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4/2013<br />

www.phvsa.<strong>de</strong><br />

• Weichspülen<br />

eigentlich unnötig<br />

Stellungnahme<br />

<strong>de</strong>s Philologenverban<strong>de</strong>s<br />

Sachsen-<br />

Anhalt zur Än<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r Oberstufenverordnung<br />

• Mehr Frauen in<br />

die Vorstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Philologenverbän<strong>de</strong><br />

gefor<strong>de</strong>rt<br />

Zur Arbeit <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft<br />

für frauenpolitische<br />

Fragen im DPhV<br />

• Für ein starkes<br />

Gymnasium in<br />

einem pluralen<br />

Schulsystem – Pakt<br />

für Bildung zwischen<br />

Bund und<br />

Län<strong>de</strong>rn gefor<strong>de</strong>rt<br />

Bericht von <strong>de</strong>r<br />

Vertreterversammlung<br />

<strong>de</strong>s Deutschen<br />

Philologenverban<strong>de</strong>s<br />

(DPhV)<br />

• Klassen-Kampf<br />

Was ist dran am<br />

Feindbild <strong>de</strong>s faulen<br />

Lehrers?<br />

• Hamburgs wun<strong>de</strong>rsame<br />

Abiturientenvermehrung


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ZEITSCHRIFT DES PHILOLOGENVERBANDES<br />

4/2013<br />

Aus <strong>de</strong>m Inhalt<br />

Verbandsarbeit - Berufspolitik - Bildungspolitik<br />

Seite<br />

Weichspülen eigentlich unnötig<br />

Stellungnahme <strong>de</strong>s Philologenverban<strong>de</strong>s Sachsen-Anhalt zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Oberstufenverordnung 2<br />

Mehr Frauen in die Vorstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Philologenverban<strong>de</strong>s gefor<strong>de</strong>rt<br />

Zur Arbeit <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft für frauenpolitische Fragen im DPhV 5<br />

Großes Interesse an Personalräte-Schulung in Halberstadt 6<br />

Für ein starkes Gymnasium in einem pluralen Schulsystem - Pakt für Bildung zwischen Bund und<br />

Län<strong>de</strong>rn gefor<strong>de</strong>rt<br />

Bericht von <strong>de</strong>r Vertreterversammlung <strong>de</strong>s Deutschen Philologenverban<strong>de</strong>s (DPhV) 8<br />

Jetzt geht es um Qualität<br />

Zur Diskussion um die Ganztagsschule 9<br />

Der berufspolitische Ausschuss informiert 13<br />

Wissenswertes - Interessantes - Informatives<br />

Herausgeber:<br />

Philologenverband Sachsen-Anhalt e.V. Lan<strong>de</strong>sgeschäftsstelle · Sixtistraße 16a · 06217 Merseburg · Tel. 0 34 61/20 35 62<br />

Hauptredakteur und Schriftleiter:<br />

Henry Elstermann · Sixtistraße 16a · 06217 Merseburg · Tel. 0 34 61/20 35 62<br />

Redaktionskollegium:<br />

Iris Seltmann-Kuke (Flechtingen), Birgitt Matthies (Geschäftsstelle), Matthias Bartsch (Hal<strong>de</strong>nsleben)<br />

Redaktionelle Beratung:<br />

Dr. Jürgen Mannke<br />

Künstlerische Beratung:<br />

Hubertus Schmid<br />

Gesamtherstellung:<br />

DigitalStudio Merseburg · Schokholtzstraße 8 · 06217 Merseburg · Telefon: 0 34 61/771 999 · Fax: 0 34 61/771 994<br />

Seite<br />

Aus <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r Bildung 18<br />

Hamburgs wun<strong>de</strong>rsame Abiturientenvermehrung 22<br />

Klassen-Kampf<br />

Was ist dran am Feindbild <strong>de</strong>s faulen Lehrers? 24<br />

Meine Lehrer waren pädophile Weltverbesserer 27<br />

Mit <strong>de</strong>r Schul-E-Mail aufs Pornoportal<br />

Hamburger Gymnasium stattet Fünftklässler mit E-Mail-Adressen aus 29<br />

Lektüre-Tipp 31<br />

Die allerletzte Seite 35<br />

Liebe Leserin,<br />

lieber Leser,<br />

<strong>de</strong>r Philologenverband Sachsen-Anhalt<br />

(PhVSA) tritt seit seiner Gründung für<br />

ein geglie<strong>de</strong>rtes Bildungswesen und für<br />

ein qualitativ hochwertiges, bun<strong>de</strong>sweit<br />

anerkanntes Abitur ein. Zu Letzterem hat<br />

wesentlich die Oberstufenverordnung beigetragen,<br />

<strong>de</strong>ren Än<strong>de</strong>rung im Jahre 2011<br />

<strong>de</strong>utlich die Handschrift unseres Verban<strong>de</strong>s<br />

trägt. Unverständlich erscheint daher <strong>de</strong>r<br />

von interessierter Seite öffentlichkeitswirksam<br />

vorgetragene Wunsch, die Zulassungsbedingungen<br />

zum Abitur aufzuweichen.<br />

Der PhVSA positioniert sich hierzu<br />

ein<strong>de</strong>utig und unmissverständlich, wie Sie<br />

<strong>de</strong>m ersten Artikel Ihrer Verbandszeitschrift<br />

entnehmen können.<br />

Ganztagsschule hieß das Zauberwort, mit<br />

<strong>de</strong>m die damalige rot-grüne Bun<strong>de</strong>sregierung<br />

die Schullandschaft Deutschlands<br />

revolutionieren wollte. Ihre Daseinsberechtigung<br />

ist heute unumstritten. Doch wie<br />

sieht es um <strong>de</strong>ren Qualität aus? Zeit für eine<br />

Bestandsaufnahme. Lesenswertes hierzu<br />

fin<strong>de</strong>n Sie ebenfalls in diesem Heft.<br />

Zunächst aber wünsche ich Ihnen ein<br />

besinnliches Weihnachtsfest und ein erfolgreiches<br />

neues Jahr.<br />

Herzlichst<br />

Ihr<br />

Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag für <strong>de</strong>n Philologenverband Sachsen-Anhalt e.V. enthalten.<br />

i.A. <strong>de</strong>r Redaktion<br />

1


Weichspülen eigentlich unnötig<br />

Stellungnahme <strong>de</strong>s Philologenverban<strong>de</strong>s Sachsen-Anhalt im Anhörungsverfahren<br />

gemäß §78 SchulG LSA<br />

hier: Dritte Verordnung zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Oberstufenverordnung<br />

1. Grundsätzliches<br />

Der PhVSA steht für<br />

ein qualitativ hochwertiges<br />

und bun<strong>de</strong>sweit<br />

anerkanntes Abitur<br />

in Sachsen-Anhalt<br />

und lehnt strikt eine<br />

Orientierung an Leistungsmittelmaß<br />

o<strong>de</strong>r<br />

das untere Leistungsanspruchsniveau<br />

ab.<br />

Der PhVSA hält die<br />

gesamten Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

in <strong>de</strong>r Oberstufe<br />

und in <strong>de</strong>n Abiturprüfungen<br />

für bun<strong>de</strong>sweit<br />

vergleichbar und angemessen.<br />

Die gültige<br />

Oberstufenverordnung<br />

stellt keinesfalls eine<br />

Gefährdung <strong>de</strong>r Chancengleichheit<br />

<strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler aus<br />

Sachsen-Anhalt gegenüber <strong>de</strong>nen<br />

an<strong>de</strong>rer Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r dar. Eine<br />

qualitative Nivellierung <strong>de</strong>r Zulassungsbedingungen<br />

zu <strong>de</strong>n Abiturprüfungen<br />

und in <strong>de</strong>n Festlegungen<br />

Prinzipell keine Notwendigkeit zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Oberstufenverordnung<br />

PhVSA-Vorsitzen<strong>de</strong>r Dr. Jürgen Mannke, Stellvertreter Thomas Gaube<br />

zur Einbringungsverpflichtung<br />

be<strong>de</strong>utete hingegen eine Benachteiligung<br />

<strong>de</strong>r Leistungsträger in<br />

<strong>de</strong>r Abiturausbildung in Sachsen-<br />

Anhalt, vor allem auch bei künftigen<br />

Studienbewerbern in so genannten<br />

Numerus clausus-Studiengän-<br />

gen. Von <strong>de</strong>r Herausnahme<br />

von Fächern<br />

o<strong>de</strong>r Teilleistungen <strong>de</strong>r<br />

Fächer aus <strong>de</strong>r verbindlichen<br />

Einbringungsverpflichtung<br />

ginge ein<br />

verheeren<strong>de</strong>s Signal als<br />

Kampfansage gegen<br />

eine leistungsorientierte<br />

Bildungsgesellschaft<br />

aus.<br />

Der PhVSA sieht <strong>de</strong>shalb<br />

prinzipiell keine<br />

Notwendigkeit zu<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitig<br />

gelten<strong>de</strong>n Oberstufenverordnung.<br />

Dass<br />

<strong>de</strong>r Gymnasiallehrerverband<br />

vor einer Verän<strong>de</strong>rung im<br />

Sinne einer unzulässigen und für<br />

die Abiturientinnen und Abiturienten<br />

nachteiligen Erleichterung in<br />

<strong>de</strong>n Bestimmungen <strong>de</strong>r gelten<strong>de</strong>n<br />

Oberstufenverordnung warnt, wird<br />

im Folgen<strong>de</strong>n aufgezeigt:<br />

2. Abiturientenquote ist kein Qualitätsmerkmal<br />

In seinem „Offenen Brief“ vom Spätsommer<br />

2013 konstatiert <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>selternrat<br />

von Sachsen-Anhalt:<br />

„Die Abiturientenquote verharrt mit<br />

ca. 37 % auf niedrigem Niveau während<br />

sie bun<strong>de</strong>sweit kontinuierlich<br />

bis auf über 50 % gestiegen ist!“<br />

Desweiteren for<strong>de</strong>rt das Gremium<br />

eine Rücknahme <strong>de</strong>r angeblich verschärften<br />

Bedingungen in <strong>de</strong>r jetzt<br />

gültigen Oberstufenverordnung.<br />

Damit entspricht <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>selternrat<br />

allerdings nicht <strong>de</strong>n Ansichten<br />

<strong>de</strong>r Schulelternräte <strong>de</strong>r meisten<br />

Gymnasien, die sich offen zu einem<br />

qualitativ hochwertigen Abiturbildungsgang<br />

bekennen und keinerlei<br />

Aufweichungen in <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

erwarten: Die meisten<br />

Elternvertreter wünschen sich keine<br />

Absenkung <strong>de</strong>s Abiturniveaus in<br />

2<br />

Sachsen-Anhalt, weil sie zu Recht<br />

eine Gefährdung <strong>de</strong>r Anerkennung<br />

<strong>de</strong>r Hochschulreife befürchten.<br />

Auch die meisten unserer leistungsbewussten<br />

Schülerinnen und Schüler<br />

vertreten ähnliche Positionen.<br />

Gera<strong>de</strong> aufgrund <strong>de</strong>r konsequenten<br />

Leistungsanfor<strong>de</strong>rungen im gymnasialen<br />

Bildungsgang ist es in<br />

<strong>de</strong>n Jahren nach 2003 im Lan<strong>de</strong><br />

Sachsen-Anhalt gelungen, in <strong>de</strong>n<br />

nationalen und internationalen Vergleichsstudien<br />

auf die vor<strong>de</strong>ren Plätze<br />

zu gelangen. Mit einer Umkehrpolitik<br />

wür<strong>de</strong>n wir diese Erfolge wie<strong>de</strong>r<br />

in Gefahr bringen und eine erhöhte<br />

Anzahl von Studienabbrechern produzieren.<br />

Es ist bei <strong>de</strong>r Abiturientenquote, die<br />

nichts über die Qualität <strong>de</strong>s Unterrichtes<br />

und die Prüfungen aussagt,<br />

zwischen <strong>de</strong>r allgemeinen Hochschulreife<br />

und <strong>de</strong>r Fachhochschulreife<br />

zu unterschei<strong>de</strong>n. Daraus<br />

resultiert, dass in Bayern 22,1 %<br />

eines Jahrganges die allgemeine<br />

Hochschulreife und 12,4 % die<br />

Fachhochschulreife erreichen, so<br />

kommt es zu einer Gesamtzahl <strong>de</strong>r<br />

Studienberechtigten von 34,5 %,<br />

das ist fast <strong>de</strong>r gleiche Wert wie in<br />

Sachsen-Anhalt (25,8/8,2 = 34 %),<br />

in Sachsen liegt <strong>de</strong>r Wert bei 37 %.<br />

Im Gesamtdurchschnitt von Schülerinnen<br />

und Schülern eines Jahrganges<br />

in Deutschland mit Studienberechtigungszertifikat<br />

steht<br />

bei 43,5 %, davon allerdings auch<br />

13,6 % mit Fachhochschulreife. Bei<br />

<strong>de</strong>r vergleichsweise niedrigen Quote<br />

sollte man in Sachsen-Anhalt unbe-


dingt in Betracht ziehen, dass nach<br />

<strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rvereinigung sehr viele<br />

junge Menschen mit aka<strong>de</strong>mischer<br />

Bildung unser Bun<strong>de</strong>sland verlassen<br />

haben und es folglich auch an<br />

aka<strong>de</strong>mischem Nachwuchspotential<br />

mangelt. Insofern ist es vor<br />

allem <strong>de</strong>m Einsatz <strong>de</strong>r Lehrerinnen<br />

und Lehrer zu verdanken, dass wir<br />

überhaupt einen solchen Prozentsatz<br />

eines Jahrganges zum erfolgreichen<br />

Abitur führen.<br />

Die Oberstufenverordnung ist nicht<br />

verschärft, son<strong>de</strong>rn 2003 vom Leistungskurs-<br />

und Grundkursprinzip<br />

zugunsten einer Kern- und Profilfachausrichtung<br />

verän<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n.<br />

Damals wur<strong>de</strong>, mit Blick auf die<br />

Chancenwahrung, entschie<strong>de</strong>n,<br />

dass die abschließen<strong>de</strong> Umsetzung<br />

nicht auch noch im Vorlauf<br />

zu geschehen habe, son<strong>de</strong>rn erst,<br />

wenn die an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>r nachgezogen<br />

haben. Das ist bis zum Jahre<br />

2010 erfolgt.<br />

Den realitätsfernen For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s<br />

sachsen-anhaltischen Lan<strong>de</strong>seltern-<br />

rates nach einer „dringen<strong>de</strong>(n) Überarbeitung<br />

<strong>de</strong>r sachsen-anhaltischen<br />

Oberstufenverordnung zur Herstellung<br />

bun<strong>de</strong>sweiter Chancengleichheit<br />

und Bildungsgerechtigkeit…<br />

(durch)…Reduzierung <strong>de</strong>r Anzahl<br />

<strong>de</strong>r Leistungskurse … und Rücknahme<br />

<strong>de</strong>r im Bun<strong>de</strong>svergleich<br />

überzogenen Bedingungen für die<br />

Abiturzulassung und zur Berechnung<br />

<strong>de</strong>r Abiturdurchschnittsnoten…“müssen<br />

wir aus dargelegten<br />

Grün<strong>de</strong>n entschie<strong>de</strong>n wi<strong>de</strong>rsprechen.<br />

3. Zu <strong>de</strong>n konkret geplanten Verän<strong>de</strong>rungen<br />

Der PhVSA begrüßt ausdrücklich,<br />

dass die generelle Einbringung<br />

aller Kurshalbjahresleistungen aller<br />

belegten Fächer in die Gesamtqualifikation<br />

nicht in Frage gestellt<br />

wird. Streichleistungen, egal welcher<br />

Art, werten Fächer ab, <strong>de</strong>motivieren<br />

und sind damit niveausenkend.<br />

Diese bisherige Regelung ist<br />

KMK-konform, hat sich bewährt, ist<br />

leistungsstimulierend und leistungsgerecht.<br />

Die erreichten Abiturdurchschnitte<br />

<strong>de</strong>r letzten Jahre zeigen<br />

Konstanz und weisen keinen negativen<br />

Trend auf. Es zeugt von großer<br />

pädagogischer Verantwortung<br />

und hat <strong>de</strong>n sinnvollen Effekt, dass<br />

die Schülerinnen und Schüler in<br />

<strong>de</strong>r Qualifikationsphase nicht mehr<br />

zwischen vermeintlich „wichtigen“<br />

und „unwichtigen“ Fächern unterschei<strong>de</strong>n<br />

und ihre Lernbereitschaft<br />

diesbezüglich ausrichten können.<br />

Das wertet <strong>de</strong>r Philologenverband<br />

als angemessen, <strong>de</strong>nn hier geht es<br />

um <strong>de</strong>n höchsten Schulabschluss<br />

in Deutschland und auch und gera<strong>de</strong><br />

um ein sehr hohes Allgemeinwissen.<br />

Der Vergleich zwischen <strong>de</strong>n<br />

Abiturienten, die 2012 noch unter<br />

<strong>de</strong>r „alten“ Regel die Reifeprüfung<br />

ablegten und <strong>de</strong>nen von 2013, die<br />

nicht mehr Halbjahresleistungen<br />

streichen konnten, zeigt <strong>de</strong>nnoch:<br />

Es gibt keinen signifikanten Unterschied<br />

in <strong>de</strong>n Gesamtdurchschnitten<br />

in Sachsen-Anhalt: Bei<strong>de</strong> Abiture<br />

lagen im Durchschnitt bei 2,4.<br />

Auch besteht ja die Möglichkeit, <strong>de</strong>n<br />

Besuch <strong>de</strong>r Qualifikationsphase bis<br />

zu 4 Jahre auszu<strong>de</strong>hnen. Die meisten<br />

so genannten „Wie<strong>de</strong>rholer“ schaffen<br />

das Abitur dann nach 13 Jahren;<br />

bei <strong>de</strong>nen, die drei Jahre benötigen,<br />

ist die „Versagerquote“ unter 5 %.<br />

Auch ließe sich über eine Möglichkeit<br />

diskutieren, eine gering erhöhte<br />

Anzahl von Min<strong>de</strong>rleistungen auszugleichen.<br />

Es gibt auch nachweislich<br />

keine signifikanten Verän<strong>de</strong>rungen<br />

<strong>de</strong>r Abiturleistungen in Grund- und<br />

Leistungskursfächern, bzw. Fächern<br />

auf grundlegen<strong>de</strong>m o<strong>de</strong>r erhöhtem<br />

Anfor<strong>de</strong>rungsniveau durch die bisherige<br />

Oberstufenverordnung. Die<br />

Schülerinnen und Schüler haben in<br />

Sachsen-Anhalt mehr Unterricht in<br />

Kern- und Profilfächer gegenüber<br />

vergleichbaren Strukturen an<strong>de</strong>rer<br />

Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r (Grund- und Leistungskurs).<br />

Gegenüber <strong>de</strong>r Oberstufenverordnung<br />

vom 24. März<br />

2003 erlaubt die gültige Oberstufenverordnung<br />

vom 11. März 2011<br />

eine größere Freiheit bei <strong>de</strong>r Wahl<br />

<strong>de</strong>r Prüfungsfächer auf erhöhtem<br />

Anfor<strong>de</strong>rungsniveau. Wahlentscheidung<br />

dafür erfolgt erst am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

ersten Schuljahres nach Eintritt in<br />

die Qualifikationsphase <strong>de</strong>r gymnasialen<br />

Oberstufe. Die gültige Oberstufenverordnung<br />

ermöglicht die<br />

zusätzliche Einbringung von Leistungen,<br />

welche über <strong>de</strong>m Durchschnitt<br />

liegen.<br />

Die neugeschaffene Möglichkeit<br />

<strong>de</strong>r doppelt gewichteten Einbringung<br />

<strong>de</strong>r nach § 20 Abs. 1 gewählten<br />

Fächer stellt keinen grundsätzlichen<br />

Paradigmenwechsel<br />

in <strong>de</strong>r Einbringungsverpflichtung<br />

und <strong>de</strong>n Zulassungsbedingungen<br />

dar. Gleichwohl nimmt <strong>de</strong>r PhVSA<br />

zu Kenntnis, dass hiermit ein<br />

Instrument geschaffen wur<strong>de</strong>, die<br />

Anzahl <strong>de</strong>r zur Prüfungszulassung<br />

erlaubten Min<strong>de</strong>rleistungen anzuheben<br />

und sieht dies auch <strong>de</strong>utlich<br />

kritisch im Kontext einer möglichen<br />

Niveausenkung. Gleichzeit ermöglicht<br />

diese Regelung jedoch auch leistungsstarken<br />

Schülern beson<strong>de</strong>rs<br />

gute Leistungen in Prüfungsfächern<br />

auf erhöhtem Anfor<strong>de</strong>rungsniveau<br />

stärker einzubringen. Damit ist diese<br />

Regelung gleichzeitig auch leistungsstimulierend.<br />

In <strong>de</strong>r Gesamtabwägung kann <strong>de</strong>r<br />

PhVSA <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n<br />

OVO im dargestellten Umfang<br />

zustimmen.<br />

Dr. Jürgen Mannke<br />

Thomas Gaube<br />

3


Fortbildungsveranstaltung <strong>de</strong>s PhVSA für Gleichstellungsbeauftragte an Schulen<br />

Teilnehmer <strong>de</strong>r Fortbildung für Gleichstellungsbeauftragte<br />

Von Ines Gurschke (Frauenbeauftragte<br />

<strong>de</strong>s PhVSA)<br />

Am 19./20. September trafen sich<br />

20 Kolleginnen zur 2. Fortbildung<br />

<strong>de</strong>s PhVSA für Gleichstellungsbeauftragte,<br />

die an Gymnasien und<br />

Gesamtschulen unseres Lan<strong>de</strong>s<br />

tätig sind, in Schlaitz am Mul<strong>de</strong>stausee.<br />

Einige <strong>de</strong>r Teilnehmerinnen<br />

nahmen bereits im Vorjahr an <strong>de</strong>r<br />

ersten Fortbildung teil.<br />

Am Nachmittag <strong>de</strong>s 19. September<br />

informierte Frau Sigrid Zwarg,<br />

Bezirksvertrauensperson <strong>de</strong>r<br />

schwerbehin<strong>de</strong>rten und gleichgestellten<br />

Menschen im LSchA Halle,<br />

Bereich Süd, zum Schwerbehin<strong>de</strong>rtenrecht<br />

und ihrer Tätigkeit zur<br />

Umsetzung <strong>de</strong>sselben. Ein großer<br />

Teil ihrer Tätigkeit umfasst die Hilfestellung<br />

und Beratung für Schwerbehin<strong>de</strong>rte<br />

und ihnen Gleichgestellte<br />

in <strong>de</strong>r Durchsetzung ihrer Rechte<br />

zu Nachteilsausgleichen.<br />

Das beinhaltet auch die Beratung<br />

zur Beschaffung von Hilfsmitteln<br />

zur besseren Bewältigung <strong>de</strong>s<br />

Arbeitsalltages.<br />

Die Ausführungen, die Frau Zwarg<br />

zum Thema gab, waren für viele Kolleginnen<br />

neu und sehr praxisbezogen.<br />

In <strong>de</strong>r sich anschließen<strong>de</strong>n<br />

Diskussion wur<strong>de</strong>n Einzelfälle beispielhaft<br />

angesprochen. Bei <strong>de</strong>n<br />

Fragen <strong>de</strong>r Teilnehmerinnen konnte<br />

Frau Zwarg mit guten Tipps zur<br />

Seite stehen.<br />

Der Freitagvormittag war <strong>de</strong>m Thema<br />

„Work-Life-Balance“ gewidmet.<br />

Zu diesem Thema referierte Frau<br />

Rita Bovenz, stellvertreten<strong>de</strong> Lan<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong><br />

und Frauenbeauftragte<br />

<strong>de</strong>s Bayrischen Philologenverban<strong>de</strong>s.<br />

Frau Bovenz ist auch ein<br />

aktives Mitglied <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft<br />

für frauenpolitische Fragen<br />

<strong>de</strong>s DPhV.<br />

Im Seminar ging es darum, wie wir<br />

Lehrerinnen die Mehrfachbelastung<br />

von Schule, Haushalt, Kin<strong>de</strong>rerziehung<br />

und ehrenamtlicher Tätigkeit<br />

besser unter einen Hut bekommen,<br />

ohne uns dabei völlig auszupowern.<br />

Dazu gehört auch die Stressbewältigung<br />

im Alltag. Das kennen wir ja<br />

alle.<br />

Hierzu ist es mitunter nötig, seine<br />

eigene Einstellung zu än<strong>de</strong>rn<br />

und positiv zu beeinflussen, z. B.<br />

durch Abschied vom Perfektionismus,<br />

durch Anerkennung von Leistungen<br />

bei an<strong>de</strong>ren, aber auch bei<br />

sich selbst o<strong>de</strong>r durch eine realistische<br />

Einschätzung <strong>de</strong>r eigenen<br />

Belastungs- und Leistungsfähigkeit.<br />

Mit Hilfe von praktischen Tests<br />

zeigte Frau Bovenz Möglichkeiten<br />

zur Umsetzung dieser I<strong>de</strong>en. Außer<strong>de</strong>m<br />

bekamen die Teilnehmerinnen<br />

noch eine Menge Tipps zu Entspannungsmetho<strong>de</strong>n<br />

und Stressabbau.<br />

Einige davon wur<strong>de</strong>n auch ausprobiert.<br />

Dabei brachten sich die Kolleginnen<br />

aktiv mit ein und gaben auch<br />

selber Tipps zum Stressabbau aus<br />

ihrer eigenen Erfahrung.<br />

Ein weiterer wichtiger Punkt <strong>de</strong>s<br />

Vormittags war das Problem <strong>de</strong>s<br />

Zeitmanagements. Auch hierzu gab<br />

es erst einmal einen interessanten<br />

und auch kurzweiligen Input durch<br />

Frau Bovenz. Danach konnten wir<br />

an vielfältigen Beispielen und Analysen<br />

unserer eigenen Situation<br />

Möglichkeiten zur besseren Zeitplanung<br />

unseres Alltags ausprobieren.<br />

Inwieweit man das dann in<br />

<strong>de</strong>r Praxis umsetzt, muss je<strong>de</strong>r für<br />

sich selber herausfin<strong>de</strong>n. Der Vortrag<br />

von Frau Bovenz war so gestaltet,<br />

dass die Teilnehmerinnen erst<br />

einmal einen Gewinn für sich selber<br />

daraus ziehen konnten, aber auch<br />

interessante Tipps und Strategien<br />

an die Kolleginnen und Kollegen<br />

ihrer Schulen weitergeben können.<br />

Nach <strong>de</strong>m Mittagessen widmeten<br />

wir uns noch kurz <strong>de</strong>r Feedbackkultur.<br />

Hier gab es interessante Tipps<br />

zum Briefing und Debriefing, die<br />

sich nicht nur unter Kollegen gut<br />

umsetzen lassen, son<strong>de</strong>rn durchaus<br />

auch im Unterricht angewen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n können.<br />

Die praktischen Übungen dazu<br />

bezogen sich gleich auf die Auswertung<br />

<strong>de</strong>r Fortbildung. Die Aussagen<br />

<strong>de</strong>r Teilnehmerinnen zum stattgefun<strong>de</strong>nen<br />

Seminar waren durchweg<br />

positiv, die Teilnehmerinnen baten<br />

um Fortsetzung dieser Gleichstellungsschulung<br />

auch im nächsten<br />

Jahr.<br />

Ich möchte mich noch einmal recht<br />

herzlich bei allen Teilnehmerinnen<br />

für ihr Engagement in dieser Fortbildung<br />

bedanken. Mein beson<strong>de</strong>rer<br />

Dank gilt <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Referentinnen<br />

Frau Zwarg und Frau Bovenz,<br />

sowie Frau Birgitt Matthies aus <strong>de</strong>r<br />

Geschäftsstelle, die für die sehr<br />

gute Organisation verantwortlich<br />

war.<br />

4


Mehr Frauen in die Vorstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Philologenverban<strong>de</strong>s gefor<strong>de</strong>rt<br />

Zur Arbeit <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft für frauenpolitische Fragen im DPhV<br />

Mehr Frauen in die Vorstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Philologenverban<strong>de</strong>s<br />

Ines Gurschke (Frauenbeauftragte <strong>de</strong>s<br />

PhVSA)<br />

Von Ines Gurschke (Frauenbeauftragte<br />

<strong>de</strong>s PhVSA)<br />

Am 13. Und 14. September 2013<br />

fand das Herbstreffen <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft<br />

für frauenpolitische<br />

Fragen <strong>de</strong>s DPhV in Göttingen<br />

statt.<br />

Am Freitagnachmittag gaben die<br />

Frauen <strong>de</strong>r einzelnen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r<br />

Berichte zu ihrer Tätigkeit in ihrem<br />

Lan<strong>de</strong>sverband ab. Die Frauenbeauftragten<br />

(die Bezeichnung <strong>de</strong>r<br />

Funktion ist in je<strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>sverband<br />

etwas an<strong>de</strong>rs) engagieren<br />

sich in ihren Verbän<strong>de</strong>n hauptsächlich<br />

auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Fortbildung<br />

und Beratung. Momentan<br />

besteht in mehreren Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />

erhöhter Beratungsbedarf zur<br />

Elternzeit.<br />

Anschließend beschäftigten wir uns<br />

mit <strong>de</strong>r Vorbereitung <strong>de</strong>s Vertretertages<br />

<strong>de</strong>s DPhV im November.<br />

Bei einer sehr angeregten Diskussion<br />

ging es darum, dass im <strong>de</strong>utschen<br />

Philologenverband sehr viele<br />

Frauen Mitglie<strong>de</strong>r sind, sich dies<br />

aber nicht in <strong>de</strong>r Zusammensetzung<br />

<strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s DPhV<br />

und auch kaum in <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>svorstän<strong>de</strong>n<br />

wi<strong>de</strong>rspiegelt. Wir treten<br />

dafür ein, dass sich die prozentuale<br />

Zusammensetzung <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r<br />

bezüglich Männer und Frauen<br />

auch in <strong>de</strong>r Zusammensetzung <strong>de</strong>r<br />

Vorstän<strong>de</strong> auf Bun<strong>de</strong>s- und Lan<strong>de</strong>sebene<br />

wi<strong>de</strong>rspiegelt. In diesem<br />

Sinne beschloss die Frauenvertretung,<br />

dazu einen Antrag an <strong>de</strong>n Vertretertag<br />

einzubringen.<br />

Am Samstagvormittag setzten wir<br />

uns das erste Mal ernsthaft mit <strong>de</strong>m<br />

Thema „Gen<strong>de</strong>r Budgeting“ auseinan<strong>de</strong>r.<br />

Als Referentin stand uns Frau Christine<br />

Rudolf (SPD) sehr hilfreich zur<br />

Seite. Frau Rudolf hat einen Studienabschluss<br />

in Politik, Volkswirtschaft<br />

und Linguistik. Zurzeit<br />

ist sie politisch bei <strong>de</strong>r Gen<strong>de</strong>r-AG<br />

von Attac aktiv, ist Mitglied im Wissenschaftlichen<br />

Beirat von efas und<br />

lehrt an <strong>de</strong>r HTW Berlin.<br />

Hier einige Auszüge aus ihren Ausführungen.<br />

• Gen<strong>de</strong>r Budgeting fußt auf <strong>de</strong>r<br />

Annahme, dass die herkömmliche<br />

Haushaltspolitik ungerechte<br />

Verteilungseffekte produzieren<br />

kann.<br />

Frauenbeauftragte <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sverbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s DPhV<br />

• Frauen und Männer haben damit<br />

nicht <strong>de</strong>n gleichen Zugang zu<br />

Leistungen.<br />

• Es ist ein wirkungsvolles Analyseund<br />

Steuerungsinstrument, das<br />

Geschlechtergerechtigkeit auch<br />

durch eine verän<strong>de</strong>rte Haushaltsführung<br />

beziehungsweise -politik<br />

herstellt.<br />

Laut einer EU-Resolution von 2002<br />

soll bis zum Jahr 2015 Gen<strong>de</strong>r Budgeting<br />

in allen öffentlichen Haushalten<br />

berücksichtigt wer<strong>de</strong>n. 2006<br />

wur<strong>de</strong> dazu eine Machbarkeitsstudie<br />

auf Bun<strong>de</strong>sebene durchgeführt.<br />

Im Haushalt von Sachsen-Anhalt<br />

wird Gen<strong>de</strong>r Budgeting seit 2011<br />

berücksichtigt.<br />

Nach<strong>de</strong>m Frau Rudolf uns in die<br />

Thematik <strong>de</strong>s Gen<strong>de</strong>r Budgeting<br />

sehr kompetent und interessant<br />

eingeführt hatte, entschlossen wir<br />

uns auch zu diesem Thema noch<br />

einen Antrag an <strong>de</strong>n Vertretertag<br />

einzubringen, in <strong>de</strong>m wir auf eine<br />

Umsetzung <strong>de</strong>r EU-Resolution<br />

auch im Haushalt <strong>de</strong>s DPhV und<br />

<strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sverbän<strong>de</strong>n drängen.<br />

5


Großes Interesse an Personalräte-Schulung<br />

Peter Dammann (Mitglied <strong>de</strong>s geschäftsführen<strong>de</strong>n<br />

Vorstan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s PhVSA)<br />

erlebte eine informative Veranstaltung<br />

Von Peter Dammann (Mitglied im<br />

Lehrerbezirkspersonalrat, Amtsbereich<br />

Halle)<br />

Den Schulpersonalräten unserer<br />

Gymnasien wur<strong>de</strong> auch in diesem<br />

Jahr am 25./26.09. durch unseren<br />

Verband Gelegenheit gegeben, ihr<br />

Wissen über personalrechtliche Vorgänge<br />

und Probleme aufzufrischen<br />

bzw. zu erweitern. An <strong>de</strong>r Veranstaltung<br />

nahmen 70 Kolleginnen<br />

und Kollegen aus Gymnasien und<br />

Gesamtschulen unseres Lan<strong>de</strong>s<br />

teil und schon traditionsgemäß bot<br />

das Tagungshotel Spiegelsberge in<br />

Halberstadt <strong>de</strong>n angenehmen Rahmen<br />

für diese Personalräteschulung.<br />

An dieser Stelle sei <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn<br />

<strong>de</strong>s geschäftsführen<strong>de</strong>n Vorstan<strong>de</strong>s<br />

unseres Verban<strong>de</strong>s, insbeson<strong>de</strong>re<br />

aber Frau Matthies aus <strong>de</strong>r<br />

Geschäftsstelle, für die Organisation<br />

dieser Veranstaltung Dank gesagt.<br />

Frau Iris Seltmann-Kuke, Mitglied im<br />

Lehrerhauptpersonalrat, mo<strong>de</strong>rierte<br />

die Veranstaltung und versorgte<br />

die Teilnehmer gemeinsam mit Klaus<br />

Winter, unserem zweiten Vertreter<br />

im Lehrerhauptpersonalrat, mit<br />

aktuellen Statistiken zur Entwicklung<br />

<strong>de</strong>r Schüler- und Lehrerzahlen<br />

sowie tarifrechtlichen Neuigkeiten,<br />

unter an<strong>de</strong>rem zur Altersteilzeit.<br />

Blick in <strong>de</strong>n Tagungsraum<br />

Im Anschluss berichteten unsere<br />

Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Lehrerbezirkspersonalräte<br />

über ihre Arbeit. Für<br />

<strong>de</strong>n Amtsbereich Mag<strong>de</strong>burg sind<br />

das Doris Jürschik und Matthias<br />

Bartsch, für <strong>de</strong>n Amtsbereich Halle<br />

Peter Dammann, Lutz Würzberg<br />

sowie Klaudiusz Wolowski.<br />

Die Anzahl <strong>de</strong>r Personalmaßnahmen<br />

ist in bei<strong>de</strong>n Amtsbereichen erwartungsgemäß<br />

rückläufig. Problematisch<br />

gestaltet sich nach wie vor die<br />

Bearbeitung von Personalmaßnahmen,<br />

bei <strong>de</strong>nen kein Einverständnis<br />

<strong>de</strong>r Beschäftigten vorliegt und die<br />

unmittelbar vor o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n ersten<br />

Wochen <strong>de</strong>r Sommerferien durch<br />

<strong>de</strong>n Arbeitgeber beantragt wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei Kollegen, die ihren Urlaub bereits<br />

angetreten haben, gestaltet sich insbeson<strong>de</strong>re<br />

das Anhörungsverfahren<br />

schwierig. Die Lehrerbezirkspersonalräte<br />

wer<strong>de</strong>n weiter darauf dringen,<br />

die Anzahl solcher Maßnahmen<br />

auf ein Minimum zu reduzieren. Mit<br />

beson<strong>de</strong>rer Aufmerksamkeit folgten<br />

die Teilnehmer auch <strong>de</strong>n Ausführungen<br />

zu verschie<strong>de</strong>nen Abmahnungsverfahren.<br />

Auf großes Interesse stießen die Ausführungen<br />

von Sigrid Zwarg, Bezirksvertrauensperson<br />

für schwerbehin<strong>de</strong>rte<br />

und gleichgestellte Menschen<br />

im Bereich Süd <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>sschulamtes<br />

Sachsen-Anhalt. Ausgehend<br />

von Begriffsbestimmungen brachte<br />

Frau Zwarg <strong>de</strong>n Teilnehmern<br />

Aspekte, die nach <strong>de</strong>m Eintritt einer<br />

Behin<strong>de</strong>rung insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r<br />

Beantragung eines Behin<strong>de</strong>rungsgra<strong>de</strong>s<br />

zu beachten sind, nahe.<br />

Den Abend konnten die Teilnehmer<br />

entwe<strong>de</strong>r sportlich beim Kegeln ausklingen<br />

lassen o<strong>de</strong>r sie wur<strong>de</strong>n mit<br />

Spannend und äußerst kurzweilig<br />

Richter Dr. Karl-Heinz Millgramm beim<br />

Vortrag<br />

einem Vortrag über Nepal, gehalten<br />

von Klaudiusz Wolowski, in die Ferne<br />

entführt.<br />

Wie immer fand natürlich auch in<br />

<strong>de</strong>n Vortragspausen ein reger Erfahrungsaustausch<br />

<strong>de</strong>r Kollegen statt.<br />

Den zweiten Veranstaltungstag<br />

„übernahm“ Dr. Karl-Heinz Millgramm,<br />

bis Frühjahr 2013 Vorsitzen<strong>de</strong>r<br />

Richter am Verwaltungsgericht<br />

Halle. Angekündigt waren verschie<strong>de</strong>ne<br />

Themen zum Personalvertretungsrecht,<br />

die sowohl die Personalräte<br />

bei Dienststellen als auch<br />

die Stufenpersonalräte betreffen.<br />

Wer anfangs glaubte, die Teilnehmer<br />

wür<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n angekündigten Themen<br />

„zähflüssige“ Stun<strong>de</strong>n erwarten,<br />

wur<strong>de</strong> schnell eines besseren<br />

belehrt. Wie Dr. Millgramm, ausgehend<br />

vom New York-Marathon über<br />

eine kurze Biografie, die angereichert<br />

war durch Erlebnisse und Anekdoten<br />

aus <strong>de</strong>n Umbruchzeiten nach <strong>de</strong>r<br />

Wen<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Martin-Luther-Universtät<br />

Halle und <strong>de</strong>m Verwaltungsgericht<br />

in Halle, <strong>de</strong>n Bogen zum Personalvertretungsrecht<br />

spannte, war<br />

absolut spannend und äußerst kurzweilig.<br />

Zwischenfragen beantwortete<br />

Dr. Millgramm sofort und konkret,<br />

auch anhand von praktischen<br />

Beispielen aus seiner langjährigen<br />

Berufserfahrung. Und wenn er die<br />

Frage „Gilt das auch für Angestellte?“<br />

mit einem „genervten“ langgezogenen<br />

„Ja“ beantwortete, hatte er<br />

die Lacher auf seiner Seite.<br />

Die Personalräteschulung für 2014<br />

ist bereits avisiert und wir hoffen<br />

wie<strong>de</strong>r auf reges Interesse bei <strong>de</strong>n<br />

Schulpersonalräten.<br />

6


Wirtschaft warnt vor Abitur um je<strong>de</strong>n Preis<br />

Die Industrie- und Han<strong>de</strong>lskammer fürchtet wegen <strong>de</strong>s großen Ansturms auf Gymnasien um das Niveau. Das Land<br />

verweist auf gute Ergebnisse bei Tests. Die IHK ehrt die 33 besten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m Sü<strong>de</strong>n Sachsen-Anhalts<br />

für ihre Leistungen.<br />

Die Industrie- und Han<strong>de</strong>lskammer<br />

Halle-Dessau schlägt Alarm: IHK-<br />

Präsi<strong>de</strong>ntin Carola Schaar hat angesichts<br />

<strong>de</strong>s freien Zugangs zu Gymnasien<br />

in Sachsen-Anhalt vor einer<br />

Verschlechterung <strong>de</strong>r gymnasialen<br />

Schulausbildung gewarnt. „De facto<br />

beschränken wir <strong>de</strong>n Zugang zu <strong>de</strong>n<br />

Gymnasien nicht“, sagte Schaar am<br />

Donnerstagabend bei <strong>de</strong>r Ehrung<br />

<strong>de</strong>r besten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r IHK<br />

in Halle.<br />

In Sachsen-Anhalt entschei<strong>de</strong>n die<br />

Eltern darüber, ob ihr Kind nach <strong>de</strong>r<br />

Grundschule das Gymnasium o<strong>de</strong>r<br />

eine an<strong>de</strong>re weiterführen<strong>de</strong> Schule<br />

wie die Sekundarschule, die<br />

Gesamtschule o<strong>de</strong>r die Gemeinschaftsschule<br />

besucht. Die verbindliche<br />

Schullaufbahnempfehlung, bei<br />

<strong>de</strong>r die Lehrer das letzte Wort hatten,<br />

war zum Schuljahr 2011/2012 abgeschafft<br />

wor<strong>de</strong>n.<br />

„Bildungsinflation“ droht<br />

IHK-Präsi<strong>de</strong>ntin Carola Schaar warnt vor<br />

einer „Bildungsinflation“<br />

Schaar sieht das als Gefahr. Im<br />

Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Ansturm<br />

auf das Gymnasium sei regelmäßig<br />

die For<strong>de</strong>rung zu hören, dass Abiturienten<br />

auch studieren sollten. „Auf<br />

diese Weise laufen wir Gefahr, nicht<br />

nur unser Schul-, son<strong>de</strong>rn unser<br />

gesamtes Bildungssystem zu entwerten“,<br />

sagte die IHK-Präsi<strong>de</strong>ntin.<br />

Sie sieht sogar eine „Bildungsinflation“<br />

drohen.<br />

Schaar sprach von Übertrittsquoten<br />

von <strong>de</strong>r Grundschule auf das<br />

Gymnasium von mehr als 50 Prozent.<br />

Das Kultusministerium wies<br />

das zurück. Seit <strong>de</strong>m Abschaffen<br />

<strong>de</strong>r verbindlichen Schullaufbahnempfehlung<br />

habe sich die Quote<br />

von 43,1 auf 46,5 Prozent erhöht,<br />

sagte Ministeriumssprecher Martin<br />

Hanusch auf Anfrage <strong>de</strong>r Mittel<strong>de</strong>utschen<br />

Zeitung. Von einer „Bildungsinflation“<br />

könne <strong>de</strong>shalb keine<br />

Re<strong>de</strong> sein, ebenso wenig wie von<br />

einer Verschlechterung <strong>de</strong>s Niveaus<br />

an Gymnasien. Dagegen sprächen<br />

die Ergebnisse bun<strong>de</strong>sweiter Leistungsvergleiche,<br />

sagte Hanusch.<br />

So habe Sachsen-Anhalt erst jüngst<br />

bei einem Län<strong>de</strong>rvergleich vor<strong>de</strong>re<br />

Plätze in Mathematik und Naturwissenschaften<br />

erreicht.<br />

Duales Ausbildungssystem<br />

Statt für das Studium warb Schaar<br />

für eine Stärkung <strong>de</strong>r dualen Berufsausbildung<br />

in einem Unternehmen<br />

und in <strong>de</strong>r Berufsschule. Das duale<br />

Ausbildungssystem warte mit qualitativ<br />

hochwertigen Abschlüssen auf<br />

und erziele international zunehmend<br />

Achtung und Aufmerksamkeit. Aufgrund<br />

vieler Abiturienten und Stu<strong>de</strong>nten<br />

sei Deutschland aber dabei,<br />

diesen Wettbewerbsvorteil leichtfertig<br />

zu verspielen. Bei vielen Studienrichtungen<br />

beklagte Schaar mangeln<strong>de</strong><br />

Nähe zum Arbeitsmarkt.<br />

Bei <strong>de</strong>r Veranstaltung in Halle wur<strong>de</strong>n<br />

die 33 besten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

aus <strong>de</strong>m Sü<strong>de</strong>n Sachsen-Anhalts für<br />

ihre Leistungen geehrt. Sie hatten in<br />

29 Berufen die besten Abschlussergebnisse<br />

von mehr als 4.000 Prüflingen<br />

erzielt. Ausgezeichnet wur<strong>de</strong>n<br />

auch die sechs besten Absolventen<br />

<strong>de</strong>r Fortbildungsprüfungen im IHK-<br />

Bezirk Halle-Dessau.<br />

Quelle: Mittel<strong>de</strong>utsche Zeitung,<br />

08.11.2013<br />

7


Für ein starkes Gymnasium in einem pluralen Schulsystem<br />

Pakt für Bildung zwischen Bund und Län<strong>de</strong>rn gefor<strong>de</strong>rt<br />

Der Wahlvertretertag <strong>de</strong>s Deutschen Philologenverban<strong>de</strong>s fand vom 06. - 09. November 2013 im dbb-Forum in <strong>de</strong>r<br />

Berliner Friedrichstraße statt. Aus Sachsen-Anhalt nahmen als Delegierte <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong>, Dr. Mannke, und die bei<strong>de</strong>n<br />

stellvertreten<strong>de</strong>n Vorsitzen<strong>de</strong>n, Iris Seltmann-Kuke und Thomas Gaube, an <strong>de</strong>n Beratungen teil. Nach <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svorstandssitzung<br />

am Donnerstag, wo die Empfehlungen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sleitung zu <strong>de</strong>n 82 Anträgen <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sverbän<strong>de</strong><br />

beraten wur<strong>de</strong>n, konnte am Nachmittag <strong>de</strong>r Vertretertag mit einem feierlichen Akt eröffnet wer<strong>de</strong>n. Der Festredner,<br />

Bun<strong>de</strong>stagspräsi<strong>de</strong>nt Prof. Dr. Norbert Lammert, plädierte mit brillanter Rhetorik und einer geschliffenen Argumentation<br />

für einen erweiterten Bildungs- und Kulturbegriff in Deutschland und wies dabei <strong>de</strong>n Gymnasien eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Rolle bei <strong>de</strong>r umfangreichen Allgemeinbildung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen zu. Am Freitag, <strong>de</strong>m 8. November, fand<br />

die Wahl <strong>de</strong>s neuen geschäftsführen<strong>de</strong>n Vorstan<strong>de</strong>s statt.<br />

Die Vertreterversammlung <strong>de</strong>s Deutschen<br />

Philologenverban<strong>de</strong>s (DPhV)<br />

hat am 08. November 2013 in Berlin<br />

Heinz-Peter Meidinger mit großer<br />

Mehrheit in seinem Amt als Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>n<br />

bestätigt. Der 59-jährige<br />

Direktor eines Gymnasiums in<br />

Deggendorf, Nie<strong>de</strong>rbayern, erhielt<br />

in Berlin 101 von 104 gültigen Stimmen.<br />

Der wie<strong>de</strong>rgewählte Vorsitzen<strong>de</strong><br />

kündigte an, sich offensiv für die<br />

Fortentwicklung eines leistungsstarken<br />

Gymnasiums in einem pluralen<br />

Schulsystem einzusetzen. „Der<br />

große Zuspruch zum Gymnasium ist<br />

kein Selbstläufer, son<strong>de</strong>rn Ausdruck<br />

<strong>de</strong>r großen Wertschätzung <strong>de</strong>r dort<br />

überall in Deutschland geleisteten<br />

hochwertigen Bildungsarbeit“,<br />

betonte Meidinger. Gleichzeitig<br />

erteilte er politischen Bestrebungen<br />

in einer Reihe von Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />

eine Absage, die Gymnasien<br />

gegenüber an<strong>de</strong>ren Schularten wie<br />

Gemeinschaftsschulen schlechter<br />

zu stellen und die gymnasialen<br />

Qualitätsstandards aufzuweichen.<br />

Die in einzelnen Län<strong>de</strong>rn geplante<br />

Abschaffung <strong>de</strong>r eigenständigen<br />

gymnasialen Lehrerbildung laufe<br />

letztendlich auf die Abschaffung<br />

<strong>de</strong>s Gymnasiums selbst hinaus. Das<br />

wer<strong>de</strong> man nicht tolerieren.<br />

Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen<br />

in Berlin for<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r neugewählte<br />

Vorsitzen<strong>de</strong> einen Pakt für<br />

Bildung zwischen Bund und Län<strong>de</strong>rn<br />

mit einer Investitionssumme<br />

für die Schulen von min<strong>de</strong>stens 20<br />

Milliar<strong>de</strong>n Euro. Voraussetzung, so<br />

Meidinger, sei allerdings die Beseitigung<br />

<strong>de</strong>s Kooperationsverbotes<br />

zwischen Bund und Län<strong>de</strong>rn im<br />

Schulbereich. Diese zusätzlichen<br />

Investitionen sollten insbeson<strong>de</strong>re<br />

8<br />

Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle <strong>de</strong>s Gymnasiums<br />

bei <strong>de</strong>r Allgemeinbildung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r und<br />

Jugendlichen<br />

Bun<strong>de</strong>stagspräsi<strong>de</strong>nt Prof. Dr. Norbert<br />

Lammert<br />

Vertraten unseren Lan<strong>de</strong>sverband in Berlin<br />

Dr. Jürgen Mannke, Thomas Gaube und<br />

Iris Seltmann-Kuke (v.l.)<br />

Mit großer Mehrheit in ihren Ämtern bestätigt<br />

Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>r Heinz-Peter Meidinger<br />

(li.), stellvertreten<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>r<br />

Dr. Horst Günther Klitzing<br />

in <strong>de</strong>n Renovierungsbedarf und die<br />

verbesserte technische Ausstattung<br />

von Schulen fließen.<br />

Als stellvertreten<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>r<br />

wur<strong>de</strong> Dr. Horst Günther<br />

Klitzing (Saarland) wie<strong>de</strong>rgewählt,<br />

Auch <strong>de</strong>r Schatzmeister Andreas<br />

Bartsch (Nordrhein-Westfalen) und<br />

drei <strong>de</strong>r Beisitzer, Gabriela Kasigkeit<br />

(Berlin, für frauenpolitische Fragen),<br />

Steffen Pabst (Sachsen, tarifpolitische<br />

Obliegenheiten) und Rainer<br />

Starke (Nie<strong>de</strong>rsachsen, Berufspolitik/<br />

Beamtenrecht) erhielten das<br />

Vertrauen <strong>de</strong>r Vertreterversammlung<br />

und wur<strong>de</strong>n im Amt bestätigt. Neu in<br />

<strong>de</strong>n Vorstand wur<strong>de</strong> Ralph Hartung<br />

(Hessen) gewählt. Freiwillig ausgeschie<strong>de</strong>n<br />

ist Frau Prof. Dr. Susanne<br />

Lin-Klitzing, die jahrelang <strong>de</strong>m bildungspolitischen<br />

Ausschuss vorgestan<strong>de</strong>n<br />

hatte und weiterhin <strong>de</strong>m<br />

Verband im wissenschaftlichen Beirat<br />

zur Verfügung stehen wird.<br />

Im letzten Sitzungsteil wur<strong>de</strong>n die<br />

Anträge beraten. Im Bereich <strong>de</strong>r<br />

BIldungs- und Gesellschaftspolitik<br />

wur<strong>de</strong>n vor allem die Anträge, die<br />

für das Abitur mit zentralen Aufgabenstellungen,<br />

die Beibehaltung <strong>de</strong>r<br />

Nichtversetzung, maßvolle Inklusion<br />

und die Senkung <strong>de</strong>r Klassenfrequenzen<br />

plädierten, einstimmig<br />

angenommen. Die Delegierten sprachen<br />

sich in <strong>de</strong>r Berufspolitik ein<strong>de</strong>utig<br />

für eine lehramtsbezogene<br />

Ausbildung, die Rückkehr zum 24-<br />

monatigen Referendariat, die Erweiterung<br />

<strong>de</strong>s Einstellungskorridors für<br />

junge Kolleginnen und Kollegen,<br />

die Erhöhung <strong>de</strong>r Anrechnungsund<br />

Altersermäßigungsstun<strong>de</strong>n,<br />

ein Blockmo<strong>de</strong>ll in <strong>de</strong>n Altersteilzeitregelungen<br />

und ein einheitliches<br />

Tarifwerk für die Tarifgebiete Ost und<br />

West aus.


Gymnasiallehrerverband for<strong>de</strong>rt 20-Milliar<strong>de</strong>n-Paket<br />

„Jetzt geht es um Qualität.“<br />

DPhV-Vorsitzen<strong>de</strong>r Heinz-Peter<br />

Meidinger<br />

Der Deutsche Philologenverband<br />

erwartet von <strong>de</strong>r neuen Bun<strong>de</strong>sregierung<br />

einen Pakt für Bildung zwischen<br />

Bund und Län<strong>de</strong>rn, für <strong>de</strong>n<br />

in <strong>de</strong>n nächsten vier Jahren min<strong>de</strong>stens<br />

20 Milliar<strong>de</strong>n Euro allein<br />

für <strong>de</strong>n Schulbereich bereitgestellt<br />

wer<strong>de</strong>n sollten.<br />

In einem Gespräch mit unserer Zeitung<br />

betonte Verbandschef Heinz-<br />

Peter Meidinger, diese „Hausnummer“<br />

müsste es schon min<strong>de</strong>stens<br />

sein, um Deutschlands Schulen zu<br />

einem leistungsfähigen Ganztagssystem<br />

auszubauen. Das erfor<strong>de</strong>re<br />

einen weitaus größeren Kraftakt<br />

als jenes Vier-Milliar<strong>de</strong>n-Paket, mit<br />

<strong>de</strong>m 2003 Altkanzler Gerhard Schrö<strong>de</strong>r<br />

einen ersten Anschub gegeben<br />

habe. „Damals ging es allein<br />

um Baukosten. Jetzt geht es um<br />

Qualität und <strong>de</strong>n Anspruch, die Bildungsrepublik<br />

Deutschland wirklich<br />

mit Leben zu füllen.“ Ohne die Hilfe<br />

<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s sei das nicht zu schaffen.<br />

Dafür seien die meisten Län<strong>de</strong>r<br />

finanziell zu schwach, sagte Meidinger.<br />

Nach seinen Worten steht die Bildungspolitik<br />

vor drei Mammutaufgaben:<br />

ein hochwertiges Ganztagsangebot<br />

statt <strong>de</strong>r bisherigen<br />

Schmalspur-Lösungen am Nachmittag,<br />

die Inklusion, also die Integration<br />

von behin<strong>de</strong>rten Kin<strong>de</strong>rn<br />

in Regelschulen, und die professionelle<br />

Digitalisierung <strong>de</strong>r Klassenzimmer.<br />

Der Chef <strong>de</strong>s Gymnasiallehrerverbands<br />

for<strong>de</strong>rte erneut<br />

hauptamtliche IT-Profis an Schulen.<br />

Je<strong>de</strong> größere Firma, je<strong>de</strong> Kommune<br />

und Behör<strong>de</strong> habe EDV-Experten.<br />

Die Schulen aber lasse man damit<br />

allein, kritisierte Meidinger. Derzeit<br />

erledigten Lehrer in ihrer Freizeit <strong>de</strong>n<br />

Computer-Service.<br />

Meidinger geht davon aus, dass sich<br />

die Bremsen bei gemeinsamer Bildungsfinanzierung<br />

schnell lockern<br />

wer<strong>de</strong>n. „Schon im ersten Quartal<br />

2014 könnte das Kooperationsverbot<br />

zwischen Bund und Län<strong>de</strong>rn<br />

fallen“, zeigte sich <strong>de</strong>r Verbandschef<br />

überzeugt. Derzeit muss sich<br />

<strong>de</strong>r Bund laut Grundgesetz aus<br />

<strong>de</strong>r Bildungspolitik heraushalten.<br />

Der Philologenverband vertritt die<br />

Interessen von 90.000 Philologen.<br />

In Deutschland gibt es 3.000 Gymnasien.<br />

noz.<strong>de</strong>, 07.11.2013<br />

Der trügerisch-schöne Schein <strong>de</strong>r Ganztagsschulen<br />

Nun sind die Diskussionen um die Ganztagsschulen beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>n Fokus <strong>de</strong>r Grundschulen geraten. Natürlich wer<strong>de</strong>n<br />

auch für die weiterführen<strong>de</strong>n Schulen solche Konzepte angeboten. In Sachsen-Anhalt wer<strong>de</strong>n zurzeit allerdings<br />

die Anträge auf Einrichtung einer Ganztagsschule oft abgelehnt. Dahinter steht die Sorge <strong>de</strong>s Kultusministeriums,<br />

diese Schulen wegen fehlen<strong>de</strong>r finanzieller Mittel nicht mit genügen<strong>de</strong>m Lehrpersonal und erfor<strong>de</strong>rlichen pädagogischen<br />

Rahmenbedingungen auszustatten. Die meisten Gymnasien tragen <strong>de</strong> facto schon Ganztagsschulcharakter.<br />

Dennoch sollten die Erfahrungen aus <strong>de</strong>n Grundschulen genutzt wer<strong>de</strong>n, um die Konzeptionen <strong>de</strong>r rhythmisierten<br />

Ganztagsschule aufzugreifen.<br />

Vor allem in Ost<strong>de</strong>utschland und<br />

NRW wur<strong>de</strong>n viele Schulen zu<br />

Ganztagsschulen ausgebaut.<br />

Doch Bildungsexperten kritisieren:<br />

We<strong>de</strong>r Bildung noch Chancengleichheit<br />

hätten sich verbessert.<br />

Fast je<strong>de</strong> zweite Grundschule ist<br />

mittlerweile eine Ganztagsschule<br />

– allerdings ist die Organisation<br />

<strong>de</strong>s Nachmittags von Schule<br />

zu Schule verschie<strong>de</strong>n. Insgesamt<br />

sind Ganztagsschulen vor allem im<br />

Osten Deutschlands und in NRW<br />

verbreitet. Es ist eines <strong>de</strong>r größten<br />

und teuersten Bildungsprojekte<br />

<strong>de</strong>r vergangenen Jahre: <strong>de</strong>r<br />

Ausbau <strong>de</strong>r Ganztagsschulen. Vor<br />

zehn Jahren starteten Bund und<br />

Län<strong>de</strong>r das sogenannte Investitionsprogramm<br />

Zukunft Bildung<br />

und Betreuung. Mittlerweile ist<br />

fast je<strong>de</strong> zweite Grundschule eine<br />

Ganztagsschule. Doch die Qualität<br />

<strong>de</strong>r Bildung hat sich durch die<br />

Verlängerung <strong>de</strong>r Schulzeit nicht<br />

verbessert, stellt eine Analyse <strong>de</strong>s<br />

Aktionsrats Bildung fest. Auch<br />

beim Thema Chancengerechtigkeit<br />

böten die Ganztagsschulen keine<br />

messbaren Vorteile gegenüber <strong>de</strong>n<br />

herkömmlichen Halbtagsschulen,<br />

urteilt das Gremium, <strong>de</strong>m renommierte<br />

Bildungsforscher wie <strong>de</strong>r<br />

Vizepräsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Hochschulrektorenkonferenz,<br />

Dieter Lenzen, und<br />

<strong>de</strong>r nationale Projektmanager <strong>de</strong>r<br />

Pisa-Studien, Manfred Prenzel,<br />

angehören. Ein politisches Ziel sei<br />

aber immerhin erreicht: Mütter sind<br />

heute wegen <strong>de</strong>r Entlastung bei<br />

<strong>de</strong>r Betreuung <strong>de</strong>s Nachwuchses<br />

häufiger berufstätig als früher.<br />

9


Nur zwei Prozent haben Anwesenheitspflicht<br />

Ganztagsschulen sind vor allem in<br />

<strong>de</strong>n neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn, Nordrhein-Westfalen,<br />

<strong>de</strong>m Saarland<br />

sowie in Berlin verbreitet. In Süd<strong>de</strong>utschland<br />

dominiert hingegen<br />

nach wie vor die Halbtagsschule.<br />

In <strong>de</strong>n meisten Schulen ist das<br />

Nachmittagsangebot freiwillig, und<br />

nur ein geringer Teil <strong>de</strong>r Aktivitäten<br />

nach <strong>de</strong>m Mittagsessen ist fachlicher<br />

Natur wie etwa spezielle För<strong>de</strong>rkurse<br />

in Deutsch, Hausaufgabenbetreuung<br />

o<strong>de</strong>r Nachhilfe. Oft<br />

han<strong>de</strong>lt es sich vielmehr um ergänzen<strong>de</strong><br />

Freizeit- und Sportangebote.<br />

Die Bildungsexperten monieren,<br />

dass im Grundschulbereich fast<br />

85 Prozent <strong>de</strong>r Ganztagsschulen<br />

in offener Form organisiert sind –<br />

es also <strong>de</strong>n Schülern freisteht, ob<br />

sie das Mittagsessen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

Nachmittagsangebote nutzen o<strong>de</strong>r<br />

nicht. Lediglich knapp zwei Prozent<br />

aller Grundschulen in Deutschland<br />

sind in voll gebun<strong>de</strong>ner Form<br />

organisiert, also mit Anwesenheitspflicht.<br />

Etwas beliebter ist die teilgebun<strong>de</strong>ne<br />

Form. Der Begriff Ganztagsschule<br />

ist hierzulan<strong>de</strong> ohnehin<br />

sehr weit gefasst und variiert von<br />

Bun<strong>de</strong>sland zu Bun<strong>de</strong>sland. Viele<br />

<strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Lehranstalten<br />

sind nur an einigen Wochentagen<br />

nachmittags geöffnet. Teilweise<br />

fin<strong>de</strong>t nach <strong>de</strong>m Mittagessen auch<br />

lediglich eine Betreuung statt, ohne<br />

fachbezogene Lernangebote etwa<br />

in Deutsch, Mathematik, Sachkun<strong>de</strong>unterricht,<br />

Sport o<strong>de</strong>r Musik.<br />

Quelle: Infografik Die Welt<br />

Mangeln<strong>de</strong> Verzahnung von Unterricht und Betreuung<br />

Die Wissenschaftler kritisieren, dass<br />

ein großer Teil <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r viele Angebote<br />

<strong>de</strong>r Schulen gar nicht nutzt. So<br />

nimmt beispielsweise die Hälfte <strong>de</strong>r<br />

Schüler an Ganztagsgrundschulen<br />

an <strong>de</strong>m warmen Mittagessen nicht<br />

teil. Ein Manko sei überdies die in<br />

<strong>de</strong>n meisten Instituten mangeln<strong>de</strong><br />

Verzahnung <strong>de</strong>s Schulunterrichts<br />

am Vormittag und <strong>de</strong>r inhaltlichen<br />

Gestaltung <strong>de</strong>s Nachmittags. So<br />

gäben 27 Prozent <strong>de</strong>r Schulleiter die<br />

10<br />

Verantwortung für die Organisation<br />

<strong>de</strong>s Nachmittagsbetriebs komplett<br />

in die Hän<strong>de</strong> von Schulvereinen o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Institutionen. Oft schrieben<br />

die Schulgesetze <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r für das<br />

am Nachmittag eingesetzte Personal<br />

überdies keinerlei Min<strong>de</strong>ststandards<br />

für die Qualifikation vor.<br />

Unter allen Viertklässlern bleibt<br />

lediglich je<strong>de</strong>r dritte min<strong>de</strong>stens drei<br />

Mal in <strong>de</strong>r Woche bis zum Nachmittag<br />

in <strong>de</strong>r Schule. Dabei lassen sich<br />

laut Studie kaum Unterschie<strong>de</strong> zwischen<br />

Ganztagsschulen und Halbtagsschulen<br />

feststellen, <strong>de</strong>nn auch<br />

Letztere böten heutzutage häufig<br />

Hausaufgabenbetreuung o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re Aktivitäten in <strong>de</strong>n Nachmittagsstun<strong>de</strong>n<br />

an. Be<strong>de</strong>nklich fin<strong>de</strong>n<br />

es die Bildungsforscher, dass die<br />

Teilnahme an Freizeitangeboten in<br />

<strong>de</strong>n offenen Ganztagsschulen <strong>de</strong>utlich<br />

beliebter ist als die fachlichen<br />

För<strong>de</strong>rangebote.


Wirtschaft dringt auf Qualitätsverbesserung<br />

Oftmals mei<strong>de</strong>n Ganztagsschüler<br />

sogar die Hausaufgabenbetreuung,<br />

obgleich diese in <strong>de</strong>r Regel für sie<br />

obligatorisch ist. Und so sei es kein<br />

Wun<strong>de</strong>r, dass alle bisher durchgeführten<br />

Leistungsvergleiche „keine<br />

Hinweise auf Zusammenhänge<br />

zwischen <strong>de</strong>m Ganztagsschulbesuch<br />

und <strong>de</strong>m Kompetenzerwerb<br />

in <strong>de</strong>n Domänen Leseverständnis,<br />

Mathematik und Naturwissenschaften<br />

erbrachten“, heißt es in<br />

<strong>de</strong>r Studie. Zu<strong>de</strong>m seien die Ganztagsschulen<br />

bislang nicht erfolgreicher<br />

dabei, die enge Koppelung<br />

zwischen sozialer Herkunft und<br />

Bildungserfolg zu verringern. Der<br />

vom Verband <strong>de</strong>r Bayerischen Wirtschaft<br />

(VBW) eingesetzte Aktionsrat<br />

Bildung plädiert <strong>de</strong>shalb dafür,<br />

stärker als bisher die gebun<strong>de</strong>ne<br />

Ganztagsschule zu för<strong>de</strong>rn. Als i<strong>de</strong>al<br />

gilt <strong>de</strong>n Experten das Konzept<br />

<strong>de</strong>r rhythmisierten Ganztagsschule,<br />

bei <strong>de</strong>m sich Fachunterricht und<br />

an<strong>de</strong>re Lern- und Freizeitphasen<br />

über <strong>de</strong>n ganzen Tag hinweg kindgerecht<br />

abwechseln. Diese Schulform<br />

sollte wie in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn<br />

auch in Deutschland zur Regel wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Wirtschaft dringt ebenfalls<br />

auf eine Qualitätsverbesserung bei<br />

<strong>de</strong>n Ganztagsschulen. VBW-Präsi<strong>de</strong>nt<br />

Alfred Gaffal for<strong>de</strong>rt: „Mit Blick<br />

auf die Fachkräftelücke müssen wir<br />

Bildungsbeteiligung und -qualität<br />

sowie die Partizipationsgerechtigkeit<br />

<strong>de</strong>r nachwachsen<strong>de</strong>n Generationen<br />

erhöhen.“<br />

welt.<strong>de</strong>, 06.11.2013<br />

Studierwahn in <strong>de</strong>r Bildungsrepublik?<br />

Der Drang nach <strong>de</strong>m Hochschulabschluss bringt es an <strong>de</strong>n Tag: Erstmals wer<strong>de</strong>n in diesem Jahr in Deutschland mehr<br />

junge Menschen neu ins Studium starten als eine Ausbildung im Betrieb aufnehmen. Rund 482 400 neue Lehrverträge<br />

zählen Industrie, Han<strong>de</strong>l, Handwerk und freie Berufe zum gesetzlichen Bilanzstichtag 30. September. Das sind<br />

20 500 o<strong>de</strong>r 4,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Universitäten und Fachhochschulen rechnen dagegen fest mit <strong>de</strong>r<br />

Neueinschreibung von etwa 500 000 Erstsemestern. Daraus entsteht gegenwärtig in <strong>de</strong>r „Bildungsrepublik Deutschland“<br />

eine Debatte, <strong>de</strong>ren wesentliche Aspekte wir hier mittels zweier, teilweise kontroverser Bekanntmachungen<br />

zusammenstellen.<br />

Große Besorgnis über drohen<strong>de</strong> Fehlsteuerung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Bildungssystems<br />

DPhV warnt vor <strong>de</strong>n Folgen einer Überaka<strong>de</strong>misierung<br />

Eva Hertzfeldt, Pressesprecherin<br />

Vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r Tatsache,<br />

dass in diesem Jahr zum ersten<br />

Mal in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

mehr Neueinschreibungen<br />

an Hochschulen (500 000)<br />

als neue Ausbildungsverträge (482<br />

000) zu verzeichnen waren, hat <strong>de</strong>r<br />

Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Deutschen<br />

Philologenverban<strong>de</strong>s, Heinz-Peter<br />

Meidinger, vor einer drohen<strong>de</strong>n<br />

Fehlsteuerung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Bildungswesens<br />

gewarnt. Diese Fehlsteuerung<br />

wer<strong>de</strong> dramatische Auswirkungen<br />

auf die künftigen Arbeitsmarktchancen<br />

von Jugendlichen<br />

und Hochschulabsolventen, die<br />

Qualität von Schulen und Hochschulen,<br />

die Zukunft <strong>de</strong>r weltweit hochgelobten<br />

dualen Ausbildung und<br />

damit das Wirtschaftswachstum und<br />

die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands<br />

generell haben, betonte <strong>de</strong>r<br />

Verbandsvorsitzen<strong>de</strong> in Berlin.<br />

In diesem Zusammenhang kritisierte<br />

Meidinger heftig die Kampagne<br />

<strong>de</strong>r OECD für eine „100-Prozent-<br />

Aka<strong>de</strong>miker-Gesellschaft“: „Die Be-<br />

hauptung von OECD-Bildungskoordinator<br />

Andreas Schleicher, ein aka<strong>de</strong>misches<br />

Studium erbringe für <strong>de</strong>n<br />

Betroffenen hohe Renditen stimmt<br />

zum Teil schon heute im Bereich<br />

von Geistes-, Sozial-, Kultur- und<br />

Sprachwissenschaften, aber auch<br />

bei vielen Architekten und Juristen<br />

nicht mehr. In einer nominellen Vollaka<strong>de</strong>mikergesellschaft<br />

wird <strong>de</strong>r<br />

Mehrwert sogar gegen Null tendieren.“<br />

Der DPhV-Vorsitzen<strong>de</strong> verwies darauf,<br />

dass nach aktuellen Studien<br />

bereits jetzt ein Drittel <strong>de</strong>r Hochschulabsolventen<br />

in nichttechnischen und<br />

nicht wirtschaftsnahen Fächern keine<br />

<strong>de</strong>m erworbenen Abschluss entsprechend<br />

adäquat bezahlte Stelle<br />

auf <strong>de</strong>m Arbeitsmarkt fin<strong>de</strong>. Während<br />

Bildungsökonomen <strong>de</strong>n volkswirtschaftlichen<br />

Scha<strong>de</strong>n durch fehlen<strong>de</strong><br />

Ingenieure auf Euro und Dollar<br />

ausgerechnet hätten, vermisse man<br />

eine entsprechen<strong>de</strong> Berechnung<br />

für die je<strong>de</strong>s Jahr größer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Bedarfslücke im Bereich von Facharbeiterinnen<br />

und Facharbeitern.<br />

„Es geht keinesfalls darum, generell<br />

vor <strong>de</strong>m Erwerb von Hochschulzugangsberechtigungen<br />

und <strong>de</strong>r Aufnahme<br />

eines Studiums zu warnen.<br />

Für viele berufliche Tätigkeiten bleibt<br />

ein wissenschaftliches Studium nach<br />

wie vor eine unbestrittene Notwendigkeit.<br />

Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite wird<br />

aber auch immer <strong>de</strong>utlicher, dass die<br />

Aka<strong>de</strong>misierung bisher nichtaka<strong>de</strong>mischer<br />

Berufsbil<strong>de</strong>r nicht selten<br />

wegen <strong>de</strong>s nun fehlen<strong>de</strong>n Praxisbezugs<br />

zu Qualitätsverlusten führt<br />

o<strong>de</strong>r bereits geführt hat! Lei<strong>de</strong>r steht<br />

bei immer mehr Hochschulzugangsberechtigten<br />

hinter <strong>de</strong>r Berechtigung<br />

keine ausreichen<strong>de</strong> Befähigung<br />

mehr, weil das Schielen <strong>de</strong>r Bildungspolitik<br />

auf Quoten die Qualitätsentwicklung<br />

vernachlässigt hat“,<br />

sagte Meidinger.<br />

Der Verbandschef for<strong>de</strong>rte eine Neubesinnung<br />

und eine offene und ehrliche<br />

gesellschaftliche Diskussion<br />

darüber, wie viele Hochschulabsolventen<br />

und Absolventen beruflicher<br />

Ausbildungsgänge unsere Gesellschaft<br />

in Zukunft braucht.<br />

Berlin, <strong>de</strong>n 25. November 2013<br />

11


Studium versus Lehre<br />

Was ist dran am „Aka<strong>de</strong>misierungswahn“?<br />

Der Trend zum Studium zeichnet<br />

sich seit Jahren ab. Er folgt einem<br />

Wan<strong>de</strong>l auch in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Beschäftigungsstruktur, auch wenn<br />

die aktuellen Studienanfängerzahlen<br />

in Folge <strong>de</strong>r doppelten Abiturientenjahrgänge<br />

das Bild ein wenig verzerren.<br />

Laut allen Arbeitsprognosen<br />

wer<strong>de</strong>n wissensbasierte Tätigkeiten<br />

künftig noch mehr zunehmen, produktionsnahe<br />

dagegen zurückgehen.<br />

Selbst konservative Bildungspolitiker,<br />

die früher nicht mü<strong>de</strong><br />

wur<strong>de</strong>n, vor einer drohen<strong>de</strong>n „Aka<strong>de</strong>mikerschwemme“<br />

und vor „gigantischer<br />

Fehlsteuerung“ zu warnen,<br />

räumen inzwischen ein, dass mit <strong>de</strong>n<br />

früheren dürftigen <strong>de</strong>utschen Hochschulabsolventen-Quoten<br />

<strong>de</strong>r heutige<br />

Erfolg <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wirtschaft<br />

kaum möglich gewesen wäre.<br />

Der OECD-Bildungsexperte Andreas<br />

Schleicher, <strong>de</strong>r seit Jahren für<br />

eine höhere Aka<strong>de</strong>miker-Quote<br />

in Deutschland wirbt, prognostiziert<br />

einen noch stärkeren Wan<strong>de</strong>l<br />

auf <strong>de</strong>m Arbeitsmarkt: Auf <strong>de</strong>r<br />

Wachstumsseite stün<strong>de</strong>n noch<br />

mehr anspruchsvolle Tätigkeiten,<br />

die Problemlösungskompetenz und<br />

Abstraktionsvermögen erfor<strong>de</strong>rten<br />

– während sich einfache Technik-<br />

Arbeiten weiter automatisieren ließen.<br />

Dabei hätten Jobs wie Friseur o<strong>de</strong>r<br />

Taxifahrer in Zukunft noch Bestand,<br />

weil sie nicht einfach in Billiglohnlän<strong>de</strong>r<br />

ausgelagert wer<strong>de</strong>n könnten.<br />

Die größte Gefahr sieht Schleicher<br />

hingegen für einfache Büroberufe<br />

und Dienstleistungen, die sich noch<br />

stärker als heute digitalisieren ließen.<br />

In <strong>de</strong>r Verwaltung drohe eine zweite<br />

technische Revolution, so <strong>de</strong>r Bildungsexperte<br />

<strong>de</strong>r Organisation für<br />

wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />

Entwicklung (OECD/Paris). Gleichwohl<br />

haben <strong>de</strong>r anhalten<strong>de</strong> Run auf<br />

die Hochschulen und die zugleich<br />

sinken<strong>de</strong> Zahl <strong>de</strong>r neuen Lehrverträge<br />

in <strong>de</strong>r beruflichen Bildung eine<br />

neue Debatte über einen „Aka<strong>de</strong>misierungswahn“<br />

ausgelöst. Der<br />

SPD-Philosoph Julian Nida-Rümelin<br />

sieht durch die steigen<strong>de</strong>n Stu<strong>de</strong>ntenzahlen<br />

gar „die größte Stärke<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Bildungstradition“ in<br />

Gefahr – nämlich die Verbindung von<br />

staatlicher Bildung in <strong>de</strong>r Berufsschule<br />

und beruflicher Ausbildung<br />

im Betrieb, schrieb Nida-Rümelin<br />

unlängst in <strong>de</strong>r „Frankfurter Allgemeinen<br />

Sonntagszeitung“.<br />

Der frühere SPD-Bildungsminister<br />

Klaus von Dohnanyi legte in <strong>de</strong>r<br />

„Süd<strong>de</strong>utschen Zeitung“ nach. Er<br />

warnte davor, in <strong>de</strong>r Aufnahme eines<br />

handwerklichen Berufs einen „Bildungsabstieg“<br />

zu sehen. Schließlich<br />

sei seine Tochter auch erfolgreiche<br />

Goldschmiedin in Florenz, meinte<br />

<strong>de</strong>r 85-Jährige.<br />

Studium versus Lehre ein wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong>s Thema<br />

Ob nun so ausgefallene Beispiele<br />

wie eine <strong>de</strong>utsche Goldschmiedin<br />

in Florenz o<strong>de</strong>r ein Optiker mit<br />

eigenem Geschäft ausreichen, die<br />

Sorgen vieler Eltern vor sozialem<br />

Bildungsabstieg ihrer Kin<strong>de</strong>r zu<br />

zerstreuen, mag dahin gestellt bleiben.<br />

Dass diese Ängste vor allem<br />

bei aka<strong>de</strong>misch gebil<strong>de</strong>ten Eltern<br />

vorhan<strong>de</strong>n sind, ist laut <strong>de</strong>r Sozialwissenschaftlerin<br />

Jutta Allmendinger<br />

hingegen nicht zu leugnen.<br />

Nicht nur die klingen<strong>de</strong>n Kassen bei<br />

kommerziellen Nachhilfeinstituten<br />

belegen diese These.<br />

Wer die Debatte Studium versus<br />

Lehre schon etwas länger verfolgt,<br />

fühlt sich an die i<strong>de</strong>ologiebehafteten<br />

Bildungskämpfe <strong>de</strong>r 1980er<br />

und 90er Jahre erinnert. Doch die<br />

damals vor allem von Bildungspolitikern<br />

<strong>de</strong>r Union gern benutzte<br />

Schreckensvision einer „Aka<strong>de</strong>mikerschwemme“<br />

und <strong>de</strong>s „Taxifahren<strong>de</strong>n<br />

Dr. Arbeitslos“ blieb eine<br />

Stammtisch-Fiktion.<br />

Für keines dieser Horror-Szenarien<br />

gab es auf <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Arbeitsmarkt<br />

einen Beleg. Haften blieb bei<br />

diesen Kampagnen zu<strong>de</strong>m ein fa<strong>de</strong>r<br />

Beigeschmack: Während immer die<br />

An<strong>de</strong>ren ihre Kin<strong>de</strong>r doch bitte wie<strong>de</strong>r<br />

in Hauptschule und Lehre schicken<br />

sollten, beanspruchte man für<br />

<strong>de</strong>n eigenen Nachwuchs selbstverständlich<br />

einen Platz in Gymnasium<br />

und Universität.<br />

Heute haben die jungen Menschen<br />

wie <strong>de</strong>ren Eltern bei ihrer Entscheidung<br />

für Studium o<strong>de</strong>r berufliche<br />

Bildung meist ganz praktische<br />

Erwägungen im Blick: So ist die<br />

Arbeitslosenquote von Hochschulabsolventen<br />

in Deutschland mit 2,4<br />

Prozent erheblich niedriger als die<br />

von betrieblich ausgebil<strong>de</strong>ten Fachkräften<br />

(5,8 Prozent). Und: Aka<strong>de</strong>miker<br />

verdienten 2011 hierzulan<strong>de</strong><br />

fast zwei Drittel mehr als Absolventen<br />

einer Lehre – selbst wenn<br />

solche Durchschnittswerte kaschieren,<br />

dass zwischen aka<strong>de</strong>mischen<br />

Berufsgruppen wie Ärzten, Juristen<br />

und Naturwissenschaftlern auf <strong>de</strong>r<br />

einen Seite sowie Lehrern, Sozialarbeitern<br />

und einer großen Zahl nicht<br />

adäquat beschäftigter o<strong>de</strong>r gar<br />

arbeitsloser Geisteswissenschaftler<br />

ein großes Einkommensgefälle<br />

klafft.<br />

Hauptziel: Bildungspotenziale besser ausschöpfen<br />

Der Chef <strong>de</strong>s Nürnberger Instituts<br />

für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />

(IAB), Joachim Möller, warnt<br />

davor, Studium und Lehre gegeneinan<strong>de</strong>r<br />

auszuspielen. Statt „Scheinprobleme<br />

wie einen angeblichen<br />

12<br />

Aka<strong>de</strong>misierungswahn“ zu erörtern,<br />

müssten Bildungspotenziale<br />

besser ausgeschöpft und möglichst<br />

viele <strong>de</strong>r völlig ungelernten 1,5 Millionen<br />

Erwachsenen zwischen 20<br />

und 30 Jahren nachträglich in eine<br />

Ausbildung vermittelt wer<strong>de</strong>n, sagte<br />

Möller <strong>de</strong>r Zeitschrift „Forschung &<br />

Lehre“ <strong>de</strong>s Deutschen Hochschulverban<strong>de</strong>s.<br />

Folgt man <strong>de</strong>n jährlichen Berufsbildungsberichten,<br />

dann ist das


Lehrstellenangebot <strong>de</strong>r Wirtschaft<br />

seit Jahren rückläufig – wie auch<br />

die Zahl <strong>de</strong>r sich an <strong>de</strong>r Ausbildung<br />

beteiligen<strong>de</strong>n Unternehmen.<br />

Darin hat auch <strong>de</strong>r 2014 auslaufen<strong>de</strong><br />

Ausbildungspakt von Bun<strong>de</strong>sregierung,<br />

Wirtschaftsverbän<strong>de</strong>n,<br />

Kultusministerkonferenz (KMK)<br />

und Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit (BA)<br />

unter <strong>de</strong>m Strich wenig verän<strong>de</strong>rt.<br />

Zwar wur<strong>de</strong>n Jahr für Jahr erfolgreich<br />

neue Betriebe für die Ausbildung<br />

gewonnen. Doch gleichzeitig<br />

mel<strong>de</strong>ten sich min<strong>de</strong>stens genauso<br />

so viel aus <strong>de</strong>m Kreis <strong>de</strong>r ausbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Unternehmen wie<strong>de</strong>r ab. Von<br />

<strong>de</strong>n insgesamt 2,1 Millionen Firmen<br />

stellten im vergangenen Jahr<br />

nur noch 21,7 Prozent neue Lehrlinge<br />

ein.<br />

Dabei mangelt es allen Klagen aus<br />

<strong>de</strong>r Wirtschaft zum Trotz wirklich<br />

nicht an Lehrstellenbewerbern –<br />

wenn auch zwischen <strong>de</strong>n Berufswünschen<br />

und Erwartungen <strong>de</strong>r<br />

jungen Menschen und <strong>de</strong>n Qualifikationsanfor<strong>de</strong>rungen<br />

<strong>de</strong>r Betriebe<br />

bisweilen Welten klaffen.<br />

Den insgesamt 561 200 Bewerbern<br />

um eine Lehrstelle stan<strong>de</strong>n im abgelaufenen<br />

Berufsberatungsjahr <strong>de</strong>r<br />

Bun<strong>de</strong>sagentur 504 500 gemel<strong>de</strong>te<br />

Stellen gegenüber. Auf eine betriebliche<br />

Stelle kamen 1,19 gemel<strong>de</strong>te<br />

Bewerber (Vorjahr 1,17). Der Anteil<br />

<strong>de</strong>r Bewerber, die mit Hilfe <strong>de</strong>r BA in<br />

eine Ausbildung eingemün<strong>de</strong>t sind,<br />

lag mit 52 Prozent leicht unter <strong>de</strong>m<br />

Niveau <strong>de</strong>s Vorjahres (54 Prozent).<br />

In ungeför<strong>de</strong>rte Ausbildung mün<strong>de</strong>ten<br />

45 Prozent <strong>de</strong>r BA-Bewerber ein<br />

(Vorjahr 47 Prozent).<br />

Nach Definition <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts<br />

kann erst dann von<br />

einem ausgeglichenen Lehrstellenmarkt<br />

gesprochen wer<strong>de</strong>n, wenn<br />

auf 100 Bewerbern 125 Stellenangebote<br />

kommen.<br />

Mo<strong>de</strong>rne Arbeitswelt stellt höhere Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

Je<strong>de</strong>r vierte neu eingestellte Lehrling<br />

hat heute Abitur, zugleich ist<br />

fast je<strong>de</strong>r zweite Ausbildungsberuf<br />

Haupt- und Realschülern faktisch<br />

verschlossen, wie bereits <strong>de</strong>r nationale<br />

Bildungsbericht 2010 darlegte.<br />

Wegen <strong>de</strong>r vielen nötigen<br />

Nachqualifizierungen und ergebnislosen<br />

Bewerbungen sind Hauptschulabsolventen<br />

beim Ersteintritt in<br />

eine Lehre nach Berechnungen <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>sinstituts für Berufsbildung<br />

inzwischen im Schnitt 19,2 Jahre alt.<br />

Die Ansprüche und Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

auf <strong>de</strong>m Arbeitsmarkt sind heute<br />

<strong>de</strong>utlich größer gewor<strong>de</strong>n, und das<br />

<strong>de</strong>utsche Schulsystem hat mit dieser<br />

Entwicklung offenbar nicht mithalten<br />

können. Die jahrzehntelang<br />

zunächst ergebnislos gebliebenen<br />

Beteuerungen <strong>de</strong>r Kultusminister,<br />

die Zahl <strong>de</strong>r Schulabbrecher <strong>de</strong>utlich<br />

zu reduzieren, <strong>de</strong>r Kampf auch<br />

<strong>de</strong>r Kammern gegen ein zehntes<br />

Pflichtschuljahr für Alle wie auch<br />

das viel zu lange Festhalten von<br />

Unions-Bildungspolitikern an ihrem<br />

„schulpolitischem Leitmo<strong>de</strong>ll Hauptschule“<br />

hat aus Sicht von Bildungsforschern<br />

die Diskrepanz zwischen<br />

<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Wirtschaft<br />

und <strong>de</strong>r tatsächlichen Qualifikation<br />

<strong>de</strong>r Schulabgänger zusätzlich verschärft.<br />

Karl-Heinz Reith (dpa-Dossier Bildung<br />

Forschung Nr. 45/2013, 04.<br />

November 2013)<br />

Der berufspolitische Ausschuss informiert<br />

Rentenrichtlinie (RRL) für Tarifbeschäftigte wur<strong>de</strong> verlängert<br />

Für Tarifbeschäftigte <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s<br />

Sachsen-Anhalt mit mehr als 10<br />

Dienstjahren und die nicht nach<br />

Altersteilzeittarifvertrag beschäftigt<br />

sind, wur<strong>de</strong> die Rentenrichtlinie (teilweiser<br />

Nachteilsausgleich bei vorzeitiger<br />

Altersrente) auf die Geburtsjahrgänge<br />

von 1951-1953 ausgeweitet<br />

(bei Rente mit 63 Rentenmin<strong>de</strong>rung<br />

um 8,7 %, 9,0 % bzw. 9,3 %).<br />

Der Eintritt in die Rente erfolgt zum<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Schulhalbjahres nach <strong>de</strong>m<br />

63. Geburtstag (01.02. o<strong>de</strong>r 01.08.).<br />

Bei vorzeitiger Altersrente (Auskunft<br />

durch Rentenversicherungsträger)<br />

gleicht <strong>de</strong>r Arbeitgeber anfallen<strong>de</strong><br />

Rentenabschläge nach § 187a<br />

SGB VI aus. Eventuelle Steuernachteile<br />

bei Ausgleichszahlung wer<strong>de</strong>n<br />

durch eine Abfindung (§ 3, RRL)<br />

abgefe<strong>de</strong>rt. Eine Rentenmin<strong>de</strong>rung<br />

auf Grund fehlen<strong>de</strong>r Beitragszeiten<br />

sowie Abschläge bei <strong>de</strong>r Betriebsrente<br />

(VBL) von 0,4 % pro Monat<br />

wer<strong>de</strong>n nicht ausgeglichen.<br />

Der Beendigung <strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses<br />

nach Einzelfallprüfung<br />

könnten lt. Richtlinie personalwirtschaftliche<br />

o<strong>de</strong>r dienstliche Belange<br />

entgegenstehen. Bei Fragen sollte<br />

man sich an seine gewerkschaftlichen<br />

Vertreter sowie das Lan<strong>de</strong>sschulamt<br />

wen<strong>de</strong>n.<br />

Ihre kompetente Interessenvertretung<br />

13


Schöne neue Arbeitswelt<br />

M wie Mobbing<br />

Was sich unter Schülerinnen und Schülern meist im virtuellen Raum abspielt, tritt in <strong>de</strong>r Arbeitswelt ganz konkret,<br />

aber auch wenig fassbar auf: Mobbing. Wie entsteht dieses Phänomen und wie kann man sich dagegen schützen?<br />

Kaum ein Problem <strong>de</strong>r Arbeitswelt<br />

ist schlimmer: Mobbing. Obwohl<br />

Mobbing ins Deutsche übersetzt<br />

soviel wie „pöbeln“ be<strong>de</strong>utet,<br />

umschreibt <strong>de</strong>r Begriff „Psychoterror<br />

am Arbeitsplatz“ wohl eher, um<br />

was es geht. Die Psychoterroristen<br />

stellen Kolleginnen und Kollegen<br />

bloß, grenzen aus, bespitzeln und<br />

erpressen. Mobberinnen bevorzugen<br />

eher Handlungen, die das Ansehen<br />

<strong>de</strong>s Opfers verletzen. Da wird<br />

hinter <strong>de</strong>m Rücken schlecht gesprochen,<br />

es wer<strong>de</strong>n Gerüchte verbreitet<br />

o<strong>de</strong>r An<strong>de</strong>utungen gemacht. Männer<br />

mobben eher durch eine systematische<br />

Zerstörung <strong>de</strong>s Opfers.<br />

Sie machen Druck durch mündliche<br />

Drohungen, sie isolieren das<br />

Opfer an seinem Arbeitsplatz und<br />

übertragen nur noch min<strong>de</strong>rwertige<br />

Arbeiten o<strong>de</strong>r behan<strong>de</strong>ln das Opfer<br />

einfach wie Luft. Auch sexuelle Belästigungen<br />

wer<strong>de</strong>n begangen.<br />

Wer mobbt eigentlich wen?<br />

Umfragen haben ergeben, dass sich<br />

zu 44 Prozent die Kollegen untereinan<strong>de</strong>r<br />

mobben. Dabei ist die Variante,<br />

dass sich eine ganze Gruppe<br />

gegen ein Opfer verschworen hat<br />

am häufigsten anzutreffen. Zu 37<br />

Prozent mobben die Vorgesetzten<br />

ihre Untergebenen, in 10 Prozent<br />

<strong>de</strong>r Fälle mobben Kollegen und Vorgesetzte<br />

gemeinsam und in 9 Prozent<br />

mobben Untergebene ihren<br />

Vorgesetzten. Das wird dann auch<br />

als Bossing bezeichnet. Es können<br />

vier Mobbing-Phasen unterschie<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n. Es beginnt im Regelfall mit<br />

einzelnen Unverschämtheiten und<br />

Gemeinheiten. Das steigert sich in<br />

<strong>de</strong>r zweiten Phase zu Psychoterror,<br />

<strong>de</strong>r dann von Rechtsbrüchen<br />

durch Über- und Fehlgriffe <strong>de</strong>r Personalverwaltung<br />

abgelöst wird. In<br />

<strong>de</strong>r vierten Phase ist <strong>de</strong>r Betroffene<br />

letztlich ganz aus <strong>de</strong>r Arbeitswelt<br />

ausgeschlossen – je nach Lei<strong>de</strong>nsfähigkeit<br />

<strong>de</strong>s Opfers durch Versetzung,<br />

Krankheit, Frührente o<strong>de</strong>r<br />

Selbstmord.<br />

Die Ursachen<br />

Es gibt keine klassische Mobbing-Ursache,<br />

son<strong>de</strong>rn es ist das<br />

Zusammenspiel verschie<strong>de</strong>ner<br />

Faktoren. Da gibt es Hierarchie-<br />

Probleme, wodurch eigene Kreativität<br />

und eigene Meinungen auf<br />

<strong>de</strong>m Weg nach „Oben“ verschluckt<br />

wer<strong>de</strong>n. Oft sind Personalführungsprobleme<br />

eine Ursache, weil<br />

die Vorgesetzten für ihre Aufgabe<br />

nicht ausreichend qualifiziert sind.<br />

Innerhalb eines Teams kann es zu<br />

Spannungen kommen, weil es keine<br />

Regeln dafür gibt, wie mit Konflikten<br />

umzugehen ist. So wer<strong>de</strong>n<br />

Spannungen aufgebaut, die sich<br />

dann irgendwann in Mobbing entla<strong>de</strong>n.<br />

Dabei wird in <strong>de</strong>r überwiegen<strong>de</strong>n<br />

Zahl <strong>de</strong>r Fälle eine Person<br />

ausgeguckt, die dann zum Sün<strong>de</strong>nbock<br />

abgestempelt wird. Als<br />

weiterer Nährbo<strong>de</strong>n für Mobbing<br />

dient – nach <strong>de</strong>m Motto: „Je<strong>de</strong>r<br />

ist sich selbst <strong>de</strong>r Nächste!“ - eine<br />

wirtschaftliche Krisensituation <strong>de</strong>s<br />

Arbeitgebers, vor allem wenn Stellenstreichungen<br />

drohen.<br />

Beliebte Mobbing-Attacken:<br />

• Ständige Unterbrechungen <strong>de</strong>s Opfers<br />

• Lächerlichmachen <strong>de</strong>s Opfers<br />

• Zuteilung von Arbeitsaufgaben weit unterhalb <strong>de</strong>s<br />

Könnens<br />

• Infragestellung von Entscheidungen<br />

• Einschränken von Äußerungsmöglichkeiten durch<br />

Vorgesetzte<br />

• Verbreiten von Gerüchten<br />

• Falsche o<strong>de</strong>r kränken<strong>de</strong> Beurteilungen <strong>de</strong>r Arbeitsleistung<br />

• Kontaktverweigerungen durch An<strong>de</strong>utungen<br />

• Abwerten<strong>de</strong> Blicke o<strong>de</strong>r Gesten<br />

• Hinter <strong>de</strong>m Rücken schlecht über jeman<strong>de</strong>n<br />

sprechen<br />

Die Folgen<br />

Natürlich haben vor allem die Opfer<br />

von Mobbing-Attacken unter <strong>de</strong>n<br />

Folgen zu lei<strong>de</strong>n. Sie bekommen psychische<br />

Probleme, wie Depressionen<br />

14<br />

und Stressverhalten, sie erlei<strong>de</strong>n<br />

Nervenzusammenbrüche die bis zu<br />

Selbstmordversuchen führen. Aber<br />

auch Migräne o<strong>de</strong>r Kreislaufprobleme<br />

sind typische Mobbing-Krankheiten.<br />

Durch Mobbing entstehen auch hohe<br />

Kosten für die Arbeitgeber. So gehen<br />

etwa 0,2 Prozent <strong>de</strong>r Jahresarbeits-


zeit in Deutschland durch die direkt<br />

am Konflikt Beteiligten verloren. Das<br />

sind über 4 Millionen Arbeitszeitstun<strong>de</strong>n<br />

jährlich. Mobbing führt weiter<br />

Strategien gegen Mobbing<br />

Ein offener und freundlicher Umgangston<br />

ohne Ängste unter Kolleginnen<br />

und Kollegen ist eine soli<strong>de</strong><br />

Basis, damit Mobbing erst gar nicht<br />

entstehen kann. Der Einsatz von Vertrauenspersonen<br />

o<strong>de</strong>r auch Schlichtern<br />

hilft (potentiellen) Opfern, da sie<br />

damit eine Anlaufstelle erhalten und<br />

nicht auf sich allein gestellt bleiben.<br />

Für diese Positionen eignen sich<br />

zu Motivationsstörungen, da alle<br />

Energie in die Mobbing-Aktivitäten<br />

gesteckt wird. Darunter lei<strong>de</strong>t letztlich<br />

die Arbeitsqualität. Die Opfer <strong>de</strong>r<br />

beson<strong>de</strong>rs Vertreter <strong>de</strong>s Betriebso<strong>de</strong>r<br />

Personalrats. Sie genießen das<br />

Vertrauen <strong>de</strong>r Mitarbeiter. Auch eine<br />

Mediatorenausbildung kann hilfreich<br />

sein. Von vielen Stellen – vor allem<br />

auch von <strong>de</strong>n Gewerkschaften –<br />

wer<strong>de</strong>n Schulungen für Mitarbeiter<br />

und Betriebs- beziehungsweise<br />

Personalräte angeboten, in <strong>de</strong>nen<br />

Prävention und Problembewältigung<br />

Mobbing-Attacken schwächen diese<br />

weiter, da sie häufiger krank sind und<br />

es dadurch zu erheblichen Fehlzeiten<br />

kommt.<br />

gelehrt wer<strong>de</strong>n. Das Einberufen von<br />

Betriebsversammlungen, auf <strong>de</strong>nen<br />

Mobbing thematisiert wird, schafft<br />

eine breite Öffentlichkeit und sensibilisiert<br />

die Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter für dieses Problem.<br />

Für Mobbing-Opfer gibt es zu<strong>de</strong>m<br />

in ganz Deutschland Selbsthilfegruppen<br />

und -vereine, die ihre Hilfe<br />

anbieten.<br />

Rechtliches<br />

Die Betriebs- und Personalräte<br />

können verlangen, dass Mobberinnen<br />

o<strong>de</strong>r Mobber versetzt o<strong>de</strong>r<br />

in Extremfällen auch entlassen wer<strong>de</strong>n.<br />

Sie können aber in je<strong>de</strong>m Fall<br />

auf Abmahnungen hinwirken. Der<br />

Begriff Mobbing taucht im <strong>de</strong>utschen<br />

Strafgesetzbuch nicht auf.<br />

Bestraft wer<strong>de</strong>n können jedoch<br />

einzelne Mobbinghandlungen, wie<br />

Beleidigungen, Verleumdungen,<br />

üble Nachre<strong>de</strong>n und natürlich auch<br />

Körperverletzungen sowie sexuelle<br />

Übergriffe. Da nach <strong>de</strong>m Grundgesetz<br />

die persönliche Entfaltung<br />

und Freiheit geschützt ist, können<br />

sich bei seelischen und körperlichen<br />

Folgen auch Schmerzensgeldansprüche<br />

gegen die Mobberin<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Mobber ergeben. Im<br />

Übrigen hat <strong>de</strong>r Arbeitgeber aus<br />

<strong>de</strong>m Arbeitsvertrag eine Fürsorgepflicht,<br />

nach <strong>de</strong>r es eigentlich erst<br />

gar nicht zu Mobbing kommen<br />

dürfte. Da jedoch immer das Opfer<br />

beweisen muss, dass es Mobbing-<br />

Attacken ausgesetzt ist, empfiehlt<br />

sich das Erstellen eines Mobbingtagebuchs.<br />

In dieses Tagebuch wird<br />

unter <strong>de</strong>m jeweiligen Datum und<br />

<strong>de</strong>r Uhrzeit eingetragen, wer was<br />

getan hat und welche persönlichen<br />

Folgen (zum Beispiel Unsicherheit,<br />

Verzweiflung) daraus entstan<strong>de</strong>n<br />

sind. Solch ein Tagebuch erleichtert<br />

in einem eventuell notwendigen<br />

Prozess ganz erheblich <strong>de</strong>n notwendigen<br />

substantiierten Vortrag.<br />

Quelle: tacheles 9/2013<br />

Neue Elterngeld- und Elternzeitbroschüre für Beschäftigte im öffentlichen Dienst<br />

Die staatliche Lohnersatzleistung<br />

ermöglicht es Eltern, ohne Angst<br />

vor finanziellen Engpässen für einige<br />

Zeit aus <strong>de</strong>m Berufsleben auszusteigen,<br />

um gemeinsam für das<br />

Neugeborene da sein zu können.<br />

Damit sich wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Eltern nicht im<br />

Paragrafendschungel <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>selterngeld-<br />

und Elternzeitgesetzes<br />

(BEEG) verirren, hat die dbb bun<strong>de</strong>sfrauenvertretung<br />

einen handlichen<br />

Ratgeber erstellt, <strong>de</strong>r die<br />

wichtigsten Fragen zum Thema<br />

Elterngeld und Elternzeit beantwortet<br />

– zugeschnitten auf die<br />

Beschäftigungsbedingungen im<br />

öffentlichen Dienst. Die aktualisierte<br />

18. Auflage <strong>de</strong>s Eltern-Ratgebers<br />

beantwortet alle zentralen Fragen<br />

rund um Elterngeld und Elternzeit<br />

– von <strong>de</strong>r Planung bis zur Antragstellung<br />

und zur bis Juli 2013 neu<br />

ergangenen Rechtsprechung. Die<br />

Broschüre „Elterngeld/Elternzeit –<br />

Ratgeber für Beschäftige im öffentlichen<br />

Dienst“ steht als Download<br />

unter http://www.dbb.<strong>de</strong>/ueberuns/frauen/publikationen/broschuere-elterngeld.html<br />

zur Verfügung.<br />

15


Philologenverband zum Verzicht auf Klassenfahrten an hannoverschen Gymnasien: „Akt <strong>de</strong>r Notwehr“<br />

Rot-grüne Regierung verantwortlich<br />

Bitte an Eltern und Schüler um Verständnis für die Situation <strong>de</strong>r Lehrkräfte – Philologenverband for<strong>de</strong>rt umgehend<br />

objektive Untersuchung <strong>de</strong>r Lehrerarbeitszeit<br />

„Akt <strong>de</strong>r Notwehr!“<br />

Horst Audritz, Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

Philologenverban<strong>de</strong>s Nie<strong>de</strong>rsachsen<br />

Als einen Akt <strong>de</strong>r Notwehr von Lehrerinnen<br />

und Lehrern, die die ständig<br />

steigen<strong>de</strong>n beruflichen Belastungen<br />

nicht mehr hinnehmen können und<br />

wollen, hat <strong>de</strong>r Philologenverband<br />

Nie<strong>de</strong>rsachsen die Absicht vieler<br />

hannoverscher Gymnasien bezeichnet,<br />

als Reaktion auf die Arbeitszeiterhöhung<br />

<strong>de</strong>r rot-grünen Lan<strong>de</strong>sregierung<br />

keine Klassenfahrten mehr<br />

durchzuführen. Die Verantwortung<br />

für diese Beschlüsse falle auf die<br />

für die Arbeitszeiterhöhung verantwortlichen<br />

Politiker zurück, erklärte<br />

<strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Philologenverban<strong>de</strong>s,<br />

Horst Audritz. Er appellierte<br />

an Eltern und Schüler, für die<br />

Situation <strong>de</strong>r Lehrkräfte Verständnis<br />

aufzubringen: „Unsere Lehrerinnen<br />

und Lehrer wollen einfach nur guten<br />

Unterricht machen und ihre erzieherischen<br />

Aufgaben gut wahrnehmen,<br />

woran sie jedoch durch ein<br />

Übermaß ständig steigern<strong>de</strong>r Belastungen<br />

gehin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.“<br />

Der jüngste rot-grüne Kabinettsbeschluss<br />

mit einer Arbeitszeiterhöhung<br />

am Gymnasium um 2 Stun<strong>de</strong>n,<br />

für Lehrer ab 55 Jahre sogar<br />

um 4 Stun<strong>de</strong>n bringe nun das Fass<br />

vollends zum Überlaufen. Vor 60<br />

Jahren, so Audritz weiter, habe die<br />

Arbeitszeit im öffentlichen Dienst 54<br />

Stun<strong>de</strong>n pro Woche betragen, die<br />

Unterrichtsverpflichtung <strong>de</strong>r Gymnasiallehrer<br />

25 Stun<strong>de</strong>n. Jetzt arbeite<br />

<strong>de</strong>r öffentliche Dienst 40 Stun<strong>de</strong>n,<br />

die Lehrer an Gymnasien sollten<br />

künftig 24,5 Stun<strong>de</strong>n pro Woche<br />

unterrichten. Dabei seien Vorbereitung<br />

und Durchführung <strong>de</strong>s Unterrichts<br />

aufgrund <strong>de</strong>r Kompetenzorientierung<br />

und an<strong>de</strong>rer Auflagen<br />

heute <strong>de</strong>utlich aufwendiger und<br />

zu<strong>de</strong>m die außerunterrichtlichen<br />

Belastungen insbeson<strong>de</strong>re durch<br />

die Einführung <strong>de</strong>r Eigenverantwortlichen<br />

Schule enorm gestiegen.<br />

Jüngste Äußerungen von Politikern<br />

aus <strong>de</strong>m Regierungslager zeigten,<br />

dass die <strong>de</strong>rzeitigen Entscheidungsträger<br />

von <strong>de</strong>r tatsächlichen Situation<br />

an <strong>de</strong>n Schulen und <strong>de</strong>r realen<br />

Arbeitsbelastung <strong>de</strong>r Lehrer offensichtlich<br />

„keinen blassen Schimmer“<br />

hätten. Teilweise wer<strong>de</strong> sogar<br />

gezielt das üble Klischee von <strong>de</strong>n<br />

„faulen Säcken“ bedient, wie kürzlich<br />

von Abgeordneten von SPD und<br />

Grünen in Em<strong>de</strong>n. Gera<strong>de</strong>zu <strong>de</strong>magogisch<br />

sei aber die Gleichsetzung<br />

von wöchentlicher Unterrichtsverpflichtung<br />

und Gesamtarbeitszeit,<br />

wie das <strong>de</strong>r Sprecher <strong>de</strong>s Kultusministeriums<br />

in seinen Verlautbarungen<br />

tue.<br />

PHILOLOGENVERBAND<br />

SACHSEN-ANHALT<br />

parteipolitisch<br />

unabhängig<br />

Interessenvertreter<br />

<strong>de</strong>r Lehrerschaft an<br />

Gymnasien<br />

offen für alle, die sich<br />

zum mehr gliedrigen<br />

Schulsystem bekennen<br />

Schon vor Jahren hätten zwei von<br />

<strong>de</strong>r KMK und <strong>de</strong>r NRW-Lan<strong>de</strong>sregierung<br />

in Auftrag gegebene<br />

Arbeitszeituntersuchungen ergeben,<br />

dass die Gymnasiallehrer zwar<br />

eine niedrigere Unterrichtsverpflichtung,<br />

aber die höchste Gesamtarbeitszeit<br />

aller Lehrergruppen hätten.<br />

Die Arbeitszeit <strong>de</strong>r Lehrer an Gymnasien<br />

habe im Jahresdurchschnitt<br />

bereits damals bei 46 Stun<strong>de</strong>n pro<br />

Woche gelegen. Dies belege <strong>de</strong>utlich,<br />

dass schon damals eine Unterrichtsstun<strong>de</strong><br />

am Gymnasium einer<br />

Arbeitszeit von zwei Stun<strong>de</strong>n entsprochen<br />

habe.<br />

Angesichts <strong>de</strong>r sich zuspitzen<strong>de</strong>n<br />

Konfrontation zwischen Lehrerschaft<br />

und Lan<strong>de</strong>sregierung for<strong>de</strong>rte<br />

Audritz eine umfassen<strong>de</strong> empirischwissenschaftliche<br />

Untersuchung<br />

<strong>de</strong>r tatsächlichen Arbeitszeit <strong>de</strong>r<br />

Lehrer durch ein unabhängiges<br />

Institut. Damit könne die Diskussion<br />

versachlicht und eine gerechte<br />

Lösung herbeigeführt wer<strong>de</strong>n. „Wir<br />

wer<strong>de</strong>n diese For<strong>de</strong>rung massiv an<br />

die Lan<strong>de</strong>sregierung herantragen“,<br />

unterstrich Audritz. Bis zum Vorliegen<br />

<strong>de</strong>r Ergebnisse dürfe es allerdings<br />

keine Arbeitszeiterhöhung für<br />

Lehrer geben.<br />

Audritz brachte sogar ein „revolutionäres<br />

Arbeitszeitmo<strong>de</strong>ll“ ins Spiel,<br />

das die Diskussion über die Lehrerarbeitszeit<br />

ein für allemal been<strong>de</strong>n<br />

wür<strong>de</strong>. Einige Lehrer seiner Organisation<br />

hätten vorgeschlagen, die<br />

gesamte Arbeitszeit in <strong>de</strong>r Schule<br />

abzuleisten. Sämtliche Dienstverpflichtungen<br />

wären <strong>de</strong>mzufolge z. B.<br />

zwischen 7.30 Uhr und 17.00 Uhr<br />

zu erledigen. Was in dieser Zeit nicht<br />

zu schaffen sei, bleibe liegen, nächtliche<br />

Unterrichtsvorbereitungen<br />

und Korrekturen am Wochenen<strong>de</strong><br />

und vieles an<strong>de</strong>re Mehr gäbe es<br />

dann nicht mehr. Damit, so Audritz,<br />

gäbe es wie im gesamten öffentlichen<br />

Dienst die gesetzlich festgeschriebene<br />

40-Stun<strong>de</strong>n-Woche<br />

endlich auch für Lehrer, und niemand<br />

könnte mehr von <strong>de</strong>n „faulen<br />

Säcken“ sprechen.<br />

16


Fachgewerkschaft <strong>de</strong>r Gymnasiallehrerinnen und –lehrer in Sachsen-Anhalt<br />

Än<strong>de</strong>rungsmitteilung .....................................................................................................<br />

Name o<strong>de</strong>r Mitgliedsnummer<br />

betrifft:<br />

Namensän<strong>de</strong>rung<br />

..................................................................................... aka<strong>de</strong>mischer Grad ....................................<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Wohnadresse/Rufnummer/Emailadresse<br />

..........................................................................................................................................................<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Arbeitsstelle<br />

..........................................................................................................................................................<br />

Än<strong>de</strong>rung Funktionsstelle<br />

.........................................................................................................................................................<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Gehaltseingruppierung/<strong>de</strong>r Arbeitszeit<br />

Beamte(r) Besoldungsgruppe A ......... Vollzeit / Teilzeit ......................Wochenstun<strong>de</strong>n<br />

Angestellte(r) Entgeltgruppe E .......... Vollzeit / Teilzeit .......................Wochenstun<strong>de</strong>n<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bankverbindung<br />

Kreditinstitut: .......................................................................................................................................<br />

IBAN: ................................................................................................ BIC: ........................................<br />

Ich bin damit einverstan<strong>de</strong>n, dass mein Mitgliedsbeitrag vom Philologenverband Sachsen-Anhalt<br />

e. V. vierteljährlich von o. g. Konto eingezogen wird.<br />

.............................................................................. ............................................................................<br />

Ort/Datum<br />

Unterschrift<br />

Bitte ausfüllen und an die Geschäftsstelle sen<strong>de</strong>n.<br />

Philologenverband Sachsen-Anhalt<br />

Lan<strong>de</strong>sgeschäftsstelle<br />

Sixtistraße 16 a, 06217 Merseburg<br />

(0 34 61)20 35 62<br />

(0 34 61) 41 54 58<br />

phvsa@t-online.<strong>de</strong><br />

17


Wissenswertes – Interessantes –<br />

Informatives<br />

Aus <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r Bildung<br />

DPhV zur IQB-Studie: Erschreckend große Leistungsunterschie<strong>de</strong><br />

Als erschreckend groß hat <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Deutschen<br />

Philologenverban<strong>de</strong>s, Heinz-Peter<br />

Meidinger, die im IQB-Län<strong>de</strong>rvergleich<br />

für 2012 <strong>de</strong>utlich gewor<strong>de</strong>nen<br />

Leistungsunterschie<strong>de</strong> bei<br />

Schülern in Mathematik und Naturwissenschaften<br />

bezeichnet. „Dauerhaft<br />

dürfen wir uns nicht damit<br />

abfin<strong>de</strong>n, dass die Schülerinnen<br />

und Schüler in verschie<strong>de</strong>nen<br />

Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn so weit auseinan<strong>de</strong>rklaffen<strong>de</strong><br />

Kompetenzniveaus<br />

erzielen, weil damit auch unterschiedliche<br />

Zukunftschancen verbun<strong>de</strong>n<br />

sind!“, sagte <strong>de</strong>r Verbandschef<br />

in Berlin.<br />

Er gratulierte <strong>de</strong>n Siegerlän<strong>de</strong>rn<br />

Sachsen und Thüringen zu ihren<br />

sehr guten Ergebnissen. Dies zeige,<br />

dass in diesen Län<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r<br />

Stellenwert naturwissenschaftlichmathematischer<br />

Bildung nach wie<br />

vor hoch sei, was sich auch in entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Ausstattung <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong>ntafeln<br />

und einer hohen Qualität<br />

<strong>de</strong>r Lehrerbildung spiegele.<br />

Manches alte Bun<strong>de</strong>sland müsse<br />

sich aber fragen, ob die Reformen<br />

<strong>de</strong>r letzten Jahre, etwa auch die<br />

Stun<strong>de</strong>ntafelkürzungen bei Einführung<br />

<strong>de</strong>s G8 in diesem Bereich, für<br />

die Sicherung <strong>de</strong>r Qualität hilfreich<br />

waren, so Meidinger. So sei es auch<br />

für die künftigen län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n<br />

Bestandteile <strong>de</strong>r Abiturprüfung<br />

Mathematik nicht mehr sicher, dass<br />

die bisher führen<strong>de</strong>n süd<strong>de</strong>utschen<br />

Län<strong>de</strong>r hier weiterhin die Nase vorn<br />

haben. Beson<strong>de</strong>rs ärgerlich sei das<br />

niedrige Leistungsniveau in <strong>de</strong>n<br />

Stadtstaaten verbun<strong>de</strong>n mit einer<br />

beson<strong>de</strong>rs engen Koppelung von<br />

Bildungserfolg und sozialer Herkunft<br />

dort.<br />

Eine beson<strong>de</strong>re Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

nannte <strong>de</strong>r DPhV-Vorsitzen<strong>de</strong> die<br />

riesige Leistungsdifferenz von 82<br />

Punkten zwischen Kin<strong>de</strong>rn aus bildungsnahen<br />

und bildungsfernen<br />

Schichten. „Gera<strong>de</strong> in Mathematik<br />

und <strong>de</strong>n Naturwissenschaften, wo<br />

die Sprache keine so große Rolle<br />

spielt, müsste man eigentlich<br />

erwarten, dass die soziale Herkunft<br />

und <strong>de</strong>r Migrationshintergrund nicht<br />

so stark zu Buche schlagen. Hier ist<br />

vertiefte Ursachenforschung angesagt!“,<br />

betonte Meidinger.<br />

Der Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong> stellte<br />

die Vermutung an, dass fehlen<strong>de</strong><br />

Übungszeiten in <strong>de</strong>r Schule aufgrund<br />

zu geringer Stun<strong>de</strong>nausstattung<br />

zu Hause in bildungsnahen<br />

Familien besser kompensiert wer<strong>de</strong>n<br />

könnten als in bildungsfernen.<br />

Er mahnte <strong>de</strong>shalb mehr Ganztagsschul-<br />

und För<strong>de</strong>rangebote<br />

an. Abschließend sagte er: „Die<br />

Möglichkeiten von Schulen, durch<br />

Zusatzstun<strong>de</strong>n leistungsschwächere<br />

und leistungsstärkere Schülerinnen<br />

und Schüler vermehrt zu<br />

för<strong>de</strong>rn und zu for<strong>de</strong>rn, müssen in<br />

allen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn stark ausgebaut<br />

wer<strong>de</strong>n.“<br />

Stellungnahme <strong>de</strong>s Deutschen Lehrerverban<strong>de</strong>s zur aktuellen Schulleistungsvergleichsstudie <strong>de</strong>s IQB<br />

„Schwache Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r sollen sich endlich an <strong>de</strong>n starken Län<strong>de</strong>rn orientieren“<br />

In einer ersten Stellungnahme<br />

gegenüber <strong>de</strong>r Neuen Osnabrücker<br />

Zeitung äußerte sich <strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt<br />

<strong>de</strong>s Deutschen Lehrerverban<strong>de</strong>s,<br />

Josef Kraus, wie folgt: „Die Unterschie<strong>de</strong><br />

im neuen Schulleistungsvergleich<br />

<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r sehe<br />

ich auch in <strong>de</strong>r abweichen<strong>de</strong>n regionalen<br />

Verteilung von Migranten<br />

begrün<strong>de</strong>t. Der Westen hat es<br />

auch mit einer zum Teil schwierigen<br />

Migrantenklientel zu tun, während<br />

im Osten generell weniger Migranten<br />

leben. Meist stammen sie dort aus<br />

Vietnam und sind mitunter sogar<br />

18<br />

besser in <strong>de</strong>r Schule als Schüler<br />

ohne Migrationshintergrund.<br />

Die im Vergleich schlecht abschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Stadtstaaten müssen sich<br />

die Bildungspolitik von Sachsen,<br />

Thüringen, Bayern und Ba<strong>de</strong>n-<br />

Württemberg zum Vorbild zu nehmen.<br />

Wir brauchen mehr Unterrichtsstun<strong>de</strong>n,<br />

zentral verbindliche<br />

Lan<strong>de</strong>sabschlussprüfungen bereits<br />

zum Mittleren Schulabschluss und<br />

eine höhere Verbindlichkeit <strong>de</strong>r<br />

Lehrpläne. Dagegen lehne ich bun<strong>de</strong>sweit<br />

einheitliche Standards ab:<br />

Der Zentralismus wür<strong>de</strong> nur in die<br />

Abwärtsspirale führen. Wir brauchen<br />

<strong>de</strong>n Wettbewerb durch <strong>de</strong>n Fö<strong>de</strong>ralismus.<br />

Im Hinblick auf die von <strong>de</strong>r Studie<br />

konstatierten hohen Abhängigkeit<br />

von Schulerfolg und sozialer Herkunft<br />

darf nicht übersehen wer<strong>de</strong>n,<br />

dass das <strong>de</strong>utsche Bildungssystem<br />

sozial durchlässiger ist als<br />

häufig angenommen. Es gibt etwa<br />

50 Wege zur Hochschulzugangsberechtigung,<br />

und das Gymnasium ist<br />

nur einer davon.“


Wissenswertes – Interessantes –<br />

3. Verstärkung <strong>de</strong>r Zusammenarbeit <strong>de</strong>r Sekundarschulen mit <strong>de</strong>r Industrie, <strong>de</strong>m Handwerk<br />

und <strong>de</strong>r öffentlichen Verwaltung, um <strong>de</strong>n künftigen Fachkräftebedarf Informatives<br />

in Sachsen-Anhalt<br />

<strong>de</strong>cken und die <strong>de</strong>mografischen Herausfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s bewältigen zu können<br />

4. Pädagogisch sinnvolle Umsetzung <strong>de</strong>r Inklusion im Rahmen <strong>de</strong>r zur Verfügung stehen<strong>de</strong>n<br />

Ressourcen an <strong>de</strong>n Sekundarschulen – klares Bekenntnis zum Erhalt <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rschulen im<br />

Zukunftsfähige Bildung in Sachsen-Anhalt Land gelingt nur mit hoher Qualität <strong>de</strong>r differenzierten<br />

Bildungsangebote an <strong>de</strong>n Sekundarschulen<br />

Bitte diese Logos verwen<strong>de</strong>n<br />

Gemeinsame Erklärung von Sekundarschullehrerverband Sachsen-Anhalt e.V. und Verband<br />

<strong>de</strong>r Realschullehrer (VDR) vom 10.11.2013<br />

In <strong>de</strong>r Merseburger Erklärung formuliert <strong>de</strong>r Sekundarschullehrerverband Sachsen-Anhalt e.V. die Grundsätze <strong>de</strong>r<br />

weiteren Verbandsarbeit und erteilt Verschlechterungen <strong>de</strong>r pädagogischen Rahmenbedingungen an <strong>de</strong>n Sekundarschulen<br />

und Einheitsschulkonzepten eine klare<br />

Sekundarschullehrerverband Sachsen-Anhalt e.V<br />

Absage<br />

Sekundarschullehrerverband Sachsen-Anhalt e.V.<br />

„Ohne die hervorragen<strong>de</strong> Arbeit <strong>de</strong>r<br />

Lehrkräfte an <strong>de</strong>n Sekundarschulen<br />

in Sachsen-Anhalt, die Schülerinnen<br />

und Schüler zum anerkannten<br />

Realschulabschluss führen, hätte<br />

das Land bei <strong>de</strong>r jüngsten IQB-<br />

Vergleichsstudie nicht einen <strong>de</strong>r<br />

vor<strong>de</strong>ren Plätze belegen können“,<br />

betonte <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Dachverban<strong>de</strong>s VDR, Jürgen<br />

Böhm, während seines Besuches<br />

<strong>de</strong>s Sekundarschullehrerverban<strong>de</strong>s<br />

Sachsen-Anhalt e.V. in Merseburg.<br />

Die Lan<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s SLV<br />

Sachsen-Anhalt, Claudia Diepenbrock,<br />

und <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong><br />

führten bereits am Freitagvormittag<br />

Gespräche im Mag<strong>de</strong>burger Kultusministerium,<br />

in <strong>de</strong>nen sie die Verbesserung<br />

<strong>de</strong>r Rahmenbedingungen<br />

für die Lehrkräfte an <strong>de</strong>n Sekundarschulen<br />

und klare Perspektiven für<br />

die Schulen vor Ort einfor<strong>de</strong>rten. Ein<br />

wichtiges Thema stellte die Umsetzung<br />

<strong>de</strong>r Inklusion an <strong>de</strong>n Sekundarschulen<br />

dar. „Inklusion kann nur<br />

gelingen, wenn Eltern und Kin<strong>de</strong>r<br />

eine jeweils geeignete Schule wählen<br />

können, in <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>m Kind die nötige<br />

Zuwendung gesichert ist, wenn<br />

dort die erfor<strong>de</strong>rlichen Personal- und<br />

Sachkosten zur Verfügung gestellt<br />

wer<strong>de</strong>n und wenn klare Konzepte<br />

für die optimal mögliche För<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r betroffenen Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n gefor<strong>de</strong>rten<br />

Respekt und die Verantwortung<br />

für Ihre Zukunft wi<strong>de</strong>rspiegeln“,<br />

so Böhm.<br />

Die in Merseburg durchgeführte<br />

Gesamtmitglie<strong>de</strong>rversammlung<br />

wählte Claudia Diepenbrock erneut<br />

zur Lan<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>n und verabschie<strong>de</strong>te<br />

mit <strong>de</strong>r Merseburger Erklärung<br />

wichtige Grundsätze <strong>de</strong>r Weiterarbeit<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>sverban<strong>de</strong>s.<br />

Der Verband Deutscher Realschullehrer<br />

(VDR) – Verband <strong>de</strong>r Lehrer und<br />

Lehrerinnen an Schulen im Sekundarbereich<br />

– ist <strong>de</strong>r Dachverband <strong>de</strong>r<br />

ca. 20.000 Mitglie<strong>de</strong>r zählen<strong>de</strong>n<br />

Lehrerverbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Realschulwesens<br />

und verwandter Schulformen in<br />

<strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn. Er setzt sich für<br />

die För<strong>de</strong>rung und Weiterentwicklung<br />

eines vielfältig organisierten Schulwesens<br />

in <strong>de</strong>r Sekundarstufe I ein<br />

und widmet vor allem <strong>de</strong>r bildungspolitischen<br />

Mitte, also <strong>de</strong>n Mittleren<br />

Bildungsgängen und Perspektiven<br />

sowohl für <strong>de</strong>n beruflichen Einstieg<br />

wie auch für studienorientierte Bildungsabschlüsse<br />

seine beson<strong>de</strong>re<br />

Aufmerksamkeit. Der VDR ist Diskussionsplattform,<br />

Sprachrohr und<br />

Dienstleister für seine Lan<strong>de</strong>sverbän<strong>de</strong><br />

und ihre Mitglie<strong>de</strong>r.<br />

Merseburger Erklärung<br />

1. Erhalt und qualitative Weiterentwicklung<br />

<strong>de</strong>r erfolgreichen Sekundarschulen<br />

in Sachsen-Anhalt mit<br />

klarer differenzierter För<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler und<br />

ein<strong>de</strong>utiger Abschlussorientierung<br />

(Hauptschulabschluss, Realschulabschluss<br />

und Erweiterter Realschulabschluss)<br />

2. Ausbau <strong>de</strong>r vielfältigen Übergangs-<br />

und Anschlussmöglich-<br />

keiten für die Absolventen <strong>de</strong>r<br />

Sekundarschulen zu qualifizierten<br />

Berufsfel<strong>de</strong>rn und weiterführen<strong>de</strong>n<br />

schulischen Angeboten<br />

3. Verstärkung <strong>de</strong>r Zusammenarbeit<br />

<strong>de</strong>r Sekundarschulen mit<br />

<strong>de</strong>r Industrie, <strong>de</strong>m Handwerk und<br />

<strong>de</strong>r öffentlichen Verwaltung, um<br />

<strong>de</strong>n künftigen Fachkräftebedarf<br />

in Sachsen-Anhalt <strong>de</strong>cken und<br />

die <strong>de</strong>mografischen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s bewältigen zu<br />

können<br />

4. Pädagogisch sinnvolle Umsetzung<br />

<strong>de</strong>r Inklusion im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

zur Verfügung stehen<strong>de</strong>n Ressourcen<br />

an <strong>de</strong>n Sekundarschulen<br />

– klares Bekenntnis zum Erhalt <strong>de</strong>r<br />

För<strong>de</strong>rschulen im Land<br />

19


KMK-Chef Dorgerloh: „Wenn das Elternhaus ausfällt, müssen Schulen Anregungen bieten“<br />

Sozial abgehängte Kin<strong>de</strong>r sind die größte Herausfor<strong>de</strong>rung für die Bildungspolitik. Sozial<strong>de</strong>mokraten wie KMK-Chef<br />

Stephan Dorgerloh setzen darum auf staatliche Erziehung, falls die Familie versagt. Im Interview erklärt er, warum sich<br />

<strong>de</strong>r Bund an <strong>de</strong>n Kosten <strong>de</strong>r Schulen beteiligen sollte.<br />

SPIEGEL ONLINE: Derzeit sprechen<br />

Union und SPD in <strong>de</strong>n Koalitionsverhandlungen<br />

auch über die<br />

künftige Bildungs- und Wissenschaftspolitik.<br />

Mit welchem möglichen<br />

Ergebnis?<br />

Dorgerloh: Ich <strong>de</strong>nke, dass wir<br />

einen neuen Anlauf zur Kooperation<br />

zwischen Bund und Län<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r<br />

Bildungspolitik brauchen. Entwe<strong>de</strong>r<br />

müssen wir dazu das Kooperationsverbot<br />

im Grundgesetz aufheben,<br />

Dorgerloh: Es geht nicht darum,<br />

dass die Län<strong>de</strong>r dringend benötigtes<br />

Geld ablehnen. Es ist nur<br />

folgerichtig, wenn sich <strong>de</strong>r Bund<br />

finanziell an Verpflichtungen beteiligte,<br />

die er selbst eingegangen ist,<br />

etwa durch die Inklusion behin<strong>de</strong>rter<br />

Schüler in die Regelschulen laut<br />

Uno-Konvention. Auf <strong>de</strong>n Kosten<br />

für barrierefreie Schulen o<strong>de</strong>r die<br />

Ganztagsbetreuung bleiben jedoch<br />

Län<strong>de</strong>r und Kommunen sitzen. Es<br />

kann auch nicht sein, dass <strong>de</strong>r Bund<br />

einen Bruchteil <strong>de</strong>r Gesamtkosten<br />

übernimmt, aber dann vor Ort alles<br />

in ländlichen Kleinstädten in Ost<strong>de</strong>utschland,<br />

wo die Bevölkerung<br />

schrumpft. Um diese Gruppen müssen<br />

wir uns verstärkt kümmern.<br />

SPIEGEL ONLINE: Sozial<strong>de</strong>mokratische<br />

Bildungspolitik will die Chancengerechtigkeit<br />

för<strong>de</strong>rn. Wie erhalten<br />

benachteiligte gesellschaftliche<br />

Gruppen die Chance, sich durch Bildung<br />

emporzuarbeiten?<br />

Dorgerloh: Entschei<strong>de</strong>nd ist, dass<br />

Schulvergleich <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r: Mathe und Naturwissenschaften<br />

o<strong>de</strong>r wir bekommen das unterhalb<br />

einer Grundgesetzän<strong>de</strong>rung hin.<br />

Das strikte Verbot, das 2006 festgeschrieben<br />

wor<strong>de</strong>n ist, gilt längst<br />

als großer Fehler. Jetzt haben wir<br />

die Chance, das zu än<strong>de</strong>rn.<br />

SPIEGEL ONLINE: Warum tun sich<br />

einige ihrer Ressortkollegen in <strong>de</strong>n<br />

Kultusministerien <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r<br />

so schwer damit, Geld vom Bund<br />

zu nehmen, um die Schulen zu verbessern?<br />

entschei<strong>de</strong>t.<br />

SPIEGEL ONLINE: Schulstudien<br />

bescheinigen Deutschland immer<br />

wie<strong>de</strong>r, dass hierzulan<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Lernerfolg<br />

stark von <strong>de</strong>r sozialen Herkunft<br />

abhängt. Woran liegt das?<br />

Dorgerloh: Früher sprach die Politik<br />

immer vom katholischen Mädchen<br />

vom Lan<strong>de</strong>, <strong>de</strong>m man zu höherer<br />

Bildung verhelfen müsse. Mittlerweile<br />

bestehen die Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

bei Migrantenfamilien in<br />

<strong>de</strong>n west<strong>de</strong>utschen Großstädten<br />

und bei bildungsfernen Schichten<br />

sie in möglichst jungem Alter Zugang<br />

zu Bildung erhalten. Wir haben zum<br />

Beispiel in Sachsen-Anhalt jüngst<br />

ein Kin<strong>de</strong>rför<strong>de</strong>rungsgesetz verabschie<strong>de</strong>t,<br />

wonach auch arbeitslose<br />

Eltern und Hartz-IV-Bezieher<br />

Anspruch auf Ganztagsbetreuung<br />

für ihre Kin<strong>de</strong>r haben. Früher galt<br />

das nur für einen Halbtagsplatz.<br />

Wenn dann diverse För<strong>de</strong>rangebote<br />

starteten, waren die Kin<strong>de</strong>r, für die<br />

zusätzliche Angebote beson<strong>de</strong>rs<br />

wichtig sind, nicht mehr in <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rtagesstätte.<br />

Auch das längere<br />

gemeinsame Lernen und Ganztagsangebote<br />

in <strong>de</strong>r Schule können<br />

20


hier Hilfestellung bieten. Solange<br />

wir aber sehr früh nach Schulabschlüssen<br />

trennen, haben Kin<strong>de</strong>r,<br />

die nicht aus Aka<strong>de</strong>mikerfamilien<br />

kommen, weit weniger Chancen.<br />

SPIEGEL ONLINE: Sie wollen die<br />

Kin<strong>de</strong>r för<strong>de</strong>rn, in<strong>de</strong>m Sie sie möglichst<br />

lange aus <strong>de</strong>n Familien fernhalten?<br />

Dorgerloh: Wie wollen Sie <strong>de</strong>nn<br />

die Kin<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>nen nie vorgelesen<br />

wird o<strong>de</strong>r die kaum mit ihren Eltern<br />

singen, wo nicht Deutsch gesprochen<br />

wird o<strong>de</strong>r wo <strong>de</strong>r Flachbildschirm<br />

bereits früh läuft, an<strong>de</strong>rs<br />

för<strong>de</strong>rn? Das Elternhaus ist für die<br />

frühkindliche Bildung ein zentraler<br />

Bildungsort, bei <strong>de</strong>m es auch um<br />

Beziehungen, Fantasie, I<strong>de</strong>ntität<br />

und Kreativität geht. Gera<strong>de</strong> wenn<br />

das Elternhaus ausfällt, müssen<br />

eben Kin<strong>de</strong>rgärten und Schulen solche<br />

Anregungen bieten. Wir erleben<br />

auch immer mehr Eltern, die schon<br />

<strong>de</strong>shalb überfor<strong>de</strong>rt sind, weil sie<br />

selbst nicht mehr gelernt haben, wie<br />

Familie funktioniert. Und Migrantenfamilien<br />

freuen sich über Unterstützung<br />

ihrer Kin<strong>de</strong>r beim Sprachenlernen.<br />

SPIEGEL ONLINE: Ist es nicht utopisch,<br />

Herkunftsunterschie<strong>de</strong> durch<br />

Bildung ausgleichen zu wollen?<br />

Dorgerloh: Es ist wünschenswert<br />

- auch volkswirtschaftlich. So liegt<br />

in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik <strong>de</strong>r Anteil an<br />

För<strong>de</strong>rschülern etwa doppelt so<br />

hoch wie im übrigen Europa. Diese<br />

Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen verlassen<br />

die Schule in <strong>de</strong>r Regel ohne<br />

Abschluss, sie haben geringe Chancen<br />

auf <strong>de</strong>m regulären Arbeitsmarkt.<br />

Hier müssen wir ansetzen, weil kein<br />

Kind es verdient hat, dass wir sein<br />

Potential nicht ausreizen.<br />

SPIEGEL ONLINE: Bislang halten<br />

nur einzelne Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r wie<br />

Bayern bei internationalen Schulvergleichen<br />

ganz oben mit, in<br />

Mathematik und Naturwissenschaften<br />

die ost<strong>de</strong>utschen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r.<br />

Wie können die <strong>de</strong>utschen Schulen<br />

besser wer<strong>de</strong>n?<br />

Dorgerloh: Eine Daten- und Lernstofforientierung<br />

wie in Singapur<br />

o<strong>de</strong>r China wäre hierzulan<strong>de</strong> kaum<br />

vermittelbar, da wür<strong>de</strong>n die Eltern<br />

und die Lehrerverbän<strong>de</strong> auf die Barrika<strong>de</strong>n<br />

gehen. Und wünschenswert<br />

wäre es auch nicht. Die Freu<strong>de</strong> am<br />

Lernen muss erhalten bleiben. Ich<br />

warne davor, aus nationalen o<strong>de</strong>r<br />

internationalen Ranglisten voreilig<br />

einfache Schlüsse zu ziehen. Wir<br />

müssen gründlich analysieren, was<br />

schulischen Erfolg ausmacht und<br />

dann behutsam in unserem Schulsystem<br />

reagieren.<br />

SPIEGEL ONLINE: Warum sind die<br />

Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />

so groß?<br />

Dorgerloh: Es gibt ja nicht nur Unterschie<strong>de</strong><br />

zwischen <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn,<br />

auch innerhalb eines Lan<strong>de</strong>s<br />

o<strong>de</strong>r selbst innerhalb einer Stadt<br />

variieren die Voraussetzungen.<br />

Zu<strong>de</strong>m ist Schule nun einmal durch<br />

regionale Traditionen geprägt - im<br />

Osten regt sich beispielsweise niemand<br />

über das achtjährige Gymnasium<br />

auf. Die Kultusministerkonferenz<br />

muss Beschlüsse für mehr<br />

Vergleichbarkeit einstimmig fällen,<br />

das ist eine relativ hohe Hür<strong>de</strong>. Aber<br />

seit <strong>de</strong>n ersten Pisa-Tests haben die<br />

Kultusminister viele Reformen auf<br />

<strong>de</strong>n Weg gebracht: gemeinsame<br />

Bildungsstandards für Grundschule<br />

und Sekundarstufe, gemeinsame<br />

Abituraufgaben. Das sind doch Riesenschritte<br />

zu einer stärkeren Vergleichbarkeit.<br />

SPIEGEL ONLINE: Sie sitzen als<br />

amtieren<strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Kultusministerkonferenz<br />

(KMK) einer<br />

Institution vor, die <strong>de</strong>n Ruf hat, ein<br />

großes Bremser-Gremium zu sein.<br />

Zu Recht?<br />

Dorgerloh: Entgegen ihrem Image<br />

blockiert die KMK in <strong>de</strong>r Bildungspolitik<br />

nicht. Die Zeit <strong>de</strong>r alten i<strong>de</strong>ologischen<br />

Grabenkämpfe um<br />

Gymnasium o<strong>de</strong>r Gesamtschule ist<br />

weitgehend vorbei, mittlerweile geht<br />

es <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn um pragmatische<br />

Bildungspolitik.<br />

SPIEGEL ONLINE: Was können die<br />

Kultusminister besser machen?<br />

Dorgerloh: In <strong>de</strong>n Jahren nach <strong>de</strong>m<br />

Pisa-Schock kamen viele Anstöße<br />

von außen, nun sollten wir selbst<br />

eine Agenda i<strong>de</strong>ntifizieren und diese<br />

zielgerichtet verfolgen. Zum Beispiel,<br />

in<strong>de</strong>m wir uns für vergleichbare<br />

Schulabschlüsse einsetzen<br />

und die Lehrerausbildung weiter<br />

verbessern. Es ist doch fragwürdig,<br />

dass <strong>de</strong>r Hauptschullehrer fachlich<br />

und didaktisch weniger gut ausgebil<strong>de</strong>t<br />

wird als <strong>de</strong>r Gymnasiallehrer.<br />

Wir dürfen uns nicht damit zufrie<strong>de</strong>n<br />

geben, dass die schwächeren<br />

Schüler meist nicht die am besten<br />

ausgebil<strong>de</strong>ten Lehrer bekommen.<br />

SPIEGEL ONLINE: Wäre es umgekehrt<br />

gerechter?<br />

Dorgerloh: Es wäre schon einmal<br />

ein Fortschritt, wenn Lehrer in unterschiedlichen<br />

Schulformen unterrichten<br />

dürften. Allerdings vermuten<br />

manche Kritiker dahinter gleich<br />

die Abschaffung <strong>de</strong>s Gymnasiums.<br />

Sie warnen vor <strong>de</strong>m Einheitslehrer,<br />

das klingt nach Einheitsschule und<br />

Einheitspartei. Aber darum geht<br />

es gar nicht. Im Mittelpunkt muss<br />

die optimale För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Schülerinnen<br />

und Schüler stehen, weil<br />

davon letztlich alle profitieren.<br />

Quelle: spiegel.<strong>de</strong>, 11.11.2013<br />

21


Einheitliche Grundsätze für einheitliche schulische Bildungsgänge<br />

Unmittelbar nach <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>stagswahl am 27. September veröffentlichte die Bun<strong>de</strong>sdirektorenkonferenz (BDK) in einer<br />

Entschließung ihre bildungspolitischen For<strong>de</strong>rungen an <strong>de</strong>n neu gewählten Bun<strong>de</strong>stag.<br />

Der neu gewählte Bun<strong>de</strong>stag ist<br />

gefor<strong>de</strong>rt!<br />

Mehr noch als Lehrpläne und Stun<strong>de</strong>ntafeln<br />

prägen Übertrittsregelungen<br />

und Versetzungsbestimmungen<br />

die Schullaufbahn unserer<br />

Kin<strong>de</strong>r. Das Regelchaos beeinträchtigt<br />

nicht nur die regionale Mobilität,<br />

es ist auch in hohem Maße ungerecht.<br />

Da es <strong>de</strong>r Kultusministerkonferenz<br />

(KMK) im Bildungsfö<strong>de</strong>ralismus<br />

seit Jahrzehnten offensichtlich<br />

nicht gelungen ist, die Grundlagen<br />

für einheitliche Regelungen in allen<br />

Bildungsgängen zu schaffen, muss<br />

diese Aufgabe auf <strong>de</strong>n Bund übertragen<br />

wer<strong>de</strong>n und Gegenstand von<br />

Koalitionsvereinbarungen sein.<br />

Die vom Grundgesetz gesicherte Kulturhoheit<br />

<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r und das Kooperationsverbot<br />

haben zusammen mit<br />

<strong>de</strong>m Wettstreit <strong>de</strong>r Parteien um die<br />

besten Konzepte im Bildungswesen<br />

Deutschlands zu <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />

unterschiedlich organisierten<br />

Schulsystemen geführt.<br />

Dies hat <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Schullandschaft<br />

eine unüberschaubare Anzahl<br />

unterschiedlichster Rechtsvorschriften<br />

eingebracht. Das muss ein En<strong>de</strong><br />

fin<strong>de</strong>n! Dabei erneut auf die KMK zu<br />

setzen, wird die Geduld <strong>de</strong>r Eltern<br />

überfor<strong>de</strong>rn. Schulpraktiker sehen<br />

das fö<strong>de</strong>rale Chaos seit langem nur<br />

noch mit Entsetzen.<br />

Je<strong>de</strong>s Kind hat einen Anspruch auf Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit<br />

Deshalb for<strong>de</strong>rt die BDK:<br />

1. Je<strong>de</strong> abgeben<strong>de</strong> Schule berät<br />

die Eltern und Kin<strong>de</strong>r, sie spricht<br />

eine Bildungsgangempfehlung aus<br />

und übermittelt die dazu gehören<strong>de</strong><br />

Dokumentation mit einem Entwicklungsbericht<br />

an die weiterführen<strong>de</strong><br />

Schule. Schüler mit einer Gymnasialempfehlung<br />

müssen einen Rechtsanspruch<br />

auf einen Platz am Gymnasium<br />

haben.<br />

2. In fast allen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn ist<br />

<strong>de</strong>rzeit <strong>de</strong>r Elternwille entschei<strong>de</strong>nd<br />

für die Wahl <strong>de</strong>r weiterführen<strong>de</strong>n<br />

Schule. Daher müssen die<br />

Gymnasien im Sinne einer erfolgreichen<br />

Schullaufbahnentwicklung<br />

nach bun<strong>de</strong>seinheitlichen Kriterien<br />

über <strong>de</strong>n weiteren Bildungsweg <strong>de</strong>r<br />

Schüler entschei<strong>de</strong>n können.<br />

3. An <strong>de</strong>n Gymnasien müssen alle<br />

Entscheidungen zur Versetzung und<br />

zur Schullaufbahn nach bun<strong>de</strong>sweit<br />

einheitlichen Kriterien getroffen wer<strong>de</strong>n.<br />

4. Es ist bun<strong>de</strong>sweit sicherzustellen,<br />

dass alle Abschlüsse auf <strong>de</strong>m<br />

Weg zum Abitur am Gymnasium<br />

mit Versetzungsentscheidungen<br />

erreicht wer<strong>de</strong>n. Für Schüler, die im<br />

Gymnasium nicht in die zwei-jährige<br />

Qualifikationsphase <strong>de</strong>r Oberstufe<br />

versetzt wer<strong>de</strong>n, ist <strong>de</strong>r Erwerb <strong>de</strong>s<br />

mittleren Bildungsabschlusses zu<br />

ermöglichen.<br />

Die BDK sieht <strong>de</strong>n Flickenteppich<br />

<strong>de</strong>r Ausgestaltung <strong>de</strong>s gymnasialen<br />

Bildungsganges in Deutschland<br />

mit großer Sorge. Der neu gewählte<br />

Bun<strong>de</strong>stag ist gefor<strong>de</strong>rt. Die fö<strong>de</strong>ral<br />

bedingte Chancenungleichheit<br />

unserer Kin<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rspricht fundamental<br />

unserem Grundgesetz.<br />

Dr. Rainer Stein-Bastuck<br />

Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>r<br />

Hamburgs wun<strong>de</strong>rsame Abiturientenvermehrung ... – und jetzt noch das „Rabe-Abitur-<br />

Light“ 2014<br />

Nach<strong>de</strong>m Schulsenator Ties Rabe und seine Schulbehör<strong>de</strong> bei Schriftlichen Kleinen Anfragen im Senat nach <strong>de</strong>n<br />

zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong>n Abitur- und Test-Aufgaben zunächst mauerten, mussten sie die Aufgaben auf Nachfragen wissenschaftlicher<br />

Institute offenlegen. Das Ergebnis ist - das muss in aller Deutlichkeit gesagt wer<strong>de</strong>n - <strong>de</strong>saströs: Die so<br />

schön und wohlklingen<strong>de</strong>n Pressemitteilungen von Schulsenator Rabe über steigen<strong>de</strong> Abiturientenzahlen an Gymnasien<br />

und Stadtteilschulen wur<strong>de</strong>n mit einem Mix aus einer drastischen Senkung <strong>de</strong>r Anfor<strong>de</strong>rungen, Aufweichung<br />

<strong>de</strong>r Bewertungskriterien und/o<strong>de</strong>r Verlängerung <strong>de</strong>r Bearbeitungszeiten und Erleichterung <strong>de</strong>r Hilfsmittel erkauft. Der<br />

erste Bericht über die wissenschaftliche Analyse <strong>de</strong>s Vorgehens <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> bei Abitur- und KESS-Aufgaben ist jetzt<br />

von <strong>de</strong>r Gesellschaft für Bildung und Wissen veröffentlicht wor<strong>de</strong>n.<br />

22<br />

Noch schlimmer wird es mit <strong>de</strong>n<br />

weiteren „kompetenzorientierten“<br />

und verfahrensmäßigen Aufweichungen,<br />

die Schulsenator Rabe<br />

mit Wirkung ab <strong>de</strong>m bevorstehen<strong>de</strong>n<br />

Abitur 2014, <strong>de</strong>m „Rabe-Abitur-<br />

Light“, mit seiner Ausbildungs- und<br />

Prüfungsordnung zum Erwerb <strong>de</strong>r<br />

allgemeinen Hochschulreife (APO-<br />

AH) eingeführt hat.<br />

Es steht außer Frage, dass Senator<br />

Rabe als Folge dieser Vereinfachungen<br />

auch im kommen<strong>de</strong>n<br />

Sommer mit wun<strong>de</strong>rsamen Pressemitteilungen<br />

über phantastische


„Leistungssteigerungen“ an die<br />

geneigte Öffentlichkeit wen<strong>de</strong>n wird.<br />

Allein, <strong>de</strong>n betroffenen Abiturienten<br />

wird das allenfalls kurzfristig bei <strong>de</strong>r<br />

Studienplatzbewerbung helfen. Das,<br />

was (auch) das Hamburger Abitur<br />

belegen soll, nämlich eine „allgemeine<br />

Hochschulreife“, bleibt bei dieser<br />

politischen Beschädigung <strong>de</strong>s Hamburger<br />

Schul- und Bildungssystems<br />

auf <strong>de</strong>r Strecke. Es war eine bemerkenswerte<br />

Pressekonferenz von<br />

Schulsenator Ties Rabe und Ulrich<br />

Vieluf, <strong>de</strong>m ehemaligen Staatsrat<br />

<strong>de</strong>r ehemaligen Schulsenatorin<br />

Christa Goetsch, am 27. November<br />

2012, als Schulsenator Rabe und<br />

Herr Vieluf unter Berufung auf ihre<br />

„KESS 12“-Studie die angeblichen<br />

Leistungszuwächse im achtjährigen<br />

Gymnasium (G8) im Vergleich zum<br />

bisherigen neunjährigen Gymnasium<br />

(G9) präsentierten. Heute steht<br />

fest: Senator Rabe und Staatsrat<br />

a. D. Vieluf haben die Öffentlichkeit<br />

damals massiv getäuscht. Der<br />

Verdacht, dass die Auswertung <strong>de</strong>r<br />

KESS-12-Studie das Papier nicht<br />

wert war, auf <strong>de</strong>m die Behör<strong>de</strong> die<br />

Wun<strong>de</strong>rsame Abiturientenvermehrung<br />

Schulsenator Ties Rabe<br />

Auswertung und die Pressemitteilungen<br />

dazu ausgedruckt hatte, verdichtete<br />

sich, als <strong>de</strong>r Senat sich mit<br />

fa<strong>de</strong>nscheinigen Argumenten weigerte,<br />

die zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong>n Aufgaben<br />

auf Schriftliche Kleine Anfragen<br />

und eine Beschwer<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r<br />

Bürgerschaftspräsi<strong>de</strong>ntin zu veröffentlichen.<br />

Eine jetzt vorliegen<strong>de</strong> echte wissenschaftliche<br />

Analyse <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />

KESS-12-Studie von Herrn Vieluf<br />

eingesetzten Aufgaben und <strong>de</strong>r Vergleich<br />

<strong>de</strong>r eigentlichen Abituraufgaben<br />

aus <strong>de</strong>m klassischen G9-Abitur<br />

von 2005 mit <strong>de</strong>n späteren<br />

G8-Abituraufgaben, belegt jetzt,<br />

dass Senator Rabe und Herr Vieluf<br />

die Öffentlichkeit getäuscht haben.<br />

We<strong>de</strong>r lassen die KESS-12-Aufgaben<br />

Rückschlüsse auf die Qualität<br />

<strong>de</strong>s Abiturs im G8 o<strong>de</strong>r im G9 zu<br />

noch lassen sich aus <strong>de</strong>r Zahl <strong>de</strong>r<br />

Abiturienten im Hamburger G8 und<br />

<strong>de</strong>ren Noten irgendwelche vali<strong>de</strong>n<br />

Belege für die seinerzeit von Senator<br />

Rabe verbreitete These ableiten,<br />

Schülerinnen und Schüler wür<strong>de</strong>n<br />

im G8 vermeintlich bessere, Leistungen<br />

erzielen. Tatsächlich hat sich die<br />

Schulbehör<strong>de</strong>, worüber heute auch<br />

die BILD ausführlich berichtet, steigen<strong>de</strong><br />

Abiturientenzahlen an Gymnasien<br />

und Stadtteilschulen mit<br />

einem Mix aus einer drastischen<br />

Senkung <strong>de</strong>r Anfor<strong>de</strong>rungen, Aufweichung<br />

<strong>de</strong>r Bewertungskriterien<br />

und/o<strong>de</strong>r Verlängerung <strong>de</strong>r Bearbeitungszeiten<br />

und Erleichterung <strong>de</strong>r<br />

Hilfsmittel erkauft.<br />

Konkret zu <strong>de</strong>n Fakten:<br />

Für die KESS-Studie wur<strong>de</strong>n beispielsweise,<br />

wie die Überprüfung<br />

durch ein Expertenteam aus Fachlehrern,<br />

Fachdidaktikern und Fachwissenschaftlern<br />

ergeben hat, Aufgaben<br />

verwen<strong>de</strong>t, die „Kenntnisse<br />

<strong>de</strong>r Mittelstufe o<strong>de</strong>r noch frühere“<br />

testen. „Viele <strong>de</strong>r eingesetzten Aufgaben<br />

können von durchschnittlichen<br />

gymnasialen Siebentklässlern<br />

gelöst wer<strong>de</strong>n.“ (FAZ, a. a. O.).<br />

Für einen angeblichen Vergleich <strong>de</strong>r<br />

Qualität und <strong>de</strong>r Leistungen im G8<br />

bzw. G9 ist die KESS-Studie also<br />

schlicht untauglich.<br />

Der Vergleich <strong>de</strong>r tatsächlichen Abituraufgaben<br />

aus <strong>de</strong>m G9-Abitur<br />

2005 und späteren Abituraufgaben<br />

aus <strong>de</strong>m G8 z. B. aus 2011 und 2012<br />

unter Senator Rabe Expertenteam<br />

aus Fachlehrern, Fachdidaktikern<br />

und Fachwissenschaftlern ergibt<br />

<strong>de</strong>mgegenüber:<br />

In Mathematik hatten die untersuchten<br />

G9-Aufgaben aus <strong>de</strong>m Jahr<br />

2005 „noch einen <strong>de</strong>utlich höheren<br />

mathematischen Anspruch“. Die<br />

Vergleichs-Aufgaben aus <strong>de</strong>n<br />

G8-Jahrgängen unter Senator Rabe<br />

aus 2011 und 2012 wur<strong>de</strong>n dagegen<br />

von <strong>de</strong>n Fachleuten „als eher<br />

trivial und als vom Anspruchsgrad<br />

mit <strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m Jahr 2005 stammen<strong>de</strong>n<br />

nicht vergleichbar“ eingestuft<br />

(FAZ, a. a. O.).<br />

In Biologie waren von <strong>de</strong>n G9-Abiturienten<br />

in 2005 noch „fachwissenschaftliche<br />

Grundlagen“ mit einzubringen.<br />

Im G8-Abitur war das nicht<br />

mehr erfor<strong>de</strong>rlich: Im Erwartungshorizont<br />

für die bewerten<strong>de</strong>n Lehrkräfte<br />

<strong>de</strong>s G8-Abiturs wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r<br />

Behör<strong>de</strong> bereits darauf hingewiesen,<br />

dass „die gefor<strong>de</strong>rte Lösung<br />

direkt <strong>de</strong>m Arbeitsmaterial zu entnehmen<br />

ist …“.<br />

Im Fach Englisch war <strong>de</strong>mgegenüber<br />

zwar <strong>de</strong>r inhaltliche Anspruch<br />

<strong>de</strong>r G8-Aufgaben mit <strong>de</strong>n G9-Aufgaben<br />

aus 2005 zu vergleichen.<br />

Dafür wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Schulbehör<strong>de</strong><br />

die die Bewertungsvorschriften<br />

nach unten verschoben. Kam es im<br />

Abitur noch auf sprachliche Richtigkeit<br />

und <strong>de</strong>n Fehlerquotienten an<br />

(50 Prozent <strong>de</strong>r Bewertung), wur<strong>de</strong><br />

dies unter Senatorin Goetsch 2009<br />

aufgeweicht und von Senator Rabe<br />

so beibehalten: In <strong>de</strong>n Abiturrichtlinien<br />

2009 heißt es: „… die sprachliche<br />

Leistung [wird] in erster Linie<br />

in Bezug darauf beurteilt, in welchem<br />

Maße die kommunikativen<br />

Ziele erreicht wer<strong>de</strong>n“ (FAZ, a. a.<br />

O.). Zusätzlich wur<strong>de</strong>n zweisprachige<br />

Wörterbücher als Hilfsmittel<br />

erlaubt (2005 nur einsprachige).<br />

Angesichts dieser Befun<strong>de</strong> wäre<br />

es angebracht, dass sich Schulsenator<br />

Rabe für seine irreführen<strong>de</strong>n<br />

Verlautbarungen über die angeblichen<br />

KESS-12-Ergebnisse gegenüber<br />

<strong>de</strong>r Öffentlichkeit entschuldigt.<br />

Man kann die Frage nach <strong>de</strong>r Qualität<br />

<strong>de</strong>s G9 und <strong>de</strong>s G8 sicher unter<br />

vielen Gesichtspunkten diskutieren.<br />

Aber man kann und darf nicht,<br />

wie Senator Rabe und Ex-Staatsrat<br />

Vieluf dies getan haben, versuchen,<br />

die Öffentlichkeit mit <strong>de</strong>r Behaup-<br />

23


tung zu täuschen, die KESS-12-Studie<br />

wür<strong>de</strong> bessere Leistungen <strong>de</strong>r<br />

G8-Abiturietnen belegen.<br />

Umso schlimmer ist es, dass <strong>de</strong>n<br />

Hamburger Abiturientinnen und Abiturienten<br />

<strong>de</strong>s Abi-Jahrgangs 2014<br />

jetzt auch noch das <strong>de</strong>zentrale<br />

„Rabe-Abitur-Light“ 2014 bevorsteht.<br />

( nformationen <strong>de</strong>r Hamburger Volksinitiative<br />

„Wir wollen lernen!“)<br />

Umschul<strong>de</strong>n und Investieren zu attraktiven Konditionen<br />

Einen lang gehegten Wunsch erfüllen, in die eigenen vier Wän<strong>de</strong> investieren – o<strong>de</strong>r sich einfach mehr Liquidität trotz<br />

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ab 4,19 Prozent nominal beziehungsweise<br />

4,90 Prozent effektiv) sorgen<br />

dafür, dass nach einer Umschuldung<br />

die Monatsrate in <strong>de</strong>r Regel <strong>de</strong>utlich<br />

sinkt – mitunter bis um die Hälfte.<br />

Abgesehen davon ist das Beamtendarlehen<br />

natürlich auch eine attraktive<br />

Möglichkeit, Anschaffungen zu<br />

beson<strong>de</strong>rs niedrigen Monatsraten<br />

zu finanzieren. Ein Teil <strong>de</strong>r monatlichen<br />

Abbuchung fließt übrigens in<br />

eine Rentenversicherung; sie dient<br />

zur Tilgung <strong>de</strong>s Darlehens am En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Laufzeit (dbb-Mitglie<strong>de</strong>r erhalten<br />

auf <strong>de</strong>n Versicherungsbeitrag einen<br />

spürbaren Nachlass). Darlehensnehmer<br />

sind damit zum Stichtag nicht<br />

nur schul<strong>de</strong>nfrei, son<strong>de</strong>rn erhalten<br />

zu<strong>de</strong>m eine mögliche Überschussbeteiligung<br />

aus <strong>de</strong>r Rentenversicherung<br />

– oft einige tausend Euro.<br />

Sie sind Immobilien-Eigentümer und<br />

planen Verschönerungsmaßnahmen,<br />

einen Umbau o<strong>de</strong>r eine Renovierung?<br />

Auch hier macht das dbb vorsorgewerk<br />

ein Finanzierungsangebot,<br />

das sich mehr als sehen lassen<br />

kann: Mit <strong>de</strong>m Wüstenrot Turbodarlehen<br />

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bis zu 30.000 Euro verfügbar –<br />

übrigens ohne Grundschul<strong>de</strong>intrag.<br />

Auch Objektunterlagen sind nicht<br />

erfor<strong>de</strong>rlich. Lediglich für die Hälfte<br />

<strong>de</strong>s Betrags muss eine wohnwirtschaftliche<br />

Verwendung nachgewiesen<br />

wer<strong>de</strong>n. Solange die Anschaffung<br />

nicht länger als sechs Wochen<br />

zurück liegt – maßgebend ist das<br />

Rechnungsdatum –, gilt dies auch<br />

für bereits getätigte <strong>Ausgabe</strong>n. „dbb-<br />

Mitglie<strong>de</strong>r profitieren hier zusätzlich<br />

in Form von 50 Prozent Rabatt auf die<br />

Abschlussgebühr für <strong>de</strong>n Bausparvertrag,<br />

<strong>de</strong>r zur Tilgung eingesetzt<br />

wird“, erklärt Oliver Bochdam, Kun<strong>de</strong>nbetreuer<br />

<strong>de</strong>s dbb vorsorgewerk.<br />

Infokasten: Das dbb vorsorgewerk<br />

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Berater vor Ort vermittelt. Weitere<br />

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Klassen-Kampf<br />

Was ist dran am Feindbild <strong>de</strong>s faulen Lehrers?<br />

Ihr Ruf wird schlechter – und ihre Belastung größer: Lehrer müssen sich nicht nur an <strong>de</strong>r Tafel, son<strong>de</strong>rn auch vor Eltern,<br />

Direktoren und Behör<strong>de</strong>n beweisen. Wie arbeitet es sich unter diesem Druck?<br />

„Dreißig leere Augenpaare starren<br />

mich an. Im Klassenraum ist es<br />

mäuschenstill. Dann sagt <strong>de</strong>r Klassenstreber<br />

frech: „Ich weiß gar nicht,<br />

was Sie von mir wollen!“ Und ich renne<br />

zur Tür hinaus.<br />

24<br />

Das ist so ein Horrorszenario, das<br />

Max Steiner manchmal nachts immer<br />

noch nicht einschlafen lässt. Steiner<br />

hat das Referendariat geschmissen,<br />

obwohl er seine Fächer liebte,<br />

Deutsch und Englisch. Fachlich war<br />

er eine Eins. Aber das Klassenzimmer<br />

ist auch eine Bühne und wem<br />

das Angst einjagt, <strong>de</strong>r ist falsch in<br />

diesem Beruf. Steiner arbeitet heute<br />

in einem Verlag. Er sagt immer noch,<br />

er wäre sehr gerne Lehrer gewor<strong>de</strong>n.


Josephine Schiller ist da unbeschwerter.<br />

„Mir macht es total<br />

Spaß mit <strong>de</strong>n Schülern. Ich gehe<br />

je<strong>de</strong>n Tag aufs Neue optimistisch<br />

in die Klasse. Und ich freue mich<br />

immer auf meine Schüler!“ Seit<br />

Januar ist Schiller in ihrer Ausbildung<br />

als Lehrerin für Französisch<br />

und Spanisch. Ihr Referendariat<br />

macht sie an <strong>de</strong>r Voltaire Gesamtschule<br />

in Potsdam. Auch wenn sie<br />

sich „sehr wohlfühlt in <strong>de</strong>r Schule“:<br />

Die Kontrolle sei sehr stark als<br />

angehen<strong>de</strong> Lehrerin. „Wenn ich nie<br />

ein positives Feedback bekomme,<br />

macht mich das fertig. Und manchmal<br />

frage ich mich, für wen mache<br />

ich das jetzt eigentlich – für meine<br />

Ausbil<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r meine Schüler?“<br />

Schiller ist in Berlin-Pankow aufgewachsen,<br />

an ihrem Gymnasium gab<br />

es eine Französischlehrerin, ihretwegen<br />

entschloss sie sich damals: Das<br />

will ich auch, Lehrerin wer<strong>de</strong>n! „Sie<br />

schaffte es, uns alle total zu motivieren“,<br />

sagt Schiller. Es sind dann<br />

noch ein paar an<strong>de</strong>re Dinge dazwischengekommen,<br />

Schiller begann<br />

Landschaftsarchitektur zu studieren,<br />

dann arbeitete sie eine Weile mit<br />

psychisch Kranken. Und schließlich<br />

studierte sie doch in Potsdam auf<br />

Lehramt, bekam zwei Kin<strong>de</strong>r, heute<br />

sechs und eins. Und seit einigen<br />

Monaten steht sie nun wirklich vor<br />

<strong>de</strong>r Klasse und unterrichtet.<br />

„Es fühlt sich gut an“, sagt Schiller.<br />

„Wenn ich ausgeschlafen bin und<br />

gut vorbereitet, dann bin ich vor<br />

<strong>de</strong>r Klasse genau am richtigen Ort!“<br />

Obwohl sie 32 Jahre alt ist, fühle<br />

sie sich <strong>de</strong>n Schülern noch sehr<br />

nah. Gera<strong>de</strong> hat sie von ihrer Ausbildungslehrerin<br />

die Kritik zu hören<br />

bekommen, sie sei zu kumpelhaft,<br />

nicht streng genug. „Aber eigentlich<br />

<strong>de</strong>nke ich, die Schüler können das<br />

ganz gut annehmen.“ Es kommt ihr<br />

darauf an, zu vermitteln, dass hinter<br />

Sprache mehr steckt als nur Grammatik.<br />

Ein ganzes System eben.<br />

„Ich frage mich oft, was nehmen die<br />

Schüler jetzt mit?“<br />

Ist das Feindbild Lehrer ein Vorurteil?<br />

Lehrer seien „faule Säcke“, hatte<br />

<strong>de</strong>r einstige Bun<strong>de</strong>skanzler Gerhard<br />

Schrö<strong>de</strong>r einmal gesagt – und<br />

sich damit bei einem Großteil <strong>de</strong>r<br />

Deutschen nicht gera<strong>de</strong> verdächtig<br />

gemacht. Wer sonst hat zwölf<br />

Wochen Ferien im Jahr und, zumin<strong>de</strong>st<br />

an manchen Schulen und Tagen<br />

noch, mittags frei? Das <strong>de</strong>utsche Bildungssystem<br />

steht im europäischen<br />

Vergleich nicht gera<strong>de</strong> glänzend da.<br />

Bei Bildungsvergleichen schnei<strong>de</strong>n<br />

die einzelnen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r extrem<br />

unterschiedlich ab, mit Leistungsabstän<strong>de</strong>n<br />

von knapp drei Schuljahren<br />

– bei gleichaltrigen Schülern. Und in<br />

kaum einem Land ist die Abhängigkeit<br />

<strong>de</strong>s Schulerfolgs so stark mit <strong>de</strong>r<br />

sozialen Herkunft verbun<strong>de</strong>n wie in<br />

Deutschland. Sind daran die Lehrer<br />

schuld? Ist das Feindbild Lehrer<br />

ein Vorurteil – o<strong>de</strong>r entspricht es zu<br />

einem großen Teil <strong>de</strong>r Wahrheit?<br />

Lehrer sind „faule Säcke“<br />

Bun<strong>de</strong>skanzler a. D. Gerhard Schrö<strong>de</strong>r<br />

An diesem Herbstmorgen wird eine<br />

von Schillers Stun<strong>de</strong>n begutachtet.<br />

Ein ganzes Komitee sitzt in <strong>de</strong>m kleinen<br />

Klassenraum im dritten Stock<br />

eines quadratischen Gebäu<strong>de</strong>s in <strong>de</strong>r<br />

Potsdamer Innenstadt, Typ „Erfurt“,<br />

sanierter DDR-Plattenbau. Von <strong>de</strong>n<br />

Fluren gehen die grauen Türen ab,<br />

als ob sie zu Zellen führten. Trotz <strong>de</strong>s<br />

bedrücken<strong>de</strong>n Gebäu<strong>de</strong>s ist die Voltaire<br />

Gesamtschule überaus beliebt.<br />

Im vergangenen Jahr hätte die Direktorin<br />

je<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r knapp 1.000 Schulplätze<br />

dreimal vergeben können.<br />

Der Blick aus <strong>de</strong>m Klassenraum geht<br />

hinaus auf ein barockes Gebäu<strong>de</strong>:<br />

das große Militärwaisenhaus, in <strong>de</strong>m<br />

Friedrich Wilhelm I. vor knapp 300<br />

Jahren die Soldatenkin<strong>de</strong>r erziehen<br />

ließ. Ganz so preußisch geht es im<br />

Klassenraum gegenüber zwar nicht<br />

zu, doch <strong>de</strong>r Anblick <strong>de</strong>r Bewertungskommission<br />

ist Furcht einflößend. In<br />

<strong>de</strong>r hintersten Reihe <strong>de</strong>s Klassenzimmers<br />

bil<strong>de</strong>n Ausbildungslehrerin,<br />

Fachseminarleiterin, Hauptseminarleiter<br />

Björn Nölte und Direktorin<br />

Karen Pölk eine Phalanx, die Stifte<br />

gezückt. Schiller räumt die Tische zu<br />

vier Inseln zusammen, an <strong>de</strong>nen die<br />

Schüler gleich Gruppenarbeit leisten<br />

sollen. Je näher <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong>nbeginn<br />

rückt, <strong>de</strong>sto heftiger kaut sie auf ihrer<br />

Unterlippe herum.<br />

Nach wenigen Minuten ist das Urteil <strong>de</strong>r Direktorin klar<br />

Langsam tru<strong>de</strong>ln die Schüler ein,<br />

eine „Leistungs- und Begabtenklasse“.<br />

Nach <strong>de</strong>r zehnten Klasse wer<strong>de</strong>n<br />

sie direkt in die zwölfte springen<br />

und ihr Abitur ablegen. Schiller hat<br />

Pech. Die besten Schüler <strong>de</strong>r Klasse<br />

nehmen heute nicht an ihrem Unterricht,<br />

son<strong>de</strong>rn an <strong>de</strong>r Biologie-Olympia<strong>de</strong><br />

teil. Die Referendarin schaut<br />

auf das Komitee ihrer Gutachter. Sie<br />

muss sich ein bisschen so fühlen,<br />

als müsste sie gleich bei „Deutschland<br />

sucht <strong>de</strong>n Superstar“ vorsingen.<br />

Es ist zwar nur eine Probestun<strong>de</strong><br />

von 13. Doch die Beurteilungen<br />

<strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n die Hälfte <strong>de</strong>r<br />

Note <strong>de</strong>s Zweiten Staatsexamens<br />

ausmachen – und diese wie<strong>de</strong>rum<br />

wird entschei<strong>de</strong>n, ob Schiller eine<br />

Stelle bekommt.<br />

Sie verteilt Bonbons in <strong>de</strong>n Farben<br />

Grau, Gelb, Orange und Rot. In vier<br />

Gruppen sollen die Schüler unterschiedliche<br />

Aspekte zum französischen<br />

Schulsystem erarbeiten<br />

und es mit <strong>de</strong>m bran<strong>de</strong>nburgischen<br />

vergleichen. Authentisch wirkt Schiller<br />

schon, aber sie spricht leise,<br />

wirkt fahrig. Ein Schüler kommt zu<br />

spät und betritt ohne Entschuldigung<br />

<strong>de</strong>n Raum. „Schön, dass du<br />

kommst“, sagt Schiller. Die Direktorin<br />

schnauft leise. Auf Deutsch<br />

sagt sie: „Kann jemand kurz erklären,<br />

was wir gera<strong>de</strong> machen?“<br />

Deutsch zu sprechen in einer Klasse,<br />

25


die seit fünf Jahren Französisch lernt,<br />

gilt als Tabu. Nach wenigen Minuten<br />

ist das Urteil <strong>de</strong>r Direktorin klar.<br />

Schiller verkauft die Sprache nicht.<br />

Französisch muss man leben. Das<br />

Niveau ist zu gering, Schiller hat <strong>de</strong>n<br />

Leistungsstand <strong>de</strong>r Schüler nicht<br />

richtig eingeschätzt. Diese Schüler<br />

müssten als leistungsstarke Klasse<br />

noch intensiver geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n<br />

als eine normale Gymnasialklasse.<br />

„Das muss mehr rüberkommen“,<br />

sagt Pölk. Schiller erklärt zu viel, verfällt<br />

ins Deutsche, <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong>anteil <strong>de</strong>r<br />

Schüler ist zu gering. Man sieht: Die<br />

Schüler sind gelangweilt.<br />

Die Ausbildungslehrerin und die<br />

Fachseminarleiterin haben scheinbar<br />

abgeschaltet und unterhalten<br />

sich in Zimmerlautstärke. Schiller<br />

ist abgelenkt. Die Zeit rast, zumin<strong>de</strong>st<br />

für sie. Man fragt sich, wie die<br />

Situation jetzt an einer Problemschule<br />

mit sozial auffälligen Schülern<br />

aussähe. Es ist sicherlich nicht<br />

so, dass Schiller kein Potenzial hätte;<br />

ihre Metho<strong>de</strong> ist gut, sie macht<br />

Gruppenarbeit, Puzzles, die Gruppen<br />

müssen nach 20 Minuten wechseln,<br />

Schiller geht von Tisch zu Tisch<br />

und gibt Tipps. Natürlich könne sie<br />

sich zu einer guten Lehrerin entwickeln,<br />

sagt Pölk. Aber sie braucht<br />

mehr Zeit. Muss ihren Stil fin<strong>de</strong>n.<br />

Sich Respekt verschaffen, Konsequenz<br />

lernen.<br />

Schauspieler im Kleinen<br />

Gera<strong>de</strong> ist das Referendariat<br />

von zwei Jahren auf 18 Monate<br />

verkürzt wor<strong>de</strong>n – eine Sparmaßnahme.<br />

Das Bran<strong>de</strong>nburger<br />

Bildungsministerium will es<br />

in Kürze auf ein Jahr reduzieren.<br />

Die Ten<strong>de</strong>nz gibt es in nahezu<br />

allen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn.<br />

Wenn es heute schon so wäre,<br />

müsste Schiller schon ab Januar<br />

allein unterrichten. So hat sie<br />

ein weiteres volles Jahr Zeit. „Sie<br />

muss hart an sich arbeiten“, sagt<br />

Pölk.<br />

Es gibt Naturtalente, die bringen<br />

eine Lehrerpersönlichkeit mit.<br />

Und es gibt die, die dazulernen.<br />

Es gibt die Kreativen und es gibt<br />

die Stun<strong>de</strong>ngeber. Pölk hat schon<br />

„Für wen mache ich das eigentlich?“<br />

erlebt, dass sich ein Referendar<br />

innerhalb von zwei Jahren sehr gut<br />

entwickeln kann. Persönlichkeit ist<br />

in ihren Augen das Allerwichtigste.<br />

Sie berichtet von einem Chemielehrer,<br />

ein Körper wie ein Schrank,<br />

Harley-Fahrer, Knopf im Ohr,<br />

tiefe Stimme. „Der hat eine<br />

enorme Raumkompetenz“, sagt<br />

Pölk. „Die Schüler merken das<br />

natürlich sofort, wenn ein Lehrer<br />

keine natürliche Autorität hat.<br />

Dann wird <strong>de</strong>r Unterricht von <strong>de</strong>n<br />

Schülern gemanagt.“<br />

Ein Lehrer ist ein Schauspieler im<br />

Kleinen. Man muss <strong>de</strong>n Auftritt<br />

mögen o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st kein Problem<br />

damit haben. Diese Facette<br />

hat bei <strong>de</strong>n Uni-Absolventen<br />

nach durchschnittlich sechs Jahren<br />

Studium und Erstem Staatsexamen<br />

aber noch nie jemand getestet.<br />

Erst im Referendariat steht die Lehrerpersönlichkeit<br />

auf <strong>de</strong>m Prüfstand.<br />

Die Ausbildung in Bran<strong>de</strong>nburg gilt als gut<br />

Das Lan<strong>de</strong>sinstitut für Lehrerausbildung<br />

Bran<strong>de</strong>nburg liegt in einer<br />

Potsdamer Villa mit Seeblick. 18<br />

Referendare betreten schwatzend<br />

und lachend <strong>de</strong>n kleinen Raum mit<br />

<strong>de</strong>r Schiefertafel. Heute ist drei Stun<strong>de</strong>n<br />

Hauptseminar, in <strong>de</strong>m die angehen<strong>de</strong>n<br />

Lehrer lernen sollen, wie sie<br />

pädagogisch klug mit ihren Schülern<br />

umgehen, jenseits ihrer jeweiligen<br />

Fachkenntnisse. Die Referendare<br />

sind zwischen 23 und 46 Jahren alt,<br />

von Sport- bis Mathelehrer ist alles<br />

dabei. Heute steht das Thema „Erziehungs-<br />

und Ordnungsmaßnahmen“<br />

auf <strong>de</strong>m Programm – o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rs<br />

ausgedrückt: Wie gehe ich damit um,<br />

wenn sich ein Schüler komplett danebenbenimmt,<br />

stört, im schlimmsten<br />

Fall gewalttätig wird?<br />

Hauptseminarleiter Björn Nölte verteilt<br />

die entsprechen<strong>de</strong>n Paragrafen<br />

26<br />

aus <strong>de</strong>m Bran<strong>de</strong>nburger Schulgesetz<br />

über Konfliktschlichtung. Die<br />

Referendare sollen ein sogenanntes<br />

Strukturbild entwerfen, die 15 zentralen<br />

Begriffe an die Tafel heften und in<br />

eine Ordnung bringen – eine Metho<strong>de</strong>,<br />

die sie später in ihrem Unterricht<br />

anwen<strong>de</strong>n können. Jetzt aber sind<br />

sie die Schüler.<br />

Die Ausbildung in Bran<strong>de</strong>nburg gilt<br />

als beson<strong>de</strong>rs gut. Gera<strong>de</strong> haben ost<strong>de</strong>utsche<br />

Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r im Bildungsvergleich<br />

vor allem in <strong>de</strong>n Fächern<br />

Mathe, Physik, Bio und Chemie<br />

beson<strong>de</strong>rs gut abgeschnitten, besser<br />

als <strong>de</strong>r sonstige Klassenprimus<br />

Bayern. Eines <strong>de</strong>r Schlusslichter: Berlin.<br />

Hier muss <strong>de</strong>r Referendar sofort<br />

– ohne Zweites Staatsexamen, ohne<br />

pädagogische Qualifikation – bis zu<br />

16 Stun<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Woche eigenständig<br />

unterrichten. „Bedarfs<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>r<br />

Unterricht“ heißt das in <strong>de</strong>r Fachsprache.<br />

In Bran<strong>de</strong>nburg hingegen beginnt<br />

je<strong>de</strong>r Referendar mit vier Stun<strong>de</strong>n<br />

Unterricht und erweitert langsam<br />

auf acht Stun<strong>de</strong>n maximal. Je<strong>de</strong>r<br />

angehen<strong>de</strong> Lehrer hat einen sogenannten<br />

Ausbildungslehrer an seiner<br />

Schule, <strong>de</strong>n er um Rat fragen kann,<br />

<strong>de</strong>r seinen Unterricht besucht, ihn<br />

berät, inspiriert, mit Tipps versorgt.<br />

„An manchen Schulen wer<strong>de</strong>n die<br />

Referendare als billiges Vertretungsmaterial<br />

eingesetzt, das geht natürlich<br />

zulasten <strong>de</strong>r Ausbildung“, sagt<br />

Nölte. „Da geht es dann nur noch<br />

darum, halbwegs zu überleben. Wer<br />

nicht vernünftig reflektiert wird, hat<br />

eine <strong>de</strong>utlich geringere Chance, von<br />

Beginn an selbstbewusst <strong>de</strong>n Schülern<br />

gegenüberzutreten.“


„Keine Sitzung ohne Tränen“<br />

Nölte erzählt von seiner eigenen<br />

Ausbildung vor zwölf Jahren. „Mein<br />

Referendariat in Berlin fand unter<br />

schrecklichen Bedingungen statt“,<br />

sagt Nölte. „Keine Sitzung ging ohne<br />

Tränen vorüber. Eigentlich musste<br />

je<strong>de</strong> Woche jemand in psychische<br />

Betreuung.“ Nölte sieht in <strong>de</strong>n Raum,<br />

in <strong>de</strong>m die Referendare diskutieren,<br />

bunte Zettel an die Tafel pinnen. „Das<br />

sieht hier friedlich aus, aber die psychische<br />

Belastung ist unheimlich<br />

groß. Der Schulleiter, <strong>de</strong>r Fachseminarleiter,<br />

<strong>de</strong>r Ausbildungslehrer, <strong>de</strong>r<br />

Hauptseminarleiter, alle beäugen <strong>de</strong>n<br />

Referendar, er muss allen Herren dienen,<br />

andauernd die Rollen wechseln,<br />

vom Chef vor <strong>de</strong>n Schülern wie<strong>de</strong>r<br />

zum Schüler vor <strong>de</strong>n eigenen Ausbil<strong>de</strong>rn<br />

wer<strong>de</strong>n.“ Vor allem das ständige<br />

Beobachtetwer<strong>de</strong>n mache <strong>de</strong>n Lehramtskandidaten<br />

sehr zu schaffen.<br />

Viele haben zu<strong>de</strong>m Angst vor <strong>de</strong>m<br />

Gang in die Klasse. Ansehen könne<br />

man es <strong>de</strong>n Leuten aber nicht, wer<br />

gut in <strong>de</strong>r Klasse zurechtkäme und<br />

wer nicht. „Die ängstlichsten Häschen<br />

haben vor <strong>de</strong>n Schülern kein<br />

Problem“, sagt Nölte.<br />

Auf die Unterstützung <strong>de</strong>r Kollegen<br />

können die Lehramtskandidaten<br />

nicht immer zählen. Die Ausbildungslehrer<br />

müssen die Betreuung<br />

<strong>de</strong>r Referendare zusätzlich übernehmen<br />

und sind in <strong>de</strong>n meisten Fällen<br />

dafür gar nicht qualifiziert.<br />

In Kürze wird im Riva-Verlag ein<br />

Buch erscheinen, das <strong>de</strong>n Untertitel<br />

„Referendare erzählen von ihrem<br />

täglichen Klassen-Kampf“ trägt. 38<br />

Referendare aus ganz Deutschland<br />

schil<strong>de</strong>rn darin, wie es ihnen im<br />

„Pädagogik Bootcamp“ ergangen<br />

ist.<br />

„Früher haben Schüler noch or<strong>de</strong>ntlich<br />

gelernt. Aber dann durften<br />

irgendwann auch Frauen unterrichten.<br />

Und die wollen immer nur spielen.“<br />

Das etwa war <strong>de</strong>r Kommentar<br />

von Studienrat Gessner, Mentor<br />

für die Referendarin Carina Huber<br />

an einem Würzburger Gymnasium,<br />

nach einem Stun<strong>de</strong>nbesuch. Nach<strong>de</strong>m<br />

Huber es mit <strong>de</strong>r Verteidigung<br />

versuchte, dass sie das Passé composé<br />

noch nicht in die Französischarbeit<br />

für die achte Klasse aufnehmen<br />

wollte, weil es im Lehrplan erst<br />

ein Jahr später steht, sagte Gessner:<br />

„Was maßen Sie sich an? Ich frage<br />

mich wirklich, wo Sie junge Frau Ihr<br />

Selbstbewusstsein hernehmen, mir<br />

zu wi<strong>de</strong>rsprechen!“ So zumin<strong>de</strong>st<br />

beschreibt es Huber.<br />

Im ehemaligen Osten kommt noch<br />

eine weitere Beson<strong>de</strong>rheit hinzu:<br />

Ältere Lehrer kennen diese Art <strong>de</strong>r<br />

Ausbildung nicht, in <strong>de</strong>r DDR gab<br />

es kein Referendariat, dafür ein praxisnahes<br />

Studium. Manche Ausbildungslehrer<br />

treten <strong>de</strong>n Referendaren<br />

also mit einer gehörigen Portion<br />

Skepsis entgegen. Dabei sind die<br />

Bran<strong>de</strong>nburger Referendare fachlich<br />

alle hoch qualifiziert. „Die haben<br />

„Nein, Torben-Jasper, du hast keinen<br />

Telefonjoker.“ Erscheint im Riva-Verlag<br />

hier alle ein Einser-Examen“, sagt<br />

Nölte und <strong>de</strong>utet in <strong>de</strong>n Raum. Allein<br />

in Potsdam bewerben sich auf eine<br />

Stelle acht, neun Kandidaten. Nur<br />

die besten bekommen einen Platz.<br />

Quelle: welt.<strong>de</strong>, 04.11.2013<br />

Die Fortsetzung dieses Artikels fin<strong>de</strong>n<br />

Sie in <strong>de</strong>r nächsten <strong>Ausgabe</strong><br />

unserer Verbandszeitschrift.<br />

Reformpädagogik<br />

Meine Lehrer waren pädophile Weltverbesserer<br />

Lehrer mit Latzhosen, Stirnband und „Atomkraft? Nein danke“-Ansteckern. Doch sie sahen Kin<strong>de</strong>r als Spielzeug,<br />

eine falsch verstan<strong>de</strong>ne Liberalität. Erinnerungen an die reformpädagogische Schule.<br />

Die Freie Volksschule Basel (FVB)<br />

war eine jener reformpädagogischen<br />

Schulen, wie sie im Zuge <strong>de</strong>r linksgrünen<br />

Bewegung <strong>de</strong>r Achtzigerjahre<br />

Mo<strong>de</strong> waren. Von 1982 bis 1984<br />

war ich Schülerin <strong>de</strong>r FVB. Beim Eintritt<br />

war ich acht Jahre alt. Erfolgsdruck<br />

und Noten gab es keine. Mehr<br />

o<strong>de</strong>r weniger konnte je<strong>de</strong>r tun, was<br />

er wollte. Spaß machte das trotz<strong>de</strong>m<br />

nicht.<br />

So begann ein Spaziergang im Wald<br />

zum Beispiel mit <strong>de</strong>m Hinweis, dass<br />

wir gut hinhören sollten, <strong>de</strong>nn vielleicht<br />

wer<strong>de</strong> schon bald kein einziger<br />

Vogel mehr zwitschern. Monatelang<br />

stand das Thema Waldsterben auf<br />

<strong>de</strong>r Tagesordnung. Mit neun Jahren<br />

war ich überzeugt, dass es irgendwann,<br />

wenn ich groß bin, auf dieser<br />

Welt keine Bäume mehr geben wird.<br />

Warum konnte man uns nicht auf<br />

die Schönheiten <strong>de</strong>r Natur hinweisen<br />

und uns auf diese Weise<br />

Respekt vor <strong>de</strong>r Umwelt beibringen?<br />

Statt<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong> uns auf<br />

penetrant indoktrinieren<strong>de</strong> Weise<br />

eine links-grüne I<strong>de</strong>ologie eingehämmert,<br />

nach <strong>de</strong>m Motto: Die Welt<br />

ist ein ziemlich beschissener Ort,<br />

und wenn wir nicht alles in unserer<br />

Macht Stehen<strong>de</strong> tun, wird es noch<br />

beschissener.<br />

27


„So harmlos waren sie nicht“<br />

Aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r Weltverbesserer<br />

ist das Böse immer woan<strong>de</strong>rs. Im<br />

Kapitalismus, in <strong>de</strong>r freien Marktwirtschaft,<br />

in <strong>de</strong>n Atomkraftwerken.<br />

Ich war umzingelt von Rettern<br />

und Augenöffnern. Die Lehrer rannten<br />

in Latzhosen und mit Stirnbän<strong>de</strong>rn<br />

herum, und von überall lachte<br />

mich die rote Sonne <strong>de</strong>r „Atomkraft?<br />

Nein danke“-Anstecker an.<br />

Doch so harmlos, wie alle aussahen,<br />

waren sie dann lei<strong>de</strong>r nicht.<br />

So fand es zum Beispiel niemand störend,<br />

dass ein Lehrer – <strong>de</strong>r toll Gitarre<br />

und Mundharmonika spielen konnte<br />

und je<strong>de</strong>n Morgen aus vollem Halse<br />

„Kumbaya“ sang – <strong>de</strong>n Mädchen<br />

im Unterricht in <strong>de</strong>n langen Haaren<br />

wühlte o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Schulausflug ins<br />

Ba<strong>de</strong>zimmer reinkam und uns beim<br />

Abtrocknen half. Man war ja tolerant.<br />

Befreit von Scham. Grenzenlos.<br />

Am liebsten hatte man damals die<br />

Kin<strong>de</strong>r wie auf <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn von David<br />

Hamilton. Unbeschwert und nackt.<br />

Die Wän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n WGs und Kommunen<br />

waren damit tapeziert. Kin<strong>de</strong>r<br />

waren allzeit zur Verfügung stehen<strong>de</strong><br />

sexuelle Projektionsflächen.<br />

Niemand störte sich daran. Das<br />

war <strong>de</strong>r links-grüne Mainstream,<br />

<strong>de</strong>r Zeitgeist, <strong>de</strong>m weite Teile <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft zustimmten. Im Zuge<br />

<strong>de</strong>r sexuellen Revolution wur<strong>de</strong>n die<br />

Erwachsenen vor allem von einem<br />

befreit: von ihrer Verantwortung.<br />

„Die Mehrheit <strong>de</strong>r Opfer bleibt stumm“<br />

Ist doch interessant, mal schauen,<br />

wie sie reagieren – solche Sätze<br />

müssen ihrem Unterricht vorausgegangen<br />

sein. Im Vor<strong>de</strong>rgrund stan<strong>de</strong>n<br />

die Interessen und <strong>de</strong>r Voyeurismus<br />

<strong>de</strong>r Erwachsenen. In <strong>de</strong>n<br />

links-grünen Kommunen <strong>de</strong>r Siebziger-<br />

und Achtzigerjahre lebten Kin<strong>de</strong>r<br />

hochgefährlich. Frei fühlten sich<br />

vor allem die Erwachsenen, die in<br />

einer falsch verstan<strong>de</strong>nen Liberalität<br />

sämtliche Grenzen überschritten.<br />

Die Mehrheit <strong>de</strong>r Opfer bleibt<br />

stumm. Bis an ihr Lebensen<strong>de</strong>. Es<br />

gehört zur Perfidität und Gemeinheit<br />

sexuellen Missbrauchs, dass<br />

es einer außeror<strong>de</strong>ntlichen Überwindung<br />

bedarf, <strong>de</strong>n Mund aufzumachen.<br />

Zu überwältigend ist <strong>de</strong>r<br />

Ekel, zu groß die Scham. Der Terror<br />

<strong>de</strong>r Peiniger wirkt lebenslänglich.<br />

Die gefährliche Verharmlosung sexuellen<br />

Missbrauchs an Kin<strong>de</strong>rn zeigt<br />

sich in <strong>de</strong>r Behauptung <strong>de</strong>r Grünen,<br />

solche Fälle seien nur vereinzelt vorgekommen.<br />

Vielmehr liegt die Vermutung<br />

nahe, dass in einer Zeit, in<br />

<strong>de</strong>r sich Pädophile frei wie nie ausleben<br />

konnten, Übergriffe flächen<strong>de</strong>ckend<br />

stattgefun<strong>de</strong>n haben. Den<br />

Grünen ist es zu verdanken, dass<br />

Umweltschutz auf politischer Ebene<br />

ein Thema wur<strong>de</strong>.<br />

Ein Schlag ins Gesicht <strong>de</strong>r Betroffenen<br />

Gleichzeitig haben sie mit ihrer For<strong>de</strong>rung,<br />

Pädophilie zu legalisieren,<br />

einem Verbrechen Tür und Tor geöffnet.<br />

Sie zeigten Respekt vor Bäumen,<br />

doch Kin<strong>de</strong>r waren Experimentiermaterial,<br />

Spielzeug, mit <strong>de</strong>m man<br />

machen konnte, was man wollte.<br />

Dieser Wi<strong>de</strong>rspruch ist unerträglich,<br />

ihm liegt eine fundamental verlogene<br />

Weltsicht zugrun<strong>de</strong>. Die Masken<br />

fallen mit <strong>de</strong>r kühlen Logik, mit <strong>de</strong>r<br />

ein Kartenhaus zusammenbricht.<br />

Die erste Aussage Jürgen Trittins,<br />

die Sache liege doch schon fast<br />

über ein Vierteljahrhun<strong>de</strong>rt zurück,<br />

war ein Schlag ins Gesicht all<br />

jener, die damals Missbrauch erleben<br />

mussten. Für ein Opfer sexueller<br />

Gewalt dauert ein Vierteljahrhun<strong>de</strong>rt<br />

vielleicht nur gefühlte fünf<br />

Minuten. Die unerträglich dummen<br />

Sätze, die gesagt wur<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>r Umgang mit dieser Schan<strong>de</strong>,<br />

sind ein Skandal für sich.<br />

Dabei glaubt man, alles richtig zu<br />

machen: Husch, husch – schnell ein<br />

paar Wissenschaftler herholen, die<br />

wer<strong>de</strong>n es mit ihren Studien schon<br />

richten. Die Aufarbeitung. Diese<br />

wür<strong>de</strong> aber ganz woan<strong>de</strong>rs anfangen.<br />

Wie wäre es mit konkreter Reue<br />

und Opferhilfe? Das hat man nicht<br />

gelernt.<br />

„Weltverbesserer sind vor allem lernresistent“<br />

Die Vorstellung, dass man an <strong>de</strong>m<br />

Schlechten in <strong>de</strong>r Welt auch selber<br />

schuld sein könnte: Es übersteigt<br />

das geistige Fassungsvermögen<br />

<strong>de</strong>r Gutmenschen, dass<br />

sie vielleicht in Wahrheit gar nicht<br />

so gut sind. Die Weltverbesserer<br />

sind vor allem eines: lernresistent.<br />

Lieber zeigt man sich empört.<br />

Wie Claudia Roth, die allen Ernstes<br />

zurückmaulte, dass man <strong>de</strong>n über<br />

alles erhabenen Grünen – die sich<br />

nach wie vor als Retter <strong>de</strong>r Welt ver-<br />

28<br />

„Spätestens<br />

morgen“,<br />

Zoë Jennys<br />

neuer<br />

Erzählband<br />

Die Schriftstellerin Zoë Jenny kam<br />

1974 in Basel zur Welt. Ihr größter<br />

literarischer Erfolg, „Das Blütenstaubzimmer“,<br />

erschien 1997 und<br />

wur<strong>de</strong> in 27 Sprachen übersetzt.<br />

Nun ist ihr Erzählband „Spätestens<br />

morgen“ erschienen.


stehen – sicher nichts über Moral<br />

erklären müsse. Klar, <strong>de</strong>nn das Böse<br />

und Monströse ist ja immer woan<strong>de</strong>rs.<br />

In <strong>de</strong>r Psychologie nennt man<br />

das Projektion. Im Extremfall gipfelt<br />

es in <strong>de</strong>r Metapher <strong>de</strong>s Narziss,<br />

<strong>de</strong>r selbstverliebt ins Wasser starrt,<br />

auf sein Spiegelbild – und dabei<br />

ertrinkt. Die Grünen sind gera<strong>de</strong>zu<br />

besessen von ihrem Spiegelbild.<br />

Latzhose und Stirnband wur<strong>de</strong>n<br />

gegen Hemd und Krawatte eingetauscht,<br />

doch die Weltsicht und die<br />

selbstgefällige Arroganz sind dieselben<br />

geblieben. Ein Vierteljahrhun<strong>de</strong>rt<br />

und kein Schritt weiter. Die FVB,<br />

die Freie Volksschule Basel, wur<strong>de</strong><br />

nur wenige Jahre später wegen<br />

„interner Krisen“ geschlossen, das<br />

Schulgebäu<strong>de</strong> abgerissen. Zwei<br />

Jahrzehnte später, bei einem Klassentreffen,<br />

war kein einziger Lehrer<br />

zugegen. Ratlos saß man am Tisch.<br />

Allesamt waren sie entwe<strong>de</strong>r ausgewan<strong>de</strong>rt,<br />

verstorben o<strong>de</strong>r unauffindbar.<br />

Als hatten sie sich aus <strong>de</strong>m<br />

Staub gemacht.<br />

Quelle: welt.<strong>de</strong>, 14.10.2013<br />

Mit <strong>de</strong>r Schul-E-Mail aufs Pornoportal<br />

Hamburger Gymnasium stattet Fünftklässler mit E-Mail-Adressen aus. Die Eltern wer<strong>de</strong>n nicht gefragt und haben dank<br />

Passwortschutz keine Kontrolle über Netzaktivitäten ihrer Kin<strong>de</strong>r.<br />

HAMBURG taz | Verena Dulk* traute<br />

ihren Augen nicht. Durch Zufall ent<strong>de</strong>ckte<br />

die 43-jährige Mutter, dass<br />

sich ihr zwölfjähriger Sohn Florian*<br />

bei einem Porno-Portal angemel<strong>de</strong>t<br />

hatte. Dabei hatte sie Florian untersagt,<br />

einen eigenen E-Mail-Account<br />

einzurichten, da dieser ihm <strong>de</strong>n Weg<br />

auf alle möglichen Internet-Seiten<br />

ebnen könnte. Doch das Verbot lief<br />

ins Leere. Die E-Mail-Adresse, mit<br />

<strong>de</strong>r sich <strong>de</strong>r Junge einloggte, hatte<br />

er von seiner Schule erhalten.<br />

Am Gymnasium Allee in Hamburg-<br />

Altona erhalten SchülerInnen schon<br />

seit Jahren gleich mit Eintritt in die<br />

Schule eine E-Mail-Adresse, die aus<br />

<strong>de</strong>m Vor-, <strong>de</strong>m Nachnahmen und<br />

seit diesem Jahr <strong>de</strong>m Zusatz „gymallee.<strong>de</strong>“<br />

besteht. Mit ihr sollen die<br />

SchülerInnen lernen, im schuleigenen<br />

Intranet miteinan<strong>de</strong>r zu kommunizieren<br />

und Lehrinhalte abzurufen.<br />

Filter verhin<strong>de</strong>rn, dass die Kin<strong>de</strong>r<br />

von <strong>de</strong>n Schulrechnern aus Internet-Seiten<br />

besuchen, auf <strong>de</strong>nen sie<br />

nichts zu suchen haben.<br />

Doch dass die SchülerInnen mit<br />

einer eigenen E-Mail-Adresse –<br />

die gespickt ist mit personenbezogenen<br />

Daten – ausgestattet wer<strong>de</strong>n,<br />

mit <strong>de</strong>r sie sich von an<strong>de</strong>ren Geräten<br />

aus in sozialen Netzwerken und<br />

unterschiedlichsten Portalen anmel<strong>de</strong>n<br />

können – und dies zum Teil auch<br />

nachweisbar tun – stößt einigen<br />

Eltern sauer auf. „Mir wird hier von<br />

<strong>de</strong>r Schule eine zusätzliche Kontrollpflicht<br />

aufgebür<strong>de</strong>t und gleichzeitig<br />

die Kontrolle vollständig aus <strong>de</strong>r<br />

Hand genommen“, klagt Dulk. Denn<br />

selbst wenn die Eltern wollten, sie<br />

könnten ihre Kin<strong>de</strong>r nur kontrollieren,<br />

wenn diese ihnen das Passwort<br />

preisgeben, das ihren Account vor<br />

unbefugtem Zugriff schützen soll.<br />

Die Mutter ärgert zu<strong>de</strong>m, dass sie<br />

zwar per Elternbrief über die E-Mail-<br />

Adressen informiert wur<strong>de</strong>, mitre<strong>de</strong>n<br />

aber durfte sie nicht. Es könne<br />

„nicht sein, dass uns bei diesem<br />

sensiblen Thema nur <strong>de</strong>r Weg bleibt,<br />

per Beschwer<strong>de</strong> zu intervenieren“.<br />

Die Mutter einer Elfjährigen ergänzt:<br />

„Wir wissen, dass sich in sozialen<br />

Netzwerken auch viele Männer mit<br />

pädophilen Neigungen tummeln –<br />

<strong>de</strong>nen wird über die E-Mail-Adresse<br />

<strong>de</strong>r komplette Name und <strong>de</strong>r Schulstandort<br />

gleich frei Haus geliefert.“<br />

Schulleiter Ulf Nehe hingegen<br />

betont, „dass allen Schülerinnen<br />

und Schülern gesagt wur<strong>de</strong>, dass<br />

sie ihre E-Mail-Adresse nur für die<br />

schulinterne Kommunikation nutzen<br />

sollen“. Eine Botschaft, die offenbar<br />

nicht bei je<strong>de</strong>m Pennäler angekommen<br />

ist. Zwar stellt das Thema Medienkompetenz<br />

einen Schwerpunkt im<br />

Unterrichtsstoff <strong>de</strong>s Gymnasiums<br />

dar, nur bekommen die Fünftklässler<br />

zuerst eine eigene E-Mail-Adresse<br />

und dann erst die Kompetenz vermittelt,<br />

sich sicher und möglichst<br />

gefahrenlos im World Wi<strong>de</strong> Web zu<br />

bewegen.<br />

Ulf Nehe sind solche Klagen „neu“.<br />

Über <strong>de</strong>n Elternrat seien „solche<br />

Be<strong>de</strong>nken bislang nicht an die<br />

Schule herangetragen“ wor<strong>de</strong>n.<br />

Im Gegenteil: „Viele Eltern haben<br />

uns gebeten, mit medienpädagogischem<br />

Unterricht bereits in <strong>de</strong>r<br />

fünften Klasse zu beginnen, weil<br />

sich dann schon viele Kin<strong>de</strong>r im Netz<br />

tummeln.“<br />

Die Schulleitung will aber nun zeitnah<br />

das Thema in <strong>de</strong>n Elternrat bringen.<br />

Der Elternratsvorsitzen<strong>de</strong> Sven<br />

Sternsdorff sagt, „dass uns bislang<br />

keine Klagen über die E-Mail-Adressen<br />

zu Ohren gekommen sind“.<br />

Die sind an <strong>de</strong>n Schulen inzwischen<br />

ohnehin weit verbreitet. So bestätigt<br />

Susanne Schrammar, Sprecherin<br />

<strong>de</strong>s Nie<strong>de</strong>rsächsischen Kultusministeriums,<br />

dass rund 800 <strong>de</strong>r 3.200<br />

Schulen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>n Schulserver<br />

IServ, an <strong>de</strong>n auch das Hamburger<br />

Gymnasium angeschlossen ist,<br />

nutzen und die Kin<strong>de</strong>r E-Mail-Adressen<br />

erhalten. Allerdings: „Die Eltern<br />

müssen ihr ausdrückliches Einverständnis<br />

erklären.“<br />

Das bestätigt auch Peter Albrecht,<br />

Sprecher <strong>de</strong>r Hamburger Schulbehör<strong>de</strong>:<br />

„Eine Verpflichtung zur Einrichtung<br />

von E-Mail-Accounts für<br />

Schüler ist datenschutzrechtlich<br />

nicht zulässig. E-Mail-Accounts<br />

können nur mit Einwilligung <strong>de</strong>r Sorgeberechtigten<br />

auf freiwilliger Basis<br />

genutzt wer<strong>de</strong>n.<br />

*Name geän<strong>de</strong>rt.<br />

Quelle: 05.11.13 – taz.<strong>de</strong><br />

29


Film-Tipp<br />

Warum Noten und Abschlüsse unglücklich machen –<br />

Rezension zum Kinofilm „Alphabet“: Das Leid <strong>de</strong>r Erfolgreichen<br />

Erschöpft, unzufrie<strong>de</strong>n, verängstigt: Das Bildungssystem macht Kin<strong>de</strong>r zu Verlierern - starke wie schwache Schüler.<br />

So lautet die These <strong>de</strong>s Dokumentarfilms „Alphabet“, gedreht vom Regisseur von „We feed the World“. Er zeigt,<br />

warum Noten und Abschlüsse unglücklich machen.<br />

Kleine Mädchen kauen auf ihren Fingerkuppen.<br />

Einem schmalen Jungen<br />

fallen auf <strong>de</strong>m Weg zwischen Schule<br />

und Nachhilfeunterricht im Bus die<br />

Augen zu. Als seine Großmutter ihm<br />

später zu Hause eine Medaille <strong>de</strong>r<br />

Mathe-Olympia<strong>de</strong> umhängt, zeigt<br />

er keine Regung. „Gewinn‘ noch ein<br />

paar!“, sagt sie.<br />

Chinesische Schüler sind weltweit<br />

die besten, zeigt die internationale<br />

Bildungsstudie Pisa. Chinesische<br />

Schüler lei<strong>de</strong>n weltweit unter <strong>de</strong>m<br />

höchsten Prüfungsdruck, sie lernen<br />

am meisten, sie schlafen am<br />

wenigsten, und sie verspüren das<br />

geringste Glücksgefühl, zeigen<br />

an<strong>de</strong>re Studien. Chinesische Schüler<br />

sind angespannte, <strong>de</strong>primierte<br />

Lernmaschinen, zeigt <strong>de</strong>r neue<br />

Dokumentarfilm <strong>de</strong>s Österreichers<br />

Erwin Wagenhofer.<br />

„Alphabet“ ist <strong>de</strong>r letzte Teil von<br />

Wagenhofers Trilogie, die mit „We<br />

feed the World“ und „Let‘s make<br />

Money“ bereits die globalisierte Nahrungsmittelindustrie<br />

und die internationalen<br />

Geldmärkte aus einem<br />

an<strong>de</strong>ren, aufrütteln<strong>de</strong>n Blickwinkel<br />

gezeigt hat. Nun hat sich einer <strong>de</strong>r<br />

einflussreichsten Dokumentarfilmer<br />

das Bildungssystem vorgenommen.<br />

Die Botschaft: Wer nur auf Leistung,<br />

Noten und Zertifikate setzt, zerstört<br />

kindliche Kreativität, Wissbegier<strong>de</strong><br />

und letztlich Genialität. Noch schlimmer:<br />

Das kompetitive Schulsystem,<br />

so wie es jetzt ist, kann junge, gesun<strong>de</strong>,<br />

fröhliche Menschen zerstören.<br />

„Zurzeit herrscht die Haltung: Alles,<br />

was nicht sofort einen wirtschaftlichen<br />

Nutzen abwirft, ist sinnlos“,<br />

sagt Wagenhofer. „Menschen tun<br />

nicht, was sie am liebsten tun und<br />

am besten können. Sie tun, was sie<br />

<strong>de</strong>nken, tun zu müssen. Das ist ein<br />

Wahnsinn, <strong>de</strong>n viele nur mit Psychopharmaka<br />

überstehen.“<br />

„Mein Kopf ist voll, zu voll“<br />

Um diese These zu beweisen,<br />

schickt „Alphabet“ <strong>de</strong>n Zuschauer<br />

auf eine Reise nach Asien, Europa<br />

und Südamerika.<br />

Es geht nach China, in das Land<br />

<strong>de</strong>r mü<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r,<br />

in <strong>de</strong>m, so<br />

Experten, Suizid<br />

die häufigste<br />

To<strong>de</strong>sursache<br />

bei jungen Menschen<br />

ist. „Die<br />

chinesischen<br />

Schüler benei<strong>de</strong>n<br />

ihre Eltern<br />

darum, dass sie<br />

abends fernsehen<br />

und am<br />

Wochenen<strong>de</strong> ausschlafen können“,<br />

erzählt ein Pädagogikprofessor<br />

aus Peking.<br />

Es geht nach Hamburg, in eine <strong>de</strong>r<br />

reichsten Städte in einem <strong>de</strong>r reichsten<br />

Län<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Welt. „Mein Leben<br />

ist die Schule. Etwas muss falsch<br />

gelaufen sein. Mein Kopf ist voll, zu<br />

voll“, liest eine Hamburger Gymnasiastin<br />

aus einem offenen Brief vor,<br />

<strong>de</strong>n sie aus Verzweiflung geschrieben<br />

hat. Die Schülerin hat keine Zeit<br />

für sich o<strong>de</strong>r für Hobbys. Ihr Wunsch:<br />

mal wie<strong>de</strong>r die Sonne sehen.<br />

30<br />

Und es geht zur künftigen Wirtschaftselite:<br />

Junge, smarte Absolventen<br />

von <strong>de</strong>n Top-Unis <strong>de</strong>r Welt<br />

treffen beim „CEO of the Future“<br />

aufeinan<strong>de</strong>r, einem Wettbewerb<br />

für Nachwuchsmanager. „Ich fin<strong>de</strong><br />

es schön, wenn alle so richtig viel<br />

und hart arbeiten wollen“, sagt eine<br />

Teilnehmerin. „Leistungsorientiertheit,<br />

alles an<strong>de</strong>re ist egal“, sagt ein<br />

an<strong>de</strong>rer.<br />

Das Lebensziel <strong>de</strong>r Besten <strong>de</strong>r<br />

Besten besteht offenbar nur<br />

darin, nach immer mehr Auszeichnungen,<br />

Erfolg und <strong>de</strong>m<br />

wöchentlichen Arbeitszeitrekord<br />

zu streben. Und die Lemminge<br />

sind nicht einmal zufrie<strong>de</strong>n dabei.<br />

„Alphabet“ ist ein wichtiger Film, weil<br />

er die bösen Seiten <strong>de</strong>s vermeintlich<br />

Guten zeigt: Die subjektiven Verluste<br />

<strong>de</strong>r objektiven Bildungsgewinner.<br />

Ihre Gesundheit lei<strong>de</strong>t, ihre Individualität,<br />

ihr Lebensglück geht verloren.<br />

Und weil er Fragen<br />

aufwirft, die<br />

sich eine Gesellschaft<br />

nicht häufig<br />

genug stellen<br />

kann: Wollen wir<br />

in einem Land, in<br />

einer Welt leben,<br />

in <strong>de</strong>r zukünftige<br />

Chefs Sätze<br />

sagen wie:<br />

„Machen wir uns<br />

nichts vor. Ich plane<br />

meine Kin<strong>de</strong>r so, dass sie zeitlich<br />

zu meinen Projekten passen.<br />

Punkt.“ Wollen wir das?<br />

„Alphabet“ macht es sich aber zu<br />

einfach. Und das ist scha<strong>de</strong>. Der<br />

Film setzt sowohl bei <strong>de</strong>n Experten<br />

als auch bei <strong>de</strong>n Protagonisten, die<br />

überdies schon weitgehend bekannt<br />

sind, nur auf Extrempositionen, die<br />

ebenfalls nicht neu sind. Noch mehr<br />

stört jedoch, dass kein Beispiel <strong>de</strong>m<br />

Zuschauer richtig nah kommt, keine<br />

Person durch <strong>de</strong>n Film führt. Vielmehr<br />

fühlt es sich an, als wäre hier


ein sozialkritischer Aufsatz in Ton<br />

und Bild gefasst wor<strong>de</strong>n, inklusive<br />

<strong>de</strong>r Aufzählungszeichen.<br />

Unnahbar und damit unübertragbar<br />

bleibt auch André Stern, <strong>de</strong>r<br />

zum I<strong>de</strong>albild stilisiert wird. Stern,<br />

1971 in Frankreich geboren, ist <strong>de</strong>r<br />

Sohn <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschstämmigen Forschers<br />

und Pädagogen Arno Stern,<br />

<strong>de</strong>r seit mehr als 60 Jahren in Paris<br />

ein spielerisches Mal-Atelier für Kin<strong>de</strong>r<br />

betreibt. André Stern spricht fünf<br />

Sprachen, ist Musiker, Komponist,<br />

Gitarrenbauer, Autor und Journalist.<br />

Er hat sich all das selbst beigebracht,<br />

ohne Druck, ohne Konkurrenz.<br />

Er wirkt ausgeglichen und<br />

selbstzufrie<strong>de</strong>n. Er hat nie eine<br />

Schule besucht. Doch wie realistisch<br />

ist eine solche Biografie für 1,2 Milliar<strong>de</strong>n<br />

Schulkin<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Welt?<br />

Nach „We feed the World“ konnten<br />

wir aufhören, Hühnerfleisch zu<br />

essen. Nach „Let‘s make Money“<br />

konnten wir aufhören, unser Geld in<br />

ausbeuterische Fonds zu stecken.<br />

Was können wir nach „Alphabet“<br />

machen? Eine konkrete Antwort gibt<br />

<strong>de</strong>r Film nicht. Bewusst. Denn: Wer<br />

sich Alternativen wünscht, muss <strong>de</strong>n<br />

Mut haben, unangepasst zu <strong>de</strong>nken.<br />

Dann hätte <strong>de</strong>r Film sein Ziel doch<br />

noch erreicht.<br />

Quelle: spiegel.<strong>de</strong>, 30.10.2013<br />

Lektüre-Tipp<br />

Ein Vorbild an leiser Renitenz<br />

Knut Cordsen rezensiert Birk Meinhardt: „Brü<strong>de</strong>r und Schwestern<br />

Willy Werchow, Vater dreier ehelicher<br />

und eines unehelichen Kin<strong>de</strong>s,<br />

ist eine Durchschnittsexistenz.<br />

Trotz<strong>de</strong>m lässt er einen leichten<br />

Wi<strong>de</strong>rstand gegen das DDR-Regime<br />

erkennen, in <strong>de</strong>m er lebt. Zwei seiner<br />

drei Kin<strong>de</strong>r folgen ihm darin.<br />

Man mag es Wagemut nennen o<strong>de</strong>r<br />

Selbstbewusstsein o<strong>de</strong>r auch einfach<br />

nur - mit einem Wort aus diesem<br />

Buch - gehörige „Forsche“:<br />

Birk Meinhardt legt knapp fünf Jahre<br />

nach Uwe Tellkamps „Der Turm“<br />

seine „Geschichte aus einem versunkenen<br />

Land“ namens DDR vor.<br />

Auch „Brü<strong>de</strong>r und Schwestern“ ist<br />

ein voluminöser Familienroman,<br />

auch er en<strong>de</strong>t 1989 zur Zeit <strong>de</strong>r<br />

friedlichen Revolution, und auch<br />

er wird wohl fortgeschrieben wer<strong>de</strong>n,<br />

je<strong>de</strong>nfalls steht ein „wird fortgesetzt“<br />

am Schluss. Abseits solcher<br />

äußerlicher Ähnlichkeiten aber<br />

ist Meinhardts 1973 einsetzen<strong>de</strong>r<br />

Roman gera<strong>de</strong>zu ein Gegenentwurf<br />

zu Tellkamps preisgekröntem<br />

Werk, zuvör<strong>de</strong>rst in sprachlicher<br />

Hinsicht: Meinhardt ist ein überbor<strong>de</strong>nd<br />

lebenspraller Erzähler mit<br />

einem ungeheuren Sinn für die Ausdruckskraft<br />

von Dialekt und Jargon,<br />

von Stadion-Gesängen, Losungen<br />

und dämlichen Partei-Parolen.<br />

Wo bei Tellkamp nicht selten <strong>de</strong>r<br />

schwergängige Lyrismus steht,<br />

fin<strong>de</strong>t sich bei Meinhardt ein nur<br />

oberflächlich salopper, in Wahrheit<br />

äußerst kunstfertiger, nicht von<br />

ungefähr volksliedhafter Ton. Wem<br />

die Lektüre <strong>de</strong>s „Turms“ bisweilen<br />

eine Mühsal war, <strong>de</strong>m wird dieses<br />

Buch eine Lust sein.<br />

In <strong>de</strong>r thüringischen Provinz, im fiktiven<br />

Städtchen Gerberstedt sie<strong>de</strong>lt<br />

<strong>de</strong>r 1959 geborene Berliner seine<br />

Geschichte an: Im Zentrum steht die<br />

Familie von Willy Werchow, Direktor<br />

<strong>de</strong>s Druckereibetriebs „Aufbruch“,<br />

Mann <strong>de</strong>r Sparkassen-Angestellten<br />

Ruth, Vater dreier ehelicher und<br />

eines unehelichen Kin<strong>de</strong>s, von <strong>de</strong>m<br />

keiner wissen darf.<br />

Eine Durchschnittsexistenz, jedoch<br />

auch ein Vorbild an leiser Renitenz,<br />

an Eigensinn, <strong>de</strong>m sich zumin<strong>de</strong>st<br />

zwei <strong>de</strong>r drei Geschwister verpflichtet<br />

fühlen: Britta, die Jüngste, fliegt<br />

von <strong>de</strong>r Schule, weil sie ein Gedicht<br />

<strong>de</strong>s gera<strong>de</strong> ausgebürgerten Wolf<br />

Biermann abschreibt, und lan<strong>de</strong>t bei<br />

einem <strong>de</strong>r wenigen Privat-Zirkusse<br />

<strong>de</strong>r DDR, zieht als Akrobatin umher;<br />

ein Fahren<strong>de</strong>r auch ihr aufmüpfiger<br />

Bru<strong>de</strong>r Matti, <strong>de</strong>r als Lastkahnführer<br />

ein Motorgüterschiff durch die Binnengewässer<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s steuert<br />

und nebenher schreibt, weil ihm die<br />

Literatur ein „Rückzugslager“ bietet;<br />

lediglich <strong>de</strong>r Älteste, Erik, ist linientreu<br />

und we<strong>de</strong>r fähig noch willens,<br />

sich <strong>de</strong>r „mächtigen Dreieinigkeit<br />

aus Heuchelei, Phrasendrescherei<br />

und Schurigelei“ zu wi<strong>de</strong>rsetzen.<br />

Wohin uns dieser Roman nicht<br />

überall mitnimmt! Was er uns nicht<br />

alles ungemein anschaulich zeigt<br />

- <strong>de</strong>n Alltag in <strong>de</strong>r NVA-Kaserne<br />

genauso wie <strong>de</strong>n im Büro <strong>de</strong>r SED-<br />

Birk Meinhardt:<br />

„Brü<strong>de</strong>r und Schwestern“<br />

Carl Hanser Verlag, München 2013<br />

700 Seiten<br />

24,90 Euro<br />

Gebietssekretärs, die „VEBehäbigkeit“<br />

genauso wie die Zweifel eines<br />

Republikflüchtlings, <strong>de</strong>n auf einmal<br />

Wehmut überfällt auf seinem Weg<br />

in <strong>de</strong>n Westen; o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Aufmarsch<br />

<strong>de</strong>r „stummen Gesellen“ <strong>de</strong>r Stasi,<br />

die einen drohen<strong>de</strong>n Streik im Keim<br />

ersticken.<br />

Es ist eine Geschichte aus „zäher<br />

Zeit“, die Meinhardt erzählt, über<br />

ein Land <strong>de</strong>s „Stillstands“, doch<br />

selten ist in solcher Rasanz, mit so<br />

viel Gespür für subversiven Bürgerwitz,<br />

mit solcher Liebe für die<br />

sogenannten kleinen Leute davon<br />

berichtet wor<strong>de</strong>n. Als Reporter hat<br />

Meinhardt einen untrüglichen Blick<br />

fürs sprechen<strong>de</strong> Detail. Als Romancier<br />

vermag er eine große, ergreifen<strong>de</strong><br />

Geschichte über „unsere Brü<strong>de</strong>r<br />

und Schwestern“ und ihr untergegangenes<br />

Land zu erzählen.<br />

31


Informationen an die Geschäftsstelle<br />

Absen<strong>de</strong>r<br />

Philologenverband Sachsen-Anhalt · Lan<strong>de</strong>sgeschäftsstelle · Fax-Nr. (0 34 61) 41 54 58<br />

Bestellung Lehrerkalen<strong>de</strong>r Schuljahr 2014/2015 und<br />

Adresskalen<strong>de</strong>r für 2015<br />

Die Bestellungen für die Kalen<strong>de</strong>r müssen bis 31. März 2014 in <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>s geschäfts stelle eingegangen sein<br />

(E-Mail: phvsa@t-online.<strong>de</strong> · Tel-Nr. (0 34 61) 20 35 62).<br />

Ich bin Mitglied im Philologenverband Sachsen-Anhalt und möchte hiermit kostenlos <strong>de</strong>n Lehrerkalen<strong>de</strong>r für<br />

das Schuljahr 2014/2015 bestellen.<br />

Wir sind als Ehepaar bei<strong>de</strong> im Verband organisiert und möchten hiermit kostenlos <strong>de</strong>n Lehrerkalen<strong>de</strong>r für das<br />

Schuljahr 2014/2015 bestellen.<br />

Adresskalen<strong>de</strong>r für 2015 (kostenlos)<br />

2015<br />

Ort, Datum<br />

Unterschrift<br />

<br />

<br />

<br />

politisch unabhängig<br />

Interessenvertretung für<br />

gymnasiale Bildung<br />

offen für alle, die sich zum<br />

geglie<strong>de</strong>rten Schulwesen<br />

bekennen<br />

32


Mama, ich kämpfe jetzt für Allah<br />

Etwa 200 Jugendliche aus Deutschland sind in <strong>de</strong>n Bürgerkrieg in Syrien gezogen. Aber Tausen<strong>de</strong> träumen davon,<br />

als muslimische Hel<strong>de</strong>n in die Geschichte einzugehen.<br />

„Ich erkenne meinen Sohn nicht<br />

mehr wie<strong>de</strong>r. Ich weiß mir nicht<br />

an<strong>de</strong>rs zu helfen, als <strong>de</strong>n Kontakt<br />

abzubrechen“, sagt Mathil<strong>de</strong> M.<br />

schluchzend am Telefon. Ihr Sohn<br />

ist ein radikaler Islamist gewor<strong>de</strong>n.<br />

Er hat seinen <strong>de</strong>utschen Vornamen<br />

abgelegt und will nur noch mit seinem<br />

neu angenommenen Namen<br />

angesprochen wer<strong>de</strong>n. Auf ihrer<br />

Suche nach Hilfe hat Mathil<strong>de</strong> M. die<br />

Berliner Beratungsstelle Hayat <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft Demokratische Kultur<br />

angerufen.<br />

Immer mehr solcher Fälle betreuen<br />

wir. Meistens sind es Mütter, die<br />

anrufen, <strong>de</strong>nn die Väter spielen oft<br />

schon lange keine Rolle mehr in <strong>de</strong>n<br />

betroffenen Familien. Die Geschichten<br />

beginnen meist ähnlich, wie die<br />

von Mathil<strong>de</strong> M.s Sohn. Ein neuer<br />

Freund taucht auf, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Jungen<br />

in die Moschee einlädt. Sie hören<br />

Vorträge über <strong>de</strong>n Islam, beten bald<br />

darauf gemeinsam. Alte Freun<strong>de</strong><br />

sind abgeschrieben. Jeans, T-Shirt<br />

und Basecap wer<strong>de</strong>n ausgetauscht<br />

gegen Baumwollhosen, ein langes<br />

Gewand und eine kleine gehäkelte<br />

Mütze. Musik und Alkohol sind tabu.<br />

Seiner Tante und seiner Cousine<br />

gibt er nicht mehr die Hand. Das sei<br />

haram, sagt er, unrein. Er isst auch<br />

nicht mehr gemeinsam mit <strong>de</strong>r Familie,<br />

<strong>de</strong>nn in <strong>de</strong>n Töpfen wur<strong>de</strong> auch<br />

Schweinefleisch gekocht. Es kommt<br />

zu Streit. Den neuen Lebenswan<strong>de</strong>l<br />

<strong>de</strong>s Sohnes empfin<strong>de</strong>t die Mutter als<br />

Bedrohung und <strong>de</strong>r Sohn ist mit <strong>de</strong>r<br />

westlichen Lebensweise <strong>de</strong>r Mutter<br />

und <strong>de</strong>r Geschwister nicht mehr einverstan<strong>de</strong>n.<br />

Die Geschichten, so exotisch sie<br />

für die Mehrheit <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

klingen mögen, gleichen einan<strong>de</strong>r.<br />

Eltern sind überfor<strong>de</strong>rt und<br />

manchmal auch tief gekränkt, <strong>de</strong>rart<br />

abgelehnt zu wer<strong>de</strong>n. Und natürlich<br />

haben sie Angst um ihre Kin<strong>de</strong>r.<br />

Manche dieser Eltern brechen <strong>de</strong>n<br />

Kontakt ab, manche versuchen verzweifelt,<br />

ihr großes Kind zurückzubekommen.<br />

Doch meistens ist dieses Kind schon<br />

seit Jahren unglücklich, frustriert,<br />

auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>m Sinn <strong>de</strong>s<br />

Lebens. Es hat sich schon lange entfrem<strong>de</strong>t,<br />

doch erst jetzt wird es von<br />

<strong>de</strong>n Eltern als Frem<strong>de</strong>r gesehen. Der<br />

Sohn o<strong>de</strong>r auch manchmal die Tochter<br />

bekommt von <strong>de</strong>n Islamisten,<br />

was er o<strong>de</strong>r sie vorher von seiner<br />

Eltern, Schule und <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

nicht bekommen hat: Zuwendung<br />

und Anerkennung. Dagegen können<br />

die Eltern nicht argumentieren.<br />

Trotz<strong>de</strong>m raten wir <strong>de</strong>n Eltern, <strong>de</strong>n<br />

Kontakt zu ihrem Kind zu halten. Wir<br />

ermutigen sie, zunächst zu erkun<strong>de</strong>n,<br />

ob es sich um einen harmlosen<br />

Glaubenswechsel han<strong>de</strong>lt o<strong>de</strong>r ob<br />

wirklich Radikalisierungsten<strong>de</strong>nzen<br />

dahinter stecken. Bevor sie <strong>de</strong>n<br />

Sohn o<strong>de</strong>r die Tochter mit kritischen<br />

Fragen konfrontieren können, müssen<br />

sie erst einmal wie<strong>de</strong>r Vertrauen<br />

und eine emotionale Bindung herstellen.<br />

Sie brauchen viel Geduld,<br />

<strong>de</strong>nn sie sollten auf <strong>de</strong>r einen Seite<br />

Konfrontationen vermei<strong>de</strong>n, aber<br />

auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite ihre Position<br />

nicht verleugnen. Sie müssen lernen,<br />

offene Fragen zu stellen, ohne<br />

ihrem Kind etwas aufzwingen zu<br />

wollen. Am besten mit professioneller<br />

Beratung und Unterstützung,<br />

wie Psychologen, Familienhelfern,<br />

Sozialarbeitern o<strong>de</strong>r professionellen<br />

Kennern <strong>de</strong>r Szene.<br />

Konservativ-muslimische Eltern erkennen die Zeichen oft zu spät<br />

Auch muslimische Eltern rufen in <strong>de</strong>r<br />

Beratungsstelle an. Die weltlich orientierten<br />

unterschei<strong>de</strong>n sich in ihren<br />

Fragen und Reaktionen kaum von<br />

<strong>de</strong>n nicht-muslimischen Eltern mit<br />

o<strong>de</strong>r ohne Migrationshintergrund.<br />

Traditionell konservative Familien<br />

mel<strong>de</strong>n sich jedoch oft erst dann,<br />

wenn sich ihr Kind von ihnen vollends<br />

entfrem<strong>de</strong>t hat und <strong>de</strong>n Glauben<br />

nicht nur dogmatisch, son<strong>de</strong>rn<br />

auch extrem politisiert praktiziert. Auf<br />

die ersten Anzeichen einer aus <strong>de</strong>m<br />

Ru<strong>de</strong>r laufen<strong>de</strong>n Religiosität reagieren<br />

diese konservativ-muslimischen<br />

Familien nämlich häufig noch mit<br />

Stolz und Anerkennung. Der Sohn<br />

hält sich an die muslimischen Speisevorschriften,<br />

die Tochter trägt<br />

nicht nur Kopftuch, son<strong>de</strong>rn verhüllt<br />

ihren ganzen Körper: „Was<br />

für vorbildliche Kin<strong>de</strong>r haben wir!“<br />

Zettelt das „fromm“ gewor<strong>de</strong>ne Kind<br />

jedoch Streit an, dann reagieren<br />

konservativ-muslimische Eltern oft<br />

nur autoritär und reglementierend,<br />

woraufhin die Kin<strong>de</strong>r sich ihnen gar<br />

nicht mehr anvertrauen. Eltern schämen<br />

sich und versuchen die Probleme<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Familie zu regeln<br />

o<strong>de</strong>r vertrauen sich höchstens ihrem<br />

Imam an. Manchmal hilft das kurzfristig,<br />

es kann in manchen Fällen aber<br />

kontraproduktiv wer<strong>de</strong>n. Denn mancher<br />

Imam vertraut zu sehr auf seine<br />

Wirksamkeit als religiöse Autorität<br />

und ignoriert dabei die ganz alltäglichen<br />

Sehnsüchte <strong>de</strong>r Jugendlichen.<br />

Im schlimmsten Fall reisen radikalisierte<br />

Jugendliche in Ausbildungslager<br />

von radikalen Islamisten in<br />

Nordafrika, Pakistan o<strong>de</strong>r Afghanistan.<br />

Deutschen Sicherheitsbehör<strong>de</strong>n<br />

zufolge fuhren außer<strong>de</strong>m<br />

bisher bereits über 200 sogenannte<br />

foreign fighters von Deutschland<br />

in <strong>de</strong>n syrischen Bürgerkrieg – so<br />

viele wie aus keinem an<strong>de</strong>ren europäischen<br />

Land. Acht von ihnen sollen<br />

dort gestorben sein. Wie kann es<br />

aber zu dieser Eskalation kommen?<br />

Warum wollen Jugendliche aus<br />

Deutschland <strong>de</strong>n Luxus von Sicherheit<br />

und Wohlstand gegen <strong>de</strong>n brutalen<br />

Kampf eines Bürgerkriegs eintauschen?<br />

Die Werbemaschinerie ist ausgefeilt,<br />

raffiniert und zielgerichtet. Zuerst<br />

kommen die Jugendlichen meist<br />

im Internet mit <strong>de</strong>r islamistischen<br />

Kriegspropaganda in Kontakt. Sie<br />

sehen verstören<strong>de</strong> Vi<strong>de</strong>os, in <strong>de</strong>nen<br />

wehrlose Kin<strong>de</strong>r abgeschlachtet<br />

wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r davon berichten,<br />

wie sie Zeugen <strong>de</strong>s Mor<strong>de</strong>s<br />

an ihrer gesamten Familie wur<strong>de</strong>n.<br />

33


Der gesamte Konflikt wird in dieser<br />

Propaganda reduziert auf einen<br />

Kampf <strong>de</strong>r Ungläubigen gegen die<br />

Muslime. Der jugendliche Sinn für<br />

Gerechtigkeit macht sie empfänglich<br />

für diese Botschaft, als guter Muslim<br />

müssten sie gegen „das Böse“<br />

und für eine gerechte Welt kämpfen.<br />

Solche Propaganda arbeitet<br />

ausschließlich mit Schwarz o<strong>de</strong>r<br />

Weiß, es gibt nur Opfer o<strong>de</strong>r Feind.<br />

Emotionalisieren<strong>de</strong> Inhalte sprechen<br />

beson<strong>de</strong>rs Jugendliche an, die selbst<br />

Gewalt o<strong>de</strong>r Ungerechtigkeit erlebt<br />

haben. Als Muslim i<strong>de</strong>ntifizieren sie<br />

sich mit <strong>de</strong>n unschuldigen Opfern,<br />

die ihnen präsentiert wer<strong>de</strong>n, sie<br />

schöpfen Hoffnung, weil sie sich<br />

im Kreis <strong>de</strong>r Islamisten nicht mehr<br />

„allein gegen die Übel dieser Er<strong>de</strong>“<br />

wehren müssten. Existiert zugleich<br />

eine niedrige Gewaltschwelle o<strong>de</strong>r<br />

Frustrationstoleranz, wer<strong>de</strong>n solche<br />

Jugendlichen leicht ansprechbar für<br />

<strong>de</strong>n sogenannten Heiligen Krieg.<br />

Im realen Leben kommt es dann zu<br />

Begegnungen mit islamistischen<br />

Predigern, die sich zum Beispiel als<br />

Sozialarbeiter ausgeben. Sie sprechen<br />

vom Bürgerkrieg in Syrien als<br />

<strong>de</strong>m Endkampf zwischen Muslimen<br />

und Ungläubigen, einer Art Armageddon,<br />

das die Weltordnung verän<strong>de</strong>rn<br />

wer<strong>de</strong>. In diesem apokalyptisch-erlöserischen<br />

„Endgame“<br />

versprechen sie <strong>de</strong>n Jugendlichen<br />

Plätze in <strong>de</strong>r ersten Reihe. „Ihr dürft<br />

dabei sein, wenn die Schuldigen fallen!“<br />

Debatte um Radikalisierung muss in die Schulen<br />

Plötzlich wer<strong>de</strong>n Schulabbrecher,<br />

Arbeitslose und Perspektivlose in<br />

ihrer Fantasie zu Menschen, die<br />

Geschichte schreiben können. Endlich<br />

erhalten sie, zumin<strong>de</strong>st verbal<br />

und in <strong>de</strong>r i<strong>de</strong>ologischen Blase, in<br />

die sie eintauchen, die Anerkennung,<br />

die sie als bildungsferne o<strong>de</strong>r<br />

sozial ausgegrenzte Migranten o<strong>de</strong>r<br />

vom System abgehängte Deutsche<br />

sonst vermissen.<br />

Sie sehnen sich sogar nach <strong>de</strong>m<br />

Tod, mit <strong>de</strong>m sie mystische Visionen<br />

verbin<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn mit <strong>de</strong>m Märtyrertod<br />

beginnt das ewige Leben<br />

im Paradies mit 72 Jungfrauen und<br />

Zugang zu allem, was sie in diesem<br />

Leben vielleicht niemals haben wer<strong>de</strong>n.<br />

Diese I<strong>de</strong>ologie wirkt wie eine<br />

Droge – daher fällt <strong>de</strong>r Verzicht auf<br />

Alkohol, Eros und an<strong>de</strong>re Genüsse<br />

so leicht.<br />

Sie wird auch von einem Teil <strong>de</strong>s<br />

muslimischen Milieus geför<strong>de</strong>rt,<br />

das sich nicht mit radikalem Islamismus<br />

i<strong>de</strong>ntifiziert, aber oft indirekt<br />

einen gewissen Respekt äußert. Die<br />

Kriegsverbrechen und Bombenattacken<br />

in Syrien wer<strong>de</strong>n nicht nur<br />

in zahlreichen Vi<strong>de</strong>os im Internet<br />

als Abenteuer romantisiert, son<strong>de</strong>rn<br />

auch in <strong>de</strong>n Predigten einiger<br />

Imame, die keine Islamisten sind.<br />

Das Bild eines weltweiten Kampfes<br />

gegen „die“ Muslime wird auch in<br />

mancher muslimischen Organisation<br />

gepflegt. Zwar gibt es allgemeine<br />

Beteuerungen gegen Radikalisierung<br />

o<strong>de</strong>r bewaffnete Gewalt.<br />

Aber um Extremisten zu bekämpfen,<br />

müssten die Verbän<strong>de</strong> mehr tun,<br />

als nur <strong>de</strong>n salafistischen Predigern<br />

<strong>de</strong>n Zugang zu ihren Moscheen zu<br />

verwehren. Es geht vor allem darum,<br />

sich mit <strong>de</strong>n salafistischen Inhalten<br />

auseinan<strong>de</strong>rzusetzen, dabei auch<br />

eigene Positionen zu hinterfragen<br />

und die Jugendlichen einzubeziehen.<br />

200 verirrte Dschihadisten aus<br />

Deutschland, die im Ausland zur<br />

Waffe greifen – das mag wenig<br />

scheinen. Doch neben ihnen gibt es<br />

mehrere Tausend Jugendliche, die<br />

von ähnlichen Pfa<strong>de</strong>n träumen. Die<br />

Debatte über Radikalisierung muss<br />

<strong>de</strong>shalb gesamtgesellschaftlich<br />

geführt wer<strong>de</strong>n. Sie darf nicht nur<br />

im Rahmen von Sicherheitsbe<strong>de</strong>nken<br />

und Integrations<strong>de</strong>batten stattfin<strong>de</strong>n.<br />

Denn dieser Ihr-Wir-Diskurs<br />

ist neben <strong>de</strong>r Perspektivlosigkeit <strong>de</strong>r<br />

Jugendlichen <strong>de</strong>r beste Nährbo<strong>de</strong>n<br />

für die Islamisten.<br />

Außer<strong>de</strong>m müssen Sozialarbeiter<br />

und vor allem Lehrer sensibilisiert<br />

und aufgeklärt wer<strong>de</strong>n. Nur so wer<strong>de</strong>n<br />

sie in <strong>de</strong>r Lage sein, früh Radikalisierungsten<strong>de</strong>nzen<br />

zu erkennen<br />

und rasch zu intervenieren. Sie<br />

könnten ihren Schülern Alternativen<br />

zeigen und sie zum kritischen<br />

Denken bewegen. Denn wer zum<br />

Beispiel einmal gelernt hat, eine<br />

eigene Position zu hinterfragen, ist<br />

weitaus besser immunisiert gegen<br />

Extremisten, die blin<strong>de</strong> Nachfolge<br />

und bloßes Nachbeten verlangen.<br />

Dafür aber braucht es mehr, als politischen<br />

Willen. Es braucht Geld, Mittel<br />

für Fortbildung und dauerhaftes<br />

Engagement. Mit halbherzigen Kurzzeitprojekten<br />

ist kein Jugendlicher<br />

zu retten.<br />

zeit.<strong>de</strong>, 08.11.2013, Ein Gastbeitrag<br />

von Ahmad Mansour<br />

Der Psychologe Ahmad Mansour (1976) ist als palästinensischer Israeli<br />

geboren und lebt seit neun Jahren in Deutschland. Er arbeitet in <strong>de</strong>r<br />

Arbeitsstelle Islamismus und Ultranationalismus <strong>de</strong>r Gesellschaft Demokratische<br />

Kultur in Berlin. Dort berät in <strong>de</strong>r Beratungsstelle Hayat unter<br />

an<strong>de</strong>rem Angehörige von Jugendlichen, die sich radikalen Salafisten<br />

anschließen. Seit 2012 ist Mansour Mitglied <strong>de</strong>r Deutschen Islamkonferenz<br />

und Berater bei European Foundation for Democracy.<br />

34


Die allerletzte Seite<br />

„Fack ju Göhte“: Klassen-Kampf in <strong>de</strong>r Praxis<br />

MÜNCHEN – In <strong>de</strong>r aktuellen Kino-<br />

Komödie „Fack ju Göhte“ braucht es<br />

einen knallharten Ex-Knacki, um die<br />

Schülerhor<strong>de</strong> zu bändigen. Dass es<br />

im echten Leben manchmal ähnlich<br />

schräg zugeht, erfuhr <strong>de</strong>r Hamburger<br />

Autor Thorsten Wiese.<br />

Er fragte <strong>de</strong>utsche Referendare nach<br />

ihren Erfahrungen im „Pädagogik-<br />

Bootcamp“. In seinem Buch ziehen<br />

die Jungpauker unter geän<strong>de</strong>rtem<br />

Namen vom Le<strong>de</strong>r über <strong>de</strong>n tagtäglichen<br />

Kampf im Klassenzimmer.<br />

Da ist Tanja Rohwed<strong>de</strong>r, die an einer<br />

Hauptschule in Celle arbeitet. Über<br />

ihre Schüler sagt sie: „Deutlich mehr<br />

als die Hälfte verlässt morgens nur<br />

das Haus, weil es bei uns warm und<br />

trocken ist, E<strong>de</strong>ka erst um 9 Uhr aufmacht<br />

und die Eltern <strong>de</strong>n Fernseher<br />

vormittags für sich alleine haben<br />

wollen.“<br />

Sie beobachtet auch, dass die Mädchen<br />

und Jungen je<strong>de</strong>n Tag aufs<br />

Neue mit ihr <strong>de</strong>alen wollen: „Für<br />

je<strong>de</strong> Leistung (im Unterricht sitzen<br />

bleiben statt herumlaufen, Hausaufgaben<br />

machen, nicht stören …)<br />

verlangen meine Schülerinnen und<br />

Schüler eine Gegenleistung. „Was<br />

krieg ich dafür, Frau Rohwed<strong>de</strong>r?!“<br />

Manuela Ben<strong>de</strong>r unterrichtet an<br />

einer Passauer Realschule. Dort<br />

meinte ihre Kollegin zu einem Schüler,<br />

<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Klassenarbeit nicht<br />

aufhörte, zum Nachbarn zu linsen<br />

und Fragen zu stellen: „So und jetzt<br />

ist Ruhe, ihr dürft auch nieman<strong>de</strong>n<br />

mehr im Publikum befragen. Und<br />

nein, Torben-Jasper, du hast keinen<br />

Telefonjoker.“<br />

An einer Grundschule in Hamburg<br />

war Julia Schoeller entsetzt darüber,<br />

dass die Kids zu viel Taschengeld<br />

haben und sich <strong>de</strong>shalb mit Süßigkeiten<br />

vollstopften, statt ihr Pausenbrot<br />

zu essen. „So bekommt<br />

Streichkäse-Brötchen vom Montag<br />

am Dienstag Gesellschaft von<br />

Morta<strong>de</strong>lla-Knäcke, am Mittwoch<br />

schmiegt sich Erdnussbutter-Toast-Sandwich<br />

an die bei<strong>de</strong>n, und am<br />

Donnerstag bekommen sie alle noch<br />

Besuch von Eiersalat-Graubrot. Am<br />

Freitag traf ich sie dann in geselliger<br />

Run<strong>de</strong> am Grund von Fabrices<br />

Tasche an.“<br />

Filmreif auch, was Anna Hoff von<br />

einer Kölner Hauptschule auf einer<br />

Klassenfahrt in Paris erlebte. Der<br />

Bus hielt vorm Eiffelturm und Schüler<br />

Emre war total enttäuscht: „Ist<br />

gar nicht fertig. Ist nur Gerüst!“<br />

Trotz aller Schwierigkeiten verlieren<br />

Referendare ihren Optimismus<br />

nur selten. Das zeigt auch das Beispiel<br />

von Saskia Prenzel, die an einer<br />

Hauptschule in Osnabrück Hauswirtschaft<br />

unterrichtet. Sie stand<br />

mit <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Küche und<br />

hatte sich fest vorgenommen nicht<br />

laut zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Schüler machten Bambule und<br />

die junge Frau bat immer wie<strong>de</strong>r im<br />

normalen Tonfall um Ruhe. Erfolglos.<br />

Da zupfte Samira sie am Ärmel und<br />

sagte: „Frau Prenzel, musstu uns<br />

anschreien. Sonst wissen wir nicht,<br />

was wir machen sollen.“<br />

Das Fazit <strong>de</strong>r angehen<strong>de</strong>n Lehrerin:<br />

„So läuft das bei uns. Wir nennen es<br />

Unterricht. Aber alles ist auf einem<br />

guten Weg.“<br />

Quelle: Berliner Kurier, 12.11.2013<br />

35


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