Das war Gießen 2013 - Gießener Allgemeine
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BLICKPUNKT<br />
Sie bringen jene zusammen, die zusammen<br />
gehören, davon bislang aber noch nicht wussten.<br />
Charlott Bodenschatz, Alexandra Böckel<br />
und Jesse Jacovini sind die Gesichter hinter<br />
der Free School <strong>Gießen</strong>. »Wir sind aber nicht<br />
die Betreiber. Alle sind die Betreiber«, erklärt<br />
Jacovini die Idee. Konkret bedeutet das: Die<br />
drei geben Leuten, die Kurse oder Veranstaltungen<br />
anbieten wollen, eine Bühne und veröffentlichen<br />
entsprechende Termine auf ihrer<br />
Website. Mehr ist es eigentlich nicht. Jeder<br />
kann alles anbieten. Einzige Bedingungen ist,<br />
dass es umsonst und frei zugänglich ist. Die<br />
Free School <strong>Gießen</strong> ist nur die Plattform. Eine<br />
Klammer, die die Angebote zusammenhält.<br />
Erst vor einigen Monaten haben Bodenschatz,<br />
Böckel und Jacovini ihr Konzept publik gemacht.<br />
Doch schon jetzt ist das Programm<br />
bunt: Es reicht von einer Fahrradwerkstatt über<br />
Sprachkurse bis zu Flamenco für Männer.<br />
Selbst bei Veranstaltungen zu eher sperrigen<br />
Themen wie Permakultur sind die Besucherzahlen<br />
zweistellig. Nachfrage gebe es eigentlich<br />
immer, meinen die drei. Klingt nachvollziehbar:<br />
Man wäre ja damals gerne zur Schule<br />
gegangen, hätte man sich Stunden- und Lehrplan<br />
nach den persönlichen Vorlieben zusammenstellen<br />
können.<br />
Ein großer Plan für 2014 steht bereits: »Richtig<br />
toll wäre, wenn wir eine Art Repaircafé auf die<br />
Beine stellen könnten«, meint Alexandra Böckel.<br />
In anderen Städten reparieren hier ehrenamtliche<br />
Tüftler zusammen mit den Besitzern<br />
etwa elektronische Geräte. In Frankfurt<br />
oder Wiesbaden feiern entsprechende Angebote<br />
bereits Erfolge. Sie sind die Antwort des<br />
kleinen Mannes auf die Vermutung, Hersteller<br />
konstruierten ihre Produkte absichtlich so,<br />
dass deren Lebensdauer begrenzt ist, damit<br />
Besitzer ihre Geräte häufiger wegwerfen und<br />
neue kaufen. »Um ein Repaircafé umzusetzen,<br />
brauchen wir allerdings noch mehr Leute<br />
Den Anfang machte die Free School <strong>Gießen</strong> mit einem Stricktreff.<br />
Schule für alle<br />
mit Fachwissen«, verrät Bodenschatz und will<br />
damit nicht nur junge Leute ansprechen. »Sogar<br />
in Altersheimen schläft Potenzial.« Genauso<br />
sind aber auch Ingenieure oder Studenten<br />
interessant für ein mögliches Repaircafé.<br />
Den Anfang machte die Free School <strong>Gießen</strong><br />
mit einem Näh- und Stricktreff. »Da läuft es<br />
bereits so, dass Schülerinnen mitmachen, aber<br />
auch ältere Damen. Für die Jüngeren ist es<br />
häufig auch eine tolle Erfahrung, dass sie das<br />
Endergebnis ihrer Arbeit sehen. <strong>Das</strong> ist heute<br />
ja nicht mehr selbstverständlich«, sagt Bodenschatz.<br />
Regelmäßig treffen sie sich in der »Küché«<br />
an der Moltkestraße. »In Kalifornien, wo<br />
die Idee herkommt, machen Free Schools<br />
auch viel draußen oder in Wohnzimmern«,<br />
erzählt Jacovini von seiner Heimat. Die Free<br />
School <strong>Gießen</strong> arbeitet derweil vor allem mit<br />
der Kümmerei zusammen oder jener Gruppe,<br />
die in der Schanzenstraße 1 seit einiger Zeit<br />
kulturelle Veranstaltungen organisiert.<br />
Foto: Friedrich<br />
Trotzdem bleibt der Platz für die Kurse und<br />
Veranstaltungen das größte Problem. Denn<br />
die Free School <strong>Gießen</strong> hat kein Budget und<br />
– das bringt die Idee bei all ihrem Charme mit<br />
sich – generiert keine Einnahmen. Miete oder<br />
Pacht können Charlott Bodenschatz, Alexandra<br />
Böckel und Jesse Jacovini also niemandem<br />
zahlen. »Genauso, wie wir offen sind für neue<br />
Angebote, die Leuten organisieren wollen,<br />
sind wir auch ständig auf der Suche nach neuen<br />
Räumen«, verrät Böckel und ergänzt: »Die<br />
Idee ist vielen vielleicht noch etwas fremd,<br />
weil man Zeit und Muße investiert, aber nichts<br />
Zählbares zurückbekommt. Doch es findet ein<br />
gegenseitiges Befruchten statt.« Etwas Passendes<br />
findet jeder. Auch wenn er vielleicht noch<br />
nichts davon weiß.<br />
fd<br />
///<br />
Fast jeden Tag veröffentlicht die Free School<br />
<strong>Gießen</strong> aktuelle Kurse und Veranstaltungen<br />
aus dem Programm auf Facebook.<br />
– Grundsteuer steigt<br />
Ab 1. Januar wird die Grundsteuer erhöht. <strong>Das</strong> trifft<br />
zunächst nur Grundbesitzer, wird natürlich aber gerne<br />
an die Mieter weitergegeben. »Ja«, sagt Claudia Boje,<br />
»das Leben in <strong>Gießen</strong> wird ein wenig teurer. <strong>Das</strong> ist<br />
dem Schutzschirm geschuldet, denn wir müssen<br />
Einnahmen erhöhen, um Leistungen aufrechtzuerhalten«.<br />
In Zahlen: Die Grundsteuer steigt um satte 58 Prozent.<br />
Ein Einfamilienhaus mit einer alten Jahressteuer von<br />
182,84 Euro kostet 2014 288,69 Euro.<br />
+ Boom-Town <strong>Gießen</strong><br />
<strong>Das</strong>s in <strong>Gießen</strong> ständig gebaut wird, ist ja kein Geheimnis.<br />
Nicht alle Baustellen haben aber mit der Landesgartenschau<br />
zu tun. Makler bestätigen, dass trotz der Erhöhung der Grundsteuer<br />
(links) ein regelrechter Run auf Baugrundstücke losgegangen<br />
ist. <strong>Das</strong> heißt: Investoren setzen auf <strong>Gießen</strong>. Diese<br />
Bauprojekte werden 2014 fertig: Heyligenstaedt (100 Wohneinheiten),<br />
Bergkaserne (80 WE), Schlangenzahl (32 WE),<br />
Zu den Mühlen (38 Senioren-Wohnungen), Paul-Schneider-<br />
Straße (38 Reihenhäuser), Poppe (40 WE), Wilhelm-Leuschner-Straße<br />
(40 Reihenhäuser, Leihgesterner Weg (80 WE),<br />
Marshall-Siedlung (54 WE).<br />
6 streifzug 1/2014