Konjunktur aktuell 1/2013 - Institut für Wirtschaftsforschung Halle
Konjunktur aktuell 1/2013 - Institut für Wirtschaftsforschung Halle
Konjunktur aktuell 1/2013 - Institut für Wirtschaftsforschung Halle
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<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong><br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>Wirtschaftsforschung</strong><br />
<strong>Halle</strong><br />
Arbeitskreis <strong>Konjunktur</strong> des IWH<br />
<strong>Konjunktur</strong>elle Flaute zum<br />
Jahresende 2012 – aber auch<br />
Anzeichen <strong>für</strong> eine mäßige Brise<br />
im neuen Jahr<br />
Nach konjunktureller Flaute zum Jahresende 2012 könnte die<br />
Weltwirtschaft im Jahr <strong>2013</strong> wieder frischen Wind in den Segeln<br />
verspüren. Ein kräftiger Aufschwung bleibt jedoch aus. Im Euroraum<br />
dürfte die Produktion im Jahr <strong>2013</strong> um 0,2% zurückgehen, bevor sie im<br />
Jahr 2014 wieder moderat zulegt. In Deutschland wird die Wirtschaft<br />
nach einem Rückgang im Schlussquartal des Jahres 2012 wieder Fahrt<br />
aufnehmen; das Bruttoinlandsprodukt dürfte im Jahr <strong>2013</strong> um 0,7%<br />
zulegen und im Jahr 2014 um 1,5%.<br />
1/<strong>2013</strong><br />
31.01.<strong>2013</strong>, 1. Jahrgang
Inhaltsverzeichnis<br />
<strong>Konjunktur</strong>elle Flaute zum Jahresende 2012 – 3-32<br />
aber auch Anzeichen <strong>für</strong> eine mäßige Brise im neuen Jahr<br />
Arbeitskreis <strong>Konjunktur</strong> des IWH<br />
Nach konjunktureller Flaute zum Jahresende 2012 könnte die Weltwirtschaft im<br />
Jahr <strong>2013</strong> wieder frischen Wind in den Segeln verspüren. Ein kräftiger Aufschwung<br />
bleibt jedoch aus. Im Euroraum dürfte die Produktion im Jahr <strong>2013</strong> um 0,2%<br />
zurückgehen, bevor sie im Jahr 2014 wieder moderat zulegt. In Deutschland wird<br />
die Wirtschaft nach einem Rückgang im Schlussquartal des Jahres 2012 wieder<br />
Fahrt aufnehmen; das Bruttoinlandsprodukt dürfte im Jahr <strong>2013</strong> um 0,7% zulegen<br />
und im Jahr 2014 um 1,5%.<br />
Mittelfristige Projektion der wirtschaftlichen Entwicklung 33-37<br />
und der Staatsfinanzen in Deutschland<br />
Oliver Holtemöller, Katja Drechsel, Brigitte Loose, Götz Zeddies<br />
Unter Berücksichtigung der Prognose des IWH <strong>für</strong> die Jahre <strong>2013</strong> und 2014 ist<br />
zwischen 2011 und 2017 mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate des<br />
Bruttoinlandsproduktes von 1¼% pro Jahr zu rechnen. Zwar wird der nicht um<br />
die konjunkturelle Komponente bereinigte gesamtstaatliche Haushalt keine<br />
Defizite aufweisen. Ohne weitere Konsolidierungsbemühungen dürfte der Abbau<br />
des strukturellen Defizits jedoch nicht vollständig gelingen.<br />
Zur Wirtschaftspolitik: Haushaltsrisiken berücksichtigen, 38-46<br />
Lösung der Griechenlandkrise voranbringen<br />
Oliver Holtemöller, Martin Altemeyer-Bartscher, Tobias Knedlik,<br />
Axel Lindner, Götz Zeddies<br />
Der Ausgleich des gesamtstaatlichen Haushaltes in Deutschland im Jahr 2012<br />
unterlag Sonderfaktoren. Sowohl die günstige Verzinsung deutscher Staatsschuldtitel<br />
als auch die kalte Progression können allerdings keinen langfristigen Beitrag<br />
zur strukturellen Haushaltskonsolidierung und zur Erfüllung der Vorgaben aus der<br />
Schuldenbremse leisten. Die Wirtschaftspolitik ringt gegenwärtig um eine Lösung<br />
<strong>für</strong> die Probleme Griechenlands. Die privaten und öffentlichen Gläubiger<br />
Griechenlands müssen auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, sodass der<br />
Gesamtschuldenstand auf ein Maß sinkt, das eine dauerhaft nachhaltige<br />
Staatsfinanzierung ermöglicht. Zudem sollte die europäische Wirtschaftspolitik<br />
jetzt auch Maßnahmen zur <strong>Institut</strong>ionalisierung eines Verfahrens zum Umgang mit<br />
Staatsinsolvenzen in der Währungsunion angehen.<br />
IWH-Bauumfrage zum Jahresauftakt <strong>2013</strong>: 47-50<br />
Nach schwachem Produktionsverlauf im Jahr 2012<br />
wieder große Zuversicht im Hoch- und Ausbau<br />
Brigitte Loose<br />
Im Jahr 2012 hat die Bauproduktion in Ostdeutschland einen Rückschlag erlitten.<br />
Verantwortlich ist eine rückläufige Nachfrage im Wirtschaftsbau und im<br />
öffentlichen Bau. Die Ertragslage der Bauunternehmen stellt sich <strong>für</strong> das Jahr 2012<br />
alles in allem etwas ungünstiger dar als noch vor einem Jahr. Für das Jahr <strong>2013</strong><br />
ist die Stimmung unter den vom IWH befragten Unternehmen verhalten<br />
optimistisch. Es zeigt sich allerdings eine deutliche Spreizung zwischen den<br />
Sparten.<br />
2<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
IWH, <strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>, S. 3-32<br />
<strong>Konjunktur</strong>elle Flaute zum Jahresende 2012 – aber auch Anzeichen <strong>für</strong><br />
eine mäßige Brise im neuen Jahr ∗<br />
Arbeitskreis <strong>Konjunktur</strong> des IWH ∗∗<br />
Im Jahr 2012 war die konjunkturelle Dynamik fast Tabelle:<br />
überall in der Welt gering. Die Hauptursache da<strong>für</strong> Gesamtwirtschaftliche Eckdaten der Prognose des IWH<br />
liegt in den Konsolidierungsnotwendigkeiten, die im<br />
<strong>für</strong> Deutschland in den Jahren 2012 bis 2014<br />
Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise in vielen<br />
2012 <strong>2013</strong> 2014<br />
fortgeschrittenen Volkswirtschaften entstanden sind.<br />
reale Veränderung gegenüber<br />
Schon seit dem Spätherbst gibt es allerdings Hinweise<br />
dem Vorjahr in %<br />
darauf, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten im Lauf private Konsumausgaben 0,5 0,4 1,2<br />
des Jahres <strong>2013</strong> wieder stärker zunehmen könnten. Ein Staatskonsum 1,1 1,3 1,1<br />
kräftiger Aufschwung wird sich aber vorerst nicht einstellen,<br />
denn die Finanzpolitik wird vielerorts weiter-<br />
Bauten −0,8 2,0 2,2<br />
Anlageinvestitionen −2,4 0,3 3,6<br />
Ausrüstungen −5,5 −3,0 5,6<br />
hin restriktiv wirken.<br />
sonstige Anlagen 3,0 4,0 5,0<br />
In Deutschland hat die Auslandsnachfrage im September<br />
und Oktober 2012 an Schwung verloren, und Verwendung<br />
inländische<br />
−0,4 0,4 1,8<br />
Exporte 4,3 4,0 5,6<br />
die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe ist zuletzt Importe 2,3 3,7 6,6<br />
deutlich zurückgegangen. Auch die privaten Käufe und Bruttoinlandsprodukt 0,8 0,7 1,5<br />
der Wohnungsbau haben im Herbst geschwächelt. dar.: Ostdeutschland * −0,2 0,5 0,9<br />
Alles in allem dürfte die Produktion im vierten Quartal nachrichtlich:<br />
USA 2,2 1,7 2,7<br />
um 0,2% gesunken sein, sodass sich im Jahresdurchschnitt<br />
ein Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes (BIP)<br />
Veränderung gegenüber<br />
Euroraum −0,5 −0,2 1,1<br />
von 0,8% ergibt. Allerdings haben sich die Geschäftsaussichten<br />
dem Vorjahr in %<br />
und die Auftragseingänge in der Industrie Arbeitsvolumen, geleistet 0,4 −0,3 0,3<br />
Tariflöhne je Stunde 2,6 2,7 2,3<br />
wieder verbessert. Sofern die Eindämmung der Eurokrise<br />
gelingt, dürfte sich die konjunkturelle Lage wie-<br />
Lohnstückkosten a 2,6 1,8 1,5<br />
Effektivlöhne je Stunde 3,3 3,1 2,7<br />
der aufhellen und das BIP im Jahr <strong>2013</strong> um 0,7% und Verbraucherpreisindex 2,0 2,0 1,8<br />
im Jahr 2014 um 1,5% zunehmen. Die Beschäftigung<br />
in 1 000 Personen<br />
wird im Jahr <strong>2013</strong> in etwa stagnieren und erst im Jahr Erwerbstätige (Inland) 41 557 41 580 41 677<br />
dar.: Ostdeutschland * 5 825 5 825 5 828<br />
darauf mit 0,2% leicht steigen. Die Verbraucherpreisinflation<br />
verharrt im Jahr <strong>2013</strong> bei 2% und wird im dar.: Ostdeutschland * 679 664 650<br />
Arbeitslose b 2 900 3 009 3 007<br />
Jahr 2014 mit 1,8% etwas darunter liegen.<br />
in %<br />
Für das Jahr <strong>2013</strong> reicht das 66%-Prognoseintervall<br />
<strong>für</strong> die Wachstumsrate des BIP von −0,2% bis<br />
Arbeitslosenquote c 6,5 6,7 6,7<br />
dar.: Ostdeutschland * 10,4 10,2 10,0<br />
% in Relation zum nominalen<br />
1,6% und <strong>für</strong> das Jahr 2014 von −0,1% bis 3,2%. Die<br />
Bruttoinlandsprodukt<br />
wesentlichen Risiken gehen von der Fiskalklippe in den Finanzierungssaldo<br />
0,0 −0,3 −0,1<br />
USA und der andauernden Krise in einigen Ländern des des Staates<br />
Euroraums aus.<br />
Nach einem nahezu ausgeglichenen Haushalt im<br />
a Berechnungen des IWH auf Stundenbasis. – b Nationale Definition. –<br />
c<br />
Arbeitslose in % der Erwerbspersonen (Inland). – * Ohne Berlin.<br />
Jahr 2012 wird sich der Finanzierungssaldo des Quellen: Statistisches Bundesamt; Eurostat; Bureau of Economic<br />
Staates im Jahr <strong>2013</strong> wieder leicht verschlechtern;<br />
Analysis; Prognose des IWH (Stand: 13.12.2012).<br />
das Finanzierungsdefizit beläuft sich auf 0,3% in<br />
Relation zum nominalen BIP. Im Jahr 2014 dürfte sich der negative Finanzierungssaldo etwas verringern.<br />
Ansprechpartner:<br />
JEL-Klassifikation:<br />
Schlagwörter:<br />
Oliver Holtemöller (Oliver.Holtemoeller@iwh-halle.de)<br />
E17, E27, E37, E50, E60<br />
<strong>Konjunktur</strong>, Prognose, öffentliche Finanzen, Weltwirtschaft, Deutschland, Arbeitsmarkt<br />
∗ Dieser Beitrag wurde bereits als IWH-Pressemitteilung 43/2012 am 13. Dezember 2012 veröffentlicht. Aktuellere Daten des<br />
Statistischen Bundesamtes weisen <strong>für</strong> das Jahr 2012 eine Zunahme des Bruttoinlandsproduktes in Deutschland um 0,7% aus. Das<br />
vierte Quartal 2012 dürfte somit geringfügig schwächer ausgefallen sein als in der Prognose vom Dezember unterstellt. Die<br />
Prognose <strong>für</strong> die Jahre <strong>2013</strong> und 2014 bleibt davon jedoch unberührt.<br />
∗∗ Oliver Holtemöller, Hans-Ulrich Brautzsch, Katja Drechsel, Sebastian Giesen, Martina Kämpfe, Tobias Knedlik, Axel Lindner,<br />
Brigitte Loose, Jan-Christopher Scherer, Birgit Schultz, Götz Zeddies.<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 3
Internationale <strong>Konjunktur</strong><br />
Leichte Belebung der Weltkonjunktur im Jahr<br />
<strong>2013</strong><br />
Im abgelaufenen Jahr 2012 war fast überall in der<br />
Welt die Dynamik von Produktion und Nachfrage<br />
gering. Im Euroraum sinkt die Produktion seit Ende<br />
des Jahres 2011, und die Wirtschaft Großbritanniens<br />
hat im Jahr 2012 wohl nicht mehr als stagniert. In<br />
den USA hat das Warten auf die zur Jahreswende<br />
zu fällenden finanzpolitischen Entscheidungen die<br />
zwischenzeitlich kräftigere <strong>Konjunktur</strong> am Ende<br />
des Jahres wieder gedämpft. In Japan kühlte sich<br />
die <strong>Konjunktur</strong> schon seit dem Frühjahr immer<br />
mehr ab. In den großen Schwellenländern, zumal<br />
in China, aber auch in Indien und Brasilien, hatte<br />
sich das Expansionstempo schon im Lauf des Jahres<br />
2011 verlangsamt. Besonders schwach ist die Dynamik<br />
des Welthandels; er hat im Jahr 2012 wohl<br />
nur um etwa 2½% zugenommen und dürfte auch<br />
im Herbst kaum Fahrt aufgenommen haben.<br />
Zuletzt sind aber die Chancen <strong>für</strong> eine leichte<br />
Belebung der Weltkonjunktur gestiegen. Schon seit<br />
dem Spätherbst gibt es Hinweise darauf, dass die<br />
wirtschaftlichen Aktivitäten im Lauf des Jahres<br />
<strong>2013</strong> wieder stärker zunehmen könnten. In wichtigen<br />
Schwellenländern, allen voran China, deuten Umfragen<br />
darauf hin, dass sich das wirtschaftliche<br />
Vertrauen der Unternehmen im Herbst wieder gefestigt<br />
hat.<br />
Moderates Anziehen der <strong>Konjunktur</strong> in den<br />
Schwellenländern<br />
Die Unternehmen in China haben gute Gründe da<strong>für</strong>,<br />
<strong>für</strong> das Jahr <strong>2013</strong> mit einer etwas kräftigeren<br />
<strong>Konjunktur</strong> in ihrem Land zu rechnen. Zwar ist die<br />
Auslandsnachfrage weiterhin schwach, die Belastung<br />
der Exportindustrien vonseiten einer wechselkursbedingten<br />
Minderung der Wettbewerbsfähigkeit<br />
läuft aber aus, denn der real effektive Wechselkurs<br />
des Renminbi, der Ende 2011 um 10% aufgewertet<br />
hatte, ist seither in etwa konstant. Auch der Abschwung<br />
im Immobiliensektor dürfte langsam auslaufen;<br />
darauf deutet hin, dass sich der Rückgang<br />
der Häuserpreise im Herbst (gemessen am amtlichen<br />
Häuserpreisindex <strong>für</strong> ganz China) deutlich verlangsamt<br />
hat. Schließlich ist damit zu rechnen, dass die<br />
wirtschaftspolitischen Stimulierungsmaßnahmen anschlagen<br />
werden: So sind Infrastrukturprojekte zuletzt<br />
verstärkt in Angriff genommen worden, und<br />
die Geldpolitik hat die Bedingungen <strong>für</strong> die Kreditvergabe<br />
gelockert. Freilich darf auch kein kräftiger<br />
Aufschwung erwartet werden, denn freie Kapazitäten,<br />
die zur Befriedigung einer steigenden Nachfrage<br />
rasch mobilisiert werden könnten, sind zurzeit<br />
wohl nicht in großem Umfang vorhanden. Die<br />
Wachstumsdynamik hat sich in den vergangenen<br />
Jahren verringert, nicht zuletzt, weil die Spielräume<br />
<strong>für</strong> Produktivitätsgewinne in einer immer entwickelteren<br />
Volkswirtschaft enger werden. Die chinesische<br />
Wirtschaft dürfte im Jahr <strong>2013</strong> mit 8½% expandieren.<br />
Auch in vielen anderen Schwellenländern verfügt<br />
die Wirtschaftspolitik über Instrumente, die sie<br />
zur Glättung der wirtschaftlichen Aktivität wirksam<br />
einsetzen kann. So haben deutliche Zinssenkungen<br />
dazu beigetragen, dass der Abschwung der brasilianischen<br />
Wirtschaft im zweiten Halbjahr 2012 zum<br />
Stehen gekommen ist. Allerdings wird die <strong>Konjunktur</strong><br />
in den Schwellenländern auch im Jahr <strong>2013</strong> von<br />
der schwachen Nachfrage aus den fortgeschrittenen<br />
Volkswirtschaften und einem trägen Welthandel<br />
gedämpft; das gilt insbesondere <strong>für</strong> die kleineren<br />
und sehr exportabhängigen ostasiatischen Volkswirtschaften.<br />
Fortgeschrittene Volkswirtschaften im Bann der<br />
Konsolidierungszwänge<br />
Die Hauptursache <strong>für</strong> die gegenwärtige Schwäche<br />
der Weltwirtschaft liegt in den Konsolidierungszwängen,<br />
wie sie im Gefolge der Finanz- und<br />
Wirtschaftskrise in den meisten fortgeschrittenen<br />
Volkswirtschaften entstanden sind. Sie haben sich<br />
von den privaten Haushalten und Unternehmen<br />
mehr und mehr zu den öffentlichen Haushalten<br />
verlagert, denn die durch die Krise ausgelösten hohen<br />
Defizite sind nicht lange tragbar. Die Finanzmärkte<br />
haben besonders drastische Konsolidierungskurse<br />
in den südeuropäischen Krisenländern des<br />
Euroraums erzwungen. Dort stecken die Volkswirtschaften<br />
in tiefen und anhaltenden Rezessionen, in<br />
Spanien und Italien seit Mitte 2011. Weil eine denkbare<br />
Staatsinsolvenz oder ein Austritt aus der Währungsunion<br />
die einheimischen Banken erheblich<br />
treffen würden, ist deren Refinanzierung über private<br />
Kapitalmärkte seit Mitte 2011 außerordentlich<br />
schwierig. Die Finanzierungsprobleme wandern von<br />
den Banken zu ihren Kunden, den privaten Haushalten<br />
und Unternehmen in den Krisenländern.<br />
Eine systemische Bankenkrise hat sich im Jahr<br />
2012 nur deshalb nicht eingestellt, weil das Eurosystem<br />
einen Großteil des Kapitalbedarfs der Finanzinstitute<br />
in den Krisenländern über die langfristige<br />
4<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
und unbegrenzte Bereitstellung von Liquidität und<br />
damit über eine Aufblähung der Geldbasis gedeckt<br />
hat. Die Notenbanken der USA, Großbritanniens<br />
und Japans versuchen schon seit dem Jahr 2009 der<br />
Wirtschaft über Geldmengenexpansion Impulse zu<br />
geben, nachdem Leitzinssenkungen an der Nullzinsschranke<br />
ihr natürliches Ende gefunden haben.<br />
Auch die Ankündigung der EZB vom September,<br />
den Marktwert von Staatstiteln der Krisenstaaten<br />
notfalls und unter bestimmten Bedingungen durch<br />
Käufe (OMT-Geschäfte) zu stützen, ist aus internationaler<br />
Perspektive nichts Neues: Die Notenbanken<br />
der USA, Großbritanniens und Japans sind<br />
schon lange wichtige Käufer der Schuldtitel ihrer<br />
Regierungen. Die sehr expansive Geldpolitik stützt<br />
die von Konsolidierungsdruck schwer belasteten<br />
fortgeschrittenen Volkswirtschaften.<br />
Geringe Zunahme der weltwirtschaftlichen<br />
Dynamik im Jahr <strong>2013</strong><br />
Anzeichen da<strong>für</strong>, dass die expansive Geldpolitik in<br />
den fortgeschrittenen Volkswirtschaften kurzfristig<br />
Inflation auslösen könnte, fehlen gegenwärtig. Die<br />
Produktionskapazitäten sind unterausgelastet, und<br />
die Inflationserwartungen bleiben vorerst verankert;<br />
die Renditen von als sicher geltenden langfristigen<br />
Staatstiteln waren (mit deutlich unter 2% <strong>für</strong> USamerikanische<br />
oder deutsche zehnjährige Bonds)<br />
nie niedriger. Auch ist es auf den Rohstoffmärkten<br />
im Jahr 2012 zu keinen Blasenbildungen gekommen;<br />
die Preise sind vielmehr leicht rückläufig –<br />
was Erdöl und Nahrungsmittel betrifft, freilich auf<br />
weiterhin hohem Niveau.<br />
Was die Finanzpolitik betrifft, wird in der vorliegenden<br />
Prognose unterstellt, dass es der Politik<br />
in den USA zur Jahreswende gelingt, einen Kompromiss<br />
über die Verlängerung einiger in den Jahren<br />
zuvor verabschiedeter expansiver Maßnahmen<br />
zu finden, sodass ein drastischer Konsolidierungsschock<br />
(Fiskalklippe) zu Beginn des Jahres <strong>2013</strong><br />
ausbleibt. Trotzdem wird die Finanzpolitik in den<br />
USA aber noch einmal restriktiver ausgerichtet sein<br />
als im Jahr 2012. Deshalb wird die konjunkturelle<br />
Dynamik in den USA trotz der deutlichen Erholung<br />
des Immobiliensektors verhalten bleiben. Auch<br />
in Großbritannien und in Japan nimmt der Restriktionsgrad<br />
der Finanzpolitik zu, im Euroraum fällt<br />
er allerdings geringer aus als im Jahr 2012. Dort<br />
dürfte die <strong>Konjunktur</strong> auch nach und nach von der<br />
Stabilisierung der Erwartungen durch die Selbstverpflichtung<br />
der EZB, „im Notfall“ den Krisenstaaten<br />
beizustehen, profitieren. Die Euroraum-Rezession<br />
dürfte im Sommer <strong>2013</strong> zu Ende gehen; ein Aufschwung<br />
findet aber auch danach nicht statt. Immerhin<br />
stützt die leichte Belebung der Wirtschaft<br />
in den Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas<br />
die <strong>Konjunktur</strong> in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften.<br />
Die Weltproduktion expandiert nach<br />
vorliegender Prognose im Jahr 2012 um 2,2%, im<br />
Jahr <strong>2013</strong> um 2,4% und im Jahr 2014 mit gut 3%. 1<br />
(vgl. Kasten 1).<br />
Kasten 1:<br />
Weltwirtschaftliche Annahmen <strong>für</strong> die Prognose<br />
Der Prognose liegen folgende Annahmen zugrunde:<br />
− Der US-Dollar-Kurs des Euro liegt in den Jahren<br />
2012 und <strong>2013</strong> bei 1,29.<br />
− Die Europäische Zentralbank senkt den maßgeblichen<br />
Leitzins Anfang <strong>2013</strong> um einen viertel Prozentpunkt<br />
auf 0,5% und belässt ihn auf diesem<br />
Niveau bis zum Frühjahr 2014. Danach hebt sie<br />
den Leitzins schrittweise an. Ende 2014 liegt er<br />
bei 1,25%.<br />
− Der Welthandel steigt im Jahr 2012 um 2½%, im<br />
Jahr <strong>2013</strong> um 4% und im Jahr 2014 um 6%.<br />
− Der Ölpreis (Sorte Brent) liegt im vierten Quartal<br />
2012 bei 110 US-Dollar, im Durchschnitt des<br />
Jahres <strong>2013</strong> bei 111,5 Dollar und im Durchschnitt<br />
des Jahres 2014 bei 113,5 Dollar.<br />
Zu den Risiken<br />
Trotz Eurokrise und Fiskalklippe in den USA<br />
scheinen die Finanzinvestoren die ökonomischen<br />
Risiken gegenwärtig vergleichsweise niedrig zu<br />
beurteilen. Viel beachtete Maße <strong>für</strong> die Unsicherheit<br />
über die künftige Entwicklung an den Aktienmärkten<br />
sind die Risikoindizes VIX (<strong>für</strong> die USA)<br />
und VSTOXX (<strong>für</strong> den Euroraum), die basierend<br />
auf Optionspreisen die erwartete Volatilität der<br />
Kurse widerspiegeln. Beide Indizes waren zu keiner<br />
1 Die Rate bezieht sich auf den auch von der Projektgruppe<br />
Gemeinschaftsdiagnose betrachteten Länderkreis, wobei<br />
die Zuwachsraten mit dem nominalen Bruttoinlandsprodukt<br />
des Jahres 2011 in US-Dollar gewichtet wurden. Sie ist<br />
nicht unmittelbar vergleichbar mit anderen Angaben <strong>für</strong> die<br />
Expansion der Weltwirtschaft, beispielsweise denen des<br />
Internationalen Währungsfonds (IWF), die Kaufkraftparitäten<br />
bei der Gewichtung zugrunde legen und auch hier<br />
nicht berücksichtigte Länder einschließen. Vgl. etwa Projektgruppe<br />
Gemeinschaftsdiagnose: Eurokrise dämpft <strong>Konjunktur</strong><br />
– Stabilitätsrisiken bleiben hoch, Herbst 2012. Kiel<br />
2012, 9.<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 5
Kasten 2:<br />
Mögliche Auswirkungen der fiskalischen Klippe auf die deutsche <strong>Konjunktur</strong><br />
Der Wirtschaft der USA droht im Jahr <strong>2013</strong> ein dämpfender Impuls von knapp vier Prozentpunkten relativ zum<br />
Bruttoinlandsprodukt, falls entsprechend der derzeitigen Gesetzeslage die in den Jahren zuvor beschlossenen expansiven<br />
Maßnahmen auslaufen. Der in der vorliegenden Prognose unterstellte Impuls von minus zwei Prozentpunkten<br />
entspricht der gegenwärtig verbreiteten Erwartung, dass es zur Jahreswende zu einer Verständigung<br />
zwischen dem Präsidenten und dem Kongress über die Verlängerung eines Teils der Maßnahmen kommen wird.<br />
Alternativ zu diesem Basisszenario werden in diesem Kasten sowohl die Effekte eines vollständigen Aufschubs<br />
als auch eines vollständigen Umsetzens der restriktiven fiskalischen Maßnahmen analysiert. Dabei wird der<br />
Fokus nicht nur auf die konjunkturellen Auswirkungen in den USA gelegt, sondern auch die jeweilige Bedeutung<br />
<strong>für</strong> die deutsche <strong>Konjunktur</strong> eingehender untersucht. a<br />
Die Prognosen <strong>für</strong> diese „Risikoszenarien“ werden aus einem makroökonometrischen Modell <strong>für</strong> die internationale<br />
<strong>Konjunktur</strong> gewonnen. Das Modell hat in der kurzen Frist einen neukeynesianischen Charakter und einen<br />
neoklassischen Wachstumskern. Es basiert auf dem am IWH entwickelten <strong>Halle</strong> Economic Projection Model b ,<br />
das <strong>für</strong> den hiesigen Einsatzzweck in einer Reduzierte-Form-Variante mit klassischen ökonometrischen Methoden<br />
geschätzt worden ist. In dem Modell sind die Länder Brasilien, Deutschland, Frankreich, Indien, Italien, Japan,<br />
Polen, Spanien und die USA enthalten. Damit werden etwa 50% des Welt-Bruttoinlandsproduktes abgebildet.<br />
Somit werden nicht nur direkte Effekte eines restriktiven fiskalischen Schocks in den USA auf die deutschen<br />
Exporte, sondern auch indirekte, über dritte Länder laufende Effekte abgebildet.<br />
Für die beiden Risikoszenarien wird jeweils ein Impuls von null bzw. von vier Prozentpunkten relativ zum<br />
Bruttoinlandsprodukt der USA unterstellt. In Deutschland ist dagegen die Finanzpolitik im Jahr <strong>2013</strong> in allen<br />
drei Szenarien annähernd neutral ausgerichtet. c<br />
Sollte im Jahr <strong>2013</strong> kein restriktiver fiskalischer Impuls die amerikanische Wirtschaft belasten (die expansiven<br />
Maßnahmen werden also vollständig verlängert), so wird das BIP in den USA nach dem Modell um 2,2% zulegen<br />
(vgl. Tabelle 1). Die Arbeitslosenquote würde dementsprechend um 0,2 Prozentpunkte geringer ausfallen<br />
Tabelle 1:<br />
Simulationsergebnisse des internationalen makroökonometrischen Modells<br />
<strong>für</strong> die <strong>Konjunktur</strong> in den USA und in Deutschland im Jahr <strong>2013</strong><br />
- Veränderungsraten gegenüber Vorjahr in % bzw. Arbeitslosenquote in % (standardisiert,<br />
ILO-Konzept) -<br />
expansive fiskalische<br />
Maßnahmen werden<br />
vollständig verlängert<br />
Basisszenario<br />
expansive fiskalische<br />
Maßnahmen werden<br />
hälftig verlängert<br />
expansive fiskalische<br />
Maßnahmen werden<br />
nicht verlängert<br />
USA<br />
Bruttoinlandsprodukt 2,2 1,7 1,1<br />
Industrieproduktion 2,6 1,9 1,2<br />
Verbraucherpreise 2,1 2,0 1,8<br />
Arbeitslosenquote 8,0 8,2 8,5<br />
Deutschland<br />
Bruttoinlandsprodukt * 1,1 0,8 0,6<br />
Industrieproduktion 2,2 1,7 1,3<br />
Verbraucherpreise 1,8 1,8 1,7<br />
Arbeitslosenquote 5,1 5,2 5,2<br />
* Ohne Arbeitstageeffekt.<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Bureau of Economic Analysis; Bureau of Labor<br />
Statistics; Eurostat; Prognosen des IWH.<br />
und die Verbraucherpreise etwas<br />
stärker anziehen (auf 2,1%). Von<br />
der stärkeren Dynamik in den<br />
USA würde auch die deutsche<br />
Wirtschaft profitieren und um ca.<br />
0,3 Prozentpunkte stärker zulegen<br />
als im Basisszenario. Der Effekt<br />
auf die hiesigen Verbraucherpreise<br />
und auf die Arbeitslosenquote<br />
ist eher klein.<br />
Sollten die expansiven fiskalischen<br />
Maßnahmen hingegen vollständig<br />
auslaufen – und somit<br />
ein restriktiver fiskalischer Impuls<br />
in Höhe von vier Prozentpunkten<br />
die US Wirtschaft erschüttern, so<br />
würde sich <strong>für</strong> das Jahr <strong>2013</strong> eine<br />
jährliche Wachstumsrate des US-<br />
Bruttoinlandsprodukts von 1,1%<br />
ergeben. Dementsprechend würde<br />
sich auch der US-amerikanische<br />
Arbeitsmarkt nicht erholen<br />
und es wäre eine höhere Arbeitslosenquote<br />
(8,5%) zu erwarten.<br />
Durch die stärkere Unterauslastung der amerikanischen Wirtschaft würde dann auch der Inflationsdruck nachlassen,<br />
sodass die Verbraucherpreise nur noch um 1,8% steigen würden. Die schwächere Dynamik in den USA<br />
hätte dann auch negative Konsequenzen <strong>für</strong> die deutsche Wirtschaft, welche nur noch um 0,6% im Jahr <strong>2013</strong><br />
expandieren würde.<br />
a Siehe hierzu auch: Gutachten des Sachverständigenrats vom November 2012. – b Siehe hierzu Giesen, S.; Holtemöller, O.; Scharff, J.;<br />
Scheufele, R.: The <strong>Halle</strong> Economic Projection Model, in: Economic Modelling, Vol. 29 (4), 2012, 1461-1472. – c Die Simulationsergebnisse<br />
des makroökonometrischen Modells unterscheiden sich in einzelnen Größen leicht von der Prognose im Text.<br />
6<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
Zeit nach Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise<br />
2008 niedriger (vgl. Abbildung 1). Am Jahr<br />
2008 zeigt sich aber auch, wie abrupt solche Einschätzungen<br />
revidiert werden können. Mit einer<br />
solchen Revision wäre <strong>für</strong> die nächsten Wochen zu<br />
rechnen, wenn es in den USA wider Erwarten nicht<br />
zu einem politischen Kompromiss über die Verlängerung<br />
einiger expansiver Maßnahmen der Finanzpolitik<br />
käme. Die dann automatisch in Kraft tretenden<br />
umfangreichen einnahmesteigernden und<br />
ausgabensenkenden Gesetzesänderungen würden<br />
die US-Wirtschaft wohl wieder in den Abschwung<br />
treiben und auch die Weltkonjunktur deutlich<br />
dämpfen (vgl. Kasten 2). Ein ebenfalls politisches<br />
Risiko <strong>für</strong> die vorliegende Prognose geht von der<br />
angespannten Sicherheitslage im Nahen und Mittleren<br />
Osten aus. Der Ausbruch größerer militärischer<br />
Konflikte würde den ohnehin schon recht<br />
hohen Ölpreis abrupt steigen lassen und die gesamtwirtschaftliche<br />
Nachfrage in den Verbraucherländern<br />
deutlich dämpfen.<br />
Abbildung 1:<br />
Maße <strong>für</strong> die implizite Volatilität auf den Aktienmärkten<br />
in den USA und im Euroraum<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012<br />
VIX<br />
VSTOXX<br />
IWH<br />
Quellen: Chicago Board Options Exchange; STOXX; Datastream;<br />
Darstellung des IWH.<br />
Der wichtigste Risikofaktor <strong>für</strong> die Weltkonjunktur<br />
bleibt die Schulden- und Vertrauenskrise<br />
im Euroraum und insbesondere die Möglichkeit,<br />
dass es auch im Verlauf des Jahres <strong>2013</strong> nicht zu<br />
der hier prognostizierten Stabilisierung der Nachfrage<br />
in den südeuropäischen Krisenländern kommt.<br />
Die Prognose einer allmählichen Besserung der<br />
<strong>Konjunktur</strong> vor allem in Spanien und Italien leitet<br />
sich zum einen aus dem etwas geringeren Restriktionsgrad<br />
der Finanzpolitik in den Ländern her.<br />
Dies allein dürfte aber <strong>für</strong> eine Wende nicht ausreichen.<br />
Zum anderen geht die vorliegende Prognose<br />
davon aus, dass die durch die Maßnahmen<br />
der EZB bewirkte Stabilisierung des Finanzsektors<br />
in Südeuropa anhält; dazu dürfte auch die Rekapitalisierung<br />
spanischer Banken durch den Europäischen<br />
Rettungsfonds beitragen. Dies sollte im<br />
Jahr <strong>2013</strong> die Finanzierungsbedingungen auch der<br />
privaten Haushalte und nichtfinanziellen Unternehmen<br />
allmählich verbessern. Tatsächlich hat die Ankündigung<br />
der EZB, die Bewertung von Staatstiteln<br />
notfalls mit definitiven Offenmarkt-Geschäften zu<br />
stützen, die Renditen gegenüber ihren Höchstwerten<br />
vom Sommer um etwa eineinhalb Prozentpunkte<br />
fallen lassen. Die Risikozuschläge <strong>für</strong> südeuropäische<br />
Banktitel sind zwar immer noch hoch, aber ebenfalls<br />
deutlich gesunken. Vor allem scheint die Flucht<br />
ausländischer Investoren (etwa US-amerikanischer<br />
Geldmarktfonds) aus Anlagen bei spanischen und<br />
italienischen Finanzinstituten erst einmal gestoppt.<br />
Das Eurosystem hat seit Mai keine Löcher bei der<br />
Finanzierung des italienischen Bankensektors mehr<br />
zu stopfen, im September und im Oktober galt das<br />
auch <strong>für</strong> Spanien (vgl. Abbildung 2). Die Erwartungen<br />
auf den Finanzmärkten können sich aber<br />
rasch wieder eintrüben, denn Häuserpreise und<br />
Kreditvolumina werden in Südeuropa auch im Jahr<br />
<strong>2013</strong> weiter nachgeben, und die sozialen Belastungen<br />
des Reform- und Konsolidierungsprozesses<br />
Abbildung 2:<br />
Saldo der Vermögenspositionen nationaler Zentralbanken<br />
von Euroraum-Krisenstaaten gegenüber dem<br />
Eurosystem<br />
- in Mrd. Euro -<br />
100<br />
0<br />
-100<br />
-200<br />
-300<br />
-400<br />
-500<br />
01 04 07 10 01 04 07 10 01 04 07 10 01 04 07 10 01 04 07 10<br />
2008 2009 2010 2011 2012<br />
Irland Griechenland Spanien Italien Portugal<br />
IWH<br />
Quellen: <strong>Institut</strong>e of Empirical Economic Research (Universität<br />
Osnabrück); Darstellung des IWH.<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 7
werden zunächst noch weiter zunehmen. Ein deutlicher<br />
Wiederanstieg der Kapitalflucht aus Spanien<br />
und Italien hätte wohl negative Auswirkungen auf<br />
die Finanzierungsbedingungen in den betroffenen<br />
Ländern. Er wäre auch nur durch die Bereitstellung<br />
von Zentralbankgeld durch das Eurosystem zu finanzieren.<br />
Würde die Finanzierung eine ähnliche<br />
Dimension wie im Jahr 2012 erreichen, 2 wäre<br />
wohl das Vertrauen nicht nur in die regionalen<br />
Reformprozesse, sondern in die Stabilität der<br />
Währungsunion insgesamt gefährdet.<br />
Trotz fiskalischer Klippe Fortsetzung des<br />
verhaltenen Produktionsanstiegs in den USA<br />
Nach recht kräftigen Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts<br />
in den ersten drei Quartalen des<br />
Jahres 2012 dürfte die US-<strong>Konjunktur</strong> im letzten<br />
Quartal wieder deutlich an Dynamik verloren haben.<br />
In der Jahresbetrachtung bleibt mit einem Produktionszuwachs<br />
von 2,2% dennoch eine wirtschaftliche<br />
Erholung (vgl. Tabelle 2). Auch die Arbeitslosenquote<br />
ist erkennbar zurückgegangen. Die Produktionskapazitäten<br />
sind aber nach wie vor unterausgelastet;<br />
inflationärer Druck ist gegenwärtig<br />
nicht zu erkennen, und die Verbraucherpreise sind<br />
weiterhin stabil. Positiv entwickelte sich auch der<br />
Immobilienmarkt. Hier zeigen steigende Häuserpreise<br />
und höhere Ausgaben <strong>für</strong> Bauvorhaben eine<br />
robuste Erholung an.<br />
Für den weiteren Verlauf der <strong>Konjunktur</strong> kommt<br />
der Finanzpolitik eine entscheidende Bedeutung<br />
zu. Sollten sich die Parteien im Kongress nicht bis<br />
Jahresende auf einen Kompromiss verständigen,<br />
werden am 1. Januar <strong>2013</strong> automatisch Steuererhöhungen<br />
und Kürzungen der Staatsausgaben in<br />
Höhe von bis zu 600 Mrd. US-Dollar in Kraft treten.<br />
Dieser restriktive fiskalische Impuls wird als<br />
fiscal cliff bezeichnet und entspricht ca. 4% des<br />
Bruttoinlandsprodukts. Bereits im Jahr 2012 hat<br />
sich die Unsicherheit bezüglich der Höhe der fiskalischen<br />
Kontraktion wohl negativ auf Investitionen<br />
und Beschäftigung ausgewirkt. Sollte keine<br />
Einigung erzielt werden, so wird die Produktion im<br />
ersten Quartal des Jahres <strong>2013</strong> schrumpfen. Die beteiligten<br />
Parteien dürften sich jedoch auf eine<br />
Verminderung der Kürzungen einigen, sodass ein<br />
2 In den ersten drei Quartalen stiegen die Verbindlichkeiten<br />
der Zentralbanken Spaniens und Italiens gegenüber dem<br />
Eurosystem um 315 Mrd. Euro, das sind, relativ zu dem in<br />
diesem Zeitraum erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukt des<br />
Euroraums, deutlich mehr als 4%.<br />
scharfer Einbruch der <strong>Konjunktur</strong> vermieden wird.<br />
Trotz der über die nächsten Jahre angestrebten Defizitreduzierung<br />
und den damit verbundenen negativen<br />
fiskalischen Impulsen dürfte sich die <strong>Konjunktur</strong><br />
ab dem zweiten Quartal wieder erholen.<br />
Insbesondere wird der Abbau der Unsicherheit im<br />
Zuge einer politischen Einigung aufgeschobene<br />
Investitionen anregen und so die Wirtschaft stimulieren.<br />
Tabelle 2:<br />
Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in den USA<br />
2012 <strong>2013</strong> 2014<br />
Veränderung gegenüber dem<br />
Vorjahr in %<br />
reales Bruttoinlandsprodukt 2,2 1,7 2,7<br />
privater Konsum 1,8 1,9 2,8<br />
Staatskonsum und<br />
-investitionen<br />
−1,4 −1,6 −1,2<br />
private Bruttoanlageinvestitionen<br />
8,1 4,6 7,3<br />
inländische Verwendung 2,2 1,6 2,8<br />
Exporte 3,6 4,2 6,2<br />
Importe 2,9 3,2 6,3<br />
Außenbeitrag a 0,0 0,1 −0,1<br />
Verbraucherpreise 2,1 2,2 2,4<br />
% in Relation zum nominalen<br />
Bruttoinlandsprodukt<br />
Budgetsaldo b −7,8 −4,9 −4,0<br />
Leistungsbilanzsaldo −3,2 −3,0 −3,0<br />
in % der Erwerbspersonen<br />
Arbeitslosenquote 8,2 8,0 7,6<br />
a Wachstumsbeitrag. – b Bundesstaat, Fiskaljahr.<br />
Quellen: Bureau of Economic Analysis; Prognose des IWH.<br />
Die Verbraucherpreisinflation ist im Verlauf des<br />
Jahres 2012 um rund einen Prozentpunkt auf etwa<br />
2% im Herbst gesunken. Inflationsgefahren zeichnen<br />
sich <strong>für</strong> die nächste Zeit nicht ab. Die US-Notenbank<br />
hat im Dezember 2012 angekündigt, dass sie<br />
den Leitzins so lange nahe null halten wird, wie ihre<br />
Inflationsprognose nicht höher als einen halben Prozentpunkt<br />
über ihrem langfristigen Inflationsziel von<br />
2% liegt, die längerfristigen Inflationserwartungen<br />
fest verankert bleiben, und die Arbeitslosenquote höher<br />
als 6,5% ist. Darüber hinaus will sie das so genannte<br />
Quantitative Easing III, also die dritte Runde<br />
des Ankaufs von Vermögenstiteln, im Jahr <strong>2013</strong><br />
mittels zusätzlicher Ankäufe von US-Staatstiteln mit<br />
längerer Fristigkeit noch ausweiten.<br />
Die robuste Expansion des privaten Konsums<br />
wird wohl weiterhin eine Stütze der vorsichtigen<br />
wirtschaftlichen Erholung im Jahr <strong>2013</strong> sein. Auch<br />
8<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
die Nachfrage nach Investitionsgütern dürfte nach<br />
Auflösung der Unsicherheit über den finanzpolitischen<br />
Kurs wieder auf ihren Expansionspfad zurückkehren.<br />
Investitionen werden auch deshalb an<br />
Attraktivität gewinnen, weil die Exporte von der<br />
leichten wirtschaftlichen Erholung in wichtigen<br />
Absatzländern profitieren werden.<br />
Insgesamt dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt<br />
<strong>2013</strong> um 1,7% zunehmen, nach 2,2% im Jahr 2012<br />
(vgl. Abbildung 3). Entsprechend dem nur mäßigen<br />
Anstieg der Produktion dürfte die Arbeitslosenquote<br />
mit 8,0% im Schnitt des Jahres <strong>2013</strong> etwa so<br />
hoch sein wie Ende 2012. Da die Produktionskapazitäten<br />
weiterhin nicht voll ausgelastet sind, liegt<br />
die Teuerungsrate nahezu unverändert bei 2,2%.<br />
Im Jahr 2014 wird aufgrund des Wiederanziehens<br />
der <strong>Konjunktur</strong> ab dem Sommer <strong>2013</strong> die Zuwachsrate<br />
des Bruttoinlandsprodukts bei 2,7% liegen.<br />
Dadurch sinkt die Arbeitslosenquote auf 7,6%, und<br />
die Inflation steigt tendenziell leicht an. Bis zum<br />
Ende des Prognosezeitraums wird der Aufschwung<br />
allerdings von der restriktiven Finanzpolitik gedämpft.<br />
Abbildung 3:<br />
Reales Bruttoinlandsprodukt in den USA<br />
- saisonbereinigter Verlauf -<br />
Index<br />
112<br />
110<br />
108<br />
106<br />
104<br />
102<br />
100<br />
98<br />
-3,1<br />
2,4<br />
1,8<br />
I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III<br />
2009 2010 2011 2012 <strong>2013</strong><br />
IWH<br />
1 Zahlenangaben: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.<br />
Quellen: Bureau of Economic Analysis; Berechnungen und<br />
Darstellung des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose<br />
des IWH.<br />
2,2<br />
Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)<br />
1. Quartal 2009 = 100 (linke Skala)<br />
Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)<br />
1,7<br />
IV<br />
%<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0,0<br />
-0,5<br />
-1,0<br />
-1,5<br />
-2,0<br />
Europäische Union<br />
Rezession treibt Anpassungsprozesse im Euroraum<br />
voran<br />
Im Euroraum schrumpft die gesamtwirtschaftliche<br />
Produktion nun schon seit einem Jahr. Im dritten<br />
Quartal 2012 fiel der Rückgang mit knapp 0,1%<br />
allerdings geringer aus als vielfach be<strong>für</strong>chtet (vgl.<br />
Abbildung 4). Das Bruttoinlandsprodukt in den<br />
großen Krisenländern Spanien und Italien ging langsamer<br />
zurück als zuvor (um 0,3% bzw. 0,2%), und<br />
in Frankreich legte es sogar leicht zu (um 0,2%).<br />
Abbildung 4:<br />
Reales Bruttoinlandsprodukt im Euroraum<br />
- saisonbereinigter Verlauf -<br />
Index<br />
106<br />
105<br />
104<br />
103<br />
102<br />
101<br />
100<br />
99<br />
98<br />
97<br />
-4,3<br />
1,9<br />
1,5<br />
I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV<br />
2009 2010 2011 2012 <strong>2013</strong><br />
IWH<br />
1 Zahlenangaben: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.<br />
Quellen: Eurostat; Berechnungen und Darstellung des IWH;<br />
ab 4. Quartal 2012: Prognose des IWH.<br />
Was die einzelnen Nachfrageaggregate betrifft,<br />
haben sich schon länger währende Trends fortgesetzt:<br />
Aufgrund der Schwäche der Binnennachfrage<br />
legen die Exporte seit Sommer 2010 stärker zu als<br />
die Importe. Die Bruttoanlageinvestitionen sind seit<br />
Sommer 2011 rückläufig, der Verbrauch des Staates<br />
geht seit Anfang 2011 im Trend zurück; ebenso<br />
der Verbrauch der privaten Haushalte, der zuletzt<br />
aber nahezu stagnierte. Ursache <strong>für</strong> die Konsumschwäche<br />
sind die real gerechnet sinkenden verfügbaren<br />
Einkommen. In Reaktion darauf sparen<br />
die Haushalte weniger: Ihre Sparquote ist im ersten<br />
Halbjahr 2012 das erste Mal seit Gründung der<br />
Währungsunion unter 13% gefallen. Dass die verfügbaren<br />
Einkommen im Gesamtjahr real deutlich<br />
-0,5<br />
Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)<br />
1. Quartal 2009 = 100 (linke Skala)<br />
Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)<br />
-0,2<br />
Prognosezeitraum<br />
Prognosezeitraum<br />
%<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0,0<br />
-0,5<br />
-1,0<br />
-1,5<br />
-2,0<br />
-2,5<br />
-3,0<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 9
sinken, liegt auch an dem recht kräftigen Anstieg<br />
der Verbraucherpreise. Sie lagen im Jahr 2012 um<br />
2½% höher als 2011, nicht zuletzt wegen teurerer<br />
Energie und der Erhöhung der indirekten Steuerbelastung<br />
im Zuge der Konsolidierung. Die verfügbaren<br />
Nominaleinkommen wurden vielfach<br />
durch Erhöhungen der direkten Steuern geschmälert.<br />
Auch stiegen die Verdienste vor Steuern nur<br />
wenig, vor allem, weil die Summe der geleisteten<br />
Arbeitsstunden schon seit Sommer 2011 sinkt. Seit<br />
dieser Zeit steigt auch die Arbeitslosigkeit, von<br />
etwa 10% auf 11,7% im Oktober 2012. Es ist bemerkenswert,<br />
dass seit dieser Zeit auch die Partizipationsquote<br />
steigt (vgl. Abbildung 5). Sinkende<br />
Haushaltseinkommen haben wohl viele Menschen,<br />
die bisher keiner Erwerbsarbeit nachgehen wollten,<br />
zum Eintritt in den Arbeitsmarkt bewegt. Auch hat<br />
der Übergang in den Ruhestand durch Reformen<br />
der Pensionssysteme in einigen Krisenländern,<br />
etwa in Italien, an Attraktivität verloren.<br />
Abbildung 5:<br />
Bevölkerung, Erwerbsbevölkerung und Beschäftigung<br />
im Euroraum<br />
- Zuwachsraten gegenüber dem Vorjahresquartal -<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0,0<br />
-0,5<br />
-1,0<br />
-1,5<br />
-2,0<br />
-2,5<br />
2006 2007 2008 2008 2010 2011 2012<br />
Beschäftigung<br />
Erw erbsbevölkerung<br />
Bevölkerung (15 bis 74 Jahre)<br />
IWH<br />
Quellen: Eurostat; Berechnungen und Darstellung des IWH.<br />
Ein weiterer Effekt der Rezession ist der rasche<br />
Rückgang der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte<br />
aufgrund des Rückgangs der heimischen<br />
Nachfrage in den Krisenländern. Von diesen wies<br />
im zweiten Quartal 2012 nur noch Griechenland<br />
ein saisonbereinigtes Defizit der Handels- und<br />
Dienstleistungsbilanz auf. Werden zu dieser Größe<br />
die Einkommensströme und laufenden Übertragungen<br />
hinzugenommen, ergeben sich die Leistungsbilanzsalden.<br />
Sie betrugen im zweiten Quartal 2012<br />
<strong>für</strong> Italien saisonbereinigt nur etwa −½% im Verhältnis<br />
zum Bruttoinlandsprodukt, <strong>für</strong> Spanien<br />
etwa −2%. Beide Länder dürften schon im Winterhalbjahr<br />
2012/<strong>2013</strong> keine saisonbereinigten Defizite<br />
mehr aufweisen, aber die Gründe da<strong>für</strong> sind<br />
nicht identisch: Während in beiden Ländern die<br />
Importnachfrage stark rückläufig ist, hilft in Spanien<br />
zusätzlich die im Trend recht hohe Dynamik<br />
der Exporte.<br />
Monetäre Rahmenbedingungen im Euroraum<br />
Die Geldpolitik im Euroraum ist weiterhin expansiv<br />
ausgerichtet. So wurde im Juli 2012 der maßgebliche<br />
Leitzins der EZB um 0,25 Prozentpunkte<br />
auf 0,75% gesenkt. Zudem weitete die EZB ihre<br />
außergewöhnlichen Maßnahmen aus. Im September<br />
reagierte die EZB mit der Ankündigung eines<br />
neuen Instruments zum Aufkauf von Staatsanleihen<br />
am Sekundärmarkt auf die Zuspitzung der Schuldenund<br />
Vertrauenskrise. Die anhaltend trüben konjunkturellen<br />
Aussichten <strong>für</strong> den Euroraum werden<br />
dazu führen, dass die EZB zu Beginn des Jahres<br />
<strong>2013</strong> den Leitzins erneut, um 0,25 Prozentpunkte,<br />
senken wird. Im Zuge der konjunkturellen Erholung<br />
ab dem zweiten Halbjahr <strong>2013</strong> und allmählich<br />
ansteigenden Preisdrucks wird der Leitzins im Jahr<br />
2014 langsam wieder erhöht und beträgt in der<br />
vorliegenden Prognose am Ende des Jahres 2014<br />
1,25%.<br />
Die Leitzinssenkung im Juli 2012 wirkte sich<br />
unmittelbar auf die Geldmärkte aus. Seit dieser<br />
Zeit liegen die Zinsen <strong>für</strong> besichertes Geld am Interbankenmarkt<br />
(EUREPO) praktisch bei null. Auch<br />
die Zinsen <strong>für</strong> unbesicherte Geldmarktgeschäfte<br />
(EONIA und EURIBOR) fielen. Dadurch verringerte<br />
sich der Zinsabstand zwischen besicherten<br />
und unbesicherten Geldmarktkrediten deutlich. So<br />
gingen etwa die Risikoaufschläge <strong>für</strong> unbesichertes<br />
Dreimonatsgeld von 1,2 Prozentpunkten auf 0,2 Prozentpunkte<br />
zurück. Der Rückgang der Risikoaufschläge<br />
kann zum Teil auf eine leichte Entspannung<br />
an den Interbankenmärkten zurückgeführt werden,<br />
die sich in zeitlichem Einklang mit den Beschlüssen<br />
der EZB zum Aufkauf von Staatsanleihen ergab.<br />
Sollte sich die Entspannung weiter fortsetzen,<br />
so ist auch wieder mit einer Annäherung der Geldmarktsätze<br />
an den Leitzins zu rechnen, die sich in<br />
leicht steigenden Zinssätzen <strong>für</strong> besicherte Geldmarktkredite<br />
ausdrücken würde. Im Jahr 2014 wird<br />
dann auch der steigende Leitzins eine erhöhende<br />
Wirkung auf die Geldmarktsätze entfalten.<br />
10<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
Auch die Zinsen <strong>für</strong> Kredite an nichtfinanzielle<br />
Unternehmen und private Haushalte sind im Jahresverlauf<br />
2012 weiter gesunken. Dennoch stiegen die<br />
Ausleihungen an private Haushalte kaum mehr,<br />
und die an nichtfinanzielle Unternehmen sanken<br />
sogar. Eine Befragung der Banken im Euroraum<br />
(Bank Lending Survey) ergab, dass da<strong>für</strong> auch eine<br />
geringere Nachfrage von Unternehmen und Haushalten<br />
nach Krediten verantwortlich sein dürfte.<br />
Zudem verschärfen sich derzeit die Kreditbedingungen,<br />
vor allem <strong>für</strong> Unternehmen, was sowohl<br />
auf die schwachen <strong>Konjunktur</strong>aussichten als auch<br />
auf verschärfte Regulierung zurückzuführen sein<br />
dürfte. Die Banken rechnen mit sich weiter verschärfenden<br />
Kreditbedingungen und weiter sinkender<br />
Nachfrage nach Krediten. Damit dürfen im Jahr<br />
<strong>2013</strong> die Kreditvolumen trotz weiterhin sehr niedriger<br />
Zinsen zurückgehen. Im Jahr 2014 werden<br />
Kreditvolumen und Zinsen wieder leicht ansteigen.<br />
Die Lage an den Kapitalmärkten hat sich im<br />
Verlauf des Jahres 2012 merklich entspannt. Die<br />
Umlaufsrenditen von Staatsanleihen gingen deutlich<br />
stärker zurück als die Leitzinsen. Das gilt sowohl<br />
<strong>für</strong> AAA-bewertete Staatsanleihen, als auch <strong>für</strong> die<br />
Staatsanleihen der Krisenländer. Auch die Umlaufsrenditen<br />
nichtfinanzieller Kapitalgesellschaften<br />
unterschiedlicher Bonität gingen stark zurück und<br />
markierten neue Tiefststände. Gegenwärtig zeichnet<br />
sich jedoch eine Bodenbildung ab, was nicht ausschließt,<br />
dass mit der weiterhin expansiven Geldpolitik<br />
die Umlaufsrenditen im Jahr <strong>2013</strong> nochmals<br />
sinken. Im Zuge einer Entspannung der Schuldenund<br />
Vertrauenskrisen könnte sich jedoch insofern<br />
eine Normalisierung einstellen, als die zunehmende<br />
Sicherheit über den Fortbestand der Währungsunion<br />
zu einem leichten Anstieg der Renditen<br />
bei sicheren Anleihen führt. Im Jahr 2014 werden<br />
auch aus diesem Grund die Umlaufsrenditen leicht<br />
steigen.<br />
Der Wechselkurs des Euro zeigte sich im Jahr<br />
2012 relativ stabil und liegt zum Ende des Jahres<br />
wieder in etwa bei den Werten vom Anfang des<br />
Jahres. Für die Jahre <strong>2013</strong> und 2014 wird von einem<br />
konstanten Euro-US-Dollar-Kurs ausgegangen.<br />
Euroraum-<strong>Konjunktur</strong> stabilisiert sich im Lauf<br />
des Jahres <strong>2013</strong><br />
Im Jahr <strong>2013</strong> werden die finanzpolitischen Konsolidierungsbemühungen<br />
in den meisten Ländern des<br />
Euroraums fortgesetzt. Der negative finanzpolitische<br />
Impuls dürfte mit etwa 1% im Verhältnis zum<br />
Bruttoinlandsprodukt nicht ganz so groß ausfallen<br />
wie im Jahr 2012, als er etwa 1½% betrug. Ein<br />
moderat positiver Impuls ist vom Außenhandel zu<br />
erwarten: Zwar ist die preisliche Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Wirtschaft nach der Aufwertung des<br />
Euro im Herbst nicht viel höher als zu Beginn des<br />
Jahres, unabhängig davon wird aber die moderate<br />
weltwirtschaftliche Belebung die Absatzchancen<br />
von Produzenten aus dem Euroraum verbessern.<br />
Auch dürften private Haushalte und Unternehmen<br />
mit dem Fortschreiten des Konsolidierungs- und<br />
Reformprozesses langsam wieder mehr Vertrauen<br />
in die wirtschaftliche Zukunft des Euroraums fassen.<br />
Eine rasche Besserung wird sich aber nicht einstellen.<br />
Im September ist die Industrieproduktion im<br />
Euroraum erst einmal wieder zurückgegangen, und<br />
die Vertrauensindikatoren signalisieren auch <strong>für</strong> die<br />
„Kernländer“ wie Deutschland und die Niederlande,<br />
dass der Abschwung im Winterhalbjahr noch weitergehen<br />
wird (vgl. Tabelle 4). Erst im Sommer<br />
wird die Rezession im Euroraum wohl auslaufen,<br />
ein kräftiger Aufschwung wird sich aber auch im<br />
Jahr 2014 noch nicht einstellen, denn auch dann<br />
wirkt die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen<br />
noch deutlich restriktiv. Alles in allem dürfte die<br />
gesamtwirtschaftliche Produktion im Jahr 2012 um<br />
0,5% und im Jahr darauf um 0,2% zurückgehen,<br />
Tabelle 3:<br />
Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung im Euroraum<br />
- in % -<br />
2012 <strong>2013</strong> 2014<br />
Veränderung gegenüber<br />
dem Vorjahr in %<br />
reales Bruttoinlandsprodukt −0,5 −0,2 1,1<br />
privater Konsum −1,1 −0,3 0,9<br />
öffentlicher Konsum −0,2 −0,3 0,3<br />
Bruttoanlageinvestitionen −3,8 −1,6 2,7<br />
inländische Verwendung −2,0 −0,7 1,0<br />
Exporte a 3,0 3,2 5,0<br />
Importe a −0,4 1,9 4,7<br />
Außenbeitrag b 1,5 0,5 0,2<br />
Verbraucherpreise c 2,5 1,8 1,4<br />
Lohnstückkosten d 1,3 1,0 0,9<br />
% in Relation zum nominalen<br />
Bruttoinlandsprodukt<br />
Budgetsaldo e −3,3 −2,7 −2,5<br />
Leistungsbilanzsaldo 0,9 1,3 1,4<br />
in % der Erwerbspersonen<br />
Arbeitslosenquote f 11,4 12,0 12,1<br />
a<br />
Einschließlich Intrahandel. – b Wachstumsbeitrag. – c Harmonisierter<br />
Verbraucherpreisindex. – d Bruttowertschöpfung je Beschäftigten. –<br />
e Gesamtstaatlich. – f Standardisiert.<br />
Quellen: Eurostat; Prognose des IWH.<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 11
Tabelle 4:<br />
Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote im Euroraum<br />
- 2012 bis 2014 -<br />
Bruttoinlandsprodukt a Verbraucherpreise b Arbeitslosenquote c<br />
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % in %<br />
2012 <strong>2013</strong> 2014 2012 <strong>2013</strong> 2014 2012 <strong>2013</strong> 2014<br />
Deutschland 0,8 0,7 1,5 2,1 2,1 1,9 5,5 5,8 5,7<br />
Frankreich 0,1 0,0 0,9 2,2 1,6 1,5 10,4 10,6 10,7<br />
Italien −2,0 −1,1 0,5 3,3 1,8 1,0 10,6 11,4 11,7<br />
Spanien −1,3 −1,3 0,7 2,4 1,9 0,8 25,1 26,9 26,9<br />
Niederlande −0,8 0,3 1,2 2,8 2,1 1,5 5,3 5,8 5,8<br />
Belgien −0,2 0,4 1,4 2,5 1,7 1,7 7,4 7,5 7,5<br />
Österreich 0,5 0,9 1,4 2,3 1,9 1,9 4,3 4,7 4,7<br />
Griechenland −6,0 −4,0 0,5 1,0 −0,7 −0,8 24,3 27,0 27,2<br />
Finnland 0,3 0,7 1,3 2,9 2,3 2,3 7,7 8,0 7,8<br />
Portugal −3,0 −1,5 0,7 2,9 1,1 1,1 15,7 16,7 16,6<br />
Irland 0,2 1,0 2,0 1,9 1,1 1,2 14,9 14,7 14,6<br />
Slowakei 2,5 2,2 3,0 3,7 1,8 1,9 13,9 13,9 13,2<br />
Luxemburg 1,0 1,0 2,0 2,8 2,0 2,1 5,0 5,5 5,5<br />
Slowenien −2,2 −1,5 1,0 2,7 1,7 1,7 8,4 9,7 9,8<br />
Zypern −2,5 −1,5 −0,5 3,4 1,8 2,0 11,7 13,0 13,9<br />
Estland 3,0 3,5 3,8 4,2 3,4 3,2 10,1 9,1 8,7<br />
Malta 1,0 1,5 2,0 3,0 2,2 2,2 6,4 6,4 6,2<br />
Euroraum ohne Deutschland −0,9 −0,5 0,9 2,6 1,6 1,2 13,5 14,4 14,3<br />
Euroraum −0,5 −0,2 1,1 2,5 1,8 1,4 11,4 12,1 12,0<br />
a<br />
Die Zuwachsraten sind untereinander nicht voll vergleichbar, da sie <strong>für</strong> einige Länder um Arbeitstageeffekte bereinigt sind, <strong>für</strong> andere – wie <strong>für</strong><br />
Deutschland – nicht. – b Harmonisierter Verbraucherpreisindex. – c Standardisiert.<br />
Quelle: Prognose des IWH.<br />
um im Jahr 2014 sehr moderat (mit 1,1%) zuzulegen<br />
(vgl. Tabelle 3). Die Verbraucherpreise steigen im<br />
Jahr <strong>2013</strong> mit 1,8% deutlich langsamer als 2012.<br />
Die Arbeitslosigkeit nimmt noch weiter zu, auf<br />
12,1% im Jahresdurchschnitt 2014.<br />
Schwache Produktivitätsentwicklung in Großbritannien<br />
Im dritten Quartal 2012 legte die gesamtwirtschaftliche<br />
Produktion in Großbritannien mit 1%<br />
recht kräftig zu, nachdem sie die drei Quartale zuvor<br />
stetig gefallen war. Der Anstieg geht vor allem<br />
auf temporäre Faktoren zurück: War das Bruttoinlandsprodukt<br />
aufgrund der Feierlichkeiten zum<br />
sechzigsten Thronjubiläum der Königin im Juni<br />
gedrückt worden, erhielt es durch die Olympischen<br />
Spiele in London im Juli und August einen kurzlebigen<br />
Impuls. Die Wirtschaft ist aber nach wie<br />
vor in keiner guten Verfassung. Seit Sommer 2011<br />
stagnieren die Exporte in etwa, nicht zuletzt wegen<br />
der Rezession im Euroraum. Die Binnennachfrage<br />
ist schwach, weil die recht hoch verschuldeten privaten<br />
Haushalte und Unternehmen um die Verbesserung<br />
ihrer Vermögensposition bemüht sind und<br />
der Staat versucht, sein hohes Defizit (von etwa<br />
6½% im Jahr 2012) zurückzuführen. Trotz der<br />
schwachen <strong>Konjunktur</strong> und obwohl der Effekt der<br />
Mehrwertsteuererhöhung vom Anfang des Jahres<br />
2011 ausgelaufen ist, hält sich die Inflationsrate mit<br />
2,7% im Oktober deutlich über dem 2%-Zielwert<br />
der Bank von England. Die Zentralbank schließt<br />
daraus, dass die gesamtwirtschaftliche Unterauslastung<br />
nicht allzu groß sein kann. Schwach ist auch<br />
die Produktivitätsentwicklung: Während die Beschäftigung<br />
<strong>aktuell</strong> wieder etwas höher ist als vor<br />
Ausbruch der Krise im Jahr 2008, liegt das Bruttoinlandsprodukt<br />
immer noch etwa 3% unter seinem<br />
damaligen Maximalwert. Ein Teil der Erklärung<br />
da<strong>für</strong> ist wohl, dass die Produktion des in Großbritannien<br />
besonders wichtigen Finanzsektors vor<br />
Ausbruch der Krise erheblich überzeichnet war.<br />
Die Bank von England versucht seit dem vergangenen<br />
Sommer, mit dem „Funding for Lending“-<br />
12<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
Programm den Banken einen Zinsanreiz da<strong>für</strong> zu<br />
geben, die nach wie vor stagnierende Kreditvergabe<br />
wieder auszuweiten. Die Notenbank wird ihre expansive<br />
Ausrichtung weiter aufrecht erhalten, obwohl<br />
die Verbraucherpreisinflation auch im Schnitt<br />
des Jahres <strong>2013</strong> mit 2,2% über der 2%-Marke liegen<br />
dürfte. Die Finanzpolitik wird dagegen im (mit dem<br />
April beginnenden) Fiskaljahr <strong>2013</strong> ihren Restriktionsgrad<br />
noch einmal verschärfen. Eine Stütze<br />
dürfte die <strong>Konjunktur</strong> aber im Außenhandel finden,<br />
denn die Weltkonjunktur zieht im Lauf des<br />
Jahres wohl etwas an. Alles in allem ist mit einem<br />
Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen Produktion<br />
von 1,1% im Jahr <strong>2013</strong> zu rechnen, nach Stagnation<br />
im Jahr 2012. Im Jahr 2014 dürfte die Produktion<br />
um knapp 1½% zulegen.<br />
<strong>Konjunktur</strong> in den mittel- und osteuropäischen<br />
Ländern durch Krise im Euroraum gedämpft<br />
Vor dem Hintergrund einer schwachen weltweiten<br />
wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere der<br />
anhaltenden Krise im Euroraum, flachte der <strong>Konjunktur</strong>verlauf<br />
in den mittel- und osteuropäischen<br />
Ländern im Jahr 2012 deutlich ab. Aufgrund der<br />
geringeren Außenhandelsumsätze wurde die <strong>Konjunktur</strong><br />
auch in den Ländern mit einer bis dahin<br />
recht dynamischen wirtschaftlichen Expansion abgebremst,<br />
also etwa in Polen, der Slowakei und den<br />
baltischen Ländern. In Bulgarien und Rumänien kam<br />
das Wachstum nahezu zum Stillstand, in Ungarn,<br />
Slowenien und der Tschechischen Republik ging<br />
es zurück. Neben der schwachen außenwirtschaftlichen<br />
Nachfrage blieben nun vielerorts auch die<br />
Impulse von der Binnennachfrage aus. Hier machten<br />
sich niedrigere reale Einkommenszuwächse,<br />
pessimistischere Erwartungen bei Haushalten und<br />
Unternehmen, sowie der restriktive finanzpolitische<br />
Kurs bemerkbar.<br />
Die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen<br />
ist vielerorts voran gekommen, aufgrund der schwachen<br />
<strong>Konjunktur</strong>, insbesondere der niedrigeren<br />
Steuereinnahmen, fällt der Defizitabbau aber teilweise<br />
bescheidener aus als geplant oder er blieb<br />
ganz aus. Die seit längerer Zeit bestehenden übermäßigen<br />
Haushaltsdefizite in Polen und Ungarn<br />
konnten jedoch im Jahr 2012 voraussichtlich weiter<br />
zurückgeführt werden.<br />
Die Inflation ist nach einer Beruhigung zu Beginn<br />
des Jahres in den letzten Monaten vielfach<br />
wieder gestiegen, wo<strong>für</strong> die Anhebung regulierter<br />
Preise und Verbrauchsteuern, Lebensmittelpreissteigerungen<br />
sowie die Volatilität des Ölpreises verantwortlich<br />
sind. Die Geldpolitik ist angesichts der<br />
konjunkturellen Abschwächung vielerorts gelockert<br />
worden. Eine Ausnahme bildete vorübergehend<br />
Ungarn, wo die Notenbankzinsen in den Jahren 2011<br />
und 2012 um insgesamt 125 Basispunkte auf 7% –<br />
den höchsten Satz in der Region – gestiegen waren.<br />
Im Herbst 2012 wurden aber auch sie wieder<br />
gesenkt (auf 6% im Dezember). Auf den Arbeitsmärkten<br />
zeichnet sich keine weitere Entspannung<br />
ab, die Arbeitslosenquoten liegen nach wie vor<br />
meist im zweistelligen Bereich. Auch vor diesem<br />
Hintergrund wird sich der Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts<br />
der Region im Jahr 2012 mit etwa<br />
1,1% im Vergleich zum Vorjahr mehr als halbieren.<br />
Die <strong>Konjunktur</strong> wird sich in den kommenden<br />
zwei Jahren nur nach und nach in dem Maße verbessern,<br />
wie sich die weltwirtschaftliche Lage und<br />
insbesondere die im Euroraum als dem wichtigsten<br />
Absatzmarkt der Region verbessert. Allerdings werden<br />
die verbreiteten Konsolidierungsanstrengungen<br />
der Regierungen fortgesetzt werden und die Binnennachfrage<br />
weiter dämpfen. Alles in allem wird die<br />
wirtschaftliche Dynamik im Prognosezeitraum mit<br />
rund 1,7% im Jahr <strong>2013</strong> bzw. 2,8% im Jahr 2014<br />
nur allmählich an Fahrt gewinnen.<br />
Deutsche <strong>Konjunktur</strong><br />
<strong>Konjunktur</strong> in Deutschland erreicht im Winter<br />
ihren Tiefpunkt<br />
In Deutschland hat sich die wirtschaftliche Lage<br />
im Jahr 2012 nach und nach immer weiter verschlechtert.<br />
Die Zuversicht von Unternehmen und<br />
Haushalten sank stetig bis in den Spätherbst hinein.<br />
Die Binnennachfrage schrumpft nun schon seit einem<br />
Jahr, obwohl der Beschäftigungsstand hoch<br />
ist, die monetären Rahmenbedingungen günstig sind<br />
und die deutsche Finanzpolitik im Jahr 2012 sich<br />
einen im internationalen Vergleich nur mäßig restriktiven<br />
Kurs erlauben konnte. Zwar haben recht<br />
kräftige Lohnzuwächse da<strong>für</strong> gesorgt, dass die privaten<br />
Haushalte ihren Konsum im Sommerhalbjahr<br />
moderat ausweiteten. Die Unternehmen nahmen<br />
aber das ganze Jahr über ihre Investitionen in Ausrüstungen<br />
und Läger zurück. Zuletzt haben sie<br />
auch kaum noch Beschäftigung aufgebaut.<br />
Der Hauptgrund <strong>für</strong> das zunehmend vorsichtigere<br />
Ausgabeverhalten von Unternehmen und privaten<br />
Haushalten sind sicher die Sorgen um die<br />
Eurokrise und die Rezession in vielen europäischen<br />
Nachbarländern. Skepsis gegenüber der au-<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 13
Tabelle 5:<br />
Quartalsdaten zur wirtschaftlichen Entwicklung a<br />
- Veränderung in % gegenüber dem Vorquartal -<br />
2011 2012 <strong>2013</strong><br />
I II III IV I II III IV I II III IV<br />
private<br />
Konsumausgaben<br />
0,7 −0,5 1,3 −0,3 0,0 0,1 0,3 −0,1 0,1 0,1 0,3 0,3<br />
öffentlicher Konsum 0,1 0,6 0,2 0,5 0,4 −0,2 0,4 0,3 0,4 0,4 0,3 0,3<br />
Ausrüstungen 0,9 1,1 1,6 −0,3 −0,9 −4,0 −2,0 −2,3 −0,7 0,0 1,8 1,8<br />
Bauten 7,2 −0,4 −0,7 1,4 −0,7 −1,1 1,5 −0,1 0,6 0,6 0,7 0,7<br />
sonstige Anlagen 0,9 0,2 1,6 2,0 −1,0 1,1 1,3 0,7 0,9 1,0 1,1 1,2<br />
Vorratsinvestitionen b −0,2 1,3 −0,8 −0,1 0,0 0,0 −0,3 0,0 0,0 0,0 0,1 0,1<br />
inländische<br />
Verwendung<br />
0,9 1,2 0,1 −0,1 −0,2 −0,4 0,0 −0,2 0,2 0,2 0,5 0,6<br />
Außenbeitrag b 0,3 −0,7 0,3 0,0 0,7 0,7 0,3 0,0 0,1 0,1 −0,1 −0,1<br />
Exporte 2,7 0,5 2,1 −0,5 0,7 3,3 1,4 0,3 0,6 1,0 1,2 1,4<br />
Importe 2,3 2,2 1,7 −0,4 −0,7 2,2 1,0 0,3 0,5 0,8 1,6 1,7<br />
Bruttoinlandsprodukt 1,2 0,5 0,4 −0,1 0,5 0,3 0,2 −0,2 0,2 0,3 0,4 0,5<br />
a Saison- und arbeitstägliche bereinigte Werte; in Vorjahrespreisen. – b Beitrag zur Veränderung des Bruttoinlandproduktes in Prozentpunkten<br />
(Lundberg-Komponenten).<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; ab 4. Quartal 2012: Prognose des IWH.<br />
ßenwirtschaftlichen Entwicklung wurde auch durch<br />
die Auftragseingänge aus dem Ausland genährt, die<br />
schon seit Mitte 2011 im Trend nur noch stagnieren.<br />
Diese Sorgen erklären auch neben den sehr günstigen<br />
Finanzierungsbedingungen die recht schwungvolle<br />
Wohnungsbaukonjunktur, denn deutsche Immobilien<br />
werden verbreitet als sichere Wertanlage angesehen.<br />
Trotzdem schien die deutsche <strong>Konjunktur</strong> bis<br />
zum Herbst 2012 der Schulden- und Vertrauenskrise<br />
im Euroraum gut widerstehen zu können. Die<br />
Produktion wurde bis in den Herbst hinein deutlich<br />
ausgeweitet, und das ausgerechnet dank einer lebhaften<br />
Exportkonjunktur. Obwohl die Weltwirtschaft<br />
als Ganzes im Jahr 2012 schwächelte, haben<br />
hohe Zuwächse der Ausfuhren vor allem in Länder<br />
außerhalb Europas den Rückgang der Nachfrage<br />
aus dem übrigen Euroraum mehr als ausgleichen<br />
können. Allerdings hat die Auslandsnachfrage im<br />
September und Oktober an Schwung verloren, und<br />
die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe ist in<br />
der Zeit sehr deutlich zurückgegangen. Auch die<br />
privaten Käufe und der Wohnungsbau scheinen im<br />
Herbst zu schwächeln, wie die zuletzt berichteten<br />
Einzelhandelsumsätze und die Bauproduktion signalisieren.<br />
Alles in allem dürfte die gesamtwirtschaftliche<br />
Produktion im vierten Quartal um 0,2%<br />
sinken (vgl. Abbildung 6 und Tabelle 5), sodass<br />
sich im Jahresdurchschnitt ein Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes<br />
von 0,8% ergibt (arbeitstäglich<br />
bereinigt um 1%, vgl. Tabelle 6).<br />
Abbildung 6:<br />
Reales Bruttoinlandsprodukt in Deutschland<br />
- saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf -<br />
Mrd. Euro<br />
640<br />
630<br />
620<br />
610<br />
600<br />
590<br />
580<br />
570<br />
560<br />
550<br />
I<br />
-5,1<br />
4,2<br />
II<br />
2009<br />
III IV I II<br />
2010<br />
III IV I II<br />
2011<br />
III IV I II<br />
2012<br />
III IV I II<br />
<strong>2013</strong><br />
III<br />
Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)<br />
verkettete Volumenangaben (linke Skala)<br />
Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)<br />
IWH<br />
1<br />
Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />
des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose des IWH.<br />
Allerdings zeigen sich am Jahresende Anzeichen<br />
da<strong>für</strong>, dass sich die deutsche <strong>Konjunktur</strong> im<br />
ersten Halbjahr <strong>2013</strong> wieder etwas beschleunigen<br />
dürfte. Die Geschäftsaussichten und die <strong>aktuell</strong>en<br />
Auftragseingänge der Industrie, die produktionsseitig<br />
in das Jahr <strong>2013</strong> reichen, sind wieder gestiegen,<br />
vor allem dank wieder zunehmender Bestellungen<br />
aus dem Ausland. Die Produktionsdynamik<br />
3,0<br />
0,8<br />
0,7<br />
Prognosezeitraum<br />
IV<br />
%<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
-1<br />
-2<br />
-3<br />
-4<br />
-5<br />
14<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
leibt im ersten Halbjahr <strong>2013</strong> insgesamt aber noch<br />
schwach, da sich die Weltkonjunktur nur allmählich<br />
kräftigt und die inländische Nachfrage noch<br />
von der Investitionszurückhaltung der Unternehmen<br />
belastet wird.<br />
Tabelle 6:<br />
Statistische Komponenten der BIP-Wachstumsrate<br />
- in % bzw. Prozentpunkten -<br />
2012 <strong>2013</strong> 2014<br />
statistischer Überhang a 0,2 0,0 0,6<br />
Jahresverlaufsrate b 0,8 1,4 1,5<br />
jahresdurchschnittliche<br />
BIP-Rate,<br />
1,0 0,8 1,5<br />
kalenderbereinigt<br />
Kalendereffekt c −0,2 −0,1 0,0<br />
jahresdurchschnittliche<br />
BIP-Rate,<br />
0,8 0,7 1,5<br />
kalenderjährlich d<br />
a Saison- und kalenderbereinigtes reales BIP im vierten Quartal des<br />
Vorjahres in Relation zum kalenderbereinigten Quartalsdurchschnitt<br />
des Vorjahres. – b Jahresveränderungsrate im vierten Quartal, saisonund<br />
kalenderbereinigt. – c In % des realen BIP. – d Abweichungen in<br />
der Summe rundungsbedingt.<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Prognose des IWH.<br />
Im späteren Verlauf von <strong>2013</strong> und bis in das Jahr<br />
2014 hinein dürfte sich, sofern die Eindämmung der<br />
Schuldenkrise im Euroraum gelingt, die konjunkturelle<br />
Lage deutlicher aufhellen; dann dürften auch<br />
wieder Zuwachsraten in Höhe des Potenzialwachstums<br />
möglich werden. Die Impulse kommen dabei<br />
zunächst zu gleichen Teilen vom Außenhandel und<br />
von der inländischen Nachfrage, wobei der Konsum<br />
und die Baunachfrage treibend wirken (vgl. Tabelle<br />
7). Die Ausrüstungsinvestitionen dürften erst<br />
im späteren Verlauf des Jahres <strong>2013</strong> wieder anziehen,<br />
wenn die Investoren das Vertrauen in die zukünftige<br />
Entwicklung zurückgewonnen haben.<br />
Einen positiven Wachstumsbeitrag leisten sie allerdings<br />
erst im Jahr 2014. Mit der insgesamt erstarkenden<br />
inländischen Nachfrage legen auch die Importe<br />
wieder stärker zu, sodass der Außenhandel<br />
die gesamtwirtschaftliche Produktion wohl dämpfen<br />
wird, wenngleich nur schwach. Insgesamt dürfte<br />
das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Jahr<br />
<strong>2013</strong> mit 0,7% nochmals eher mäßig zunehmen,<br />
sich aber im Jahr 2014 mit 1,5% erneut beschleunigen.<br />
Folglich sind die gesamtwirtschaftlichen<br />
Produktionskapazitäten im Jahr <strong>2013</strong> unterausgelastet<br />
(vgl. Abbildung 7); im Verlauf des Jahres<br />
2014 schließt sich die Produktionslücke. Die Beschäftigung<br />
wird angesichts der schwachen Produktionsentwicklung<br />
im Jahr <strong>2013</strong> in etwa stagnieren<br />
und erst im Jahr darauf mit 0,2% leicht steigen.<br />
Die Verbraucherpreisinflation verharrt im Jahr<br />
<strong>2013</strong> bei 2% wie im Jahr 2012 und wird im Jahr<br />
2014 mit 1,8% etwas darunter liegen.<br />
Tabelle 7:<br />
Beiträge der Nachfragekomponenten zur Veränderung<br />
des Bruttoinlandsproduktes<br />
- in Prozentpunkten -<br />
2012 <strong>2013</strong> 2014<br />
Konsumausgaben 0,5 0,5 0,9<br />
private Konsumausgaben 0,3 0,2 0,7<br />
Konsumausgaben des<br />
Staates<br />
0,2 0,2 0,2<br />
Bruttoanlageinvestitionen −0,4 0,0 0,6<br />
Ausrüstungen −0,4 −0,2 0,3<br />
Bauten −0,1 0,2 0,2<br />
sonstige Anlagen 0,0 0,0 0,1<br />
Vorratsveränderung −0,4 −0,1 0,1<br />
inländische Verwendung −0,4 0,4 1,6<br />
Außenbeitrag 1,1 0,3 −0,1<br />
Exporte 2,1 2,0 3,0<br />
Importe −1,0 −1,7 −3,1<br />
Bruttoinlandsprodukt 0,8 0,7 1,5<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Prognose des IWH.<br />
Abbildung 7:<br />
Produktionslücke in Deutschland<br />
% in Relation zum Produktionspotenzial<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
-2<br />
-4<br />
-6<br />
1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 <strong>2013</strong><br />
IWH<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />
des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose des IWH.<br />
Die Prognoseunsicherheit ist allerdings recht<br />
groß. Für das Jahr <strong>2013</strong> reicht das 66%-Prognoseintervall<br />
<strong>für</strong> die Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes<br />
von −0,2% bis 1,6% und <strong>für</strong> das Jahr<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 15
2014 von −0,1% bis 3,2% (vgl. Abbildung 8). 3<br />
Dieses Intervall beziffert die mit dem Basisszenario,<br />
dessen Rahmenbedingungen im nächsten Absatz<br />
beschrieben werden, verbundene Prognoseunsicherheit;<br />
es beinhaltet keine Extremrisiken (zum Beispiel<br />
eine erhebliche Verschärfung der Schulden- und<br />
Vertrauenskrise im Euroraum, vgl. dazu Abschnitt<br />
„Zu den Risiken“).<br />
Abbildung 8:<br />
Prognoseunsicherheit 1<br />
- Veränderung gegenüber Vorjahr in % -<br />
5,0<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
0,0<br />
-1,0<br />
-2,0<br />
2011 2012 <strong>2013</strong> 2014<br />
Bruttoinlandsprodukt<br />
Konfidenz 85% O<br />
Konfidenz 85% U<br />
Konfidenz 66% O<br />
Konfidenz 66% U<br />
IWH<br />
1<br />
Zur Berechnung werden die Prognosefehler der Vergangenheit herangezogen<br />
und Risikoszenarien ausgeblendet, d. h., die tatsächliche<br />
Prognoseunsicherheit unter Einbeziehung extremer Risiken ist höher<br />
als hier angegeben.<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />
des IWH.<br />
In Ostdeutschland wird die gesamtwirtschaftliche<br />
Entwicklung wohl erheblich verhaltener als<br />
in Deutschland insgesamt verlaufen. Dämpfend wirken<br />
weiterhin die rückläufige Einwohnerzahl und<br />
die Ausrichtung der Produktion in Ostdeutschland<br />
auf Standardprodukte und Regionen in Euroraum. 4<br />
So erhält die Industrie seit geraumer Zeit deutlich<br />
weniger Aufträge, und die Konsolidierung der<br />
öffentlichen Haushalte belastet die Bereitstellung<br />
3 Das 66%-Prognoseintervall überlagert die Wachstumsrate<br />
mit einer Wahrscheinlichkeit von 66% – sofern das Basisszenario<br />
zutreffend ist. Zur Berechnung werden die Prognosefehler<br />
der an der Gemeinschaftsdiagnose beteiligten<br />
<strong>Institut</strong>e (ifo, IfW, IWH, RWI) aus der Vergangenheit<br />
herangezogen und Risikoszenarien ausgeblendet, d. h., die<br />
tatsächliche Prognoseunsicherheit unter Einbeziehung extremer<br />
Risiken ist höher als hier angegeben.<br />
4 Vgl. Ludwig, U.; Brautzsch, H.-U.; Loose, B.; Exß, F.:<br />
Ostdeutsche Wirtschaft im Jahr 2012: Im Sog der allgemeinen<br />
Abkühlung der <strong>Konjunktur</strong>, in: IWH, Wirtschaft im<br />
Wandel, Jg. 18 (8-9), 2012, 268 f.<br />
5,0<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
0,0<br />
-1,0<br />
-2,0<br />
an staatlich finanzierten Dienstleistungen. Das Baugewerbe<br />
und der Handel stemmen sich zwar der<br />
Abwärtstendenz entgegen, ein Abrutschen der gesamtwirtschaftlichen<br />
Aktivität in den Minusbereich<br />
scheint hier im Jahr 2012 aber wahrscheinlich.<br />
Rahmenbedingungen <strong>für</strong> die Prognose<br />
Die im Jahr 2012 noch einmal expansiver ausgerichtete<br />
Geldpolitik der EZB verbesserte die monetären<br />
Bedingungen in Deutschland. Aufgrund der<br />
Divergenzen im europäischen Bankensystem können<br />
sich deutsche Banken weiterhin zu besseren<br />
Konditionen am Interbankenmarkt finanzieren als<br />
bei der EZB, auch wenn sich die Differenz aufgrund<br />
des Erreichens der Null-Grenze bei Interbankenmarktzinsen<br />
und gesunkenem Leitzins verringerte.<br />
So sind die Kreditzinsen <strong>für</strong> private Haushalte und<br />
nichtfinanzielle Unternehmen im Jahresverlauf 2012<br />
weiter gesunken. Allerdings haben sich die Kreditrichtlinien<br />
(insbesondere Beleihungsquoten) <strong>für</strong><br />
Wohnungsbaukredite der privaten Haushalte zuletzt<br />
verschärft und werden sich laut Bank Lending<br />
Survey weiter verschärfen. Während die Nachfrage<br />
nach Wohnungsbaukrediten weiterhin deutlich zunehmen<br />
dürfte, erwarten die Banken zum ersten<br />
Mal nach drei Jahren wieder einen Rückgang der<br />
Nachfrage nach Unternehmenskrediten. Die Umlaufsrenditen<br />
am Kapitalmarkt sind nach einem<br />
Rückgang in den ersten beiden Quartalen des Jahres<br />
2012 stabil auf historisch niedrigem Niveau. Der<br />
reale effektive Wechselkurs <strong>für</strong> Deutschland sank<br />
in der ersten Jahreshälfte und legte dann wieder<br />
leicht zu, sodass die deutsche Volkswirtschaft am<br />
Ende des Jahres 2012 preislich etwas wettbewerbsfähiger<br />
ist als zu Beginn des Jahres. Angesichts der<br />
sich verschärfenden Kreditrichtlinien, aber weiter<br />
sinkender Leitzinsen, werden sich die Finanzierungsbedingungen<br />
insgesamt im Jahr <strong>2013</strong> in Deutschland<br />
wenig ändern, wobei der Kapitalmarkt gegenüber<br />
der Kreditfinanzierung <strong>für</strong> Unternehmen an<br />
Bedeutung gewinnen dürfte, da sich hier die Leitzinssenkung<br />
auswirken dürfte und die Kapitalmärkte<br />
nicht von den zusätzlichen Restriktionen<br />
bei der Kreditvergabe durch Banken betroffen sind.<br />
Im Jahr 2014 werden die Finanzierungsbedingungen<br />
etwas restriktiver, da sich dann sowohl Leitzinserhöhungen<br />
und verschärfte Regulierung auswirken.<br />
Nach einer im Jahr 2012 nochmals restriktiv<br />
ausgerichteten Finanzpolitik wird die Haushaltskonsolidierung<br />
im Jahr <strong>2013</strong> zunächst nicht weiter<br />
fortgeführt und die Finanzpolitik schwenkt auf einen<br />
16<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
Tabelle 8:<br />
Änderung von Steuern, Sozialabgaben und Staatsausgaben durch diskretionäre Maßnahmen a<br />
- Haushaltsentlastungen (+) und Haushaltsbelastungen (−), in Mrd. Euro gegenüber 2011 -<br />
2012 <strong>2013</strong> 2014<br />
Alterseinkünftegesetz –0,8 –1,7 –2,3<br />
Steuervereinfachungsgesetz 2011 –0,8 –0,6 –0,6<br />
Rücknahme der Kürzung des Weihnachtsgeldes <strong>für</strong> Bundesbeamte –0,5 –0,5 –0,5<br />
Einführung eines Betreuungsgeldes –0,1 –0,5<br />
Änderungen bei der Kfz-Steuer –0,1 –0,3 –0,2<br />
Erhöhung der Tabaksteuer 0,3 0,5 0,6<br />
Einführung einer Kernbrennstoffsteuer 0,6 0,4 0,4<br />
Wegfall der Heizkostenkomponente beim Wohngeld 0,2 0,2 0,2<br />
Lkw-Maut auf Bundesstraßen 0,1 0,1<br />
Auslaufen der degressiven Abschreibung aus dem <strong>Konjunktur</strong>paket 1,8 4,0 4,0<br />
ältere Maßnahmen b 1,8 2,5 2,5<br />
Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt 1,7 2,0 2,0<br />
Einsparungen bei disponiblen Ausgaben 1,0 1,6 1,6<br />
diskretionäre Maßnahmen von Ländern und Gemeinden 0,5 1,0 1,5<br />
Eingriffe in die Rentenformel 3,7 5,8 6,0<br />
Erhöhung des gesetzlichen Beitragssatzes zur Krankenversicherung zum 01.01.2011<br />
von 14,9% auf 15,5%<br />
Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung zum 01.01.2012<br />
um 0,3 Prozentpunkte auf 19,6%<br />
Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung zum 01.01.<strong>2013</strong><br />
um 0,7 Prozentpunkte auf 18,9%<br />
Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung zum 01.01.<strong>2013</strong><br />
um 0,1 Prozentpunkte auf 2,05%<br />
0,2 0,3 0,4<br />
–2,7 –2,8 –2,9<br />
–6,8 –6,9<br />
1,1 1,2<br />
Anhebung der Minijobgrenze von 400 auf 450 Euro –0,3 –0,3<br />
Versorgungsstrukturgesetz –0,2 –0,3 –0,3<br />
Neuausrichtung der Pflegeversicherung –1,0 –1,2<br />
Abschaffung der Praxisgebühr –1,9 –1,9<br />
Umsetzung von EuGH-Urteilen zur Dividendenbesteuerung –1,5 –1,5<br />
Wegfall von Investitionsimpulsen aus den <strong>Konjunktur</strong>paketen 8,0 8,0 8,0<br />
insgesamt c 14,7 9,9 9,4<br />
nachrichtlich: d<br />
Gesetz zum Abbau der kalten Progression –1,9 –5,7<br />
Jahressteuergesetz <strong>2013</strong> –0,2 –0,2<br />
Vereinfachung Unternehmensbesteuerung und steuerliches Reisekostenrecht –0,2 –0,3<br />
Lebensleistungsrente –0,1 –0,3<br />
a Ohne makroökonomische Rückwirkungen; ohne Berücksichtigung der Stützungsmaßnahmen <strong>für</strong> Finanzinstitute und EWU-Mitgliedstaaten. –<br />
b Schrittweise Abschaffung der Eigenheimzulage, Aufschiebung des Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses, Jahressteuergesetz 2010. – c Differenzen<br />
durch Rundungsfehler. – d Die unter „nachrichtlich“ ausgewiesenen Positionen gehen nicht in die Prognose der öffentlichen Finanzen ein.<br />
Quellen: Bundesministerium der Finanzen; Berechnungen und Schätzungen des IWH.<br />
leicht expansiven Kurs ein (vgl. Tabelle 8). Belastungen<br />
ergeben sich <strong>für</strong> die öffentlichen Haushalte<br />
insbesondere aus der Absenkung des Beitragssatzes<br />
zur Rentenversicherung, der Leistungsausweitung<br />
<strong>für</strong> Demenzkranke im Rahmen der Neuausrichtung<br />
der Pflegeversicherung sowie durch die Abschaffung<br />
der Praxisgebühr. Der expansive fiskalische Impuls<br />
beläuft sich nach dieser Prognose auf 0,2% in Relation<br />
zum Bruttoinlandsprodukt. Im Jahr 2014 wird<br />
die Finanzpolitik bei gegebener Gesetzeslage konjunkturneutral<br />
ausgerichtet sein. Würden bis dahin<br />
jedoch, anders als in dieser Prognose unterstellt,<br />
die in der Tabelle nachrichtlich genannten weiteren<br />
Gesetzesvorhaben zur Entlastung von Unternehmen<br />
und privaten Haushalten umgesetzt, etwa das Gesetz<br />
zum Abbau der kalten Progression, ergäbe sich<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 17
im Jahr 2014 nochmals ein leicht expansiver finanzpolitischer<br />
Impuls. Dieser beliefe sich auf 0,2% in<br />
Relation zum Bruttoinlandsprodukt.<br />
Beschäftigungsaufbau vorerst ausgelaufen<br />
Die konjunkturelle Abschwächung macht sich mittlerweile<br />
auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar.<br />
Die Zahl der Erwerbstätigen stieg im dritten Quartal<br />
des Jahres 2012 mit 0,1% nur noch leicht. Auch<br />
die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nahm<br />
nur um 0,2% zu. 5 Die von den Erwerbstätigen<br />
durchschnittlich geleistete Arbeitszeit ging um 0,7%<br />
zurück. Dies ist darauf zurückzuführen, dass infolge<br />
der schwachen Produktionsentwicklung in den Unternehmen<br />
die bezahlten Mehrarbeitsstunden reduziert<br />
sowie die Arbeitszeitkonten abgeschmolzen wurden.<br />
6 Insgesamt sank das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen<br />
das zweite Quartal in Folge um 0,6%.<br />
Die registrierte Arbeitslosigkeit steigt seit dem<br />
zweiten Quartal des Jahres 2012 leicht an. Dass sich<br />
die Entwicklung der Arbeitslosigkeit nicht spiegelbildlich<br />
zur Beschäftigung entwickelt, ist zum einen<br />
durch den Anstieg des gesamtwirtschaftlichen<br />
Arbeitsangebots bedingt. Dies ist auf eine steigende<br />
Erwerbsbeteiligung vor allem von Älteren<br />
sowie die kräftige Zunahme der Nettozuwanderung<br />
(vgl. Kasten 3) zurückzuführen. 7 Zum anderen beeinflusst<br />
der Rückgang der arbeitsmarktpolitischen<br />
5 In welchem Umfang davon Vollzeit- bzw. Teilzeitbeschäftigte<br />
betroffen sind, kann zurzeit nicht exakt beurteilt werden.<br />
Infolge einer Statistikumstellung liegen <strong>aktuell</strong>e Daten<br />
zur Entwicklung der Zahl der sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten in der Unterteilung nach Voll- und Teilzeitbeschäftigten<br />
nur bis zum Berichtstermin Juni 2011 vor.<br />
Vgl. hierzu Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit: Beschäftigungsstatistik<br />
– Umstellung der Erhebungsinhalte bei den Merkmalen<br />
„ausgeübte Tätigkeit“ (Beruf), „Arbeitszeit“ und<br />
„Ausbildung“. Nürnberg, März 2012.<br />
6 Vgl. <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nürnberg:<br />
Wochenarbeitszeit wieder auf Vorkrisen-Niveau.<br />
Presseinformation des IAB vom 11.09.2012. Zu einer spürbaren<br />
Ausweitung der Kurzarbeit ist es bislang noch nicht<br />
gekommen. Die Zahl der Bezieher von konjunkturellem<br />
Kurzarbeitergeld lag im September des Jahres 2012 – neuere<br />
Daten liegen nicht vor – bei 58 000 Personen. Im Vorjahresmonat<br />
waren es 65 000 Personen. Im September 2012<br />
waren in den Anzeigen zur Kurzarbeit bei der Bundesagentur<br />
<strong>für</strong> Arbeit 47 000 Personen genannt. Im Vorjahresmonat<br />
waren es 24 000. Vgl. Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit:<br />
Arbeitsmarkt in Zahlen. Kurzarbeit – angezeigte Kurzarbeit<br />
– Kurzarbeitergeld. Online-Statistikangebot. Nürnberg,<br />
Oktober 2012.<br />
7 Vgl. Fuchs, J.; Hummel, M.; Hutter, C.; Klinger, S.; Vallé, J.;<br />
Weber, E.; Zapf, I.; Zika, G.: IAB-Prognose 2012/<strong>2013</strong>:<br />
Neue Herausforderungen <strong>für</strong> den deutschen Arbeitsmarkt,<br />
in: IAB-Kurzbericht, 14/2012, 7 f.<br />
Maßnahmen die Entwicklung der registrierten Arbeitslosigkeit.<br />
So wurden im dritten Quartal des<br />
Jahres 2012 knapp 140 000 Personen weniger gefördert<br />
als im Vorjahreszeitraum. 8<br />
Infolge der rückläufigen Produktionsentwicklung<br />
wird die Beschäftigung im vierten Quartal des<br />
Jahres 2012 leicht abnehmen. Die Zahl der offenen<br />
Stellen sank bereits im dritten Quartal 2012 deutlich.<br />
9 Die Leiharbeit, mit der die Unternehmen<br />
kurzfristig auf konjunkturelle Veränderungen reagieren,<br />
ist seit drei Quartalen rückläufig. Infolge des<br />
in einigen Bereichen spürbaren Fachkräftemangels<br />
werden die Unternehmen bestrebt sein, durch die<br />
verstärkte Flexibilisierung der Arbeitszeit ihren<br />
Fachkräftebestand über die konjunkturelle Schwächephase<br />
hinweg zu halten. Im Durchschnitt des<br />
Jahres 2012 wird die Zahl der Erwerbstätigen mit<br />
393 000 Personen bzw. 1,0% deutlich über dem<br />
Vorjahresquartal liegen. Im Jahresdurchschnitt werden<br />
76 000 Personen weniger arbeitslos registriert<br />
sein als im Vorjahr. 10<br />
Im Jahr <strong>2013</strong> wird die Arbeitsnachfrage schwach<br />
bleiben. Die Unternehmen werden die Ausweitung<br />
der Produktion zunächst durch Überstunden bzw.<br />
durch den Abbau von Kurzarbeit bewältigen, bevor<br />
sie zusätzliches Personal einstellen. Im Durchschnitt<br />
des Jahres <strong>2013</strong> dürften etwa 0,1% mehr<br />
Personen erwerbstätig sein als im Vorjahr (vgl.<br />
Abbildung 10). Im Jahr darauf dürfte die Beschäftigung<br />
mit 0,2% leicht steigen. Inwieweit sich dies<br />
auf die registrierte Arbeitslosigkeit auswirkt, hängt<br />
vor allem von der Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen<br />
Arbeitsangebots ab. Dabei sind zwei<br />
gegenläufige Entwicklungen zu beobachten: Einerseits<br />
dürfte auch im Jahr <strong>2013</strong> infolge der schlech-<br />
8 Zu diesen werden hier die Maßnahmen zur Förderung der<br />
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sowie die Beschäftigung<br />
schaffenden Maßnahmen gezählt.<br />
9 Nach Angaben des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
Nürnberg gab es im dritten Quartal des Jahres<br />
2012 ca. 56 000 bzw. 6,1% weniger Stellenangebote im ersten<br />
Arbeitsmarkt als vor einem Jahr. Vgl. <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmarkt-<br />
und Berufsforschung Nürnberg (IAB): IAB-Erhebung<br />
zum gesamtwirtschaftlichen Stellenangebot: Presseinformation<br />
des IAB vom 08.11.2012.<br />
10 Obwohl ab dem zweiten Quartal des Jahres 2012 die Zahl<br />
der registrierten Arbeitslosen saisonbereinigt zunimmt, liegt<br />
im Durchschnitt des Jahres 2012 die Arbeitslosenzahl unter<br />
dem Wert des Vorjahres. Die Ursache dieses statistischen<br />
Effekts liegt im höheren Niveau der Arbeitslosenzahl am<br />
Ende des Jahres 2011.<br />
18<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
Kasten 3:<br />
Zur <strong>aktuell</strong>en Entwicklung der Nettozuwanderung in Deutschland<br />
Seit dem Jahr 2010 nimmt die Nettozuwanderung a nach Deutschland sehr stark zu: Überstieg im Jahr 2010 die<br />
Zahl der Zuwanderer die der Auswanderer um 128 000 Personen, so waren es im Jahr 2011 schon 279 000 (vgl.<br />
Abbildung 9). b Im Jahr 2012 könnten es – sofern die Zuwachsrate des ersten Halbjahres auch im zweiten Halbjahr<br />
erreicht wird – sogar etwa 370 000 Personen sein. Ein so hoher Wert wurde zuletzt Mitte der 1990er Jahre<br />
erreicht. Bezogen auf 1 000 Einwohner würde dies einen Wanderungsgewinn von 4,6 Personen bedeuten.<br />
Abbildung 9:<br />
Wanderungssaldo zwischen Deutschland und dem Ausland im Zeitraum von 1991<br />
bis 2011 1<br />
1 000 Personen je 1 000 Einw ohner<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
- 100<br />
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
Deutsche Ausländer je 1 000 Einw ohner (rechte Skala)<br />
IWH<br />
1<br />
Wanderungssaldo (Zuzüge abzüglich Fortzüge) in 1 000 Personen (linke Skala) sowie Wanderungssaldo<br />
(in Personen) je 1 000 Einwohner (rechte Skala).<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit: Vorläufige Wanderungsergebnisse<br />
2011; Berechnungen und Darstellung des IWH.<br />
Die Ursachen <strong>für</strong> den<br />
starken Anstieg der Nettozuwanderung<br />
seit dem Jahr<br />
2010 unterscheiden sich<br />
erheblich von denen in den<br />
1990 Jahren. Damals resultierten<br />
die Wanderungsgewinne<br />
vor allem aus der<br />
Zunahme von (Spät-)Aussiedlern<br />
aus Mittel- und<br />
Osteuropa, Asylbewerbern<br />
und Bürgerkriegsflüchtlingen.<br />
c Einen relativ geringen<br />
Anteil hatten Arbeitsmigranten<br />
aus Mittel- und<br />
Osteuropa, die im Rahmen<br />
vertraglich geregelter<br />
Bestimmungen in Deutschland<br />
eine Beschäftigung<br />
aufnehmen konnten. d<br />
Der starke Anstieg der<br />
Nettozuwanderung seit<br />
dem Jahr 2010 wird hingegen<br />
stärker von der Arbeitsmigration<br />
getragen.<br />
Dabei spielen unter anderem<br />
zwei Prozesse eine große Rolle: das Auslaufen der Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit gegenüber<br />
acht mittel- und osteuropäischen EU-Staaten e ab dem 1. Mai 2011 sowie die wirtschaftliche Schwäche in den südeuropäischen<br />
Krisenländern Griechenland, Italien, Spanien und Portugal. Begünstigt durch die gute Arbeitsmarktlage<br />
in Deutschland nahm die Nettozuwanderung aus diesen Staaten deutlich zu (vgl. Tabelle 9). Hinzu kommt ein<br />
starker Wanderungsgewinn aus den Beitrittsländern Rumänien und Bulgarien, <strong>für</strong> die die Einschränkungen bei<br />
der Arbeitnehmerfreizügigkeit erst im Jahr 2014 wegfallen. Ein Grund <strong>für</strong> diesen starken Anstieg dürfte die<br />
schwere Krise in Spanien und Italien sein, die zu den traditionellen Migrationsländern <strong>für</strong> rumänische und bulgarische<br />
Bürger zählen. f Insgesamt entfallen fast vier Fünftel der Nettozuwanderung auf diese mittel- und osteuropäischen<br />
Beitrittsländer sowie die vier südeuropäischen Krisenländer.<br />
Bemerkenswert ist die günstige Altersstruktur der Nettowanderung: Im Jahr 2010 – neuere Daten liegen noch nicht<br />
vor – waren 86,9% der (Netto-)Zuwanderer im Alter von 18 bis 65 Jahren. g In Deutschland betrug im Jahr 2010<br />
der Anteil dieser Altersgruppe an der Bevölkerung 63,0%. h Betrachtet man nur die Zuwanderer, so zeigt sich folgendes<br />
Bild: Im Zeitraum von 1999 bis 2009 ist der Anteil der Zugewanderten im erwerbsfähigen Alter um etwa<br />
fünf Prozentpunkte gestiegen. i Im Schnitt waren die zwischen 1999 und 2009 zugewanderten Personen 32,9<br />
Jahre alt und damit mehr als zehn Jahre jünger als die Gesamtbevölkerung in Deutschland. j<br />
Die hohe Nettozuwanderung hat sich auch in der Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland niedergeschlagen. Der Anteil<br />
ausländischer Staatsbürger an der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat im Jahr 2011 deutlich<br />
zugenommen. Besonders kräftig stieg dabei die Zahl der Beschäftigten aus den wichtigsten Netto-Zuwanderungsländern<br />
(vgl. Tabelle 10). k Diese Entwicklung hat sich im Jahr 2012 fortgesetzt: So lag im September 2012<br />
die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den neuen EU-Staaten in Deutschland um etwa<br />
86 000 Personen und die aus den vier südeuropäischen Krisenländern um 29 000 über dem Wert im Vorjahresmonat.<br />
l Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den acht neuen EU-Staaten und den vier<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
-2<br />
-4<br />
-6<br />
-8<br />
-10<br />
-12<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 19
südeuropäischen Krisenstaaten an der Beschäftigung in Deutschland hat sich im Verlauf eines Jahres von 2,0%<br />
auf 2,4% erhöht.<br />
Tabelle 9:<br />
Nettozuwanderung nach Ländern<br />
2009 2010 2011<br />
1. Hj.<br />
2012<br />
2010 2011<br />
in 1 000 Personen Anteil in %<br />
Beitrittsländer (2004) 1 7 40 103 69 31,5 37,0 37,6<br />
südeuropäische Krisenländer 2 –12 9 39 30 7,4 13,9 16,4<br />
Rumänien/Bulgarien 21 41 58 44 32,4 20,9 24,4<br />
übrige Staaten –29 38 79 39 28,7 28,2 21,6<br />
insgesamt –13 128 279 182 100,0 100,0 100,0<br />
1<br />
Slowenien, Slowakei, Tschechien, Polen, Ungarn, Litauen, Lettland, Estland. – 2 Griechenland, Italien, Spanien, Portugal.<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit: Vorläufige Wanderungsergebnisse 2011; Berechnungen<br />
des IWH.<br />
Tabelle 10:<br />
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit ausländischer Staatsangehörigkeit 1<br />
1. Hj.<br />
2012<br />
Staatsangehörigkeit<br />
2009 2010 2011 2009 2010 2011<br />
in 1 000 Personen Anteil in %<br />
Beitrittsländer (2004) 2 146 156 197 7,8 8,1 9,6<br />
Südeuropäische Krisenländer 3 340 344 361 18,1 17,8 17,5<br />
Rumänien/Bulgarien 49 56 71 2,6 2,9 3,4<br />
übrige Staaten 1 344 1 370 1 432 71,5 71,2 69,5<br />
insgesamt 1 879 1 925 2 061 100,0 100,0 100,0<br />
nachrichtlich:<br />
Anteil an den SV-pflichtig<br />
Beschäftigten insgesamt<br />
6,9 6,9 7,3<br />
1 Stichtag 30.06. des jeweiligen Jahres. – 2 Slowenien, Slowakei, Tschechien, Polen, Ungarn, Litauen, Lettland, Estland. – 3 Griechenland, Italien,<br />
Spanien, Portugal.<br />
Quellen: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit: Beschäftigungsstatistik: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Staatsangehörigkeit<br />
und Geschlecht; Berechnungen des IWH.<br />
a Unter Nettozuwanderung wird der Saldo aus Zuzügen und Fortzügen verstanden. – b Hinter diesen Angaben zum Wanderungssaldo stehen<br />
große Ströme von Zuzügen und Fortzügen. So standen im Jahr 2011 958 000 Zuzügen etwa 679 000 Fortzüge gegenüber. Bemerkenswert ist<br />
auch, dass der größte Teil der Zuzüge (2010: 842 000) und der Fortzüge (2010: 539 000) auf Ausländer entfällt. – c Vgl. hierzu die ausführliche<br />
Darstellung bei Dietz, B.: Die Immigration aus Mittel- und Osteuropa nach Deutschland: Wanderungsdynamik, Integrationsmuster und<br />
politische Implikationen, in: R. Schomaker, C. Müller, A. Knorr (Hrsg.), Migration und Integration als wirtschaftliche und gesellschaftliche<br />
Ordnungsprobleme. Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft, Band 95, 26 ff. – d Ebenda, 24, 26 ff. – e Dies betrifft die mittel- und osteuropäischen<br />
Staaten Slowenien, Slowakei, Tschechien, Polen, Ungarn, Litauen, Lettland und Estland. – f Vgl. European Commission: Report<br />
from the Commission to the Council on the Functioning of the Transitional Arrangements on Free Movement of Workers from Bulgaria and<br />
Romania. SEC(2011) 1343. Brüssel, 11.11.2011, 5. – g Vgl. Statistisches Bundesamt: Fachserie 1, Reihe 1.2 (Wanderungen). – h Berechnet nach<br />
Statistisches Bundesamt: Fachserie 1, Reihe 1.3 (Bevölkerungsfortschreibung). – i Vgl. Geis, W.: Der Beitrag der Zuwanderung zur Fachkräftesicherung,<br />
in: IW-Trends, Jg. 39 (2), 2012, 6. – j Vgl. ebenda, 5. Vgl. hierbei auch die neueren Untersuchungen zur Qualifikationsstruktur<br />
der Zuwanderer von Geis, W., a. a. O., und Seibert, H.; Wapler, R.: Zuwanderung nach Deutschland: Aus dem Ausland kommen<br />
immer mehr Akademiker, in: IAB-Kurzbericht 21/2012, sowie Demary, M.; Erdmann, V.: Fachkräfteengpässe und Arbeitslosigkeit in Europa –<br />
Wanderung als kurzfristiger Ausgleichsmechanismus, in: IW-Trends, Jg. 39 (3), 2012. – k Diese Angaben unterschätzen das Ausmaß der<br />
Erwerbstätigkeit von ausländischen Staatsbürgern in Deutschland. Beispielsweise können diese auch einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen<br />
oder eine ausschließlich geringfügige Beschäftigung aufnehmen. – l Vgl. hierzu Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit: Auswirkungen der uneingeschränkten<br />
Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem 1. Mai auf den Arbeitsmarkt. Berichtsmonat: August 2012. Nürnberg, November 2012. –<br />
Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit: Auswirkungen der EU-Schuldenkrise auf den deutschen Arbeitsmarkt. Nürnberg, November 2012, 2.<br />
20<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
ten Arbeitsmarktlage in vielen Ländern der EU die<br />
Nettozuwanderung hoch bleiben. Andererseits<br />
schrumpft das Erwerbspersonenpotenzial aufgrund<br />
der demographischen Entwicklung erheblich. 11 Hinzu<br />
kommt, dass erneut weniger Personen durch arbeitsmarktpolitische<br />
Maßnahmen gefördert werden.<br />
Insgesamt dürfte die registrierte Arbeitslosigkeit<br />
um 109 000 Personen über dem Wert des Jahres<br />
2012 liegen. Im Jahr 2014 wird die Zahl der Arbeitslosen<br />
in etwa so hoch sein wie im Jahr zuvor. Die<br />
auf die Erwerbspersonen bezogene Arbeitslosenquote<br />
12 wird im Jahr 2012 6,5% betragen. Im Jahr<br />
<strong>2013</strong> sowie im Jahr darauf dürfte sie auf 6,7%<br />
steigen.<br />
Abbildung 10:<br />
Erwerbstätige<br />
- Inlandskonzept, saisonbereinigter Verlauf -<br />
Millionen Personen<br />
42,5<br />
42,0<br />
41,5<br />
41,0<br />
40,5<br />
40,0<br />
39,5<br />
39,0<br />
22<br />
233<br />
Prognosezeitraum<br />
-50<br />
-100<br />
I II<br />
2009<br />
III IV I II<br />
2010<br />
III IV I II<br />
2011<br />
III IV I II<br />
2012<br />
III IV I II<br />
<strong>2013</strong><br />
III IV<br />
Veränderung gegenüber Vorquartal in tausend Personen (rechte Skala)<br />
Millionen Personen<br />
Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)<br />
IWH<br />
1<br />
Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in tausend<br />
Personen.<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />
des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose des IWH.<br />
Im dritten Quartal 2012 lag der Tariflohnanstieg<br />
bei 2,8% im Vergleich zum Vorjahr. Insbesondere<br />
die ausgehandelten kräftigen Lohnsteigerungen von<br />
über 4% bei mehreren Tarifabschlüssen dürften<br />
da<strong>für</strong> ursächlich sein. 13 Auch wurden in einigen Be-<br />
11 Vgl. Fuchs, J.; Hummel, M.; Hutter, C.; Klinger, S.; Vallé, J.;<br />
Weber, E.; Zapf, I.; Zika, G., a. a. O., 7.<br />
12 Dabei wird die Zahl der registrierten Arbeitslosen auf die<br />
Zahl der Erwerbstätigen, zu denen die registrierten Arbeitslosen<br />
und die Erwerbstätigen (Inland) gehören, bezogen.<br />
13 So lagen beispielsweise die Tariflohnabschlüsse <strong>für</strong> die<br />
Chemische Industrie bei 4,5%, bei der Deutschen Post AG<br />
bei 4,0% oder der Metall- und Elektroindustrie in Baden-<br />
Württemberg bei 4,3%.<br />
561<br />
393 23<br />
tausend Personen<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
reichen die unteren Lohngruppen überproportional<br />
angehoben beziehungsweise ganz abgeschafft. Bei<br />
Tarifverträgen, die mehr als ein Jahr laufen, fiel ein<br />
vereinbarter zweiter Stufenanstieg der Tariflöhne<br />
zumeist geringer aus als der Anstieg zu Beginn der<br />
Laufzeit des Tarifvertrages. Damit ist ein Teil des<br />
Tariflohnanstiegs, der bis zum Ende des Prognosezeitraums<br />
wirksam wird, bereits vorbestimmt. Die<br />
zuletzt abgeschlossenen Tarifverträge deuten zudem<br />
darauf hin, dass der Tariflohnanstieg wieder etwas<br />
zurückgehen könnte, da inzwischen auch wieder<br />
mehr Erhöhungen in der Größenordnung von 2%<br />
bis 3% vereinbart wurden. Insgesamt dürfte der<br />
Tariflohnanstieg im Jahr 2012 bei 2,6% liegen, im<br />
Jahr danach bei 2,7% und im Jahr 2014 bei 2,3%.<br />
Im dritten Quartal 2012 lag der monatliche Tariflohnanstieg<br />
erstmalig nach mehr als zwei Jahren<br />
über dem Effektivlohnanstieg je Arbeitnehmer.<br />
Gleichzeitig sank die geleistete Arbeitszeit. Dies<br />
dürfte zum Teil über einen Abbau von Zeitguthaben<br />
auf den Arbeitszeitkonten erfolgt sein, der auf den<br />
Effektivlohn je Arbeitnehmer keinen direkten Effekt<br />
hat, jedoch rechnerisch dazu führt, dass die Stundenlöhne<br />
zulegen. Die Verringerung der geleisteten<br />
Arbeitszeit je Beschäftigten dürfte noch bis in das<br />
erste Quartal des Jahres <strong>2013</strong> anhalten.<br />
Insgesamt wird der Anstieg der Löhne und Gehälter<br />
je Beschäftigten durch die konjunkturell bedingte<br />
geringere Arbeitsnachfrage vorübergehend<br />
etwas gedämpft, sodass sie im Jahr 2012 um 2,7%<br />
und in den beiden Jahren danach um 2,8% und um<br />
2,9% zulegen. Die sich damit ergebenden Stundenverdienste<br />
steigen im Jahr 2012 um 3,3% und im<br />
Jahr <strong>2013</strong> um 3,1%, die Lohnstückkostenbelastung<br />
der Produktion nimmt in diesen Jahren um 2,6%<br />
und um 1,8% zu. Im Jahr 2014 werden die Stundenlöhne<br />
wieder ähnlich schnell wie die Löhne je Beschäftigten<br />
zunehmen, die Lohnstückkosten steigen<br />
um 1,5%.<br />
Schwacher Euroraum bremst Exportwachstum<br />
Im dritten Quartal 2012 wurden in Deutschland<br />
Waren und Dienstleistungen im Wert von 327 Mrd.<br />
Euro ausgeführt. Gleichzeitig betrug der Wert der<br />
Importe 278 Mrd. Euro. Damit stiegen die Ausfuhren<br />
um 1,4% und die Einfuhren um 1,0% im Vergleich<br />
zum Vorquartal. Auch im Oktober stiegen die Ausfuhren<br />
um 0,3% im Vergleich zum Vormonat. Trotz<br />
der weiterhin angespannten Lage im Euroraum<br />
entwickelten sich die Exporte demnach unerwartet<br />
gut, bei gleichzeitig schwacher Entwicklung der<br />
inländischen Verwendung. Der Außenhandel trug<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 21
im dritten Quartal 0,3 Prozentpunkte zur gesamtwirtschaftlichen<br />
Produktionsausweitung bei, nach<br />
0,7 Prozentpunkten im Vorquartal. Er erweist sich<br />
somit weiterhin als wesentliche Stütze der deutschen<br />
<strong>Konjunktur</strong>. Die starke Zunahme der Exporte ist<br />
wohl auf die recht günstigen Entwicklungen des<br />
Wechselkurses und der Wettbewerbsfähigkeit der<br />
deutschen Wirtschaft zurückzuführen. Vor allem<br />
der Zuwachs von Warenlieferungen in die Länder<br />
außerhalb des Euroraums setzte sich robust fort.<br />
Insbesondere stiegen zuletzt die Ausfuhren in<br />
die USA, nach Großbritannien, und Japan stark an.<br />
Auch die Ausfuhren nach Russland und in die<br />
Länder des Nahen und Mittleren Ostens legten in<br />
den letzten Monaten stark zu. Innerhalb des Euroraums<br />
sanken die Warenlieferungen nach Frankreich,<br />
Italien, und Spanien im August hingegen stark.<br />
Für die nächsten Monate weisen die Auftragseingänge<br />
aus dem übrigen Euroraum nicht auf eine<br />
weitere Schwächung der Nachfrage hin. Der entsprechende<br />
Index (ohne sonstigen Fahrzeugbau) ist<br />
im Oktober sogar gestiegen. Die Auftragseingänge<br />
außerhalb der Eurozone entwickelten sich ebenfalls<br />
positiv.<br />
Im Prognosezeitraum werden die Exporte von<br />
der Schulden- und Vertrauenskrise und der Schwäche<br />
des Welthandels gedämpft. Im Jahr 2012 werden<br />
die Exporte voraussichtlich um 4,3% zunehmen,<br />
nach 7,8% im Vorjahr. Im Jahr <strong>2013</strong> dürften die<br />
Ausfuhren weiter unter der schwachen Nachfrage<br />
aus dem Euroraum und der schwachen Weltkonjunktur<br />
leiden. Auch aus der preislichen Wettbewerbsfähigkeit<br />
werden wohl keine stimulierenden<br />
Impulse zu erwarten sein. Somit werden die<br />
Ausfuhren im Jahr <strong>2013</strong> wohl um 4,0% zulegen<br />
und erst im Jahr 2014 wieder etwas an Schwung<br />
gewinnen (vgl. Abbildung 11).<br />
Die Importe expandierten in der ersten Jahreshälfte<br />
2012 deutlich schwächer als die Ausfuhren.<br />
Dies ist wohl vor allem der schwachen Entwicklung<br />
der Ausrüstungsinvestitionen geschuldet.<br />
In der zweiten Jahreshälfte 2012 wird sich diese<br />
Entwicklung vermutlich fortsetzen und erst im Jahr<br />
<strong>2013</strong> von den anziehenden Investitionen wieder<br />
stimuliert werden. Insgesamt ist von einem Zuwachs<br />
von 2,3% im Jahr 2012 und 3,7% im Jahr<br />
<strong>2013</strong> auszugehen. Für das Folgejahr 2014 wird<br />
eine erneute Beschleunigung bei den Importen erwartet,<br />
da sich sowohl die inländische Nachfrage<br />
als auch die Exporte wieder beleben dürften (vgl.<br />
Tabelle 11).<br />
Die Preise <strong>für</strong> Waren und Dienstleistungen werden<br />
im Zuge der Belebung des Welthandels wieder<br />
leicht zunehmen. Aufgrund der nur leicht steigenden<br />
Lohnstückkosten dürfte der Preisauftrieb bei<br />
den Ausfuhren im Prognosehorizont aber weiterhin<br />
moderat ausfallen. Angesichts der schwachen Entwicklung<br />
der Rohstoffpreise dürften die Importpreise<br />
ebenfalls nur leicht ansteigen. Nachdem die<br />
Terms of Trade im Jahr 2012 um voraussichtlich<br />
0,6% zurückgehen, werden sie sich in <strong>2013</strong> nur<br />
noch um 0,2%, bzw. um 0,4% im Jahr 2014 verschlechtern.<br />
Abbildung 11:<br />
Reale Exporte<br />
- saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf -<br />
Mrd. Euro<br />
360<br />
340<br />
320<br />
300<br />
280<br />
260<br />
240<br />
I<br />
-12,8<br />
13,7<br />
II<br />
2009<br />
III IV I II<br />
2010<br />
III IV I II<br />
2011<br />
III IV I II<br />
2012<br />
III IV I II<br />
<strong>2013</strong><br />
III<br />
Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)<br />
verkettete Volumenangaben (linke Skala)<br />
Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)<br />
IWH<br />
1<br />
Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />
des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose des IWH.<br />
Tabelle 11:<br />
Indikatoren zur Außenwirtschaft<br />
2012 <strong>2013</strong> 2014<br />
Veränderung gegenüber<br />
dem Vorjahr in %<br />
Exporte, real 4,3 4,0 5,6<br />
Importe, real 2,3 3,7 6,6<br />
% in Relation zum nominalen<br />
Bruttoinlandsprodukt<br />
Exporte, nominal 51,8 53,0 55,0<br />
Importe, nominal 46,0 46,9 49,4<br />
In Mrd. Euro, nominal<br />
Außenbeitrag 155,2 163,4 157,0<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Prognose des IWH.<br />
7,8<br />
4,3<br />
4,0<br />
Prognosezeitraum<br />
IV<br />
%<br />
12<br />
8<br />
4<br />
0<br />
-4<br />
-8<br />
-12<br />
22<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
Gespaltene Investitionskonjunktur löst sich erst<br />
im Verlauf des Jahres <strong>2013</strong> auf<br />
Die Unternehmen haben ihre Investitionen im<br />
Sommerhalbjahr 2012 kräftig zurückgeschraubt,<br />
insgesamt gaben sie gegenüber dem vorangegangenen<br />
Halbjahr um etwa 4% nach. Bei den Ausrüstungen<br />
fiel der Rückgang mit 5,4% besonders<br />
drastisch, bei den Wirtschaftsbauten mit 2,3% etwas<br />
moderater aus. Ausschlaggebend dürften die<br />
weltweite konjunkturelle Abschwächung und die<br />
von der Staatsschuldenkrise einiger Euro-Länder<br />
ausgehende Unsicherheit sein, die zu einer Investitionszurückhaltung<br />
der Unternehmen führte. Die<br />
Investitionen in Wohnbauten wurden dagegen zuletzt<br />
deutlich ausgeweitet. Sowohl die privaten Haushalte<br />
als auch die Wohnungsunternehmen und Kapitalanleger<br />
haben vermehrt in den Neubau und die<br />
Modernisierung von Wohnimmobilien investiert.<br />
Die Unternehmensinvestitionen dürften im bevorstehenden<br />
Winterhalbjahr angesichts der immer<br />
noch schwächelnden Weltkonjunktur zunächst rückläufig<br />
bleiben. Die Bestellungen von Investitionsgütern<br />
aus dem Inland sind am <strong>aktuell</strong>en Rand sogar<br />
stark zurückgegangen. Im Verarbeitenden Gewerbe<br />
ist die Kapazitätsauslastung in den letzten<br />
Quartalen deutlich gesunken; sie befindet sich inzwischen<br />
in allen Hauptgruppen unter dem langfristigen<br />
Durchschnitt, im Schnitt um etwa zwei<br />
Prozentpunkte. Auch hinsichtlich der über die Nachfrage<br />
erwarteten Kapazitätsauslastung in den nächsten<br />
Monaten spricht in allen Industriebranchen per<br />
Saldo eine eindeutige Mehrheit der Betriebe von<br />
ausreichenden technischen Kapazitäten. 14 Damit<br />
stehen nur dringend notwendige Ersatz- und Rationalisierungsinvestitionen<br />
auf der Tagungsordnung.<br />
Erst im späteren Verlauf des Jahres <strong>2013</strong> und bis in<br />
das Jahr 2014 hinein dürften sich mit der anziehenden<br />
Weltkonjunktur und den greifenden Reformund<br />
Konsolidierungsmaßnahmen im Euroraum die<br />
Absatz- und Gewinnaussichten deutlicher aufhellen.<br />
Die Zuversicht der Unternehmen in die Zukunft<br />
kehrt zurück und dürfte dann wieder vermehrt Investitionen<br />
in Ausrüstungen und Wirtschaftsbauten<br />
auslösen, zumal Investitionen zuvor zurückgestellt<br />
worden waren und die Finanzierungsbedingungen<br />
14 Die Salden der Betriebsmeldungen mit mehr als ausreichenden<br />
gegenüber denen mit nicht ausreichenden technischen<br />
Kapazitäten reichen laut ifo <strong>Konjunktur</strong>test von 12% im<br />
Ledergewerbe bis 54% in der Metallerzeugung und<br />
-bearbeitung. In den gewichtigen Branchen Maschinenbau,<br />
Kraftfahrzeugherstellung und Elektrotechnik liegt dieser<br />
Saldo bei einem Fünftel bis einem Viertel. Vgl. CESifo<br />
Gruppe: ifo <strong>Konjunktur</strong>perspektiven, 10/2012.<br />
bei niedrigen Zinsen und nur wenig verschlechterten<br />
Kreditbedingungen relativ gut bleiben. Die Ausrüstungsinvestitionen<br />
gehen nach dieser Prognose<br />
um 5,5% im Jahr 2012 und um 3% im Jahr darauf<br />
zurück (vgl. Abbildung 12), im Jahr 2014 ziehen<br />
sie dagegen mit knapp 5½% an. Der gewerbliche<br />
Bau profitiert zunächst noch von bereits eingeleiteten<br />
Baugenehmigungen, sodass die Rückgänge im<br />
Winterhalbjahr geringer ausfallen als bei den Ausrüstungen.<br />
Alles in allem sinken die Unternehmensinvestitionen<br />
im Jahr <strong>2013</strong> wohl um 1,9%<br />
nach 3,8% im Jahr zuvor. Im Jahr 2014 dürften sie<br />
um 4½% zunehmen (vgl. Tabelle 12 und Kasten 4).<br />
Abbildung 12:<br />
Reale Investitionen in Ausrüstungen<br />
- saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf -<br />
Mrd. Euro<br />
55<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
I<br />
-22,5<br />
10,3<br />
II<br />
2009<br />
III IV I II<br />
2010<br />
III IV I II<br />
2011<br />
III IV I II<br />
2012<br />
III IV I II<br />
<strong>2013</strong><br />
III<br />
Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)<br />
verkettete Volumenangaben (linke Skala)<br />
Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)<br />
IWH<br />
1<br />
Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />
des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose des IWH.<br />
Tabelle 12:<br />
Reale Anlageinvestitionen in Deutschland<br />
- Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % -<br />
2012 <strong>2013</strong> 2014<br />
Anlageinvestitionen insgesamt −2,4 0,3 3,6<br />
Ausrüstungen −5,5 −3,0 5,6<br />
sonstige Anlagen 3,0 4,0 5,0<br />
Bauinvestitionen insgesamt −0,8 2,0 2,2<br />
Wohnbauten 2,6 3,3 2,0<br />
Nichtwohnbauten insgesamt −5,1 0,2 2,6<br />
gewerbliche Bauten −2,1 −1,5 2,5<br />
öffentliche Bauten −12,1 4,5 2,7<br />
nachrichtlich:<br />
Unternehmensinvestitionen −3,8 −1,9 4,6<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Prognose des IWH.<br />
7,0<br />
-5,5<br />
-3,0<br />
Prognosezeitraum<br />
IV<br />
%<br />
10<br />
5<br />
0<br />
-5<br />
-10<br />
-15<br />
-20<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 23
Kasten 4:<br />
Sektorkonten<br />
Die Sektorkonten sind neben dem Input-Output-System und anderen mit dem Bruttoinlandsprodukt zusammenhängenden<br />
Rechnungen ein wesentlicher Teil der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR). Die Sektorkonten,<br />
die im Rahmen des Europäischen Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen 1995 (ESVG 95) a<br />
erstellt werden, stellen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und den Wirtschaftskreislauf getrennt nach den verschiedenen<br />
Sektoren Kapitalgesellschaften, Staat, Private Haushalte und private Organisationen sowie die übrige Welt<br />
dar: angefangen bei der Produktion, über die Einkommensentstehung, -verteilung, -umverteilung und -verwendung<br />
sowie letztlich der Änderungen von finanziellem und nichtfinanziellem Vermögen. Im Ergebnis zeigen die Sektorkonten<br />
die realwirtschaftliche (nichtfinanzielle) Entstehung des nominalen Finanzierungssaldos. Dieser stimmt mit<br />
dem Finanzierungssaldo aus dem finanziellen Kontensystem überein. b Der Finanzierungssaldo der Sektoren ist<br />
der Teil des Sparens der jeweiligen Sektoren in einer Periode, welcher um die Vermögenstransfers und die zur Bildung<br />
von Sachvermögen (Investitionen und Nettozugang an Land und anderem nichtproduzierten Sachvermögen)<br />
benötigten Finanzmittel bereinigt ist.<br />
Deutschland insgesamt wird im Jahr 2012 einen Finanzierungsüberschuss in Höhe von 182,6 Mrd. Euro aufweisen.<br />
Dieser korrespondiert mit dem Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands. Die Finanzierungsüberschüsse kommen<br />
dabei hauptsächlich von den privaten Haushalten und von den Kapitalgesellschaften. Der Staatshaushalt ist im<br />
Jahr 2012 in etwa ausgeglichen (vgl. Abbildungen 13 und 14).<br />
Ein wesentlicher Teil des deutschen Finanzierungsüberschusses lässt sich durch den Exportüberschuss erklären.<br />
Das Ausland verschuldet sich dadurch gegenüber Deutschland. Im Jahr <strong>2013</strong> wird der Finanzierungsüberschuss<br />
weiter steigen. Ursächlich da<strong>für</strong> dürften unter anderem die geringeren Bruttoinvestitionen der Kapitalgesellschaften<br />
sein. Auch wenn die Bruttoinvestitionen der privaten Haushalte (häufig Wohnbauinvestitionen) im Jahr <strong>2013</strong><br />
weiter steigen werden und der Staat etwas mehr als im Vorjahr investieren wird, so reicht dies jedoch nicht aus, um<br />
den Rückgang der Investitionen in Ausrüstungen zu kompensieren. Im Folgejahr investieren – mit anziehender<br />
<strong>Konjunktur</strong> – dann auch die Kapitalgesellschaften wieder kräftiger. Insgesamt sinkt dadurch der Finanzierungsüberschuss<br />
Deutschlands.<br />
Abbildung 13:<br />
Jährliche Beiträge der Sektoren zum nominellen<br />
Finanzierungssaldo Deutschlands<br />
- in Mrd. Euro -<br />
Abbildung 14:<br />
Jährliche Beiträge der Sektoren zu den nominellen<br />
Bruttoinvestitionen in Deutschland<br />
- in Mrd. Euro -<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
-50<br />
-100<br />
500<br />
450<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
-150<br />
1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 <strong>2013</strong><br />
Kapitalgesellschaften<br />
Private Haushalte u. priv. Organisationen<br />
Staat<br />
Finanzierungssaldo <strong>für</strong> die gesamte Volksw irtschaft<br />
0<br />
1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 <strong>2013</strong><br />
Kapitalgesellschaften<br />
Private Haushalte u. priv. Organisationen<br />
Staat<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung des IWH; ab 2012: Prognose des IWH.<br />
IWH<br />
a<br />
Vgl. auch Verordnung (EG) Nr. 1161/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2005 über die Erstellung von vierteljährlichen<br />
nichtfinanziellen Sektorkonten. – b Vgl. Deutsche Bundesbank: Ergebnisse der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung<br />
<strong>für</strong> Deutschland – 2006 bis 2011. Statistische Sonderveröffentlichung 4. Juni 2012. Frankfurt am Main.<br />
24<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
Die Wohnungsbauinvestitionen bleiben im Prognosezeitraum<br />
tendenziell aufwärtsgerichtet. Der<br />
Arbeitsmarkt ist stabil, die real verfügbaren Einkommen<br />
steigen, die Finanzierungsbedingungen<br />
bleiben angesichts außerordentlich niedriger Zinsen<br />
und nur wenig schärferer Kreditbedingungen immer<br />
noch gut. Zwar waren die Auftragseingänge und die<br />
Bauproduktion am <strong>aktuell</strong>en Rand rückläufig. Die<br />
Auftragsbestände sind aber immer noch hoch. Diese<br />
hohen Auftragsreserven und die weiter gestiegenen<br />
Baugenehmigungen dürften somit zu einer Ausweitung<br />
der Neubauinvestitionen führen, wenngleich<br />
eine tendenziell abnehmende Dynamik zu erwarten<br />
ist. So steigen die Baugenehmigungen der privaten<br />
Haushalte zuletzt etwas verhaltener, bei den Unternehmen<br />
konnte das im zweiten Quartal erreichte<br />
hohe Genehmigungsniveau nicht wieder erreicht<br />
werden. Zwar lassen die gestiegenen Angebotsmieten<br />
besonders in expandierenden Großstädten<br />
gute Vermarktungsaussichten erwarten, aber auch<br />
die Baukosten sind in den vergangenen zwei Jahren<br />
kräftig gestiegen und eine weitere Verteuerung ist<br />
mit der geplanten Energiesparverordnung im Neubau<br />
zu erwarten. Anregungen werden im Prognosezeitraum<br />
auch von Ausbau und Modernisierung<br />
des Wohnungsbestandes kommen. Hier dürften<br />
allerdings die überdurchschnittlich zunehmenden<br />
Preise <strong>für</strong> energetisch relevante Baumaterialien 15<br />
ebenfalls dämpfend wirken. Die Wohnungsbauinvestitionen<br />
steigen im Jahr <strong>2013</strong> um 3,3% nach<br />
2,6% im Jahr zuvor, im Jahr 2014 dürfte der Zuwachs<br />
bei etwa 2% liegen.<br />
Der öffentliche Bau hat sich nach der außergewöhnlichen<br />
Zäsur von knapp −13% im ersten<br />
Halbjahr 2012, die vor allem den ausgelaufenen<br />
<strong>Konjunktur</strong>paketen geschuldet sein dürfte, zuletzt<br />
wieder etwas erholt. Die Belebung dürfte sich angesichts<br />
der relativ entspannten Finanzlage der<br />
öffentlichen Haushalte im Prognosezeitraum fortsetzen,<br />
auch wenn die Zuwächse wegen der extrem<br />
divergierenden Finanzausstattung der Kommunen,<br />
die Hauptträger der Investitionen sind, eher moderat<br />
sein dürften. Die öffentlichen Bauinvestitionen<br />
sinken im Jahr 2012 vor allem aufgrund der Investitionsschwäche<br />
zu Jahresbeginn um gut 12%. Im<br />
Jahr <strong>2013</strong> zieht die Investitionstätigkeit mit 4½%<br />
und im Jahr darauf mit 3% aber wieder an. Die<br />
15 Vgl. Simons, H.: Energetische Sanierung von Ein- und<br />
Zweifamilienhäusern: Energetischer Zustand, Sanierungsfortschritte<br />
und politische Instrumente. Im Auftrag des Verbandes<br />
der Privaten Bausparkassen e. V. Empirica Forschung<br />
und Beratung. Berlin 2012, 4 und 59 ff.<br />
Bauinvestitionen insgesamt dürften nach einem<br />
Rückgang um 0,8% im Jahr 2012 in den beiden<br />
folgenden Jahren wieder um etwa 2% zulegen (vgl.<br />
Abbildung 15).<br />
Abbildung 15:<br />
Reale Bauinvestitionen<br />
- saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf -<br />
Mrd. Euro<br />
60<br />
58<br />
56<br />
54<br />
52<br />
50<br />
48<br />
I<br />
-3,2<br />
3,2<br />
5,8 -0,8<br />
II<br />
2009<br />
III IV I II<br />
2010<br />
III IV I II<br />
2011<br />
III IV I II<br />
2012<br />
III IV I II<br />
<strong>2013</strong><br />
III<br />
Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)<br />
verkettete Volumenangaben (linke Skala)<br />
Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)<br />
IWH<br />
1<br />
Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />
des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose des<br />
IWH.<br />
Privater Konsum schwächt sich vorübergehend ab<br />
Nach der Konsumschwäche zu Beginn des Jahres<br />
2012 kauften die privaten Haushalte im dritten<br />
Quartal wieder kräftiger ein. Insbesondere wurden<br />
langlebige Konsumgüter angeschafft. Dazu beigetragen<br />
haben dürften auch die recht hohen Einkommenszuwächse<br />
(vgl. Tabelle 13). So stiegen<br />
die Bruttolöhne und -gehälter in den beiden ersten<br />
Quartalen des Jahres recht kräftig an und auch im<br />
dritten Quartal gab es nochmals eine Zunahme bei<br />
der Lohnsumme. Die vergangenen Zuwächse resultierten<br />
aus einem Anstieg sowohl der Beschäftigung<br />
als auch der Effektivlöhne. Dieser Trend<br />
schwächt sich aufgrund der konjunkturellen Lage<br />
ab. Insgesamt werden die Bruttolöhne und -gehälter<br />
im Jahr 2012 um 3,7% steigen. Im Folgejahr wird<br />
der Zuwachs mit 2,8% aufgrund einer leicht sinkenden<br />
Beschäftigung geringer ausfallen und im<br />
Jahr 2014 dann wohl bei 3,1% liegen. Zum Anstieg<br />
der Nettolöhne trägt im Prognoszeitraum geringfügig<br />
auch die Verringerung des kumulierten Beitragssatzes<br />
zu den Sozialversicherungen bei.<br />
2,0<br />
Prognosezeitraum<br />
IV<br />
%<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
-2<br />
-4<br />
-6<br />
-8<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 25
Tabelle 13:<br />
Verfügbare Einkommen und Konsumausgaben der<br />
privaten Haushalte a in Deutschland<br />
- Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % -<br />
2012 <strong>2013</strong> 2014<br />
verfügbare Einkommen, nominal 2,1 2,1 2,9<br />
darunter:<br />
Nettolöhne und -gehälter<br />
(Summe)<br />
3,6 2,7 2,5<br />
monetäre Sozialleistungen 1,6 2,4 2,0<br />
Selbstständigen-, Vermögenseinkommen<br />
1,8 0,6 3,7<br />
Sparen 2,4 2,1 2,9<br />
private Konsumausgaben,<br />
nominal<br />
2,1 2,1 2,9<br />
nachrichtlich:<br />
Bruttolöhne und -gehälter 3,7 2,8 3,1<br />
(Summe)<br />
Sparquote (in %) 10,4 10,4 10,4<br />
Preisindex des privaten Konsums 1,6 1,7 1,8<br />
private Konsumausgaben, real 0,5 0,4 1,2<br />
a Einschließlich der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck.<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Prognose des IWH.<br />
Vor allem durch die Erhöhung der gesetzlichen<br />
Renten nahmen die monetären Sozialleistungen im<br />
dritten Quartal 2012 um 1,8% zu. Auch im Jahr<br />
<strong>2013</strong> ist nochmals von einer kräftigen Rentenerhöhung<br />
auszugehen. Zudem wird das Betreuungsgeld<br />
eingeführt. Dies beides und der Anstieg der<br />
Arbeitslosigkeit dürften im Jahr <strong>2013</strong> zu weiter steigenden<br />
Transfereinkommen führen. Im Jahr 2014<br />
werden diese dann wohl nicht mehr ganz so kräftig<br />
zulegen. Die Masseneinkommen werden im Jahr<br />
2012 um 3,0% und in den beiden folgenden Jahren<br />
um 2,6% und 2,3% zunehmen. Die Selbstständigenund<br />
Vermögenseinkommen steigen im Jahr 2012<br />
vergleichsweise geringfügig um 1,8%. Im Jahr <strong>2013</strong><br />
schwächt sich ihr Anstieg noch weiter ab und erst<br />
im Jahr 2014 werden sie wieder aufholen und dann<br />
schneller als die Masseneinkommen steigen.<br />
Alles in allem nehmen die verfügbaren Einkommen<br />
der privaten Haushalte voraussichtlich in<br />
den Jahren 2012 und <strong>2013</strong> jeweils um nominal 2,1%<br />
zu. Erst im Jahr 2014 gibt es wieder einen stärkeren<br />
Anstieg. Der Preisanstieg in den Jahren 2012 bis<br />
2014 dürfte jeweils niedriger sein, 16 sodass leichte<br />
16 Dieser Preisanstieg wird mit dem Konsumdeflator gemessen,<br />
der etwas niedriger als der Anstieg der Verbraucherpreise ist.<br />
Seit einigen Quartalen hat sich der Abstand zwischen dem<br />
Anstieg des Konsumdeflators und der Verbraucherpreise<br />
merklich vergrößert. Dies ist insbesondere auf statistische<br />
reale Einkommenszuwächsen zu erwarten sind. Die<br />
Sparquote, die bereits seit dem Jahr 2011 unverändert<br />
ist, wird wohl auch weiterhin annähernd konstant<br />
bleiben.<br />
Die im Oktober 2012 deutlich verringerten Einzelhandelsumsätze<br />
deuten darauf hin, dass die privaten<br />
Käufe im vierten Quartal des Jahres 2012<br />
niedriger als im dritten Quartal ausfallen werden.<br />
Allerdings sind die realen verfügbaren Einkommen<br />
bis zuletzt gestiegen. Auch deshalb dürften die privaten<br />
Haushalte in den ersten beiden Quartalen des<br />
Jahres <strong>2013</strong> wieder etwas mehr konsumieren. Mit<br />
den sich wieder verbessernden Arbeitsmarkt- und<br />
Einkommensaussichten ab Mitte des Jahres <strong>2013</strong><br />
dürften die privaten Käufe dann wieder stärker zulegen.<br />
Alles in allem werden die privaten Konsumausgaben<br />
im Jahr 2012 um 0,5%, im Jahr <strong>2013</strong> um<br />
0,4% und danach um 1,2% zunehmen. Damit tragen<br />
sie im Jahr 2012 und <strong>2013</strong> mit 0,3 bzw. 0,2 Prozentpunkten<br />
und im Folgejahr mit 0,7 Prozentpunkten<br />
zum Anstieg des Bruttoinlandprodukts bei (vgl.<br />
Abbildung 16).<br />
Abbildung 16:<br />
Reale Konsumausgaben der privaten Haushalte 1<br />
- saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf -<br />
Mrd. Euro<br />
354<br />
350<br />
346<br />
342<br />
338<br />
334<br />
330<br />
I<br />
0,1<br />
0,9<br />
1,7<br />
II<br />
2009<br />
III IV I II<br />
2010<br />
III IV I II<br />
2011<br />
III IV I II<br />
2012<br />
III IV I II<br />
<strong>2013</strong><br />
III<br />
Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)<br />
verkettete Volumenangaben (linke Skala)<br />
Jahresdurchschnitt² (linke Skala)<br />
IWH<br />
1<br />
Einschließlich Organisationen ohne Erwerbszweck. – 2 Ursprungswerte:<br />
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />
des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose des<br />
IWH.<br />
Sondereffekte bei der indirekten Messung des Wertes von<br />
Finanzserviceleistungen (FISIM) zurückzuführen, bei der es<br />
aufgrund der Eurokrise zu Verzerrungen kommt. Dies wirkt<br />
sich auf den Konsumdeflator aus, der ohne die Preiseffekte<br />
der FISIM im dritten Quartal 2012 wohl um ca. 0,3 Prozentpunkte<br />
höher wäre.<br />
0,5<br />
0,4<br />
Prognosezeitraum<br />
IV<br />
%<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0,0<br />
-0,5<br />
-1,0<br />
-1,5<br />
26<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
Energiewende lässt Preise steigen<br />
Nachdem sich die Inflation zu Beginn des Jahres<br />
2012 aufgrund der Preisanstiege bei Energie und<br />
Nahrungsmitteln kurzzeitig recht kräftigt beschleunigt<br />
hatte, ging im Sommerhalbjahr der Anstieg<br />
wieder etwas zurück. Im Oktober 2012 lag die Inflationsrate<br />
bei 2,0% im Vorjahresvergleich. Die<br />
Kernrate der Inflation (Anstieg der Verbraucherpreise<br />
ohne Preise <strong>für</strong> Energie und saisonabhängige<br />
Nahrungsmittel) hat dabei nur moderat zugelegt<br />
und lag bei 1,4%. Insgesamt werden die Preise im<br />
Jahr 2012 um 2,0% ansteigen. Dies ist nicht zuletzt<br />
darauf zurückzuführen, dass sich die Wohnungsmieten<br />
(einschließlich Mietwert von Eigentümerwohnungen),<br />
die ein Gewicht von etwa 20% im<br />
Verbraucherpreisindex haben, kaum verteuert haben.<br />
Sie stiegen im Jahr 2012 lediglich um 1,2% und<br />
liegen damit im langjährigen Mittel der Preisentwicklung<br />
bei den Wohnungsmieten. Etwaige Auswirkungen<br />
der Vermögenspreissteigerungen <strong>für</strong> (Wohn-)<br />
Immobilien auf die durchschnittlichen Mieten sind<br />
bislang nicht sichtbar. Im Prognosezeitraum dürften<br />
die Wohnungsmieten erst sehr langsam an Fahrt<br />
gewinnen, da Preiserhöhungen primär nur bei Neuvermietungen<br />
in bestimmten Regionen durchsetzbar<br />
sind und diese nur einen geringen Anteil des<br />
Gesamtbestandes der Wohnungen betreffen.<br />
Die Inflationsrate wird auch weiterhin deutlich<br />
durch die Preisentwicklung bei Energie bestimmt.<br />
So werden zu Beginn des Jahres <strong>2013</strong> aufgrund der<br />
um fast 50% erhöhten Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz<br />
(EEG-Umlage) 17 in Höhe<br />
von 5,277 Cent pro Kilowattstunde 18 die Preise <strong>für</strong><br />
elektrische Energie im Durchschnitt wohl um mehr<br />
als 10% steigen. Davon sind insbesondere die privaten<br />
Haushalte betroffen, da energieintensive Betriebe<br />
unter gewissen Voraussetzungen nur eine<br />
reduzierte EEG-Umlage zahlen müssen und zudem<br />
von niedrigen Preisen an der Strombörse infolge<br />
der Energiewende partizipieren können. 19 Auch<br />
dürften die Gaspreise von den Versorgern vielfach<br />
17 Vgl. dazu das Gesetz <strong>für</strong> den Vorrang Erneuerbarer Energien<br />
(Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) abrufbar unter<br />
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/eeg_2009/<br />
gesamt.pdf.<br />
18 Vgl. dazu beispielsweise http://www.eeg-kwk.net/de/file/<br />
20121015_PM_EEG-Umlage.pdf.<br />
19 Vgl. auch Bundesministerium <strong>für</strong> Umwelt, Naturschutz und<br />
Reaktorsicherheit (BMU): Einfluss der Umwelt- und Klimapolitik<br />
auf die Energiekosten der Industrie – mit Fokus auf<br />
die EEG-Umlage. Berlin, März 2011.<br />
erhöht werden. Hinzu kommt der weitere Anstieg<br />
der Tabaksteuer.<br />
Die Preisentwicklung wird vom Auslastungsgrad<br />
der Produktion mit beeinflusst. Dieser verringert<br />
sich zum Jahreswechsel 2012/<strong>2013</strong> aufgrund<br />
der konjunkturellen Schwächephase und dürfte auf<br />
die Preise eher entlastend wirken. Dies zeigt sich<br />
auch in den kurzfristigen Inflationserwartungen. 20<br />
Alles in allem dürften die Verbraucherpreise<br />
unter der Annahme in etwa konstanter Ölpreise<br />
und eines stabilen Wechselkurses im Jahr <strong>2013</strong> um<br />
2,0% und im Jahr 2014 um 1,8% steigen.<br />
Öffentliche Finanzen: Staatshaushalt <strong>2013</strong><br />
wieder mit Defizit<br />
Im Jahr 2012 war der gesamtstaatliche Haushalt<br />
nahezu ausgeglichen. Auf der Einnahmeseite trugen<br />
hierzu insbesondere die Einkommen- und Vermögensteuern<br />
bei, die vor allem aufgrund deutlich steigender<br />
Bruttolöhne und -gehälter nochmals recht<br />
kräftig zulegten. Demzufolge erhöhten sich auch<br />
die Beiträge an die Sozialversicherungen spürbar,<br />
wenngleich hier die Senkung des Beitragssatzes zur<br />
gesetzlichen Rentenversicherung dämpfend wirkte.<br />
Der Haushaltsausgleich war jedoch nicht allein<br />
konjunkturbedingt. Nach offizieller Berechnung war<br />
der gesamtstaatliche Haushalt auch strukturell nahezu<br />
ausgeglichen. Die Staatsausgaben nahmen, nach<br />
einem Rückgang im Jahr 2011, wieder leicht zu.<br />
Dies gilt aufgrund des Auslaufens von Sparmaßnahmen<br />
im Gesundheitswesen insbesondere <strong>für</strong> die<br />
sozialen Sachleistungen und die sonstigen laufenden<br />
Transfers, die infolge höherer Abführungen an<br />
die Europäische Union deutlich ausgeweitet wurden.<br />
Dagegen gingen die Zinsausgaben aufgrund<br />
der günstigen Refinanzierungskonditionen insbesondere<br />
des Bundes deutlich zurück. Gleiches gilt,<br />
aufgrund sinkender Investitionszuschüsse an Unternehmen<br />
und der Abschaffung der Eigenheimzulage,<br />
<strong>für</strong> die geleisteten Vermögenstransfers. Bedingt<br />
durch das Auslaufen der <strong>Konjunktur</strong>pakete entwickelten<br />
sich auch die öffentlichen Investitionen<br />
rückläufig.<br />
Im Prognosezeitraum wird sich die Situation der<br />
öffentlichen Haushalte zunächst wieder etwas verschlechtern.<br />
Zwar werden auf der Einnahmeseite die<br />
hohen Lohnabschlüsse das Lohnsteueraufkommen<br />
20 Beispielsweise abgelesen an der Differenz der Renditen<br />
zwischen Bundesanleihen mit fixem Zinscoupon und der<br />
Rendite inflationsindexierter Bundesanleihen. Bloomberg,<br />
Market Data.<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 27
weiter steigern, jedoch kommt der Beschäftigungsaufbau<br />
im Jahr <strong>2013</strong> zum Stillstand. Bei den Sozialbeiträgen<br />
wirkt dann zusätzlich die deutliche Absenkung<br />
des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung<br />
einnahmemindernd. Die Gewinnsteuereinnahmen<br />
werden vor dem Hintergrund der<br />
nur schwach expandierenden Nachfrage nahezu stagnieren.<br />
Dagegen dürften die Zinseinnahmen und<br />
damit die Vermögenseinkommen des Staates wieder<br />
zulegen. Gleiches gilt, auch infolge von Gebührenerhöhungen<br />
vieler Kommunen, <strong>für</strong> die Verkäufe<br />
des Staates. Im Jahr 2014 legen die Staatseinnahmen<br />
wieder stärker zu. Dies ist im Wesentlichen auf die<br />
mit der zu erwartenden konjunkturellen Erholung<br />
stärker expandierenden Einnahmen aus Steuern und<br />
Sozialbeiträgen zurückzuführen. 21 Alles in allem<br />
werden die Staatseinnahmen im Jahr <strong>2013</strong> um 2%<br />
und damit deutlich schwächer zunehmen als in den<br />
beiden Jahren zuvor; im Jahr 2014 erhöhen sich die<br />
staatlichen Einnahmen um 3%.<br />
Die Staatsausgaben werden im Jahr <strong>2013</strong>, auch<br />
vor dem Hintergrund nachlassender Konsolidierungsbemühungen<br />
und einer expansiv ausgerichteten<br />
Finanzpolitik, stärker ausgeweitet als in den<br />
Vorjahren. So fallen etwa Mehrausgaben im Zuge<br />
der Neuausrichtung der Pflegeversicherung oder<br />
durch das neu eigeführte Betreuungsgeld an. Die<br />
monetären Sozialleistungen werden aber vor allem<br />
aufgrund deutlicher Rentenerhöhungen, insbesondere<br />
infolge kräftiger Lohnzuwächse in den vergangenen<br />
beiden Jahren, wieder stärker zulegen.<br />
Bei den Arbeitnehmerentgelten schlagen die kräftigen<br />
Gehaltssteigerungen der Beschäftigten von<br />
Bund und Kommunen zu Buche; zudem sind durch<br />
die im Laufe des Jahres <strong>2013</strong> anstehenden Tarifabschlüsse<br />
<strong>für</strong> die Landesbediensteten weitere Ausgabensteigerungen<br />
zu erwarten. Die Zinsausgaben<br />
des Staates werden im Jahr <strong>2013</strong> aufgrund des wieder<br />
stärker gestiegenen Schuldenstandes nur noch leicht<br />
sinken. Schließlich werden die öffentlichen Investitionen,<br />
die nach dem Auslaufen der <strong>Konjunktur</strong>pakete<br />
stark rückläufig waren, wieder ausgeweitet.<br />
Alles in allem werden sich die Ausgaben des Staates<br />
im Jahr <strong>2013</strong> um 2,8% erhöhen. Im folgenden Jahr<br />
fällt der Ausgabenanstieg etwas geringer aus. Nach<br />
einem nahezu ausgeglichenen Haushalt im Jahr<br />
2012 wird sich der Finanzierungssaldo des Staates<br />
im Jahr <strong>2013</strong> wieder leicht verschlechtern. Das<br />
Finanzierungsdefizit beläuft sich auf 0,3% in Relation<br />
zum nominalen Bruttoinlandsprodukt. Im Jahr<br />
2014 dürfte sich der negative Finanzierungssaldo<br />
etwas verringern. 22<br />
21 Sollten, anders als in dieser Prognose unterstellt, im Prognosezeitraum<br />
Maßnahmen zum Abbau der kalten Progression<br />
umgesetzt werden, würde dies die Steuereinnahmen mindern.<br />
22 In dieser Prognose wird unterstellt, dass ein zweiter Schuldenschnitt<br />
<strong>für</strong> Griechenland unausweichlich ist. Da derzeit<br />
aber nicht vorhersehbar ist, wann und in welcher Form ein<br />
Schuldenschnitt erfolgen wird, ist dieser in der Prognose<br />
der öffentlichen Finanzen nicht quantifiziert.<br />
28<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
Hauptaggregate der Sektoren<br />
- in Mrd. Euro -<br />
Gesamte<br />
Volkswirtschaft<br />
Kapitalgesellschaften<br />
Staat<br />
2011 2012 <strong>2013</strong> 2014<br />
Priv.<br />
Haushalte<br />
und priv.<br />
Organisationen<br />
o. E.<br />
übrige Welt<br />
Gesamte<br />
Volkswirtschaft<br />
Kapitalgesellschaften<br />
Staat<br />
1 = Bruttowertschöpfung 2 317,4 1 541,7 239,6 536,2 - 2 363,1 1 565,9 245,1 552,1 - 2 421,4 1 603,8 254,9 562,7 - 2 498,5 1 654,2 261,9 582,4 -<br />
2 – Abschreibungen 390,2 224,8 44,5 120,9 - 400,5 229,2 45,8 125,4 - 410,7 233,6 47,1 130,0 - 420,5 236,5 49,2 134,9 -<br />
3 = Nettowertschöpfung 1 1 927,2 1 316,9 195,1 415,2 - 131,7 1 962,6 1 336,6 199,2 426,8 - 155,2 2 010,7 1 370,3 207,8 432,7 - 163,4 2 077,9 1 417,6 212,8 447,5 - 157,0<br />
4 – Geleistete Arbeitnehmerentgelte 1 326,3 928,8 199,7 197,8 10,4 1 372,4 963,4 203,9 205,2 10,5 1 407,0 986,9 209,9 210,2 10,2 1 450,5 1 018,5 215,1 216,9 10,1<br />
5 – Geleistete sonstige Produktionsabgaben 17,7 8,7 0,1 9,0 - 18,9 9,3 0,1 9,6 - 18,0 8,8 0,1 9,1 - 18,1 8,9 0,1 9,2 -<br />
6 + Empfangene sonstige Subventionen 26,2 23,6 0,4 2,2 - 28,1 25,4 0,4 2,3 - 29,0 26,2 0,4 2,4 - 29,1 26,3 0,4 2,4 -<br />
7 = Betriebsüberschuss/Selbständigeneinkommen 609,4 403,1 - 4,3 210,6 - 142,0 599,4 389,5 - 4,4 214,3 - 165,7 614,7 400,7 - 1,8 215,7 - 173,6 638,4 416,6 - 2,0 223,8 - 167,2<br />
8 + Empfangene Arbeitnehmerentgelte 1 328,0 - - 1 328,0 8,7 1 374,3 - - 1 374,3 8,6 1 408,9 - - 1 408,9 8,3 1 452,4 - - 1 452,4 8,2<br />
9 – Geleistete Subventionen 26,9 - 26,9 - 5,7 28,2 - 28,2 - 5,6 29,3 - 29,3 - 5,6 29,4 - 29,4 - 5,6<br />
10 + Empfangene Produktions- und Importabgaben 292,9 - 292,9 - 6,3 300,1 - 300,1 - 6,6 306,2 - 306,2 - 6,9 310,2 - 310,2 - 8,9<br />
11 – Geleistete Vermögenseinkommen 872,2 755,2 65,9 51,2 192,6 872,7 757,5 63,2 52,0 194,0 892,2 777,1 62,7 52,4 188,8 927,9 809,2 64,3 54,4 185,6<br />
12 + Empfangene Vermögenseinkommen 919,5 476,0 27,3 416,3 145,3 926,8 477,8 25,2 423,8 139,9 943,4 491,3 25,7 426,4 137,6 983,2 515,0 25,9 442,3 130,2<br />
13 = Primäreinkommen (Nettonationaleinkommen) 2 250,7 123,8 223,2 1 903,7 - 180,0 2 299,6 109,8 229,5 1 960,4 - 210,1 2 351,6 114,9 238,1 1 998,6 - 215,2 2 426,9 122,4 240,4 2 064,1 - 211,0<br />
Priv.<br />
Haushalte<br />
und priv.<br />
Organisationen<br />
o. E.<br />
übrige Welt<br />
Gesamte<br />
Volkswirtschaft<br />
Kapitalgesellschaften<br />
Staat<br />
Priv.<br />
Haushalte<br />
und priv.<br />
Organisationen<br />
o. E.<br />
übrige Welt<br />
Gesamte<br />
Volkswirtschaft<br />
Kapitalgesellschaften<br />
Staat<br />
Priv.<br />
Haushalte<br />
und priv.<br />
Organisationen<br />
o. E.<br />
übrige Welt<br />
Geleistete Einkommen- und<br />
14 – Vermögensteuern 291,9 66,2 - 225,7 5,0 313,5 70,5 - 243,0 5,0 322,0 69,2 - 252,8 5,5 338,5 72,2 - 266,2 6,0<br />
Empfangene Einkommen- und<br />
15<br />
+ Vermögensteuern 296,6 - 296,6 - 0,3 318,2 - 318,2 - 0,3 327,2 - 327,2 - 0,3 344,2 - 344,2 - 0,3<br />
16 – Geleistete Sozialbeiträge 524,4 - - 524,4 2,9 536,6 - - 536,6 3,1 544,3 - - 544,3 3,2 559,2 - - 559,2 3,2<br />
17 + Empfangene Sozialbeiträge 525,4 87,9 436,9 0,6 1,9 537,8 90,0 447,2 0,6 1,9 545,5 92,2 452,8 0,6 1,9 560,4 94,7 465,1 0,6 1,9<br />
18 – Geleistete monetäre Sozialleistungen 479,3 53,3 425,4 0,6 0,4 486,9 54,2 432,1 0,6 0,4 498,4 55,8 442,0 0,6 0,4 508,2 56,9 450,7 0,6 0,4<br />
19 + Empfangene monetäre Sozialleistungen 473,2 - - 473,2 6,5 480,7 - - 480,7 6,6 492,1 - - 492,1 6,7 501,8 - - 501,8 6,8<br />
20 – Geleistete sonstige laufende Transfers 200,5 76,3 53,8 70,4 5,0 193,7 65,2 58,1 70,5 4,9 198,5 70,2 59,2 69,2 4,8 202,5 73,4 60,4 68,7 4,7<br />
21 + Empfangene sonstige laufende Transfers 166,8 76,1 17,0 73,7 38,7 167,9 76,5 17,3 74,1 30,8 169,7 76,7 17,6 75,5 33,6 172,9 76,7 17,9 78,3 34,3<br />
22 = Verfügbares Einkommen (Ausgabenkonzept) 2 216,6 92,1 494,4 1 630,1 - 145,9 2 273,4 86,4 522,0 1 665,0 - 184,0 2 323,0 88,5 534,5 1 699,9 - 186,5 2 397,9 91,4 556,5 1 750,1 - 182,0<br />
23 – Konsumausgaben 1 987,4 - 499,8 1 487,7 - 2 033,1 - 513,8 1 519,2 - 2 086,3 - 535,1 1 551,2 - 2 147,7 - 550,9 1 596,9 -<br />
24 + Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche - - 30,1 - 30,1 - - - 30,8 - 30,8 - - - 31,6 - 31,6 - - - 32,3 - 32,3 -<br />
25 = Sparen 229,2 61,9 - 5,4 172,6 - 145,9 240,4 55,6 8,2 176,7 - 184,0 236,7 56,9 - 0,6 180,3 - 186,5 250,2 59,0 5,6 185,5 - 182,0<br />
26 – Geleistete Vermögenstransfers 39,3 6,1 27,2 6,0 3,8 38,1 6,7 25,4 6,0 3,4 36,6 6,0 24,6 6,0 2,6 36,3 5,7 24,5 6,1 3,0<br />
27 + Empfangene Vermögenstransfers 38,3 16,0 9,7 12,6 4,7 37,1 16,2 9,8 11,0 4,4 35,7 16,3 9,9 9,5 3,5 35,3 16,4 10,0 9,0 4,0<br />
28 – Bruttoinvestitionen 473,5 267,6 42,7 163,2 - 456,9 245,7 39,5 171,7 - 460,8 236,7 41,7 182,4 - 488,7 254,4 43,4 190,9 -<br />
29 + Abschreibungen 390,2 224,8 44,5 120,9 - 400,5 229,2 45,8 125,4 - 410,7 233,6 47,1 130,0 - 420,5 236,5 49,2 134,9 -<br />
Nettozugang an nicht produzierten<br />
30<br />
– Vermögensgütern - 0,5 - 1,4 1,0 - - 0,5 - 1,4 1,0 - - 0,5 - 1,4 0,9 - - 0,5 - 1,4 0,9 -<br />
31 = Finanzierungssaldo 144,9 28,6 - 19,7 136,0 - 144,9 183,0 48,2 0,3 134,5 - 183,0 185,6 63,6 - 8,5 130,5 - 185,6 181,1 51,4 - 1,7 131,4 - 181,1<br />
nachrichtlich: - - - - -<br />
32 Verfügbares Einkommen (Ausgabenkonzept) 2 216,6 92,1 494,4 1 630,1 - 145,9 2 273,4 86,4 522,0 1 665,0 - 184,0 2 323,0 88,5 534,5 1 699,9 - 186,5 2 397,9 91,4 556,5 1 750,1 - 182,0<br />
33 – Geleistete soziale Sachtransfers 319,0 - 319,0 - - 327,7 - 327,7 - - 341,1 - 341,1 - - 351,9 - 351,9 - -<br />
34 + Empfangene soziale Sachtransfers 319,0 - - 319,0 - 327,7 - - 327,7 - 341,1 - - 341,1 - 351,9 - - 351,9 -<br />
35 = Verfügbares Einkommen (Verbrauchskonzept) 2 216,6 92,1 175,4 1 949,1 - 145,9 2 273,4 86,4 194,3 1 992,7 - 184,0 2 323,0 88,5 193,5 2 041,0 - 186,5 2 397,9 91,4 204,6 2 101,9 - 182,0<br />
36 – Konsum 2 1 987,4 - 180,8 1 806,7 - 2 033,1 - 186,2 1 846,9 - 2 086,3 - 194,0 1 892,3 - 2 147,7 - 199,0 1 948,7 -<br />
37 + Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche - - 30,1 - 30,1 - - - 30,8 - 30,8 - - - 31,6 - 31,6 - - - 32,3 - 32,3 -<br />
38 = Sparen 229,2 62,0 - 5,4 172,6 - 145,9 240,4 55,6 8,2 176,7 - 184,0 236,7 56,9 - 0,6 180,3 - 186,5 250,2 59,0 5,6 185,5 - 182,0<br />
nachrichtlich: Saldo d. lfd. Transfers - 34,1 - 31,8 271,2 - 273,5 34,1 - 26,2 - 23,4 292,5 - 295,3 26,2 - 28,7 - 26,4 296,4 - 298,7 28,7 - 29,0 - 31,0 316,1 - 314,0 29,0<br />
Für den Sektor übrige Welt Importe abzüglich Exporte aus der bzw. an die übrige(n) Welt. – 2 Für den Sektor Staat Kollektivkonsum, <strong>für</strong> den Sektor private Haushalte, private Organisationen ohne Erwerbszweck<br />
Individualkonsum (einschließlich Konsumausgaben des Staates <strong>für</strong> den Individualverbrauch, d. h. einschließlich sozialer Sachtransfers).<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Jahreswerte 2012, <strong>2013</strong> und 2014: Prognose des IWH.<br />
1<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 29
Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung <strong>für</strong> Deutschland<br />
Vorausschätzung <strong>für</strong> die Jahre 2012 bis 2014<br />
2011 2012 <strong>2013</strong> 2014 2012 <strong>2013</strong><br />
1. Hj. 2. Hj. 1. Hj. 2. Hj.<br />
1. Entstehung des Inlandsproduktes<br />
Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr<br />
Erwerbstätige 1,4 1,0 0,1 0,2 1,2 0,7 0,1 0,0<br />
Arbeitsvolumen 1,4 0,4 - 0,3 0,3 1,3 - 0,5 - 1,0 0,4<br />
Arbeitsstunden je Erwerbstätige 0,0 - 0,6 - 0,4 0,1 0,1 - 1,2 - 1,1 0,4<br />
Produktivität 1 1,6 0,4 1,0 1,2 - 0,2 0,9 1,2 0,9<br />
Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt 3,0 0,8 0,7 1,5 1,1 0,4 0,2 1,2<br />
2. Verwendung des Inlandsproduktes in jeweiligen Preisen<br />
a) in Mrd. Euro<br />
Konsumausgaben 1 987,4 2 033,1 2 086,3 2 147,7 992,0 1 041,0 1 013,3 1 073,0<br />
Private Haushalte 2 1 487,7 1 519,2 1 551,2 1 596,9 742,1 777,1 754,2 797,0<br />
Staat 499,8 513,8 535,1 550,9 249,9 263,9 259,0 276,1<br />
Anlageinvestitionen 469,9 465,0 471,7 495,2 224,2 240,8 222,6 249,1<br />
Ausrüstungen 183,2 173,5 168,0 177,9 85,8 87,6 79,2 88,8<br />
Bauten 258,1 262,4 273,5 285,7 124,4 138,0 128,9 144,6<br />
Sonstige Anlageinvestitionen 28,5 29,1 30,2 31,6 14,0 15,2 14,5 15,7<br />
Vorratsveränderung 3 3,7 - 8,1 - 10,9 - 6,5 5,1 - 13,2 1,6 - 12,5<br />
Inländische Verwendung 2 460,9 2 490,0 2 547,1 2 636,4 1 221,4 1 268,6 1 237,5 1 309,6<br />
Außenbeitrag 131,7 155,2 163,4 157,0 78,5 76,8 87,9 75,5<br />
Exporte 1 300,8 1 371,3 1 435,9 1 536,6 675,3 696,0 705,4 730,5<br />
Importe 1 169,2 1 216,1 1 272,5 1 379,5 596,8 619,3 617,5 655,0<br />
Bruttoinlandsprodukt 2 592,6 2 645,2 2 710,5 2 793,4 1 299,9 1 345,3 1 325,4 1 385,1<br />
b) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr<br />
Konsumausgaben 3,5 2,3 2,6 2,9 2,7 2,0 2,1 3,1<br />
Private Haushalte 2 3,8 2,1 2,1 2,9 2,6 1,7 1,6 2,6<br />
Staat 2,5 2,8 4,1 2,9 2,8 2,8 3,7 4,6<br />
Anlageinvestitionen 7,9 - 1,0 1,4 5,0 0,6 - 2,5 - 0,7 3,5<br />
Ausrüstungen 7,3 - 5,3 - 3,2 5,9 - 1,1 - 9,1 - 7,7 1,3<br />
Bauten 9,0 1,7 4,3 4,5 1,7 1,6 3,6 4,8<br />
Sonstige Anlageinvestitionen 3,3 2,1 3,5 4,6 2,4 1,8 3,5 3,5<br />
Inländische Verwendung 4,4 1,2 2,3 3,5 1,8 0,6 1,3 3,2<br />
Exporte 10,9 5,4 4,7 7,0 5,5 5,3 4,5 5,0<br />
Importe 13,0 4,0 4,6 8,4 4,9 3,2 3,5 5,8<br />
Bruttoinlandsprodukt 3,9 2,0 2,5 3,1 2,3 1,8 2,0 3,0<br />
3. Verwendung des Inlandsproduktes, verkettete Volumenangaben (Referenzjahr 2005)<br />
a) in Mrd. Euro<br />
Konsumausgaben 1 837,6 1 850,0 1 861,6 1 882,7 909,0 940,9 911,4 950,3<br />
Private Haushalte 2 1 371,3 1 378,7 1 384,3 1 400,4 675,4 703,3 675,1 709,3<br />
Staat 466,2 471,2 477,2 482,2 233,6 237,6 236,3 241,0<br />
Anlageinvestitionen 438,8 428,3 429,4 445,0 206,2 222,1 202,4 226,9<br />
Ausrüstungen 187,1 176,7 171,4 181,1 86,6 90,1 80,1 91,3<br />
Bauten 219,3 217,7 222,0 226,9 103,7 114,0 105,2 116,8<br />
Sonstige Anlageinvestitionen 31,5 32,5 33,8 35,5 15,4 17,1 16,0 17,7<br />
Inländische Verwendung 2 292,9 2 284,0 2 293,3 2 333,5 1 128,6 1 155,5 1 123,7 1 169,6<br />
Exporte 1 233,6 1 286,3 1 337,1 1 412,2 634,8 651,5 659,4 677,7<br />
Importe 1 074,8 1 099,1 1 139,9 1 214,7 537,9 561,2 554,4 585,6<br />
Bruttoinlandsprodukt 2 451,5 2 470,2 2 488,0 2 526,4 1 225,1 1 245,1 1 227,6 1 260,4<br />
b) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr<br />
Konsumausgaben 1,5 0,7 0,6 1,1 1,0 0,3 0,3 1,0<br />
Private Haushalte 2 1,7 0,5 0,4 1,2 0,9 0,1 - 0,1 0,9<br />
Staat 1,0 1,1 1,3 1,1 1,2 0,9 1,1 1,4<br />
Anlageinvestitionen 6,2 - 2,4 0,3 3,6 - 0,8 - 3,8 - 1,8 2,2<br />
Ausrüstungen 7,0 - 5,5 - 3,0 5,6 - 1,4 - 9,2 - 7,6 1,4<br />
Bauten 5,8 - 0,8 2,0 2,2 - 0,9 - 0,6 1,5 2,5<br />
Sonstige Anlageinvestitionen 3,9 3,0 4,0 5,0 3,2 2,8 4,1 3,9<br />
Inländische Verwendung 2,6 - 0,4 0,4 1,8 0,2 - 1,0 - 0,4 1,2<br />
Exporte 7,8 4,3 4,0 5,6 4,2 4,3 3,9 4,0<br />
Importe 7,4 2,3 3,7 6,6 2,8 1,7 3,1 4,3<br />
Bruttoinlandsprodukt 3,0 0,8 0,7 1,5 1,1 0,4 0,2 1,2<br />
30<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
noch: Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung <strong>für</strong> Deutschland<br />
Vorausschätzung <strong>für</strong> die Jahre 2012 bis 2014<br />
2011 2012 <strong>2013</strong> 2014 2012 <strong>2013</strong><br />
1. Hj. 2. Hj. 1. Hj. 2. Hj.<br />
4. Preisniveau der Verwendungsseite des Inlandsproduktes (2005 = 100)<br />
Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr<br />
Private Konsumausgaben 2 2,1 1,6 1,7 1,8 1,6 1,5 1,7 1,7<br />
Konsumausgaben des Staates 1,5 1,7 2,8 1,9 1,6 1,9 2,5 3,1<br />
Anlageinvestitionen 1,7 1,4 1,2 1,3 1,5 1,3 1,1 1,2<br />
Ausrüstungen 0,3 0,2 - 0,2 0,2 0,2 0,2 - 0,1 - 0,1<br />
Bauten 3,0 2,4 2,2 2,2 2,6 2,2 2,1 2,3<br />
Exporte 2,8 1,1 0,7 1,3 1,2 1,0 0,6 0,9<br />
Importe 5,2 1,7 0,9 1,7 2,0 1,4 0,4 1,4<br />
Bruttoinlandsprodukt 0,8 1,3 1,7 1,5 1,2 1,3 1,8 1,7<br />
5. Einkommensentstehung und -verteilung<br />
a) in Mrd. Euro<br />
Primäreinkommen der privaten Haushalte 2 1 903,7 1 960,4 1 998,6 2 064,1 967,7 992,7 982,1 1 016,5<br />
Sozialbeiträge der Arbeitgeber 244,1 249,9 253,3 261,0 121,2 128,7 123,0 130,3<br />
Bruttolöhne und -gehälter 1 083,9 1 124,3 1 155,7 1 191,4 537,1 587,2 552,0 603,7<br />
Übrige Primäreinkommen 4 575,7 586,1 589,7 611,7 309,4 276,7 307,1 282,6<br />
Primäreinkommen der übrigen<br />
Sektoren 347,0 339,3 353,0 362,8 150,9 188,4 154,3 198,7<br />
Nettonationaleinkommen<br />
(Primäreinkommen) 2 250,7 2 299,6 2 351,6 2 426,9 1 118,6 1 181,0 1 136,4 1 215,2<br />
Abschreibungen 390,2 400,5 410,7 420,5 199,4 201,1 204,6 206,1<br />
Bruttonationaleinkommen 2 640,9 2 700,1 2 762,3 2 847,4 1 318,0 1 382,1 1 341,0 1 421,3<br />
nachrichtlich:<br />
Volkseinkommen 1 984,6 2 027,7 2 074,7 2 146,1 982,4 1 045,3 998,2 1 076,5<br />
Unternehmens- und Vermögenseinkommen 656,7 653,4 665,8 693,7 324,1 329,4 323,2 342,6<br />
Arbeitnehmerentgelt 1 328,0 1 374,3 1 408,9 1 452,4 658,3 715,9 675,0 733,9<br />
b) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr<br />
Primäreinkommen der privaten Haushalte 2 4,5 3,0 2,0 3,3 3,6 2,3 1,5 2,4<br />
Sozialbeiträge der Arbeitgeber 3,0 2,4 1,3 3,1 2,5 2,3 1,5 1,2<br />
Bruttolöhne und -gehälter 4,8 3,7 2,8 3,1 4,0 3,5 2,8 2,8<br />
Bruttolöhne und -gehälter je Beschäftigten 3,4 2,7 2,8 2,8 2,7 2,7 2,7 2,8<br />
Übrige Primäreinkommen 4 4,5 1,8 0,6 3,7 3,4 0,0 - 0,7 2,1<br />
Primäreinkommen der übrigen Sektoren 0,5 - 2,2 4,1 2,8 - 1,3 - 3,0 2,3 5,5<br />
Nettonationaleinkommen<br />
(Primäreinkommen) 3,9 2,2 2,3 3,2 2,9 1,5 1,6 2,9<br />
Abschreibungen 2,8 2,6 2,5 2,4 2,5 2,8 2,6 2,5<br />
Bruttonationaleinkommen 3,7 2,2 2,3 3,1 2,9 1,7 1,7 2,8<br />
nachrichtlich:<br />
Volkseinkommen 3,4 2,2 2,3 3,4 3,0 1,4 1,6 3,0<br />
Unternehmens- und Vermögenseinkommen 1,3 - 0,5 1,9 4,2 1,4 - 2,3 - 0,3 4,0<br />
Arbeitnehmerentgelt 4,5 3,5 2,5 3,1 3,7 3,3 2,5 2,5<br />
6. Einkommen und Einkommensverwendung der privaten Haushalte 2<br />
a) in Mrd. Euro<br />
Masseneinkommen 1 109,8 1 142,8 1 172,7 1 199,9 549,2 593,5 564,4 608,3<br />
Nettolöhne und -gehälter 725,8 751,9 772,5 791,8 354,8 397,1 364,9 407,5<br />
Monetäre Sozialleistungen 473,2 480,7 492,1 501,8 239,0 241,6 245,3 246,7<br />
abz. Abgaben auf soziale Leistungen,<br />
verbrauchsnahe Steuern 89,2 89,8 91,8 93,8 44,6 45,2 45,8 46,0<br />
Übrige Primäreinkommen 4 575,7 586,1 589,7 611,7 309,4 276,7 307,1 282,6<br />
Sonstige Transfers (Saldo) 5 - 55,4 - 63,8 - 62,5 - 61,5 - 31,8 - 32,0 - 31,0 - 31,5<br />
Verfügbares Einkommen 1 630,1 1 665,0 1 699,9 1 750,1 826,8 838,2 840,6 859,4<br />
Zunahme betrieblicher<br />
Versorgungsansprüche 30,1 30,8 31,6 32,3 15,2 15,6 15,6 16,0<br />
Konsumausgaben 1 487,7 1 519,2 1 551,2 1 596,9 742,1 777,1 754,2 797,0<br />
Sparen 172,6 176,7 180,3 185,5 99,9 76,8 102,0 78,4<br />
Sparquote (%) 6 10,4 10,4 10,4 10,4 11,9 9,0 11,9 9,0<br />
b) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr<br />
Masseneinkommen 2,3 3,0 2,6 2,3 2,7 3,2 2,8 2,5<br />
Nettolöhne und -gehälter 4,0 3,6 2,7 2,5 3,7 3,5 2,9 2,6<br />
Monetäre Sozialleistungen - 0,7 1,6 2,4 2,0 0,6 2,5 2,6 2,1<br />
abz. Abgaben auf soziale Leistungen,<br />
verbrauchsnahe Steuern 0,0 0,7 2,3 2,2 - 0,6 1,9 2,7 1,8<br />
Übrige Primäreinkommen 4 4,5 1,8 0,6 3,7 3,4 0,0 - 0,7 2,1<br />
Verfügbares Einkommen 3,2 2,1 2,1 2,9 2,6 1,7 1,7 2,5<br />
Konsumausgaben 3,8 2,1 2,1 2,9 2,6 1,7 1,6 2,6<br />
Sparen - 1,2 2,4 2,1 2,9 2,8 1,9 2,1 2,1<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 31
noch: Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung <strong>für</strong> Deutschland<br />
Vorausschätzung <strong>für</strong> die Jahre 2012 bis 2014<br />
2011 2012 <strong>2013</strong> 2014 2012 <strong>2013</strong><br />
1. Hj. 2. Hj. 1. Hj. 2. Hj.<br />
7. Einnahmen und Ausgaben des Staates 7<br />
a) in Mrd. Euro<br />
Einnahmen<br />
Steuern 589,5 618,3 633,4 654,3 309,9 308,4 318,1 315,4<br />
Sozialbeiträge 436,9 447,2 452,8 465,1 217,6 229,7 220,4 232,4<br />
Vermögenseinkommen 27,3 25,2 25,7 25,9 12,0 13,2 12,3 13,4<br />
Sonstige Transfers 17,0 17,3 17,6 17,9 7,7 9,6 7,8 9,7<br />
Vermögenstransfers 9,7 9,8 9,9 10,0 4,6 5,2 4,6 5,3<br />
Verkäufe 74,1 74,6 77,2 79,7 35,4 39,2 36,6 40,6<br />
Sonstige Subventionen 0,4 0,4 0,4 0,4 0,1 0,2 0,2 0,2<br />
insgesamt 1 154,9 1 192,7 1 216,8 1 253,3 587,3 605,4 599,9 616,9<br />
Ausgaben<br />
Vorleistungen 8 334,3 343,4 357,4 368,7 166,3 177,2 173,4 184,0<br />
Arbeitnehmerentgelt 199,7 203,9 209,9 215,1 97,9 106,0 100,8 109,1<br />
Vermögenseinkommen (Zinsen) 65,9 63,2 62,7 64,3 31,5 31,8 31,0 31,7<br />
Subventionen 26,9 28,2 29,3 29,4 11,7 16,5 12,7 16,6<br />
Monetäre Sozialleistungen 425,4 432,1 442,0 450,7 215,1 217,0 220,6 221,4<br />
Sonstige laufende Transfers 53,8 58,1 59,2 60,4 31,2 26,9 31,7 27,5<br />
Vermögenstransfers 27,2 25,4 24,6 24,5 9,6 15,8 9,2 15,4<br />
Bruttoinvestitionen 42,7 39,5 41,7 43,4 16,8 22,8 17,5 24,2<br />
Nettozugang an nichtprod. Vermögensgütern - 1,4 - 1,4 - 1,4 - 1,4 - 0,7 - 0,8 - 0,7 - 0,8<br />
insgesamt 1 174,5 1 192,4 1 225,3 1 255,0 579,3 613,1 596,3 629,0<br />
Finanzierungssaldo - 19,7 0,3 - 8,5 - 1,7 8,0 - 7,7 3,6 - 12,1<br />
b) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr<br />
Einnahmen<br />
Steuern 7,4 4,9 2,4 3,3 4,2 5,5 2,6 2,3<br />
Sozialbeiträge 3,7 2,4 1,2 2,7 2,6 2,1 1,3 1,2<br />
Vermögenseinkommen 36,1 - 7,8 2,0 1,0 - 16,0 1,3 2,6 1,4<br />
Sonstige Transfers - 2,4 1,5 1,8 1,7 1,2 1,7 2,1 1,6<br />
Vermögenstransfers 1,2 0,8 0,5 1,0 - 4,0 5,5 0,6 0,4<br />
Verkäufe 6,1 0,7 3,5 3,3 0,9 0,5 3,5 3,4<br />
Sonstige Subventionen – – – – – – – –<br />
insgesamt 6,2 3,3 2,0 3,0 2,8 3,7 2,2 1,9<br />
Ausgaben<br />
Vorleistungen 8 3,1 2,7 4,1 3,2 3,0 2,4 4,3 3,9<br />
Arbeitnehmerentgelt 2,3 2,1 2,9 2,5 1,3 2,9 2,9 2,9<br />
Vermögenseinkommen (Zinsen) 3,9 - 4,0 - 0,8 2,6 - 5,5 - 2,5 - 1,4 - 0,3<br />
Subventionen - 3,6 4,8 4,0 0,3 - 9,7 18,3 9,2 0,3<br />
Monetäre Sozialleistungen - 1,0 1,6 2,3 2,0 0,6 2,6 2,6 2,0<br />
Sonstige laufende Transfers - 0,5 7,9 1,9 2,1 10,8 4,6 1,5 2,3<br />
Vermögenstransfers - 54,9 - 6,5 - 3,2 - 0,5 - 13,6 - 1,5 - 4,0 - 2,7<br />
Bruttoinvestitionen 2,0 - 7,6 5,6 3,9 - 8,7 - 6,8 4,7 6,3<br />
Nettozugang an nichtprod. Vermögensgütern – – – – – – – –<br />
insgesamt - 1,4 1,5 2,8 2,4 0,7 2,3 2,9 2,6<br />
nachrichtlich:<br />
Defizitquote in % in Relation zum BIP - 0,8 0,0 - 0,3 - 0,1 0,6 - 0,6 0,3 - 0,9<br />
Außenbeitrag in % in Relation zum BIP 5,1 5,9 6,0 5,6 6,0 5,7 6,6 5,5<br />
1 Preisbereinigtes Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde.<br />
2 Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck.<br />
3 Einschließlich Nettozugang an Wertsachen.<br />
4 Selbstständigeneinkommen/Betriebsüberschuss sowie empfangene abzüglich geleistete Vermögenseinkommen.<br />
5 Empfangene abzüglich geleistete sonstige Transfers.<br />
6 Sparen in % des verfügbaren Einkommens (einschließlich der Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche).<br />
7 Gebietskörperschaften und Sozialversicherung.<br />
8 Einschließlich sozialer Sachleistungen und sonstiger Produktionsabgaben.<br />
Quellen:<br />
Statistisches Bundesamt (Fachserie 18: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen); Berechnungen des IWH; ab<br />
2012: Prognose des IWH.<br />
32<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
IWH, <strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>, S. 33-37<br />
Mittelfristige Projektion der wirtschaftlichen Entwicklung<br />
und der Staatsfinanzen in Deutschland *<br />
Oliver Holtemöller, Katja Drechsel, Brigitte Loose, Götz Zeddies<br />
Die konjunkturelle Schwächephase im Winterhalbjahr 2012/<strong>2013</strong> hat auch ein niedrigeres mittelfristiges Wirtschaftswachstum<br />
in Deutschland zur Folge als noch im Herbst unterstellt. Unter Berücksichtigung der Prognose<br />
<strong>für</strong> die Jahre <strong>2013</strong> und 2014 des IWH vom Dezember 2012 ist zwischen 2011 und 2017 mit einer durchschnittlichen<br />
Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes von 1¼% pro Jahr zu rechnen. Hierbei wird angenommen,<br />
dass die Kapazitäten der deutschen Wirtschaft nach der vorübergehenden konjunkturellen Schwächephase überdurchschnittlich<br />
ausgelastet sein werden, unter anderem, weil die einheitliche europäische Geldpolitik in<br />
Deutschland noch längere Zeit expansiv wirken dürfte. Die Lage der öffentlichen Haushalte wird sich mittelfristig<br />
nur noch geringfügig verbessern. Zwar wird der gesamtstaatliche Haushalt nominal keine Defizite<br />
aufweisen. Ohne weitere Konsolidierungsbemühungen dürfte der Abbau des strukturellen Defizits jedoch nicht<br />
vollständig gelingen.<br />
Ansprechpartner:<br />
JEL-Klassifikation:<br />
Schlagwörter:<br />
Oliver Holtemöller (Oliver.Holtemoeller@iwh-halle.de)<br />
C53, E17, E27, E37, E66, H68<br />
wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, <strong>Konjunktur</strong>, mittelfristige Projektion, Produktionspotenzial,<br />
Potenzialwachstum, öffentliche Finanzen, Finanzpolitik, Wirtschaftswachstum<br />
Realwirtschaftliche Entwicklung<br />
Die Mittelfristprojektion des IWH erfolgt nach einem<br />
zweistufigen Verfahren. Im Einklang mit dem<br />
Vorgehen bei der Gemeinschaftsdiagnose wird zunächst<br />
das Produktionspotenzial mit der von der<br />
Europäischen Kommission vorgeschlagenen Methode<br />
geschätzt und als exogen unterstellt. 1 Anschließend<br />
wird die wirtschaftliche Entwicklung<br />
im mittelfristigen Projektionszeitraum bis 2017 mit<br />
Hilfe des makroökonometrischen Modells des IWH<br />
geschätzt.<br />
Zur Schätzung des Produktionspotenzials<br />
Unter den im Kasten vorgestellten weltwirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen und Annahmen ergibt<br />
die ökonometrische Schätzung <strong>für</strong> den Zeitraum<br />
von 2011 bis 2017 einen durchschnittlichen Anstieg<br />
des Produktionspotenzials von 1,3% (vgl. Tabelle 1).<br />
Dabei wird unterstellt, dass das Trendwachstum<br />
des technologischen Fortschritts im Projektionszeitraum<br />
mittelfristig wieder zunimmt − auf durch-<br />
∗ Dieser Beitrag wurde bereits als IWH-Pressemitteilung<br />
43/2012 am 13. Dezember 2012 veröffentlicht.<br />
1 Vgl. dazu Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Eurokrise<br />
dämpft <strong>Konjunktur</strong> – Stabilitätsrisiken bleiben hoch. Gemeinschaftsgutachten<br />
Herbst 2012. Kiel 2012, 44 ff.<br />
schnittlich 0,7% −, nachdem es in den Jahren vor<br />
der Rezession insbesondere durch den Beschäftigungsaufbau<br />
im Niedriglohnsektor abgeschwächt<br />
wurde. Der Kapitalstock dürfte im Projektionszeitraum<br />
um 1,2% pro Jahr ausgeweitet werden. Für das<br />
Arbeitsvolumen ist mit einer Zunahme um durchschnittlich<br />
0,2% zu rechnen.<br />
Trotz der derzeit sehr hohen Zuwanderung am<br />
<strong>aktuell</strong>en Rand dürfte der Rückgang der Bevölkerung<br />
im erwerbsfähigen Alter anhalten und sich<br />
sogar durch die abklingende Zuwanderung verstärken<br />
(−0,6%). Ebenso wird sich die Verringerung<br />
der durchschnittlichen Arbeitszeit je Erwerbstätigen<br />
fortsetzen (−0,2%). Durch die neue Abgrenzung<br />
der erwerbsfähigen Personen auf die Gruppe<br />
der 15- bis 74-Jährigen ergibt sich ex post <strong>für</strong> das<br />
unveränderte tatsächliche Arbeitsvolumen eine<br />
niedrigere Partizipationsrate als bisher angenommen.<br />
Die Partizipationsrate wird im Projektionszeitraum<br />
jedoch um 0,6% und die Erwerbsquote<br />
um 0,3% leicht steigen, da die Bedeutung der Teilzeitarbeit<br />
wohl auch in Zukunft noch zunehmen<br />
wird. Am <strong>aktuell</strong>en Rand deuten Schätzungen auf<br />
einen weiteren Anstieg der Erwerbsquote hin, <strong>für</strong><br />
den gesamten Projektionszeitraum wird allerdings<br />
in Übereinstimmung mit der EU-Methode annähernd<br />
Konstanz unterstellt.<br />
Insgesamt lässt sich am Verlauf der Wachstumsbeiträge<br />
zeigen, dass sich der Anteil des technologi-<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 33
Kasten:<br />
Rahmenbedingungen und Annahmen der Projektion<br />
Für den Projektionszeitraum bis 2017 wird unterstellt, dass die konjunkturelle Dynamik in den fortgeschrittenen<br />
Volkswirtschaften nur langsam wieder zunimmt und dass die Produktionszuwächse in den Schwellenländern<br />
etwas geringer ausfallen als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Der durchschnittliche Zuwachs des<br />
Welthandels liegt dementsprechend mit knapp 6% etwas unter dem langjährigen Durchschnitt vor der Wirtschafts-<br />
und Finanzkrise. Der Ölpreis (Sorte Brent) liegt nach einem temporären Höchststand im ersten Quartal<br />
2012 von durchschnittlich 118 US-Dollar <strong>aktuell</strong> bei 110 US-Dollar. Es wird angenommen, dass der Ölpreis in US-<br />
Dollar im Zeitraum von 2014 bis 2017 mit einer Jahresrate von 2% steigt. Demnach gilt die technische Annahme<br />
der realen Konstanz der Ölpreise. Der Euro-Dollar-Wechselkurs beträgt ab dem vierten Quartal 2012 im gesamten<br />
Projektionszeitraum 1,29 US-Dollar je Euro. Ferner wird unterstellt, dass die preisliche Wettbewerbsfähigkeit<br />
der deutschen Wirtschaft bei annahmegemäß unveränderten nominalen Wechselkursen leicht sinkt. In vielen<br />
Partnerländern des Euroraums werden strukturelle Probleme fortwirken, sodass dort kaum Dynamik bei den Preisen<br />
und Löhnen zu erwarten ist. Demnach ist mit einem leichten Rückgang des Außenbeitrags in Relation zum<br />
Bruttoinlandsprodukt zu rechnen.<br />
Für die Inlandsnachfrage dürfte die <strong>für</strong> Deutschland anhaltend wirkende expansive Geldpolitik der EZB stimulierende<br />
Effekte mit sich bringen. Basierend auf der Annahme, dass die wirtschaftliche Entwicklung im übrigen<br />
Euroraum schwach bleibt sowie die Arbeitslosigkeit in diesen Ländern weiterhin relativ hoch sein dürfte, ist bei<br />
langfristig konstant bleibenden Inflationserwartungen davon auszugehen, dass der Leitzins bis zum Ende des<br />
Prognosezeitraums unter dem langfristigen neutralen Niveau liegt.<br />
Im Einklang mit den Annahmen der Bundesregierung in ihrer Projektion vom Herbst 2012 umfasst die Bevölkerung<br />
im erwerbsfähigen Alter die Gruppe der 15- bis 74-Jährigen (früher 15- bis 64-Jährige). Dadurch wird auch<br />
die Anhebung des Renteneintrittsalters in der Projektion berücksichtigt.<br />
Im Jahr 2011 fiel der Wanderungssaldo deutlich höher aus, als in der im Jahr 2009 veröffentlichten 12. koordinierten<br />
Bevölkerungsvorausberechnung unterstellt wurde (40 000 vs. 279 207). a Neben der seit Mai 2011 geltenden<br />
uneingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit <strong>für</strong> die acht neuen EU-Mitgliedstaaten in Mittel- und Osteuropa ist<br />
da<strong>für</strong> vor allem die verstärkte Zuwanderung aus EU-Staaten, die von der Schulden- und Vertrauenskrise besonders<br />
stark betroffen sind, verantwortlich. b Es ist davon auszugehen, dass sich diese Entwicklung vor allem zu Beginn<br />
des Projektionszeitraums verstärkt fortsetzen wird: Im ersten Halbjahr 2012 war bereits eine Nettozuwanderung<br />
von etwa 182 000 Personen zu verzeichnen. c Es wird unterstellt, dass der Wanderungssaldo <strong>für</strong> die Jahre 2012<br />
bis 2017 deutlich höher liegt als in der Variante 1-W1 der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung<br />
unterstellt. Jedoch wird angenommen, dass sich die Nettozuwanderung bis zum Ende des Projektionszeitraums<br />
linear an den unterstellten Wert von 100 000 Personen annähert.<br />
a<br />
Vgl. Statistisches Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung.<br />
Wiesbaden 2009. – Statistisches Bundesamt: Statistische Wochenberichte, 35. Kalenderwoche 2012. – b Ausführlich zur<br />
Nettozuwanderung vgl. Kasten 3 in „<strong>Konjunktur</strong>elle Flaute zum Jahresende 2012 – aber auch Anzeichen <strong>für</strong> eine mäßige<br />
Brise im neuen Jahr“, in diesem Heft, 19. – c Vgl. Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung Nr. 397 vom 15.11.2012.<br />
Tabelle 1:<br />
Das Produktionspotenzial und seine Determinanten<br />
- 1995 bis 2017; a jahresdurchschnittliche Veränderung in % -<br />
1995 bis 2011 b 1995 bis 2011 2011 bis 2017<br />
Produktionspotenzial 1,4 1,3 1,3<br />
Kapitalstock 1,8 (0,6) 1,8 (0,6) 1,2 (0,4)<br />
Solow-Residuum 0,7 (0,7) 0,7 (0,7) 0,7 (0,7)<br />
Arbeitsvolumen 0 (0) −0,1 (−0,1) 0,2 (0,2)<br />
Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter 0 0 −0,6<br />
Partizipationsrate 0,4 0,4 0,6<br />
Erwerbsquote 0,1 0,1 0,3<br />
durchschnittliche Arbeitszeit −0,5 −0,5 −0,2<br />
nachrichtlich:<br />
Arbeitsproduktivität 1,4 1,4 1,0<br />
a<br />
Differenzen in den aggregierten Werten durch Rundung. In Klammern: Wachstumsbeiträge. – b Tatsächliche Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes<br />
und seiner Determinanten.<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Projektion des IWH.<br />
34<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
schen Fortschritts am Potenzialwachstum im Projektionszeitraum<br />
verdoppeln dürfte (vgl. Abbildung).<br />
Abbildung:<br />
Wachstumsbeiträge der Produktionsfaktoren zum<br />
Produktionspotenzial<br />
- Prozent, Prozentpunkte -<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0,0<br />
TFP = totale Faktorproduktivität.<br />
IWH<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />
des IWH; ab 2012: Projektion des IWH.<br />
Mittelfristige Projektion<br />
Projektion<br />
-0,5<br />
2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016<br />
Arbeitsvolumen Kapitalstock TFP Produktionspotenzial<br />
In dem makroökonometrischen Modell des IWH,<br />
das <strong>für</strong> die mittelfristige Projektion verwendet wird,<br />
ist die Nachfrageseite so modelliert, dass langfristig<br />
das zuvor beschriebene Produktionspotenzial erreicht<br />
wird. Die Anpassung der Produktion an das<br />
Produktionspotenzial geschieht im ökonometrischen<br />
Modell in theoretisch fundierter Weise; der Abbau<br />
von Unter- oder Überauslastungen der Kapazitäten<br />
muss nicht zwangsläufig innerhalb des mittelfristigen<br />
Projektionszeitraums bis 2017 erfolgen.<br />
Unter den genannten Rahmenbedingungen wird<br />
die deutsche Wirtschaft bis zum Ende des Projektionszeitraums<br />
mit durchschnittlich 1¼% wachsen;<br />
das nominale Bruttoinlandsprodukt wird um durchschnittlich<br />
3% zunehmen (vgl. Tabelle 3).<br />
Die Produktionskapazitäten werden ab der zweiten<br />
Jahreshälfte 2014 mittelfristig wieder überausgelastet<br />
sein, d. h. es wird eine leicht positive Produktionslücke<br />
entstehen. Die Impulse von Seiten<br />
der Geldpolitik werden jedoch im Projektionszeitraum<br />
schwächer, sodass die Produktionslücke ab<br />
2016 leicht zurückgeht. Aufgrund der anhaltenden<br />
Schwächephase, insbesondere im Euroraum, dürften<br />
die konjunkturellen Impulse mehr und mehr von<br />
der Inlandsnachfrage ausgehen (vgl. Tabelle 2).<br />
Die Investitionen werden mittelfristig durch die <strong>für</strong><br />
Deutschland anhaltend expansiv wirkende einheitliche<br />
Geldpolitik der EZB zulegen. Vor allem wird<br />
das Wachstum durch die Zunahme bei den Ausrüstungs-<br />
und Bauinvestitionen getragen. Ebenso<br />
wird der Konsum wohl die Inlandsnachfrage stimulieren.<br />
Der Anteil des Außenbeitrags am nominalen<br />
BIP dürfte bis zum Jahr 2017 leicht zurückgehen.<br />
Tabelle 2:<br />
Verwendung des nominalen Bruttoinlandsproduktes (BIP)<br />
Jahr<br />
Konsumausgaben<br />
private<br />
Haushalte Staat insgesamt<br />
in Mrd. Euro<br />
Bruttoinvestitionen<br />
Bruttoinlandsprodukt<br />
Bruttoanlageinvestitionen<br />
Vorratsveränderung<br />
Außenbeitrag<br />
2005 2 224,4 1 307,0 417,3 384,1 384,5 −0,3 116,0<br />
2011 2 592,6 1 487,7 499,8 473,5 469,9 3,7 131,7<br />
2017 3 074 1 765 587 569 567 1,7 154<br />
Anteile am BIP in %<br />
2005 100 58,8 18,8 17,3 17,3 0,0 5,2<br />
2011 100 57,4 19,3 18,3 18,1 0,1 5,1<br />
2017 100 57½ 19 18½ 18½ 0,1 5<br />
Veränderung insgesamt in %<br />
2011/2005 16,6 13,8 19,8 23,3 22,2 - -<br />
2017/2011 18½ 18½ 17½ 20¼ 20¾ - -<br />
jahresdurchschnittliche Veränderung in %<br />
2011/2005 2,6 2,2 3,1 3,5 3,4 - -<br />
2017/2011 3 3 2¾ 3 3¼ - -<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Projektion des IWH.<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 35
Tabelle 3:<br />
Erwerbstätige, Produktivität und Wirtschaftswachstum<br />
Bruttoinlandsprodukt<br />
Jahr<br />
Erwerbstätige<br />
(Inland)<br />
beschäftigte<br />
Arbeitnehmer<br />
(Inland)<br />
Arbeitszeit<br />
je Erwerbstätigen<br />
preisbereinigt, verkettete Volumenwerte<br />
insgesamt<br />
je Erwerbstätigen<br />
je Erwerbstätigenstunde<br />
in jeweiligen<br />
Preisen<br />
Deflator<br />
in Mio. in Mio. in Stunden in Mrd. Euro in Euro in Euro<br />
in Mrd.<br />
Euro<br />
2005 = 100<br />
2005 38 976 34 559 1 431,0 2 224,4 57 071 39,9 2 224,4 100,0<br />
2011 41 164 36 625 1 406 2 451,5 59 555 42,3 2 592,6 105,8<br />
2017 41 899 37 357 1 404 2 626 62 676 45 3 074 117<br />
Veränderung insgesamt in %<br />
2011/2005 5,6 6,0 −1,7 10,2 4,4 6,2 16,6 5,8<br />
2017/2011 1¾ 2 −¼ 7 5¼ 5½ 19 11<br />
jahresdurchschnittliche Veränderung in %<br />
2011/2005 0,9 1,0 −0,3 1,6 0,7 1,0 2,6 0,9<br />
2017/2011 ¼ ¼ 0 1¼ 1 1 3 1¾<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Projektion des IWH.<br />
Bedingt durch die Zunahme des Auslastungsgrads<br />
wird sich bis zum Jahr 2016 der Preisauftrieb<br />
verstärken. Insgesamt dürfte mit einem durchschnittlichen<br />
jährlichen Anstieg des BIP-Deflators von<br />
1¾% zu rechnen sein (vgl. Tabelle 3). Der Anstieg<br />
der Konsumentenpreise dürfte mit gut 2% darüber<br />
liegen. Im Projektionszeitraum ist auch mit einem<br />
stabilen Arbeitsmarkt zu rechnen, wenngleich sich<br />
der Zuwachs der Erwerbstätigen abschwächt.<br />
Öffentliche Finanzen<br />
Im Jahr 2012 waren die öffentlichen Haushalte nahezu<br />
ausgeglichen. Selbst der strukturelle Finanzierungssaldo<br />
war bei geringfügig überausgelasteten<br />
Produktionskapazitäten nur leicht negativ. In der<br />
mittleren Frist wird sich die Lage der öffentlichen<br />
Haushalte nur noch leicht verbessern. Bereits im<br />
Jahr 2012 legten die Staatseinnahmen mit gut 3%<br />
nur noch halb so stark zu wie noch im Jahr 2011,<br />
und die öffentlichen Ausgaben wurden, nach einem<br />
Rückgang im Vorjahr, im Jahr 2012 wieder leicht<br />
ausgeweitet. Zwar expandierten einnahmeseitig die<br />
Einkommen- und Vermögensteuern, insbesondere<br />
die Gewinnsteuern, nochmals recht kräftig; die<br />
Produktions- und Importabgaben, und hier vor allem<br />
das Umsatzsteueraufkommen, schwächten sich im<br />
Jahresverlauf jedoch bereits deutlich ab. Mit der<br />
prognostizierten konjunkturellen Abkühlung wird<br />
sich die Expansion der Steuereinnahmen und Sozialbeiträge<br />
im Jahr <strong>2013</strong> weiter verlangsamen, und<br />
der gesamtstaatliche Haushalt wird wieder ein Defizit<br />
aufweisen. Ausgabeseitig tragen hierzu die kräftig<br />
steigenden Arbeitnehmerentgelte, höhere monetäre<br />
Sozialleistungen – nicht zuletzt infolge kräftiger<br />
Rentenerhöhungen –, wieder steigende öffentliche<br />
Investitionen sowie eine deutliche Ausweitung der<br />
sozialen Sachleistungen bei.<br />
Tabelle 4:<br />
Jahresdurchschnittliche Veränderung ausgewählter<br />
Kennziffern der Einnahmeseite a<br />
- in % -<br />
2005 2011 2011/<br />
2005<br />
2017/<br />
2011<br />
Einnahmen<br />
insgesamt<br />
1,9 6,2 2,8 3,3<br />
darunter:<br />
Steuern 2,5 7,4 3,6 3,9<br />
Sozialbeiträge −0,1 3,7 1,4 2,4<br />
a In Abgrenzung der VGR.<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Projektion<br />
des IWH.<br />
Im Jahr 2014 dürfte sich die Schuldenkrise im<br />
Euroraum zunehmend entspannen, und auch in der<br />
übrigen Welt ist die Nachfrageschwäche dann<br />
überwunden. Mit der daraufhin einsetzenden konjunkturellen<br />
Belebung in Deutschland wird sich die<br />
Lage der öffentlichen Haushalte ab diesem Jahr<br />
wieder entspannen. So legen die Steuereinnahmen<br />
36<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
Tabelle 5:<br />
Jahresdurchschnittliche Veränderung ausgewählter<br />
Kennziffern der Ausgabenseite a<br />
- in % -<br />
2005 2011 2011/<br />
2005 b<br />
2017/<br />
2011 b<br />
Ausgaben insgesamt c 1,0 −1,4 1,9 1,9<br />
darunter:<br />
Arbeitnehmerentgelte<br />
−0,2 2,3 1,7 2,4<br />
Vorleistungen 4,3 4,6 5,2 3,6<br />
soziale<br />
Sachleistungen<br />
2,4 2,2 3,5 3,1<br />
monetäre<br />
Sozialleistungen<br />
0,4 −1,0 0,5 1,6<br />
sonstige Transfers 6,6 −0,5 5,1 3,4<br />
Subventionen −5,8 −3,6 0,1 0,9<br />
Bruttoinvestitionen −3,5 2,0 4,0 2,3<br />
Zinsausgaben 0,1 3,9 0,7 1,8<br />
a In Abgrenzung der VGR. – b Durchschnittliche Entwicklung. – c Bereinigt<br />
um die Einnahmen aus der Versteigerung von UMTS-Lizenzen<br />
steigen die Ausgaben im Jahr 2010 um 1,2% und im Jahr 2011 um<br />
0,4%.<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Projektion<br />
des IWH.<br />
wieder kräftiger zu, und auch die Sozialbeiträge,<br />
deren Aufkommen im Jahr <strong>2013</strong> auch durch die deutliche<br />
Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen<br />
Rentenversicherung gedämpft wird, expandieren in<br />
den Folgejahren wieder stärker (vgl. Tabelle 4).<br />
Ausgabeseitig dürfte der Anstieg der monetären<br />
Tabelle 6:<br />
Nominale und strukturelle Defizitquote a<br />
- % in Relation zum BIP -<br />
2011 2012 <strong>2013</strong> 2014 2015 2016 2017<br />
nominale Defizitquote 2 −0,8 0,0 −0,3 −0,1 0,1 0,2 0,0<br />
strukturelle Defizitquote −1,1 −0,1 −0,2 0,0 −0,1 −0,1 −0,1<br />
a In Abgrenzung der VGR.<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Projektion des IWH.<br />
Sozialleistungen, die den größten Ausgabeposten<br />
darstellen, ab dem Jahr 2014 durch die kontinuierlich<br />
zurückgehende Arbeitslosigkeit gebremst werden.<br />
Dem wirken jedoch recht kräftige Rentenerhöhungen<br />
entgegen. Die Arbeitnehmerentgelte im<br />
öffentlichen Dienst dürften nach den zuletzt deutlichen<br />
Erhöhungen im weiteren Verlauf etwas weniger<br />
zunehmen. Dagegen werden die Zinsausgaben<br />
des Staates aufgrund des insbesondere im Zuge der<br />
Bankenrettungen gestiegenen Schuldenstandes und<br />
der nach der Entspannung der Eurokrise anziehenden<br />
Renditen <strong>für</strong> deutsche Staatsanleihen wieder<br />
stärker zunehmen (vgl. Tabelle 5).<br />
Alles in allem dürfte sich der staatliche Finanzierungssaldo,<br />
nach einer neuerlichen Verschlechterung<br />
im Jahr <strong>2013</strong>, mit der konjunkturellen Belebung<br />
in den Folgejahren zunächst verbessern, sodass<br />
zwischenzeitig leichte Haushaltsüberschüsse<br />
erzielt werden. Mit dem allmählichen Abflauen des<br />
konjunkturellen Aufschwunges im Jahr 2016 wird<br />
sich die Finanzlage des Staates wieder etwas verschlechtern.<br />
Im Jahr 2017 dürfte der gesamtstaatliche<br />
Haushalt dann in etwa ausgeglichen sein (vgl.<br />
Tabelle 6).<br />
Der strukturelle Finanzierungssaldo dürfte sich<br />
in der mittleren Frist etwas ungünstiger entwickeln<br />
als das nominale Defizit. Zwar wird einerseits die<br />
Finanzpolitik im Prognosezeitraum annähernd<br />
konjunkturneutral ausgerichtet sein, und einige<br />
Bundesländer müssen mit Blick auf die Schuldenbremse<br />
ihre Konsolidierungsbemühungen forcieren.<br />
Andererseits entfallen jedoch Faktoren, die in<br />
jüngerer Vergangenheit zur strukturellen Konsolidierung<br />
beigetragen haben. So dürften sich die<br />
Zinsausgaben, nach einer rückläufigen Entwicklung<br />
in den Jahren 2012 und <strong>2013</strong>, in den Folgejahren<br />
wieder erhöhen. Zudem haben in den Jahren<br />
nach der Großen Rezession der starke Aufbau sozialversicherungspflichtiger<br />
Beschäftigung und der<br />
Rückgang der Arbeitslosigkeit die Sozialversicherungen<br />
konjunkturbedingt entlastet. Mittelfristig<br />
kommen auf die Sozialversicherungen durch den<br />
demographischen Wandel jedoch strukturelle Belastungen<br />
zu, die die derzeitigen Überschüsse aufzehren<br />
werden. Vor diesem Hintergrund wird sich<br />
der strukturelle Finanzierungssaldo nicht weiter<br />
verbessern und mittelfristig leicht negativ sein. 2<br />
2 In dieser Projektion sind mögliche Steuerrechtsänderungen,<br />
die zu dauerhaften Mehr- oder Mindereinnahmen führen,<br />
etwa die Wiedererhebung der Vermögensteuer oder steuerliche<br />
Entlastungen durch den Abbau der kalten Progression,<br />
nicht berücksichtigt. Zudem ist derzeit nicht absehbar,<br />
welche Mehrausgaben/Mindereinnahmen sich durch die<br />
Griechenlandpolitik mittelfristig ergeben.<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 37
IWH, <strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>, S. 38-46<br />
Zur Wirtschaftspolitik: Haushaltsrisiken berücksichtigen,<br />
Lösung der Griechenlandkrise voranbringen *<br />
Oliver Holtemöller, Martin Altemeyer-Bartscher, Tobias Knedlik, Axel Lindner, Götz Zeddies<br />
Der grundsätzlich positiv zu bewertende Ausgleich des gesamtstaatlichen Haushaltes in Deutschland im Jahr<br />
2012 unterlag Sonderfaktoren. Hier ist zum einen die Verringerung des Schuldendienstes durch die historisch<br />
niedrige Verzinsung deutscher Staatsschuldtitel zu nennen, zum anderen die Zuwächse beim Steueraufkommen<br />
durch die kalte Progression. Unter Berücksichtigung des Prinzips der Vorsicht muss darauf hingewiesen werden,<br />
dass sowohl die günstige Verzinsung als auch die kalte Progression keinen langfristigen Beitrag zur strukturellen<br />
Haushaltskonsolidierung und zur Erfüllung der Vorgaben aus der Schuldenbremse leisten können. In<br />
langer Frist könnte die Berechenbarkeit und Transparenz staatlicher Konsolidierungspolitik durch konsequente<br />
Beseitigung der kalten Progression, etwa durch eine Indexierung der Tarifparameter, die langfristige Effektivität<br />
der Schuldenbremse sogar steigern.<br />
Die Wirtschaftspolitik ringt gegenwärtig um eine Lösung <strong>für</strong> die Probleme Griechenlands. Die Tragfähigkeit<br />
der Staatsverschuldung in Griechenland kann nur dadurch wiederhergestellt werden, dass die Staatsverschuldung<br />
spürbar sinkt. Dies gelingt nicht, indem neue Kredite vergeben werden. Vielmehr müssen die privaten und<br />
öffentlichen Gläubiger Griechenlands auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, sodass der Gesamtschuldenstand<br />
auf ein Maß sinkt, das eine dauerhaft nachhaltige Staatsfinanzierung ermöglicht. Der enorme Reputationsverlust<br />
Griechenlands durch den dann zweiten Schuldenschnitt in Folge sollte durch die Euroländer mit einer an<br />
Bedingungen geknüpften Übernahme von Garantien bei der Emission von neuen griechischen Staatsschuldpapieren<br />
abgemildert werden. Die bedingte Gewährung von Garantien ermöglicht den europäischen Partnerländern,<br />
auch weiterhin Einfluss auf die Reformen in Griechenland zu nehmen.<br />
Zudem sollte die europäische Wirtschaftspolitik jetzt auch Maßnahmen zur <strong>Institut</strong>ionalisierung eines Verfahrens<br />
zum Umgang mit Staatsinsolvenzen in der Währungsunion angehen. Mit dessen Hilfe könnte nicht nur<br />
der Umgang mit Staatsinsolvenzen deutlich verbessert und vereinfacht werden. Es würde zudem ein Instrument<br />
geschaffen, das eine Risikobeurteilung bezüglich der Solvenz von Staaten erleichtert. Dadurch reduziert sich die<br />
Unsicherheit, und eine effektive Marktsanktionierung wäre möglich.<br />
Ansprechpartner:<br />
JEL-Klassifikation:<br />
Schlagwörter:<br />
Oliver Holtemöller (Oliver.Holtemoeller@iwh-halle.de)<br />
E17, E27, E37, E50, E60<br />
Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik, Geldpolitik, Eurokrise, Griechenland<br />
Zur deutschen Finanzpolitik<br />
Haushaltskonsolidierung nicht nachhaltig<br />
Nachdem die Finanzpolitik in der Wirtschafts- und<br />
Finanzkrise auf einen stark expansiven Kurs eingeschwenkt<br />
war, der die Neuverschuldung in den<br />
Jahren 2009 und 2010 rapide ansteigen ließ, hat<br />
sich die Situation der öffentlichen Haushalte seit<br />
dem Jahr 2011 deutlich entspannt. Im Jahr 2012<br />
dürfte der gesamtstaatliche Haushalt sogar strukturell<br />
nahezu ausgeglichen sein. Dabei ist allerdings<br />
zu bedenken, dass der ausgeglichene Haushalt vor<br />
allem aus hohen Überschüssen bei den Sozialversicherungen<br />
infolge der kräftigen Ausweitung sozial-<br />
∗ Dieser Beitrag wurde bereits als IWH-Pressemitteilung<br />
43/2012 am 13. Dezember 2012 veröffentlicht.<br />
versicherungspflichtiger Beschäftigung und sinkender<br />
Arbeitslosigkeit resultiert. Die Haushalte von<br />
Bund und Ländern weisen dagegen nach wie vor<br />
Defizite auf, und die Konsolidierungsbemühungen<br />
– insbesondere von Seiten des Bundes – haben nachgelassen.<br />
Erst jüngst wurde von der Bundesregierung<br />
eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen beschlossen,<br />
welche die öffentlichen Haushalte belasten.<br />
Für die wirtschaftspolitische Beurteilung ist von<br />
Bedeutung, welche Faktoren im Einzelnen zur Reduktion<br />
des strukturellen Defizits beigetragen haben<br />
und wie nachhaltig diese sind. Hierzu wird die<br />
Entwicklung einzelner öffentlicher Einnahme- und<br />
Ausgabearten 1 im Zeitverlauf betrachtet, die, je<br />
1 Auf der Einnahmeseite werden Einkommen- und Vermögensteuern,<br />
Produktions- und Importabgaben, Sozialbeiträge,<br />
empfangene Vermögenseinkommen, Verkäufe, sowie emp-<br />
38<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
nach Einnahme- und Ausgabeart, um konjunkturelle<br />
Einflüsse zu bereinigen sind. Auf der Einnahmeseite<br />
sind die Steuereinnahmen und die Sozialversicherungsbeiträge,<br />
auf der Ausgabeseite die<br />
Ausgaben der Sozialversicherungen (im Einzelnen<br />
der Arbeitslosen- und Rentenversicherung) sowie<br />
die Personalausgaben <strong>für</strong> die Beschäftigten im öffentlichen<br />
Dienst als konjunkturreagibel einzustufen.<br />
2 Zudem können die öffentlichen Investitionen,<br />
bei denen <strong>für</strong> die zurückliegenden Jahre, mit Ausnahme<br />
der Großen Rezession, ein gewisser<br />
Gleichlauf mit den als äußerst zyklisch geltenden<br />
privaten Investitionen zu beobachten war, als<br />
konjunkturabhängig betrachtet werden. 3<br />
Auf der Ausgabeseite zeigt sich, dass sich der<br />
jährliche Anstieg der Staatausgaben nach der Jahrtausendwende<br />
deutlich verlangsamt hat. Ähnliches<br />
gilt <strong>für</strong> die Staatseinnahmen, wenngleich bei diesen<br />
seit 2004 wieder ein leicht beschleunigter Zuwachs<br />
zu verzeichnen ist. Ein genauerer Blick auf<br />
die Entwicklung der Staatseinnahmen zeigt, dass in<br />
der jüngeren Vergangenheit insbesondere die Einkommen-<br />
und Vermögensteuern zunehmend zu deren<br />
Anstieg beigetragen haben. Zudem trugen die<br />
Verkäufe des Staates ab dem Jahr 2005, dem Jahr<br />
der Einführung der Lkw-Maut, deutlicher zum Einnahmeanstieg<br />
bei als zuvor. Die jährlichen Beiträge<br />
der Sozialabgaben zum Einnahmezuwachs waren<br />
in den zurückliegenden zehn Jahren deutlich geringer<br />
als noch in den 1990er Jahren, was auf einen in<br />
jener Dekade von Jahr zu Jahr steigenden kumulierten<br />
Beitragssatz zurückgeführt werden kann.<br />
Der seit der Jahrtausendwende verlangsamte Anstieg<br />
der Staatsausgaben geht auf geringere Zuwächse<br />
der monetären Sozialleistungen zurück.<br />
Dies dürfte zum einen auf den Rückgang der<br />
fangene sonstige laufende Übertragungen betrachtet. Auf der<br />
Ausgabeseite finden Vorleistungen, Arbeitnehmerentgelte,<br />
monetäre Sozialleistungen, soziale Sachleistungen, geleistete<br />
Vermögenseinkommen, die Bruttoinvestitionen des Staates,<br />
Subventionen sowie die sonstigen laufenden Transfers Berücksichtigung.<br />
Unberücksichtigt bleiben aufgrund hoher<br />
Volatilität auf der Einnahmeseite empfangene Vermögenstransfers<br />
und auf der Ausgabeseite geleistete Vermögenstransfers<br />
sowie der Nettozugang an nichtproduzierten Vermögensgegenständen.<br />
2 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen<br />
Entwicklung: Widerstreitende Interessen –<br />
ungenutzte Chancen. Jahresgutachten 2006/2007. Wiesbaden<br />
2006, 468.<br />
3 Die <strong>Konjunktur</strong>bereinigung erfolgt <strong>für</strong> alle Größen individuell<br />
mit dem Hodrick-Prescott-Filter. Vgl. Hodrick, R. J.;<br />
Prescott, E. C.: Postwar US Business Cycles: An Empirical<br />
Investigation, in: Journal of Money, Credit and Banking,<br />
Vol. 29 (1), 1997, 1-16.<br />
strukturellen Arbeitslosigkeit, zum anderen auf Reformen<br />
bei der Rentenversicherung, die dämpfend<br />
auf die Rentenanpassung wirkten, zurückzuführen<br />
sein. Gedämpft wurden die Staatsausgaben zudem<br />
durch mehr oder weniger stagnierende Subventionen<br />
und Zinsausgaben. Letzteres ist bemerkenswert,<br />
weil sich der Schuldenstand in den vergangenen<br />
fünf Jahren weiterhin deutlich erhöht hat. 4 Zunehmend<br />
getrieben wurden die Staatsausgaben dagegen<br />
durch die Arbeitnehmerentgelte sowie durch<br />
Vorleistungskäufe, also durch den Staatsverbrauch.<br />
Im Ergebnis zeigt sich, dass in den zurückliegenden<br />
Jahren einnahmeseitig offenbar Einkommen- und<br />
Vermögensteuern und ausgabeseitig die derzeit<br />
günstigen Refinanzierungskosten insbesondere des<br />
Bundes, aber auch die Rückführung der Sozialausgaben<br />
wesentlich zur strukturellen Konsolidierung<br />
beigetragen haben. Letzterer Effekt dürfte jedoch<br />
nicht anhalten, weil auf die Sozialversicherungen<br />
infolge des demographischen Wandels mittelfristig<br />
strukturelle Belastungen zukommen werden.<br />
„Konsolidierung“ durch kalte Progression und<br />
geringe Zinsbelastung<br />
Die Zuwächse bei den Steuereinnahmen wurden in<br />
den vergangenen Jahren zu einem wesentlichen<br />
Teil durch die so genannte kalte Progression erreicht,<br />
die sich auf den progressiven Verlauf des<br />
deutschen Einkommensteuertarifs zurückführen lässt.<br />
Der Umfang der kalten Progression hängt von der<br />
Steueraufkommenselastizität ab, welche den prozentualen<br />
Zuwachs des Lohnsteueraufkommens bei<br />
einer Einkommenssteigerung um 1% angibt. Die<br />
folgenden Berechnungen sollen das Ausmaß der<br />
gegenwärtigen inflationsbedingten Zuwächse bei der<br />
Einkommenssteuer verdeutlichen (vgl. Tabelle). Die<br />
Zeilen [1] bis [4] enthalten die vom IWH prognostizierte<br />
Entwicklung wichtiger Rahmendaten. Die<br />
Elastizität des Lohnsteueraufkommens liegt in<br />
Deutschland bei etwa 1,8. 5 Bei unveränderter Beschäftigtenzahl<br />
ergibt sich der Anstieg des Lohnsteueraufkommens<br />
aus der Nominallohnveränderung<br />
und der Aufkommenselastizität (Zeile [7]). Dabei<br />
wird unterstellt, dass die Nominallöhne in dem Maße<br />
4 Die Schuldenstandquote in Maastricht-Abgrenzung lag im<br />
Jahr 2007 noch bei 65,2% und dürfte im Jahr 2012 auf ungefähr<br />
83% angestiegen sein.<br />
5 Vgl. Boss, A.: Heimliche Steuererhöhungen vermeiden!<br />
Kiel Policy Brief Nr. 41, 2011. <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Weltwirtschaft,<br />
Kiel 2011. Im Folgenden wird im Prognosezeitraum mit<br />
den vom Arbeitskreis Steuerschätzungen verwendeten<br />
Elastizitäten gerechnet.<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 39
Tabelle:<br />
Steuermehreinnahmen durch kalte Progression<br />
Jahr t 2011 2012 <strong>2013</strong> 2014 2015 2016 2017<br />
Veränderung in %<br />
[1] Bruttolohn- und -gehaltssumme 4,8 3,7 2,7 3,1 2,6 2,6 2,6<br />
[2] Beschäftigte 1,4 1,1 −0,1 0,2 0,9 −0,1 0,0<br />
[3] Bruttolohn- und -gehaltssumme pro Beschäftigten 3,3 2,7 2,8 2,9 1,7 2,7 2,6<br />
[4] Verbraucherpreise 2,3 2,0 2,0 1,8 2,1 2,0 1,9<br />
[5] Beschäftigte (Millionen) 36,6 37,0 37,0 37,1 37,4 37,4 37,4<br />
[6] Elastizität des Lohnsteueraufkommens bezüglich der<br />
Bruttolohn- und -gehaltssumme<br />
1,82 1,80 1,79 1,77 1,76 1,75<br />
Mrd. Euro<br />
[7] Lohnsteueraufkommen bei Beschäftigtenzahl und Reallöhnen<br />
wie im Jahr 2011 [7] t−1 *(1+([4] t *[6] t )/100)<br />
180,5 187,1 193,8 200,0 207,5 214,8 221,9<br />
[8] Lohnsteueraufkommen bei Beschäftigtenzahl, Reallöhnen und<br />
Durchschnittssteuersätzen wie im Jahr 2011 [8] t−1 *(1+[4] t /100) t<br />
180,5 184,1 187,8 191,2 195,2 199,1 202,9<br />
[9] Steuermehreinnahmen durch kalte Progression gegenüber<br />
2011 bei jeweiliger Beschäftigtenzahl ([7] t −[8] t )*([5] t /[5] t0 )<br />
3,0 6,1 9,0 12,6 16,0 19,4<br />
[10] Lohnsteueraufkommen [10] t−1 *(1+([3] t *[6] t )/100)*(1+[2] t /100) 180,5 191,2 200,6 211,3 219,6 229,8 240,3<br />
Quellen: Bundesministerium der Finanzen, Arbeitskreis Steuerschätzungen; Berechnungen des IWH.<br />
steigen wie die Verbraucherpreise. Bliebe die individuelle<br />
tarifliche Steuerbelastung dagegen konstant,<br />
wie es bei einem proportionalen Einkommensteuertarif<br />
der Fall wäre, würde sich das Lohnsteueraufkommen<br />
lediglich in dem Maße erhöhen, wie die<br />
Nominallöhne steigen (Zeile [8]). Aus Zeile [9] der<br />
Tabelle geht das zusätzliche Steueraufkommen<br />
hervor, welches sich bei Konstanz der Reallöhne,<br />
also einer ausschließlich die Verbraucherpreisinflation<br />
kompensierenden Lohnentwicklung, und bei<br />
der in der Prognose unterstellten Beschäftigungsentwicklung<br />
ergäbe. Im dargestellten Zeitraum bewirkt<br />
die kalte Progression jährliche Steuermehreinnahmen<br />
von über drei Mrd. Euro. Seit dem Jahr 2010,<br />
in dem zuletzt eine „kleine“ Einkommensteuerreform<br />
vorgenommen wurde, bis zum Jahr 2012 dürften<br />
folglich nahezu neun Mrd. Euro der Steuermehreinnahmen<br />
aus der kalten Progression resultieren.<br />
Bei einer kontinuierlichen Beseitigung der kalten<br />
Progression wäre im Jahr 2012 der Ausgleich des<br />
Staatshaushaltes mit weitaus größeren Konsolidierungserfordernissen<br />
verbunden gewesen. Die Ergebnisse<br />
zeigen, dass bei den <strong>für</strong> die mittlere Frist<br />
prognostizierten, im langjährigen Vergleich recht<br />
kräftigen Lohn- und Preissteigerungen die inflationsbedingten<br />
Zuwächse der Lohnsteuereinnahmen<br />
erheblich wären. Ausgehend vom Basisjahr 2011<br />
beliefen sich im Jahr 2017 die Steuermehreinnahmen<br />
durch die kalte Progression auf über 19 Mrd.<br />
Euro. In Zeile [10] der Tabelle ist der Vollständigkeit<br />
halber die seit dem Jahr 2011 prognostizierte<br />
Entwicklung des gesamten Lohnsteueraufkommens<br />
dargestellt. Dieses ergibt sich aus der tatsächlichen<br />
Lohnentwicklung, der Elastizität des Lohnsteueraufkommens<br />
6 und der Beschäftigungsentwicklung.<br />
Die Erfahrungen aus den vergangenen Jahrzehnten<br />
zeigen, dass die kalte Progression stets in<br />
gewissen zeitlichen Abständen im Rahmen von Einkommensteuerreformen<br />
beseitigt wurde. Im März<br />
2012 hat der Bundestag erneut ein Gesetz zum Abbau<br />
der kalten Progression beschlossen. Der Bundesrat<br />
hatte diesem Gesetz zwar vorerst nicht zugestimmt,<br />
allerdings besteht in dieser Sache wohl<br />
eher eine Uneinigkeit hinsichtlich der konkreten<br />
Ausgestaltung des Steuerentlastungspakets. 7 Eine<br />
Milderung der derzeitigen Steuerlastverschärfung<br />
durch ein geeignetes Reformpaket ist trotz Dissens<br />
zwischen Bundestag und Bundesrat in naher Zukunft<br />
zu erwarten – nicht zuletzt, weil mit zunehmendem<br />
zeitlichem Abstand zur letzten Anpassung<br />
der Tarifparameter der Reformdruck steigt.<br />
Im Allgemeinen führen die in Deutschland praktizierten<br />
diskretionären Anpassungen an die kalte<br />
Progression zu einem Zyklus, bestehend aus einer<br />
Phase mit inflationsbedingten Steuermehreinnahmen<br />
und einem nachfolgenden steuerlichen Entlastungsprogramm.<br />
Es ist fraglich, ob dieser Zyklus mit einer<br />
reibungsfreien Umsetzung der Schuldenbremse<br />
in den kommenden Jahren verträglich ist. Die<br />
Effektivität der Schuldenbremse wird nämlich im<br />
6 Die tatsächliche Entwicklung des Lohnsteueraufkommens<br />
wird zudem durch Steuerrechtsänderungen determiniert,<br />
die hier nicht berücksichtigt sind.<br />
7 Im Vermittlungsausschuss wurde am 12. Dezember 2012 in<br />
dieser Angelegenheit keine Einigung erzielt.<br />
40<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
Wesentlichen davon abhängen, inwieweit Konsolidierungserfolge,<br />
die direkt auf eine gute Haushaltspolitik<br />
zurückzuführen sind, von Faktoren, die von<br />
der Regierung nicht beeinflussbar sind, getrennt<br />
bewertet werden können. 8 In diesem Zusammenhang<br />
würde eine generelle Beseitigung der kalten<br />
Progression durch eine geeignete Indexierung der<br />
relevanten Tarifparameter im Einkommensteuertarif<br />
ein deutlicheres Bild der Haushaltslage vermitteln. 9<br />
Des Weiteren können Steuerzahler und Wähler bei<br />
unsystematischer Korrektur der kalten Progression<br />
in zeitlichen Abständen einer fiskalischen Illusion<br />
erliegen. Das wird insbesondere der Fall sein,<br />
wenn ein inflationsbedingtes Hineinwachsen in einen<br />
höheren Progressionsbereich des Tarifs von den<br />
Steuerzahlern weniger deutlich wahrgenommen<br />
wird als eine explizite Änderung des Steuerrechts. 10<br />
Bei derartigen heimlichen Steuererhöhungen werden<br />
ausbleibende Konsolidierungsbemühungen der<br />
Regierung dann möglicherweise nur eingeschränkt<br />
durch den Wähler diszipliniert. Auch in dieser<br />
Hinsicht würde eine Indexierung der Tarifparameter<br />
die erfolgreiche Umsetzung der Schuldenbremse<br />
unterstützen. Denn so könnte man einer Fehleinschätzung<br />
von realen und nominalen Größen durch<br />
Steuerzahler und Wähler vorbeugen.<br />
Neben der kalten Progression hat die sinkende<br />
Zinsbelastung in den vergangenen Jahren zur strukturellen<br />
Konsolidierung beigetragen. Seit dem Beginn<br />
der Großen Rezession im Sommer 2008 sind<br />
die Refinanzierungskosten des deutschen Staates<br />
deutlich gesunken, so etwa die Renditen <strong>für</strong> zehnjährige<br />
deutsche Staatsanleihen (vgl. Abbildung).<br />
Folglich hat sich auch die durchschnittliche Verzinsung<br />
der deutschen Staatsschulden kontinuierlich<br />
verringert. Wäre die durchschnittliche Verzinsung<br />
auf dem Niveau des Jahres 2008 verharrt, wären<br />
die Zinszahlungen im Jahr 2011 um gut 20 Mrd.<br />
Euro höher ausgefallen. Für das Jahr 2012 hätten<br />
sich demzufolge um ungefähr 25 Mrd. Euro höhere<br />
Zinsausgaben ergeben. 11 Inwieweit die Zinserspar-<br />
8 Vgl. von Hagen, J.: Fiscal Rules and Fiscal Performance in<br />
the EU and Japan. CEPR Discussion Paper No. 5330, 2005.<br />
9 Vgl. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Deutsche <strong>Konjunktur</strong><br />
im Aufwind – Europäische Schuldenkrise schwelt<br />
weiter. Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2012. München, 61.<br />
10 Vgl. Oates, W.: On the Nature and Measurement of Fiscal<br />
Illusion: A Survey, in: G. Brennan et al. (eds), Taxation<br />
and Fiscal Federalism: Essays in Honour of Russel<br />
Mathews. Australian National University Press: Canberra<br />
1988, 65-82.<br />
11 Vgl. zu diesem Ansatz Broyer, C.; Petersen, A.-K.;<br />
Schneider, R.: Impact of the Euro Crisis on the German<br />
Abbildung:<br />
Rendite zehnjähriger Staatsanleihen, durchschnittliche<br />
Verzinsung und Zinsquote in Deutschland<br />
%<br />
5,50<br />
5,00<br />
4,50<br />
4,00<br />
3,50<br />
3,00<br />
2,50<br />
2,00<br />
1,50<br />
1,00<br />
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012<br />
durchschnittliche Verzinsung der deutschen Staatsschulden¹<br />
Rendite zehnjähriger Staatsanleihen<br />
Zinsquote²<br />
IWH<br />
1<br />
Zinsausgaben Jahr t in Relation zum Mittelwert aus Schuldenstand<br />
am Ende des Jahres t und am Ende des Jahres t−1. – 2 Zinsausgaben in<br />
Relation zum Bruttoinlandsprodukt.<br />
Quellen: Europäische Zentralbank; Statistisches Bundesamt;<br />
Berechnungen und Darstellung des IWH.<br />
nis als nachhaltig anzusehen ist oder nicht, hängt<br />
von deren Determinanten ab. Sofern die Verbesserung<br />
der Refinanzierungskonditionen auf Fundamentalfaktoren,<br />
etwa trendmäßig rückläufigen Inflationsraten<br />
oder Produktionszuwächsen beruht,<br />
wären die sinkenden Zinsausgaben, solange sich<br />
diese Trends fortsetzen, nachhaltig. Ökonometrische<br />
Untersuchungen zeigen, dass die derzeit günstigen<br />
Refinanzierungskonditionen Deutschlands zum Teil<br />
auf die Entwicklung derartiger Fundamentalfaktoren<br />
zurückzuführen sind. 12 Hinzu kommt, dass Deutschland<br />
in der Eurokrise <strong>für</strong> viele Anleger als sicherer<br />
Hafen gilt und deutsche Staatstitel deshalb stark<br />
nachgefragt werden. Unter Berücksichtigung veränderter<br />
Fundamentalfaktoren dürfte die daraus resultierende<br />
Zinsersparnis im Jahr 2012 (gegenüber<br />
2008) bei ungefähr 15 Mrd. Euro (im Vergleich zu<br />
25 Mrd. Euro bei Nichtberücksichtigung der Veränderung<br />
von Fundamentalfaktoren) gelegen haben.<br />
Im Falle einer Entspannung oder gar vollständigen<br />
Lösung der Eurokrise dürften sich die Refinanzierungskonditionen<br />
jedoch rasch wieder verschlechtern.<br />
Vor diesem Hintergrund sind weiterhin Konsolidierungsbemühungen<br />
erforderlich, nicht nur mit<br />
Blick auf die sich abschwächende konjunkturelle<br />
Dynamik, sondern auch vor dem Hintergrund, dass<br />
bestimmte Faktoren, die zuletzt zur strukturellen<br />
Economy. Allianz-Group Working Paper No. 154/2012.<br />
München 2012.<br />
12 Vgl. ebenda, 5.<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 41
Konsolidierung beigetragen haben, nicht nachhaltig<br />
sind. 13 Gleichwohl wurden jüngst haushaltsbelastende<br />
Maßnahmen beschlossen, die einer weiteren<br />
Konsolidierung entgegenstehen.<br />
Steuererhöhungen sind der falsche Weg<br />
Im Falle eines Abbaus der kalten Progression in<br />
naher Zukunft wäre zur Fortführung der strukturellen<br />
Konsolidierung eine Gegenfinanzierung erforderlich.<br />
Auch durch die kürzlich beschlossenen<br />
neuen Sozialleistungen, wie Betreuungsgeld und<br />
Lebensleistungsrente, sowie durch die Abschaffung<br />
der Praxisgebühr werden die öffentlichen Haushalte<br />
strukturell belastet. Von einer Gegenfinanzierung<br />
über Mehreinnahmen, auf die derzeit vieles<br />
hindeutet, ist jedoch abzuraten. Zwar ist die Abgabenquote<br />
Deutschlands im internationalen Vergleich<br />
nicht außerordentlich hoch; in vielen anderen<br />
fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist sie in<br />
den zurückliegenden Jahren aber, anders als in<br />
Deutschland, weiter gesunken. 14 Derzeit wird über<br />
die Wiedererhebung der Vermögensteuer diskutiert,<br />
zudem wurden bereits erste Schritte zur Einführung<br />
einer Finanztransaktionssteuer eingeleitet.<br />
Berechnungen zufolge würden beide Steuerarten<br />
jährliche Mehreinnahmen von bis zu 20 Mrd. Euro<br />
generieren. 15<br />
Die Finanztransaktionssteuer soll Planungen zufolge<br />
in mehreren europäischen Ländern, darunter<br />
Deutschland, eingeführt werden. Das politische Ziel<br />
dieser Steuer besteht neben der Einnahmeerzielung<br />
vor allem darin, Spekulationsgeschäfte an den Finanzmärkten<br />
durch höhere Transaktionskosten einzu-<br />
13 Zudem sind natürlich mögliche Einnahmeausfälle im Zusammenhang<br />
mit der Staatsschuldenkrise in der EU zu<br />
berücksichtigen, die den deutschen Staatshaushalt erheblich<br />
belasten würden. Siehe hierzu den folgenden Abschnitt<br />
„Zur Staatsschuldenkrise Griechenlands und der Rolle der<br />
Geldpolitik“.<br />
14 Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht November<br />
2012, Berlin 2012.<br />
15 Vgl. Schäfer, D.; Karl, M.: Finanztransaktionssteuer –<br />
Ökonomische und fiskalische Effekte der Einführung einer<br />
Finanztransaktionssteuer <strong>für</strong> Deutschland, DIW Politikberatung<br />
Kompakt 64, 2012. Berlin 2012. – Bach, S.;<br />
Beznoska, M.: Vermögensteuer: Erhebliches Aufkommenspotential<br />
trotz erwartbarer Ausweichreaktionen. DIW Wochenbericht<br />
Nr. 42, 2012, 12-17. – Vgl. auch Pollin, R.;<br />
Baker, D.; Schaberg, M.: Securities Transaction Taxes for<br />
U.S. Financial Markets, in: Eastern Economic Journal, Vol.<br />
29, 2001, 527-558. – Schulmeister, S.; Schratzenstaller,<br />
M.; Picek, O.: A General Financial Transaction Tax:<br />
Motives, Revenues Feasibility and Effects. Österreichisches<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Wirtschaftsforschung</strong>. Wien 2008.<br />
dämmen, um dadurch in Zukunft Finanzkrisen zu<br />
verhindern. Grundsätzlich ist jedoch anzumerken,<br />
dass Spekulationen nicht per se wohlfahrtsmindernd<br />
sind, sondern auch eine disziplinierende Wirkung<br />
haben. Dies ist zumindest solange der Fall, wie<br />
Spekulationen nicht Ursache, sondern Folge makroökonomischer<br />
oder wirtschaftspolitischer Fehlentwicklungen<br />
sind. Zudem wird häufig argumentiert,<br />
dass Spekulationen zur Blasenbildung beitragen.<br />
Allerdings kommt der Großteil der Literatur zu<br />
dem Ergebnis, dass nicht Spekulationen, sondern<br />
eine ungezügelte Kreditvergabe häufig die Ursache<br />
der Blasenbildung sind. 16 Hinzu kommt, dass sich<br />
gerade risikoreiche Geschäfte, die hohe Gewinne<br />
versprechen, trotz der durch eine Finanztransaktionssteuer<br />
ausgelösten Erhöhung der Transaktionskosten<br />
weiterhin lohnen dürften. Da die Finanztransaktionssteuer<br />
somit den beabsichtigten Lenkungszweck<br />
vermutlich nicht erfüllt, sollte bei makroökonomischen<br />
Fehlentwicklungen eher auf makroprudenzielle<br />
Maßnahmen zurückgegriffen werden. 17<br />
Zudem existieren Pläne zur Wiedererhebung der<br />
Vermögensteuer, die nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />
ausgesetzt wurde. Neben der einnahmeseitigen<br />
Konsolidierung werden mit Vermögensteuern<br />
im allgemeinen Umverteilungsziele<br />
verfolgt. Eine Erhöhung des bereits durch die progressive<br />
Lohnsteuer realisierten Umverteilungsvolumens<br />
ist allokationspolitisch jedoch problematisch.<br />
Zum einen mindert die Vermögensteuer die Kapitalrendite<br />
der Unternehmen und kann auf diese Weise<br />
die Investitionstätigkeit dämpfen. Alternativ könnten,<br />
im Falle einer Steuerüberwälzung, Preiserhöhungen<br />
oder (Real-)Lohnsenkungen die Folge sein. 18 Auch<br />
hierdurch würde letztlich der Produktionszuwachs<br />
geschmälert. 19 Zum anderen ginge die Erhebung ei-<br />
16 Vgl. z. B. Allen, F.; Gale, D.: Bubbles and Crises, in: The<br />
Economic Journal, Vol. 110 (460), 2000, 236-255. – Akerlof,<br />
G. A.; Shiller, R. J.: Animal Spirits. Princeton University<br />
Press: Princeton 2008.<br />
17 Vgl. Arbeitskreis <strong>Konjunktur</strong> des IWH, Kiel Economics:<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>: Eurokrise nimmt deutscher <strong>Konjunktur</strong><br />
den Wind aus den Segeln, in: IWH, Wirtschaft im Wandel,<br />
Jg. 18 (8-9), 2012, 228-258.<br />
18 Selbst wenn Privatvermögen erst ab einer bestimmten<br />
Höhe besteuert wird und selbst genutzte Immobilien nicht<br />
besteuert werden, ist beispielsweise zu be<strong>für</strong>chten, dass<br />
Immobiliengesellschaften die durch die Vermögensteuer<br />
entstehenden Zusatzbelastungen in die Mieten überwälzen.<br />
19 Häufig wird zudem argumentiert, dass Vermögensteuern<br />
substanzvernichtende Wirkungen haben können, wenn die<br />
besteuerten Unternehmen keine Gewinne erwirtschaften<br />
und die Steuer durch die Auflösung von Vermögensbeständen<br />
finanzieren müssen. Die derzeitigen Planungen sehen<br />
jedoch vor, nur profitable Unternehmen zu besteuern.<br />
42<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
ner Vermögensteuer mit einer Art Doppelbesteuerung<br />
einher, wenn Vermögen, das aus erwirtschaftetem<br />
und bereits besteuertem Einkommen entstanden<br />
ist, nochmals besteuert wird. Die häufig geforderte<br />
Verschonung von Betriebsvermögen durch die<br />
Trennung vom Privatvermögen dürfte – insbesondere<br />
bei Familienbetrieben – nur mit erheblichem<br />
Aufwand umzusetzen sein. Letztlich verfügen gerade<br />
größere, international aufgestellte Unternehmen<br />
über Möglichkeiten, die Besteuerung von Vermögen<br />
durch Ausweichreaktionen zu umgehen, zumal<br />
in Europa nur noch in Frankreich, Norwegen und<br />
der Schweiz Vermögensteuern erhoben werden. In<br />
vielen anderen europäischen Ländern wurden Vermögensteuern<br />
im vergangenen Jahrzehnt abgeschafft.<br />
Finanzpolitische Implikationen<br />
Abschließend lässt sich festhalten, dass der grundsätzlich<br />
positiv zu bewertende Ausgleich des gesamtstaatlichen<br />
Haushalts in Deutschland im Jahr<br />
2012 Sonderfaktoren unterlag. Hier ist zum einen<br />
die Verringerung des Schuldendienstes durch die<br />
historisch niedrige Verzinsung deutscher Staatsschuldtitel<br />
zu nennen, und zum anderen die Zuwächse<br />
beim Steueraufkommen durch die inflationsbedingte<br />
Verschärfung der Einkommensteuerlast.<br />
Unter Berücksichtigung des Prinzips der Vorsicht<br />
muss darauf hingewiesen werden, dass sowohl die<br />
günstige Verzinsung als auch die kalte Progression<br />
keinen langfristigen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung<br />
leisten. Grundsätzlich betrachtet, könnte<br />
eine konsequente Beseitigung der kalten Progression<br />
durch eine Indexierung der Tarifparameter die<br />
langfristige Effektivität der Schuldenbremse sogar<br />
steigern. Ein indexierter Steuertarif, der fiskalischer<br />
Illusion auf Seiten der Steuerzahler vorbeugt<br />
und die gegenwärtigen Zyklen bei den Steuereinnahmen<br />
beseitigt, steigert nämlich nachhaltig die<br />
Berechenbarkeit und Transparenz staatlicher Konsolidierungspolitik.<br />
Eine einnahmeseitige Konsolidierung<br />
durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer<br />
und einer Vermögenssteuer ist aus ökonomischer<br />
Sicht kritisch zu beurteilen. Die Akzeptanz<br />
einer Finanztransaktionssteuer in Deutschland und<br />
anderen europäischen Staaten wird nicht zuletzt<br />
davon abhängen, inwieweit positive Lenkungseffekte<br />
auf den Finanzmärkten zu erwarten sind.<br />
Zukünftige Konsolidierungserfolge können in Zeiten<br />
mit weniger günstigen Rahmenbedingungen<br />
daher wohl nur durch eine stärkere Rückführung<br />
der Ausgaben erreicht werden.<br />
Zur Staatsschuldenkrise Griechenlands<br />
und der Rolle der Geldpolitik<br />
Lösungsverweigerung in der Griechenlandkrise<br />
gefährdet Stabilität von Geld- und Finanzpolitik<br />
Während sich viele wirtschaftspolitische Berater<br />
immer wieder <strong>für</strong> einen Schuldenschnitt als notwendige<br />
Maßnahme zur Überwindung der Krise in<br />
Griechenland ausgesprochen haben, verfolgt die<br />
Politik weiterhin einen anderen Kurs. Die begrenzte<br />
Größe der griechischen Wirtschaft mag eine Erklärung<br />
da<strong>für</strong> sein, dass auch eine anhaltende Krise in<br />
Griechenland <strong>für</strong> den Rest der Europäischen Union<br />
„tragfähig“ erscheint. In der Tat vermag die anhaltend<br />
tiefe Rezession der griechischen Wirtschaft<br />
die <strong>Konjunktur</strong> in Deutschland kaum mehr zu tangieren<br />
– die Krisen in anderen Ländern, vor allem<br />
in Spanien und Italien, wirken sich viel stärker aus.<br />
Ein anderer Grund könnte sein, dass die europäischen<br />
Regierungen hoffen, mit der andauernden<br />
Abhängigkeit Griechenlands von Hilfen ein hohes<br />
Maß an Einflussnahme auf den Reformprozess zu<br />
wahren. Allerdings könnte die Einflussnahme auch<br />
nach einem Schuldenschnitt gewährleistet bleiben.<br />
Zudem treten die zu erwartenden geldpolitischen<br />
und finanzpolitischen Kosten der ungelösten Krise<br />
in Griechenland immer stärker zutage.<br />
Während des Sommers 2012 wartete die Öffentlichkeit<br />
auf den Bericht der Troika aus Europäischer<br />
Kommission, Europäischer Zentralbank und<br />
Internationalem Währungsfonds, da die politischen<br />
Entscheidungsträger nur auf Grundlage dieses Berichtes<br />
das weitere Vorgehen beschließen wollten.<br />
Die immer wieder neuen Verzögerungen bei der<br />
Berichtserstellung führten nicht nur in Griechenland<br />
zu Verunsicherung. Seit dem 12. November<br />
2012 liegt der Bericht den Entscheidungsträgern<br />
vor. 20 Auf dessen Grundlage beschloss die Eurogruppe<br />
am 27. November 2012 grundsätzlich, die<br />
nächste Tranche des zweiten Rettungspakets <strong>für</strong><br />
Griechenland in Höhe von 43,7 Mrd. Euro auszuschütten.<br />
Zusätzlich wurde eine Reihe von Maßnahmen,<br />
die die Nachhaltigkeit der Staatsschulden<br />
in Griechenland sichern sollen, beschlossen. 21<br />
Der Troika-Bericht konstatiert die Verzögerungen<br />
bei den Reformen im Zuge der Parlamentswahlen<br />
in Griechenland, die aufgrund schwieriger<br />
Regierungsbildung die Handlungsfähigkeit be-<br />
20 Siehe Bundestagsdrucksache 17-11649, 28.11.2012.<br />
21 Siehe Erklärung der Euro-Gruppe vom 27.11.2012:<br />
http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/press<br />
data/en/ecofin/133857.pdf.<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 43
grenzten. Allerdings bestätigen die Prüfer nun die<br />
Erfüllung der wesentlichen Bedingungen. Zugleich<br />
entwickelte sich die griechische Wirtschaft jedoch<br />
deutlich schlechter als noch im Frühjahr von der<br />
Troika prognostiziert. Folglich wurden die bisherigen<br />
Programmziele, insbesondere das Erzielen eines<br />
Primärüberschusses von 4,5% im Jahr 2014 und<br />
die Erreichung eines Schuldenstandes von 120% in<br />
Relation zum Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020,<br />
als nicht haltbar angesehen. Entsprechend wurde<br />
die Zielerreichung auf die Jahre 2016 beziehungsweise<br />
2022 vertagt.<br />
Rückkaufprogramm <strong>für</strong> Staatsschulden reicht<br />
nicht aus<br />
Die nunmehr grundsätzlich beschlossene Auszahlung<br />
der zweiten Tranche in Höhe von 43,7 Mrd.<br />
Euro soll in Teilen erfolgen. Der Löwenanteil in<br />
Höhe von 34,4 Mrd. Euro soll am 13.12.2012 freigegeben<br />
werden. Allerdings muss zuvor die Schuldentragfähigkeitsanalyse<br />
aufgrund eines bis dahin<br />
abzuschätzenden Ertrags aus einem Rückkaufprogramm<br />
<strong>für</strong> Staatsschuldtitel überarbeitet werden.<br />
Das Rückkaufprogramm wurde als wichtigste zusätzliche<br />
Maßnahme beschlossen. Die griechische<br />
Regierung bot dazu ihren privaten Gläubigern einen<br />
Umtausch ihrer Staatsschuldtitel an. Diese werden<br />
zu einem Kurs in der Höhe von 30% bis 40% des<br />
Nennwertes aus Mitteln der dann freizugebenden<br />
Teiltranche in Höhe von etwa zehn Mrd. Euro zurückgekauft.<br />
Damit reduziert sich die Verschuldung<br />
um ca. 20 Mrd. Euro (oder 6% in Relation<br />
zum Bruttoinlandsprodukt). Während die Reduktion<br />
des Schuldenstandes zu begrüßen ist, offenbart<br />
der Erfolg des Rückkaufprogramms auch die anhaltenden<br />
Probleme. Da es sich hierbei nicht um<br />
einen einseitig erklärten Ausfall, sondern um eine<br />
freiwillige Transaktion handelt, lässt sich aus dem<br />
Erfolg des Programms schließen, dass an den<br />
Märkten weiter mit einem Schuldenschnitt gerechnet<br />
wird. Wären die Marktteilnehmer davon ausgegangen,<br />
dass der Rückkauf und die damit ausgelösten<br />
weiteren Hilfszahlungen die Zahlungsunfähigkeit<br />
abwenden könnten, dann hätten sie die<br />
Papiere zum angebotenen Preis nicht verkauft. Bedenklich<br />
ist zudem, dass die Transaktion zwar die<br />
Schuldenlast <strong>für</strong> den Staat mindert, gleichzeitig<br />
aber zur Realisierung von Verlusten aus dem Erwerb<br />
griechischer Staatsanleihen <strong>für</strong> die griechischen<br />
Banken und damit zu einer Verschiebung des<br />
Problems in diesen Sektor führt. Der Erfolg des<br />
Rückkaufprogramms ermöglicht nun jedoch die<br />
Auszahlung der ersten Teiltranche. Die verbleibenden<br />
Mittel der Tranche sollen nach weiteren Prüfungen<br />
im ersten Quartal <strong>2013</strong> freigegeben werden.<br />
Weitere Maßnahmen führen kaum zu Entlastungen<br />
Neben dem Rückkaufprogramm sind weitere neue<br />
Maßnahmen vorgesehen, um die Tragfähigkeit der<br />
Staatsverschuldung in Griechenland zu verbessern:<br />
Die Zinsen auf Hilfen aus dem ersten – noch<br />
bilateral organisierten – Rettungspaket werden um<br />
100 Basispunkte gesenkt (allerdings nicht <strong>für</strong> die<br />
Anteile von Ländern, die nunmehr selbst Hilfen<br />
beziehen). Diese Reduktion senkt den durchschnittlich<br />
zu zahlenden Zins auf griechische Staatsschulden<br />
um 0,17 Prozentpunkte. Das bedeutet eine jährliche<br />
Einsparung von 0,5 Mrd. Euro gegenüber der<br />
bisherigen Planung.<br />
Die Kreditzinsen aus dem zweiten Rettungspaket,<br />
das durch die Europäische Finanzmarktstabilisierungsfazilität<br />
(EFSF) bereitgestellt wird, werden <strong>für</strong><br />
zehn Jahre gestundet. Allerdings werden die gestundeten<br />
Zinszahlungen ebenfalls verzinst, sodass<br />
längerfristig keine positiven Auswirkungen auf die<br />
Schuldentragfähigkeit erwartet werden können, es<br />
reduziert sich lediglich der <strong>aktuell</strong>e Finanzierungsbedarf.<br />
Wirksam ist jedoch der Erlass von Avalgebühren<br />
auf die EFSF-Kredite in Höhe von 0,1<br />
Prozentpunkten. Daraus ergeben sich Einsparungen<br />
in Höhe von etwa 0,1 Mrd. Euro pro Jahr.<br />
Zudem sollen griechische Banken Maßnahmen<br />
zur Erhöhung des Eigenkapitals ergreifen. Davon<br />
erhofft sich die Troika eine Reduktion der notwendigen<br />
Unterstützung <strong>für</strong> den Bankensektor. Dies soll<br />
kurzfristig zu Einsparungen in Höhe von 0,6 Mrd.<br />
Euro (0,3% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt)<br />
führen.<br />
Die durch die EZB realisierten Gewinne aus dem<br />
nunmehr auslaufenden Anleihenaufkaufprogramm<br />
(SMP), die sich sowohl aus Zinszahlungen als auch<br />
Rückzahlungen aus gehaltenen griechischen Staatsschuldtiteln<br />
ergeben, sollen an Griechenland transferiert<br />
werden. Die Troika setzt hier <strong>für</strong> die Jahre<br />
2012 bis 2016 zusätzliche Einnahmen in Höhe von<br />
7,1 Mrd. Euro (3,6% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt)<br />
an und geht dabei davon aus, dass die kompletten<br />
Gewinne an Griechenland transferiert werden.<br />
Weitere Maßnahmen umfassen die Verschiebung<br />
der noch im Frühjahr geplanten Reduktion<br />
der Bestände an kurzlaufenden Staatsschuldtiteln<br />
(T-Bills), der gegenüber der ursprünglichen Planung<br />
verzögerte Aufbau eines Liquiditätspuffers und die<br />
Laufzeitverlängerungen von Krediten aus den bei-<br />
44<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
den Rettungspaketen. Diese Maßnahmen wirken<br />
lediglich aufschiebend, senken den kurzfristigen<br />
Finanzierungsbedarf, haben aber auf die langfristige<br />
Schuldentragfähigkeit nur begrenzten Einfluss.<br />
Schuldentragfähigkeit in Griechenland weiterhin<br />
nicht gegeben<br />
Zur Ermittlung der Schuldentragfähigkeit wird<br />
eine statische Projektion der Schuldenstände verwendet.<br />
22 Dazu werden folgende Annahmen getroffen.<br />
Ausgangspunkt ist der <strong>aktuell</strong>e Schuldenstand<br />
von 345 Mrd. Euro. Dieser wird um die jetzt<br />
anfallenden Einsparungen in Höhe von 11,6 Mrd.<br />
Euro (elf Mrd. Euro aus dem Rückkaufprogramm,<br />
0,6 Mrd. Euro aus der verringerten Bankenhilfe)<br />
reduziert. Die Zins- und Gebührenreduktionen<br />
werden bei der Abschätzung des jährlich durchschnittlich<br />
zu zahlenden Zinssatzes berücksichtigt.<br />
Der Transfer der EZB-Gewinne reduziert die von<br />
der Troika erwarteten Primärdefizite bis zum Jahr<br />
2015 um jährlich einen Prozentpunkt. Der Anstieg<br />
des realen Bruttoinlandsproduktes ist wie von der<br />
Troika erwartet ab dem Jahr <strong>2013</strong> wieder positiv<br />
und beschleunigt sich bis zum Jahr 2016 auf 3,7%.<br />
Das gesamtwirtschaftliche Preisniveau steigt wie<br />
von der Troika erwartet noch im Jahr <strong>2013</strong> und<br />
mündet dann in eine Deflation, die bis zum Jahr<br />
2020 anhält. Daraus ergeben sich bei dieser rein<br />
statischen Projektion Schuldenstände in Höhe von<br />
163% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt im<br />
Jahr 2020 und in Höhe von 150% in Relation zum<br />
Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2022. Nach dieser<br />
Projektion wäre die Zielgrenze von 120% in Relation<br />
zum Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2027 erreicht.<br />
Allerdings kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon<br />
ausgegangen werden, dass eine Verschuldung<br />
in dem projektierten Umfang in Griechenland nicht<br />
bis ins Jahr 2017 trägt. Der Schuldenstand Griechenlands<br />
ist auch nach den beschlossenen Maßnahmen<br />
deutlich zu hoch. Die Programmmittel aus<br />
dem zweiten Rettungspaket sind im Jahr 2014 erschöpft.<br />
Danach müsste die Finanzierung wieder<br />
über den Markt erfolgen. Es ist aber nicht absehbar,<br />
wie der Marktzugang gelingen soll.<br />
Geldpolitik: Staatsfinanzierung stoppen<br />
Je länger die griechische Staatsschuldenkrise verschleppt<br />
wird, desto höher werden die Kosten <strong>für</strong><br />
22 Zum Vorgehen siehe Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose,<br />
a. a. O. München, 62 ff.<br />
die europäische Finanz- und Geldpolitik. Geldpolitisch<br />
relevant ist vor allem die Ankündigung, dass<br />
die Finanzierung Griechenlands durch kurzlaufende<br />
Staatsschuldpapiere (so genannte T-Bills) nicht<br />
– wie noch im März vorgesehen – reduziert werden<br />
soll. Im Gegensatz dazu erhöhten sich diese Bestände<br />
an kurzlaufenden Staatsschuldpapieren im<br />
Jahr 2012 deutlich. Die Europäische Kommission<br />
geht davon aus, dass durch den Fortbestand der T-<br />
Bill-Finanzierung die Finanzierungslücke in Griechenland<br />
um neun Mrd. Euro in den Jahren 2012<br />
bis 2014 sinkt. Die geldpolitische Bedeutung wird<br />
dann klar, wenn man sich verdeutlicht, wie diese<br />
T-Bills platziert werden. Die nationalen Notenbanken<br />
haben im Eurosystem die Möglichkeit, Banken<br />
mit Notkrediten zu versorgen, <strong>für</strong> die Sicherheiten<br />
akzeptiert werden, die <strong>für</strong> normale Refinanzierungsgeschäfte<br />
nicht infrage kommen, z. B. griechische<br />
T-Bills. Die EZB hat dabei ein Vetorecht. Die <strong>für</strong><br />
notleidende Banken vorgesehenen Möglichkeiten<br />
werden im Fall Griechenlands nunmehr zur direkten<br />
Staatsfinanzierung durch die Notenbank verwendet.<br />
Der griechische Staat gibt an die griechischen<br />
Banken T-Bills aus, die Banken hinterlegen die T-<br />
Bills bei der griechischen Notenbank als Sicherheiten<br />
<strong>für</strong> Notkredite. Mit diesem Notenbankgeld<br />
können die griechischen Banken den Staat <strong>für</strong> die<br />
ausgegebenen T-Bills bezahlen. Für die Banken<br />
ergibt sich ein Gewinn in Höhe der Zinsdifferenz<br />
zwischen T-Bill und Notkreditzins; der Staat kann<br />
sich über ein Papier finanzieren, das zu diesen<br />
Konditionen am Markt unverkäuflich wäre. Während<br />
die große T-Bill/Notkreditaktion im August<br />
2012 noch mit dem verzögerten Troika-Bericht<br />
und der dringend notwendigen Zwischenfinanzierung<br />
bis zu einer Lösung der Krise durch die europäischen<br />
Länder und den IWF (wenn auch als Sündenfall)<br />
hinzunehmen war, so wird jetzt deutlich,<br />
dass das Eurosystem durch Duldung dieser Refinanzierungsgeschäfte<br />
dauerhaft in die Staatsfinanzierung<br />
einsteigt. Aus guten Gründen ist der EZB<br />
die direkte Staatsfinanzierung jedoch untersagt,<br />
und auch Umgehungstatbestände sollten auf jeden<br />
Fall vermieden werden. Zwar dürften die unmittelbaren<br />
Auswirkungen der Notkredite in Griechenland<br />
auf die Preisentwicklung im Euroraum sehr<br />
begrenzt sein, aber der Tabubruch weckt Begehrlichkeiten<br />
in anderen Ländern und gefährdet damit<br />
schon mittelfristig die geldpolitische Stabilität.<br />
Diese Notkreditpraxis des Eurosystems sollte deshalb<br />
sofort eingestellt werden – auch weil dadurch<br />
die Lösung der Krise weiter verschleppt und die<br />
Risiken <strong>für</strong> die Steuerzahler verschleiert werden.<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 45
Finanzpolitik: Kosten der Griechenlandkrise jetzt<br />
berücksichtigen<br />
Im Bereich der deutschen Finanzpolitik werden<br />
derzeit die haushälterischen Mindereinahmen aus<br />
den <strong>aktuell</strong>en Beschlüssen zu Griechenland diskutiert.<br />
Hier geht es lediglich darum, inwieweit die<br />
Gewinne aus den Rettungsmaßnahmen <strong>für</strong> Griechenland<br />
sinken. Diese Diskussion ignoriert, dass<br />
die eigentliche Belastung <strong>für</strong> den Haushalt in der<br />
Abschreibung von Krediten an Griechenland besteht,<br />
die im Zuge eines notwendigen Schuldenschnittes<br />
fällig werden. Geht man davon aus, dass<br />
die bisher im Rahmen der beiden Rettungspakete<br />
geleisteten Zahlungen ausfallen, was den Schuldenstand<br />
Griechenlands unmittelbar auf 112% in<br />
Relation zum Bruttoinlandsprodukt senken würde,<br />
dann kämen auf den deutschen Staatshaushalt Belastungen<br />
in Höhe von 36,7 Mrd. Euro zu. Dabei<br />
wird angenommen, dass sowohl die Kredite vom<br />
IWF als auch die Staatsanleihen, die von der EZB<br />
gehalten werden, weiter bedient werden. Belastungen<br />
in mindestens dieser Höhe sollten bei der<br />
Haushaltsplanung bereits jetzt berücksichtigt werden.<br />
Es ist dabei unerheblich, ob die notwendige<br />
Reduktion der griechischen Schulden dann letztendlich<br />
Schuldenschnitt genannt wird oder durch<br />
anderweitige Zuwendungen geschieht. Die Berücksichtigung<br />
der Kosten verschärft die derzeit aufgrund<br />
von Sonderfaktoren recht positiv anmutende<br />
Haushaltssituation nachhaltig (siehe Abschnitt „Zur<br />
deutschen Finanzpolitik“). Eine weitere Verzögerung<br />
der Krisenlösung mit neuen Krediten führt zu<br />
immer weiter steigenden Kosten auch <strong>für</strong> den deutschen<br />
Steuerzahler. Dies ist vor allem deshalb der<br />
Fall, weil die andauernde Unsicherheit über die<br />
Umsetzung des unausweichlichen Schuldenschnitts<br />
den wirtschaftlichen Wiederaufbau Griechenlands<br />
und damit die Reduktion des Schuldenstandes in<br />
Relation zum Bruttoinlandsprodukt verzögert. Damit<br />
sinkt die Effektivität der eingesetzten Hilfsgelder<br />
mit der Dauer der Krise. Ferner belastet die<br />
fortbestehende Unsicherheit auch die konjunkturelle<br />
Dynamik. Zudem führt der anhaltende Ersatz<br />
von privaten Gläubigern durch öffentliche Gläubiger<br />
dazu, dass im Falle eines künftigen Schuldenschnittes<br />
der durch die öffentlichen Gläubiger zu<br />
tragende Anteil immer weiter steigt.<br />
Was jetzt zu tun ist<br />
Die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung in Griechenland<br />
kann nur dadurch wiederhergestellt werden,<br />
dass die Staatsverschuldung spürbar sinkt. Dies<br />
gelingt nicht, indem neue Kredite vergeben werden.<br />
Vielmehr müssen die privaten und öffentlichen<br />
Gläubiger Griechenlands auf einen Teil ihrer Forderungen<br />
verzichten. 23 Da ein europäischer Insolvenzmechanismus<br />
noch nicht installiert wurde, muss <strong>für</strong><br />
den Schuldenschnitt eine Einzelfallregelung unter<br />
Beteiligung der öffentlichen Gläubiger getroffen<br />
werden. Da der IWF aufgrund seiner Senioritätsregeln<br />
kaum an einem Schuldenschnitt teilnehmen<br />
dürfte und auch die EZB dazu nicht eingespannt<br />
werden sollte, bleiben die bilateralen öffentlichen<br />
Gläubiger aus dem ersten Hilfspaket, der EFSF <strong>für</strong><br />
das zweite Hilfspaket sowie die privaten Gläubiger.<br />
Die Eurogruppe sollte deshalb mit Griechenland<br />
die Modalitäten <strong>für</strong> den Schuldenschnitt verhandeln.<br />
Er sollte so umfangreich sein, dass der<br />
Gesamtschuldenstand dadurch auf ein Maß sinkt,<br />
das eine dauerhaft nachhaltige Staatsfinanzierung<br />
ermöglicht. Der enorme Reputationsverlust Griechenlands<br />
durch den dann zweiten Schuldenschnitt<br />
in Folge sollte durch die Euroländer durch die an<br />
Bedingungen geknüpfte Übernahme von Garantien<br />
bei der Emission von neuen griechischen Staatsschuldpapieren<br />
abgemildert werden, um den Marktzugang<br />
schnell wiederherzustellen. Die bedingte<br />
Gewährung von Garantien ermöglicht den europäischen<br />
Partnerländern, auch weiterhin Einfluss auf<br />
die Reformen in Griechenland zu nehmen.<br />
Zudem sollte die europäische Wirtschaftspolitik<br />
jetzt – nach dem Ergreifen vielfältigster Maßnahmen<br />
zur Verbesserung der Überwachung und zur<br />
Stabilisierung des Bankensystems – auch Maßnahmen<br />
zur <strong>Institut</strong>ionalisierung eines Verfahrens zum<br />
Umgang mit Staatsinsolvenzen in der Währungsunion<br />
angehen. 24 Mit dessen Hilfe könnte nicht nur<br />
der Umgang mit Staatsinsolvenzen deutlich verbessert<br />
und vereinfacht werden. Es würde zudem ein<br />
Instrument geschaffen, dass eine Risikobeurteilung<br />
bezüglich der Solvenz von Staaten erleichtert. Dadurch<br />
reduziert sich die Unsicherheit, und eine<br />
effektive Marktsanktionierung wäre möglich.<br />
23 Warum ein substanzieller Schuldenschnitt vorteilhaft ist,<br />
wurde schon in Dietrich, D.; Holtemöller, O.; Linder, A.:<br />
Wege aus der Schulden- und Vertrauenskrise in der Europäischen<br />
Wirtschafts- und Währungsunion, in: IWH,<br />
Wirtschaft im Wandel Jg. 16 (8), 2010 beschrieben.<br />
24 Vgl. Holtemöller, O.; Knedlik, T.: Prävention und Management<br />
von Staatsinsolvenzen in der Europäischen Währungsunion,<br />
in: Wirtschaftsdienst, Jg. 91 (3), 2011, 173-178.<br />
46<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
IWH, <strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>, S. 47-50<br />
IWH-Bauumfrage zum Jahresauftakt <strong>2013</strong>:*<br />
Nach schwachem Produktionsverlauf im Jahr 2012 wieder große<br />
Zuversicht im Hoch- und Ausbau<br />
Brigitte Loose<br />
Im Jahr 2012 hat die Bauproduktion in Ostdeutschland einen Rückschlag erlitten. Verantwortlich ist eine<br />
rückläufige Nachfrage im Wirtschaftsbau und im öffentlichen Bau, was zum einen der im Jahr 2012 weltweit<br />
schwachen <strong>Konjunktur</strong> und zum anderen dem Auslaufen der <strong>Konjunktur</strong>pakete im Jahr 2011 geschuldet sein<br />
dürfte. Zudem hat sich im Jahresverlauf die außergewöhnlich hohe Nachfrage in Wohnungsneubau und -ausbau<br />
normalisiert. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Ertragslage der Bauunternehmen <strong>für</strong> das Jahr 2012<br />
wider, die sich alles in allem etwas ungünstiger darstellt als noch vor einem Jahr.<br />
Für das Jahr <strong>2013</strong> ist die Stimmung unter den vom IWH befragten Unternehmen verhalten optimistisch.<br />
Insgesamt überwiegen bei den Umsatzerwartungen <strong>für</strong> das Baugewerbe die Hoffnungen auf eine Expansion<br />
gegenüber der Furcht vor Rückgängen. Es zeigt sich allerdings eine deutliche Spreizung zwischen den Sparten.<br />
Sie reicht von einem eindeutigen Übergewicht expansionsgewillter Unternehmen im Ausbau bis zu einem klaren<br />
Übergewicht von Firmen mit rückläufigen Umsatzerwartungen im Tiefbau.<br />
Ansprechpartnerin:<br />
JEL-Klassifikation:<br />
Schlagwörter:<br />
Brigitte Loose (Brigitte.Loose@iwh-halle.de)<br />
L74<br />
Ostdeutschland, Baugewerbe, <strong>Konjunktur</strong>, Investitionen, Handwerk<br />
Das hohe Niveau vom Jahreswechsel 2011/2012<br />
konnte nicht gehalten werden<br />
Zum Jahresende 2011 war es angesichts einer über<br />
alle Sparten reichenden hohen Nachfrage und eines<br />
im längerfristigen Vergleich außerordentlich milden<br />
Winters zu deutlichen Zuwächsen bei der Bauproduktion<br />
gekommen. Im Verlauf des Jahres 2012<br />
konnte diese hohe Dynamik allerdings nicht gehalten<br />
werden (vgl. Abbildung 1). Einen erheblichen<br />
Einbruch der Bauleistungen gab es im Wirtschaftsbau<br />
und im öffentlichen Bau. Die gewerbliche<br />
Wirtschaft hielt sich angesichts der Eurokrise und<br />
der weltweiten <strong>Konjunktur</strong>abschwächung mit Investitionen<br />
zurück. Die öffentlichen Haushalte reduzierten<br />
mit dem Auslaufen der <strong>Konjunktur</strong>pakete<br />
ihre Aufträge deutlich. Zudem hat sich im Jahresverlauf<br />
die außergewöhnlich hohe Nachfrage im<br />
Wohnungsneubau und -ausbau, die durch die gestiegenen<br />
Einkommen, die niedrigen Zinsen und<br />
∗ Neben den regelmäßigen <strong>Konjunktur</strong>daten erhebt das IWH<br />
zum Jahresende bei ca. 300 Unternehmen auch Daten zur<br />
Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung <strong>für</strong> das abgelaufene<br />
und zu den Erwartungen <strong>für</strong> das neue Kalenderjahr,<br />
u. a. zur regionalen Absatzstruktur und zur Ertrags- und<br />
Liquiditätssituation. Dieser Beitrag wurde bereits als IWH-<br />
Pressemitteilung 2/<strong>2013</strong> am 16. Januar <strong>2013</strong> veröffentlicht.<br />
Abbildung 1:<br />
Umsatz und Geschäftslage des Baugewerbes der<br />
Neuen Bundesländer<br />
- preis- und saisonbereinigt, Abweichung vom Trend<br />
in % -<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
-2<br />
-4<br />
-6<br />
-8<br />
1. Qu.<br />
2007<br />
1. Qu.<br />
2008<br />
1. Qu.<br />
2009<br />
1. Qu.<br />
2010<br />
1. Qu.<br />
2011<br />
Umsatz Bauhauptgewerbe<br />
Umsatz Ausbaugewerbe<br />
dar. Umsatz Wohnungsbau<br />
Geschäftslage Baugewerbe<br />
1. Qu.<br />
2012<br />
IWH<br />
Quellen: Statistisches Bundesamt; Bauumfragen des IWH;<br />
Berechnungen und Darstellung des IWH.<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
-5<br />
-10<br />
-15<br />
-20<br />
-25<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 47
durch die geringe Attraktivität anderweitiger Anlagemöglichkeiten<br />
getrieben war, weitgehend normalisiert.<br />
Laut amtlicher Statistik befand sich hier das<br />
Umsatzniveau im Herbst in etwa auf dem Trendniveau.<br />
Zum Jahresende 2012 dürfte sich die Abwärtsbewegung<br />
alles in allem aber etwas abgeflacht<br />
haben, wie der Indikator der vom IWH durchgeführten<br />
Bauumfragen 1 signalisiert. Zwar haben die<br />
Unternehmen und die öffentlichen Haushalte wohl<br />
weiterhin nur sehr verhalten investiert, die Bauleistungen<br />
im Wohnungsbau dürften dagegen zuletzt<br />
wieder zugenommen haben. Darauf deuten<br />
auch die Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe,<br />
die wieder aufwärtsgerichtete Umsatztendenz im<br />
Ausbaugewerbe und die Baugenehmigungen hin.<br />
Zusätzliche Impulse von der gestiegenen Wohnungsbaunachfrage<br />
in den Alten Ländern ergaben sich<br />
aber laut Umfrage nicht. Da das westdeutsche Baugewerbe<br />
aufgrund der schwachen gewerblichen und<br />
öffentlichen Impulse Baukapazitäten in den Wohnungsbau<br />
umleiten konnte, sind die Bauleistungsströme<br />
von Ost nach West im Wesentlichen auf<br />
dem Niveau des Vorjahres verblieben. Im Jahr 2012<br />
insgesamt wird die Bauproduktion in den ostdeutschen<br />
Flächenländern einen deutlichen Rückgang<br />
gegenüber dem Vorjahr vollzogen haben. Nur 35%<br />
der Unternehmen haben ihre Produktion ausweiten<br />
können, während 44% Verluste gegenüber dem<br />
Vorjahr hinnehmen mussten. Reichlich ein Fünftel<br />
konnte die Produktion stabil halten. Die vor Jahresfrist<br />
geäußerten Erwartungen haben sich damit<br />
nicht erfüllt. Das trifft vor allem <strong>für</strong> den Tiefbau<br />
zu; hier haben 56% der Unternehmen Umsatzrückgänge<br />
zu verbuchen, erwartet hatte dies nur etwa<br />
ein Viertel.<br />
Ertragssituation hat sich im Jahr 2012 etwas verschlechtert<br />
Im Schlepptau der schwächeren <strong>Konjunktur</strong> stellte<br />
sich auch die Ertragslage der ostdeutschen Bauunternehmen<br />
im Jahr 2012 nicht mehr so gut dar<br />
wie ein Jahr zuvor (vgl. Tabelle 1). Der Anteil der<br />
Unternehmen mit Gewinn reduzierte sich von 70%<br />
auf 66%. Eine Kreuztabellierung der Ertragslage<br />
von 2010 bis 2012 zeigt die Übergänge zwischen<br />
den Ertragstypen. So ist den Unternehmen im Jahr<br />
2012 die Sicherstellung einer Gewinnsituation in<br />
deutlich geringerem Maße als im Jahr zuvor gelungen.<br />
Zudem konnten deutlich weniger Unternehmen<br />
mit zuvor kostendeckender bzw. verlust-<br />
1 Vgl. IWH-Pressemitteilung 1/<strong>2013</strong> vom 3. Januar <strong>2013</strong>.<br />
bringender Produktion den Aufstieg in den Gewinnbereich<br />
vollziehen (vgl. Tabelle 2). Mit 43%<br />
konnten auch außergewöhnlich viele Unternehmen<br />
nichts an ihrer Verlustsituation ändern.<br />
Tabelle 1:<br />
Entwicklung der Ertragslage in den Ende 2012<br />
befragten ostdeutschen Bauunternehmen<br />
- in % der befragten Unternehmen -<br />
2010 2011<br />
voraussichtlich<br />
2012<br />
Baugewerbe insgesamt<br />
Gewinn 61 70 66<br />
Kostendeckung 24 21 26<br />
Verlust 15 9 8<br />
dar.: Hochbau<br />
Gewinn 52 68 74<br />
Kostendeckung 30 23 17<br />
Verlust 18 9 9<br />
dar.: Tiefbau<br />
Gewinn 66 73 55<br />
Kostendeckung 25 19 38<br />
Verlust 9 8 6<br />
dar.: Ausbau<br />
Gewinn 63 70 69<br />
Kostendeckung 17 21 24<br />
Verlust 15 9 7<br />
jeweils insgesamt 100 100 100<br />
Fälle: 2010: 252; 2011: 257; 2012: 257.<br />
Quelle: IWH-Bauumfrage vom Dezember 2012.<br />
Tabelle 2:<br />
Veränderung der Ertragssituation im Zeitraum von<br />
2010 bis 2012 im Baugewerbe Ostdeutschlands<br />
- in % der Unternehmen gemäß der Ertragslage im Vorjahr<br />
-<br />
2011<br />
2010 Gewinn Kostendeckung Verlust<br />
Gewinn 90 6 4<br />
Kostendeckung 39 53 8<br />
Verlust 40 30 30<br />
insgesamt 70 21 9<br />
2012<br />
2011 Gewinn Kostendeckung Verlust<br />
Gewinn 84 14 2<br />
Kostendeckung 23 65 12<br />
Verlust 22 35 43<br />
insgesamt 66 26 8<br />
Fälle: 2010/2011: 251; 2011/2012: 254.<br />
Quelle: IWH-Bauumfrage vom Dezember 2012.<br />
48<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
Allerdings zeigen sich deutliche Unterschiede<br />
zwischen den Sparten. In erheblichem Maße verschlechterte<br />
sich die Ertragssituation im Tiefbaubereich,<br />
was wohl vor allem der Zurückhaltung der<br />
öffentlichen und gewerblichen Investoren geschuldet<br />
sein dürfte. Gewinnbringend produzierten hier<br />
nur 55% der Unternehmen, nach 73% im Vorjahr.<br />
Im Gegenzug nahm der Anteil der Betriebe mit<br />
kostendeckender Produktion zu. Die vorwiegend<br />
im Hochbau tätigen Unternehmen konnten dagegen<br />
ihre Ertragslage im Durchschnitt verbessern;<br />
im Ausbaubereich blieb die vergleichsweise gute<br />
Ertragsstruktur von knapp 50% unveränderten bzw.<br />
knapp 40% günstigeren Ertragsverhältnissen aus<br />
dem Jahr 2011 im Wesentlichen erhalten. Bei nur<br />
mäßig gestiegenen Rohstoffpreisen und immer noch<br />
trendmäßig steigender Nachfrage konnte in diesen<br />
beiden Bereichen eine deutliche Mehrheit nach wie<br />
vor zufriedenstellende Gewinne erwirtschaften.<br />
Die Liquiditätssituation der Unternehmen ist<br />
alles in allem gut und stellt sich gegenüber 2011<br />
sogar etwas günstiger dar. Im Durchschnitt des<br />
Jahres 2012 gehen zwei Drittel der Unternehmen<br />
von einer „guten“ bzw. „eher guten“ Bonität aus<br />
(2011: 61%). Im Spartenvergleich heben sich der<br />
Tiefbau mit einer unterdurchschnittlichen und der<br />
Ausbau mit einer überdurchschnittlich guten Finanzausstattung<br />
hervor.<br />
Das Zahlungsverhalten der Kunden hat sich im<br />
Vergleich zum Vorjahr nur etwas verschlechtert.<br />
Dies spiegelt sich in der Entwicklung der Forderungsverluste<br />
wider. So ist der Anteil der Unternehmen,<br />
die mit Forderungsausfällen von mehr als<br />
0,5% des Umsatzes zu kämpfen haben, mit 20% geringfügig<br />
gestiegen. Da<strong>für</strong> ist der Anteil der Unternehmen<br />
mit Einbußen aus Forderungen von bis zu<br />
0,5% im Verhältnis zum Umsatz leicht auf 45%<br />
gesunken. Der Anteil der Unternehmen, die von<br />
solchen Verlusten im Jahr 2011 generell verschont<br />
geblieben sind, ist mit einem Drittel in etwa auf<br />
Vorjahresniveau geblieben. Die Situation scheint<br />
im Tiefbau, wie bereits in den Jahren zuvor, am<br />
günstigsten zu sein. Hier klagen mit knapp 57% nur<br />
etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen über<br />
Forderungsverluste (2011: 55%). Im Hochbau betrifft<br />
dies 63%, wobei es hier aber zu einer leichten<br />
Verbesserung gegenüber dem Vorjahr gekommen<br />
ist (2011: 70%). Indessen weist im Ausbau nach<br />
wie vor ein erheblicher Teil der Unternehmen<br />
(74%) Forderungsausfälle aus, auch wenn eine<br />
leichte Rückbildung gegenüber Jahresfrist stattfand<br />
(2011: 78%).<br />
Wohnungsmodernisierung auch im Jahr <strong>2013</strong> an<br />
der Spitze<br />
Die Frage nach den Auftragstrends <strong>für</strong> das Jahr <strong>2013</strong><br />
zeigt, dass der Wohnungsmodernisierung wie bereits<br />
in den Jahren zuvor die besten Aussichten zugeschrieben<br />
werden (vgl. Abbildung 2), auch wenn<br />
die Aufwärtserwartung hier nicht mehr so dominiert<br />
wie im Jahr zuvor. So gehen 54% der Befragten<br />
von einer unverändert hohen und 20% von<br />
einer weiter zunehmenden Aktivität bei der Wohnungsmodernisierung<br />
aus (vor einem Jahr: knapp<br />
50% mit unveränderter bzw. knapp 40% mit steigender<br />
Tendenz). Dazu gehören sowohl erforderliche<br />
Instandhaltungsarbeiten als auch werterhöhende<br />
Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden,<br />
von denen vor allem die im Ausbau tätigen Unternehmen<br />
profitieren. Aber auch im Wohnungsneubau<br />
werden die Auftragsaussichten vergleichsweise<br />
gut bewertet: 49% der Unternehmen erwarten in<br />
etwa gleichbleibende Aufträge und 22% einen Anstieg.<br />
Damit ergibt sich hier sogar ein günstigeres<br />
Bild als im Vorjahr (2012: 43% mit unveränderter<br />
bzw. 24% mit steigender Tendenz). Dies kommt<br />
den Hochbauunternehmen und mit zeitlicher Verzögerung<br />
auch den Ausbauunternehmen zugute.<br />
Abbildung 2:<br />
Auftragstrends <strong>für</strong> das Jahr <strong>2013</strong><br />
- in % der befragten Unternehmen -<br />
Öffentlicher<br />
Bau<br />
Wohnungsneubau<br />
Wirtschaftsbau<br />
Wohnungsmodernisierung<br />
10<br />
6<br />
18<br />
1 12<br />
19<br />
Quelle: IWH-Bauumfrage vom Dezember 2012.<br />
23<br />
31<br />
IWH<br />
Die Nachfrage aus der gewerblichen Wirtschaft<br />
(Wirtschaftsbau) ist nach Meinung der befragten<br />
Unternehmen deutlich schwächer. Nur ein Sechstel<br />
der Unternehmen geht von weiter steigenden Auf-<br />
48<br />
44<br />
43<br />
39<br />
31<br />
19<br />
28<br />
10 2<br />
0 50 100<br />
deutlich fallend<br />
unverändert<br />
deutlich steigend<br />
etwas fallend<br />
etwas steigend<br />
8<br />
5<br />
3<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 49
Tabelle 3:<br />
Umsatz- und Beschäftigungserwartungen <strong>für</strong> <strong>2013</strong> im ostdeutschen Baugewerbe<br />
über<br />
5%<br />
Zunahme<br />
bis<br />
5%<br />
insgesamt<br />
Gleichstand<br />
insgesamt<br />
Abnahme<br />
bis<br />
5%<br />
über<br />
5%<br />
Saldo aus<br />
Zu- und<br />
Abnahme<br />
in % der Unternehmen je Bausparte<br />
Prozentpunkte<br />
Umsatzerwartungen <strong>für</strong> <strong>2013</strong> gegenüber 2012<br />
Bauhauptgewerbe 23 5 28 45 27 8 19 1<br />
dar.: Hochbau 26 4 30 47 23 5 18 7<br />
Tiefbau 19 7 26 41 33 12 21 −7<br />
Ausbaugewerbe 23 8 31 54 15 1 14 16<br />
Baugewerbe insgesamt 23 6 29 48 23 6 17 6<br />
Beschäftigungserwartungen <strong>für</strong> <strong>2013</strong> gegenüber Durchschnitt 2012<br />
Bauhauptgewerbe 12 3 15 64 21 9 12 −6<br />
dar.: Hochbau 15 3 17 63 20 6 14 −3<br />
Tiefbau 10 4 14 64 22 10 12 −8<br />
Ausbaugewerbe 18 1 19 69 12 4 8 7<br />
Baugewerbe insgesamt 3 14 17 65 18 7 11 −1<br />
Fälle: Umsatzerwartungen: n = 229, Beschäftigungserwartungen: n = 238.<br />
Quelle: IWH-Bauumfrage vom Dezember 2012.<br />
trägen aus. Ein Drittel erwartet angesichts der zwar<br />
aufwärtsgerichteten, aber immer noch schwachen<br />
Gesamtkonjunktur Auftragsrückgänge. Am ungünstigsten<br />
fallen die Trends im öffentlichen Bau aus,<br />
wo mehr als die Hälfte der Bauunternehmen von<br />
einer rückläufigen Produktion ausgeht. Hierin kommt<br />
wohl die Skepsis der Unternehmen zum Ausdruck,<br />
ob die ostdeutschen Gemeinden nach dem Auslaufen<br />
der <strong>Konjunktur</strong>programme und angesichts einer<br />
weit verbreiteten finanziellen Unterausstattung<br />
ihre Investitionstätigkeit wieder reaktivieren können.<br />
Ausbaugewerbe mit großer Zuversicht<br />
Hinsichtlich der Umsatzentwicklung im Jahr <strong>2013</strong><br />
sind die Unternehmen verhalten zuversichtlich: Im<br />
Baugewerbe insgesamt überwiegen die Unternehmen,<br />
die eine Umsatzexpansion erwarten, gegenüber<br />
denen, die mit Rückgängen rechnen. Der<br />
Saldo aus den beiden Entwicklungsrichtungen fällt<br />
mit +6 Prozentpunkten geringfügig besser aus als<br />
im Jahr zuvor. Dahinter verbirgt sich allerdings<br />
– anders als im Jahr 2012 – eine extreme Spreizung<br />
zwischen den Sparten (vgl. Tabelle 3). Sie<br />
reicht von einem eindeutigen Übergewicht expandierender<br />
Unternehmen im Ausbau (Saldo: +16<br />
Prozentpunkte) bis zu einem klaren Übergewicht<br />
schrumpfender Umsatzpläne im Tiefbau (Saldo: −7<br />
Prozentpunkte). Zwar werden im Hochbau mit<br />
knapp einem Drittel der Unternehmen ebenso häufig<br />
wie im Ausbau Umsatzsteigerungen anvisiert.<br />
Dem stehen im Ausbaubereich mit 15% aber deutlich<br />
weniger Unternehmen mit Umsatzeinbußen<br />
gegenüber als im Hochbau (23%). Dies dürfte der<br />
Tatsache geschuldet sein, dass ein Teil der Hochbauunternehmen<br />
weiterhin eine Zurückhaltung der<br />
gewerblichen und öffentlichen Investoren erwartet.<br />
Noch negativer hebt sich der Tiefbau ab: Etwa ein<br />
Fünftel der Unternehmen geht von Umsatzeinbußen<br />
von mehr als 5% und reichlich ein Zehntel von<br />
bis 5% aus.<br />
Bei der Beschäftigung deutet sich, bezogen auf<br />
den Personalbestand im Durchschnitt des Jahres<br />
2012, per saldo etwa ein Gleichgewicht der Unternehmen<br />
mit Personalabbau gegenüber denen mit<br />
Aufbau an (vgl. Tabelle 3). Die Spreizung zwischen<br />
den Sparten ähnelt weitgehend der bei der erwarteten<br />
Umsatzentwicklung. Das Ausbaugewerbe<br />
dürfte danach per saldo Beschäftigung aufbauen,<br />
im Hochbau sehen die Unternehmen dagegen einen<br />
geringfügigen und im Tiefbau einen etwas stärkeren<br />
Personalabbau vor. Den Salden nach zu urteilen,<br />
werden in allen Sparten <strong>für</strong> 2012 Produktivitätssteigerungen<br />
angesteuert.<br />
50<br />
<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>
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Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 18. Januar <strong>2013</strong><br />
ISSN 2195-8300 (Print)<br />
ISSN 2195-8319 (Online)