Aktuelle Ausgabe - Phvsa.de
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4/2013<br />
www.phvsa.<strong>de</strong><br />
• Weichspülen<br />
eigentlich unnötig<br />
Stellungnahme<br />
<strong>de</strong>s Philologenverban<strong>de</strong>s<br />
Sachsen-<br />
Anhalt zur Än<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r Oberstufenverordnung<br />
• Mehr Frauen in<br />
die Vorstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
Philologenverbän<strong>de</strong><br />
gefor<strong>de</strong>rt<br />
Zur Arbeit <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft<br />
für frauenpolitische<br />
Fragen im DPhV<br />
• Für ein starkes<br />
Gymnasium in<br />
einem pluralen<br />
Schulsystem – Pakt<br />
für Bildung zwischen<br />
Bund und<br />
Län<strong>de</strong>rn gefor<strong>de</strong>rt<br />
Bericht von <strong>de</strong>r<br />
Vertreterversammlung<br />
<strong>de</strong>s Deutschen<br />
Philologenverban<strong>de</strong>s<br />
(DPhV)<br />
• Klassen-Kampf<br />
Was ist dran am<br />
Feindbild <strong>de</strong>s faulen<br />
Lehrers?<br />
• Hamburgs wun<strong>de</strong>rsame<br />
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ZEITSCHRIFT DES PHILOLOGENVERBANDES<br />
4/2013<br />
Aus <strong>de</strong>m Inhalt<br />
Verbandsarbeit - Berufspolitik - Bildungspolitik<br />
Seite<br />
Weichspülen eigentlich unnötig<br />
Stellungnahme <strong>de</strong>s Philologenverban<strong>de</strong>s Sachsen-Anhalt zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Oberstufenverordnung 2<br />
Mehr Frauen in die Vorstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Philologenverban<strong>de</strong>s gefor<strong>de</strong>rt<br />
Zur Arbeit <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft für frauenpolitische Fragen im DPhV 5<br />
Großes Interesse an Personalräte-Schulung in Halberstadt 6<br />
Für ein starkes Gymnasium in einem pluralen Schulsystem - Pakt für Bildung zwischen Bund und<br />
Län<strong>de</strong>rn gefor<strong>de</strong>rt<br />
Bericht von <strong>de</strong>r Vertreterversammlung <strong>de</strong>s Deutschen Philologenverban<strong>de</strong>s (DPhV) 8<br />
Jetzt geht es um Qualität<br />
Zur Diskussion um die Ganztagsschule 9<br />
Der berufspolitische Ausschuss informiert 13<br />
Wissenswertes - Interessantes - Informatives<br />
Herausgeber:<br />
Philologenverband Sachsen-Anhalt e.V. Lan<strong>de</strong>sgeschäftsstelle · Sixtistraße 16a · 06217 Merseburg · Tel. 0 34 61/20 35 62<br />
Hauptredakteur und Schriftleiter:<br />
Henry Elstermann · Sixtistraße 16a · 06217 Merseburg · Tel. 0 34 61/20 35 62<br />
Redaktionskollegium:<br />
Iris Seltmann-Kuke (Flechtingen), Birgitt Matthies (Geschäftsstelle), Matthias Bartsch (Hal<strong>de</strong>nsleben)<br />
Redaktionelle Beratung:<br />
Dr. Jürgen Mannke<br />
Künstlerische Beratung:<br />
Hubertus Schmid<br />
Gesamtherstellung:<br />
DigitalStudio Merseburg · Schokholtzstraße 8 · 06217 Merseburg · Telefon: 0 34 61/771 999 · Fax: 0 34 61/771 994<br />
Seite<br />
Aus <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r Bildung 18<br />
Hamburgs wun<strong>de</strong>rsame Abiturientenvermehrung 22<br />
Klassen-Kampf<br />
Was ist dran am Feindbild <strong>de</strong>s faulen Lehrers? 24<br />
Meine Lehrer waren pädophile Weltverbesserer 27<br />
Mit <strong>de</strong>r Schul-E-Mail aufs Pornoportal<br />
Hamburger Gymnasium stattet Fünftklässler mit E-Mail-Adressen aus 29<br />
Lektüre-Tipp 31<br />
Die allerletzte Seite 35<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser,<br />
<strong>de</strong>r Philologenverband Sachsen-Anhalt<br />
(PhVSA) tritt seit seiner Gründung für<br />
ein geglie<strong>de</strong>rtes Bildungswesen und für<br />
ein qualitativ hochwertiges, bun<strong>de</strong>sweit<br />
anerkanntes Abitur ein. Zu Letzterem hat<br />
wesentlich die Oberstufenverordnung beigetragen,<br />
<strong>de</strong>ren Än<strong>de</strong>rung im Jahre 2011<br />
<strong>de</strong>utlich die Handschrift unseres Verban<strong>de</strong>s<br />
trägt. Unverständlich erscheint daher <strong>de</strong>r<br />
von interessierter Seite öffentlichkeitswirksam<br />
vorgetragene Wunsch, die Zulassungsbedingungen<br />
zum Abitur aufzuweichen.<br />
Der PhVSA positioniert sich hierzu<br />
ein<strong>de</strong>utig und unmissverständlich, wie Sie<br />
<strong>de</strong>m ersten Artikel Ihrer Verbandszeitschrift<br />
entnehmen können.<br />
Ganztagsschule hieß das Zauberwort, mit<br />
<strong>de</strong>m die damalige rot-grüne Bun<strong>de</strong>sregierung<br />
die Schullandschaft Deutschlands<br />
revolutionieren wollte. Ihre Daseinsberechtigung<br />
ist heute unumstritten. Doch wie<br />
sieht es um <strong>de</strong>ren Qualität aus? Zeit für eine<br />
Bestandsaufnahme. Lesenswertes hierzu<br />
fin<strong>de</strong>n Sie ebenfalls in diesem Heft.<br />
Zunächst aber wünsche ich Ihnen ein<br />
besinnliches Weihnachtsfest und ein erfolgreiches<br />
neues Jahr.<br />
Herzlichst<br />
Ihr<br />
Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag für <strong>de</strong>n Philologenverband Sachsen-Anhalt e.V. enthalten.<br />
i.A. <strong>de</strong>r Redaktion<br />
1
Weichspülen eigentlich unnötig<br />
Stellungnahme <strong>de</strong>s Philologenverban<strong>de</strong>s Sachsen-Anhalt im Anhörungsverfahren<br />
gemäß §78 SchulG LSA<br />
hier: Dritte Verordnung zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Oberstufenverordnung<br />
1. Grundsätzliches<br />
Der PhVSA steht für<br />
ein qualitativ hochwertiges<br />
und bun<strong>de</strong>sweit<br />
anerkanntes Abitur<br />
in Sachsen-Anhalt<br />
und lehnt strikt eine<br />
Orientierung an Leistungsmittelmaß<br />
o<strong>de</strong>r<br />
das untere Leistungsanspruchsniveau<br />
ab.<br />
Der PhVSA hält die<br />
gesamten Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
in <strong>de</strong>r Oberstufe<br />
und in <strong>de</strong>n Abiturprüfungen<br />
für bun<strong>de</strong>sweit<br />
vergleichbar und angemessen.<br />
Die gültige<br />
Oberstufenverordnung<br />
stellt keinesfalls eine<br />
Gefährdung <strong>de</strong>r Chancengleichheit<br />
<strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler aus<br />
Sachsen-Anhalt gegenüber <strong>de</strong>nen<br />
an<strong>de</strong>rer Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r dar. Eine<br />
qualitative Nivellierung <strong>de</strong>r Zulassungsbedingungen<br />
zu <strong>de</strong>n Abiturprüfungen<br />
und in <strong>de</strong>n Festlegungen<br />
Prinzipell keine Notwendigkeit zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Oberstufenverordnung<br />
PhVSA-Vorsitzen<strong>de</strong>r Dr. Jürgen Mannke, Stellvertreter Thomas Gaube<br />
zur Einbringungsverpflichtung<br />
be<strong>de</strong>utete hingegen eine Benachteiligung<br />
<strong>de</strong>r Leistungsträger in<br />
<strong>de</strong>r Abiturausbildung in Sachsen-<br />
Anhalt, vor allem auch bei künftigen<br />
Studienbewerbern in so genannten<br />
Numerus clausus-Studiengän-<br />
gen. Von <strong>de</strong>r Herausnahme<br />
von Fächern<br />
o<strong>de</strong>r Teilleistungen <strong>de</strong>r<br />
Fächer aus <strong>de</strong>r verbindlichen<br />
Einbringungsverpflichtung<br />
ginge ein<br />
verheeren<strong>de</strong>s Signal als<br />
Kampfansage gegen<br />
eine leistungsorientierte<br />
Bildungsgesellschaft<br />
aus.<br />
Der PhVSA sieht <strong>de</strong>shalb<br />
prinzipiell keine<br />
Notwendigkeit zu<br />
Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitig<br />
gelten<strong>de</strong>n Oberstufenverordnung.<br />
Dass<br />
<strong>de</strong>r Gymnasiallehrerverband<br />
vor einer Verän<strong>de</strong>rung im<br />
Sinne einer unzulässigen und für<br />
die Abiturientinnen und Abiturienten<br />
nachteiligen Erleichterung in<br />
<strong>de</strong>n Bestimmungen <strong>de</strong>r gelten<strong>de</strong>n<br />
Oberstufenverordnung warnt, wird<br />
im Folgen<strong>de</strong>n aufgezeigt:<br />
2. Abiturientenquote ist kein Qualitätsmerkmal<br />
In seinem „Offenen Brief“ vom Spätsommer<br />
2013 konstatiert <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>selternrat<br />
von Sachsen-Anhalt:<br />
„Die Abiturientenquote verharrt mit<br />
ca. 37 % auf niedrigem Niveau während<br />
sie bun<strong>de</strong>sweit kontinuierlich<br />
bis auf über 50 % gestiegen ist!“<br />
Desweiteren for<strong>de</strong>rt das Gremium<br />
eine Rücknahme <strong>de</strong>r angeblich verschärften<br />
Bedingungen in <strong>de</strong>r jetzt<br />
gültigen Oberstufenverordnung.<br />
Damit entspricht <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>selternrat<br />
allerdings nicht <strong>de</strong>n Ansichten<br />
<strong>de</strong>r Schulelternräte <strong>de</strong>r meisten<br />
Gymnasien, die sich offen zu einem<br />
qualitativ hochwertigen Abiturbildungsgang<br />
bekennen und keinerlei<br />
Aufweichungen in <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
erwarten: Die meisten<br />
Elternvertreter wünschen sich keine<br />
Absenkung <strong>de</strong>s Abiturniveaus in<br />
2<br />
Sachsen-Anhalt, weil sie zu Recht<br />
eine Gefährdung <strong>de</strong>r Anerkennung<br />
<strong>de</strong>r Hochschulreife befürchten.<br />
Auch die meisten unserer leistungsbewussten<br />
Schülerinnen und Schüler<br />
vertreten ähnliche Positionen.<br />
Gera<strong>de</strong> aufgrund <strong>de</strong>r konsequenten<br />
Leistungsanfor<strong>de</strong>rungen im gymnasialen<br />
Bildungsgang ist es in<br />
<strong>de</strong>n Jahren nach 2003 im Lan<strong>de</strong><br />
Sachsen-Anhalt gelungen, in <strong>de</strong>n<br />
nationalen und internationalen Vergleichsstudien<br />
auf die vor<strong>de</strong>ren Plätze<br />
zu gelangen. Mit einer Umkehrpolitik<br />
wür<strong>de</strong>n wir diese Erfolge wie<strong>de</strong>r<br />
in Gefahr bringen und eine erhöhte<br />
Anzahl von Studienabbrechern produzieren.<br />
Es ist bei <strong>de</strong>r Abiturientenquote, die<br />
nichts über die Qualität <strong>de</strong>s Unterrichtes<br />
und die Prüfungen aussagt,<br />
zwischen <strong>de</strong>r allgemeinen Hochschulreife<br />
und <strong>de</strong>r Fachhochschulreife<br />
zu unterschei<strong>de</strong>n. Daraus<br />
resultiert, dass in Bayern 22,1 %<br />
eines Jahrganges die allgemeine<br />
Hochschulreife und 12,4 % die<br />
Fachhochschulreife erreichen, so<br />
kommt es zu einer Gesamtzahl <strong>de</strong>r<br />
Studienberechtigten von 34,5 %,<br />
das ist fast <strong>de</strong>r gleiche Wert wie in<br />
Sachsen-Anhalt (25,8/8,2 = 34 %),<br />
in Sachsen liegt <strong>de</strong>r Wert bei 37 %.<br />
Im Gesamtdurchschnitt von Schülerinnen<br />
und Schülern eines Jahrganges<br />
in Deutschland mit Studienberechtigungszertifikat<br />
steht<br />
bei 43,5 %, davon allerdings auch<br />
13,6 % mit Fachhochschulreife. Bei<br />
<strong>de</strong>r vergleichsweise niedrigen Quote<br />
sollte man in Sachsen-Anhalt unbe-
dingt in Betracht ziehen, dass nach<br />
<strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rvereinigung sehr viele<br />
junge Menschen mit aka<strong>de</strong>mischer<br />
Bildung unser Bun<strong>de</strong>sland verlassen<br />
haben und es folglich auch an<br />
aka<strong>de</strong>mischem Nachwuchspotential<br />
mangelt. Insofern ist es vor<br />
allem <strong>de</strong>m Einsatz <strong>de</strong>r Lehrerinnen<br />
und Lehrer zu verdanken, dass wir<br />
überhaupt einen solchen Prozentsatz<br />
eines Jahrganges zum erfolgreichen<br />
Abitur führen.<br />
Die Oberstufenverordnung ist nicht<br />
verschärft, son<strong>de</strong>rn 2003 vom Leistungskurs-<br />
und Grundkursprinzip<br />
zugunsten einer Kern- und Profilfachausrichtung<br />
verän<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n.<br />
Damals wur<strong>de</strong>, mit Blick auf die<br />
Chancenwahrung, entschie<strong>de</strong>n,<br />
dass die abschließen<strong>de</strong> Umsetzung<br />
nicht auch noch im Vorlauf<br />
zu geschehen habe, son<strong>de</strong>rn erst,<br />
wenn die an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>r nachgezogen<br />
haben. Das ist bis zum Jahre<br />
2010 erfolgt.<br />
Den realitätsfernen For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s<br />
sachsen-anhaltischen Lan<strong>de</strong>seltern-<br />
rates nach einer „dringen<strong>de</strong>(n) Überarbeitung<br />
<strong>de</strong>r sachsen-anhaltischen<br />
Oberstufenverordnung zur Herstellung<br />
bun<strong>de</strong>sweiter Chancengleichheit<br />
und Bildungsgerechtigkeit…<br />
(durch)…Reduzierung <strong>de</strong>r Anzahl<br />
<strong>de</strong>r Leistungskurse … und Rücknahme<br />
<strong>de</strong>r im Bun<strong>de</strong>svergleich<br />
überzogenen Bedingungen für die<br />
Abiturzulassung und zur Berechnung<br />
<strong>de</strong>r Abiturdurchschnittsnoten…“müssen<br />
wir aus dargelegten<br />
Grün<strong>de</strong>n entschie<strong>de</strong>n wi<strong>de</strong>rsprechen.<br />
3. Zu <strong>de</strong>n konkret geplanten Verän<strong>de</strong>rungen<br />
Der PhVSA begrüßt ausdrücklich,<br />
dass die generelle Einbringung<br />
aller Kurshalbjahresleistungen aller<br />
belegten Fächer in die Gesamtqualifikation<br />
nicht in Frage gestellt<br />
wird. Streichleistungen, egal welcher<br />
Art, werten Fächer ab, <strong>de</strong>motivieren<br />
und sind damit niveausenkend.<br />
Diese bisherige Regelung ist<br />
KMK-konform, hat sich bewährt, ist<br />
leistungsstimulierend und leistungsgerecht.<br />
Die erreichten Abiturdurchschnitte<br />
<strong>de</strong>r letzten Jahre zeigen<br />
Konstanz und weisen keinen negativen<br />
Trend auf. Es zeugt von großer<br />
pädagogischer Verantwortung<br />
und hat <strong>de</strong>n sinnvollen Effekt, dass<br />
die Schülerinnen und Schüler in<br />
<strong>de</strong>r Qualifikationsphase nicht mehr<br />
zwischen vermeintlich „wichtigen“<br />
und „unwichtigen“ Fächern unterschei<strong>de</strong>n<br />
und ihre Lernbereitschaft<br />
diesbezüglich ausrichten können.<br />
Das wertet <strong>de</strong>r Philologenverband<br />
als angemessen, <strong>de</strong>nn hier geht es<br />
um <strong>de</strong>n höchsten Schulabschluss<br />
in Deutschland und auch und gera<strong>de</strong><br />
um ein sehr hohes Allgemeinwissen.<br />
Der Vergleich zwischen <strong>de</strong>n<br />
Abiturienten, die 2012 noch unter<br />
<strong>de</strong>r „alten“ Regel die Reifeprüfung<br />
ablegten und <strong>de</strong>nen von 2013, die<br />
nicht mehr Halbjahresleistungen<br />
streichen konnten, zeigt <strong>de</strong>nnoch:<br />
Es gibt keinen signifikanten Unterschied<br />
in <strong>de</strong>n Gesamtdurchschnitten<br />
in Sachsen-Anhalt: Bei<strong>de</strong> Abiture<br />
lagen im Durchschnitt bei 2,4.<br />
Auch besteht ja die Möglichkeit, <strong>de</strong>n<br />
Besuch <strong>de</strong>r Qualifikationsphase bis<br />
zu 4 Jahre auszu<strong>de</strong>hnen. Die meisten<br />
so genannten „Wie<strong>de</strong>rholer“ schaffen<br />
das Abitur dann nach 13 Jahren;<br />
bei <strong>de</strong>nen, die drei Jahre benötigen,<br />
ist die „Versagerquote“ unter 5 %.<br />
Auch ließe sich über eine Möglichkeit<br />
diskutieren, eine gering erhöhte<br />
Anzahl von Min<strong>de</strong>rleistungen auszugleichen.<br />
Es gibt auch nachweislich<br />
keine signifikanten Verän<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>r Abiturleistungen in Grund- und<br />
Leistungskursfächern, bzw. Fächern<br />
auf grundlegen<strong>de</strong>m o<strong>de</strong>r erhöhtem<br />
Anfor<strong>de</strong>rungsniveau durch die bisherige<br />
Oberstufenverordnung. Die<br />
Schülerinnen und Schüler haben in<br />
Sachsen-Anhalt mehr Unterricht in<br />
Kern- und Profilfächer gegenüber<br />
vergleichbaren Strukturen an<strong>de</strong>rer<br />
Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r (Grund- und Leistungskurs).<br />
Gegenüber <strong>de</strong>r Oberstufenverordnung<br />
vom 24. März<br />
2003 erlaubt die gültige Oberstufenverordnung<br />
vom 11. März 2011<br />
eine größere Freiheit bei <strong>de</strong>r Wahl<br />
<strong>de</strong>r Prüfungsfächer auf erhöhtem<br />
Anfor<strong>de</strong>rungsniveau. Wahlentscheidung<br />
dafür erfolgt erst am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
ersten Schuljahres nach Eintritt in<br />
die Qualifikationsphase <strong>de</strong>r gymnasialen<br />
Oberstufe. Die gültige Oberstufenverordnung<br />
ermöglicht die<br />
zusätzliche Einbringung von Leistungen,<br />
welche über <strong>de</strong>m Durchschnitt<br />
liegen.<br />
Die neugeschaffene Möglichkeit<br />
<strong>de</strong>r doppelt gewichteten Einbringung<br />
<strong>de</strong>r nach § 20 Abs. 1 gewählten<br />
Fächer stellt keinen grundsätzlichen<br />
Paradigmenwechsel<br />
in <strong>de</strong>r Einbringungsverpflichtung<br />
und <strong>de</strong>n Zulassungsbedingungen<br />
dar. Gleichwohl nimmt <strong>de</strong>r PhVSA<br />
zu Kenntnis, dass hiermit ein<br />
Instrument geschaffen wur<strong>de</strong>, die<br />
Anzahl <strong>de</strong>r zur Prüfungszulassung<br />
erlaubten Min<strong>de</strong>rleistungen anzuheben<br />
und sieht dies auch <strong>de</strong>utlich<br />
kritisch im Kontext einer möglichen<br />
Niveausenkung. Gleichzeit ermöglicht<br />
diese Regelung jedoch auch leistungsstarken<br />
Schülern beson<strong>de</strong>rs<br />
gute Leistungen in Prüfungsfächern<br />
auf erhöhtem Anfor<strong>de</strong>rungsniveau<br />
stärker einzubringen. Damit ist diese<br />
Regelung gleichzeitig auch leistungsstimulierend.<br />
In <strong>de</strong>r Gesamtabwägung kann <strong>de</strong>r<br />
PhVSA <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n<br />
OVO im dargestellten Umfang<br />
zustimmen.<br />
Dr. Jürgen Mannke<br />
Thomas Gaube<br />
3
Fortbildungsveranstaltung <strong>de</strong>s PhVSA für Gleichstellungsbeauftragte an Schulen<br />
Teilnehmer <strong>de</strong>r Fortbildung für Gleichstellungsbeauftragte<br />
Von Ines Gurschke (Frauenbeauftragte<br />
<strong>de</strong>s PhVSA)<br />
Am 19./20. September trafen sich<br />
20 Kolleginnen zur 2. Fortbildung<br />
<strong>de</strong>s PhVSA für Gleichstellungsbeauftragte,<br />
die an Gymnasien und<br />
Gesamtschulen unseres Lan<strong>de</strong>s<br />
tätig sind, in Schlaitz am Mul<strong>de</strong>stausee.<br />
Einige <strong>de</strong>r Teilnehmerinnen<br />
nahmen bereits im Vorjahr an <strong>de</strong>r<br />
ersten Fortbildung teil.<br />
Am Nachmittag <strong>de</strong>s 19. September<br />
informierte Frau Sigrid Zwarg,<br />
Bezirksvertrauensperson <strong>de</strong>r<br />
schwerbehin<strong>de</strong>rten und gleichgestellten<br />
Menschen im LSchA Halle,<br />
Bereich Süd, zum Schwerbehin<strong>de</strong>rtenrecht<br />
und ihrer Tätigkeit zur<br />
Umsetzung <strong>de</strong>sselben. Ein großer<br />
Teil ihrer Tätigkeit umfasst die Hilfestellung<br />
und Beratung für Schwerbehin<strong>de</strong>rte<br />
und ihnen Gleichgestellte<br />
in <strong>de</strong>r Durchsetzung ihrer Rechte<br />
zu Nachteilsausgleichen.<br />
Das beinhaltet auch die Beratung<br />
zur Beschaffung von Hilfsmitteln<br />
zur besseren Bewältigung <strong>de</strong>s<br />
Arbeitsalltages.<br />
Die Ausführungen, die Frau Zwarg<br />
zum Thema gab, waren für viele Kolleginnen<br />
neu und sehr praxisbezogen.<br />
In <strong>de</strong>r sich anschließen<strong>de</strong>n<br />
Diskussion wur<strong>de</strong>n Einzelfälle beispielhaft<br />
angesprochen. Bei <strong>de</strong>n<br />
Fragen <strong>de</strong>r Teilnehmerinnen konnte<br />
Frau Zwarg mit guten Tipps zur<br />
Seite stehen.<br />
Der Freitagvormittag war <strong>de</strong>m Thema<br />
„Work-Life-Balance“ gewidmet.<br />
Zu diesem Thema referierte Frau<br />
Rita Bovenz, stellvertreten<strong>de</strong> Lan<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong><br />
und Frauenbeauftragte<br />
<strong>de</strong>s Bayrischen Philologenverban<strong>de</strong>s.<br />
Frau Bovenz ist auch ein<br />
aktives Mitglied <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft<br />
für frauenpolitische Fragen<br />
<strong>de</strong>s DPhV.<br />
Im Seminar ging es darum, wie wir<br />
Lehrerinnen die Mehrfachbelastung<br />
von Schule, Haushalt, Kin<strong>de</strong>rerziehung<br />
und ehrenamtlicher Tätigkeit<br />
besser unter einen Hut bekommen,<br />
ohne uns dabei völlig auszupowern.<br />
Dazu gehört auch die Stressbewältigung<br />
im Alltag. Das kennen wir ja<br />
alle.<br />
Hierzu ist es mitunter nötig, seine<br />
eigene Einstellung zu än<strong>de</strong>rn<br />
und positiv zu beeinflussen, z. B.<br />
durch Abschied vom Perfektionismus,<br />
durch Anerkennung von Leistungen<br />
bei an<strong>de</strong>ren, aber auch bei<br />
sich selbst o<strong>de</strong>r durch eine realistische<br />
Einschätzung <strong>de</strong>r eigenen<br />
Belastungs- und Leistungsfähigkeit.<br />
Mit Hilfe von praktischen Tests<br />
zeigte Frau Bovenz Möglichkeiten<br />
zur Umsetzung dieser I<strong>de</strong>en. Außer<strong>de</strong>m<br />
bekamen die Teilnehmerinnen<br />
noch eine Menge Tipps zu Entspannungsmetho<strong>de</strong>n<br />
und Stressabbau.<br />
Einige davon wur<strong>de</strong>n auch ausprobiert.<br />
Dabei brachten sich die Kolleginnen<br />
aktiv mit ein und gaben auch<br />
selber Tipps zum Stressabbau aus<br />
ihrer eigenen Erfahrung.<br />
Ein weiterer wichtiger Punkt <strong>de</strong>s<br />
Vormittags war das Problem <strong>de</strong>s<br />
Zeitmanagements. Auch hierzu gab<br />
es erst einmal einen interessanten<br />
und auch kurzweiligen Input durch<br />
Frau Bovenz. Danach konnten wir<br />
an vielfältigen Beispielen und Analysen<br />
unserer eigenen Situation<br />
Möglichkeiten zur besseren Zeitplanung<br />
unseres Alltags ausprobieren.<br />
Inwieweit man das dann in<br />
<strong>de</strong>r Praxis umsetzt, muss je<strong>de</strong>r für<br />
sich selber herausfin<strong>de</strong>n. Der Vortrag<br />
von Frau Bovenz war so gestaltet,<br />
dass die Teilnehmerinnen erst<br />
einmal einen Gewinn für sich selber<br />
daraus ziehen konnten, aber auch<br />
interessante Tipps und Strategien<br />
an die Kolleginnen und Kollegen<br />
ihrer Schulen weitergeben können.<br />
Nach <strong>de</strong>m Mittagessen widmeten<br />
wir uns noch kurz <strong>de</strong>r Feedbackkultur.<br />
Hier gab es interessante Tipps<br />
zum Briefing und Debriefing, die<br />
sich nicht nur unter Kollegen gut<br />
umsetzen lassen, son<strong>de</strong>rn durchaus<br />
auch im Unterricht angewen<strong>de</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n können.<br />
Die praktischen Übungen dazu<br />
bezogen sich gleich auf die Auswertung<br />
<strong>de</strong>r Fortbildung. Die Aussagen<br />
<strong>de</strong>r Teilnehmerinnen zum stattgefun<strong>de</strong>nen<br />
Seminar waren durchweg<br />
positiv, die Teilnehmerinnen baten<br />
um Fortsetzung dieser Gleichstellungsschulung<br />
auch im nächsten<br />
Jahr.<br />
Ich möchte mich noch einmal recht<br />
herzlich bei allen Teilnehmerinnen<br />
für ihr Engagement in dieser Fortbildung<br />
bedanken. Mein beson<strong>de</strong>rer<br />
Dank gilt <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Referentinnen<br />
Frau Zwarg und Frau Bovenz,<br />
sowie Frau Birgitt Matthies aus <strong>de</strong>r<br />
Geschäftsstelle, die für die sehr<br />
gute Organisation verantwortlich<br />
war.<br />
4
Mehr Frauen in die Vorstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Philologenverban<strong>de</strong>s gefor<strong>de</strong>rt<br />
Zur Arbeit <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft für frauenpolitische Fragen im DPhV<br />
Mehr Frauen in die Vorstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Philologenverban<strong>de</strong>s<br />
Ines Gurschke (Frauenbeauftragte <strong>de</strong>s<br />
PhVSA)<br />
Von Ines Gurschke (Frauenbeauftragte<br />
<strong>de</strong>s PhVSA)<br />
Am 13. Und 14. September 2013<br />
fand das Herbstreffen <strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft<br />
für frauenpolitische<br />
Fragen <strong>de</strong>s DPhV in Göttingen<br />
statt.<br />
Am Freitagnachmittag gaben die<br />
Frauen <strong>de</strong>r einzelnen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r<br />
Berichte zu ihrer Tätigkeit in ihrem<br />
Lan<strong>de</strong>sverband ab. Die Frauenbeauftragten<br />
(die Bezeichnung <strong>de</strong>r<br />
Funktion ist in je<strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>sverband<br />
etwas an<strong>de</strong>rs) engagieren<br />
sich in ihren Verbän<strong>de</strong>n hauptsächlich<br />
auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Fortbildung<br />
und Beratung. Momentan<br />
besteht in mehreren Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />
erhöhter Beratungsbedarf zur<br />
Elternzeit.<br />
Anschließend beschäftigten wir uns<br />
mit <strong>de</strong>r Vorbereitung <strong>de</strong>s Vertretertages<br />
<strong>de</strong>s DPhV im November.<br />
Bei einer sehr angeregten Diskussion<br />
ging es darum, dass im <strong>de</strong>utschen<br />
Philologenverband sehr viele<br />
Frauen Mitglie<strong>de</strong>r sind, sich dies<br />
aber nicht in <strong>de</strong>r Zusammensetzung<br />
<strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s DPhV<br />
und auch kaum in <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>svorstän<strong>de</strong>n<br />
wi<strong>de</strong>rspiegelt. Wir treten<br />
dafür ein, dass sich die prozentuale<br />
Zusammensetzung <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r<br />
bezüglich Männer und Frauen<br />
auch in <strong>de</strong>r Zusammensetzung <strong>de</strong>r<br />
Vorstän<strong>de</strong> auf Bun<strong>de</strong>s- und Lan<strong>de</strong>sebene<br />
wi<strong>de</strong>rspiegelt. In diesem<br />
Sinne beschloss die Frauenvertretung,<br />
dazu einen Antrag an <strong>de</strong>n Vertretertag<br />
einzubringen.<br />
Am Samstagvormittag setzten wir<br />
uns das erste Mal ernsthaft mit <strong>de</strong>m<br />
Thema „Gen<strong>de</strong>r Budgeting“ auseinan<strong>de</strong>r.<br />
Als Referentin stand uns Frau Christine<br />
Rudolf (SPD) sehr hilfreich zur<br />
Seite. Frau Rudolf hat einen Studienabschluss<br />
in Politik, Volkswirtschaft<br />
und Linguistik. Zurzeit<br />
ist sie politisch bei <strong>de</strong>r Gen<strong>de</strong>r-AG<br />
von Attac aktiv, ist Mitglied im Wissenschaftlichen<br />
Beirat von efas und<br />
lehrt an <strong>de</strong>r HTW Berlin.<br />
Hier einige Auszüge aus ihren Ausführungen.<br />
• Gen<strong>de</strong>r Budgeting fußt auf <strong>de</strong>r<br />
Annahme, dass die herkömmliche<br />
Haushaltspolitik ungerechte<br />
Verteilungseffekte produzieren<br />
kann.<br />
Frauenbeauftragte <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sverbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s DPhV<br />
• Frauen und Männer haben damit<br />
nicht <strong>de</strong>n gleichen Zugang zu<br />
Leistungen.<br />
• Es ist ein wirkungsvolles Analyseund<br />
Steuerungsinstrument, das<br />
Geschlechtergerechtigkeit auch<br />
durch eine verän<strong>de</strong>rte Haushaltsführung<br />
beziehungsweise -politik<br />
herstellt.<br />
Laut einer EU-Resolution von 2002<br />
soll bis zum Jahr 2015 Gen<strong>de</strong>r Budgeting<br />
in allen öffentlichen Haushalten<br />
berücksichtigt wer<strong>de</strong>n. 2006<br />
wur<strong>de</strong> dazu eine Machbarkeitsstudie<br />
auf Bun<strong>de</strong>sebene durchgeführt.<br />
Im Haushalt von Sachsen-Anhalt<br />
wird Gen<strong>de</strong>r Budgeting seit 2011<br />
berücksichtigt.<br />
Nach<strong>de</strong>m Frau Rudolf uns in die<br />
Thematik <strong>de</strong>s Gen<strong>de</strong>r Budgeting<br />
sehr kompetent und interessant<br />
eingeführt hatte, entschlossen wir<br />
uns auch zu diesem Thema noch<br />
einen Antrag an <strong>de</strong>n Vertretertag<br />
einzubringen, in <strong>de</strong>m wir auf eine<br />
Umsetzung <strong>de</strong>r EU-Resolution<br />
auch im Haushalt <strong>de</strong>s DPhV und<br />
<strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sverbän<strong>de</strong>n drängen.<br />
5
Großes Interesse an Personalräte-Schulung<br />
Peter Dammann (Mitglied <strong>de</strong>s geschäftsführen<strong>de</strong>n<br />
Vorstan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s PhVSA)<br />
erlebte eine informative Veranstaltung<br />
Von Peter Dammann (Mitglied im<br />
Lehrerbezirkspersonalrat, Amtsbereich<br />
Halle)<br />
Den Schulpersonalräten unserer<br />
Gymnasien wur<strong>de</strong> auch in diesem<br />
Jahr am 25./26.09. durch unseren<br />
Verband Gelegenheit gegeben, ihr<br />
Wissen über personalrechtliche Vorgänge<br />
und Probleme aufzufrischen<br />
bzw. zu erweitern. An <strong>de</strong>r Veranstaltung<br />
nahmen 70 Kolleginnen<br />
und Kollegen aus Gymnasien und<br />
Gesamtschulen unseres Lan<strong>de</strong>s<br />
teil und schon traditionsgemäß bot<br />
das Tagungshotel Spiegelsberge in<br />
Halberstadt <strong>de</strong>n angenehmen Rahmen<br />
für diese Personalräteschulung.<br />
An dieser Stelle sei <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn<br />
<strong>de</strong>s geschäftsführen<strong>de</strong>n Vorstan<strong>de</strong>s<br />
unseres Verban<strong>de</strong>s, insbeson<strong>de</strong>re<br />
aber Frau Matthies aus <strong>de</strong>r<br />
Geschäftsstelle, für die Organisation<br />
dieser Veranstaltung Dank gesagt.<br />
Frau Iris Seltmann-Kuke, Mitglied im<br />
Lehrerhauptpersonalrat, mo<strong>de</strong>rierte<br />
die Veranstaltung und versorgte<br />
die Teilnehmer gemeinsam mit Klaus<br />
Winter, unserem zweiten Vertreter<br />
im Lehrerhauptpersonalrat, mit<br />
aktuellen Statistiken zur Entwicklung<br />
<strong>de</strong>r Schüler- und Lehrerzahlen<br />
sowie tarifrechtlichen Neuigkeiten,<br />
unter an<strong>de</strong>rem zur Altersteilzeit.<br />
Blick in <strong>de</strong>n Tagungsraum<br />
Im Anschluss berichteten unsere<br />
Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Lehrerbezirkspersonalräte<br />
über ihre Arbeit. Für<br />
<strong>de</strong>n Amtsbereich Mag<strong>de</strong>burg sind<br />
das Doris Jürschik und Matthias<br />
Bartsch, für <strong>de</strong>n Amtsbereich Halle<br />
Peter Dammann, Lutz Würzberg<br />
sowie Klaudiusz Wolowski.<br />
Die Anzahl <strong>de</strong>r Personalmaßnahmen<br />
ist in bei<strong>de</strong>n Amtsbereichen erwartungsgemäß<br />
rückläufig. Problematisch<br />
gestaltet sich nach wie vor die<br />
Bearbeitung von Personalmaßnahmen,<br />
bei <strong>de</strong>nen kein Einverständnis<br />
<strong>de</strong>r Beschäftigten vorliegt und die<br />
unmittelbar vor o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n ersten<br />
Wochen <strong>de</strong>r Sommerferien durch<br />
<strong>de</strong>n Arbeitgeber beantragt wer<strong>de</strong>n.<br />
Bei Kollegen, die ihren Urlaub bereits<br />
angetreten haben, gestaltet sich insbeson<strong>de</strong>re<br />
das Anhörungsverfahren<br />
schwierig. Die Lehrerbezirkspersonalräte<br />
wer<strong>de</strong>n weiter darauf dringen,<br />
die Anzahl solcher Maßnahmen<br />
auf ein Minimum zu reduzieren. Mit<br />
beson<strong>de</strong>rer Aufmerksamkeit folgten<br />
die Teilnehmer auch <strong>de</strong>n Ausführungen<br />
zu verschie<strong>de</strong>nen Abmahnungsverfahren.<br />
Auf großes Interesse stießen die Ausführungen<br />
von Sigrid Zwarg, Bezirksvertrauensperson<br />
für schwerbehin<strong>de</strong>rte<br />
und gleichgestellte Menschen<br />
im Bereich Süd <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>sschulamtes<br />
Sachsen-Anhalt. Ausgehend<br />
von Begriffsbestimmungen brachte<br />
Frau Zwarg <strong>de</strong>n Teilnehmern<br />
Aspekte, die nach <strong>de</strong>m Eintritt einer<br />
Behin<strong>de</strong>rung insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r<br />
Beantragung eines Behin<strong>de</strong>rungsgra<strong>de</strong>s<br />
zu beachten sind, nahe.<br />
Den Abend konnten die Teilnehmer<br />
entwe<strong>de</strong>r sportlich beim Kegeln ausklingen<br />
lassen o<strong>de</strong>r sie wur<strong>de</strong>n mit<br />
Spannend und äußerst kurzweilig<br />
Richter Dr. Karl-Heinz Millgramm beim<br />
Vortrag<br />
einem Vortrag über Nepal, gehalten<br />
von Klaudiusz Wolowski, in die Ferne<br />
entführt.<br />
Wie immer fand natürlich auch in<br />
<strong>de</strong>n Vortragspausen ein reger Erfahrungsaustausch<br />
<strong>de</strong>r Kollegen statt.<br />
Den zweiten Veranstaltungstag<br />
„übernahm“ Dr. Karl-Heinz Millgramm,<br />
bis Frühjahr 2013 Vorsitzen<strong>de</strong>r<br />
Richter am Verwaltungsgericht<br />
Halle. Angekündigt waren verschie<strong>de</strong>ne<br />
Themen zum Personalvertretungsrecht,<br />
die sowohl die Personalräte<br />
bei Dienststellen als auch<br />
die Stufenpersonalräte betreffen.<br />
Wer anfangs glaubte, die Teilnehmer<br />
wür<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n angekündigten Themen<br />
„zähflüssige“ Stun<strong>de</strong>n erwarten,<br />
wur<strong>de</strong> schnell eines besseren<br />
belehrt. Wie Dr. Millgramm, ausgehend<br />
vom New York-Marathon über<br />
eine kurze Biografie, die angereichert<br />
war durch Erlebnisse und Anekdoten<br />
aus <strong>de</strong>n Umbruchzeiten nach <strong>de</strong>r<br />
Wen<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Martin-Luther-Universtät<br />
Halle und <strong>de</strong>m Verwaltungsgericht<br />
in Halle, <strong>de</strong>n Bogen zum Personalvertretungsrecht<br />
spannte, war<br />
absolut spannend und äußerst kurzweilig.<br />
Zwischenfragen beantwortete<br />
Dr. Millgramm sofort und konkret,<br />
auch anhand von praktischen<br />
Beispielen aus seiner langjährigen<br />
Berufserfahrung. Und wenn er die<br />
Frage „Gilt das auch für Angestellte?“<br />
mit einem „genervten“ langgezogenen<br />
„Ja“ beantwortete, hatte er<br />
die Lacher auf seiner Seite.<br />
Die Personalräteschulung für 2014<br />
ist bereits avisiert und wir hoffen<br />
wie<strong>de</strong>r auf reges Interesse bei <strong>de</strong>n<br />
Schulpersonalräten.<br />
6
Wirtschaft warnt vor Abitur um je<strong>de</strong>n Preis<br />
Die Industrie- und Han<strong>de</strong>lskammer fürchtet wegen <strong>de</strong>s großen Ansturms auf Gymnasien um das Niveau. Das Land<br />
verweist auf gute Ergebnisse bei Tests. Die IHK ehrt die 33 besten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m Sü<strong>de</strong>n Sachsen-Anhalts<br />
für ihre Leistungen.<br />
Die Industrie- und Han<strong>de</strong>lskammer<br />
Halle-Dessau schlägt Alarm: IHK-<br />
Präsi<strong>de</strong>ntin Carola Schaar hat angesichts<br />
<strong>de</strong>s freien Zugangs zu Gymnasien<br />
in Sachsen-Anhalt vor einer<br />
Verschlechterung <strong>de</strong>r gymnasialen<br />
Schulausbildung gewarnt. „De facto<br />
beschränken wir <strong>de</strong>n Zugang zu <strong>de</strong>n<br />
Gymnasien nicht“, sagte Schaar am<br />
Donnerstagabend bei <strong>de</strong>r Ehrung<br />
<strong>de</strong>r besten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r IHK<br />
in Halle.<br />
In Sachsen-Anhalt entschei<strong>de</strong>n die<br />
Eltern darüber, ob ihr Kind nach <strong>de</strong>r<br />
Grundschule das Gymnasium o<strong>de</strong>r<br />
eine an<strong>de</strong>re weiterführen<strong>de</strong> Schule<br />
wie die Sekundarschule, die<br />
Gesamtschule o<strong>de</strong>r die Gemeinschaftsschule<br />
besucht. Die verbindliche<br />
Schullaufbahnempfehlung, bei<br />
<strong>de</strong>r die Lehrer das letzte Wort hatten,<br />
war zum Schuljahr 2011/2012 abgeschafft<br />
wor<strong>de</strong>n.<br />
„Bildungsinflation“ droht<br />
IHK-Präsi<strong>de</strong>ntin Carola Schaar warnt vor<br />
einer „Bildungsinflation“<br />
Schaar sieht das als Gefahr. Im<br />
Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Ansturm<br />
auf das Gymnasium sei regelmäßig<br />
die For<strong>de</strong>rung zu hören, dass Abiturienten<br />
auch studieren sollten. „Auf<br />
diese Weise laufen wir Gefahr, nicht<br />
nur unser Schul-, son<strong>de</strong>rn unser<br />
gesamtes Bildungssystem zu entwerten“,<br />
sagte die IHK-Präsi<strong>de</strong>ntin.<br />
Sie sieht sogar eine „Bildungsinflation“<br />
drohen.<br />
Schaar sprach von Übertrittsquoten<br />
von <strong>de</strong>r Grundschule auf das<br />
Gymnasium von mehr als 50 Prozent.<br />
Das Kultusministerium wies<br />
das zurück. Seit <strong>de</strong>m Abschaffen<br />
<strong>de</strong>r verbindlichen Schullaufbahnempfehlung<br />
habe sich die Quote<br />
von 43,1 auf 46,5 Prozent erhöht,<br />
sagte Ministeriumssprecher Martin<br />
Hanusch auf Anfrage <strong>de</strong>r Mittel<strong>de</strong>utschen<br />
Zeitung. Von einer „Bildungsinflation“<br />
könne <strong>de</strong>shalb keine<br />
Re<strong>de</strong> sein, ebenso wenig wie von<br />
einer Verschlechterung <strong>de</strong>s Niveaus<br />
an Gymnasien. Dagegen sprächen<br />
die Ergebnisse bun<strong>de</strong>sweiter Leistungsvergleiche,<br />
sagte Hanusch.<br />
So habe Sachsen-Anhalt erst jüngst<br />
bei einem Län<strong>de</strong>rvergleich vor<strong>de</strong>re<br />
Plätze in Mathematik und Naturwissenschaften<br />
erreicht.<br />
Duales Ausbildungssystem<br />
Statt für das Studium warb Schaar<br />
für eine Stärkung <strong>de</strong>r dualen Berufsausbildung<br />
in einem Unternehmen<br />
und in <strong>de</strong>r Berufsschule. Das duale<br />
Ausbildungssystem warte mit qualitativ<br />
hochwertigen Abschlüssen auf<br />
und erziele international zunehmend<br />
Achtung und Aufmerksamkeit. Aufgrund<br />
vieler Abiturienten und Stu<strong>de</strong>nten<br />
sei Deutschland aber dabei,<br />
diesen Wettbewerbsvorteil leichtfertig<br />
zu verspielen. Bei vielen Studienrichtungen<br />
beklagte Schaar mangeln<strong>de</strong><br />
Nähe zum Arbeitsmarkt.<br />
Bei <strong>de</strong>r Veranstaltung in Halle wur<strong>de</strong>n<br />
die 33 besten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
aus <strong>de</strong>m Sü<strong>de</strong>n Sachsen-Anhalts für<br />
ihre Leistungen geehrt. Sie hatten in<br />
29 Berufen die besten Abschlussergebnisse<br />
von mehr als 4.000 Prüflingen<br />
erzielt. Ausgezeichnet wur<strong>de</strong>n<br />
auch die sechs besten Absolventen<br />
<strong>de</strong>r Fortbildungsprüfungen im IHK-<br />
Bezirk Halle-Dessau.<br />
Quelle: Mittel<strong>de</strong>utsche Zeitung,<br />
08.11.2013<br />
7
Für ein starkes Gymnasium in einem pluralen Schulsystem<br />
Pakt für Bildung zwischen Bund und Län<strong>de</strong>rn gefor<strong>de</strong>rt<br />
Der Wahlvertretertag <strong>de</strong>s Deutschen Philologenverban<strong>de</strong>s fand vom 06. - 09. November 2013 im dbb-Forum in <strong>de</strong>r<br />
Berliner Friedrichstraße statt. Aus Sachsen-Anhalt nahmen als Delegierte <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong>, Dr. Mannke, und die bei<strong>de</strong>n<br />
stellvertreten<strong>de</strong>n Vorsitzen<strong>de</strong>n, Iris Seltmann-Kuke und Thomas Gaube, an <strong>de</strong>n Beratungen teil. Nach <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svorstandssitzung<br />
am Donnerstag, wo die Empfehlungen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sleitung zu <strong>de</strong>n 82 Anträgen <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sverbän<strong>de</strong><br />
beraten wur<strong>de</strong>n, konnte am Nachmittag <strong>de</strong>r Vertretertag mit einem feierlichen Akt eröffnet wer<strong>de</strong>n. Der Festredner,<br />
Bun<strong>de</strong>stagspräsi<strong>de</strong>nt Prof. Dr. Norbert Lammert, plädierte mit brillanter Rhetorik und einer geschliffenen Argumentation<br />
für einen erweiterten Bildungs- und Kulturbegriff in Deutschland und wies dabei <strong>de</strong>n Gymnasien eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Rolle bei <strong>de</strong>r umfangreichen Allgemeinbildung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen zu. Am Freitag, <strong>de</strong>m 8. November, fand<br />
die Wahl <strong>de</strong>s neuen geschäftsführen<strong>de</strong>n Vorstan<strong>de</strong>s statt.<br />
Die Vertreterversammlung <strong>de</strong>s Deutschen<br />
Philologenverban<strong>de</strong>s (DPhV)<br />
hat am 08. November 2013 in Berlin<br />
Heinz-Peter Meidinger mit großer<br />
Mehrheit in seinem Amt als Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>n<br />
bestätigt. Der 59-jährige<br />
Direktor eines Gymnasiums in<br />
Deggendorf, Nie<strong>de</strong>rbayern, erhielt<br />
in Berlin 101 von 104 gültigen Stimmen.<br />
Der wie<strong>de</strong>rgewählte Vorsitzen<strong>de</strong><br />
kündigte an, sich offensiv für die<br />
Fortentwicklung eines leistungsstarken<br />
Gymnasiums in einem pluralen<br />
Schulsystem einzusetzen. „Der<br />
große Zuspruch zum Gymnasium ist<br />
kein Selbstläufer, son<strong>de</strong>rn Ausdruck<br />
<strong>de</strong>r großen Wertschätzung <strong>de</strong>r dort<br />
überall in Deutschland geleisteten<br />
hochwertigen Bildungsarbeit“,<br />
betonte Meidinger. Gleichzeitig<br />
erteilte er politischen Bestrebungen<br />
in einer Reihe von Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />
eine Absage, die Gymnasien<br />
gegenüber an<strong>de</strong>ren Schularten wie<br />
Gemeinschaftsschulen schlechter<br />
zu stellen und die gymnasialen<br />
Qualitätsstandards aufzuweichen.<br />
Die in einzelnen Län<strong>de</strong>rn geplante<br />
Abschaffung <strong>de</strong>r eigenständigen<br />
gymnasialen Lehrerbildung laufe<br />
letztendlich auf die Abschaffung<br />
<strong>de</strong>s Gymnasiums selbst hinaus. Das<br />
wer<strong>de</strong> man nicht tolerieren.<br />
Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen<br />
in Berlin for<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r neugewählte<br />
Vorsitzen<strong>de</strong> einen Pakt für<br />
Bildung zwischen Bund und Län<strong>de</strong>rn<br />
mit einer Investitionssumme<br />
für die Schulen von min<strong>de</strong>stens 20<br />
Milliar<strong>de</strong>n Euro. Voraussetzung, so<br />
Meidinger, sei allerdings die Beseitigung<br />
<strong>de</strong>s Kooperationsverbotes<br />
zwischen Bund und Län<strong>de</strong>rn im<br />
Schulbereich. Diese zusätzlichen<br />
Investitionen sollten insbeson<strong>de</strong>re<br />
8<br />
Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle <strong>de</strong>s Gymnasiums<br />
bei <strong>de</strong>r Allgemeinbildung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r und<br />
Jugendlichen<br />
Bun<strong>de</strong>stagspräsi<strong>de</strong>nt Prof. Dr. Norbert<br />
Lammert<br />
Vertraten unseren Lan<strong>de</strong>sverband in Berlin<br />
Dr. Jürgen Mannke, Thomas Gaube und<br />
Iris Seltmann-Kuke (v.l.)<br />
Mit großer Mehrheit in ihren Ämtern bestätigt<br />
Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>r Heinz-Peter Meidinger<br />
(li.), stellvertreten<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>r<br />
Dr. Horst Günther Klitzing<br />
in <strong>de</strong>n Renovierungsbedarf und die<br />
verbesserte technische Ausstattung<br />
von Schulen fließen.<br />
Als stellvertreten<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>r<br />
wur<strong>de</strong> Dr. Horst Günther<br />
Klitzing (Saarland) wie<strong>de</strong>rgewählt,<br />
Auch <strong>de</strong>r Schatzmeister Andreas<br />
Bartsch (Nordrhein-Westfalen) und<br />
drei <strong>de</strong>r Beisitzer, Gabriela Kasigkeit<br />
(Berlin, für frauenpolitische Fragen),<br />
Steffen Pabst (Sachsen, tarifpolitische<br />
Obliegenheiten) und Rainer<br />
Starke (Nie<strong>de</strong>rsachsen, Berufspolitik/<br />
Beamtenrecht) erhielten das<br />
Vertrauen <strong>de</strong>r Vertreterversammlung<br />
und wur<strong>de</strong>n im Amt bestätigt. Neu in<br />
<strong>de</strong>n Vorstand wur<strong>de</strong> Ralph Hartung<br />
(Hessen) gewählt. Freiwillig ausgeschie<strong>de</strong>n<br />
ist Frau Prof. Dr. Susanne<br />
Lin-Klitzing, die jahrelang <strong>de</strong>m bildungspolitischen<br />
Ausschuss vorgestan<strong>de</strong>n<br />
hatte und weiterhin <strong>de</strong>m<br />
Verband im wissenschaftlichen Beirat<br />
zur Verfügung stehen wird.<br />
Im letzten Sitzungsteil wur<strong>de</strong>n die<br />
Anträge beraten. Im Bereich <strong>de</strong>r<br />
BIldungs- und Gesellschaftspolitik<br />
wur<strong>de</strong>n vor allem die Anträge, die<br />
für das Abitur mit zentralen Aufgabenstellungen,<br />
die Beibehaltung <strong>de</strong>r<br />
Nichtversetzung, maßvolle Inklusion<br />
und die Senkung <strong>de</strong>r Klassenfrequenzen<br />
plädierten, einstimmig<br />
angenommen. Die Delegierten sprachen<br />
sich in <strong>de</strong>r Berufspolitik ein<strong>de</strong>utig<br />
für eine lehramtsbezogene<br />
Ausbildung, die Rückkehr zum 24-<br />
monatigen Referendariat, die Erweiterung<br />
<strong>de</strong>s Einstellungskorridors für<br />
junge Kolleginnen und Kollegen,<br />
die Erhöhung <strong>de</strong>r Anrechnungsund<br />
Altersermäßigungsstun<strong>de</strong>n,<br />
ein Blockmo<strong>de</strong>ll in <strong>de</strong>n Altersteilzeitregelungen<br />
und ein einheitliches<br />
Tarifwerk für die Tarifgebiete Ost und<br />
West aus.
Gymnasiallehrerverband for<strong>de</strong>rt 20-Milliar<strong>de</strong>n-Paket<br />
„Jetzt geht es um Qualität.“<br />
DPhV-Vorsitzen<strong>de</strong>r Heinz-Peter<br />
Meidinger<br />
Der Deutsche Philologenverband<br />
erwartet von <strong>de</strong>r neuen Bun<strong>de</strong>sregierung<br />
einen Pakt für Bildung zwischen<br />
Bund und Län<strong>de</strong>rn, für <strong>de</strong>n<br />
in <strong>de</strong>n nächsten vier Jahren min<strong>de</strong>stens<br />
20 Milliar<strong>de</strong>n Euro allein<br />
für <strong>de</strong>n Schulbereich bereitgestellt<br />
wer<strong>de</strong>n sollten.<br />
In einem Gespräch mit unserer Zeitung<br />
betonte Verbandschef Heinz-<br />
Peter Meidinger, diese „Hausnummer“<br />
müsste es schon min<strong>de</strong>stens<br />
sein, um Deutschlands Schulen zu<br />
einem leistungsfähigen Ganztagssystem<br />
auszubauen. Das erfor<strong>de</strong>re<br />
einen weitaus größeren Kraftakt<br />
als jenes Vier-Milliar<strong>de</strong>n-Paket, mit<br />
<strong>de</strong>m 2003 Altkanzler Gerhard Schrö<strong>de</strong>r<br />
einen ersten Anschub gegeben<br />
habe. „Damals ging es allein<br />
um Baukosten. Jetzt geht es um<br />
Qualität und <strong>de</strong>n Anspruch, die Bildungsrepublik<br />
Deutschland wirklich<br />
mit Leben zu füllen.“ Ohne die Hilfe<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s sei das nicht zu schaffen.<br />
Dafür seien die meisten Län<strong>de</strong>r<br />
finanziell zu schwach, sagte Meidinger.<br />
Nach seinen Worten steht die Bildungspolitik<br />
vor drei Mammutaufgaben:<br />
ein hochwertiges Ganztagsangebot<br />
statt <strong>de</strong>r bisherigen<br />
Schmalspur-Lösungen am Nachmittag,<br />
die Inklusion, also die Integration<br />
von behin<strong>de</strong>rten Kin<strong>de</strong>rn<br />
in Regelschulen, und die professionelle<br />
Digitalisierung <strong>de</strong>r Klassenzimmer.<br />
Der Chef <strong>de</strong>s Gymnasiallehrerverbands<br />
for<strong>de</strong>rte erneut<br />
hauptamtliche IT-Profis an Schulen.<br />
Je<strong>de</strong> größere Firma, je<strong>de</strong> Kommune<br />
und Behör<strong>de</strong> habe EDV-Experten.<br />
Die Schulen aber lasse man damit<br />
allein, kritisierte Meidinger. Derzeit<br />
erledigten Lehrer in ihrer Freizeit <strong>de</strong>n<br />
Computer-Service.<br />
Meidinger geht davon aus, dass sich<br />
die Bremsen bei gemeinsamer Bildungsfinanzierung<br />
schnell lockern<br />
wer<strong>de</strong>n. „Schon im ersten Quartal<br />
2014 könnte das Kooperationsverbot<br />
zwischen Bund und Län<strong>de</strong>rn<br />
fallen“, zeigte sich <strong>de</strong>r Verbandschef<br />
überzeugt. Derzeit muss sich<br />
<strong>de</strong>r Bund laut Grundgesetz aus<br />
<strong>de</strong>r Bildungspolitik heraushalten.<br />
Der Philologenverband vertritt die<br />
Interessen von 90.000 Philologen.<br />
In Deutschland gibt es 3.000 Gymnasien.<br />
noz.<strong>de</strong>, 07.11.2013<br />
Der trügerisch-schöne Schein <strong>de</strong>r Ganztagsschulen<br />
Nun sind die Diskussionen um die Ganztagsschulen beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>n Fokus <strong>de</strong>r Grundschulen geraten. Natürlich wer<strong>de</strong>n<br />
auch für die weiterführen<strong>de</strong>n Schulen solche Konzepte angeboten. In Sachsen-Anhalt wer<strong>de</strong>n zurzeit allerdings<br />
die Anträge auf Einrichtung einer Ganztagsschule oft abgelehnt. Dahinter steht die Sorge <strong>de</strong>s Kultusministeriums,<br />
diese Schulen wegen fehlen<strong>de</strong>r finanzieller Mittel nicht mit genügen<strong>de</strong>m Lehrpersonal und erfor<strong>de</strong>rlichen pädagogischen<br />
Rahmenbedingungen auszustatten. Die meisten Gymnasien tragen <strong>de</strong> facto schon Ganztagsschulcharakter.<br />
Dennoch sollten die Erfahrungen aus <strong>de</strong>n Grundschulen genutzt wer<strong>de</strong>n, um die Konzeptionen <strong>de</strong>r rhythmisierten<br />
Ganztagsschule aufzugreifen.<br />
Vor allem in Ost<strong>de</strong>utschland und<br />
NRW wur<strong>de</strong>n viele Schulen zu<br />
Ganztagsschulen ausgebaut.<br />
Doch Bildungsexperten kritisieren:<br />
We<strong>de</strong>r Bildung noch Chancengleichheit<br />
hätten sich verbessert.<br />
Fast je<strong>de</strong> zweite Grundschule ist<br />
mittlerweile eine Ganztagsschule<br />
– allerdings ist die Organisation<br />
<strong>de</strong>s Nachmittags von Schule<br />
zu Schule verschie<strong>de</strong>n. Insgesamt<br />
sind Ganztagsschulen vor allem im<br />
Osten Deutschlands und in NRW<br />
verbreitet. Es ist eines <strong>de</strong>r größten<br />
und teuersten Bildungsprojekte<br />
<strong>de</strong>r vergangenen Jahre: <strong>de</strong>r<br />
Ausbau <strong>de</strong>r Ganztagsschulen. Vor<br />
zehn Jahren starteten Bund und<br />
Län<strong>de</strong>r das sogenannte Investitionsprogramm<br />
Zukunft Bildung<br />
und Betreuung. Mittlerweile ist<br />
fast je<strong>de</strong> zweite Grundschule eine<br />
Ganztagsschule. Doch die Qualität<br />
<strong>de</strong>r Bildung hat sich durch die<br />
Verlängerung <strong>de</strong>r Schulzeit nicht<br />
verbessert, stellt eine Analyse <strong>de</strong>s<br />
Aktionsrats Bildung fest. Auch<br />
beim Thema Chancengerechtigkeit<br />
böten die Ganztagsschulen keine<br />
messbaren Vorteile gegenüber <strong>de</strong>n<br />
herkömmlichen Halbtagsschulen,<br />
urteilt das Gremium, <strong>de</strong>m renommierte<br />
Bildungsforscher wie <strong>de</strong>r<br />
Vizepräsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Hochschulrektorenkonferenz,<br />
Dieter Lenzen, und<br />
<strong>de</strong>r nationale Projektmanager <strong>de</strong>r<br />
Pisa-Studien, Manfred Prenzel,<br />
angehören. Ein politisches Ziel sei<br />
aber immerhin erreicht: Mütter sind<br />
heute wegen <strong>de</strong>r Entlastung bei<br />
<strong>de</strong>r Betreuung <strong>de</strong>s Nachwuchses<br />
häufiger berufstätig als früher.<br />
9
Nur zwei Prozent haben Anwesenheitspflicht<br />
Ganztagsschulen sind vor allem in<br />
<strong>de</strong>n neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn, Nordrhein-Westfalen,<br />
<strong>de</strong>m Saarland<br />
sowie in Berlin verbreitet. In Süd<strong>de</strong>utschland<br />
dominiert hingegen<br />
nach wie vor die Halbtagsschule.<br />
In <strong>de</strong>n meisten Schulen ist das<br />
Nachmittagsangebot freiwillig, und<br />
nur ein geringer Teil <strong>de</strong>r Aktivitäten<br />
nach <strong>de</strong>m Mittagsessen ist fachlicher<br />
Natur wie etwa spezielle För<strong>de</strong>rkurse<br />
in Deutsch, Hausaufgabenbetreuung<br />
o<strong>de</strong>r Nachhilfe. Oft<br />
han<strong>de</strong>lt es sich vielmehr um ergänzen<strong>de</strong><br />
Freizeit- und Sportangebote.<br />
Die Bildungsexperten monieren,<br />
dass im Grundschulbereich fast<br />
85 Prozent <strong>de</strong>r Ganztagsschulen<br />
in offener Form organisiert sind –<br />
es also <strong>de</strong>n Schülern freisteht, ob<br />
sie das Mittagsessen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
Nachmittagsangebote nutzen o<strong>de</strong>r<br />
nicht. Lediglich knapp zwei Prozent<br />
aller Grundschulen in Deutschland<br />
sind in voll gebun<strong>de</strong>ner Form<br />
organisiert, also mit Anwesenheitspflicht.<br />
Etwas beliebter ist die teilgebun<strong>de</strong>ne<br />
Form. Der Begriff Ganztagsschule<br />
ist hierzulan<strong>de</strong> ohnehin<br />
sehr weit gefasst und variiert von<br />
Bun<strong>de</strong>sland zu Bun<strong>de</strong>sland. Viele<br />
<strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Lehranstalten<br />
sind nur an einigen Wochentagen<br />
nachmittags geöffnet. Teilweise<br />
fin<strong>de</strong>t nach <strong>de</strong>m Mittagessen auch<br />
lediglich eine Betreuung statt, ohne<br />
fachbezogene Lernangebote etwa<br />
in Deutsch, Mathematik, Sachkun<strong>de</strong>unterricht,<br />
Sport o<strong>de</strong>r Musik.<br />
Quelle: Infografik Die Welt<br />
Mangeln<strong>de</strong> Verzahnung von Unterricht und Betreuung<br />
Die Wissenschaftler kritisieren, dass<br />
ein großer Teil <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r viele Angebote<br />
<strong>de</strong>r Schulen gar nicht nutzt. So<br />
nimmt beispielsweise die Hälfte <strong>de</strong>r<br />
Schüler an Ganztagsgrundschulen<br />
an <strong>de</strong>m warmen Mittagessen nicht<br />
teil. Ein Manko sei überdies die in<br />
<strong>de</strong>n meisten Instituten mangeln<strong>de</strong><br />
Verzahnung <strong>de</strong>s Schulunterrichts<br />
am Vormittag und <strong>de</strong>r inhaltlichen<br />
Gestaltung <strong>de</strong>s Nachmittags. So<br />
gäben 27 Prozent <strong>de</strong>r Schulleiter die<br />
10<br />
Verantwortung für die Organisation<br />
<strong>de</strong>s Nachmittagsbetriebs komplett<br />
in die Hän<strong>de</strong> von Schulvereinen o<strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>ren Institutionen. Oft schrieben<br />
die Schulgesetze <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r für das<br />
am Nachmittag eingesetzte Personal<br />
überdies keinerlei Min<strong>de</strong>ststandards<br />
für die Qualifikation vor.<br />
Unter allen Viertklässlern bleibt<br />
lediglich je<strong>de</strong>r dritte min<strong>de</strong>stens drei<br />
Mal in <strong>de</strong>r Woche bis zum Nachmittag<br />
in <strong>de</strong>r Schule. Dabei lassen sich<br />
laut Studie kaum Unterschie<strong>de</strong> zwischen<br />
Ganztagsschulen und Halbtagsschulen<br />
feststellen, <strong>de</strong>nn auch<br />
Letztere böten heutzutage häufig<br />
Hausaufgabenbetreuung o<strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>re Aktivitäten in <strong>de</strong>n Nachmittagsstun<strong>de</strong>n<br />
an. Be<strong>de</strong>nklich fin<strong>de</strong>n<br />
es die Bildungsforscher, dass die<br />
Teilnahme an Freizeitangeboten in<br />
<strong>de</strong>n offenen Ganztagsschulen <strong>de</strong>utlich<br />
beliebter ist als die fachlichen<br />
För<strong>de</strong>rangebote.
Wirtschaft dringt auf Qualitätsverbesserung<br />
Oftmals mei<strong>de</strong>n Ganztagsschüler<br />
sogar die Hausaufgabenbetreuung,<br />
obgleich diese in <strong>de</strong>r Regel für sie<br />
obligatorisch ist. Und so sei es kein<br />
Wun<strong>de</strong>r, dass alle bisher durchgeführten<br />
Leistungsvergleiche „keine<br />
Hinweise auf Zusammenhänge<br />
zwischen <strong>de</strong>m Ganztagsschulbesuch<br />
und <strong>de</strong>m Kompetenzerwerb<br />
in <strong>de</strong>n Domänen Leseverständnis,<br />
Mathematik und Naturwissenschaften<br />
erbrachten“, heißt es in<br />
<strong>de</strong>r Studie. Zu<strong>de</strong>m seien die Ganztagsschulen<br />
bislang nicht erfolgreicher<br />
dabei, die enge Koppelung<br />
zwischen sozialer Herkunft und<br />
Bildungserfolg zu verringern. Der<br />
vom Verband <strong>de</strong>r Bayerischen Wirtschaft<br />
(VBW) eingesetzte Aktionsrat<br />
Bildung plädiert <strong>de</strong>shalb dafür,<br />
stärker als bisher die gebun<strong>de</strong>ne<br />
Ganztagsschule zu för<strong>de</strong>rn. Als i<strong>de</strong>al<br />
gilt <strong>de</strong>n Experten das Konzept<br />
<strong>de</strong>r rhythmisierten Ganztagsschule,<br />
bei <strong>de</strong>m sich Fachunterricht und<br />
an<strong>de</strong>re Lern- und Freizeitphasen<br />
über <strong>de</strong>n ganzen Tag hinweg kindgerecht<br />
abwechseln. Diese Schulform<br />
sollte wie in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn<br />
auch in Deutschland zur Regel wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Wirtschaft dringt ebenfalls<br />
auf eine Qualitätsverbesserung bei<br />
<strong>de</strong>n Ganztagsschulen. VBW-Präsi<strong>de</strong>nt<br />
Alfred Gaffal for<strong>de</strong>rt: „Mit Blick<br />
auf die Fachkräftelücke müssen wir<br />
Bildungsbeteiligung und -qualität<br />
sowie die Partizipationsgerechtigkeit<br />
<strong>de</strong>r nachwachsen<strong>de</strong>n Generationen<br />
erhöhen.“<br />
welt.<strong>de</strong>, 06.11.2013<br />
Studierwahn in <strong>de</strong>r Bildungsrepublik?<br />
Der Drang nach <strong>de</strong>m Hochschulabschluss bringt es an <strong>de</strong>n Tag: Erstmals wer<strong>de</strong>n in diesem Jahr in Deutschland mehr<br />
junge Menschen neu ins Studium starten als eine Ausbildung im Betrieb aufnehmen. Rund 482 400 neue Lehrverträge<br />
zählen Industrie, Han<strong>de</strong>l, Handwerk und freie Berufe zum gesetzlichen Bilanzstichtag 30. September. Das sind<br />
20 500 o<strong>de</strong>r 4,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Universitäten und Fachhochschulen rechnen dagegen fest mit <strong>de</strong>r<br />
Neueinschreibung von etwa 500 000 Erstsemestern. Daraus entsteht gegenwärtig in <strong>de</strong>r „Bildungsrepublik Deutschland“<br />
eine Debatte, <strong>de</strong>ren wesentliche Aspekte wir hier mittels zweier, teilweise kontroverser Bekanntmachungen<br />
zusammenstellen.<br />
Große Besorgnis über drohen<strong>de</strong> Fehlsteuerung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Bildungssystems<br />
DPhV warnt vor <strong>de</strong>n Folgen einer Überaka<strong>de</strong>misierung<br />
Eva Hertzfeldt, Pressesprecherin<br />
Vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r Tatsache,<br />
dass in diesem Jahr zum ersten<br />
Mal in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
mehr Neueinschreibungen<br />
an Hochschulen (500 000)<br />
als neue Ausbildungsverträge (482<br />
000) zu verzeichnen waren, hat <strong>de</strong>r<br />
Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Deutschen<br />
Philologenverban<strong>de</strong>s, Heinz-Peter<br />
Meidinger, vor einer drohen<strong>de</strong>n<br />
Fehlsteuerung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Bildungswesens<br />
gewarnt. Diese Fehlsteuerung<br />
wer<strong>de</strong> dramatische Auswirkungen<br />
auf die künftigen Arbeitsmarktchancen<br />
von Jugendlichen<br />
und Hochschulabsolventen, die<br />
Qualität von Schulen und Hochschulen,<br />
die Zukunft <strong>de</strong>r weltweit hochgelobten<br />
dualen Ausbildung und<br />
damit das Wirtschaftswachstum und<br />
die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands<br />
generell haben, betonte <strong>de</strong>r<br />
Verbandsvorsitzen<strong>de</strong> in Berlin.<br />
In diesem Zusammenhang kritisierte<br />
Meidinger heftig die Kampagne<br />
<strong>de</strong>r OECD für eine „100-Prozent-<br />
Aka<strong>de</strong>miker-Gesellschaft“: „Die Be-<br />
hauptung von OECD-Bildungskoordinator<br />
Andreas Schleicher, ein aka<strong>de</strong>misches<br />
Studium erbringe für <strong>de</strong>n<br />
Betroffenen hohe Renditen stimmt<br />
zum Teil schon heute im Bereich<br />
von Geistes-, Sozial-, Kultur- und<br />
Sprachwissenschaften, aber auch<br />
bei vielen Architekten und Juristen<br />
nicht mehr. In einer nominellen Vollaka<strong>de</strong>mikergesellschaft<br />
wird <strong>de</strong>r<br />
Mehrwert sogar gegen Null tendieren.“<br />
Der DPhV-Vorsitzen<strong>de</strong> verwies darauf,<br />
dass nach aktuellen Studien<br />
bereits jetzt ein Drittel <strong>de</strong>r Hochschulabsolventen<br />
in nichttechnischen und<br />
nicht wirtschaftsnahen Fächern keine<br />
<strong>de</strong>m erworbenen Abschluss entsprechend<br />
adäquat bezahlte Stelle<br />
auf <strong>de</strong>m Arbeitsmarkt fin<strong>de</strong>. Während<br />
Bildungsökonomen <strong>de</strong>n volkswirtschaftlichen<br />
Scha<strong>de</strong>n durch fehlen<strong>de</strong><br />
Ingenieure auf Euro und Dollar<br />
ausgerechnet hätten, vermisse man<br />
eine entsprechen<strong>de</strong> Berechnung<br />
für die je<strong>de</strong>s Jahr größer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Bedarfslücke im Bereich von Facharbeiterinnen<br />
und Facharbeitern.<br />
„Es geht keinesfalls darum, generell<br />
vor <strong>de</strong>m Erwerb von Hochschulzugangsberechtigungen<br />
und <strong>de</strong>r Aufnahme<br />
eines Studiums zu warnen.<br />
Für viele berufliche Tätigkeiten bleibt<br />
ein wissenschaftliches Studium nach<br />
wie vor eine unbestrittene Notwendigkeit.<br />
Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite wird<br />
aber auch immer <strong>de</strong>utlicher, dass die<br />
Aka<strong>de</strong>misierung bisher nichtaka<strong>de</strong>mischer<br />
Berufsbil<strong>de</strong>r nicht selten<br />
wegen <strong>de</strong>s nun fehlen<strong>de</strong>n Praxisbezugs<br />
zu Qualitätsverlusten führt<br />
o<strong>de</strong>r bereits geführt hat! Lei<strong>de</strong>r steht<br />
bei immer mehr Hochschulzugangsberechtigten<br />
hinter <strong>de</strong>r Berechtigung<br />
keine ausreichen<strong>de</strong> Befähigung<br />
mehr, weil das Schielen <strong>de</strong>r Bildungspolitik<br />
auf Quoten die Qualitätsentwicklung<br />
vernachlässigt hat“,<br />
sagte Meidinger.<br />
Der Verbandschef for<strong>de</strong>rte eine Neubesinnung<br />
und eine offene und ehrliche<br />
gesellschaftliche Diskussion<br />
darüber, wie viele Hochschulabsolventen<br />
und Absolventen beruflicher<br />
Ausbildungsgänge unsere Gesellschaft<br />
in Zukunft braucht.<br />
Berlin, <strong>de</strong>n 25. November 2013<br />
11
Studium versus Lehre<br />
Was ist dran am „Aka<strong>de</strong>misierungswahn“?<br />
Der Trend zum Studium zeichnet<br />
sich seit Jahren ab. Er folgt einem<br />
Wan<strong>de</strong>l auch in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Beschäftigungsstruktur, auch wenn<br />
die aktuellen Studienanfängerzahlen<br />
in Folge <strong>de</strong>r doppelten Abiturientenjahrgänge<br />
das Bild ein wenig verzerren.<br />
Laut allen Arbeitsprognosen<br />
wer<strong>de</strong>n wissensbasierte Tätigkeiten<br />
künftig noch mehr zunehmen, produktionsnahe<br />
dagegen zurückgehen.<br />
Selbst konservative Bildungspolitiker,<br />
die früher nicht mü<strong>de</strong><br />
wur<strong>de</strong>n, vor einer drohen<strong>de</strong>n „Aka<strong>de</strong>mikerschwemme“<br />
und vor „gigantischer<br />
Fehlsteuerung“ zu warnen,<br />
räumen inzwischen ein, dass mit <strong>de</strong>n<br />
früheren dürftigen <strong>de</strong>utschen Hochschulabsolventen-Quoten<br />
<strong>de</strong>r heutige<br />
Erfolg <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wirtschaft<br />
kaum möglich gewesen wäre.<br />
Der OECD-Bildungsexperte Andreas<br />
Schleicher, <strong>de</strong>r seit Jahren für<br />
eine höhere Aka<strong>de</strong>miker-Quote<br />
in Deutschland wirbt, prognostiziert<br />
einen noch stärkeren Wan<strong>de</strong>l<br />
auf <strong>de</strong>m Arbeitsmarkt: Auf <strong>de</strong>r<br />
Wachstumsseite stün<strong>de</strong>n noch<br />
mehr anspruchsvolle Tätigkeiten,<br />
die Problemlösungskompetenz und<br />
Abstraktionsvermögen erfor<strong>de</strong>rten<br />
– während sich einfache Technik-<br />
Arbeiten weiter automatisieren ließen.<br />
Dabei hätten Jobs wie Friseur o<strong>de</strong>r<br />
Taxifahrer in Zukunft noch Bestand,<br />
weil sie nicht einfach in Billiglohnlän<strong>de</strong>r<br />
ausgelagert wer<strong>de</strong>n könnten.<br />
Die größte Gefahr sieht Schleicher<br />
hingegen für einfache Büroberufe<br />
und Dienstleistungen, die sich noch<br />
stärker als heute digitalisieren ließen.<br />
In <strong>de</strong>r Verwaltung drohe eine zweite<br />
technische Revolution, so <strong>de</strong>r Bildungsexperte<br />
<strong>de</strong>r Organisation für<br />
wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />
Entwicklung (OECD/Paris). Gleichwohl<br />
haben <strong>de</strong>r anhalten<strong>de</strong> Run auf<br />
die Hochschulen und die zugleich<br />
sinken<strong>de</strong> Zahl <strong>de</strong>r neuen Lehrverträge<br />
in <strong>de</strong>r beruflichen Bildung eine<br />
neue Debatte über einen „Aka<strong>de</strong>misierungswahn“<br />
ausgelöst. Der<br />
SPD-Philosoph Julian Nida-Rümelin<br />
sieht durch die steigen<strong>de</strong>n Stu<strong>de</strong>ntenzahlen<br />
gar „die größte Stärke<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Bildungstradition“ in<br />
Gefahr – nämlich die Verbindung von<br />
staatlicher Bildung in <strong>de</strong>r Berufsschule<br />
und beruflicher Ausbildung<br />
im Betrieb, schrieb Nida-Rümelin<br />
unlängst in <strong>de</strong>r „Frankfurter Allgemeinen<br />
Sonntagszeitung“.<br />
Der frühere SPD-Bildungsminister<br />
Klaus von Dohnanyi legte in <strong>de</strong>r<br />
„Süd<strong>de</strong>utschen Zeitung“ nach. Er<br />
warnte davor, in <strong>de</strong>r Aufnahme eines<br />
handwerklichen Berufs einen „Bildungsabstieg“<br />
zu sehen. Schließlich<br />
sei seine Tochter auch erfolgreiche<br />
Goldschmiedin in Florenz, meinte<br />
<strong>de</strong>r 85-Jährige.<br />
Studium versus Lehre ein wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong>s Thema<br />
Ob nun so ausgefallene Beispiele<br />
wie eine <strong>de</strong>utsche Goldschmiedin<br />
in Florenz o<strong>de</strong>r ein Optiker mit<br />
eigenem Geschäft ausreichen, die<br />
Sorgen vieler Eltern vor sozialem<br />
Bildungsabstieg ihrer Kin<strong>de</strong>r zu<br />
zerstreuen, mag dahin gestellt bleiben.<br />
Dass diese Ängste vor allem<br />
bei aka<strong>de</strong>misch gebil<strong>de</strong>ten Eltern<br />
vorhan<strong>de</strong>n sind, ist laut <strong>de</strong>r Sozialwissenschaftlerin<br />
Jutta Allmendinger<br />
hingegen nicht zu leugnen.<br />
Nicht nur die klingen<strong>de</strong>n Kassen bei<br />
kommerziellen Nachhilfeinstituten<br />
belegen diese These.<br />
Wer die Debatte Studium versus<br />
Lehre schon etwas länger verfolgt,<br />
fühlt sich an die i<strong>de</strong>ologiebehafteten<br />
Bildungskämpfe <strong>de</strong>r 1980er<br />
und 90er Jahre erinnert. Doch die<br />
damals vor allem von Bildungspolitikern<br />
<strong>de</strong>r Union gern benutzte<br />
Schreckensvision einer „Aka<strong>de</strong>mikerschwemme“<br />
und <strong>de</strong>s „Taxifahren<strong>de</strong>n<br />
Dr. Arbeitslos“ blieb eine<br />
Stammtisch-Fiktion.<br />
Für keines dieser Horror-Szenarien<br />
gab es auf <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Arbeitsmarkt<br />
einen Beleg. Haften blieb bei<br />
diesen Kampagnen zu<strong>de</strong>m ein fa<strong>de</strong>r<br />
Beigeschmack: Während immer die<br />
An<strong>de</strong>ren ihre Kin<strong>de</strong>r doch bitte wie<strong>de</strong>r<br />
in Hauptschule und Lehre schicken<br />
sollten, beanspruchte man für<br />
<strong>de</strong>n eigenen Nachwuchs selbstverständlich<br />
einen Platz in Gymnasium<br />
und Universität.<br />
Heute haben die jungen Menschen<br />
wie <strong>de</strong>ren Eltern bei ihrer Entscheidung<br />
für Studium o<strong>de</strong>r berufliche<br />
Bildung meist ganz praktische<br />
Erwägungen im Blick: So ist die<br />
Arbeitslosenquote von Hochschulabsolventen<br />
in Deutschland mit 2,4<br />
Prozent erheblich niedriger als die<br />
von betrieblich ausgebil<strong>de</strong>ten Fachkräften<br />
(5,8 Prozent). Und: Aka<strong>de</strong>miker<br />
verdienten 2011 hierzulan<strong>de</strong><br />
fast zwei Drittel mehr als Absolventen<br />
einer Lehre – selbst wenn<br />
solche Durchschnittswerte kaschieren,<br />
dass zwischen aka<strong>de</strong>mischen<br />
Berufsgruppen wie Ärzten, Juristen<br />
und Naturwissenschaftlern auf <strong>de</strong>r<br />
einen Seite sowie Lehrern, Sozialarbeitern<br />
und einer großen Zahl nicht<br />
adäquat beschäftigter o<strong>de</strong>r gar<br />
arbeitsloser Geisteswissenschaftler<br />
ein großes Einkommensgefälle<br />
klafft.<br />
Hauptziel: Bildungspotenziale besser ausschöpfen<br />
Der Chef <strong>de</strong>s Nürnberger Instituts<br />
für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
(IAB), Joachim Möller, warnt<br />
davor, Studium und Lehre gegeneinan<strong>de</strong>r<br />
auszuspielen. Statt „Scheinprobleme<br />
wie einen angeblichen<br />
12<br />
Aka<strong>de</strong>misierungswahn“ zu erörtern,<br />
müssten Bildungspotenziale<br />
besser ausgeschöpft und möglichst<br />
viele <strong>de</strong>r völlig ungelernten 1,5 Millionen<br />
Erwachsenen zwischen 20<br />
und 30 Jahren nachträglich in eine<br />
Ausbildung vermittelt wer<strong>de</strong>n, sagte<br />
Möller <strong>de</strong>r Zeitschrift „Forschung &<br />
Lehre“ <strong>de</strong>s Deutschen Hochschulverban<strong>de</strong>s.<br />
Folgt man <strong>de</strong>n jährlichen Berufsbildungsberichten,<br />
dann ist das
Lehrstellenangebot <strong>de</strong>r Wirtschaft<br />
seit Jahren rückläufig – wie auch<br />
die Zahl <strong>de</strong>r sich an <strong>de</strong>r Ausbildung<br />
beteiligen<strong>de</strong>n Unternehmen.<br />
Darin hat auch <strong>de</strong>r 2014 auslaufen<strong>de</strong><br />
Ausbildungspakt von Bun<strong>de</strong>sregierung,<br />
Wirtschaftsverbän<strong>de</strong>n,<br />
Kultusministerkonferenz (KMK)<br />
und Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit (BA)<br />
unter <strong>de</strong>m Strich wenig verän<strong>de</strong>rt.<br />
Zwar wur<strong>de</strong>n Jahr für Jahr erfolgreich<br />
neue Betriebe für die Ausbildung<br />
gewonnen. Doch gleichzeitig<br />
mel<strong>de</strong>ten sich min<strong>de</strong>stens genauso<br />
so viel aus <strong>de</strong>m Kreis <strong>de</strong>r ausbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Unternehmen wie<strong>de</strong>r ab. Von<br />
<strong>de</strong>n insgesamt 2,1 Millionen Firmen<br />
stellten im vergangenen Jahr<br />
nur noch 21,7 Prozent neue Lehrlinge<br />
ein.<br />
Dabei mangelt es allen Klagen aus<br />
<strong>de</strong>r Wirtschaft zum Trotz wirklich<br />
nicht an Lehrstellenbewerbern –<br />
wenn auch zwischen <strong>de</strong>n Berufswünschen<br />
und Erwartungen <strong>de</strong>r<br />
jungen Menschen und <strong>de</strong>n Qualifikationsanfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>r Betriebe<br />
bisweilen Welten klaffen.<br />
Den insgesamt 561 200 Bewerbern<br />
um eine Lehrstelle stan<strong>de</strong>n im abgelaufenen<br />
Berufsberatungsjahr <strong>de</strong>r<br />
Bun<strong>de</strong>sagentur 504 500 gemel<strong>de</strong>te<br />
Stellen gegenüber. Auf eine betriebliche<br />
Stelle kamen 1,19 gemel<strong>de</strong>te<br />
Bewerber (Vorjahr 1,17). Der Anteil<br />
<strong>de</strong>r Bewerber, die mit Hilfe <strong>de</strong>r BA in<br />
eine Ausbildung eingemün<strong>de</strong>t sind,<br />
lag mit 52 Prozent leicht unter <strong>de</strong>m<br />
Niveau <strong>de</strong>s Vorjahres (54 Prozent).<br />
In ungeför<strong>de</strong>rte Ausbildung mün<strong>de</strong>ten<br />
45 Prozent <strong>de</strong>r BA-Bewerber ein<br />
(Vorjahr 47 Prozent).<br />
Nach Definition <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts<br />
kann erst dann von<br />
einem ausgeglichenen Lehrstellenmarkt<br />
gesprochen wer<strong>de</strong>n, wenn<br />
auf 100 Bewerbern 125 Stellenangebote<br />
kommen.<br />
Mo<strong>de</strong>rne Arbeitswelt stellt höhere Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
Je<strong>de</strong>r vierte neu eingestellte Lehrling<br />
hat heute Abitur, zugleich ist<br />
fast je<strong>de</strong>r zweite Ausbildungsberuf<br />
Haupt- und Realschülern faktisch<br />
verschlossen, wie bereits <strong>de</strong>r nationale<br />
Bildungsbericht 2010 darlegte.<br />
Wegen <strong>de</strong>r vielen nötigen<br />
Nachqualifizierungen und ergebnislosen<br />
Bewerbungen sind Hauptschulabsolventen<br />
beim Ersteintritt in<br />
eine Lehre nach Berechnungen <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>sinstituts für Berufsbildung<br />
inzwischen im Schnitt 19,2 Jahre alt.<br />
Die Ansprüche und Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
auf <strong>de</strong>m Arbeitsmarkt sind heute<br />
<strong>de</strong>utlich größer gewor<strong>de</strong>n, und das<br />
<strong>de</strong>utsche Schulsystem hat mit dieser<br />
Entwicklung offenbar nicht mithalten<br />
können. Die jahrzehntelang<br />
zunächst ergebnislos gebliebenen<br />
Beteuerungen <strong>de</strong>r Kultusminister,<br />
die Zahl <strong>de</strong>r Schulabbrecher <strong>de</strong>utlich<br />
zu reduzieren, <strong>de</strong>r Kampf auch<br />
<strong>de</strong>r Kammern gegen ein zehntes<br />
Pflichtschuljahr für Alle wie auch<br />
das viel zu lange Festhalten von<br />
Unions-Bildungspolitikern an ihrem<br />
„schulpolitischem Leitmo<strong>de</strong>ll Hauptschule“<br />
hat aus Sicht von Bildungsforschern<br />
die Diskrepanz zwischen<br />
<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Wirtschaft<br />
und <strong>de</strong>r tatsächlichen Qualifikation<br />
<strong>de</strong>r Schulabgänger zusätzlich verschärft.<br />
Karl-Heinz Reith (dpa-Dossier Bildung<br />
Forschung Nr. 45/2013, 04.<br />
November 2013)<br />
Der berufspolitische Ausschuss informiert<br />
Rentenrichtlinie (RRL) für Tarifbeschäftigte wur<strong>de</strong> verlängert<br />
Für Tarifbeschäftigte <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s<br />
Sachsen-Anhalt mit mehr als 10<br />
Dienstjahren und die nicht nach<br />
Altersteilzeittarifvertrag beschäftigt<br />
sind, wur<strong>de</strong> die Rentenrichtlinie (teilweiser<br />
Nachteilsausgleich bei vorzeitiger<br />
Altersrente) auf die Geburtsjahrgänge<br />
von 1951-1953 ausgeweitet<br />
(bei Rente mit 63 Rentenmin<strong>de</strong>rung<br />
um 8,7 %, 9,0 % bzw. 9,3 %).<br />
Der Eintritt in die Rente erfolgt zum<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Schulhalbjahres nach <strong>de</strong>m<br />
63. Geburtstag (01.02. o<strong>de</strong>r 01.08.).<br />
Bei vorzeitiger Altersrente (Auskunft<br />
durch Rentenversicherungsträger)<br />
gleicht <strong>de</strong>r Arbeitgeber anfallen<strong>de</strong><br />
Rentenabschläge nach § 187a<br />
SGB VI aus. Eventuelle Steuernachteile<br />
bei Ausgleichszahlung wer<strong>de</strong>n<br />
durch eine Abfindung (§ 3, RRL)<br />
abgefe<strong>de</strong>rt. Eine Rentenmin<strong>de</strong>rung<br />
auf Grund fehlen<strong>de</strong>r Beitragszeiten<br />
sowie Abschläge bei <strong>de</strong>r Betriebsrente<br />
(VBL) von 0,4 % pro Monat<br />
wer<strong>de</strong>n nicht ausgeglichen.<br />
Der Beendigung <strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses<br />
nach Einzelfallprüfung<br />
könnten lt. Richtlinie personalwirtschaftliche<br />
o<strong>de</strong>r dienstliche Belange<br />
entgegenstehen. Bei Fragen sollte<br />
man sich an seine gewerkschaftlichen<br />
Vertreter sowie das Lan<strong>de</strong>sschulamt<br />
wen<strong>de</strong>n.<br />
Ihre kompetente Interessenvertretung<br />
13
Schöne neue Arbeitswelt<br />
M wie Mobbing<br />
Was sich unter Schülerinnen und Schülern meist im virtuellen Raum abspielt, tritt in <strong>de</strong>r Arbeitswelt ganz konkret,<br />
aber auch wenig fassbar auf: Mobbing. Wie entsteht dieses Phänomen und wie kann man sich dagegen schützen?<br />
Kaum ein Problem <strong>de</strong>r Arbeitswelt<br />
ist schlimmer: Mobbing. Obwohl<br />
Mobbing ins Deutsche übersetzt<br />
soviel wie „pöbeln“ be<strong>de</strong>utet,<br />
umschreibt <strong>de</strong>r Begriff „Psychoterror<br />
am Arbeitsplatz“ wohl eher, um<br />
was es geht. Die Psychoterroristen<br />
stellen Kolleginnen und Kollegen<br />
bloß, grenzen aus, bespitzeln und<br />
erpressen. Mobberinnen bevorzugen<br />
eher Handlungen, die das Ansehen<br />
<strong>de</strong>s Opfers verletzen. Da wird<br />
hinter <strong>de</strong>m Rücken schlecht gesprochen,<br />
es wer<strong>de</strong>n Gerüchte verbreitet<br />
o<strong>de</strong>r An<strong>de</strong>utungen gemacht. Männer<br />
mobben eher durch eine systematische<br />
Zerstörung <strong>de</strong>s Opfers.<br />
Sie machen Druck durch mündliche<br />
Drohungen, sie isolieren das<br />
Opfer an seinem Arbeitsplatz und<br />
übertragen nur noch min<strong>de</strong>rwertige<br />
Arbeiten o<strong>de</strong>r behan<strong>de</strong>ln das Opfer<br />
einfach wie Luft. Auch sexuelle Belästigungen<br />
wer<strong>de</strong>n begangen.<br />
Wer mobbt eigentlich wen?<br />
Umfragen haben ergeben, dass sich<br />
zu 44 Prozent die Kollegen untereinan<strong>de</strong>r<br />
mobben. Dabei ist die Variante,<br />
dass sich eine ganze Gruppe<br />
gegen ein Opfer verschworen hat<br />
am häufigsten anzutreffen. Zu 37<br />
Prozent mobben die Vorgesetzten<br />
ihre Untergebenen, in 10 Prozent<br />
<strong>de</strong>r Fälle mobben Kollegen und Vorgesetzte<br />
gemeinsam und in 9 Prozent<br />
mobben Untergebene ihren<br />
Vorgesetzten. Das wird dann auch<br />
als Bossing bezeichnet. Es können<br />
vier Mobbing-Phasen unterschie<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n. Es beginnt im Regelfall mit<br />
einzelnen Unverschämtheiten und<br />
Gemeinheiten. Das steigert sich in<br />
<strong>de</strong>r zweiten Phase zu Psychoterror,<br />
<strong>de</strong>r dann von Rechtsbrüchen<br />
durch Über- und Fehlgriffe <strong>de</strong>r Personalverwaltung<br />
abgelöst wird. In<br />
<strong>de</strong>r vierten Phase ist <strong>de</strong>r Betroffene<br />
letztlich ganz aus <strong>de</strong>r Arbeitswelt<br />
ausgeschlossen – je nach Lei<strong>de</strong>nsfähigkeit<br />
<strong>de</strong>s Opfers durch Versetzung,<br />
Krankheit, Frührente o<strong>de</strong>r<br />
Selbstmord.<br />
Die Ursachen<br />
Es gibt keine klassische Mobbing-Ursache,<br />
son<strong>de</strong>rn es ist das<br />
Zusammenspiel verschie<strong>de</strong>ner<br />
Faktoren. Da gibt es Hierarchie-<br />
Probleme, wodurch eigene Kreativität<br />
und eigene Meinungen auf<br />
<strong>de</strong>m Weg nach „Oben“ verschluckt<br />
wer<strong>de</strong>n. Oft sind Personalführungsprobleme<br />
eine Ursache, weil<br />
die Vorgesetzten für ihre Aufgabe<br />
nicht ausreichend qualifiziert sind.<br />
Innerhalb eines Teams kann es zu<br />
Spannungen kommen, weil es keine<br />
Regeln dafür gibt, wie mit Konflikten<br />
umzugehen ist. So wer<strong>de</strong>n<br />
Spannungen aufgebaut, die sich<br />
dann irgendwann in Mobbing entla<strong>de</strong>n.<br />
Dabei wird in <strong>de</strong>r überwiegen<strong>de</strong>n<br />
Zahl <strong>de</strong>r Fälle eine Person<br />
ausgeguckt, die dann zum Sün<strong>de</strong>nbock<br />
abgestempelt wird. Als<br />
weiterer Nährbo<strong>de</strong>n für Mobbing<br />
dient – nach <strong>de</strong>m Motto: „Je<strong>de</strong>r<br />
ist sich selbst <strong>de</strong>r Nächste!“ - eine<br />
wirtschaftliche Krisensituation <strong>de</strong>s<br />
Arbeitgebers, vor allem wenn Stellenstreichungen<br />
drohen.<br />
Beliebte Mobbing-Attacken:<br />
• Ständige Unterbrechungen <strong>de</strong>s Opfers<br />
• Lächerlichmachen <strong>de</strong>s Opfers<br />
• Zuteilung von Arbeitsaufgaben weit unterhalb <strong>de</strong>s<br />
Könnens<br />
• Infragestellung von Entscheidungen<br />
• Einschränken von Äußerungsmöglichkeiten durch<br />
Vorgesetzte<br />
• Verbreiten von Gerüchten<br />
• Falsche o<strong>de</strong>r kränken<strong>de</strong> Beurteilungen <strong>de</strong>r Arbeitsleistung<br />
• Kontaktverweigerungen durch An<strong>de</strong>utungen<br />
• Abwerten<strong>de</strong> Blicke o<strong>de</strong>r Gesten<br />
• Hinter <strong>de</strong>m Rücken schlecht über jeman<strong>de</strong>n<br />
sprechen<br />
Die Folgen<br />
Natürlich haben vor allem die Opfer<br />
von Mobbing-Attacken unter <strong>de</strong>n<br />
Folgen zu lei<strong>de</strong>n. Sie bekommen psychische<br />
Probleme, wie Depressionen<br />
14<br />
und Stressverhalten, sie erlei<strong>de</strong>n<br />
Nervenzusammenbrüche die bis zu<br />
Selbstmordversuchen führen. Aber<br />
auch Migräne o<strong>de</strong>r Kreislaufprobleme<br />
sind typische Mobbing-Krankheiten.<br />
Durch Mobbing entstehen auch hohe<br />
Kosten für die Arbeitgeber. So gehen<br />
etwa 0,2 Prozent <strong>de</strong>r Jahresarbeits-
zeit in Deutschland durch die direkt<br />
am Konflikt Beteiligten verloren. Das<br />
sind über 4 Millionen Arbeitszeitstun<strong>de</strong>n<br />
jährlich. Mobbing führt weiter<br />
Strategien gegen Mobbing<br />
Ein offener und freundlicher Umgangston<br />
ohne Ängste unter Kolleginnen<br />
und Kollegen ist eine soli<strong>de</strong><br />
Basis, damit Mobbing erst gar nicht<br />
entstehen kann. Der Einsatz von Vertrauenspersonen<br />
o<strong>de</strong>r auch Schlichtern<br />
hilft (potentiellen) Opfern, da sie<br />
damit eine Anlaufstelle erhalten und<br />
nicht auf sich allein gestellt bleiben.<br />
Für diese Positionen eignen sich<br />
zu Motivationsstörungen, da alle<br />
Energie in die Mobbing-Aktivitäten<br />
gesteckt wird. Darunter lei<strong>de</strong>t letztlich<br />
die Arbeitsqualität. Die Opfer <strong>de</strong>r<br />
beson<strong>de</strong>rs Vertreter <strong>de</strong>s Betriebso<strong>de</strong>r<br />
Personalrats. Sie genießen das<br />
Vertrauen <strong>de</strong>r Mitarbeiter. Auch eine<br />
Mediatorenausbildung kann hilfreich<br />
sein. Von vielen Stellen – vor allem<br />
auch von <strong>de</strong>n Gewerkschaften –<br />
wer<strong>de</strong>n Schulungen für Mitarbeiter<br />
und Betriebs- beziehungsweise<br />
Personalräte angeboten, in <strong>de</strong>nen<br />
Prävention und Problembewältigung<br />
Mobbing-Attacken schwächen diese<br />
weiter, da sie häufiger krank sind und<br />
es dadurch zu erheblichen Fehlzeiten<br />
kommt.<br />
gelehrt wer<strong>de</strong>n. Das Einberufen von<br />
Betriebsversammlungen, auf <strong>de</strong>nen<br />
Mobbing thematisiert wird, schafft<br />
eine breite Öffentlichkeit und sensibilisiert<br />
die Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter für dieses Problem.<br />
Für Mobbing-Opfer gibt es zu<strong>de</strong>m<br />
in ganz Deutschland Selbsthilfegruppen<br />
und -vereine, die ihre Hilfe<br />
anbieten.<br />
Rechtliches<br />
Die Betriebs- und Personalräte<br />
können verlangen, dass Mobberinnen<br />
o<strong>de</strong>r Mobber versetzt o<strong>de</strong>r<br />
in Extremfällen auch entlassen wer<strong>de</strong>n.<br />
Sie können aber in je<strong>de</strong>m Fall<br />
auf Abmahnungen hinwirken. Der<br />
Begriff Mobbing taucht im <strong>de</strong>utschen<br />
Strafgesetzbuch nicht auf.<br />
Bestraft wer<strong>de</strong>n können jedoch<br />
einzelne Mobbinghandlungen, wie<br />
Beleidigungen, Verleumdungen,<br />
üble Nachre<strong>de</strong>n und natürlich auch<br />
Körperverletzungen sowie sexuelle<br />
Übergriffe. Da nach <strong>de</strong>m Grundgesetz<br />
die persönliche Entfaltung<br />
und Freiheit geschützt ist, können<br />
sich bei seelischen und körperlichen<br />
Folgen auch Schmerzensgeldansprüche<br />
gegen die Mobberin<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Mobber ergeben. Im<br />
Übrigen hat <strong>de</strong>r Arbeitgeber aus<br />
<strong>de</strong>m Arbeitsvertrag eine Fürsorgepflicht,<br />
nach <strong>de</strong>r es eigentlich erst<br />
gar nicht zu Mobbing kommen<br />
dürfte. Da jedoch immer das Opfer<br />
beweisen muss, dass es Mobbing-<br />
Attacken ausgesetzt ist, empfiehlt<br />
sich das Erstellen eines Mobbingtagebuchs.<br />
In dieses Tagebuch wird<br />
unter <strong>de</strong>m jeweiligen Datum und<br />
<strong>de</strong>r Uhrzeit eingetragen, wer was<br />
getan hat und welche persönlichen<br />
Folgen (zum Beispiel Unsicherheit,<br />
Verzweiflung) daraus entstan<strong>de</strong>n<br />
sind. Solch ein Tagebuch erleichtert<br />
in einem eventuell notwendigen<br />
Prozess ganz erheblich <strong>de</strong>n notwendigen<br />
substantiierten Vortrag.<br />
Quelle: tacheles 9/2013<br />
Neue Elterngeld- und Elternzeitbroschüre für Beschäftigte im öffentlichen Dienst<br />
Die staatliche Lohnersatzleistung<br />
ermöglicht es Eltern, ohne Angst<br />
vor finanziellen Engpässen für einige<br />
Zeit aus <strong>de</strong>m Berufsleben auszusteigen,<br />
um gemeinsam für das<br />
Neugeborene da sein zu können.<br />
Damit sich wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Eltern nicht im<br />
Paragrafendschungel <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>selterngeld-<br />
und Elternzeitgesetzes<br />
(BEEG) verirren, hat die dbb bun<strong>de</strong>sfrauenvertretung<br />
einen handlichen<br />
Ratgeber erstellt, <strong>de</strong>r die<br />
wichtigsten Fragen zum Thema<br />
Elterngeld und Elternzeit beantwortet<br />
– zugeschnitten auf die<br />
Beschäftigungsbedingungen im<br />
öffentlichen Dienst. Die aktualisierte<br />
18. Auflage <strong>de</strong>s Eltern-Ratgebers<br />
beantwortet alle zentralen Fragen<br />
rund um Elterngeld und Elternzeit<br />
– von <strong>de</strong>r Planung bis zur Antragstellung<br />
und zur bis Juli 2013 neu<br />
ergangenen Rechtsprechung. Die<br />
Broschüre „Elterngeld/Elternzeit –<br />
Ratgeber für Beschäftige im öffentlichen<br />
Dienst“ steht als Download<br />
unter http://www.dbb.<strong>de</strong>/ueberuns/frauen/publikationen/broschuere-elterngeld.html<br />
zur Verfügung.<br />
15
Philologenverband zum Verzicht auf Klassenfahrten an hannoverschen Gymnasien: „Akt <strong>de</strong>r Notwehr“<br />
Rot-grüne Regierung verantwortlich<br />
Bitte an Eltern und Schüler um Verständnis für die Situation <strong>de</strong>r Lehrkräfte – Philologenverband for<strong>de</strong>rt umgehend<br />
objektive Untersuchung <strong>de</strong>r Lehrerarbeitszeit<br />
„Akt <strong>de</strong>r Notwehr!“<br />
Horst Audritz, Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />
Philologenverban<strong>de</strong>s Nie<strong>de</strong>rsachsen<br />
Als einen Akt <strong>de</strong>r Notwehr von Lehrerinnen<br />
und Lehrern, die die ständig<br />
steigen<strong>de</strong>n beruflichen Belastungen<br />
nicht mehr hinnehmen können und<br />
wollen, hat <strong>de</strong>r Philologenverband<br />
Nie<strong>de</strong>rsachsen die Absicht vieler<br />
hannoverscher Gymnasien bezeichnet,<br />
als Reaktion auf die Arbeitszeiterhöhung<br />
<strong>de</strong>r rot-grünen Lan<strong>de</strong>sregierung<br />
keine Klassenfahrten mehr<br />
durchzuführen. Die Verantwortung<br />
für diese Beschlüsse falle auf die<br />
für die Arbeitszeiterhöhung verantwortlichen<br />
Politiker zurück, erklärte<br />
<strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Philologenverban<strong>de</strong>s,<br />
Horst Audritz. Er appellierte<br />
an Eltern und Schüler, für die<br />
Situation <strong>de</strong>r Lehrkräfte Verständnis<br />
aufzubringen: „Unsere Lehrerinnen<br />
und Lehrer wollen einfach nur guten<br />
Unterricht machen und ihre erzieherischen<br />
Aufgaben gut wahrnehmen,<br />
woran sie jedoch durch ein<br />
Übermaß ständig steigern<strong>de</strong>r Belastungen<br />
gehin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.“<br />
Der jüngste rot-grüne Kabinettsbeschluss<br />
mit einer Arbeitszeiterhöhung<br />
am Gymnasium um 2 Stun<strong>de</strong>n,<br />
für Lehrer ab 55 Jahre sogar<br />
um 4 Stun<strong>de</strong>n bringe nun das Fass<br />
vollends zum Überlaufen. Vor 60<br />
Jahren, so Audritz weiter, habe die<br />
Arbeitszeit im öffentlichen Dienst 54<br />
Stun<strong>de</strong>n pro Woche betragen, die<br />
Unterrichtsverpflichtung <strong>de</strong>r Gymnasiallehrer<br />
25 Stun<strong>de</strong>n. Jetzt arbeite<br />
<strong>de</strong>r öffentliche Dienst 40 Stun<strong>de</strong>n,<br />
die Lehrer an Gymnasien sollten<br />
künftig 24,5 Stun<strong>de</strong>n pro Woche<br />
unterrichten. Dabei seien Vorbereitung<br />
und Durchführung <strong>de</strong>s Unterrichts<br />
aufgrund <strong>de</strong>r Kompetenzorientierung<br />
und an<strong>de</strong>rer Auflagen<br />
heute <strong>de</strong>utlich aufwendiger und<br />
zu<strong>de</strong>m die außerunterrichtlichen<br />
Belastungen insbeson<strong>de</strong>re durch<br />
die Einführung <strong>de</strong>r Eigenverantwortlichen<br />
Schule enorm gestiegen.<br />
Jüngste Äußerungen von Politikern<br />
aus <strong>de</strong>m Regierungslager zeigten,<br />
dass die <strong>de</strong>rzeitigen Entscheidungsträger<br />
von <strong>de</strong>r tatsächlichen Situation<br />
an <strong>de</strong>n Schulen und <strong>de</strong>r realen<br />
Arbeitsbelastung <strong>de</strong>r Lehrer offensichtlich<br />
„keinen blassen Schimmer“<br />
hätten. Teilweise wer<strong>de</strong> sogar<br />
gezielt das üble Klischee von <strong>de</strong>n<br />
„faulen Säcken“ bedient, wie kürzlich<br />
von Abgeordneten von SPD und<br />
Grünen in Em<strong>de</strong>n. Gera<strong>de</strong>zu <strong>de</strong>magogisch<br />
sei aber die Gleichsetzung<br />
von wöchentlicher Unterrichtsverpflichtung<br />
und Gesamtarbeitszeit,<br />
wie das <strong>de</strong>r Sprecher <strong>de</strong>s Kultusministeriums<br />
in seinen Verlautbarungen<br />
tue.<br />
PHILOLOGENVERBAND<br />
SACHSEN-ANHALT<br />
parteipolitisch<br />
unabhängig<br />
Interessenvertreter<br />
<strong>de</strong>r Lehrerschaft an<br />
Gymnasien<br />
offen für alle, die sich<br />
zum mehr gliedrigen<br />
Schulsystem bekennen<br />
Schon vor Jahren hätten zwei von<br />
<strong>de</strong>r KMK und <strong>de</strong>r NRW-Lan<strong>de</strong>sregierung<br />
in Auftrag gegebene<br />
Arbeitszeituntersuchungen ergeben,<br />
dass die Gymnasiallehrer zwar<br />
eine niedrigere Unterrichtsverpflichtung,<br />
aber die höchste Gesamtarbeitszeit<br />
aller Lehrergruppen hätten.<br />
Die Arbeitszeit <strong>de</strong>r Lehrer an Gymnasien<br />
habe im Jahresdurchschnitt<br />
bereits damals bei 46 Stun<strong>de</strong>n pro<br />
Woche gelegen. Dies belege <strong>de</strong>utlich,<br />
dass schon damals eine Unterrichtsstun<strong>de</strong><br />
am Gymnasium einer<br />
Arbeitszeit von zwei Stun<strong>de</strong>n entsprochen<br />
habe.<br />
Angesichts <strong>de</strong>r sich zuspitzen<strong>de</strong>n<br />
Konfrontation zwischen Lehrerschaft<br />
und Lan<strong>de</strong>sregierung for<strong>de</strong>rte<br />
Audritz eine umfassen<strong>de</strong> empirischwissenschaftliche<br />
Untersuchung<br />
<strong>de</strong>r tatsächlichen Arbeitszeit <strong>de</strong>r<br />
Lehrer durch ein unabhängiges<br />
Institut. Damit könne die Diskussion<br />
versachlicht und eine gerechte<br />
Lösung herbeigeführt wer<strong>de</strong>n. „Wir<br />
wer<strong>de</strong>n diese For<strong>de</strong>rung massiv an<br />
die Lan<strong>de</strong>sregierung herantragen“,<br />
unterstrich Audritz. Bis zum Vorliegen<br />
<strong>de</strong>r Ergebnisse dürfe es allerdings<br />
keine Arbeitszeiterhöhung für<br />
Lehrer geben.<br />
Audritz brachte sogar ein „revolutionäres<br />
Arbeitszeitmo<strong>de</strong>ll“ ins Spiel,<br />
das die Diskussion über die Lehrerarbeitszeit<br />
ein für allemal been<strong>de</strong>n<br />
wür<strong>de</strong>. Einige Lehrer seiner Organisation<br />
hätten vorgeschlagen, die<br />
gesamte Arbeitszeit in <strong>de</strong>r Schule<br />
abzuleisten. Sämtliche Dienstverpflichtungen<br />
wären <strong>de</strong>mzufolge z. B.<br />
zwischen 7.30 Uhr und 17.00 Uhr<br />
zu erledigen. Was in dieser Zeit nicht<br />
zu schaffen sei, bleibe liegen, nächtliche<br />
Unterrichtsvorbereitungen<br />
und Korrekturen am Wochenen<strong>de</strong><br />
und vieles an<strong>de</strong>re Mehr gäbe es<br />
dann nicht mehr. Damit, so Audritz,<br />
gäbe es wie im gesamten öffentlichen<br />
Dienst die gesetzlich festgeschriebene<br />
40-Stun<strong>de</strong>n-Woche<br />
endlich auch für Lehrer, und niemand<br />
könnte mehr von <strong>de</strong>n „faulen<br />
Säcken“ sprechen.<br />
16
Fachgewerkschaft <strong>de</strong>r Gymnasiallehrerinnen und –lehrer in Sachsen-Anhalt<br />
Än<strong>de</strong>rungsmitteilung .....................................................................................................<br />
Name o<strong>de</strong>r Mitgliedsnummer<br />
betrifft:<br />
Namensän<strong>de</strong>rung<br />
..................................................................................... aka<strong>de</strong>mischer Grad ....................................<br />
Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Wohnadresse/Rufnummer/Emailadresse<br />
..........................................................................................................................................................<br />
Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Arbeitsstelle<br />
..........................................................................................................................................................<br />
Än<strong>de</strong>rung Funktionsstelle<br />
.........................................................................................................................................................<br />
Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Gehaltseingruppierung/<strong>de</strong>r Arbeitszeit<br />
Beamte(r) Besoldungsgruppe A ......... Vollzeit / Teilzeit ......................Wochenstun<strong>de</strong>n<br />
Angestellte(r) Entgeltgruppe E .......... Vollzeit / Teilzeit .......................Wochenstun<strong>de</strong>n<br />
Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bankverbindung<br />
Kreditinstitut: .......................................................................................................................................<br />
IBAN: ................................................................................................ BIC: ........................................<br />
Ich bin damit einverstan<strong>de</strong>n, dass mein Mitgliedsbeitrag vom Philologenverband Sachsen-Anhalt<br />
e. V. vierteljährlich von o. g. Konto eingezogen wird.<br />
.............................................................................. ............................................................................<br />
Ort/Datum<br />
Unterschrift<br />
Bitte ausfüllen und an die Geschäftsstelle sen<strong>de</strong>n.<br />
Philologenverband Sachsen-Anhalt<br />
Lan<strong>de</strong>sgeschäftsstelle<br />
Sixtistraße 16 a, 06217 Merseburg<br />
(0 34 61)20 35 62<br />
(0 34 61) 41 54 58<br />
phvsa@t-online.<strong>de</strong><br />
17
Wissenswertes – Interessantes –<br />
Informatives<br />
Aus <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r Bildung<br />
DPhV zur IQB-Studie: Erschreckend große Leistungsunterschie<strong>de</strong><br />
Als erschreckend groß hat <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Deutschen<br />
Philologenverban<strong>de</strong>s, Heinz-Peter<br />
Meidinger, die im IQB-Län<strong>de</strong>rvergleich<br />
für 2012 <strong>de</strong>utlich gewor<strong>de</strong>nen<br />
Leistungsunterschie<strong>de</strong> bei<br />
Schülern in Mathematik und Naturwissenschaften<br />
bezeichnet. „Dauerhaft<br />
dürfen wir uns nicht damit<br />
abfin<strong>de</strong>n, dass die Schülerinnen<br />
und Schüler in verschie<strong>de</strong>nen<br />
Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn so weit auseinan<strong>de</strong>rklaffen<strong>de</strong><br />
Kompetenzniveaus<br />
erzielen, weil damit auch unterschiedliche<br />
Zukunftschancen verbun<strong>de</strong>n<br />
sind!“, sagte <strong>de</strong>r Verbandschef<br />
in Berlin.<br />
Er gratulierte <strong>de</strong>n Siegerlän<strong>de</strong>rn<br />
Sachsen und Thüringen zu ihren<br />
sehr guten Ergebnissen. Dies zeige,<br />
dass in diesen Län<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r<br />
Stellenwert naturwissenschaftlichmathematischer<br />
Bildung nach wie<br />
vor hoch sei, was sich auch in entsprechen<strong>de</strong>r<br />
Ausstattung <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong>ntafeln<br />
und einer hohen Qualität<br />
<strong>de</strong>r Lehrerbildung spiegele.<br />
Manches alte Bun<strong>de</strong>sland müsse<br />
sich aber fragen, ob die Reformen<br />
<strong>de</strong>r letzten Jahre, etwa auch die<br />
Stun<strong>de</strong>ntafelkürzungen bei Einführung<br />
<strong>de</strong>s G8 in diesem Bereich, für<br />
die Sicherung <strong>de</strong>r Qualität hilfreich<br />
waren, so Meidinger. So sei es auch<br />
für die künftigen län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n<br />
Bestandteile <strong>de</strong>r Abiturprüfung<br />
Mathematik nicht mehr sicher, dass<br />
die bisher führen<strong>de</strong>n süd<strong>de</strong>utschen<br />
Län<strong>de</strong>r hier weiterhin die Nase vorn<br />
haben. Beson<strong>de</strong>rs ärgerlich sei das<br />
niedrige Leistungsniveau in <strong>de</strong>n<br />
Stadtstaaten verbun<strong>de</strong>n mit einer<br />
beson<strong>de</strong>rs engen Koppelung von<br />
Bildungserfolg und sozialer Herkunft<br />
dort.<br />
Eine beson<strong>de</strong>re Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
nannte <strong>de</strong>r DPhV-Vorsitzen<strong>de</strong> die<br />
riesige Leistungsdifferenz von 82<br />
Punkten zwischen Kin<strong>de</strong>rn aus bildungsnahen<br />
und bildungsfernen<br />
Schichten. „Gera<strong>de</strong> in Mathematik<br />
und <strong>de</strong>n Naturwissenschaften, wo<br />
die Sprache keine so große Rolle<br />
spielt, müsste man eigentlich<br />
erwarten, dass die soziale Herkunft<br />
und <strong>de</strong>r Migrationshintergrund nicht<br />
so stark zu Buche schlagen. Hier ist<br />
vertiefte Ursachenforschung angesagt!“,<br />
betonte Meidinger.<br />
Der Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong> stellte<br />
die Vermutung an, dass fehlen<strong>de</strong><br />
Übungszeiten in <strong>de</strong>r Schule aufgrund<br />
zu geringer Stun<strong>de</strong>nausstattung<br />
zu Hause in bildungsnahen<br />
Familien besser kompensiert wer<strong>de</strong>n<br />
könnten als in bildungsfernen.<br />
Er mahnte <strong>de</strong>shalb mehr Ganztagsschul-<br />
und För<strong>de</strong>rangebote<br />
an. Abschließend sagte er: „Die<br />
Möglichkeiten von Schulen, durch<br />
Zusatzstun<strong>de</strong>n leistungsschwächere<br />
und leistungsstärkere Schülerinnen<br />
und Schüler vermehrt zu<br />
för<strong>de</strong>rn und zu for<strong>de</strong>rn, müssen in<br />
allen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn stark ausgebaut<br />
wer<strong>de</strong>n.“<br />
Stellungnahme <strong>de</strong>s Deutschen Lehrerverban<strong>de</strong>s zur aktuellen Schulleistungsvergleichsstudie <strong>de</strong>s IQB<br />
„Schwache Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r sollen sich endlich an <strong>de</strong>n starken Län<strong>de</strong>rn orientieren“<br />
In einer ersten Stellungnahme<br />
gegenüber <strong>de</strong>r Neuen Osnabrücker<br />
Zeitung äußerte sich <strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt<br />
<strong>de</strong>s Deutschen Lehrerverban<strong>de</strong>s,<br />
Josef Kraus, wie folgt: „Die Unterschie<strong>de</strong><br />
im neuen Schulleistungsvergleich<br />
<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r sehe<br />
ich auch in <strong>de</strong>r abweichen<strong>de</strong>n regionalen<br />
Verteilung von Migranten<br />
begrün<strong>de</strong>t. Der Westen hat es<br />
auch mit einer zum Teil schwierigen<br />
Migrantenklientel zu tun, während<br />
im Osten generell weniger Migranten<br />
leben. Meist stammen sie dort aus<br />
Vietnam und sind mitunter sogar<br />
18<br />
besser in <strong>de</strong>r Schule als Schüler<br />
ohne Migrationshintergrund.<br />
Die im Vergleich schlecht abschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Stadtstaaten müssen sich<br />
die Bildungspolitik von Sachsen,<br />
Thüringen, Bayern und Ba<strong>de</strong>n-<br />
Württemberg zum Vorbild zu nehmen.<br />
Wir brauchen mehr Unterrichtsstun<strong>de</strong>n,<br />
zentral verbindliche<br />
Lan<strong>de</strong>sabschlussprüfungen bereits<br />
zum Mittleren Schulabschluss und<br />
eine höhere Verbindlichkeit <strong>de</strong>r<br />
Lehrpläne. Dagegen lehne ich bun<strong>de</strong>sweit<br />
einheitliche Standards ab:<br />
Der Zentralismus wür<strong>de</strong> nur in die<br />
Abwärtsspirale führen. Wir brauchen<br />
<strong>de</strong>n Wettbewerb durch <strong>de</strong>n Fö<strong>de</strong>ralismus.<br />
Im Hinblick auf die von <strong>de</strong>r Studie<br />
konstatierten hohen Abhängigkeit<br />
von Schulerfolg und sozialer Herkunft<br />
darf nicht übersehen wer<strong>de</strong>n,<br />
dass das <strong>de</strong>utsche Bildungssystem<br />
sozial durchlässiger ist als<br />
häufig angenommen. Es gibt etwa<br />
50 Wege zur Hochschulzugangsberechtigung,<br />
und das Gymnasium ist<br />
nur einer davon.“
Wissenswertes – Interessantes –<br />
3. Verstärkung <strong>de</strong>r Zusammenarbeit <strong>de</strong>r Sekundarschulen mit <strong>de</strong>r Industrie, <strong>de</strong>m Handwerk<br />
und <strong>de</strong>r öffentlichen Verwaltung, um <strong>de</strong>n künftigen Fachkräftebedarf Informatives<br />
in Sachsen-Anhalt<br />
<strong>de</strong>cken und die <strong>de</strong>mografischen Herausfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s bewältigen zu können<br />
4. Pädagogisch sinnvolle Umsetzung <strong>de</strong>r Inklusion im Rahmen <strong>de</strong>r zur Verfügung stehen<strong>de</strong>n<br />
Ressourcen an <strong>de</strong>n Sekundarschulen – klares Bekenntnis zum Erhalt <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rschulen im<br />
Zukunftsfähige Bildung in Sachsen-Anhalt Land gelingt nur mit hoher Qualität <strong>de</strong>r differenzierten<br />
Bildungsangebote an <strong>de</strong>n Sekundarschulen<br />
Bitte diese Logos verwen<strong>de</strong>n<br />
Gemeinsame Erklärung von Sekundarschullehrerverband Sachsen-Anhalt e.V. und Verband<br />
<strong>de</strong>r Realschullehrer (VDR) vom 10.11.2013<br />
In <strong>de</strong>r Merseburger Erklärung formuliert <strong>de</strong>r Sekundarschullehrerverband Sachsen-Anhalt e.V. die Grundsätze <strong>de</strong>r<br />
weiteren Verbandsarbeit und erteilt Verschlechterungen <strong>de</strong>r pädagogischen Rahmenbedingungen an <strong>de</strong>n Sekundarschulen<br />
und Einheitsschulkonzepten eine klare<br />
Sekundarschullehrerverband Sachsen-Anhalt e.V<br />
Absage<br />
Sekundarschullehrerverband Sachsen-Anhalt e.V.<br />
„Ohne die hervorragen<strong>de</strong> Arbeit <strong>de</strong>r<br />
Lehrkräfte an <strong>de</strong>n Sekundarschulen<br />
in Sachsen-Anhalt, die Schülerinnen<br />
und Schüler zum anerkannten<br />
Realschulabschluss führen, hätte<br />
das Land bei <strong>de</strong>r jüngsten IQB-<br />
Vergleichsstudie nicht einen <strong>de</strong>r<br />
vor<strong>de</strong>ren Plätze belegen können“,<br />
betonte <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Dachverban<strong>de</strong>s VDR, Jürgen<br />
Böhm, während seines Besuches<br />
<strong>de</strong>s Sekundarschullehrerverban<strong>de</strong>s<br />
Sachsen-Anhalt e.V. in Merseburg.<br />
Die Lan<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s SLV<br />
Sachsen-Anhalt, Claudia Diepenbrock,<br />
und <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong><br />
führten bereits am Freitagvormittag<br />
Gespräche im Mag<strong>de</strong>burger Kultusministerium,<br />
in <strong>de</strong>nen sie die Verbesserung<br />
<strong>de</strong>r Rahmenbedingungen<br />
für die Lehrkräfte an <strong>de</strong>n Sekundarschulen<br />
und klare Perspektiven für<br />
die Schulen vor Ort einfor<strong>de</strong>rten. Ein<br />
wichtiges Thema stellte die Umsetzung<br />
<strong>de</strong>r Inklusion an <strong>de</strong>n Sekundarschulen<br />
dar. „Inklusion kann nur<br />
gelingen, wenn Eltern und Kin<strong>de</strong>r<br />
eine jeweils geeignete Schule wählen<br />
können, in <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>m Kind die nötige<br />
Zuwendung gesichert ist, wenn<br />
dort die erfor<strong>de</strong>rlichen Personal- und<br />
Sachkosten zur Verfügung gestellt<br />
wer<strong>de</strong>n und wenn klare Konzepte<br />
für die optimal mögliche För<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r betroffenen Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n gefor<strong>de</strong>rten<br />
Respekt und die Verantwortung<br />
für Ihre Zukunft wi<strong>de</strong>rspiegeln“,<br />
so Böhm.<br />
Die in Merseburg durchgeführte<br />
Gesamtmitglie<strong>de</strong>rversammlung<br />
wählte Claudia Diepenbrock erneut<br />
zur Lan<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>n und verabschie<strong>de</strong>te<br />
mit <strong>de</strong>r Merseburger Erklärung<br />
wichtige Grundsätze <strong>de</strong>r Weiterarbeit<br />
<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>sverban<strong>de</strong>s.<br />
Der Verband Deutscher Realschullehrer<br />
(VDR) – Verband <strong>de</strong>r Lehrer und<br />
Lehrerinnen an Schulen im Sekundarbereich<br />
– ist <strong>de</strong>r Dachverband <strong>de</strong>r<br />
ca. 20.000 Mitglie<strong>de</strong>r zählen<strong>de</strong>n<br />
Lehrerverbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Realschulwesens<br />
und verwandter Schulformen in<br />
<strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn. Er setzt sich für<br />
die För<strong>de</strong>rung und Weiterentwicklung<br />
eines vielfältig organisierten Schulwesens<br />
in <strong>de</strong>r Sekundarstufe I ein<br />
und widmet vor allem <strong>de</strong>r bildungspolitischen<br />
Mitte, also <strong>de</strong>n Mittleren<br />
Bildungsgängen und Perspektiven<br />
sowohl für <strong>de</strong>n beruflichen Einstieg<br />
wie auch für studienorientierte Bildungsabschlüsse<br />
seine beson<strong>de</strong>re<br />
Aufmerksamkeit. Der VDR ist Diskussionsplattform,<br />
Sprachrohr und<br />
Dienstleister für seine Lan<strong>de</strong>sverbän<strong>de</strong><br />
und ihre Mitglie<strong>de</strong>r.<br />
Merseburger Erklärung<br />
1. Erhalt und qualitative Weiterentwicklung<br />
<strong>de</strong>r erfolgreichen Sekundarschulen<br />
in Sachsen-Anhalt mit<br />
klarer differenzierter För<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler und<br />
ein<strong>de</strong>utiger Abschlussorientierung<br />
(Hauptschulabschluss, Realschulabschluss<br />
und Erweiterter Realschulabschluss)<br />
2. Ausbau <strong>de</strong>r vielfältigen Übergangs-<br />
und Anschlussmöglich-<br />
keiten für die Absolventen <strong>de</strong>r<br />
Sekundarschulen zu qualifizierten<br />
Berufsfel<strong>de</strong>rn und weiterführen<strong>de</strong>n<br />
schulischen Angeboten<br />
3. Verstärkung <strong>de</strong>r Zusammenarbeit<br />
<strong>de</strong>r Sekundarschulen mit<br />
<strong>de</strong>r Industrie, <strong>de</strong>m Handwerk und<br />
<strong>de</strong>r öffentlichen Verwaltung, um<br />
<strong>de</strong>n künftigen Fachkräftebedarf<br />
in Sachsen-Anhalt <strong>de</strong>cken und<br />
die <strong>de</strong>mografischen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s bewältigen zu<br />
können<br />
4. Pädagogisch sinnvolle Umsetzung<br />
<strong>de</strong>r Inklusion im Rahmen <strong>de</strong>r<br />
zur Verfügung stehen<strong>de</strong>n Ressourcen<br />
an <strong>de</strong>n Sekundarschulen<br />
– klares Bekenntnis zum Erhalt <strong>de</strong>r<br />
För<strong>de</strong>rschulen im Land<br />
19
KMK-Chef Dorgerloh: „Wenn das Elternhaus ausfällt, müssen Schulen Anregungen bieten“<br />
Sozial abgehängte Kin<strong>de</strong>r sind die größte Herausfor<strong>de</strong>rung für die Bildungspolitik. Sozial<strong>de</strong>mokraten wie KMK-Chef<br />
Stephan Dorgerloh setzen darum auf staatliche Erziehung, falls die Familie versagt. Im Interview erklärt er, warum sich<br />
<strong>de</strong>r Bund an <strong>de</strong>n Kosten <strong>de</strong>r Schulen beteiligen sollte.<br />
SPIEGEL ONLINE: Derzeit sprechen<br />
Union und SPD in <strong>de</strong>n Koalitionsverhandlungen<br />
auch über die<br />
künftige Bildungs- und Wissenschaftspolitik.<br />
Mit welchem möglichen<br />
Ergebnis?<br />
Dorgerloh: Ich <strong>de</strong>nke, dass wir<br />
einen neuen Anlauf zur Kooperation<br />
zwischen Bund und Län<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r<br />
Bildungspolitik brauchen. Entwe<strong>de</strong>r<br />
müssen wir dazu das Kooperationsverbot<br />
im Grundgesetz aufheben,<br />
Dorgerloh: Es geht nicht darum,<br />
dass die Län<strong>de</strong>r dringend benötigtes<br />
Geld ablehnen. Es ist nur<br />
folgerichtig, wenn sich <strong>de</strong>r Bund<br />
finanziell an Verpflichtungen beteiligte,<br />
die er selbst eingegangen ist,<br />
etwa durch die Inklusion behin<strong>de</strong>rter<br />
Schüler in die Regelschulen laut<br />
Uno-Konvention. Auf <strong>de</strong>n Kosten<br />
für barrierefreie Schulen o<strong>de</strong>r die<br />
Ganztagsbetreuung bleiben jedoch<br />
Län<strong>de</strong>r und Kommunen sitzen. Es<br />
kann auch nicht sein, dass <strong>de</strong>r Bund<br />
einen Bruchteil <strong>de</strong>r Gesamtkosten<br />
übernimmt, aber dann vor Ort alles<br />
in ländlichen Kleinstädten in Ost<strong>de</strong>utschland,<br />
wo die Bevölkerung<br />
schrumpft. Um diese Gruppen müssen<br />
wir uns verstärkt kümmern.<br />
SPIEGEL ONLINE: Sozial<strong>de</strong>mokratische<br />
Bildungspolitik will die Chancengerechtigkeit<br />
för<strong>de</strong>rn. Wie erhalten<br />
benachteiligte gesellschaftliche<br />
Gruppen die Chance, sich durch Bildung<br />
emporzuarbeiten?<br />
Dorgerloh: Entschei<strong>de</strong>nd ist, dass<br />
Schulvergleich <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r: Mathe und Naturwissenschaften<br />
o<strong>de</strong>r wir bekommen das unterhalb<br />
einer Grundgesetzän<strong>de</strong>rung hin.<br />
Das strikte Verbot, das 2006 festgeschrieben<br />
wor<strong>de</strong>n ist, gilt längst<br />
als großer Fehler. Jetzt haben wir<br />
die Chance, das zu än<strong>de</strong>rn.<br />
SPIEGEL ONLINE: Warum tun sich<br />
einige ihrer Ressortkollegen in <strong>de</strong>n<br />
Kultusministerien <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r<br />
so schwer damit, Geld vom Bund<br />
zu nehmen, um die Schulen zu verbessern?<br />
entschei<strong>de</strong>t.<br />
SPIEGEL ONLINE: Schulstudien<br />
bescheinigen Deutschland immer<br />
wie<strong>de</strong>r, dass hierzulan<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Lernerfolg<br />
stark von <strong>de</strong>r sozialen Herkunft<br />
abhängt. Woran liegt das?<br />
Dorgerloh: Früher sprach die Politik<br />
immer vom katholischen Mädchen<br />
vom Lan<strong>de</strong>, <strong>de</strong>m man zu höherer<br />
Bildung verhelfen müsse. Mittlerweile<br />
bestehen die Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
bei Migrantenfamilien in<br />
<strong>de</strong>n west<strong>de</strong>utschen Großstädten<br />
und bei bildungsfernen Schichten<br />
sie in möglichst jungem Alter Zugang<br />
zu Bildung erhalten. Wir haben zum<br />
Beispiel in Sachsen-Anhalt jüngst<br />
ein Kin<strong>de</strong>rför<strong>de</strong>rungsgesetz verabschie<strong>de</strong>t,<br />
wonach auch arbeitslose<br />
Eltern und Hartz-IV-Bezieher<br />
Anspruch auf Ganztagsbetreuung<br />
für ihre Kin<strong>de</strong>r haben. Früher galt<br />
das nur für einen Halbtagsplatz.<br />
Wenn dann diverse För<strong>de</strong>rangebote<br />
starteten, waren die Kin<strong>de</strong>r, für die<br />
zusätzliche Angebote beson<strong>de</strong>rs<br />
wichtig sind, nicht mehr in <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rtagesstätte.<br />
Auch das längere<br />
gemeinsame Lernen und Ganztagsangebote<br />
in <strong>de</strong>r Schule können<br />
20
hier Hilfestellung bieten. Solange<br />
wir aber sehr früh nach Schulabschlüssen<br />
trennen, haben Kin<strong>de</strong>r,<br />
die nicht aus Aka<strong>de</strong>mikerfamilien<br />
kommen, weit weniger Chancen.<br />
SPIEGEL ONLINE: Sie wollen die<br />
Kin<strong>de</strong>r för<strong>de</strong>rn, in<strong>de</strong>m Sie sie möglichst<br />
lange aus <strong>de</strong>n Familien fernhalten?<br />
Dorgerloh: Wie wollen Sie <strong>de</strong>nn<br />
die Kin<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>nen nie vorgelesen<br />
wird o<strong>de</strong>r die kaum mit ihren Eltern<br />
singen, wo nicht Deutsch gesprochen<br />
wird o<strong>de</strong>r wo <strong>de</strong>r Flachbildschirm<br />
bereits früh läuft, an<strong>de</strong>rs<br />
för<strong>de</strong>rn? Das Elternhaus ist für die<br />
frühkindliche Bildung ein zentraler<br />
Bildungsort, bei <strong>de</strong>m es auch um<br />
Beziehungen, Fantasie, I<strong>de</strong>ntität<br />
und Kreativität geht. Gera<strong>de</strong> wenn<br />
das Elternhaus ausfällt, müssen<br />
eben Kin<strong>de</strong>rgärten und Schulen solche<br />
Anregungen bieten. Wir erleben<br />
auch immer mehr Eltern, die schon<br />
<strong>de</strong>shalb überfor<strong>de</strong>rt sind, weil sie<br />
selbst nicht mehr gelernt haben, wie<br />
Familie funktioniert. Und Migrantenfamilien<br />
freuen sich über Unterstützung<br />
ihrer Kin<strong>de</strong>r beim Sprachenlernen.<br />
SPIEGEL ONLINE: Ist es nicht utopisch,<br />
Herkunftsunterschie<strong>de</strong> durch<br />
Bildung ausgleichen zu wollen?<br />
Dorgerloh: Es ist wünschenswert<br />
- auch volkswirtschaftlich. So liegt<br />
in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik <strong>de</strong>r Anteil an<br />
För<strong>de</strong>rschülern etwa doppelt so<br />
hoch wie im übrigen Europa. Diese<br />
Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen verlassen<br />
die Schule in <strong>de</strong>r Regel ohne<br />
Abschluss, sie haben geringe Chancen<br />
auf <strong>de</strong>m regulären Arbeitsmarkt.<br />
Hier müssen wir ansetzen, weil kein<br />
Kind es verdient hat, dass wir sein<br />
Potential nicht ausreizen.<br />
SPIEGEL ONLINE: Bislang halten<br />
nur einzelne Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r wie<br />
Bayern bei internationalen Schulvergleichen<br />
ganz oben mit, in<br />
Mathematik und Naturwissenschaften<br />
die ost<strong>de</strong>utschen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r.<br />
Wie können die <strong>de</strong>utschen Schulen<br />
besser wer<strong>de</strong>n?<br />
Dorgerloh: Eine Daten- und Lernstofforientierung<br />
wie in Singapur<br />
o<strong>de</strong>r China wäre hierzulan<strong>de</strong> kaum<br />
vermittelbar, da wür<strong>de</strong>n die Eltern<br />
und die Lehrerverbän<strong>de</strong> auf die Barrika<strong>de</strong>n<br />
gehen. Und wünschenswert<br />
wäre es auch nicht. Die Freu<strong>de</strong> am<br />
Lernen muss erhalten bleiben. Ich<br />
warne davor, aus nationalen o<strong>de</strong>r<br />
internationalen Ranglisten voreilig<br />
einfache Schlüsse zu ziehen. Wir<br />
müssen gründlich analysieren, was<br />
schulischen Erfolg ausmacht und<br />
dann behutsam in unserem Schulsystem<br />
reagieren.<br />
SPIEGEL ONLINE: Warum sind die<br />
Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />
so groß?<br />
Dorgerloh: Es gibt ja nicht nur Unterschie<strong>de</strong><br />
zwischen <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn,<br />
auch innerhalb eines Lan<strong>de</strong>s<br />
o<strong>de</strong>r selbst innerhalb einer Stadt<br />
variieren die Voraussetzungen.<br />
Zu<strong>de</strong>m ist Schule nun einmal durch<br />
regionale Traditionen geprägt - im<br />
Osten regt sich beispielsweise niemand<br />
über das achtjährige Gymnasium<br />
auf. Die Kultusministerkonferenz<br />
muss Beschlüsse für mehr<br />
Vergleichbarkeit einstimmig fällen,<br />
das ist eine relativ hohe Hür<strong>de</strong>. Aber<br />
seit <strong>de</strong>n ersten Pisa-Tests haben die<br />
Kultusminister viele Reformen auf<br />
<strong>de</strong>n Weg gebracht: gemeinsame<br />
Bildungsstandards für Grundschule<br />
und Sekundarstufe, gemeinsame<br />
Abituraufgaben. Das sind doch Riesenschritte<br />
zu einer stärkeren Vergleichbarkeit.<br />
SPIEGEL ONLINE: Sie sitzen als<br />
amtieren<strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Kultusministerkonferenz<br />
(KMK) einer<br />
Institution vor, die <strong>de</strong>n Ruf hat, ein<br />
großes Bremser-Gremium zu sein.<br />
Zu Recht?<br />
Dorgerloh: Entgegen ihrem Image<br />
blockiert die KMK in <strong>de</strong>r Bildungspolitik<br />
nicht. Die Zeit <strong>de</strong>r alten i<strong>de</strong>ologischen<br />
Grabenkämpfe um<br />
Gymnasium o<strong>de</strong>r Gesamtschule ist<br />
weitgehend vorbei, mittlerweile geht<br />
es <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn um pragmatische<br />
Bildungspolitik.<br />
SPIEGEL ONLINE: Was können die<br />
Kultusminister besser machen?<br />
Dorgerloh: In <strong>de</strong>n Jahren nach <strong>de</strong>m<br />
Pisa-Schock kamen viele Anstöße<br />
von außen, nun sollten wir selbst<br />
eine Agenda i<strong>de</strong>ntifizieren und diese<br />
zielgerichtet verfolgen. Zum Beispiel,<br />
in<strong>de</strong>m wir uns für vergleichbare<br />
Schulabschlüsse einsetzen<br />
und die Lehrerausbildung weiter<br />
verbessern. Es ist doch fragwürdig,<br />
dass <strong>de</strong>r Hauptschullehrer fachlich<br />
und didaktisch weniger gut ausgebil<strong>de</strong>t<br />
wird als <strong>de</strong>r Gymnasiallehrer.<br />
Wir dürfen uns nicht damit zufrie<strong>de</strong>n<br />
geben, dass die schwächeren<br />
Schüler meist nicht die am besten<br />
ausgebil<strong>de</strong>ten Lehrer bekommen.<br />
SPIEGEL ONLINE: Wäre es umgekehrt<br />
gerechter?<br />
Dorgerloh: Es wäre schon einmal<br />
ein Fortschritt, wenn Lehrer in unterschiedlichen<br />
Schulformen unterrichten<br />
dürften. Allerdings vermuten<br />
manche Kritiker dahinter gleich<br />
die Abschaffung <strong>de</strong>s Gymnasiums.<br />
Sie warnen vor <strong>de</strong>m Einheitslehrer,<br />
das klingt nach Einheitsschule und<br />
Einheitspartei. Aber darum geht<br />
es gar nicht. Im Mittelpunkt muss<br />
die optimale För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Schülerinnen<br />
und Schüler stehen, weil<br />
davon letztlich alle profitieren.<br />
Quelle: spiegel.<strong>de</strong>, 11.11.2013<br />
21
Einheitliche Grundsätze für einheitliche schulische Bildungsgänge<br />
Unmittelbar nach <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>stagswahl am 27. September veröffentlichte die Bun<strong>de</strong>sdirektorenkonferenz (BDK) in einer<br />
Entschließung ihre bildungspolitischen For<strong>de</strong>rungen an <strong>de</strong>n neu gewählten Bun<strong>de</strong>stag.<br />
Der neu gewählte Bun<strong>de</strong>stag ist<br />
gefor<strong>de</strong>rt!<br />
Mehr noch als Lehrpläne und Stun<strong>de</strong>ntafeln<br />
prägen Übertrittsregelungen<br />
und Versetzungsbestimmungen<br />
die Schullaufbahn unserer<br />
Kin<strong>de</strong>r. Das Regelchaos beeinträchtigt<br />
nicht nur die regionale Mobilität,<br />
es ist auch in hohem Maße ungerecht.<br />
Da es <strong>de</strong>r Kultusministerkonferenz<br />
(KMK) im Bildungsfö<strong>de</strong>ralismus<br />
seit Jahrzehnten offensichtlich<br />
nicht gelungen ist, die Grundlagen<br />
für einheitliche Regelungen in allen<br />
Bildungsgängen zu schaffen, muss<br />
diese Aufgabe auf <strong>de</strong>n Bund übertragen<br />
wer<strong>de</strong>n und Gegenstand von<br />
Koalitionsvereinbarungen sein.<br />
Die vom Grundgesetz gesicherte Kulturhoheit<br />
<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r und das Kooperationsverbot<br />
haben zusammen mit<br />
<strong>de</strong>m Wettstreit <strong>de</strong>r Parteien um die<br />
besten Konzepte im Bildungswesen<br />
Deutschlands zu <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn<br />
unterschiedlich organisierten<br />
Schulsystemen geführt.<br />
Dies hat <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Schullandschaft<br />
eine unüberschaubare Anzahl<br />
unterschiedlichster Rechtsvorschriften<br />
eingebracht. Das muss ein En<strong>de</strong><br />
fin<strong>de</strong>n! Dabei erneut auf die KMK zu<br />
setzen, wird die Geduld <strong>de</strong>r Eltern<br />
überfor<strong>de</strong>rn. Schulpraktiker sehen<br />
das fö<strong>de</strong>rale Chaos seit langem nur<br />
noch mit Entsetzen.<br />
Je<strong>de</strong>s Kind hat einen Anspruch auf Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit<br />
Deshalb for<strong>de</strong>rt die BDK:<br />
1. Je<strong>de</strong> abgeben<strong>de</strong> Schule berät<br />
die Eltern und Kin<strong>de</strong>r, sie spricht<br />
eine Bildungsgangempfehlung aus<br />
und übermittelt die dazu gehören<strong>de</strong><br />
Dokumentation mit einem Entwicklungsbericht<br />
an die weiterführen<strong>de</strong><br />
Schule. Schüler mit einer Gymnasialempfehlung<br />
müssen einen Rechtsanspruch<br />
auf einen Platz am Gymnasium<br />
haben.<br />
2. In fast allen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn ist<br />
<strong>de</strong>rzeit <strong>de</strong>r Elternwille entschei<strong>de</strong>nd<br />
für die Wahl <strong>de</strong>r weiterführen<strong>de</strong>n<br />
Schule. Daher müssen die<br />
Gymnasien im Sinne einer erfolgreichen<br />
Schullaufbahnentwicklung<br />
nach bun<strong>de</strong>seinheitlichen Kriterien<br />
über <strong>de</strong>n weiteren Bildungsweg <strong>de</strong>r<br />
Schüler entschei<strong>de</strong>n können.<br />
3. An <strong>de</strong>n Gymnasien müssen alle<br />
Entscheidungen zur Versetzung und<br />
zur Schullaufbahn nach bun<strong>de</strong>sweit<br />
einheitlichen Kriterien getroffen wer<strong>de</strong>n.<br />
4. Es ist bun<strong>de</strong>sweit sicherzustellen,<br />
dass alle Abschlüsse auf <strong>de</strong>m<br />
Weg zum Abitur am Gymnasium<br />
mit Versetzungsentscheidungen<br />
erreicht wer<strong>de</strong>n. Für Schüler, die im<br />
Gymnasium nicht in die zwei-jährige<br />
Qualifikationsphase <strong>de</strong>r Oberstufe<br />
versetzt wer<strong>de</strong>n, ist <strong>de</strong>r Erwerb <strong>de</strong>s<br />
mittleren Bildungsabschlusses zu<br />
ermöglichen.<br />
Die BDK sieht <strong>de</strong>n Flickenteppich<br />
<strong>de</strong>r Ausgestaltung <strong>de</strong>s gymnasialen<br />
Bildungsganges in Deutschland<br />
mit großer Sorge. Der neu gewählte<br />
Bun<strong>de</strong>stag ist gefor<strong>de</strong>rt. Die fö<strong>de</strong>ral<br />
bedingte Chancenungleichheit<br />
unserer Kin<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rspricht fundamental<br />
unserem Grundgesetz.<br />
Dr. Rainer Stein-Bastuck<br />
Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>r<br />
Hamburgs wun<strong>de</strong>rsame Abiturientenvermehrung ... – und jetzt noch das „Rabe-Abitur-<br />
Light“ 2014<br />
Nach<strong>de</strong>m Schulsenator Ties Rabe und seine Schulbehör<strong>de</strong> bei Schriftlichen Kleinen Anfragen im Senat nach <strong>de</strong>n<br />
zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong>n Abitur- und Test-Aufgaben zunächst mauerten, mussten sie die Aufgaben auf Nachfragen wissenschaftlicher<br />
Institute offenlegen. Das Ergebnis ist - das muss in aller Deutlichkeit gesagt wer<strong>de</strong>n - <strong>de</strong>saströs: Die so<br />
schön und wohlklingen<strong>de</strong>n Pressemitteilungen von Schulsenator Rabe über steigen<strong>de</strong> Abiturientenzahlen an Gymnasien<br />
und Stadtteilschulen wur<strong>de</strong>n mit einem Mix aus einer drastischen Senkung <strong>de</strong>r Anfor<strong>de</strong>rungen, Aufweichung<br />
<strong>de</strong>r Bewertungskriterien und/o<strong>de</strong>r Verlängerung <strong>de</strong>r Bearbeitungszeiten und Erleichterung <strong>de</strong>r Hilfsmittel erkauft. Der<br />
erste Bericht über die wissenschaftliche Analyse <strong>de</strong>s Vorgehens <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> bei Abitur- und KESS-Aufgaben ist jetzt<br />
von <strong>de</strong>r Gesellschaft für Bildung und Wissen veröffentlicht wor<strong>de</strong>n.<br />
22<br />
Noch schlimmer wird es mit <strong>de</strong>n<br />
weiteren „kompetenzorientierten“<br />
und verfahrensmäßigen Aufweichungen,<br />
die Schulsenator Rabe<br />
mit Wirkung ab <strong>de</strong>m bevorstehen<strong>de</strong>n<br />
Abitur 2014, <strong>de</strong>m „Rabe-Abitur-<br />
Light“, mit seiner Ausbildungs- und<br />
Prüfungsordnung zum Erwerb <strong>de</strong>r<br />
allgemeinen Hochschulreife (APO-<br />
AH) eingeführt hat.<br />
Es steht außer Frage, dass Senator<br />
Rabe als Folge dieser Vereinfachungen<br />
auch im kommen<strong>de</strong>n<br />
Sommer mit wun<strong>de</strong>rsamen Pressemitteilungen<br />
über phantastische
„Leistungssteigerungen“ an die<br />
geneigte Öffentlichkeit wen<strong>de</strong>n wird.<br />
Allein, <strong>de</strong>n betroffenen Abiturienten<br />
wird das allenfalls kurzfristig bei <strong>de</strong>r<br />
Studienplatzbewerbung helfen. Das,<br />
was (auch) das Hamburger Abitur<br />
belegen soll, nämlich eine „allgemeine<br />
Hochschulreife“, bleibt bei dieser<br />
politischen Beschädigung <strong>de</strong>s Hamburger<br />
Schul- und Bildungssystems<br />
auf <strong>de</strong>r Strecke. Es war eine bemerkenswerte<br />
Pressekonferenz von<br />
Schulsenator Ties Rabe und Ulrich<br />
Vieluf, <strong>de</strong>m ehemaligen Staatsrat<br />
<strong>de</strong>r ehemaligen Schulsenatorin<br />
Christa Goetsch, am 27. November<br />
2012, als Schulsenator Rabe und<br />
Herr Vieluf unter Berufung auf ihre<br />
„KESS 12“-Studie die angeblichen<br />
Leistungszuwächse im achtjährigen<br />
Gymnasium (G8) im Vergleich zum<br />
bisherigen neunjährigen Gymnasium<br />
(G9) präsentierten. Heute steht<br />
fest: Senator Rabe und Staatsrat<br />
a. D. Vieluf haben die Öffentlichkeit<br />
damals massiv getäuscht. Der<br />
Verdacht, dass die Auswertung <strong>de</strong>r<br />
KESS-12-Studie das Papier nicht<br />
wert war, auf <strong>de</strong>m die Behör<strong>de</strong> die<br />
Wun<strong>de</strong>rsame Abiturientenvermehrung<br />
Schulsenator Ties Rabe<br />
Auswertung und die Pressemitteilungen<br />
dazu ausgedruckt hatte, verdichtete<br />
sich, als <strong>de</strong>r Senat sich mit<br />
fa<strong>de</strong>nscheinigen Argumenten weigerte,<br />
die zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong>n Aufgaben<br />
auf Schriftliche Kleine Anfragen<br />
und eine Beschwer<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r<br />
Bürgerschaftspräsi<strong>de</strong>ntin zu veröffentlichen.<br />
Eine jetzt vorliegen<strong>de</strong> echte wissenschaftliche<br />
Analyse <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />
KESS-12-Studie von Herrn Vieluf<br />
eingesetzten Aufgaben und <strong>de</strong>r Vergleich<br />
<strong>de</strong>r eigentlichen Abituraufgaben<br />
aus <strong>de</strong>m klassischen G9-Abitur<br />
von 2005 mit <strong>de</strong>n späteren<br />
G8-Abituraufgaben, belegt jetzt,<br />
dass Senator Rabe und Herr Vieluf<br />
die Öffentlichkeit getäuscht haben.<br />
We<strong>de</strong>r lassen die KESS-12-Aufgaben<br />
Rückschlüsse auf die Qualität<br />
<strong>de</strong>s Abiturs im G8 o<strong>de</strong>r im G9 zu<br />
noch lassen sich aus <strong>de</strong>r Zahl <strong>de</strong>r<br />
Abiturienten im Hamburger G8 und<br />
<strong>de</strong>ren Noten irgendwelche vali<strong>de</strong>n<br />
Belege für die seinerzeit von Senator<br />
Rabe verbreitete These ableiten,<br />
Schülerinnen und Schüler wür<strong>de</strong>n<br />
im G8 vermeintlich bessere, Leistungen<br />
erzielen. Tatsächlich hat sich die<br />
Schulbehör<strong>de</strong>, worüber heute auch<br />
die BILD ausführlich berichtet, steigen<strong>de</strong><br />
Abiturientenzahlen an Gymnasien<br />
und Stadtteilschulen mit<br />
einem Mix aus einer drastischen<br />
Senkung <strong>de</strong>r Anfor<strong>de</strong>rungen, Aufweichung<br />
<strong>de</strong>r Bewertungskriterien<br />
und/o<strong>de</strong>r Verlängerung <strong>de</strong>r Bearbeitungszeiten<br />
und Erleichterung <strong>de</strong>r<br />
Hilfsmittel erkauft.<br />
Konkret zu <strong>de</strong>n Fakten:<br />
Für die KESS-Studie wur<strong>de</strong>n beispielsweise,<br />
wie die Überprüfung<br />
durch ein Expertenteam aus Fachlehrern,<br />
Fachdidaktikern und Fachwissenschaftlern<br />
ergeben hat, Aufgaben<br />
verwen<strong>de</strong>t, die „Kenntnisse<br />
<strong>de</strong>r Mittelstufe o<strong>de</strong>r noch frühere“<br />
testen. „Viele <strong>de</strong>r eingesetzten Aufgaben<br />
können von durchschnittlichen<br />
gymnasialen Siebentklässlern<br />
gelöst wer<strong>de</strong>n.“ (FAZ, a. a. O.).<br />
Für einen angeblichen Vergleich <strong>de</strong>r<br />
Qualität und <strong>de</strong>r Leistungen im G8<br />
bzw. G9 ist die KESS-Studie also<br />
schlicht untauglich.<br />
Der Vergleich <strong>de</strong>r tatsächlichen Abituraufgaben<br />
aus <strong>de</strong>m G9-Abitur<br />
2005 und späteren Abituraufgaben<br />
aus <strong>de</strong>m G8 z. B. aus 2011 und 2012<br />
unter Senator Rabe Expertenteam<br />
aus Fachlehrern, Fachdidaktikern<br />
und Fachwissenschaftlern ergibt<br />
<strong>de</strong>mgegenüber:<br />
In Mathematik hatten die untersuchten<br />
G9-Aufgaben aus <strong>de</strong>m Jahr<br />
2005 „noch einen <strong>de</strong>utlich höheren<br />
mathematischen Anspruch“. Die<br />
Vergleichs-Aufgaben aus <strong>de</strong>n<br />
G8-Jahrgängen unter Senator Rabe<br />
aus 2011 und 2012 wur<strong>de</strong>n dagegen<br />
von <strong>de</strong>n Fachleuten „als eher<br />
trivial und als vom Anspruchsgrad<br />
mit <strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m Jahr 2005 stammen<strong>de</strong>n<br />
nicht vergleichbar“ eingestuft<br />
(FAZ, a. a. O.).<br />
In Biologie waren von <strong>de</strong>n G9-Abiturienten<br />
in 2005 noch „fachwissenschaftliche<br />
Grundlagen“ mit einzubringen.<br />
Im G8-Abitur war das nicht<br />
mehr erfor<strong>de</strong>rlich: Im Erwartungshorizont<br />
für die bewerten<strong>de</strong>n Lehrkräfte<br />
<strong>de</strong>s G8-Abiturs wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r<br />
Behör<strong>de</strong> bereits darauf hingewiesen,<br />
dass „die gefor<strong>de</strong>rte Lösung<br />
direkt <strong>de</strong>m Arbeitsmaterial zu entnehmen<br />
ist …“.<br />
Im Fach Englisch war <strong>de</strong>mgegenüber<br />
zwar <strong>de</strong>r inhaltliche Anspruch<br />
<strong>de</strong>r G8-Aufgaben mit <strong>de</strong>n G9-Aufgaben<br />
aus 2005 zu vergleichen.<br />
Dafür wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Schulbehör<strong>de</strong><br />
die die Bewertungsvorschriften<br />
nach unten verschoben. Kam es im<br />
Abitur noch auf sprachliche Richtigkeit<br />
und <strong>de</strong>n Fehlerquotienten an<br />
(50 Prozent <strong>de</strong>r Bewertung), wur<strong>de</strong><br />
dies unter Senatorin Goetsch 2009<br />
aufgeweicht und von Senator Rabe<br />
so beibehalten: In <strong>de</strong>n Abiturrichtlinien<br />
2009 heißt es: „… die sprachliche<br />
Leistung [wird] in erster Linie<br />
in Bezug darauf beurteilt, in welchem<br />
Maße die kommunikativen<br />
Ziele erreicht wer<strong>de</strong>n“ (FAZ, a. a.<br />
O.). Zusätzlich wur<strong>de</strong>n zweisprachige<br />
Wörterbücher als Hilfsmittel<br />
erlaubt (2005 nur einsprachige).<br />
Angesichts dieser Befun<strong>de</strong> wäre<br />
es angebracht, dass sich Schulsenator<br />
Rabe für seine irreführen<strong>de</strong>n<br />
Verlautbarungen über die angeblichen<br />
KESS-12-Ergebnisse gegenüber<br />
<strong>de</strong>r Öffentlichkeit entschuldigt.<br />
Man kann die Frage nach <strong>de</strong>r Qualität<br />
<strong>de</strong>s G9 und <strong>de</strong>s G8 sicher unter<br />
vielen Gesichtspunkten diskutieren.<br />
Aber man kann und darf nicht,<br />
wie Senator Rabe und Ex-Staatsrat<br />
Vieluf dies getan haben, versuchen,<br />
die Öffentlichkeit mit <strong>de</strong>r Behaup-<br />
23
tung zu täuschen, die KESS-12-Studie<br />
wür<strong>de</strong> bessere Leistungen <strong>de</strong>r<br />
G8-Abiturietnen belegen.<br />
Umso schlimmer ist es, dass <strong>de</strong>n<br />
Hamburger Abiturientinnen und Abiturienten<br />
<strong>de</strong>s Abi-Jahrgangs 2014<br />
jetzt auch noch das <strong>de</strong>zentrale<br />
„Rabe-Abitur-Light“ 2014 bevorsteht.<br />
( nformationen <strong>de</strong>r Hamburger Volksinitiative<br />
„Wir wollen lernen!“)<br />
Umschul<strong>de</strong>n und Investieren zu attraktiven Konditionen<br />
Einen lang gehegten Wunsch erfüllen, in die eigenen vier Wän<strong>de</strong> investieren – o<strong>de</strong>r sich einfach mehr Liquidität trotz<br />
laufen<strong>de</strong>r Kredite sichern? Dann nutzen Sie die Darlehensangebote <strong>de</strong>s dbb vorsorgewerk.<br />
Wer seine Zinslast aus laufen<strong>de</strong>n<br />
Kreditverpflichtungen senken will,<br />
ist mit <strong>de</strong>m Beamtendarlehen gut<br />
bedient, einem speziell für <strong>de</strong>n<br />
öffentlichen Dienst entwickelten<br />
Angebot in Partnerschaft mit <strong>de</strong>r<br />
NÜRNBERGER Beamten Lebensversicherung<br />
AG. Beson<strong>de</strong>rs lange<br />
Laufzeiten von bis zu 20 Jahren und<br />
ein aktuell reduzierter Zins (bereits<br />
ab 4,19 Prozent nominal beziehungsweise<br />
4,90 Prozent effektiv) sorgen<br />
dafür, dass nach einer Umschuldung<br />
die Monatsrate in <strong>de</strong>r Regel <strong>de</strong>utlich<br />
sinkt – mitunter bis um die Hälfte.<br />
Abgesehen davon ist das Beamtendarlehen<br />
natürlich auch eine attraktive<br />
Möglichkeit, Anschaffungen zu<br />
beson<strong>de</strong>rs niedrigen Monatsraten<br />
zu finanzieren. Ein Teil <strong>de</strong>r monatlichen<br />
Abbuchung fließt übrigens in<br />
eine Rentenversicherung; sie dient<br />
zur Tilgung <strong>de</strong>s Darlehens am En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Laufzeit (dbb-Mitglie<strong>de</strong>r erhalten<br />
auf <strong>de</strong>n Versicherungsbeitrag einen<br />
spürbaren Nachlass). Darlehensnehmer<br />
sind damit zum Stichtag nicht<br />
nur schul<strong>de</strong>nfrei, son<strong>de</strong>rn erhalten<br />
zu<strong>de</strong>m eine mögliche Überschussbeteiligung<br />
aus <strong>de</strong>r Rentenversicherung<br />
– oft einige tausend Euro.<br />
Sie sind Immobilien-Eigentümer und<br />
planen Verschönerungsmaßnahmen,<br />
einen Umbau o<strong>de</strong>r eine Renovierung?<br />
Auch hier macht das dbb vorsorgewerk<br />
ein Finanzierungsangebot,<br />
das sich mehr als sehen lassen<br />
kann: Mit <strong>de</strong>m Wüstenrot Turbodarlehen<br />
sind schnell und unbürokratisch<br />
bis zu 30.000 Euro verfügbar –<br />
übrigens ohne Grundschul<strong>de</strong>intrag.<br />
Auch Objektunterlagen sind nicht<br />
erfor<strong>de</strong>rlich. Lediglich für die Hälfte<br />
<strong>de</strong>s Betrags muss eine wohnwirtschaftliche<br />
Verwendung nachgewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n. Solange die Anschaffung<br />
nicht länger als sechs Wochen<br />
zurück liegt – maßgebend ist das<br />
Rechnungsdatum –, gilt dies auch<br />
für bereits getätigte <strong>Ausgabe</strong>n. „dbb-<br />
Mitglie<strong>de</strong>r profitieren hier zusätzlich<br />
in Form von 50 Prozent Rabatt auf die<br />
Abschlussgebühr für <strong>de</strong>n Bausparvertrag,<br />
<strong>de</strong>r zur Tilgung eingesetzt<br />
wird“, erklärt Oliver Bochdam, Kun<strong>de</strong>nbetreuer<br />
<strong>de</strong>s dbb vorsorgewerk.<br />
Infokasten: Das dbb vorsorgewerk<br />
hält noch weitere Finanzierungsangebote<br />
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<strong>de</strong>s dbb vorsorgewerk nach.<br />
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Uhr unter 030 / 4081 6444 erreichbar.<br />
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Berater vor Ort vermittelt. Weitere<br />
Informationen fin<strong>de</strong>n Sie auch<br />
online unter: www.dbb-vorsorgewerk.<strong>de</strong><br />
Klassen-Kampf<br />
Was ist dran am Feindbild <strong>de</strong>s faulen Lehrers?<br />
Ihr Ruf wird schlechter – und ihre Belastung größer: Lehrer müssen sich nicht nur an <strong>de</strong>r Tafel, son<strong>de</strong>rn auch vor Eltern,<br />
Direktoren und Behör<strong>de</strong>n beweisen. Wie arbeitet es sich unter diesem Druck?<br />
„Dreißig leere Augenpaare starren<br />
mich an. Im Klassenraum ist es<br />
mäuschenstill. Dann sagt <strong>de</strong>r Klassenstreber<br />
frech: „Ich weiß gar nicht,<br />
was Sie von mir wollen!“ Und ich renne<br />
zur Tür hinaus.<br />
24<br />
Das ist so ein Horrorszenario, das<br />
Max Steiner manchmal nachts immer<br />
noch nicht einschlafen lässt. Steiner<br />
hat das Referendariat geschmissen,<br />
obwohl er seine Fächer liebte,<br />
Deutsch und Englisch. Fachlich war<br />
er eine Eins. Aber das Klassenzimmer<br />
ist auch eine Bühne und wem<br />
das Angst einjagt, <strong>de</strong>r ist falsch in<br />
diesem Beruf. Steiner arbeitet heute<br />
in einem Verlag. Er sagt immer noch,<br />
er wäre sehr gerne Lehrer gewor<strong>de</strong>n.
Josephine Schiller ist da unbeschwerter.<br />
„Mir macht es total<br />
Spaß mit <strong>de</strong>n Schülern. Ich gehe<br />
je<strong>de</strong>n Tag aufs Neue optimistisch<br />
in die Klasse. Und ich freue mich<br />
immer auf meine Schüler!“ Seit<br />
Januar ist Schiller in ihrer Ausbildung<br />
als Lehrerin für Französisch<br />
und Spanisch. Ihr Referendariat<br />
macht sie an <strong>de</strong>r Voltaire Gesamtschule<br />
in Potsdam. Auch wenn sie<br />
sich „sehr wohlfühlt in <strong>de</strong>r Schule“:<br />
Die Kontrolle sei sehr stark als<br />
angehen<strong>de</strong> Lehrerin. „Wenn ich nie<br />
ein positives Feedback bekomme,<br />
macht mich das fertig. Und manchmal<br />
frage ich mich, für wen mache<br />
ich das jetzt eigentlich – für meine<br />
Ausbil<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r meine Schüler?“<br />
Schiller ist in Berlin-Pankow aufgewachsen,<br />
an ihrem Gymnasium gab<br />
es eine Französischlehrerin, ihretwegen<br />
entschloss sie sich damals: Das<br />
will ich auch, Lehrerin wer<strong>de</strong>n! „Sie<br />
schaffte es, uns alle total zu motivieren“,<br />
sagt Schiller. Es sind dann<br />
noch ein paar an<strong>de</strong>re Dinge dazwischengekommen,<br />
Schiller begann<br />
Landschaftsarchitektur zu studieren,<br />
dann arbeitete sie eine Weile mit<br />
psychisch Kranken. Und schließlich<br />
studierte sie doch in Potsdam auf<br />
Lehramt, bekam zwei Kin<strong>de</strong>r, heute<br />
sechs und eins. Und seit einigen<br />
Monaten steht sie nun wirklich vor<br />
<strong>de</strong>r Klasse und unterrichtet.<br />
„Es fühlt sich gut an“, sagt Schiller.<br />
„Wenn ich ausgeschlafen bin und<br />
gut vorbereitet, dann bin ich vor<br />
<strong>de</strong>r Klasse genau am richtigen Ort!“<br />
Obwohl sie 32 Jahre alt ist, fühle<br />
sie sich <strong>de</strong>n Schülern noch sehr<br />
nah. Gera<strong>de</strong> hat sie von ihrer Ausbildungslehrerin<br />
die Kritik zu hören<br />
bekommen, sie sei zu kumpelhaft,<br />
nicht streng genug. „Aber eigentlich<br />
<strong>de</strong>nke ich, die Schüler können das<br />
ganz gut annehmen.“ Es kommt ihr<br />
darauf an, zu vermitteln, dass hinter<br />
Sprache mehr steckt als nur Grammatik.<br />
Ein ganzes System eben.<br />
„Ich frage mich oft, was nehmen die<br />
Schüler jetzt mit?“<br />
Ist das Feindbild Lehrer ein Vorurteil?<br />
Lehrer seien „faule Säcke“, hatte<br />
<strong>de</strong>r einstige Bun<strong>de</strong>skanzler Gerhard<br />
Schrö<strong>de</strong>r einmal gesagt – und<br />
sich damit bei einem Großteil <strong>de</strong>r<br />
Deutschen nicht gera<strong>de</strong> verdächtig<br />
gemacht. Wer sonst hat zwölf<br />
Wochen Ferien im Jahr und, zumin<strong>de</strong>st<br />
an manchen Schulen und Tagen<br />
noch, mittags frei? Das <strong>de</strong>utsche Bildungssystem<br />
steht im europäischen<br />
Vergleich nicht gera<strong>de</strong> glänzend da.<br />
Bei Bildungsvergleichen schnei<strong>de</strong>n<br />
die einzelnen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r extrem<br />
unterschiedlich ab, mit Leistungsabstän<strong>de</strong>n<br />
von knapp drei Schuljahren<br />
– bei gleichaltrigen Schülern. Und in<br />
kaum einem Land ist die Abhängigkeit<br />
<strong>de</strong>s Schulerfolgs so stark mit <strong>de</strong>r<br />
sozialen Herkunft verbun<strong>de</strong>n wie in<br />
Deutschland. Sind daran die Lehrer<br />
schuld? Ist das Feindbild Lehrer<br />
ein Vorurteil – o<strong>de</strong>r entspricht es zu<br />
einem großen Teil <strong>de</strong>r Wahrheit?<br />
Lehrer sind „faule Säcke“<br />
Bun<strong>de</strong>skanzler a. D. Gerhard Schrö<strong>de</strong>r<br />
An diesem Herbstmorgen wird eine<br />
von Schillers Stun<strong>de</strong>n begutachtet.<br />
Ein ganzes Komitee sitzt in <strong>de</strong>m kleinen<br />
Klassenraum im dritten Stock<br />
eines quadratischen Gebäu<strong>de</strong>s in <strong>de</strong>r<br />
Potsdamer Innenstadt, Typ „Erfurt“,<br />
sanierter DDR-Plattenbau. Von <strong>de</strong>n<br />
Fluren gehen die grauen Türen ab,<br />
als ob sie zu Zellen führten. Trotz <strong>de</strong>s<br />
bedrücken<strong>de</strong>n Gebäu<strong>de</strong>s ist die Voltaire<br />
Gesamtschule überaus beliebt.<br />
Im vergangenen Jahr hätte die Direktorin<br />
je<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r knapp 1.000 Schulplätze<br />
dreimal vergeben können.<br />
Der Blick aus <strong>de</strong>m Klassenraum geht<br />
hinaus auf ein barockes Gebäu<strong>de</strong>:<br />
das große Militärwaisenhaus, in <strong>de</strong>m<br />
Friedrich Wilhelm I. vor knapp 300<br />
Jahren die Soldatenkin<strong>de</strong>r erziehen<br />
ließ. Ganz so preußisch geht es im<br />
Klassenraum gegenüber zwar nicht<br />
zu, doch <strong>de</strong>r Anblick <strong>de</strong>r Bewertungskommission<br />
ist Furcht einflößend. In<br />
<strong>de</strong>r hintersten Reihe <strong>de</strong>s Klassenzimmers<br />
bil<strong>de</strong>n Ausbildungslehrerin,<br />
Fachseminarleiterin, Hauptseminarleiter<br />
Björn Nölte und Direktorin<br />
Karen Pölk eine Phalanx, die Stifte<br />
gezückt. Schiller räumt die Tische zu<br />
vier Inseln zusammen, an <strong>de</strong>nen die<br />
Schüler gleich Gruppenarbeit leisten<br />
sollen. Je näher <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong>nbeginn<br />
rückt, <strong>de</strong>sto heftiger kaut sie auf ihrer<br />
Unterlippe herum.<br />
Nach wenigen Minuten ist das Urteil <strong>de</strong>r Direktorin klar<br />
Langsam tru<strong>de</strong>ln die Schüler ein,<br />
eine „Leistungs- und Begabtenklasse“.<br />
Nach <strong>de</strong>r zehnten Klasse wer<strong>de</strong>n<br />
sie direkt in die zwölfte springen<br />
und ihr Abitur ablegen. Schiller hat<br />
Pech. Die besten Schüler <strong>de</strong>r Klasse<br />
nehmen heute nicht an ihrem Unterricht,<br />
son<strong>de</strong>rn an <strong>de</strong>r Biologie-Olympia<strong>de</strong><br />
teil. Die Referendarin schaut<br />
auf das Komitee ihrer Gutachter. Sie<br />
muss sich ein bisschen so fühlen,<br />
als müsste sie gleich bei „Deutschland<br />
sucht <strong>de</strong>n Superstar“ vorsingen.<br />
Es ist zwar nur eine Probestun<strong>de</strong><br />
von 13. Doch die Beurteilungen<br />
<strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n die Hälfte <strong>de</strong>r<br />
Note <strong>de</strong>s Zweiten Staatsexamens<br />
ausmachen – und diese wie<strong>de</strong>rum<br />
wird entschei<strong>de</strong>n, ob Schiller eine<br />
Stelle bekommt.<br />
Sie verteilt Bonbons in <strong>de</strong>n Farben<br />
Grau, Gelb, Orange und Rot. In vier<br />
Gruppen sollen die Schüler unterschiedliche<br />
Aspekte zum französischen<br />
Schulsystem erarbeiten<br />
und es mit <strong>de</strong>m bran<strong>de</strong>nburgischen<br />
vergleichen. Authentisch wirkt Schiller<br />
schon, aber sie spricht leise,<br />
wirkt fahrig. Ein Schüler kommt zu<br />
spät und betritt ohne Entschuldigung<br />
<strong>de</strong>n Raum. „Schön, dass du<br />
kommst“, sagt Schiller. Die Direktorin<br />
schnauft leise. Auf Deutsch<br />
sagt sie: „Kann jemand kurz erklären,<br />
was wir gera<strong>de</strong> machen?“<br />
Deutsch zu sprechen in einer Klasse,<br />
25
die seit fünf Jahren Französisch lernt,<br />
gilt als Tabu. Nach wenigen Minuten<br />
ist das Urteil <strong>de</strong>r Direktorin klar.<br />
Schiller verkauft die Sprache nicht.<br />
Französisch muss man leben. Das<br />
Niveau ist zu gering, Schiller hat <strong>de</strong>n<br />
Leistungsstand <strong>de</strong>r Schüler nicht<br />
richtig eingeschätzt. Diese Schüler<br />
müssten als leistungsstarke Klasse<br />
noch intensiver geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n<br />
als eine normale Gymnasialklasse.<br />
„Das muss mehr rüberkommen“,<br />
sagt Pölk. Schiller erklärt zu viel, verfällt<br />
ins Deutsche, <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong>anteil <strong>de</strong>r<br />
Schüler ist zu gering. Man sieht: Die<br />
Schüler sind gelangweilt.<br />
Die Ausbildungslehrerin und die<br />
Fachseminarleiterin haben scheinbar<br />
abgeschaltet und unterhalten<br />
sich in Zimmerlautstärke. Schiller<br />
ist abgelenkt. Die Zeit rast, zumin<strong>de</strong>st<br />
für sie. Man fragt sich, wie die<br />
Situation jetzt an einer Problemschule<br />
mit sozial auffälligen Schülern<br />
aussähe. Es ist sicherlich nicht<br />
so, dass Schiller kein Potenzial hätte;<br />
ihre Metho<strong>de</strong> ist gut, sie macht<br />
Gruppenarbeit, Puzzles, die Gruppen<br />
müssen nach 20 Minuten wechseln,<br />
Schiller geht von Tisch zu Tisch<br />
und gibt Tipps. Natürlich könne sie<br />
sich zu einer guten Lehrerin entwickeln,<br />
sagt Pölk. Aber sie braucht<br />
mehr Zeit. Muss ihren Stil fin<strong>de</strong>n.<br />
Sich Respekt verschaffen, Konsequenz<br />
lernen.<br />
Schauspieler im Kleinen<br />
Gera<strong>de</strong> ist das Referendariat<br />
von zwei Jahren auf 18 Monate<br />
verkürzt wor<strong>de</strong>n – eine Sparmaßnahme.<br />
Das Bran<strong>de</strong>nburger<br />
Bildungsministerium will es<br />
in Kürze auf ein Jahr reduzieren.<br />
Die Ten<strong>de</strong>nz gibt es in nahezu<br />
allen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn.<br />
Wenn es heute schon so wäre,<br />
müsste Schiller schon ab Januar<br />
allein unterrichten. So hat sie<br />
ein weiteres volles Jahr Zeit. „Sie<br />
muss hart an sich arbeiten“, sagt<br />
Pölk.<br />
Es gibt Naturtalente, die bringen<br />
eine Lehrerpersönlichkeit mit.<br />
Und es gibt die, die dazulernen.<br />
Es gibt die Kreativen und es gibt<br />
die Stun<strong>de</strong>ngeber. Pölk hat schon<br />
„Für wen mache ich das eigentlich?“<br />
erlebt, dass sich ein Referendar<br />
innerhalb von zwei Jahren sehr gut<br />
entwickeln kann. Persönlichkeit ist<br />
in ihren Augen das Allerwichtigste.<br />
Sie berichtet von einem Chemielehrer,<br />
ein Körper wie ein Schrank,<br />
Harley-Fahrer, Knopf im Ohr,<br />
tiefe Stimme. „Der hat eine<br />
enorme Raumkompetenz“, sagt<br />
Pölk. „Die Schüler merken das<br />
natürlich sofort, wenn ein Lehrer<br />
keine natürliche Autorität hat.<br />
Dann wird <strong>de</strong>r Unterricht von <strong>de</strong>n<br />
Schülern gemanagt.“<br />
Ein Lehrer ist ein Schauspieler im<br />
Kleinen. Man muss <strong>de</strong>n Auftritt<br />
mögen o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st kein Problem<br />
damit haben. Diese Facette<br />
hat bei <strong>de</strong>n Uni-Absolventen<br />
nach durchschnittlich sechs Jahren<br />
Studium und Erstem Staatsexamen<br />
aber noch nie jemand getestet.<br />
Erst im Referendariat steht die Lehrerpersönlichkeit<br />
auf <strong>de</strong>m Prüfstand.<br />
Die Ausbildung in Bran<strong>de</strong>nburg gilt als gut<br />
Das Lan<strong>de</strong>sinstitut für Lehrerausbildung<br />
Bran<strong>de</strong>nburg liegt in einer<br />
Potsdamer Villa mit Seeblick. 18<br />
Referendare betreten schwatzend<br />
und lachend <strong>de</strong>n kleinen Raum mit<br />
<strong>de</strong>r Schiefertafel. Heute ist drei Stun<strong>de</strong>n<br />
Hauptseminar, in <strong>de</strong>m die angehen<strong>de</strong>n<br />
Lehrer lernen sollen, wie sie<br />
pädagogisch klug mit ihren Schülern<br />
umgehen, jenseits ihrer jeweiligen<br />
Fachkenntnisse. Die Referendare<br />
sind zwischen 23 und 46 Jahren alt,<br />
von Sport- bis Mathelehrer ist alles<br />
dabei. Heute steht das Thema „Erziehungs-<br />
und Ordnungsmaßnahmen“<br />
auf <strong>de</strong>m Programm – o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rs<br />
ausgedrückt: Wie gehe ich damit um,<br />
wenn sich ein Schüler komplett danebenbenimmt,<br />
stört, im schlimmsten<br />
Fall gewalttätig wird?<br />
Hauptseminarleiter Björn Nölte verteilt<br />
die entsprechen<strong>de</strong>n Paragrafen<br />
26<br />
aus <strong>de</strong>m Bran<strong>de</strong>nburger Schulgesetz<br />
über Konfliktschlichtung. Die<br />
Referendare sollen ein sogenanntes<br />
Strukturbild entwerfen, die 15 zentralen<br />
Begriffe an die Tafel heften und in<br />
eine Ordnung bringen – eine Metho<strong>de</strong>,<br />
die sie später in ihrem Unterricht<br />
anwen<strong>de</strong>n können. Jetzt aber sind<br />
sie die Schüler.<br />
Die Ausbildung in Bran<strong>de</strong>nburg gilt<br />
als beson<strong>de</strong>rs gut. Gera<strong>de</strong> haben ost<strong>de</strong>utsche<br />
Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r im Bildungsvergleich<br />
vor allem in <strong>de</strong>n Fächern<br />
Mathe, Physik, Bio und Chemie<br />
beson<strong>de</strong>rs gut abgeschnitten, besser<br />
als <strong>de</strong>r sonstige Klassenprimus<br />
Bayern. Eines <strong>de</strong>r Schlusslichter: Berlin.<br />
Hier muss <strong>de</strong>r Referendar sofort<br />
– ohne Zweites Staatsexamen, ohne<br />
pädagogische Qualifikation – bis zu<br />
16 Stun<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Woche eigenständig<br />
unterrichten. „Bedarfs<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>r<br />
Unterricht“ heißt das in <strong>de</strong>r Fachsprache.<br />
In Bran<strong>de</strong>nburg hingegen beginnt<br />
je<strong>de</strong>r Referendar mit vier Stun<strong>de</strong>n<br />
Unterricht und erweitert langsam<br />
auf acht Stun<strong>de</strong>n maximal. Je<strong>de</strong>r<br />
angehen<strong>de</strong> Lehrer hat einen sogenannten<br />
Ausbildungslehrer an seiner<br />
Schule, <strong>de</strong>n er um Rat fragen kann,<br />
<strong>de</strong>r seinen Unterricht besucht, ihn<br />
berät, inspiriert, mit Tipps versorgt.<br />
„An manchen Schulen wer<strong>de</strong>n die<br />
Referendare als billiges Vertretungsmaterial<br />
eingesetzt, das geht natürlich<br />
zulasten <strong>de</strong>r Ausbildung“, sagt<br />
Nölte. „Da geht es dann nur noch<br />
darum, halbwegs zu überleben. Wer<br />
nicht vernünftig reflektiert wird, hat<br />
eine <strong>de</strong>utlich geringere Chance, von<br />
Beginn an selbstbewusst <strong>de</strong>n Schülern<br />
gegenüberzutreten.“
„Keine Sitzung ohne Tränen“<br />
Nölte erzählt von seiner eigenen<br />
Ausbildung vor zwölf Jahren. „Mein<br />
Referendariat in Berlin fand unter<br />
schrecklichen Bedingungen statt“,<br />
sagt Nölte. „Keine Sitzung ging ohne<br />
Tränen vorüber. Eigentlich musste<br />
je<strong>de</strong> Woche jemand in psychische<br />
Betreuung.“ Nölte sieht in <strong>de</strong>n Raum,<br />
in <strong>de</strong>m die Referendare diskutieren,<br />
bunte Zettel an die Tafel pinnen. „Das<br />
sieht hier friedlich aus, aber die psychische<br />
Belastung ist unheimlich<br />
groß. Der Schulleiter, <strong>de</strong>r Fachseminarleiter,<br />
<strong>de</strong>r Ausbildungslehrer, <strong>de</strong>r<br />
Hauptseminarleiter, alle beäugen <strong>de</strong>n<br />
Referendar, er muss allen Herren dienen,<br />
andauernd die Rollen wechseln,<br />
vom Chef vor <strong>de</strong>n Schülern wie<strong>de</strong>r<br />
zum Schüler vor <strong>de</strong>n eigenen Ausbil<strong>de</strong>rn<br />
wer<strong>de</strong>n.“ Vor allem das ständige<br />
Beobachtetwer<strong>de</strong>n mache <strong>de</strong>n Lehramtskandidaten<br />
sehr zu schaffen.<br />
Viele haben zu<strong>de</strong>m Angst vor <strong>de</strong>m<br />
Gang in die Klasse. Ansehen könne<br />
man es <strong>de</strong>n Leuten aber nicht, wer<br />
gut in <strong>de</strong>r Klasse zurechtkäme und<br />
wer nicht. „Die ängstlichsten Häschen<br />
haben vor <strong>de</strong>n Schülern kein<br />
Problem“, sagt Nölte.<br />
Auf die Unterstützung <strong>de</strong>r Kollegen<br />
können die Lehramtskandidaten<br />
nicht immer zählen. Die Ausbildungslehrer<br />
müssen die Betreuung<br />
<strong>de</strong>r Referendare zusätzlich übernehmen<br />
und sind in <strong>de</strong>n meisten Fällen<br />
dafür gar nicht qualifiziert.<br />
In Kürze wird im Riva-Verlag ein<br />
Buch erscheinen, das <strong>de</strong>n Untertitel<br />
„Referendare erzählen von ihrem<br />
täglichen Klassen-Kampf“ trägt. 38<br />
Referendare aus ganz Deutschland<br />
schil<strong>de</strong>rn darin, wie es ihnen im<br />
„Pädagogik Bootcamp“ ergangen<br />
ist.<br />
„Früher haben Schüler noch or<strong>de</strong>ntlich<br />
gelernt. Aber dann durften<br />
irgendwann auch Frauen unterrichten.<br />
Und die wollen immer nur spielen.“<br />
Das etwa war <strong>de</strong>r Kommentar<br />
von Studienrat Gessner, Mentor<br />
für die Referendarin Carina Huber<br />
an einem Würzburger Gymnasium,<br />
nach einem Stun<strong>de</strong>nbesuch. Nach<strong>de</strong>m<br />
Huber es mit <strong>de</strong>r Verteidigung<br />
versuchte, dass sie das Passé composé<br />
noch nicht in die Französischarbeit<br />
für die achte Klasse aufnehmen<br />
wollte, weil es im Lehrplan erst<br />
ein Jahr später steht, sagte Gessner:<br />
„Was maßen Sie sich an? Ich frage<br />
mich wirklich, wo Sie junge Frau Ihr<br />
Selbstbewusstsein hernehmen, mir<br />
zu wi<strong>de</strong>rsprechen!“ So zumin<strong>de</strong>st<br />
beschreibt es Huber.<br />
Im ehemaligen Osten kommt noch<br />
eine weitere Beson<strong>de</strong>rheit hinzu:<br />
Ältere Lehrer kennen diese Art <strong>de</strong>r<br />
Ausbildung nicht, in <strong>de</strong>r DDR gab<br />
es kein Referendariat, dafür ein praxisnahes<br />
Studium. Manche Ausbildungslehrer<br />
treten <strong>de</strong>n Referendaren<br />
also mit einer gehörigen Portion<br />
Skepsis entgegen. Dabei sind die<br />
Bran<strong>de</strong>nburger Referendare fachlich<br />
alle hoch qualifiziert. „Die haben<br />
„Nein, Torben-Jasper, du hast keinen<br />
Telefonjoker.“ Erscheint im Riva-Verlag<br />
hier alle ein Einser-Examen“, sagt<br />
Nölte und <strong>de</strong>utet in <strong>de</strong>n Raum. Allein<br />
in Potsdam bewerben sich auf eine<br />
Stelle acht, neun Kandidaten. Nur<br />
die besten bekommen einen Platz.<br />
Quelle: welt.<strong>de</strong>, 04.11.2013<br />
Die Fortsetzung dieses Artikels fin<strong>de</strong>n<br />
Sie in <strong>de</strong>r nächsten <strong>Ausgabe</strong><br />
unserer Verbandszeitschrift.<br />
Reformpädagogik<br />
Meine Lehrer waren pädophile Weltverbesserer<br />
Lehrer mit Latzhosen, Stirnband und „Atomkraft? Nein danke“-Ansteckern. Doch sie sahen Kin<strong>de</strong>r als Spielzeug,<br />
eine falsch verstan<strong>de</strong>ne Liberalität. Erinnerungen an die reformpädagogische Schule.<br />
Die Freie Volksschule Basel (FVB)<br />
war eine jener reformpädagogischen<br />
Schulen, wie sie im Zuge <strong>de</strong>r linksgrünen<br />
Bewegung <strong>de</strong>r Achtzigerjahre<br />
Mo<strong>de</strong> waren. Von 1982 bis 1984<br />
war ich Schülerin <strong>de</strong>r FVB. Beim Eintritt<br />
war ich acht Jahre alt. Erfolgsdruck<br />
und Noten gab es keine. Mehr<br />
o<strong>de</strong>r weniger konnte je<strong>de</strong>r tun, was<br />
er wollte. Spaß machte das trotz<strong>de</strong>m<br />
nicht.<br />
So begann ein Spaziergang im Wald<br />
zum Beispiel mit <strong>de</strong>m Hinweis, dass<br />
wir gut hinhören sollten, <strong>de</strong>nn vielleicht<br />
wer<strong>de</strong> schon bald kein einziger<br />
Vogel mehr zwitschern. Monatelang<br />
stand das Thema Waldsterben auf<br />
<strong>de</strong>r Tagesordnung. Mit neun Jahren<br />
war ich überzeugt, dass es irgendwann,<br />
wenn ich groß bin, auf dieser<br />
Welt keine Bäume mehr geben wird.<br />
Warum konnte man uns nicht auf<br />
die Schönheiten <strong>de</strong>r Natur hinweisen<br />
und uns auf diese Weise<br />
Respekt vor <strong>de</strong>r Umwelt beibringen?<br />
Statt<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong> uns auf<br />
penetrant indoktrinieren<strong>de</strong> Weise<br />
eine links-grüne I<strong>de</strong>ologie eingehämmert,<br />
nach <strong>de</strong>m Motto: Die Welt<br />
ist ein ziemlich beschissener Ort,<br />
und wenn wir nicht alles in unserer<br />
Macht Stehen<strong>de</strong> tun, wird es noch<br />
beschissener.<br />
27
„So harmlos waren sie nicht“<br />
Aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r Weltverbesserer<br />
ist das Böse immer woan<strong>de</strong>rs. Im<br />
Kapitalismus, in <strong>de</strong>r freien Marktwirtschaft,<br />
in <strong>de</strong>n Atomkraftwerken.<br />
Ich war umzingelt von Rettern<br />
und Augenöffnern. Die Lehrer rannten<br />
in Latzhosen und mit Stirnbän<strong>de</strong>rn<br />
herum, und von überall lachte<br />
mich die rote Sonne <strong>de</strong>r „Atomkraft?<br />
Nein danke“-Anstecker an.<br />
Doch so harmlos, wie alle aussahen,<br />
waren sie dann lei<strong>de</strong>r nicht.<br />
So fand es zum Beispiel niemand störend,<br />
dass ein Lehrer – <strong>de</strong>r toll Gitarre<br />
und Mundharmonika spielen konnte<br />
und je<strong>de</strong>n Morgen aus vollem Halse<br />
„Kumbaya“ sang – <strong>de</strong>n Mädchen<br />
im Unterricht in <strong>de</strong>n langen Haaren<br />
wühlte o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Schulausflug ins<br />
Ba<strong>de</strong>zimmer reinkam und uns beim<br />
Abtrocknen half. Man war ja tolerant.<br />
Befreit von Scham. Grenzenlos.<br />
Am liebsten hatte man damals die<br />
Kin<strong>de</strong>r wie auf <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn von David<br />
Hamilton. Unbeschwert und nackt.<br />
Die Wän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n WGs und Kommunen<br />
waren damit tapeziert. Kin<strong>de</strong>r<br />
waren allzeit zur Verfügung stehen<strong>de</strong><br />
sexuelle Projektionsflächen.<br />
Niemand störte sich daran. Das<br />
war <strong>de</strong>r links-grüne Mainstream,<br />
<strong>de</strong>r Zeitgeist, <strong>de</strong>m weite Teile <strong>de</strong>r<br />
Gesellschaft zustimmten. Im Zuge<br />
<strong>de</strong>r sexuellen Revolution wur<strong>de</strong>n die<br />
Erwachsenen vor allem von einem<br />
befreit: von ihrer Verantwortung.<br />
„Die Mehrheit <strong>de</strong>r Opfer bleibt stumm“<br />
Ist doch interessant, mal schauen,<br />
wie sie reagieren – solche Sätze<br />
müssen ihrem Unterricht vorausgegangen<br />
sein. Im Vor<strong>de</strong>rgrund stan<strong>de</strong>n<br />
die Interessen und <strong>de</strong>r Voyeurismus<br />
<strong>de</strong>r Erwachsenen. In <strong>de</strong>n<br />
links-grünen Kommunen <strong>de</strong>r Siebziger-<br />
und Achtzigerjahre lebten Kin<strong>de</strong>r<br />
hochgefährlich. Frei fühlten sich<br />
vor allem die Erwachsenen, die in<br />
einer falsch verstan<strong>de</strong>nen Liberalität<br />
sämtliche Grenzen überschritten.<br />
Die Mehrheit <strong>de</strong>r Opfer bleibt<br />
stumm. Bis an ihr Lebensen<strong>de</strong>. Es<br />
gehört zur Perfidität und Gemeinheit<br />
sexuellen Missbrauchs, dass<br />
es einer außeror<strong>de</strong>ntlichen Überwindung<br />
bedarf, <strong>de</strong>n Mund aufzumachen.<br />
Zu überwältigend ist <strong>de</strong>r<br />
Ekel, zu groß die Scham. Der Terror<br />
<strong>de</strong>r Peiniger wirkt lebenslänglich.<br />
Die gefährliche Verharmlosung sexuellen<br />
Missbrauchs an Kin<strong>de</strong>rn zeigt<br />
sich in <strong>de</strong>r Behauptung <strong>de</strong>r Grünen,<br />
solche Fälle seien nur vereinzelt vorgekommen.<br />
Vielmehr liegt die Vermutung<br />
nahe, dass in einer Zeit, in<br />
<strong>de</strong>r sich Pädophile frei wie nie ausleben<br />
konnten, Übergriffe flächen<strong>de</strong>ckend<br />
stattgefun<strong>de</strong>n haben. Den<br />
Grünen ist es zu verdanken, dass<br />
Umweltschutz auf politischer Ebene<br />
ein Thema wur<strong>de</strong>.<br />
Ein Schlag ins Gesicht <strong>de</strong>r Betroffenen<br />
Gleichzeitig haben sie mit ihrer For<strong>de</strong>rung,<br />
Pädophilie zu legalisieren,<br />
einem Verbrechen Tür und Tor geöffnet.<br />
Sie zeigten Respekt vor Bäumen,<br />
doch Kin<strong>de</strong>r waren Experimentiermaterial,<br />
Spielzeug, mit <strong>de</strong>m man<br />
machen konnte, was man wollte.<br />
Dieser Wi<strong>de</strong>rspruch ist unerträglich,<br />
ihm liegt eine fundamental verlogene<br />
Weltsicht zugrun<strong>de</strong>. Die Masken<br />
fallen mit <strong>de</strong>r kühlen Logik, mit <strong>de</strong>r<br />
ein Kartenhaus zusammenbricht.<br />
Die erste Aussage Jürgen Trittins,<br />
die Sache liege doch schon fast<br />
über ein Vierteljahrhun<strong>de</strong>rt zurück,<br />
war ein Schlag ins Gesicht all<br />
jener, die damals Missbrauch erleben<br />
mussten. Für ein Opfer sexueller<br />
Gewalt dauert ein Vierteljahrhun<strong>de</strong>rt<br />
vielleicht nur gefühlte fünf<br />
Minuten. Die unerträglich dummen<br />
Sätze, die gesagt wur<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>r Umgang mit dieser Schan<strong>de</strong>,<br />
sind ein Skandal für sich.<br />
Dabei glaubt man, alles richtig zu<br />
machen: Husch, husch – schnell ein<br />
paar Wissenschaftler herholen, die<br />
wer<strong>de</strong>n es mit ihren Studien schon<br />
richten. Die Aufarbeitung. Diese<br />
wür<strong>de</strong> aber ganz woan<strong>de</strong>rs anfangen.<br />
Wie wäre es mit konkreter Reue<br />
und Opferhilfe? Das hat man nicht<br />
gelernt.<br />
„Weltverbesserer sind vor allem lernresistent“<br />
Die Vorstellung, dass man an <strong>de</strong>m<br />
Schlechten in <strong>de</strong>r Welt auch selber<br />
schuld sein könnte: Es übersteigt<br />
das geistige Fassungsvermögen<br />
<strong>de</strong>r Gutmenschen, dass<br />
sie vielleicht in Wahrheit gar nicht<br />
so gut sind. Die Weltverbesserer<br />
sind vor allem eines: lernresistent.<br />
Lieber zeigt man sich empört.<br />
Wie Claudia Roth, die allen Ernstes<br />
zurückmaulte, dass man <strong>de</strong>n über<br />
alles erhabenen Grünen – die sich<br />
nach wie vor als Retter <strong>de</strong>r Welt ver-<br />
28<br />
„Spätestens<br />
morgen“,<br />
Zoë Jennys<br />
neuer<br />
Erzählband<br />
Die Schriftstellerin Zoë Jenny kam<br />
1974 in Basel zur Welt. Ihr größter<br />
literarischer Erfolg, „Das Blütenstaubzimmer“,<br />
erschien 1997 und<br />
wur<strong>de</strong> in 27 Sprachen übersetzt.<br />
Nun ist ihr Erzählband „Spätestens<br />
morgen“ erschienen.
stehen – sicher nichts über Moral<br />
erklären müsse. Klar, <strong>de</strong>nn das Böse<br />
und Monströse ist ja immer woan<strong>de</strong>rs.<br />
In <strong>de</strong>r Psychologie nennt man<br />
das Projektion. Im Extremfall gipfelt<br />
es in <strong>de</strong>r Metapher <strong>de</strong>s Narziss,<br />
<strong>de</strong>r selbstverliebt ins Wasser starrt,<br />
auf sein Spiegelbild – und dabei<br />
ertrinkt. Die Grünen sind gera<strong>de</strong>zu<br />
besessen von ihrem Spiegelbild.<br />
Latzhose und Stirnband wur<strong>de</strong>n<br />
gegen Hemd und Krawatte eingetauscht,<br />
doch die Weltsicht und die<br />
selbstgefällige Arroganz sind dieselben<br />
geblieben. Ein Vierteljahrhun<strong>de</strong>rt<br />
und kein Schritt weiter. Die FVB,<br />
die Freie Volksschule Basel, wur<strong>de</strong><br />
nur wenige Jahre später wegen<br />
„interner Krisen“ geschlossen, das<br />
Schulgebäu<strong>de</strong> abgerissen. Zwei<br />
Jahrzehnte später, bei einem Klassentreffen,<br />
war kein einziger Lehrer<br />
zugegen. Ratlos saß man am Tisch.<br />
Allesamt waren sie entwe<strong>de</strong>r ausgewan<strong>de</strong>rt,<br />
verstorben o<strong>de</strong>r unauffindbar.<br />
Als hatten sie sich aus <strong>de</strong>m<br />
Staub gemacht.<br />
Quelle: welt.<strong>de</strong>, 14.10.2013<br />
Mit <strong>de</strong>r Schul-E-Mail aufs Pornoportal<br />
Hamburger Gymnasium stattet Fünftklässler mit E-Mail-Adressen aus. Die Eltern wer<strong>de</strong>n nicht gefragt und haben dank<br />
Passwortschutz keine Kontrolle über Netzaktivitäten ihrer Kin<strong>de</strong>r.<br />
HAMBURG taz | Verena Dulk* traute<br />
ihren Augen nicht. Durch Zufall ent<strong>de</strong>ckte<br />
die 43-jährige Mutter, dass<br />
sich ihr zwölfjähriger Sohn Florian*<br />
bei einem Porno-Portal angemel<strong>de</strong>t<br />
hatte. Dabei hatte sie Florian untersagt,<br />
einen eigenen E-Mail-Account<br />
einzurichten, da dieser ihm <strong>de</strong>n Weg<br />
auf alle möglichen Internet-Seiten<br />
ebnen könnte. Doch das Verbot lief<br />
ins Leere. Die E-Mail-Adresse, mit<br />
<strong>de</strong>r sich <strong>de</strong>r Junge einloggte, hatte<br />
er von seiner Schule erhalten.<br />
Am Gymnasium Allee in Hamburg-<br />
Altona erhalten SchülerInnen schon<br />
seit Jahren gleich mit Eintritt in die<br />
Schule eine E-Mail-Adresse, die aus<br />
<strong>de</strong>m Vor-, <strong>de</strong>m Nachnahmen und<br />
seit diesem Jahr <strong>de</strong>m Zusatz „gymallee.<strong>de</strong>“<br />
besteht. Mit ihr sollen die<br />
SchülerInnen lernen, im schuleigenen<br />
Intranet miteinan<strong>de</strong>r zu kommunizieren<br />
und Lehrinhalte abzurufen.<br />
Filter verhin<strong>de</strong>rn, dass die Kin<strong>de</strong>r<br />
von <strong>de</strong>n Schulrechnern aus Internet-Seiten<br />
besuchen, auf <strong>de</strong>nen sie<br />
nichts zu suchen haben.<br />
Doch dass die SchülerInnen mit<br />
einer eigenen E-Mail-Adresse –<br />
die gespickt ist mit personenbezogenen<br />
Daten – ausgestattet wer<strong>de</strong>n,<br />
mit <strong>de</strong>r sie sich von an<strong>de</strong>ren Geräten<br />
aus in sozialen Netzwerken und<br />
unterschiedlichsten Portalen anmel<strong>de</strong>n<br />
können – und dies zum Teil auch<br />
nachweisbar tun – stößt einigen<br />
Eltern sauer auf. „Mir wird hier von<br />
<strong>de</strong>r Schule eine zusätzliche Kontrollpflicht<br />
aufgebür<strong>de</strong>t und gleichzeitig<br />
die Kontrolle vollständig aus <strong>de</strong>r<br />
Hand genommen“, klagt Dulk. Denn<br />
selbst wenn die Eltern wollten, sie<br />
könnten ihre Kin<strong>de</strong>r nur kontrollieren,<br />
wenn diese ihnen das Passwort<br />
preisgeben, das ihren Account vor<br />
unbefugtem Zugriff schützen soll.<br />
Die Mutter ärgert zu<strong>de</strong>m, dass sie<br />
zwar per Elternbrief über die E-Mail-<br />
Adressen informiert wur<strong>de</strong>, mitre<strong>de</strong>n<br />
aber durfte sie nicht. Es könne<br />
„nicht sein, dass uns bei diesem<br />
sensiblen Thema nur <strong>de</strong>r Weg bleibt,<br />
per Beschwer<strong>de</strong> zu intervenieren“.<br />
Die Mutter einer Elfjährigen ergänzt:<br />
„Wir wissen, dass sich in sozialen<br />
Netzwerken auch viele Männer mit<br />
pädophilen Neigungen tummeln –<br />
<strong>de</strong>nen wird über die E-Mail-Adresse<br />
<strong>de</strong>r komplette Name und <strong>de</strong>r Schulstandort<br />
gleich frei Haus geliefert.“<br />
Schulleiter Ulf Nehe hingegen<br />
betont, „dass allen Schülerinnen<br />
und Schülern gesagt wur<strong>de</strong>, dass<br />
sie ihre E-Mail-Adresse nur für die<br />
schulinterne Kommunikation nutzen<br />
sollen“. Eine Botschaft, die offenbar<br />
nicht bei je<strong>de</strong>m Pennäler angekommen<br />
ist. Zwar stellt das Thema Medienkompetenz<br />
einen Schwerpunkt im<br />
Unterrichtsstoff <strong>de</strong>s Gymnasiums<br />
dar, nur bekommen die Fünftklässler<br />
zuerst eine eigene E-Mail-Adresse<br />
und dann erst die Kompetenz vermittelt,<br />
sich sicher und möglichst<br />
gefahrenlos im World Wi<strong>de</strong> Web zu<br />
bewegen.<br />
Ulf Nehe sind solche Klagen „neu“.<br />
Über <strong>de</strong>n Elternrat seien „solche<br />
Be<strong>de</strong>nken bislang nicht an die<br />
Schule herangetragen“ wor<strong>de</strong>n.<br />
Im Gegenteil: „Viele Eltern haben<br />
uns gebeten, mit medienpädagogischem<br />
Unterricht bereits in <strong>de</strong>r<br />
fünften Klasse zu beginnen, weil<br />
sich dann schon viele Kin<strong>de</strong>r im Netz<br />
tummeln.“<br />
Die Schulleitung will aber nun zeitnah<br />
das Thema in <strong>de</strong>n Elternrat bringen.<br />
Der Elternratsvorsitzen<strong>de</strong> Sven<br />
Sternsdorff sagt, „dass uns bislang<br />
keine Klagen über die E-Mail-Adressen<br />
zu Ohren gekommen sind“.<br />
Die sind an <strong>de</strong>n Schulen inzwischen<br />
ohnehin weit verbreitet. So bestätigt<br />
Susanne Schrammar, Sprecherin<br />
<strong>de</strong>s Nie<strong>de</strong>rsächsischen Kultusministeriums,<br />
dass rund 800 <strong>de</strong>r 3.200<br />
Schulen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>n Schulserver<br />
IServ, an <strong>de</strong>n auch das Hamburger<br />
Gymnasium angeschlossen ist,<br />
nutzen und die Kin<strong>de</strong>r E-Mail-Adressen<br />
erhalten. Allerdings: „Die Eltern<br />
müssen ihr ausdrückliches Einverständnis<br />
erklären.“<br />
Das bestätigt auch Peter Albrecht,<br />
Sprecher <strong>de</strong>r Hamburger Schulbehör<strong>de</strong>:<br />
„Eine Verpflichtung zur Einrichtung<br />
von E-Mail-Accounts für<br />
Schüler ist datenschutzrechtlich<br />
nicht zulässig. E-Mail-Accounts<br />
können nur mit Einwilligung <strong>de</strong>r Sorgeberechtigten<br />
auf freiwilliger Basis<br />
genutzt wer<strong>de</strong>n.<br />
*Name geän<strong>de</strong>rt.<br />
Quelle: 05.11.13 – taz.<strong>de</strong><br />
29
Film-Tipp<br />
Warum Noten und Abschlüsse unglücklich machen –<br />
Rezension zum Kinofilm „Alphabet“: Das Leid <strong>de</strong>r Erfolgreichen<br />
Erschöpft, unzufrie<strong>de</strong>n, verängstigt: Das Bildungssystem macht Kin<strong>de</strong>r zu Verlierern - starke wie schwache Schüler.<br />
So lautet die These <strong>de</strong>s Dokumentarfilms „Alphabet“, gedreht vom Regisseur von „We feed the World“. Er zeigt,<br />
warum Noten und Abschlüsse unglücklich machen.<br />
Kleine Mädchen kauen auf ihren Fingerkuppen.<br />
Einem schmalen Jungen<br />
fallen auf <strong>de</strong>m Weg zwischen Schule<br />
und Nachhilfeunterricht im Bus die<br />
Augen zu. Als seine Großmutter ihm<br />
später zu Hause eine Medaille <strong>de</strong>r<br />
Mathe-Olympia<strong>de</strong> umhängt, zeigt<br />
er keine Regung. „Gewinn‘ noch ein<br />
paar!“, sagt sie.<br />
Chinesische Schüler sind weltweit<br />
die besten, zeigt die internationale<br />
Bildungsstudie Pisa. Chinesische<br />
Schüler lei<strong>de</strong>n weltweit unter <strong>de</strong>m<br />
höchsten Prüfungsdruck, sie lernen<br />
am meisten, sie schlafen am<br />
wenigsten, und sie verspüren das<br />
geringste Glücksgefühl, zeigen<br />
an<strong>de</strong>re Studien. Chinesische Schüler<br />
sind angespannte, <strong>de</strong>primierte<br />
Lernmaschinen, zeigt <strong>de</strong>r neue<br />
Dokumentarfilm <strong>de</strong>s Österreichers<br />
Erwin Wagenhofer.<br />
„Alphabet“ ist <strong>de</strong>r letzte Teil von<br />
Wagenhofers Trilogie, die mit „We<br />
feed the World“ und „Let‘s make<br />
Money“ bereits die globalisierte Nahrungsmittelindustrie<br />
und die internationalen<br />
Geldmärkte aus einem<br />
an<strong>de</strong>ren, aufrütteln<strong>de</strong>n Blickwinkel<br />
gezeigt hat. Nun hat sich einer <strong>de</strong>r<br />
einflussreichsten Dokumentarfilmer<br />
das Bildungssystem vorgenommen.<br />
Die Botschaft: Wer nur auf Leistung,<br />
Noten und Zertifikate setzt, zerstört<br />
kindliche Kreativität, Wissbegier<strong>de</strong><br />
und letztlich Genialität. Noch schlimmer:<br />
Das kompetitive Schulsystem,<br />
so wie es jetzt ist, kann junge, gesun<strong>de</strong>,<br />
fröhliche Menschen zerstören.<br />
„Zurzeit herrscht die Haltung: Alles,<br />
was nicht sofort einen wirtschaftlichen<br />
Nutzen abwirft, ist sinnlos“,<br />
sagt Wagenhofer. „Menschen tun<br />
nicht, was sie am liebsten tun und<br />
am besten können. Sie tun, was sie<br />
<strong>de</strong>nken, tun zu müssen. Das ist ein<br />
Wahnsinn, <strong>de</strong>n viele nur mit Psychopharmaka<br />
überstehen.“<br />
„Mein Kopf ist voll, zu voll“<br />
Um diese These zu beweisen,<br />
schickt „Alphabet“ <strong>de</strong>n Zuschauer<br />
auf eine Reise nach Asien, Europa<br />
und Südamerika.<br />
Es geht nach China, in das Land<br />
<strong>de</strong>r mü<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r,<br />
in <strong>de</strong>m, so<br />
Experten, Suizid<br />
die häufigste<br />
To<strong>de</strong>sursache<br />
bei jungen Menschen<br />
ist. „Die<br />
chinesischen<br />
Schüler benei<strong>de</strong>n<br />
ihre Eltern<br />
darum, dass sie<br />
abends fernsehen<br />
und am<br />
Wochenen<strong>de</strong> ausschlafen können“,<br />
erzählt ein Pädagogikprofessor<br />
aus Peking.<br />
Es geht nach Hamburg, in eine <strong>de</strong>r<br />
reichsten Städte in einem <strong>de</strong>r reichsten<br />
Län<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Welt. „Mein Leben<br />
ist die Schule. Etwas muss falsch<br />
gelaufen sein. Mein Kopf ist voll, zu<br />
voll“, liest eine Hamburger Gymnasiastin<br />
aus einem offenen Brief vor,<br />
<strong>de</strong>n sie aus Verzweiflung geschrieben<br />
hat. Die Schülerin hat keine Zeit<br />
für sich o<strong>de</strong>r für Hobbys. Ihr Wunsch:<br />
mal wie<strong>de</strong>r die Sonne sehen.<br />
30<br />
Und es geht zur künftigen Wirtschaftselite:<br />
Junge, smarte Absolventen<br />
von <strong>de</strong>n Top-Unis <strong>de</strong>r Welt<br />
treffen beim „CEO of the Future“<br />
aufeinan<strong>de</strong>r, einem Wettbewerb<br />
für Nachwuchsmanager. „Ich fin<strong>de</strong><br />
es schön, wenn alle so richtig viel<br />
und hart arbeiten wollen“, sagt eine<br />
Teilnehmerin. „Leistungsorientiertheit,<br />
alles an<strong>de</strong>re ist egal“, sagt ein<br />
an<strong>de</strong>rer.<br />
Das Lebensziel <strong>de</strong>r Besten <strong>de</strong>r<br />
Besten besteht offenbar nur<br />
darin, nach immer mehr Auszeichnungen,<br />
Erfolg und <strong>de</strong>m<br />
wöchentlichen Arbeitszeitrekord<br />
zu streben. Und die Lemminge<br />
sind nicht einmal zufrie<strong>de</strong>n dabei.<br />
„Alphabet“ ist ein wichtiger Film, weil<br />
er die bösen Seiten <strong>de</strong>s vermeintlich<br />
Guten zeigt: Die subjektiven Verluste<br />
<strong>de</strong>r objektiven Bildungsgewinner.<br />
Ihre Gesundheit lei<strong>de</strong>t, ihre Individualität,<br />
ihr Lebensglück geht verloren.<br />
Und weil er Fragen<br />
aufwirft, die<br />
sich eine Gesellschaft<br />
nicht häufig<br />
genug stellen<br />
kann: Wollen wir<br />
in einem Land, in<br />
einer Welt leben,<br />
in <strong>de</strong>r zukünftige<br />
Chefs Sätze<br />
sagen wie:<br />
„Machen wir uns<br />
nichts vor. Ich plane<br />
meine Kin<strong>de</strong>r so, dass sie zeitlich<br />
zu meinen Projekten passen.<br />
Punkt.“ Wollen wir das?<br />
„Alphabet“ macht es sich aber zu<br />
einfach. Und das ist scha<strong>de</strong>. Der<br />
Film setzt sowohl bei <strong>de</strong>n Experten<br />
als auch bei <strong>de</strong>n Protagonisten, die<br />
überdies schon weitgehend bekannt<br />
sind, nur auf Extrempositionen, die<br />
ebenfalls nicht neu sind. Noch mehr<br />
stört jedoch, dass kein Beispiel <strong>de</strong>m<br />
Zuschauer richtig nah kommt, keine<br />
Person durch <strong>de</strong>n Film führt. Vielmehr<br />
fühlt es sich an, als wäre hier
ein sozialkritischer Aufsatz in Ton<br />
und Bild gefasst wor<strong>de</strong>n, inklusive<br />
<strong>de</strong>r Aufzählungszeichen.<br />
Unnahbar und damit unübertragbar<br />
bleibt auch André Stern, <strong>de</strong>r<br />
zum I<strong>de</strong>albild stilisiert wird. Stern,<br />
1971 in Frankreich geboren, ist <strong>de</strong>r<br />
Sohn <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschstämmigen Forschers<br />
und Pädagogen Arno Stern,<br />
<strong>de</strong>r seit mehr als 60 Jahren in Paris<br />
ein spielerisches Mal-Atelier für Kin<strong>de</strong>r<br />
betreibt. André Stern spricht fünf<br />
Sprachen, ist Musiker, Komponist,<br />
Gitarrenbauer, Autor und Journalist.<br />
Er hat sich all das selbst beigebracht,<br />
ohne Druck, ohne Konkurrenz.<br />
Er wirkt ausgeglichen und<br />
selbstzufrie<strong>de</strong>n. Er hat nie eine<br />
Schule besucht. Doch wie realistisch<br />
ist eine solche Biografie für 1,2 Milliar<strong>de</strong>n<br />
Schulkin<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Welt?<br />
Nach „We feed the World“ konnten<br />
wir aufhören, Hühnerfleisch zu<br />
essen. Nach „Let‘s make Money“<br />
konnten wir aufhören, unser Geld in<br />
ausbeuterische Fonds zu stecken.<br />
Was können wir nach „Alphabet“<br />
machen? Eine konkrete Antwort gibt<br />
<strong>de</strong>r Film nicht. Bewusst. Denn: Wer<br />
sich Alternativen wünscht, muss <strong>de</strong>n<br />
Mut haben, unangepasst zu <strong>de</strong>nken.<br />
Dann hätte <strong>de</strong>r Film sein Ziel doch<br />
noch erreicht.<br />
Quelle: spiegel.<strong>de</strong>, 30.10.2013<br />
Lektüre-Tipp<br />
Ein Vorbild an leiser Renitenz<br />
Knut Cordsen rezensiert Birk Meinhardt: „Brü<strong>de</strong>r und Schwestern<br />
Willy Werchow, Vater dreier ehelicher<br />
und eines unehelichen Kin<strong>de</strong>s,<br />
ist eine Durchschnittsexistenz.<br />
Trotz<strong>de</strong>m lässt er einen leichten<br />
Wi<strong>de</strong>rstand gegen das DDR-Regime<br />
erkennen, in <strong>de</strong>m er lebt. Zwei seiner<br />
drei Kin<strong>de</strong>r folgen ihm darin.<br />
Man mag es Wagemut nennen o<strong>de</strong>r<br />
Selbstbewusstsein o<strong>de</strong>r auch einfach<br />
nur - mit einem Wort aus diesem<br />
Buch - gehörige „Forsche“:<br />
Birk Meinhardt legt knapp fünf Jahre<br />
nach Uwe Tellkamps „Der Turm“<br />
seine „Geschichte aus einem versunkenen<br />
Land“ namens DDR vor.<br />
Auch „Brü<strong>de</strong>r und Schwestern“ ist<br />
ein voluminöser Familienroman,<br />
auch er en<strong>de</strong>t 1989 zur Zeit <strong>de</strong>r<br />
friedlichen Revolution, und auch<br />
er wird wohl fortgeschrieben wer<strong>de</strong>n,<br />
je<strong>de</strong>nfalls steht ein „wird fortgesetzt“<br />
am Schluss. Abseits solcher<br />
äußerlicher Ähnlichkeiten aber<br />
ist Meinhardts 1973 einsetzen<strong>de</strong>r<br />
Roman gera<strong>de</strong>zu ein Gegenentwurf<br />
zu Tellkamps preisgekröntem<br />
Werk, zuvör<strong>de</strong>rst in sprachlicher<br />
Hinsicht: Meinhardt ist ein überbor<strong>de</strong>nd<br />
lebenspraller Erzähler mit<br />
einem ungeheuren Sinn für die Ausdruckskraft<br />
von Dialekt und Jargon,<br />
von Stadion-Gesängen, Losungen<br />
und dämlichen Partei-Parolen.<br />
Wo bei Tellkamp nicht selten <strong>de</strong>r<br />
schwergängige Lyrismus steht,<br />
fin<strong>de</strong>t sich bei Meinhardt ein nur<br />
oberflächlich salopper, in Wahrheit<br />
äußerst kunstfertiger, nicht von<br />
ungefähr volksliedhafter Ton. Wem<br />
die Lektüre <strong>de</strong>s „Turms“ bisweilen<br />
eine Mühsal war, <strong>de</strong>m wird dieses<br />
Buch eine Lust sein.<br />
In <strong>de</strong>r thüringischen Provinz, im fiktiven<br />
Städtchen Gerberstedt sie<strong>de</strong>lt<br />
<strong>de</strong>r 1959 geborene Berliner seine<br />
Geschichte an: Im Zentrum steht die<br />
Familie von Willy Werchow, Direktor<br />
<strong>de</strong>s Druckereibetriebs „Aufbruch“,<br />
Mann <strong>de</strong>r Sparkassen-Angestellten<br />
Ruth, Vater dreier ehelicher und<br />
eines unehelichen Kin<strong>de</strong>s, von <strong>de</strong>m<br />
keiner wissen darf.<br />
Eine Durchschnittsexistenz, jedoch<br />
auch ein Vorbild an leiser Renitenz,<br />
an Eigensinn, <strong>de</strong>m sich zumin<strong>de</strong>st<br />
zwei <strong>de</strong>r drei Geschwister verpflichtet<br />
fühlen: Britta, die Jüngste, fliegt<br />
von <strong>de</strong>r Schule, weil sie ein Gedicht<br />
<strong>de</strong>s gera<strong>de</strong> ausgebürgerten Wolf<br />
Biermann abschreibt, und lan<strong>de</strong>t bei<br />
einem <strong>de</strong>r wenigen Privat-Zirkusse<br />
<strong>de</strong>r DDR, zieht als Akrobatin umher;<br />
ein Fahren<strong>de</strong>r auch ihr aufmüpfiger<br />
Bru<strong>de</strong>r Matti, <strong>de</strong>r als Lastkahnführer<br />
ein Motorgüterschiff durch die Binnengewässer<br />
<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s steuert<br />
und nebenher schreibt, weil ihm die<br />
Literatur ein „Rückzugslager“ bietet;<br />
lediglich <strong>de</strong>r Älteste, Erik, ist linientreu<br />
und we<strong>de</strong>r fähig noch willens,<br />
sich <strong>de</strong>r „mächtigen Dreieinigkeit<br />
aus Heuchelei, Phrasendrescherei<br />
und Schurigelei“ zu wi<strong>de</strong>rsetzen.<br />
Wohin uns dieser Roman nicht<br />
überall mitnimmt! Was er uns nicht<br />
alles ungemein anschaulich zeigt<br />
- <strong>de</strong>n Alltag in <strong>de</strong>r NVA-Kaserne<br />
genauso wie <strong>de</strong>n im Büro <strong>de</strong>r SED-<br />
Birk Meinhardt:<br />
„Brü<strong>de</strong>r und Schwestern“<br />
Carl Hanser Verlag, München 2013<br />
700 Seiten<br />
24,90 Euro<br />
Gebietssekretärs, die „VEBehäbigkeit“<br />
genauso wie die Zweifel eines<br />
Republikflüchtlings, <strong>de</strong>n auf einmal<br />
Wehmut überfällt auf seinem Weg<br />
in <strong>de</strong>n Westen; o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Aufmarsch<br />
<strong>de</strong>r „stummen Gesellen“ <strong>de</strong>r Stasi,<br />
die einen drohen<strong>de</strong>n Streik im Keim<br />
ersticken.<br />
Es ist eine Geschichte aus „zäher<br />
Zeit“, die Meinhardt erzählt, über<br />
ein Land <strong>de</strong>s „Stillstands“, doch<br />
selten ist in solcher Rasanz, mit so<br />
viel Gespür für subversiven Bürgerwitz,<br />
mit solcher Liebe für die<br />
sogenannten kleinen Leute davon<br />
berichtet wor<strong>de</strong>n. Als Reporter hat<br />
Meinhardt einen untrüglichen Blick<br />
fürs sprechen<strong>de</strong> Detail. Als Romancier<br />
vermag er eine große, ergreifen<strong>de</strong><br />
Geschichte über „unsere Brü<strong>de</strong>r<br />
und Schwestern“ und ihr untergegangenes<br />
Land zu erzählen.<br />
31
Informationen an die Geschäftsstelle<br />
Absen<strong>de</strong>r<br />
Philologenverband Sachsen-Anhalt · Lan<strong>de</strong>sgeschäftsstelle · Fax-Nr. (0 34 61) 41 54 58<br />
Bestellung Lehrerkalen<strong>de</strong>r Schuljahr 2014/2015 und<br />
Adresskalen<strong>de</strong>r für 2015<br />
Die Bestellungen für die Kalen<strong>de</strong>r müssen bis 31. März 2014 in <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>s geschäfts stelle eingegangen sein<br />
(E-Mail: phvsa@t-online.<strong>de</strong> · Tel-Nr. (0 34 61) 20 35 62).<br />
Ich bin Mitglied im Philologenverband Sachsen-Anhalt und möchte hiermit kostenlos <strong>de</strong>n Lehrerkalen<strong>de</strong>r für<br />
das Schuljahr 2014/2015 bestellen.<br />
Wir sind als Ehepaar bei<strong>de</strong> im Verband organisiert und möchten hiermit kostenlos <strong>de</strong>n Lehrerkalen<strong>de</strong>r für das<br />
Schuljahr 2014/2015 bestellen.<br />
Adresskalen<strong>de</strong>r für 2015 (kostenlos)<br />
2015<br />
Ort, Datum<br />
Unterschrift<br />
<br />
<br />
<br />
politisch unabhängig<br />
Interessenvertretung für<br />
gymnasiale Bildung<br />
offen für alle, die sich zum<br />
geglie<strong>de</strong>rten Schulwesen<br />
bekennen<br />
32
Mama, ich kämpfe jetzt für Allah<br />
Etwa 200 Jugendliche aus Deutschland sind in <strong>de</strong>n Bürgerkrieg in Syrien gezogen. Aber Tausen<strong>de</strong> träumen davon,<br />
als muslimische Hel<strong>de</strong>n in die Geschichte einzugehen.<br />
„Ich erkenne meinen Sohn nicht<br />
mehr wie<strong>de</strong>r. Ich weiß mir nicht<br />
an<strong>de</strong>rs zu helfen, als <strong>de</strong>n Kontakt<br />
abzubrechen“, sagt Mathil<strong>de</strong> M.<br />
schluchzend am Telefon. Ihr Sohn<br />
ist ein radikaler Islamist gewor<strong>de</strong>n.<br />
Er hat seinen <strong>de</strong>utschen Vornamen<br />
abgelegt und will nur noch mit seinem<br />
neu angenommenen Namen<br />
angesprochen wer<strong>de</strong>n. Auf ihrer<br />
Suche nach Hilfe hat Mathil<strong>de</strong> M. die<br />
Berliner Beratungsstelle Hayat <strong>de</strong>r<br />
Gesellschaft Demokratische Kultur<br />
angerufen.<br />
Immer mehr solcher Fälle betreuen<br />
wir. Meistens sind es Mütter, die<br />
anrufen, <strong>de</strong>nn die Väter spielen oft<br />
schon lange keine Rolle mehr in <strong>de</strong>n<br />
betroffenen Familien. Die Geschichten<br />
beginnen meist ähnlich, wie die<br />
von Mathil<strong>de</strong> M.s Sohn. Ein neuer<br />
Freund taucht auf, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Jungen<br />
in die Moschee einlädt. Sie hören<br />
Vorträge über <strong>de</strong>n Islam, beten bald<br />
darauf gemeinsam. Alte Freun<strong>de</strong><br />
sind abgeschrieben. Jeans, T-Shirt<br />
und Basecap wer<strong>de</strong>n ausgetauscht<br />
gegen Baumwollhosen, ein langes<br />
Gewand und eine kleine gehäkelte<br />
Mütze. Musik und Alkohol sind tabu.<br />
Seiner Tante und seiner Cousine<br />
gibt er nicht mehr die Hand. Das sei<br />
haram, sagt er, unrein. Er isst auch<br />
nicht mehr gemeinsam mit <strong>de</strong>r Familie,<br />
<strong>de</strong>nn in <strong>de</strong>n Töpfen wur<strong>de</strong> auch<br />
Schweinefleisch gekocht. Es kommt<br />
zu Streit. Den neuen Lebenswan<strong>de</strong>l<br />
<strong>de</strong>s Sohnes empfin<strong>de</strong>t die Mutter als<br />
Bedrohung und <strong>de</strong>r Sohn ist mit <strong>de</strong>r<br />
westlichen Lebensweise <strong>de</strong>r Mutter<br />
und <strong>de</strong>r Geschwister nicht mehr einverstan<strong>de</strong>n.<br />
Die Geschichten, so exotisch sie<br />
für die Mehrheit <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />
klingen mögen, gleichen einan<strong>de</strong>r.<br />
Eltern sind überfor<strong>de</strong>rt und<br />
manchmal auch tief gekränkt, <strong>de</strong>rart<br />
abgelehnt zu wer<strong>de</strong>n. Und natürlich<br />
haben sie Angst um ihre Kin<strong>de</strong>r.<br />
Manche dieser Eltern brechen <strong>de</strong>n<br />
Kontakt ab, manche versuchen verzweifelt,<br />
ihr großes Kind zurückzubekommen.<br />
Doch meistens ist dieses Kind schon<br />
seit Jahren unglücklich, frustriert,<br />
auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>m Sinn <strong>de</strong>s<br />
Lebens. Es hat sich schon lange entfrem<strong>de</strong>t,<br />
doch erst jetzt wird es von<br />
<strong>de</strong>n Eltern als Frem<strong>de</strong>r gesehen. Der<br />
Sohn o<strong>de</strong>r auch manchmal die Tochter<br />
bekommt von <strong>de</strong>n Islamisten,<br />
was er o<strong>de</strong>r sie vorher von seiner<br />
Eltern, Schule und <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />
nicht bekommen hat: Zuwendung<br />
und Anerkennung. Dagegen können<br />
die Eltern nicht argumentieren.<br />
Trotz<strong>de</strong>m raten wir <strong>de</strong>n Eltern, <strong>de</strong>n<br />
Kontakt zu ihrem Kind zu halten. Wir<br />
ermutigen sie, zunächst zu erkun<strong>de</strong>n,<br />
ob es sich um einen harmlosen<br />
Glaubenswechsel han<strong>de</strong>lt o<strong>de</strong>r ob<br />
wirklich Radikalisierungsten<strong>de</strong>nzen<br />
dahinter stecken. Bevor sie <strong>de</strong>n<br />
Sohn o<strong>de</strong>r die Tochter mit kritischen<br />
Fragen konfrontieren können, müssen<br />
sie erst einmal wie<strong>de</strong>r Vertrauen<br />
und eine emotionale Bindung herstellen.<br />
Sie brauchen viel Geduld,<br />
<strong>de</strong>nn sie sollten auf <strong>de</strong>r einen Seite<br />
Konfrontationen vermei<strong>de</strong>n, aber<br />
auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite ihre Position<br />
nicht verleugnen. Sie müssen lernen,<br />
offene Fragen zu stellen, ohne<br />
ihrem Kind etwas aufzwingen zu<br />
wollen. Am besten mit professioneller<br />
Beratung und Unterstützung,<br />
wie Psychologen, Familienhelfern,<br />
Sozialarbeitern o<strong>de</strong>r professionellen<br />
Kennern <strong>de</strong>r Szene.<br />
Konservativ-muslimische Eltern erkennen die Zeichen oft zu spät<br />
Auch muslimische Eltern rufen in <strong>de</strong>r<br />
Beratungsstelle an. Die weltlich orientierten<br />
unterschei<strong>de</strong>n sich in ihren<br />
Fragen und Reaktionen kaum von<br />
<strong>de</strong>n nicht-muslimischen Eltern mit<br />
o<strong>de</strong>r ohne Migrationshintergrund.<br />
Traditionell konservative Familien<br />
mel<strong>de</strong>n sich jedoch oft erst dann,<br />
wenn sich ihr Kind von ihnen vollends<br />
entfrem<strong>de</strong>t hat und <strong>de</strong>n Glauben<br />
nicht nur dogmatisch, son<strong>de</strong>rn<br />
auch extrem politisiert praktiziert. Auf<br />
die ersten Anzeichen einer aus <strong>de</strong>m<br />
Ru<strong>de</strong>r laufen<strong>de</strong>n Religiosität reagieren<br />
diese konservativ-muslimischen<br />
Familien nämlich häufig noch mit<br />
Stolz und Anerkennung. Der Sohn<br />
hält sich an die muslimischen Speisevorschriften,<br />
die Tochter trägt<br />
nicht nur Kopftuch, son<strong>de</strong>rn verhüllt<br />
ihren ganzen Körper: „Was<br />
für vorbildliche Kin<strong>de</strong>r haben wir!“<br />
Zettelt das „fromm“ gewor<strong>de</strong>ne Kind<br />
jedoch Streit an, dann reagieren<br />
konservativ-muslimische Eltern oft<br />
nur autoritär und reglementierend,<br />
woraufhin die Kin<strong>de</strong>r sich ihnen gar<br />
nicht mehr anvertrauen. Eltern schämen<br />
sich und versuchen die Probleme<br />
innerhalb <strong>de</strong>r Familie zu regeln<br />
o<strong>de</strong>r vertrauen sich höchstens ihrem<br />
Imam an. Manchmal hilft das kurzfristig,<br />
es kann in manchen Fällen aber<br />
kontraproduktiv wer<strong>de</strong>n. Denn mancher<br />
Imam vertraut zu sehr auf seine<br />
Wirksamkeit als religiöse Autorität<br />
und ignoriert dabei die ganz alltäglichen<br />
Sehnsüchte <strong>de</strong>r Jugendlichen.<br />
Im schlimmsten Fall reisen radikalisierte<br />
Jugendliche in Ausbildungslager<br />
von radikalen Islamisten in<br />
Nordafrika, Pakistan o<strong>de</strong>r Afghanistan.<br />
Deutschen Sicherheitsbehör<strong>de</strong>n<br />
zufolge fuhren außer<strong>de</strong>m<br />
bisher bereits über 200 sogenannte<br />
foreign fighters von Deutschland<br />
in <strong>de</strong>n syrischen Bürgerkrieg – so<br />
viele wie aus keinem an<strong>de</strong>ren europäischen<br />
Land. Acht von ihnen sollen<br />
dort gestorben sein. Wie kann es<br />
aber zu dieser Eskalation kommen?<br />
Warum wollen Jugendliche aus<br />
Deutschland <strong>de</strong>n Luxus von Sicherheit<br />
und Wohlstand gegen <strong>de</strong>n brutalen<br />
Kampf eines Bürgerkriegs eintauschen?<br />
Die Werbemaschinerie ist ausgefeilt,<br />
raffiniert und zielgerichtet. Zuerst<br />
kommen die Jugendlichen meist<br />
im Internet mit <strong>de</strong>r islamistischen<br />
Kriegspropaganda in Kontakt. Sie<br />
sehen verstören<strong>de</strong> Vi<strong>de</strong>os, in <strong>de</strong>nen<br />
wehrlose Kin<strong>de</strong>r abgeschlachtet<br />
wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r davon berichten,<br />
wie sie Zeugen <strong>de</strong>s Mor<strong>de</strong>s<br />
an ihrer gesamten Familie wur<strong>de</strong>n.<br />
33
Der gesamte Konflikt wird in dieser<br />
Propaganda reduziert auf einen<br />
Kampf <strong>de</strong>r Ungläubigen gegen die<br />
Muslime. Der jugendliche Sinn für<br />
Gerechtigkeit macht sie empfänglich<br />
für diese Botschaft, als guter Muslim<br />
müssten sie gegen „das Böse“<br />
und für eine gerechte Welt kämpfen.<br />
Solche Propaganda arbeitet<br />
ausschließlich mit Schwarz o<strong>de</strong>r<br />
Weiß, es gibt nur Opfer o<strong>de</strong>r Feind.<br />
Emotionalisieren<strong>de</strong> Inhalte sprechen<br />
beson<strong>de</strong>rs Jugendliche an, die selbst<br />
Gewalt o<strong>de</strong>r Ungerechtigkeit erlebt<br />
haben. Als Muslim i<strong>de</strong>ntifizieren sie<br />
sich mit <strong>de</strong>n unschuldigen Opfern,<br />
die ihnen präsentiert wer<strong>de</strong>n, sie<br />
schöpfen Hoffnung, weil sie sich<br />
im Kreis <strong>de</strong>r Islamisten nicht mehr<br />
„allein gegen die Übel dieser Er<strong>de</strong>“<br />
wehren müssten. Existiert zugleich<br />
eine niedrige Gewaltschwelle o<strong>de</strong>r<br />
Frustrationstoleranz, wer<strong>de</strong>n solche<br />
Jugendlichen leicht ansprechbar für<br />
<strong>de</strong>n sogenannten Heiligen Krieg.<br />
Im realen Leben kommt es dann zu<br />
Begegnungen mit islamistischen<br />
Predigern, die sich zum Beispiel als<br />
Sozialarbeiter ausgeben. Sie sprechen<br />
vom Bürgerkrieg in Syrien als<br />
<strong>de</strong>m Endkampf zwischen Muslimen<br />
und Ungläubigen, einer Art Armageddon,<br />
das die Weltordnung verän<strong>de</strong>rn<br />
wer<strong>de</strong>. In diesem apokalyptisch-erlöserischen<br />
„Endgame“<br />
versprechen sie <strong>de</strong>n Jugendlichen<br />
Plätze in <strong>de</strong>r ersten Reihe. „Ihr dürft<br />
dabei sein, wenn die Schuldigen fallen!“<br />
Debatte um Radikalisierung muss in die Schulen<br />
Plötzlich wer<strong>de</strong>n Schulabbrecher,<br />
Arbeitslose und Perspektivlose in<br />
ihrer Fantasie zu Menschen, die<br />
Geschichte schreiben können. Endlich<br />
erhalten sie, zumin<strong>de</strong>st verbal<br />
und in <strong>de</strong>r i<strong>de</strong>ologischen Blase, in<br />
die sie eintauchen, die Anerkennung,<br />
die sie als bildungsferne o<strong>de</strong>r<br />
sozial ausgegrenzte Migranten o<strong>de</strong>r<br />
vom System abgehängte Deutsche<br />
sonst vermissen.<br />
Sie sehnen sich sogar nach <strong>de</strong>m<br />
Tod, mit <strong>de</strong>m sie mystische Visionen<br />
verbin<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn mit <strong>de</strong>m Märtyrertod<br />
beginnt das ewige Leben<br />
im Paradies mit 72 Jungfrauen und<br />
Zugang zu allem, was sie in diesem<br />
Leben vielleicht niemals haben wer<strong>de</strong>n.<br />
Diese I<strong>de</strong>ologie wirkt wie eine<br />
Droge – daher fällt <strong>de</strong>r Verzicht auf<br />
Alkohol, Eros und an<strong>de</strong>re Genüsse<br />
so leicht.<br />
Sie wird auch von einem Teil <strong>de</strong>s<br />
muslimischen Milieus geför<strong>de</strong>rt,<br />
das sich nicht mit radikalem Islamismus<br />
i<strong>de</strong>ntifiziert, aber oft indirekt<br />
einen gewissen Respekt äußert. Die<br />
Kriegsverbrechen und Bombenattacken<br />
in Syrien wer<strong>de</strong>n nicht nur<br />
in zahlreichen Vi<strong>de</strong>os im Internet<br />
als Abenteuer romantisiert, son<strong>de</strong>rn<br />
auch in <strong>de</strong>n Predigten einiger<br />
Imame, die keine Islamisten sind.<br />
Das Bild eines weltweiten Kampfes<br />
gegen „die“ Muslime wird auch in<br />
mancher muslimischen Organisation<br />
gepflegt. Zwar gibt es allgemeine<br />
Beteuerungen gegen Radikalisierung<br />
o<strong>de</strong>r bewaffnete Gewalt.<br />
Aber um Extremisten zu bekämpfen,<br />
müssten die Verbän<strong>de</strong> mehr tun,<br />
als nur <strong>de</strong>n salafistischen Predigern<br />
<strong>de</strong>n Zugang zu ihren Moscheen zu<br />
verwehren. Es geht vor allem darum,<br />
sich mit <strong>de</strong>n salafistischen Inhalten<br />
auseinan<strong>de</strong>rzusetzen, dabei auch<br />
eigene Positionen zu hinterfragen<br />
und die Jugendlichen einzubeziehen.<br />
200 verirrte Dschihadisten aus<br />
Deutschland, die im Ausland zur<br />
Waffe greifen – das mag wenig<br />
scheinen. Doch neben ihnen gibt es<br />
mehrere Tausend Jugendliche, die<br />
von ähnlichen Pfa<strong>de</strong>n träumen. Die<br />
Debatte über Radikalisierung muss<br />
<strong>de</strong>shalb gesamtgesellschaftlich<br />
geführt wer<strong>de</strong>n. Sie darf nicht nur<br />
im Rahmen von Sicherheitsbe<strong>de</strong>nken<br />
und Integrations<strong>de</strong>batten stattfin<strong>de</strong>n.<br />
Denn dieser Ihr-Wir-Diskurs<br />
ist neben <strong>de</strong>r Perspektivlosigkeit <strong>de</strong>r<br />
Jugendlichen <strong>de</strong>r beste Nährbo<strong>de</strong>n<br />
für die Islamisten.<br />
Außer<strong>de</strong>m müssen Sozialarbeiter<br />
und vor allem Lehrer sensibilisiert<br />
und aufgeklärt wer<strong>de</strong>n. Nur so wer<strong>de</strong>n<br />
sie in <strong>de</strong>r Lage sein, früh Radikalisierungsten<strong>de</strong>nzen<br />
zu erkennen<br />
und rasch zu intervenieren. Sie<br />
könnten ihren Schülern Alternativen<br />
zeigen und sie zum kritischen<br />
Denken bewegen. Denn wer zum<br />
Beispiel einmal gelernt hat, eine<br />
eigene Position zu hinterfragen, ist<br />
weitaus besser immunisiert gegen<br />
Extremisten, die blin<strong>de</strong> Nachfolge<br />
und bloßes Nachbeten verlangen.<br />
Dafür aber braucht es mehr, als politischen<br />
Willen. Es braucht Geld, Mittel<br />
für Fortbildung und dauerhaftes<br />
Engagement. Mit halbherzigen Kurzzeitprojekten<br />
ist kein Jugendlicher<br />
zu retten.<br />
zeit.<strong>de</strong>, 08.11.2013, Ein Gastbeitrag<br />
von Ahmad Mansour<br />
Der Psychologe Ahmad Mansour (1976) ist als palästinensischer Israeli<br />
geboren und lebt seit neun Jahren in Deutschland. Er arbeitet in <strong>de</strong>r<br />
Arbeitsstelle Islamismus und Ultranationalismus <strong>de</strong>r Gesellschaft Demokratische<br />
Kultur in Berlin. Dort berät in <strong>de</strong>r Beratungsstelle Hayat unter<br />
an<strong>de</strong>rem Angehörige von Jugendlichen, die sich radikalen Salafisten<br />
anschließen. Seit 2012 ist Mansour Mitglied <strong>de</strong>r Deutschen Islamkonferenz<br />
und Berater bei European Foundation for Democracy.<br />
34
Die allerletzte Seite<br />
„Fack ju Göhte“: Klassen-Kampf in <strong>de</strong>r Praxis<br />
MÜNCHEN – In <strong>de</strong>r aktuellen Kino-<br />
Komödie „Fack ju Göhte“ braucht es<br />
einen knallharten Ex-Knacki, um die<br />
Schülerhor<strong>de</strong> zu bändigen. Dass es<br />
im echten Leben manchmal ähnlich<br />
schräg zugeht, erfuhr <strong>de</strong>r Hamburger<br />
Autor Thorsten Wiese.<br />
Er fragte <strong>de</strong>utsche Referendare nach<br />
ihren Erfahrungen im „Pädagogik-<br />
Bootcamp“. In seinem Buch ziehen<br />
die Jungpauker unter geän<strong>de</strong>rtem<br />
Namen vom Le<strong>de</strong>r über <strong>de</strong>n tagtäglichen<br />
Kampf im Klassenzimmer.<br />
Da ist Tanja Rohwed<strong>de</strong>r, die an einer<br />
Hauptschule in Celle arbeitet. Über<br />
ihre Schüler sagt sie: „Deutlich mehr<br />
als die Hälfte verlässt morgens nur<br />
das Haus, weil es bei uns warm und<br />
trocken ist, E<strong>de</strong>ka erst um 9 Uhr aufmacht<br />
und die Eltern <strong>de</strong>n Fernseher<br />
vormittags für sich alleine haben<br />
wollen.“<br />
Sie beobachtet auch, dass die Mädchen<br />
und Jungen je<strong>de</strong>n Tag aufs<br />
Neue mit ihr <strong>de</strong>alen wollen: „Für<br />
je<strong>de</strong> Leistung (im Unterricht sitzen<br />
bleiben statt herumlaufen, Hausaufgaben<br />
machen, nicht stören …)<br />
verlangen meine Schülerinnen und<br />
Schüler eine Gegenleistung. „Was<br />
krieg ich dafür, Frau Rohwed<strong>de</strong>r?!“<br />
Manuela Ben<strong>de</strong>r unterrichtet an<br />
einer Passauer Realschule. Dort<br />
meinte ihre Kollegin zu einem Schüler,<br />
<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Klassenarbeit nicht<br />
aufhörte, zum Nachbarn zu linsen<br />
und Fragen zu stellen: „So und jetzt<br />
ist Ruhe, ihr dürft auch nieman<strong>de</strong>n<br />
mehr im Publikum befragen. Und<br />
nein, Torben-Jasper, du hast keinen<br />
Telefonjoker.“<br />
An einer Grundschule in Hamburg<br />
war Julia Schoeller entsetzt darüber,<br />
dass die Kids zu viel Taschengeld<br />
haben und sich <strong>de</strong>shalb mit Süßigkeiten<br />
vollstopften, statt ihr Pausenbrot<br />
zu essen. „So bekommt<br />
Streichkäse-Brötchen vom Montag<br />
am Dienstag Gesellschaft von<br />
Morta<strong>de</strong>lla-Knäcke, am Mittwoch<br />
schmiegt sich Erdnussbutter-Toast-Sandwich<br />
an die bei<strong>de</strong>n, und am<br />
Donnerstag bekommen sie alle noch<br />
Besuch von Eiersalat-Graubrot. Am<br />
Freitag traf ich sie dann in geselliger<br />
Run<strong>de</strong> am Grund von Fabrices<br />
Tasche an.“<br />
Filmreif auch, was Anna Hoff von<br />
einer Kölner Hauptschule auf einer<br />
Klassenfahrt in Paris erlebte. Der<br />
Bus hielt vorm Eiffelturm und Schüler<br />
Emre war total enttäuscht: „Ist<br />
gar nicht fertig. Ist nur Gerüst!“<br />
Trotz aller Schwierigkeiten verlieren<br />
Referendare ihren Optimismus<br />
nur selten. Das zeigt auch das Beispiel<br />
von Saskia Prenzel, die an einer<br />
Hauptschule in Osnabrück Hauswirtschaft<br />
unterrichtet. Sie stand<br />
mit <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Küche und<br />
hatte sich fest vorgenommen nicht<br />
laut zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Schüler machten Bambule und<br />
die junge Frau bat immer wie<strong>de</strong>r im<br />
normalen Tonfall um Ruhe. Erfolglos.<br />
Da zupfte Samira sie am Ärmel und<br />
sagte: „Frau Prenzel, musstu uns<br />
anschreien. Sonst wissen wir nicht,<br />
was wir machen sollen.“<br />
Das Fazit <strong>de</strong>r angehen<strong>de</strong>n Lehrerin:<br />
„So läuft das bei uns. Wir nennen es<br />
Unterricht. Aber alles ist auf einem<br />
guten Weg.“<br />
Quelle: Berliner Kurier, 12.11.2013<br />
35
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