Die VAcTERl – Assoziation - Hauner Journal
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| Dr. von Hau nersche s K i nderspit a l<br />
8<br />
Weitere skelettale Fehlbildungen,<br />
vor allem im Bereich des radialen<br />
Strahls sind häufig: Hier liegt eine<br />
Daumendopplung vor<br />
Prognose<br />
Durch die Vielzahl der möglichen Fehlbildungen<br />
gibt es zu Beginn des Lebens<br />
eines Kinds mit VACTERL viele komplexe<br />
Informationen und Sorgen, mit<br />
denen junge Eltern konfrontiert werden.<br />
Allerdings sind fast alle Fehlbildungen,<br />
die bei VACTERL vorkommen,<br />
auch isoliert möglich, so dass die Fehlbildungen<br />
im Einzelnen keine Besonderheiten<br />
mehr für die behandelnden<br />
Ärzte darstellen.<br />
<strong>Die</strong> einzige Besonderheit liegt im<br />
gleichzeitigen Auftreten dieser Fehlbildungen<br />
bei einem Kind, was zu Beginn<br />
des Lebens eine Reihe diagnostischer<br />
und therapeutischer Überlegungen<br />
bedeutet.<br />
Führend sind aber doch meist die<br />
Ösophagus- und Analatresien, in wenigen<br />
Fällen nur sind die Herzfehler das<br />
größte Problem.<br />
Nach der Korrektur dieser Fehlbildungen<br />
werden die Neugeborenen<br />
bei problemlosem postoperativen Verlauf<br />
oft noch im ersten Lebensmonat<br />
nach Hause entlassen und brauchen in<br />
den meisten Fällen zunächst lediglich<br />
ambulante Kontrollen.<br />
Weitere in Frage kommende Maßnahmen<br />
werden häufig erst im zweiten<br />
Lebenshalbjahr notwendig.<br />
Was die Ösophagusatresie angeht,<br />
kommt es bei einem geringen Anteil der<br />
Kinder zu langfristigen postoperativen<br />
Problemen wie gastroösophagealem<br />
Reflux oder Dysphagien, häufiger auch<br />
respiratorischen Infekten in den ersten<br />
Lebensjahren. <strong>Die</strong>s lässt sich aber in<br />
den meisten Fällen gut behandeln und<br />
bessert sich im Verlauf der Entwicklung<br />
der Kinder.<br />
Was die Kinder oft bis ins Schulalter<br />
begleitet ist das Erreichen der Kontinenz<br />
im Falle einer korrigierten Analatresie.<br />
Vor allem die Stuhlkontinenz<br />
gelingt oft erst verspätet und macht eine<br />
langfristige interdisziplinäre Betreuung<br />
notwendig. Tiefe Analatresien mit<br />
kurzem Abstand zwischen Anus und<br />
Rektumblindsack haben hierbei eine<br />
weit günstigere Prognose als hohe Analatresien.<br />
Für Kinder mit VACTERL ist wichtig,<br />
dass eine rechtzeitige Diagnose<br />
gelingt, so dass die Neugeborenen von<br />
Anfang an intensiv und interdisziplinär<br />
betreut werden. Da es sich aber um<br />
mittlerweile gut beherrschbare Fehlbildungen<br />
ohne neurologische Beteiligung<br />
handelt, deren Korrekturen zu<br />
den Standardverfahren des kinderchirurgischen<br />
Spektrums gehören, führen<br />
diese Kinder in den meisten Fällen später<br />
ein unbeeinträchtigtes Leben.<br />
UrsacHEn<br />
<strong>Die</strong> Ursachen für VACTERL sind unbekannt.<br />
Vor allem das sporadische Auftreten<br />
und die Heterogenität des Krankheitsbildes<br />
scheinen gegen eine monokausale<br />
Genese zu sprechen.<br />
Es gibt nur wenige Familien, in<br />
denen VACTERL wiederholt auftritt. In<br />
diesen Fällen konnten allerdings genetische<br />
Mutationen nachgewiesen werden,<br />
die den Sonic-Hedgehog-Signalweg<br />
stören. <strong>Die</strong>ser Signalweg ist bereits früher<br />
im Tiermodell im Zusammenhang<br />
mit multiplen Fehlbildungen beschrieben<br />
worden, die der VACTERL-<strong>Assoziation</strong><br />
ähnlich waren. <strong>Die</strong> identifizierten<br />
Gene sind Gli und FOXF1, HOXD13<br />
und ZIC3. <strong>Die</strong> Erforschung der Signalwege,<br />
die hierdurch beeinflusst werden,<br />
steckt noch in den Kinderschuhen,<br />
zumal über die Organogenese in<br />
der Embryonalentwicklung selbst noch<br />
viele Fragen offen sind.<br />
Zusätzlich zu der molekulargenetischen<br />
Erforschung der Erkrankung<br />
wird auch nach eventuell auslösenden<br />
Umweltfaktoren gesucht. So scheint es<br />
einen Zusammenhang zu geben zwischen<br />
dem gehäuften Auftreten von<br />
VACTERL bei mütterlichem Diabetes<br />
und bei Kindern, die durch IVF gezeugt<br />
wurden. Toxische Einflüsse durch Blei,<br />
Statine, fieberhafte Infektionen während<br />
der Schwangerschaft, Nikotinkonsum<br />
des Vaters, Übergewicht, Hypervitaminosen<br />
und präkonzeptionelle<br />
Exposition gegenüber Abgasen wurden<br />
ebenfalls beschrieben.<br />
<strong>Die</strong>se fast schon willkürlich erscheinende<br />
Auflistung von möglichen schädlichen<br />
Umwelteinflüssen macht deutlich<br />
wie komplex die Genese der VACTERL-<br />
<strong>Assoziation</strong> auf molekularbiologischer<br />
Ebene zu sein scheint.<br />
Für das CHARGE-Syndrom wurde<br />
erst 2004 eine genetische Ursache identifiziert.<br />
Ähnlich wird es sich in den<br />
nächsten Jahrzehnten sicherlich bei der<br />
Erforschung der VACTERL-<strong>Assoziation</strong><br />
verhalten. Je mehr über das Zusammenwirken<br />
einzelner Faktoren der Organogenese<br />
in Erfahrung gebracht wird,<br />
desto besser wird man verstehen lernen,<br />
wie ein so heterogenes Krankheitsbild<br />
entstehen kann.<br />
Es bleibt zu hoffen, dass dies in<br />
einer noch besseren Begleitung betroffener<br />
Familien vor der Konzeption ihres<br />
Kindes sowie während und nach der<br />
Schwangerschaft resultiert.