
das Eingreifen der Aufsichtsinstanz erfordert.<br />
Ist die Aufsichtsbeschwerde eher ein verwaltungsrechtliches oder zivilrechtliches<br />
Rechtsinstitut?<br />
Verwaltungsrechtliches<br />
Wo liegt der klassische Anwendungsbereich der Aufsichtsbeschwerde?<br />
In der Justizverwaltung (Wahlen, Geschäftsverteilung, Kassawesen etc.). Sie dient<br />
weiter dem Zweck, allfälligem ungebührlichem Verhalten <strong>von</strong> Richtern gegenüber den<br />
Parteien, Zeugen und Sachverständigen Einhalt zu gebieten und schliesslich dient die<br />
Aufsichtsbeschwerde auch als Rechtsbehelf gegen Rechtsverweigerung und<br />
Rechtsverzögerung.<br />
Wie stark muss ein Rechtsschutzinteresse sein, um für eine Aufsichtsbeschwerde<br />
legitimiert zu sein?<br />
Jedermann ist – auch ohne Nachweis eines Rechtsschutzinteresses – legitimiert.<br />
Wann liegt eine Rechtsverweigerung vor?<br />
Wenn der Richter sich weigert, eine Amtshandlung vorzunehmen, zu der er gesetzlich<br />
verpflichtet ist.<br />
Nenne ein Beispiel, bei dem Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung nicht<br />
nur durch blosse richterliche Unterlassung, sondern durch eine positive<br />
Anordnung des Richters bewirkt wird!<br />
67
Wenn der Richter zu Unrecht eine Sistierungsverfügung erlässt und das Verfahren damit<br />
ungerechtfertigt zum Stillstand kommt oder wenn der Gegenpartei unzulässige<br />
Fristerstreckung gewährt werden.<br />
Wann lässt das Appellationsgericht BS die Aufsichtsbeschwerde wegen<br />
Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung zu?<br />
Wenn kein anderes Rechtsmittel offen steht.<br />
§ 22 Bundesrechtliche Rechtsmittel<br />
Das Bundesrecht stellt den Parteien im OG verschiedene Rechtsmittel zur<br />
Verfügung. Diese lassen sich in welche zwei Gruppen einteilen?<br />
Rechtsmittel, welche der Überprüfung <strong>von</strong> kantonalen Entscheiden durch das<br />
Bundesgericht dienen<br />
Rechtsmittel, welche eine Kontrolle <strong>von</strong> bundesgerichtlichen Urteilen durch das BGer<br />
selbst bezwecken.<br />
Welche Rechtsmittel gehören zur ersten Gruppe?<br />
Zivilrechtliche Berufung<br />
Zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde<br />
StaBe<br />
Was ist diesen Rechtsmitteln gemeinsam?<br />
Dass sie eine Überprüfung des kantonalen Entscheides im Hinblick auf dessen<br />
Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht ermöglichen. Sie dienen somit der Durchsetzung der<br />
derogatorischen Kraft des Bundesrechts.<br />
Welche Rechtsmittel gehören zur zweiten Gruppe?<br />
Revision<br />
Erläuterung<br />
Bei wem kann wegen mangelhafter Vollziehung <strong>von</strong> bundesgerichtlichen Urteilen<br />
Beschwerde erhoben werden?<br />
Beim Bundesrat (OG 39 II)<br />
Welches ist <strong>von</strong> der praktischen Bedeutung her das wichtigste bundesrechtliche<br />
Rechtsmittel in Zivilsachen?<br />
Die zivilrechtliche Berufung (OG 43-67).<br />
Kommt der zivilrechtlichen Berufung Suspensiveffekt zu?<br />
Ja<br />
Ist die zivilrechtliche Berufung ein ordentliches und vollkommenes Rechtsmittel?<br />
Ordentlich, aber nur beschränkt vollkommen, weil das BGer den kantonalen Entscheid<br />
nur in rechtlicher Hinsicht frei überprüfen kann (OG 43 II und IV, 63 I und III).<br />
68
Heisst das, dass das BGer an die Sachverhaltsfeststellung der kantonalen Instanz<br />
immer gebunden ist?<br />
Nein, nicht immer sondern nur grundsätzlich. Wenn die Sachverhaltsfeststellung unter<br />
Verletzung <strong>von</strong> bundesrechtlichen Beweisvorschriften erfolgt kann das BGer prüfen (OG<br />
43 III, 55 I lit. c, 63 II).<br />
Kann der Berufungskläger mit der Berufung auch die Verletzung <strong>von</strong> kantonalem<br />
Recht geltend machen?<br />
Nein, nur die Verletzung <strong>von</strong> Bundesrecht (einschliesslich der durch den Bund<br />
abgeschlossenen Staatsverträge).<br />
Wer ist zur Berufung berechtigt?<br />
Hauptparteien<br />
Nebenparteien, sofern ihnen nach kantonalem Prozessrecht Parteirechte zukommen<br />
und sie vor der letzten kantonalen Instanz am Prozess teilgenommen haben.<br />
Wann liegt die Verletzung <strong>von</strong> Bundesrecht vor?<br />
Wenn ein in einer eidgenössischen Vorschrift ausdrücklich ausgesprochener oder<br />
daraus sich ergebender Rechtssatz nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.<br />
Falsche Auslegung und unrichtige Anwendung<br />
Anwendung <strong>von</strong> kantonalem statt Bundesrecht und umgekehrt<br />
Wozu dient die Tatfrage?<br />
Die Feststellung über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein <strong>von</strong> rechtlich<br />
relevanten Tatsachen<br />
Wozu dient die Rechtsfrage?<br />
Die Feststellung ob die Rechtssätze richtig ausgelegt und angewendet wurden.<br />
Mit welchem Rechtsmittel müssen nicht streitige Zivilsachen angefochten<br />
werden?<br />
Zivilrechtlicher Nichtigkeitsbeschwerde<br />
Bedarf die Zulässigkeit der Berufung bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten<br />
einer gewissen Berufungssumme?<br />
Grundsätzlich ja, und zwar nur wenn der Streitwert (zur Berechnung siehe OG 36) nach<br />
Massgabe der Rechtsbegehren wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig<br />
waren, wenigstens CHF 8000.- beträgt (OG 46 f.): Nur in gesetzlich vorgesehenen<br />
Ausnahmefällen (OG 45) ist die Berufung in vermögensrechtlichen Zivilsachen auch<br />
ohne Vorliegen der Berufungssumme zulässig.<br />
Können auch Zwischenentscheide mittels Berufung angefochten werden?<br />
Nein, grundsätzlich nur Endentscheide (OG 48 I vgl. aber auch OG 49 für<br />
Berufungsfähige selbständige Vor- und Zwischenentscheide).<br />
Wann liegt ein Endentscheid im Sinne eines endgültigen Entscheids vor?<br />
Wenn durch ihn der mittels Klage geltend gemachte Anspruch endgültig abgewiesen<br />
oder zugesprochen wird<br />
69
Grundsätzlich können ja nur Endentscheide mittels der zivilrechtlichen Berufung<br />
angefochten werden. Was ist aber, wenn ein Teilurteil ein Endurteil darstellt?<br />
In diesem Fall kann dagegen ebenfalls Berufung geführt werden, sofern die Streitsache,<br />
über die entschieden worden ist, zum Gegenstand eines besonderen Verfahrens hätte<br />
gemacht werden können und für die Entscheidung über die restlichen Ansprüche<br />
präjudiziell ist.<br />
Innert welcher Frist ist die zivilrechtliche Berufung geltend zu machen?<br />
Innert 30 Tagen, vom Eingang der schriftlichen Mitteilung des Entscheides an<br />
gerechnet.<br />
Wo ist die zivilrechtliche Berufung einzureichen?<br />
Beim iudex a quo.<br />
Was kann der Berufungsbeklagte tun?<br />
Er kann Anschlussberufung erheben, indem er eigene Änderungsanträge gegen den<br />
Berufungskläger stellt. Wird auf die Berufung nicht eingetreten etc. so fällt die<br />
Anschlussberufung dahin.<br />
Was ist die zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde?<br />
Die zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde ist ein devolutives, nicht suspendierendes<br />
unvollkommenes Rechtsmittel des Bundes.<br />
Was sind die zulässigen Beschwerdegründe?<br />
Diese sind in Art. 68 OG abschliessend aufgezählt.<br />
Gegen welche Urteile kann die zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde geführt<br />
werden?<br />
Nur gegen letztinstanzliche kantonale Urteile. Wenn noch ein ordentliches kantonales<br />
Rechtsmittel zur Verfügung steht, ist die zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde<br />
ausgeschlossen.<br />
Wie lange ist die Rechtsmittelfrist bei der Nichtigkeitsbeschwerde?<br />
30 Tage. Sie beginnt mit der Eröffnung des kantonalen Entscheides.<br />
Kann die Vollstreckung des angefochtenen Urteils aufgeschoben werden?<br />
Ja, es braucht jedoch einen entsprechenden Parteiantrag.<br />
Ist das Urteil dann i.d.R. kassatorisch oder reformatorisch?<br />
Grundsätzlich kassatorisch, eine Ausnahme ist eine Entscheidung über die<br />
Zuständigkeit im Falle <strong>von</strong> OG 68 Abs. 1 lit. e.<br />
Nenne das Wesen der staBe:<br />
Die staatsrechtliche Beschwerde ist ein ausserordentliches kassatorisches Rechtsmittel<br />
ohne Suspensiveffekt.<br />
Welche Beschwerdegründe kommen in Betracht?<br />
70
Die Beschwerdegründe sind in OG 84 geregelt.<br />
In Betracht kommt die Verletzung <strong>von</strong> verfassungsmässigen Freiheitsrechten, die<br />
Verletzung <strong>von</strong> Konkordaten, die Verletzung <strong>von</strong> Staatsverträgen und die Verletzung<br />
bundesrechtliches Vorschriften über die Abgrenzung über die sachliche und örtliche<br />
Zuständigkeit der Behörden.<br />
Wann liegt ein letztinstanzliches kantonales Urteil im Sinne der staBe vor?<br />
Wenn gegen ein letztinstanzliches Urteil kein ordentliches oder ausserordentliches<br />
kantonales Rechtsmittel mehr zulässig ist.<br />
Sind auch Zwischenentscheide mit der staBe überprüfbar?<br />
Nein, denn diese bringen das kantonale Verfahren nicht zum Abschluss.<br />
Wie lange ist die Beschwerdefrist?<br />
30 Tage seit der Eröffnung des kantonalen Urteils.<br />
Wo ist die staBe einzureichen?<br />
direkt beim Bundesgericht.<br />
Welche Revisionsgründe gibt es beim Bund?<br />
Dieselben wie bei der kantonalen Revision:<br />
Einwirkung durch strafbare Handlung und auffinden neuer Tatsachen oder Beweise<br />
unverschuldetermassen<br />
Und schwerwiegende Verfahrensmängel<br />
Wie sind die Revisionsfristen auf Bundesebene?<br />
Bei Verfahrensmängeln muss das Revisionsgesuch innert 30 Tagen eingereicht werden,<br />
vom Eingang der schriftlichen Ausfertigung des Entscheids an gerechnet, bei neuen<br />
Tatsachen innert 90 Tagen seit Entdeckung des Revisionsgrundes (absolut 10 Jahren).<br />
Nach 10 Jahren kann das Revisionsgesuch nur noch wegen Verbrechen oder Vergehen<br />
eingereicht werden.<br />
Was gilt bei der Erläuterung auf Bundesebene?<br />
Es gelten die gleichen Voraussetzungen wie auf kantonaler Ebene (vorliegen eines<br />
Kanzleifehlers etc.). Der einzige Unterschied ist, dass ein schriftliches Gesuch einer<br />
Partei erforderlich ist und das Gericht nicht <strong>von</strong> sich selbst auf handelt.<br />
§ 23 Vorsorgliche Verfügung<br />
Wie wird die vorsorgliche Verfügung auch noch genannt?<br />
Provisorische Verfügung oder einstweilige Massnahme<br />
Was für Zwecken dient die vorsorgliche Verfügung?<br />
Dem angeblich anspruchsberechtigten schon vor dem rechtskräftigen Urteil, nötigenfalls<br />
schon vor Klageeinreichung, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren (Sicherung).<br />
71
Dient auch der Regelung bestimmter vom Prozess nur mittelbar berührter<br />
Rechtsverhältnisse für die Dauer des Prozesses im Sinne einer vorläufigen<br />
Friedensordnung (Regelung).<br />
Fallen unter die vorsorglichen Verfügungen auch definitive richterliche<br />
Entscheide über einen streitigen Anspruch?<br />
Nein, auch wenn ihnen ein sichernder oder regelnder Charakter zukommt und oft nur<br />
summarisch und ohne erschöpfende Abklärung des Sachverhalts entschieden wird.<br />
Nenne die lateinischen Begriffe für Besitzesstreit und Rechtsstreit!<br />
possessorium und petitorium<br />
Nenne einige Institute des Bundesrechts, welche trotz der Sicherung oder der<br />
vorläufigen Vollstreckung streitiger Geldforderungen keine vorsorglichen<br />
Massnahmen darstellen!<br />
Behelfe des SchKG<br />
Vorläufige Hinterlegung oder Zahlung <strong>von</strong> Kinderalimenten (ZGB 281-283)<br />
Anweisung an den Drittschuldner des Alimentenschuldners nach ZGB 177 und 291.<br />
Beschränkung der Verfügungsbefugnis nach ZGB 178, soweit sie der Sicherung einer<br />
Geldforderung des Ehegatten gegen den anderen aus der ehelichen Gemeinschaft<br />
dienen.<br />
Gehört die Sicherstellung gefährdeter Beweise schon vor dem Prozess<br />
(Zeugeneinvernahmen...) auch zu den einstweiligen Massnahmen?<br />
Nein, es geht hier einzig um die vorsorgliche Feststellung <strong>von</strong> Tatsachen und nicht um<br />
den vorläufigen Schutz des behaupteten Rechts.<br />
Nenne einige Beispiele <strong>von</strong> auf Bundesebene geregelten vorsorglichen<br />
Massnahmen!<br />
Im Persönlichkeitsschutz: ZGB 28c<br />
Bei der Erbschaftsklage: ZGB 598<br />
Vorläufige Eintragung zur Sicherung behaupteter dinglichen Rechte: ZGB 961 I Ziff. 1<br />
Klagen aus unlauterem Wettbewerb: UWG 14<br />
Immaterialgüterrecht: MMG 28, MSchG 31, URG 52, PatG 43, Sortenschutzgesetz<br />
Kartellrecht: KG 13<br />
In welchen zwei Bereichen ist ausschliesslich Bundesrecht massgebend?<br />
Bei den vom Prozess nur unmittelbar berührten Dauerrechtsverhältnissen (da es eine<br />
Frage des Zivilrechts darstellt, inwiefern die Rechte und Pflichten der beteiligten<br />
Personen durch den Rechtsstreit gewisse Änderungen erfahren. Nur das Bundesrecht<br />
kann für die Prozessdauer subjektive Privatrechte zu- oder aberkennen.)<br />
Die Sicherung streitiger Geldforderungen, da sie in den Bereich des SchKG fällt.<br />
Können aufgrund des kantonalen Rechts, vorsorgliche Verfügungen vor dem<br />
Prozess erlassen werden, wenn das Bundesrecht zwar auf demselben Gebiet<br />
schon Bestimmungen über die vorsorglichen Verfügungen enthält, jedoch nur für<br />
die Phase nach Klageeinreichung?<br />
Ja.<br />
72
Nenne die Voraussetzungen für die Zulässigkeit <strong>von</strong> vorsorglichen Massnahmen!<br />
Zivilrechtlicher Anspruch der Rechtsschutz bedarf<br />
Verletzung oder drohende Verletzung des Anspruchs durch den Gesuchsgegner<br />
Drohender Nachteil (materiell oder immateriell)<br />
Dringlichkeit<br />
Verhältnismässigkeit<br />
Gibt es Fälle, in denen ausnahmsweise eine vorsorgliche Verfügung ohne<br />
vorherige Anhörung der Gegenpartei erlassen werden kann?<br />
Ja, wenn eine besondere zeitliche Dringlichkeit besteht. Man spricht <strong>von</strong> sog.<br />
superprovisorischen oder vorvorsorglichen Verfügungen (ZPO BS 260 II Satz 3)<br />
Was heisst, dass die vorsorgliche Verfügung verhältnismässig sein muss?<br />
Sie darf nicht weitergehen, als zum vorläufigen Schutz des behaupteten Anspruchs<br />
notwendig ist.<br />
In welche Massnahmen lassen sich die vorsorglichen Verfügungen unterteilen?<br />
Sicherungsmassnahmen<br />
Leistungsmassnahmen<br />
Regelungsmassnahmen<br />
Was für eine Funktion haben Sicherungsmassnahmen?<br />
Sicherung der Vollstreckung des streitigen Anspruchs, z.B. Verbot über den<br />
Streitgegenstand zu verfügen oder Verbot an die Aktiengesellschaft den angefochtenen<br />
GV-Beschluss zu vollziehen.<br />
Was für eine Funktion haben Leistungsmassnahmen?<br />
Sie führen zur vorläufigen Vollstreckung des behaupteten Rechts.<br />
Wieso sind bei den Leistungsmassnahmen eine besondere Zurückhaltung und<br />
strenge Anforderungen an die Erfordernisse der Dringlichkeit und<br />
Verhältnismässigkeit geboten?<br />
Weil sie einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Gesuchsgegners darstellen<br />
und oft nicht rückgängig gemacht werden können.<br />
Welchem Zweck dienen die Regelungsmassnahmen?<br />
Der vorläufigen Regelung eines Dauerrechtsverhältnisses, das vom Prozess nur<br />
unmittelbar berührt ist. Hier ist allein Bundesrecht massgebend.<br />
Gegen wen richtet sich die Verfügung immer?<br />
Gegen den Gesuchsbeklagten<br />
Wer ist der Gesuchsgegner, wenn der Kläger vorsorglich den Besitz an den <strong>von</strong><br />
ihm beanspruchten Wertschriften verschaffen will; die Bank oder der<br />
Depotinhaber?<br />
Die Bank, da er in deren Rechtsstellung eingreifen will.<br />
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Gegen wen hat der Gesuchskläger seine Klage zu richten, wenn er einer Bank<br />
verbieten lassen will, aufgrund einer Bankgarantie Zahlungen an einen Dritten<br />
vorzunehmen?<br />
Gegen die Bank und den Dritten; denn er greift in die Rechtsstellung beider ein.<br />
Wer ist für den Erlass einer vorsorglichen Verfügung zuständig?<br />
Der für den Hauptprozess zuständige Richter<br />
Wer ist in BS und BL vor und nach Klageeinreichung sachlich zuständig?<br />
Vor: Der Einzelrichter<br />
Nach: Der Verfahrensleitende Präsident (BS: Instruktionsrichter, BL:<br />
Bezirksgerichtspräsident)<br />
Wie ist die Art des Verfahrens und warum?<br />
Summarisch, da die Dringlichkeit der Sache einen raschen Entscheid verlangt.<br />
Wie ist die Form des Gesuchs?<br />
BS und BL kann das Gesuch mündlich oder schriftlich gestellt werden.<br />
Was gilt bezüglich des Beweismasses?<br />
Der Gesuchssteller muss sein Gesuch nur Glaubhaft machen (Glaubhaftmachen ist<br />
mehr als Behaupten und weniger als Beweisen)<br />
Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs muss dem Gesuchsgegner was für eine<br />
Gelegenheit geboten werden?<br />
Sich zum Gesuch mündlich in einer Verhandlung oder schriftlich zu äussern.<br />
Da die vorsorgliche Verfügung nur vorläufigen Rechtsschutz gewährt, ist der<br />
Gesuchssteller bei Sicherungs- und Leistungsmassnahmen, die er schon vor<br />
Beginn des Prozesses erlangt gehalten, seinen behaupteten Anspruch<br />
einzuklagen. Zu diesem Behuf setzt ihm der Richter beim Erlass der vorsorglichen<br />
Verfügung eine Frist zur Anhebung der Klage. Wie nennt sich diese?<br />
Prosekutionsfrist, Rechtsverfolgungsfrist (ZPO BS 261, ZPO BL 244)<br />
Was passiert, wenn die Prosekutionsfrist unbenützt bleibt?<br />
Die vorsorgliche Massnahme fällt dahin (ZPO BS 261 II, ZPO BL 244)<br />
Wenn sich nach einer Leistungsmassnahme der Anspruch als unberechtigt<br />
herausstellt, die Rückgewähr aber nicht mehr möglich ist, kann der<br />
Gesuchsgegner was unternehmen?<br />
Schadenersatzklage wegen ungerechtfertigter vorsorglicher Verfügung mit dem Urteil<br />
des Prosekutionsprozesses als Grundlage.<br />
Wie ist die Situation rechtlich zu beurteilen, wenn die provisorische Verfügung<br />
sich nachträglich als ungerechtfertigt erweist?<br />
Dann ist der Gesuchsteller für den Schaden haftbar.<br />
Handelt es sich hierbei um einen gewöhnlichen Schadenersatzanspruch?<br />
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Nein, es handelt sich nicht um eine materiell-rechtlichen, sondern um eine prozessuale<br />
Schadenersatzpflicht.<br />
Wie ist diese Haftung ausgebildet?<br />
Diese Haftung ist als Kausalhaftung ausgebildet, ein Verschulden ist also nicht<br />
vorausgesetzt.<br />
Was kann der Richter in Zürich jedoch bei fehlendem Verschulden des<br />
Gesuchstellers machen?<br />
In Zürich kann der Richter die Schadenersatzpflicht ermässigen oder gänzlich<br />
verneinen.<br />
Besteht daneben noch eine weitere Anspruchsgrundlage?<br />
Ja, daneben haftet der Gesuchsteller noch aus unerlaubter Handlung, also aus Art. 41<br />
ff. OR sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.<br />
Was kann der Richter zur Sicherung des Schadenersatzanspruches verfügen?<br />
Der Gesuchsteller kann vom Richter die Leistung <strong>von</strong> Sicherheiten verlangen und die<br />
vorsorgliche Verfügung <strong>von</strong> der Sicherheitsleistung abhängig machen.<br />
Ist für das Verlangen <strong>von</strong> Sicherungsleistungen ein Antrag der anderen Partei<br />
nötig?<br />
In BS und BL kann der Richter die Sicherheitsleistung sogar ex officio verlangen, was<br />
aber höchstens beim Erlass einer superprovisorischen Verfügung als zweckmässig<br />
erscheint.<br />
Wann kann der Gesuchgegner noch nachträglich um Sicherheitsleistung<br />
ersuchen?<br />
Wenn sich der Gesuchsgegner hierfür auf echte oder unechte Noven berufen kann.<br />
Wie hoch ist die Sicherheitsleistung?<br />
Die Sicherheitsleistung muss sowohl den zu erwartenden Schaden, als auch die<br />
Prozesskosten voll decken.<br />
Wann ist in BL die Sicherheitsleistung ausgeschlossen?<br />
Wenn die „Habhaftigkeit“ des Gesuchstellers ausser Zweifel steht.<br />
Wie lange dauert die vorsorgliche Verfügung?<br />
Sie fällt mit der rechtskräftigen Beendigung des Prozesses dahin. Weitere Gründe sind<br />
die fehlende Sicherheitsleistung, Missachtung der Prosekutionsfrist und ein Verzicht des<br />
Gesuchstellers.<br />
§ 24 Schiedsgerichtsbarkeit<br />
Was sind Schiedsgerichte?<br />
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Schiedsgerichte sind private Gerichte, die im Einverständnis der Parteien an Stelle der<br />
staatlichen Gerichte zur Entscheidung eines zivilrechtlichen Rechtsstreits berufen sind.<br />
Was sind eventuelle Vor- und was sind die Nachteile?<br />
Ein Vorteil ist erstens, dass Fachkundige Personen als Richter bestellt werden können.<br />
Ein weiterer Vorteil ist, dass der Prozess und der Ausgang vor der Öffentlichkeit geheim<br />
gehalten werden kann und drittens, dass ein beschleunigtes Verfahren angewandt<br />
werden kann.<br />
Die gewichtigsten Nachteile sind die Verfahrenskosten und die Tatsache, dass gegen<br />
Schiedsurteile keine ordentlichen Rechtsmittel erhoben werden können.<br />
Was sind die beiden wichtigen Rechtsquellen für die Schiedsgerichtsbarkeit in<br />
der Schweiz?<br />
Das ist zum einen das Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit (KSG) und zum<br />
anderen das IPRG.<br />
Wann sind Schiedsgerichte international?<br />
Immer dann, wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarung<br />
wenigstens eine Partei ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ausserhalb der<br />
Schweiz hatte.<br />
In welchen Fällen ist eine Mitwirkung eines staatlichen Richters notwendig?<br />
Erstens in solchen Fällen, in denen das Schiedsgericht <strong>von</strong> den streitenden Parteien<br />
blockiert wird, und zweitens, bei Funktionen, die der Staat wegen ihres hoheitlichen<br />
Charakters seinen eigenen Organen vorbehalten möchte (z.B. bei<br />
Beweismassnahmen).<br />
Wer ist für diese Mitwirkung örtlich Zuständig?<br />
Der Richter am Sitz des Schiedsgerichts.<br />
Über welche Rechtsverhältnisse ist ein Schiedsverfahren überhaupt nur zulässig?<br />
Über solche, über welche die Parteien frei disponieren können.<br />
Wie nennt man eine Schiedsabrede, die eine bereits bestehende Streitigkeit einem<br />
Schiedsgericht unterbreitet?<br />
Diese Abrede nennt man Schiedsvertrag.<br />
Wie nennt man hingegen eine Schiedsabrede, die eine zukünftige Streitigkeit an<br />
ein Schiedsgericht verweist?<br />
Diese Vereinbarung wird Schiedsklausel genannt.<br />
Bedarf die Schiedsabrede einer bestimmten Form?<br />
Ja, sie bedarf der Schriftlichkeit. Zumindest muss auf eine <strong>von</strong> beiden Parteien<br />
unterzeichnete Schiedsabrede ausdrücklich verwiesen werden.<br />
Sind zur Auslegung des Schiedsvertrages die allgemeinen Bestimmungen des OR<br />
anwendbar?<br />
Höchstens analog, da es sich um einen Vertrag des Prozessrechts handelt.<br />
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Wenn in einem internationalen Verhältnis unterschiedliche<br />
Gültigkeitsvoraussetzungen bestehen, welche gelten dann?<br />
Nach dem Grundsatz „in favorem validitas“ ist die Schiedsabrede gültig, wenn sie dem<br />
günstigsten Recht entspricht.<br />
Wie sehr hängt das Schicksal der Schiedsabrede vom Schicksal des<br />
Hauptvertrages ab?<br />
Gar nicht. Es gilt die sog. Separability Doctrine.<br />
Wie werden die Schiedsrichter bestellt?<br />
In der Regel wird ein 3er Gericht bestellt. Die Parteien bestimmen je einen Richter,<br />
welche dann zusammen den Vorsitzenden, den sog. Obmann, bestimmen.<br />
Wie nennt man den Vertrag zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern?<br />
Diesen Vertrag nennt man Schiedsrichtervertrag (receptum arbitri).<br />
Wann ist ein Schiedsverfahren hängig?<br />
Sobald eine Partei einen bezeichneten Schiedsrichter anruft oder das vereinbarte<br />
Verfahren zur Bildung des Schiedsgerichtes einleitet. Ist kein Verfahren vereinbart<br />
worden, so beginnt die Rechtshängigkeit in dem Zeitpunkt, in dem der Richter um<br />
Ernennung der Schiedsrichter angegangen wird.<br />
Wer entscheidet über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, also über die<br />
Gültigkeit der Schiedsabrede etc.?<br />
Nach der sog. Kompetenz-Kompetenz entscheidet das Schiedsgericht selbst über seine<br />
Zuständigkeit. Es kann auch ein provisorisches Urteil fällen und sich die materiellen<br />
Begehren anhören.<br />
Wann darf ein Schiedsrichter abgelehnt werden?<br />
Wenn er die üblichen Voraussetzungen an einen Richter nicht erfüllt, z.B.<br />
Unabhängigkeit.<br />
Wie läuft das Verfahren eines Schiedsgerichtes ab?<br />
Das Verfahren richtet sich nach der Vereinbarung der Parteien. Es kann auf eine<br />
beliebige Schiedsgerichtsordnung verwiesen werden. Subsidiär gilt die<br />
Bundeszivilprozessordnung.<br />
Wie nennt man einen Billigkeitsentscheid noch und ist dieser im<br />
Schiedsverfahren möglich?<br />
Dieser Entscheid wird amiable composition oder iudicium ex bono ex aequo genannt.<br />
Die Parteien können nämlich das staatliche materielle Recht ausschliessen.<br />
Was hat das Schiedsgericht ohne entgegenstehende Vereinbarung nach dem<br />
Schiedsspruch zu tun?<br />
Das Schiedsgericht muss dann den schriftlichen Schiedsspruch beim staatlichen Richter<br />
hinterlegen. Dieser hat dann den Entscheid den Parteien zuzustellen.<br />
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Gibt es auch bei Schiedssprüchen die Möglichkeit, Rechtsmittel zu ergreifen?<br />
Ja, die Beschwerde, jedoch keine ordentlichen Rechtsmittel.<br />
Wo werden die Rechtmittel wesentlich eingeschränkter zugelassen; im<br />
internationalen Schiedsverfahren, oder im Konkordatsrecht?<br />
Im internationalen Schiedsverfahren<br />
Kann in der nationalen Schiedsgerichtsbarkeit auf das Recht zur Beschwerde zum<br />
Voraus verzichtet werden?<br />
Nein, der Verzicht ist unbeachtlich.<br />
Wann ist in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ein Rechtsmittelverzicht<br />
zulässig?<br />
Wenn das Schiedsgericht keine Binnenbeziehung zur Schweiz besitzt, d.h. wenn keine<br />
Partei Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Niederlassung in der CH hat (IPRG<br />
192).<br />
Welches ist bei den nationalen Schiedsgerichten die erste Beschwerdeinstanz?<br />
Das obere ordentliche kantonale Zivilgericht desjenigen Kantons, in dem sich der Sitz<br />
des Schiedsgerichts befindet.<br />
Welches wäre das in BS und BL?<br />
Appellationsgericht und Kantonsgericht<br />
Welches ist bei den internationalen Schiedsgerichten die Beschwerdeinstanz?<br />
Das BGer im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde (OG 85 BSt. C) oder wenn es<br />
die Parteien so vereinbarten, der kantonale Richter (BS:Appellationsgericht)am Sitz des<br />
Schiedsgerichts, als einzige Beschwerdeinstanz (IPRG 191).<br />
Was ist die Beschwerdefrist?<br />
30 Tagen. Sie hat keine aufschiebende Wirkung, solange ihr dieselbe nicht vom<br />
Verfahrensleiter zuerkannt wird (KSG 37/38; IPRG 191 i.V.m. OG 89/94).<br />
In welche zwei Obergruppen teilen sich die Beschwerdegründe auf?<br />
Formellen Beschwerdegründe und materielle Beschwerdegründe<br />
Welche 5 formellen Beschwerdegründe können sowohl gegen Entscheide<br />
nationaler wie internationaler Schiedsgerichte vorgebracht werden?<br />
Schiedsgericht sei nicht ordnungsgemäss zusammengesetzt gewesen (KSG 36 Bst. A;<br />
IPRG 190 II Bst. 1)<br />
Schiedsgericht habe sich zu Unrecht für zuständig oder unzuständig erklärt (KSG 36<br />
Bst. b; IPRG 190 II Bst. b)<br />
Schiedsgericht haben über Streitpunkte entschieden, die ihm nicht unterbreitet wurden<br />
oder es habe Rechtsbegehren unbeurteilt gelassen (KSG 36 Bst. c; IPRG 190 II Bst. c)<br />
Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien oder der Grundsatz des rechtlichen<br />
Gehörs sei verletzt worden (KSG 36 Bst. d i.V.m. 25; IPRG 190 Bst. 2 d)<br />
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Schiedsgericht habe in Verletzung der Dispositionsmaxime mehr oder etwas anderes<br />
zugesprochen, als der Kläger verlangt hat (KSG 36 Bst. a, gilt auch in der<br />
internationalen Schiedsgerichtsbarkeit).<br />
Welcher der beiden Punkte kann auch im internationalen Schiedsverfahren gerügt<br />
werden; das Schiedsgericht habe nach Ablauf seiner vertraglich vereinbarten<br />
Amtsdauer entschieden (KSG 36 Bst. g) oder es seien die formellen Vorschriften<br />
über den Inhalt des Schiedsspruches nicht eingehalten worden (KSG 36 Bst. h)?<br />
Keiner.<br />
Was kann bei nationalen Schiedsverfahren in materieller Hinsicht gerügt werden?<br />
Der Entschied sei willkürlich (KSG 36 Bst. f)<br />
Ist im internationalen Verfahren die Rüge wegen Willkür auch zulässig?<br />
Nein, nur die Rüge, der Entscheid verletze den ordre public (engerer Begriff)<br />
Wann ist die Verletzung des ordre public der Fall?<br />
Dies ist nur dann der Fall, wenn fundamentale Rechtsgrundsätze verletzt werden und<br />
der Entscheid mit der schweizerischen Rechts- und Wertordnung schlechthin<br />
unvereinbar ist.<br />
Was gehört zu diesen Grundsätzen?<br />
Pacta sunt servanda<br />
Rechtsmissbrauchsverbot<br />
Treu und Glauben<br />
Verbot der entschädigungslosen Enteignung<br />
Diskriminierungsverbot<br />
Schutz der Handlungsunfähigen<br />
Kann gegen Entscheide des oberen kantonalen Gerichts bei nationalen<br />
Schiedsgerichten StaBe an das BGer ergriffen werden?<br />
Ja.<br />
Wo wird bestimmt, dass bis maximal 5 Jahre seit der Zustellung des<br />
Schiedsspruches dessen Revision verlangt werden kann?<br />
KSG 41f.<br />
Wo findet sich diese Bestimmung im IPRG?<br />
Gar nirgends. Da die Möglichkeit einer Revision zu den fundamentalen Grundsätzen<br />
jeder rechtsstaatlichen Zivilprozessordnung gezählt werden muss, ist hier eine echte<br />
Lücke anzunehmen und in Analogie zu KSG 45 zu schliessen.<br />
Wem obliegt die Vollstreckung des Schiedsspruches?<br />
Den staatlichen Behörden. Diese vollstrecken Schiedssprüche wie Urteile staatlicher<br />
Gerichte.<br />
Wer stellt die für die Vollstreckung notwendige Rechtskraftbescheinigung aus?<br />
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Der staatliche Richter am Sitz des Schiedsgerichts (KSG 44, IPRG 193 II). Die<br />
Vollstreckbarkeit kann jedoch auch auf andere Weise nachgewiesen werden.<br />
Eine derartige Vollstreckbarkeitsbescheinigung bindet die Vollstreckungsorgane<br />
höchstens wann?<br />
Wenn sie im gleichen Kanton erlassen wurden. Bei der Vollstreckung <strong>von</strong><br />
Entscheidungen nationaler Schiedsgerichte in einem anderen Kanton können dagegen<br />
immer noch die in SchKG 81 II, resp. Art. 6 des Konkordates über die Vollstreckung <strong>von</strong><br />
Zivilurteilen aufgeführten Einwände geltend gemacht werden.<br />
Was ist eine weitere Voraussetzung der Vollstreckbarkeit?<br />
Dass der Schiedsspruch den Parteien zugestellt worden ist, wobei in der<br />
Binnenschiedsgerichtsbarkeit, nicht aber in der internationalen, zu beachten ist, dass<br />
eine Zustellung durch das Schiedsgericht selber nur gültig ist, wenn die Parteien auf die<br />
Zustellung durch das staatliche Gericht verzichtet haben (KSG 35 Abs. 5)<br />
Nach was richtet sich die Vollstreckbarkeit ausländischer Schiedssprüche, d.h.<br />
<strong>von</strong> Urteilen <strong>von</strong> Schiedsgerichten, die ihren Sitz nicht in der Schweiz haben?<br />
Gemäss IPRG 194 nach dem Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung<br />
ausländischer Schiedssprüche (New Yorker Konvention).<br />
§ 25 Kantonale Zwangsvollstreckung<br />
Wozu dient die kantonale Zwangsvollstreckung?<br />
Der zwangsweisen Durchsetzung der durch Sachurteil als rechtsmässig anerkannten,<br />
teilweise auch freiwillig anerkannten Ansprüche.<br />
Welches Recht regelt die Vollstreckung <strong>von</strong> Geldansprüchen oder<br />
Sicherheitsleistungen?<br />
SchKG<br />
Was für ein Begriff hat sich für die sonstigen, auch durch die Kantone regelbaren,<br />
Ansprüche durchgesetzt?<br />
Realexekution.<br />
Was fällt alles unter die Realexekution?<br />
Ansprüche auf Sachleistung (einschliesslich Leistung <strong>von</strong> ausländischer Währung, die<br />
aufgrund einer Effektivklausel nicht in schweizerische Währung umgerechnet werden<br />
darf)<br />
Ansprüche auf Handlung, Duldung und Unterlassung<br />
Die Gestaltungsurteile sind keiner Vollstreckung, jedoch was fähig?<br />
Anerkennung<br />
Schliesst das BS Recht die Realexekution bei vertretbaren Sachen aus?<br />
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Ja (ZPO BS 254 I), der Kläger muss seinen Anspruch in eine entsprechende<br />
Geldforderung umwandeln und den Betreibungsweg nach SchKG beschreiten (ZPO BS<br />
251f.).<br />
Was sind die Voraussetzungen der Vollstreckung?<br />
Rechtsgenüglicher Vollstreckungstitel (Sachurteil, Klaganerkennung, gerichtlicher<br />
Vergleich und die vollstreckbaren vorsorglichen Verfügungen)<br />
Formelle Rechtskraft (vgl. ZPO BS 224 aber auch SchKG 80. Für ausländische<br />
Zivilurteile und Schiedssprüchen bedarf es aufgrund <strong>von</strong> IPRG oder der massgeblichen<br />
Staatsverträge über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und<br />
Schiedssprüche eine richterliche Vollstreckbarerklärung. Durch Exequatur oder indirekt<br />
durch Bewilligung des vom Kläger gestellten Vollstreckungsgesuchs).<br />
Wo werden die Erfordernisse des Vollstreckungstitels umschrieben, wenn es um<br />
die Vollstreckung eines in einem anderen CH Kanton ergangenen Urteils geht?<br />
Vom ungeschriebenen Bundesrecht, wobei für die Realexekution die Regeln des SchKG<br />
über die definitive Rechtsöffnung auf Grund eines in einem anderen Kanton ergangenen<br />
Urteils analog gelten (SchKG 81 II), sowie Art. 6 des Konkordats über die Vollstreckung<br />
<strong>von</strong> Zivilurteilen.<br />
Zähle die 2 Schritte der Vollstreckung auf!<br />
Behördliche, an den Beklagten gerichtete Aufforderung zur Erfüllung des Urteils,<br />
verbunden mit dem Hinweis auf StGB 292 (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen)<br />
Bleibt diese Aufforderung erfolglos kommt es zum direkten behördlichen Zwang: Die<br />
Zuständige Behörde bezieht die geschuldete Sache beim Beklagten. Pflichten die auf<br />
eine Tun gerichtet sind, können durch Ersatzvornahme durchgesetzt werden, indem der<br />
Kläger oder ein Dritter ermächtigt wird, die geschuldete Handlung auf Kosten des<br />
Beklagten vorzunehmen (ZPO BS 254 III).<br />
Erfolgt die kantonal-rechtliche Vollstreckung immer <strong>von</strong> Amtes wegen?<br />
Nein, nie. Die wird immer eingeleitet durch ein entsprechendes Gesuch, das der Kläger<br />
an die zuständige Behörde (BS: Zivilgerichtspräsident; BL: Polizei-, Justiz- und<br />
Militärdirektion).<br />
Was passiert nach dem entsprechenden Gesuch?<br />
Der zuständige Richter erlässt einen Exekutionsbefehl, der den Verurteilten zur<br />
Erfüllung auffordert.<br />
Was hat der Verurteilte für Möglichkeiten, die Erfüllung abzuwenden?<br />
Er kann innert der gesetzlichen Frist Einsprache erheben, worauf der<br />
Zivilgerichtspräsident nach Anhörung beider Parteien den Exekutionsbefehl bestätigt<br />
oder aufhebt (ZPO BS 255/258 II). Mit der der Bestätigung des Exekutionsbefehls<br />
gewährt er indirekt die allenfalls erforderliche Vollstreckbarkeitserklärung.<br />
Wie ist das Verfahren ausgestaltet; einfach, rasch oder summarisch?<br />
Summarisch<br />
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Im Sinne der durch das summarische Verfahren bedingten<br />
Beweismittelbeschränkung sind welche Beweismittel nur zugelassen?<br />
Urkunden.<br />
Kläger: Vollstreckungstitel (Urteil) mit Rechtskraftsbescheinigung<br />
Beklagter: Urkunde, die den Einwand der Tilgung des Erlasses oder der Stundung der<br />
Forderung seit Erlass des angefochtenen Urteils belegt.<br />
Welches sind in BS und BL die Vollzugsorgane?<br />
BS: Zivilgerichtsschreiberei<br />
BL: Bezirksstatthalter<br />
Nötigenfalls noch die Polizei<br />
Was kann der Kläger tun, wenn sich die Realexekution als undurchführbar oder<br />
erfolglos herausstellt?<br />
Er kann seinen rechtskräftig beurteilten Anspruch auf Realerfüllung in eine<br />
entsprechende Geldforderung umwandeln, wofür verschiedene Kantone ein<br />
vereinfachtes Verfahren (sog. Taxation) entweder vor dem Vollstreckungsrichter oder<br />
vor dem erkennenden Gericht vorsehen.<br />
§ 26 Gedanken zur neuen BZPO<br />
Gerichtsorganisation verbleibt in der Kompetenz der Kantone<br />
GestG scheint überflüssig zu werden, da die BZPO die örtliche Zuständigkeit regelt<br />
Verfahrensgrundsätze sind:<br />
1. Vorausgesetzt wird Rechtsschutzinteresse<br />
2. Es gilt Treu und Glauben<br />
3. Anspruch auf rechtliches Gehör<br />
4. Grundsätzlich sind die Verhandlungen öffentlich<br />
5. Grundsätzlich Verhandlungs- und Dispositionsmaxime, ausser wo es das Gesetz<br />
anders bestimmt<br />
6. Gerichtliches Fragerecht<br />
7. Rechtsanwendung <strong>von</strong> Amtes wegen<br />
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