Guerillerakampf im Chatroom - Guerilla-Marketing-Portal
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Guerilla Marketing in Presse und Medien
Guerillerakampf im Chatroom
Im Internet wächst eine fragwürdige Form von heimlichem Marketing:
Professionelle Werber schmuggeln sich in Diskussionsforen ein.
Irgendwann ging Gaby allen auf die Nerven.
Immer wieder schrieb sie Beiträge ins Mogelpower-Internetforum, das sonst nur
Fans von Computer- und Videospielen nutzen. Und alle handelten von einem
österreichischen Hersteller für Holzspielzeug.
Das interessierte bei Mogelpower eigentlich niemanden so richtig. Trotzdem fand
Gaby einige Gleichgesinnte, die allesamt auch sehr angetan von den hölzernen
Spielsachen waren.
Mogelpower-Gründer René Meyer fand die fachfremde Begeisterung auf seiner
Webseite merkwürdig. Er filterte den Autor heraus. Und siehe da: Offenbar waren
Gaby und die anderen Holzspielzeug-Freunde dieselbe Person. Alle Beiträge
kamen aus der gleichen Gegend, erkennbar an den IP-Adressen der Autoren.
Schließlich fand Meyer heraus, dass alle Beiträge an nur zwei Rechnern
geschrieben worden waren. „Gaby“ hatte beide benutzt. Meyer suchte auf anderen
Webseiten, und auch dort hatte jemand Werbung für die Spielsachen aus Österreich
gemacht.
„Gaby“ hat viele Kollegen. Internetforen als Plattform für Schleichwerbung zu nutzen
ist kein Einzelfall mehr: Vorsicht ist plötzlich geboten an den Stammtischen im Netz.
Eigentlich sind solche Foren eine Art elektronischer Freundeskreis: Gleichgesinnte
treffen sich, plaudern oder geben einander Ratschläge. Doch gerade dort, wo viel
Wert auf gegenseitigen Respekt gelegt wird, haben sich professionelle Lobhudler
eingenistet. „Chat attack“ oder „Forum Spamming“ heißt die neue Plage.
„Wir arbeiten eher im Guerilla-Bereich“, sagt David Eichner vom Münchner
Marketingunternehmen „Webguerillas“. Seine Firma ist spezialisiert auf „virales
Marketing“: „Dabei geht es um das Weiterleiten von Werbebotschaften durch Dritte“,
erklärt Eichner.
Gewinnspiele, kleine Filme oder Spiele werden ins Netz gestellt, die per Email an
Freunde verschickt werden können – und nebenbei auf ein Produkt oder eine
Dienstleistung hinweisen sollen.
Moorhuhn: Größter Coup der viralen Vermarkter
Das erfolgreiche „Moorhuhn“-Spiel, programmiert für eine Whiskymarke, gilt als
größter Coup der viralen Vermarkter in Deutschland.
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Guerilla Marketing in Presse und Medien
Zum Repertoire gehören mittlerweile auch als normaler Beitrag getarnte Werbung in
Chatrooms und Diskussionsforen. „Sie sind vor der Werbung nirgendwo mehr sicher.
Wir machen das fast täglich“, sagt Eichner.
Als Beispiel nennt er eine Kampagne für Computerboxen der Firma Logitech. „Im
Rahmen einer zweiwöchigen Chat Attack wurden subversive Nachrichten in
relevanten Foren der Zielgruppe gepostet, um das Z-680 bei den Meinungsführern
ins Gespräch zu bringen“, prahlt die „Webguerillas“-Internetseite.
In den notorisch paranoiden Kreisen versierter Internetnutzer kann diese Art von
Marketing leicht nach hinten losgehen. Moderatoren von Diskussionsforen reagieren
allergisch, wenn jemand nicht mit offenen Karten spielt.
„Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten“, erklärt René Meyer. „Sie können richtig böse
werden oder die Leute lächerlich machen, dann verschwinden sie von alleine“.
Rabiat ging beispielsweise ein Moderator der US-Website Hollywood Bitchslap zu
Werke. Im Forum der Film-Fanseite hatte jemand Lobeshymnen für eine
Dokumentation über die Heavy-Metal-Band Metallica verbreitet – bevor die
überhaupt in die Kinos kam. Moderator Chris Parry suchte in anderen Foren nach
ähnlichen Einträgen und wurde fündig.
Daraufhin veröffentlichte er Links zu den zahlreichen wortgleichen Forumseinträgen
und beschrieb, wie man Eingeschlichene in Foren erkennen kann:
„Sie treten bei und wählen einen Namen mit einer Nummer darin, weil sie keine Zeit
damit vergeuden wollen, sich einen Namen auszudenken, der womöglich schon
vergeben ist.
Wenn überhaupt, geben sie eine nichts sagende Email-Adresse von einem
Freemail-Anbieter wie Hotmail an. Meistens schreiben sie nur einen Beitrag und
verschwinden dann wieder.“
Die Wachsamkeit der Netz-Gemeinde nimmt zu. Erst kürzlich wurden zwei
Mitarbeiter der britischen Marketingagentur „Babel“ aus einem Spielerforum verjagt.
Sie hatten für ein Autorennspiel getrommelt.
Das Geschäft läuft. Seinen Dschungelkriegern kann das nicht passieren, ist David
Eichner überzeugt: „Die sind geschult, haben Redemanuskripte, wissen, wie sie sich
verhalten müssen.“ Das Forums-Marketing sei enorm effektiv, man erreiche ja
Multiplikatoren. Und das Geschäft läuft: „Wir werden unser Geschäftsvolumen in
diesem Jahr verdoppeln“, schätzt er.
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Nicht alle, die in diesem Bereich arbeiten, sind von Infiltrationsstrategien begeistert.
Justin Kirby etwa, ein Veteran des Internet-Marketing und Chef der US-Agentur
DMC, kritisiert die unehrlichen Methoden: „Ich bin nie von den Chatroom-
Infiltrationstechniken überzeugt gewesen, ganz abgesehen von den ethischen
Fragen, die damit verbunden sind.“
Außerdem sei zu bedenken, was es für katastrophale Effekte für das Markenimage
haben könnte, wenn die „Guerilleros“ erwischt würden. Noch deutlicher wurde
Thomas Zorbach von der Agentur „VM-People“ in seinem Weblog: „Das ist Bullshit-
Marketing!“
René Meyer hat „Gaby“ aufgefordert, eine Verlosung des gelobten Holzspielzeugs
auf seiner Seite zu organisieren: „So musst Du Dir nicht ständig neue Namen und
Texte ausdenken“.
„Gaby“ alias „Linda“ antwortete ein letztes Mal. Das sei eine „super Idee“, schrieb
sie. Dann verschwanden alle Holzspielzeug-Enthusiasten für immer aus dem
Computerspiel-Forum.
Autor: Christian Stöcker in Süddeutsche Zeitung vom 13.08.2004
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