Das war Gießen 2013 - Gießener Allgemeine
Das war Gießen 2013 - Gießener Allgemeine
Das war Gießen 2013 - Gießener Allgemeine
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BRAD SHAWS KOLUMNE<br />
Brad Shaw schreibt exklusiv Kolumnen<br />
für den streifzug. Normalerweise veröffentlicht<br />
der Journalist sie im Netz auf<br />
www.bradsticks.com. Sein Blog befasst<br />
sich mit Lifestyle, Fashion, Musik, Promis<br />
und Kultur – und immer wieder mit<br />
der Suche nach Mr. und Mrs. Right.<br />
Dankbarkeit<br />
Manchmal erreichen wir sie wirklich, die kleinen<br />
Inseln. Die kleinen Inseln mitten im Strom, mitten<br />
im Winter. Vielleicht seltener als wir sie es uns<br />
herbeiwünschen, aber immer wieder. Immer<br />
dann, wenn wir für einen kurzen Moment Abstand<br />
nehmen. Von allem, was uns sonst mitreißt<br />
– zu neuen Höhenflügen oder alten Abgründen,<br />
zu hohen Zielen oder niederen Instinkten, instinktiv<br />
zum Guten oder<br />
zum Schlechten. Zumeist<br />
weg von den Säulen, auf<br />
denen wir stehen. Oder den<br />
Sachen, für die wir stehen.<br />
Weil wir uns meistens derart<br />
um uns selbst drehen, dass<br />
wir immer seltener sehen,<br />
wo wir sind. Meistens nur,<br />
wo wir hin wollen oder herkamen.<br />
Dann kommt plötzlich der<br />
Moment, an dem wir eine<br />
dieser Inseln erreichen und<br />
durchatmen. Wenn wir erst<br />
auf festem Boden ankommen,<br />
fällt es plötzlich leichter,<br />
den eigenen Standort zu<br />
bestimmen und genau hinzusehen,<br />
wo wir wirklich<br />
stehen. Und <strong>war</strong>um. Ich<br />
hatte ein turbulentes Jahr<br />
hinter mich gebracht und<br />
mich mitreißen lassen,<br />
manchmal auch niederreißen.<br />
Bis gerade eben <strong>war</strong><br />
ich hin und her gerissen, ob<br />
ich ein gutes oder ein schlechtes Jahr hatte. Ob<br />
die Höhepunkte höher <strong>war</strong>en als die Tiefpunkte<br />
tief – wenn man Licht und Schatten überhaupt<br />
gegeneinander aufwiegen kann, versteht sich.<br />
Weil Schatten bekannterweise nur dort sind, wo<br />
Licht ist.<br />
Wahrscheinlich liegt es in der Natur der Sache,<br />
dass plötzlich ein wenig Besinnlichkeit aufkommt,<br />
sobald die ersten Feuerwerkskörper den<br />
Himmel erobern, oder die letzten. Einfach weil<br />
wir wieder spüren, dass sich ein Jahr dem Ende<br />
neigt und wir in Endphasen immer dazu neigen,<br />
zielgerichtet Resümee zu ziehen. Dann entscheiden<br />
wir, ob wir auf Kurs bleiben oder lieber die<br />
Kurve kriegen, bevor sich das neue Jahr mit dem<br />
alten kreuzt. Denn an jeder Kreuzung haben wir<br />
kurz die Wahl. Zumeist wählen wir den Weg zum<br />
nächsten Etappenziel, wo wir die nächste Insel<br />
wähnen.<br />
Glücklich ist, wer diese Insel erreicht, und feststellt,<br />
dass er vielleicht Umwege gegangen, aber<br />
sicherlich auf dem richtigen Weg geblieben ist,<br />
sich freigeschwommen hat. Im letzten Jahr habe<br />
ich mich zweimal wie im falschen Film gefühlt,<br />
beziehungsweise in der falschen Rolle. Dieses<br />
Gefühl hat mich von der Rolle gebracht, nicht<br />
aber weg von der Route. Auch wenn ich das<br />
erst später verstanden habe – genauer gesagt<br />
gerade eben: Als ich mich dazu entschloss, an<br />
den Schreibtisch zu gehen und eben nicht<br />
darüber zu schreiben, wohin ich 2014 will, oder<br />
wen. Sondern einen Text über Dankbarkeit. Für<br />
all die schönen Dinge,<br />
die im letzten Jahr passiert<br />
sind.<br />
Könnte ich Licht und<br />
Schatten gegeneinander<br />
aufwiegen, wähnte ich<br />
mich genau jetzt auf der<br />
Sonnenseite. Und die ist<br />
gerade inmitten des<br />
Winters wie eine Insel.<br />
Vielleicht die schönste,<br />
weil sie die viel beschriebene<br />
Insel der<br />
Glückseligkeit meint,<br />
die wir seltener erreichen<br />
als wir sie uns herbeiwünschen<br />
– aber immer<br />
dann, wenn wir uns<br />
nichts wünschen, sondern<br />
einfach glücklich<br />
mit dem sind, was wir<br />
haben. Hand aufs Herz:<br />
Wenn wir genauer darüber<br />
nachdenken, ist das<br />
meistens mehr als wir<br />
manchmal meinen.<br />
Heute ist ein weiterer Tag, um dankbar zu sein.<br />
Eigentlich sollten wir viel öfter dankbar sein.<br />
Gerade für die kleinen Dinge, die uns täglich<br />
wie Selbstverständlichkeiten erscheinen.<br />
Sind sie selbstverständlich selten.<br />
Sehr selten.<br />
Brad Shaw<br />
Magazin für Stadt und Landkreis <strong>Gießen</strong><br />
7. Jahrgang · 1/2014<br />
@<br />
<strong>Das</strong> <strong>war</strong> <strong>Gießen</strong> <strong>2013</strong>:<br />
Ein Quiz zum Abschied<br />
Werde Freund und erfahre, was<br />
in deiner Stadt passiert und<br />
was im Nachtleben angesagt ist!<br />
Rampenlicht Stadtgespräch<br />
Landschaftsarchitekt<br />
Geskes über die<br />
Landesgartenschau in<br />
<strong>Gießen</strong>. Seite 16<br />
Die Sch<strong>war</strong>ze Szene<br />
trifft sich regelmäßig<br />
zur »E-Porn-Party«<br />
im MuK. Seite 20<br />
1/2014 streifzug 9