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Konjunktur aktuell 1/2013 - Institut für Wirtschaftsforschung Halle

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<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong><br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>Wirtschaftsforschung</strong><br />

<strong>Halle</strong><br />

Arbeitskreis <strong>Konjunktur</strong> des IWH<br />

<strong>Konjunktur</strong>elle Flaute zum<br />

Jahresende 2012 – aber auch<br />

Anzeichen <strong>für</strong> eine mäßige Brise<br />

im neuen Jahr<br />

Nach konjunktureller Flaute zum Jahresende 2012 könnte die<br />

Weltwirtschaft im Jahr <strong>2013</strong> wieder frischen Wind in den Segeln<br />

verspüren. Ein kräftiger Aufschwung bleibt jedoch aus. Im Euroraum<br />

dürfte die Produktion im Jahr <strong>2013</strong> um 0,2% zurückgehen, bevor sie im<br />

Jahr 2014 wieder moderat zulegt. In Deutschland wird die Wirtschaft<br />

nach einem Rückgang im Schlussquartal des Jahres 2012 wieder Fahrt<br />

aufnehmen; das Bruttoinlandsprodukt dürfte im Jahr <strong>2013</strong> um 0,7%<br />

zulegen und im Jahr 2014 um 1,5%.<br />

1/<strong>2013</strong><br />

31.01.<strong>2013</strong>, 1. Jahrgang


Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Konjunktur</strong>elle Flaute zum Jahresende 2012 – 3-32<br />

aber auch Anzeichen <strong>für</strong> eine mäßige Brise im neuen Jahr<br />

Arbeitskreis <strong>Konjunktur</strong> des IWH<br />

Nach konjunktureller Flaute zum Jahresende 2012 könnte die Weltwirtschaft im<br />

Jahr <strong>2013</strong> wieder frischen Wind in den Segeln verspüren. Ein kräftiger Aufschwung<br />

bleibt jedoch aus. Im Euroraum dürfte die Produktion im Jahr <strong>2013</strong> um 0,2%<br />

zurückgehen, bevor sie im Jahr 2014 wieder moderat zulegt. In Deutschland wird<br />

die Wirtschaft nach einem Rückgang im Schlussquartal des Jahres 2012 wieder<br />

Fahrt aufnehmen; das Bruttoinlandsprodukt dürfte im Jahr <strong>2013</strong> um 0,7% zulegen<br />

und im Jahr 2014 um 1,5%.<br />

Mittelfristige Projektion der wirtschaftlichen Entwicklung 33-37<br />

und der Staatsfinanzen in Deutschland<br />

Oliver Holtemöller, Katja Drechsel, Brigitte Loose, Götz Zeddies<br />

Unter Berücksichtigung der Prognose des IWH <strong>für</strong> die Jahre <strong>2013</strong> und 2014 ist<br />

zwischen 2011 und 2017 mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate des<br />

Bruttoinlandsproduktes von 1¼% pro Jahr zu rechnen. Zwar wird der nicht um<br />

die konjunkturelle Komponente bereinigte gesamtstaatliche Haushalt keine<br />

Defizite aufweisen. Ohne weitere Konsolidierungsbemühungen dürfte der Abbau<br />

des strukturellen Defizits jedoch nicht vollständig gelingen.<br />

Zur Wirtschaftspolitik: Haushaltsrisiken berücksichtigen, 38-46<br />

Lösung der Griechenlandkrise voranbringen<br />

Oliver Holtemöller, Martin Altemeyer-Bartscher, Tobias Knedlik,<br />

Axel Lindner, Götz Zeddies<br />

Der Ausgleich des gesamtstaatlichen Haushaltes in Deutschland im Jahr 2012<br />

unterlag Sonderfaktoren. Sowohl die günstige Verzinsung deutscher Staatsschuldtitel<br />

als auch die kalte Progression können allerdings keinen langfristigen Beitrag<br />

zur strukturellen Haushaltskonsolidierung und zur Erfüllung der Vorgaben aus der<br />

Schuldenbremse leisten. Die Wirtschaftspolitik ringt gegenwärtig um eine Lösung<br />

<strong>für</strong> die Probleme Griechenlands. Die privaten und öffentlichen Gläubiger<br />

Griechenlands müssen auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, sodass der<br />

Gesamtschuldenstand auf ein Maß sinkt, das eine dauerhaft nachhaltige<br />

Staatsfinanzierung ermöglicht. Zudem sollte die europäische Wirtschaftspolitik<br />

jetzt auch Maßnahmen zur <strong>Institut</strong>ionalisierung eines Verfahrens zum Umgang mit<br />

Staatsinsolvenzen in der Währungsunion angehen.<br />

IWH-Bauumfrage zum Jahresauftakt <strong>2013</strong>: 47-50<br />

Nach schwachem Produktionsverlauf im Jahr 2012<br />

wieder große Zuversicht im Hoch- und Ausbau<br />

Brigitte Loose<br />

Im Jahr 2012 hat die Bauproduktion in Ostdeutschland einen Rückschlag erlitten.<br />

Verantwortlich ist eine rückläufige Nachfrage im Wirtschaftsbau und im<br />

öffentlichen Bau. Die Ertragslage der Bauunternehmen stellt sich <strong>für</strong> das Jahr 2012<br />

alles in allem etwas ungünstiger dar als noch vor einem Jahr. Für das Jahr <strong>2013</strong><br />

ist die Stimmung unter den vom IWH befragten Unternehmen verhalten<br />

optimistisch. Es zeigt sich allerdings eine deutliche Spreizung zwischen den<br />

Sparten.<br />

2<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


IWH, <strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>, S. 3-32<br />

<strong>Konjunktur</strong>elle Flaute zum Jahresende 2012 – aber auch Anzeichen <strong>für</strong><br />

eine mäßige Brise im neuen Jahr ∗<br />

Arbeitskreis <strong>Konjunktur</strong> des IWH ∗∗<br />

Im Jahr 2012 war die konjunkturelle Dynamik fast Tabelle:<br />

überall in der Welt gering. Die Hauptursache da<strong>für</strong> Gesamtwirtschaftliche Eckdaten der Prognose des IWH<br />

liegt in den Konsolidierungsnotwendigkeiten, die im<br />

<strong>für</strong> Deutschland in den Jahren 2012 bis 2014<br />

Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise in vielen<br />

2012 <strong>2013</strong> 2014<br />

fortgeschrittenen Volkswirtschaften entstanden sind.<br />

reale Veränderung gegenüber<br />

Schon seit dem Spätherbst gibt es allerdings Hinweise<br />

dem Vorjahr in %<br />

darauf, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten im Lauf private Konsumausgaben 0,5 0,4 1,2<br />

des Jahres <strong>2013</strong> wieder stärker zunehmen könnten. Ein Staatskonsum 1,1 1,3 1,1<br />

kräftiger Aufschwung wird sich aber vorerst nicht einstellen,<br />

denn die Finanzpolitik wird vielerorts weiter-<br />

Bauten −0,8 2,0 2,2<br />

Anlageinvestitionen −2,4 0,3 3,6<br />

Ausrüstungen −5,5 −3,0 5,6<br />

hin restriktiv wirken.<br />

sonstige Anlagen 3,0 4,0 5,0<br />

In Deutschland hat die Auslandsnachfrage im September<br />

und Oktober 2012 an Schwung verloren, und Verwendung<br />

inländische<br />

−0,4 0,4 1,8<br />

Exporte 4,3 4,0 5,6<br />

die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe ist zuletzt Importe 2,3 3,7 6,6<br />

deutlich zurückgegangen. Auch die privaten Käufe und Bruttoinlandsprodukt 0,8 0,7 1,5<br />

der Wohnungsbau haben im Herbst geschwächelt. dar.: Ostdeutschland * −0,2 0,5 0,9<br />

Alles in allem dürfte die Produktion im vierten Quartal nachrichtlich:<br />

USA 2,2 1,7 2,7<br />

um 0,2% gesunken sein, sodass sich im Jahresdurchschnitt<br />

ein Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes (BIP)<br />

Veränderung gegenüber<br />

Euroraum −0,5 −0,2 1,1<br />

von 0,8% ergibt. Allerdings haben sich die Geschäftsaussichten<br />

dem Vorjahr in %<br />

und die Auftragseingänge in der Industrie Arbeitsvolumen, geleistet 0,4 −0,3 0,3<br />

Tariflöhne je Stunde 2,6 2,7 2,3<br />

wieder verbessert. Sofern die Eindämmung der Eurokrise<br />

gelingt, dürfte sich die konjunkturelle Lage wie-<br />

Lohnstückkosten a 2,6 1,8 1,5<br />

Effektivlöhne je Stunde 3,3 3,1 2,7<br />

der aufhellen und das BIP im Jahr <strong>2013</strong> um 0,7% und Verbraucherpreisindex 2,0 2,0 1,8<br />

im Jahr 2014 um 1,5% zunehmen. Die Beschäftigung<br />

in 1 000 Personen<br />

wird im Jahr <strong>2013</strong> in etwa stagnieren und erst im Jahr Erwerbstätige (Inland) 41 557 41 580 41 677<br />

dar.: Ostdeutschland * 5 825 5 825 5 828<br />

darauf mit 0,2% leicht steigen. Die Verbraucherpreisinflation<br />

verharrt im Jahr <strong>2013</strong> bei 2% und wird im dar.: Ostdeutschland * 679 664 650<br />

Arbeitslose b 2 900 3 009 3 007<br />

Jahr 2014 mit 1,8% etwas darunter liegen.<br />

in %<br />

Für das Jahr <strong>2013</strong> reicht das 66%-Prognoseintervall<br />

<strong>für</strong> die Wachstumsrate des BIP von −0,2% bis<br />

Arbeitslosenquote c 6,5 6,7 6,7<br />

dar.: Ostdeutschland * 10,4 10,2 10,0<br />

% in Relation zum nominalen<br />

1,6% und <strong>für</strong> das Jahr 2014 von −0,1% bis 3,2%. Die<br />

Bruttoinlandsprodukt<br />

wesentlichen Risiken gehen von der Fiskalklippe in den Finanzierungssaldo<br />

0,0 −0,3 −0,1<br />

USA und der andauernden Krise in einigen Ländern des des Staates<br />

Euroraums aus.<br />

Nach einem nahezu ausgeglichenen Haushalt im<br />

a Berechnungen des IWH auf Stundenbasis. – b Nationale Definition. –<br />

c<br />

Arbeitslose in % der Erwerbspersonen (Inland). – * Ohne Berlin.<br />

Jahr 2012 wird sich der Finanzierungssaldo des Quellen: Statistisches Bundesamt; Eurostat; Bureau of Economic<br />

Staates im Jahr <strong>2013</strong> wieder leicht verschlechtern;<br />

Analysis; Prognose des IWH (Stand: 13.12.2012).<br />

das Finanzierungsdefizit beläuft sich auf 0,3% in<br />

Relation zum nominalen BIP. Im Jahr 2014 dürfte sich der negative Finanzierungssaldo etwas verringern.<br />

Ansprechpartner:<br />

JEL-Klassifikation:<br />

Schlagwörter:<br />

Oliver Holtemöller (Oliver.Holtemoeller@iwh-halle.de)<br />

E17, E27, E37, E50, E60<br />

<strong>Konjunktur</strong>, Prognose, öffentliche Finanzen, Weltwirtschaft, Deutschland, Arbeitsmarkt<br />

∗ Dieser Beitrag wurde bereits als IWH-Pressemitteilung 43/2012 am 13. Dezember 2012 veröffentlicht. Aktuellere Daten des<br />

Statistischen Bundesamtes weisen <strong>für</strong> das Jahr 2012 eine Zunahme des Bruttoinlandsproduktes in Deutschland um 0,7% aus. Das<br />

vierte Quartal 2012 dürfte somit geringfügig schwächer ausgefallen sein als in der Prognose vom Dezember unterstellt. Die<br />

Prognose <strong>für</strong> die Jahre <strong>2013</strong> und 2014 bleibt davon jedoch unberührt.<br />

∗∗ Oliver Holtemöller, Hans-Ulrich Brautzsch, Katja Drechsel, Sebastian Giesen, Martina Kämpfe, Tobias Knedlik, Axel Lindner,<br />

Brigitte Loose, Jan-Christopher Scherer, Birgit Schultz, Götz Zeddies.<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 3


Internationale <strong>Konjunktur</strong><br />

Leichte Belebung der Weltkonjunktur im Jahr<br />

<strong>2013</strong><br />

Im abgelaufenen Jahr 2012 war fast überall in der<br />

Welt die Dynamik von Produktion und Nachfrage<br />

gering. Im Euroraum sinkt die Produktion seit Ende<br />

des Jahres 2011, und die Wirtschaft Großbritanniens<br />

hat im Jahr 2012 wohl nicht mehr als stagniert. In<br />

den USA hat das Warten auf die zur Jahreswende<br />

zu fällenden finanzpolitischen Entscheidungen die<br />

zwischenzeitlich kräftigere <strong>Konjunktur</strong> am Ende<br />

des Jahres wieder gedämpft. In Japan kühlte sich<br />

die <strong>Konjunktur</strong> schon seit dem Frühjahr immer<br />

mehr ab. In den großen Schwellenländern, zumal<br />

in China, aber auch in Indien und Brasilien, hatte<br />

sich das Expansionstempo schon im Lauf des Jahres<br />

2011 verlangsamt. Besonders schwach ist die Dynamik<br />

des Welthandels; er hat im Jahr 2012 wohl<br />

nur um etwa 2½% zugenommen und dürfte auch<br />

im Herbst kaum Fahrt aufgenommen haben.<br />

Zuletzt sind aber die Chancen <strong>für</strong> eine leichte<br />

Belebung der Weltkonjunktur gestiegen. Schon seit<br />

dem Spätherbst gibt es Hinweise darauf, dass die<br />

wirtschaftlichen Aktivitäten im Lauf des Jahres<br />

<strong>2013</strong> wieder stärker zunehmen könnten. In wichtigen<br />

Schwellenländern, allen voran China, deuten Umfragen<br />

darauf hin, dass sich das wirtschaftliche<br />

Vertrauen der Unternehmen im Herbst wieder gefestigt<br />

hat.<br />

Moderates Anziehen der <strong>Konjunktur</strong> in den<br />

Schwellenländern<br />

Die Unternehmen in China haben gute Gründe da<strong>für</strong>,<br />

<strong>für</strong> das Jahr <strong>2013</strong> mit einer etwas kräftigeren<br />

<strong>Konjunktur</strong> in ihrem Land zu rechnen. Zwar ist die<br />

Auslandsnachfrage weiterhin schwach, die Belastung<br />

der Exportindustrien vonseiten einer wechselkursbedingten<br />

Minderung der Wettbewerbsfähigkeit<br />

läuft aber aus, denn der real effektive Wechselkurs<br />

des Renminbi, der Ende 2011 um 10% aufgewertet<br />

hatte, ist seither in etwa konstant. Auch der Abschwung<br />

im Immobiliensektor dürfte langsam auslaufen;<br />

darauf deutet hin, dass sich der Rückgang<br />

der Häuserpreise im Herbst (gemessen am amtlichen<br />

Häuserpreisindex <strong>für</strong> ganz China) deutlich verlangsamt<br />

hat. Schließlich ist damit zu rechnen, dass die<br />

wirtschaftspolitischen Stimulierungsmaßnahmen anschlagen<br />

werden: So sind Infrastrukturprojekte zuletzt<br />

verstärkt in Angriff genommen worden, und<br />

die Geldpolitik hat die Bedingungen <strong>für</strong> die Kreditvergabe<br />

gelockert. Freilich darf auch kein kräftiger<br />

Aufschwung erwartet werden, denn freie Kapazitäten,<br />

die zur Befriedigung einer steigenden Nachfrage<br />

rasch mobilisiert werden könnten, sind zurzeit<br />

wohl nicht in großem Umfang vorhanden. Die<br />

Wachstumsdynamik hat sich in den vergangenen<br />

Jahren verringert, nicht zuletzt, weil die Spielräume<br />

<strong>für</strong> Produktivitätsgewinne in einer immer entwickelteren<br />

Volkswirtschaft enger werden. Die chinesische<br />

Wirtschaft dürfte im Jahr <strong>2013</strong> mit 8½% expandieren.<br />

Auch in vielen anderen Schwellenländern verfügt<br />

die Wirtschaftspolitik über Instrumente, die sie<br />

zur Glättung der wirtschaftlichen Aktivität wirksam<br />

einsetzen kann. So haben deutliche Zinssenkungen<br />

dazu beigetragen, dass der Abschwung der brasilianischen<br />

Wirtschaft im zweiten Halbjahr 2012 zum<br />

Stehen gekommen ist. Allerdings wird die <strong>Konjunktur</strong><br />

in den Schwellenländern auch im Jahr <strong>2013</strong> von<br />

der schwachen Nachfrage aus den fortgeschrittenen<br />

Volkswirtschaften und einem trägen Welthandel<br />

gedämpft; das gilt insbesondere <strong>für</strong> die kleineren<br />

und sehr exportabhängigen ostasiatischen Volkswirtschaften.<br />

Fortgeschrittene Volkswirtschaften im Bann der<br />

Konsolidierungszwänge<br />

Die Hauptursache <strong>für</strong> die gegenwärtige Schwäche<br />

der Weltwirtschaft liegt in den Konsolidierungszwängen,<br />

wie sie im Gefolge der Finanz- und<br />

Wirtschaftskrise in den meisten fortgeschrittenen<br />

Volkswirtschaften entstanden sind. Sie haben sich<br />

von den privaten Haushalten und Unternehmen<br />

mehr und mehr zu den öffentlichen Haushalten<br />

verlagert, denn die durch die Krise ausgelösten hohen<br />

Defizite sind nicht lange tragbar. Die Finanzmärkte<br />

haben besonders drastische Konsolidierungskurse<br />

in den südeuropäischen Krisenländern des<br />

Euroraums erzwungen. Dort stecken die Volkswirtschaften<br />

in tiefen und anhaltenden Rezessionen, in<br />

Spanien und Italien seit Mitte 2011. Weil eine denkbare<br />

Staatsinsolvenz oder ein Austritt aus der Währungsunion<br />

die einheimischen Banken erheblich<br />

treffen würden, ist deren Refinanzierung über private<br />

Kapitalmärkte seit Mitte 2011 außerordentlich<br />

schwierig. Die Finanzierungsprobleme wandern von<br />

den Banken zu ihren Kunden, den privaten Haushalten<br />

und Unternehmen in den Krisenländern.<br />

Eine systemische Bankenkrise hat sich im Jahr<br />

2012 nur deshalb nicht eingestellt, weil das Eurosystem<br />

einen Großteil des Kapitalbedarfs der Finanzinstitute<br />

in den Krisenländern über die langfristige<br />

4<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


und unbegrenzte Bereitstellung von Liquidität und<br />

damit über eine Aufblähung der Geldbasis gedeckt<br />

hat. Die Notenbanken der USA, Großbritanniens<br />

und Japans versuchen schon seit dem Jahr 2009 der<br />

Wirtschaft über Geldmengenexpansion Impulse zu<br />

geben, nachdem Leitzinssenkungen an der Nullzinsschranke<br />

ihr natürliches Ende gefunden haben.<br />

Auch die Ankündigung der EZB vom September,<br />

den Marktwert von Staatstiteln der Krisenstaaten<br />

notfalls und unter bestimmten Bedingungen durch<br />

Käufe (OMT-Geschäfte) zu stützen, ist aus internationaler<br />

Perspektive nichts Neues: Die Notenbanken<br />

der USA, Großbritanniens und Japans sind<br />

schon lange wichtige Käufer der Schuldtitel ihrer<br />

Regierungen. Die sehr expansive Geldpolitik stützt<br />

die von Konsolidierungsdruck schwer belasteten<br />

fortgeschrittenen Volkswirtschaften.<br />

Geringe Zunahme der weltwirtschaftlichen<br />

Dynamik im Jahr <strong>2013</strong><br />

Anzeichen da<strong>für</strong>, dass die expansive Geldpolitik in<br />

den fortgeschrittenen Volkswirtschaften kurzfristig<br />

Inflation auslösen könnte, fehlen gegenwärtig. Die<br />

Produktionskapazitäten sind unterausgelastet, und<br />

die Inflationserwartungen bleiben vorerst verankert;<br />

die Renditen von als sicher geltenden langfristigen<br />

Staatstiteln waren (mit deutlich unter 2% <strong>für</strong> USamerikanische<br />

oder deutsche zehnjährige Bonds)<br />

nie niedriger. Auch ist es auf den Rohstoffmärkten<br />

im Jahr 2012 zu keinen Blasenbildungen gekommen;<br />

die Preise sind vielmehr leicht rückläufig –<br />

was Erdöl und Nahrungsmittel betrifft, freilich auf<br />

weiterhin hohem Niveau.<br />

Was die Finanzpolitik betrifft, wird in der vorliegenden<br />

Prognose unterstellt, dass es der Politik<br />

in den USA zur Jahreswende gelingt, einen Kompromiss<br />

über die Verlängerung einiger in den Jahren<br />

zuvor verabschiedeter expansiver Maßnahmen<br />

zu finden, sodass ein drastischer Konsolidierungsschock<br />

(Fiskalklippe) zu Beginn des Jahres <strong>2013</strong><br />

ausbleibt. Trotzdem wird die Finanzpolitik in den<br />

USA aber noch einmal restriktiver ausgerichtet sein<br />

als im Jahr 2012. Deshalb wird die konjunkturelle<br />

Dynamik in den USA trotz der deutlichen Erholung<br />

des Immobiliensektors verhalten bleiben. Auch<br />

in Großbritannien und in Japan nimmt der Restriktionsgrad<br />

der Finanzpolitik zu, im Euroraum fällt<br />

er allerdings geringer aus als im Jahr 2012. Dort<br />

dürfte die <strong>Konjunktur</strong> auch nach und nach von der<br />

Stabilisierung der Erwartungen durch die Selbstverpflichtung<br />

der EZB, „im Notfall“ den Krisenstaaten<br />

beizustehen, profitieren. Die Euroraum-Rezession<br />

dürfte im Sommer <strong>2013</strong> zu Ende gehen; ein Aufschwung<br />

findet aber auch danach nicht statt. Immerhin<br />

stützt die leichte Belebung der Wirtschaft<br />

in den Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas<br />

die <strong>Konjunktur</strong> in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften.<br />

Die Weltproduktion expandiert nach<br />

vorliegender Prognose im Jahr 2012 um 2,2%, im<br />

Jahr <strong>2013</strong> um 2,4% und im Jahr 2014 mit gut 3%. 1<br />

(vgl. Kasten 1).<br />

Kasten 1:<br />

Weltwirtschaftliche Annahmen <strong>für</strong> die Prognose<br />

Der Prognose liegen folgende Annahmen zugrunde:<br />

− Der US-Dollar-Kurs des Euro liegt in den Jahren<br />

2012 und <strong>2013</strong> bei 1,29.<br />

− Die Europäische Zentralbank senkt den maßgeblichen<br />

Leitzins Anfang <strong>2013</strong> um einen viertel Prozentpunkt<br />

auf 0,5% und belässt ihn auf diesem<br />

Niveau bis zum Frühjahr 2014. Danach hebt sie<br />

den Leitzins schrittweise an. Ende 2014 liegt er<br />

bei 1,25%.<br />

− Der Welthandel steigt im Jahr 2012 um 2½%, im<br />

Jahr <strong>2013</strong> um 4% und im Jahr 2014 um 6%.<br />

− Der Ölpreis (Sorte Brent) liegt im vierten Quartal<br />

2012 bei 110 US-Dollar, im Durchschnitt des<br />

Jahres <strong>2013</strong> bei 111,5 Dollar und im Durchschnitt<br />

des Jahres 2014 bei 113,5 Dollar.<br />

Zu den Risiken<br />

Trotz Eurokrise und Fiskalklippe in den USA<br />

scheinen die Finanzinvestoren die ökonomischen<br />

Risiken gegenwärtig vergleichsweise niedrig zu<br />

beurteilen. Viel beachtete Maße <strong>für</strong> die Unsicherheit<br />

über die künftige Entwicklung an den Aktienmärkten<br />

sind die Risikoindizes VIX (<strong>für</strong> die USA)<br />

und VSTOXX (<strong>für</strong> den Euroraum), die basierend<br />

auf Optionspreisen die erwartete Volatilität der<br />

Kurse widerspiegeln. Beide Indizes waren zu keiner<br />

1 Die Rate bezieht sich auf den auch von der Projektgruppe<br />

Gemeinschaftsdiagnose betrachteten Länderkreis, wobei<br />

die Zuwachsraten mit dem nominalen Bruttoinlandsprodukt<br />

des Jahres 2011 in US-Dollar gewichtet wurden. Sie ist<br />

nicht unmittelbar vergleichbar mit anderen Angaben <strong>für</strong> die<br />

Expansion der Weltwirtschaft, beispielsweise denen des<br />

Internationalen Währungsfonds (IWF), die Kaufkraftparitäten<br />

bei der Gewichtung zugrunde legen und auch hier<br />

nicht berücksichtigte Länder einschließen. Vgl. etwa Projektgruppe<br />

Gemeinschaftsdiagnose: Eurokrise dämpft <strong>Konjunktur</strong><br />

– Stabilitätsrisiken bleiben hoch, Herbst 2012. Kiel<br />

2012, 9.<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 5


Kasten 2:<br />

Mögliche Auswirkungen der fiskalischen Klippe auf die deutsche <strong>Konjunktur</strong><br />

Der Wirtschaft der USA droht im Jahr <strong>2013</strong> ein dämpfender Impuls von knapp vier Prozentpunkten relativ zum<br />

Bruttoinlandsprodukt, falls entsprechend der derzeitigen Gesetzeslage die in den Jahren zuvor beschlossenen expansiven<br />

Maßnahmen auslaufen. Der in der vorliegenden Prognose unterstellte Impuls von minus zwei Prozentpunkten<br />

entspricht der gegenwärtig verbreiteten Erwartung, dass es zur Jahreswende zu einer Verständigung<br />

zwischen dem Präsidenten und dem Kongress über die Verlängerung eines Teils der Maßnahmen kommen wird.<br />

Alternativ zu diesem Basisszenario werden in diesem Kasten sowohl die Effekte eines vollständigen Aufschubs<br />

als auch eines vollständigen Umsetzens der restriktiven fiskalischen Maßnahmen analysiert. Dabei wird der<br />

Fokus nicht nur auf die konjunkturellen Auswirkungen in den USA gelegt, sondern auch die jeweilige Bedeutung<br />

<strong>für</strong> die deutsche <strong>Konjunktur</strong> eingehender untersucht. a<br />

Die Prognosen <strong>für</strong> diese „Risikoszenarien“ werden aus einem makroökonometrischen Modell <strong>für</strong> die internationale<br />

<strong>Konjunktur</strong> gewonnen. Das Modell hat in der kurzen Frist einen neukeynesianischen Charakter und einen<br />

neoklassischen Wachstumskern. Es basiert auf dem am IWH entwickelten <strong>Halle</strong> Economic Projection Model b ,<br />

das <strong>für</strong> den hiesigen Einsatzzweck in einer Reduzierte-Form-Variante mit klassischen ökonometrischen Methoden<br />

geschätzt worden ist. In dem Modell sind die Länder Brasilien, Deutschland, Frankreich, Indien, Italien, Japan,<br />

Polen, Spanien und die USA enthalten. Damit werden etwa 50% des Welt-Bruttoinlandsproduktes abgebildet.<br />

Somit werden nicht nur direkte Effekte eines restriktiven fiskalischen Schocks in den USA auf die deutschen<br />

Exporte, sondern auch indirekte, über dritte Länder laufende Effekte abgebildet.<br />

Für die beiden Risikoszenarien wird jeweils ein Impuls von null bzw. von vier Prozentpunkten relativ zum<br />

Bruttoinlandsprodukt der USA unterstellt. In Deutschland ist dagegen die Finanzpolitik im Jahr <strong>2013</strong> in allen<br />

drei Szenarien annähernd neutral ausgerichtet. c<br />

Sollte im Jahr <strong>2013</strong> kein restriktiver fiskalischer Impuls die amerikanische Wirtschaft belasten (die expansiven<br />

Maßnahmen werden also vollständig verlängert), so wird das BIP in den USA nach dem Modell um 2,2% zulegen<br />

(vgl. Tabelle 1). Die Arbeitslosenquote würde dementsprechend um 0,2 Prozentpunkte geringer ausfallen<br />

Tabelle 1:<br />

Simulationsergebnisse des internationalen makroökonometrischen Modells<br />

<strong>für</strong> die <strong>Konjunktur</strong> in den USA und in Deutschland im Jahr <strong>2013</strong><br />

- Veränderungsraten gegenüber Vorjahr in % bzw. Arbeitslosenquote in % (standardisiert,<br />

ILO-Konzept) -<br />

expansive fiskalische<br />

Maßnahmen werden<br />

vollständig verlängert<br />

Basisszenario<br />

expansive fiskalische<br />

Maßnahmen werden<br />

hälftig verlängert<br />

expansive fiskalische<br />

Maßnahmen werden<br />

nicht verlängert<br />

USA<br />

Bruttoinlandsprodukt 2,2 1,7 1,1<br />

Industrieproduktion 2,6 1,9 1,2<br />

Verbraucherpreise 2,1 2,0 1,8<br />

Arbeitslosenquote 8,0 8,2 8,5<br />

Deutschland<br />

Bruttoinlandsprodukt * 1,1 0,8 0,6<br />

Industrieproduktion 2,2 1,7 1,3<br />

Verbraucherpreise 1,8 1,8 1,7<br />

Arbeitslosenquote 5,1 5,2 5,2<br />

* Ohne Arbeitstageeffekt.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Bureau of Economic Analysis; Bureau of Labor<br />

Statistics; Eurostat; Prognosen des IWH.<br />

und die Verbraucherpreise etwas<br />

stärker anziehen (auf 2,1%). Von<br />

der stärkeren Dynamik in den<br />

USA würde auch die deutsche<br />

Wirtschaft profitieren und um ca.<br />

0,3 Prozentpunkte stärker zulegen<br />

als im Basisszenario. Der Effekt<br />

auf die hiesigen Verbraucherpreise<br />

und auf die Arbeitslosenquote<br />

ist eher klein.<br />

Sollten die expansiven fiskalischen<br />

Maßnahmen hingegen vollständig<br />

auslaufen – und somit<br />

ein restriktiver fiskalischer Impuls<br />

in Höhe von vier Prozentpunkten<br />

die US Wirtschaft erschüttern, so<br />

würde sich <strong>für</strong> das Jahr <strong>2013</strong> eine<br />

jährliche Wachstumsrate des US-<br />

Bruttoinlandsprodukts von 1,1%<br />

ergeben. Dementsprechend würde<br />

sich auch der US-amerikanische<br />

Arbeitsmarkt nicht erholen<br />

und es wäre eine höhere Arbeitslosenquote<br />

(8,5%) zu erwarten.<br />

Durch die stärkere Unterauslastung der amerikanischen Wirtschaft würde dann auch der Inflationsdruck nachlassen,<br />

sodass die Verbraucherpreise nur noch um 1,8% steigen würden. Die schwächere Dynamik in den USA<br />

hätte dann auch negative Konsequenzen <strong>für</strong> die deutsche Wirtschaft, welche nur noch um 0,6% im Jahr <strong>2013</strong><br />

expandieren würde.<br />

a Siehe hierzu auch: Gutachten des Sachverständigenrats vom November 2012. – b Siehe hierzu Giesen, S.; Holtemöller, O.; Scharff, J.;<br />

Scheufele, R.: The <strong>Halle</strong> Economic Projection Model, in: Economic Modelling, Vol. 29 (4), 2012, 1461-1472. – c Die Simulationsergebnisse<br />

des makroökonometrischen Modells unterscheiden sich in einzelnen Größen leicht von der Prognose im Text.<br />

6<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


Zeit nach Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise<br />

2008 niedriger (vgl. Abbildung 1). Am Jahr<br />

2008 zeigt sich aber auch, wie abrupt solche Einschätzungen<br />

revidiert werden können. Mit einer<br />

solchen Revision wäre <strong>für</strong> die nächsten Wochen zu<br />

rechnen, wenn es in den USA wider Erwarten nicht<br />

zu einem politischen Kompromiss über die Verlängerung<br />

einiger expansiver Maßnahmen der Finanzpolitik<br />

käme. Die dann automatisch in Kraft tretenden<br />

umfangreichen einnahmesteigernden und<br />

ausgabensenkenden Gesetzesänderungen würden<br />

die US-Wirtschaft wohl wieder in den Abschwung<br />

treiben und auch die Weltkonjunktur deutlich<br />

dämpfen (vgl. Kasten 2). Ein ebenfalls politisches<br />

Risiko <strong>für</strong> die vorliegende Prognose geht von der<br />

angespannten Sicherheitslage im Nahen und Mittleren<br />

Osten aus. Der Ausbruch größerer militärischer<br />

Konflikte würde den ohnehin schon recht<br />

hohen Ölpreis abrupt steigen lassen und die gesamtwirtschaftliche<br />

Nachfrage in den Verbraucherländern<br />

deutlich dämpfen.<br />

Abbildung 1:<br />

Maße <strong>für</strong> die implizite Volatilität auf den Aktienmärkten<br />

in den USA und im Euroraum<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012<br />

VIX<br />

VSTOXX<br />

IWH<br />

Quellen: Chicago Board Options Exchange; STOXX; Datastream;<br />

Darstellung des IWH.<br />

Der wichtigste Risikofaktor <strong>für</strong> die Weltkonjunktur<br />

bleibt die Schulden- und Vertrauenskrise<br />

im Euroraum und insbesondere die Möglichkeit,<br />

dass es auch im Verlauf des Jahres <strong>2013</strong> nicht zu<br />

der hier prognostizierten Stabilisierung der Nachfrage<br />

in den südeuropäischen Krisenländern kommt.<br />

Die Prognose einer allmählichen Besserung der<br />

<strong>Konjunktur</strong> vor allem in Spanien und Italien leitet<br />

sich zum einen aus dem etwas geringeren Restriktionsgrad<br />

der Finanzpolitik in den Ländern her.<br />

Dies allein dürfte aber <strong>für</strong> eine Wende nicht ausreichen.<br />

Zum anderen geht die vorliegende Prognose<br />

davon aus, dass die durch die Maßnahmen<br />

der EZB bewirkte Stabilisierung des Finanzsektors<br />

in Südeuropa anhält; dazu dürfte auch die Rekapitalisierung<br />

spanischer Banken durch den Europäischen<br />

Rettungsfonds beitragen. Dies sollte im<br />

Jahr <strong>2013</strong> die Finanzierungsbedingungen auch der<br />

privaten Haushalte und nichtfinanziellen Unternehmen<br />

allmählich verbessern. Tatsächlich hat die Ankündigung<br />

der EZB, die Bewertung von Staatstiteln<br />

notfalls mit definitiven Offenmarkt-Geschäften zu<br />

stützen, die Renditen gegenüber ihren Höchstwerten<br />

vom Sommer um etwa eineinhalb Prozentpunkte<br />

fallen lassen. Die Risikozuschläge <strong>für</strong> südeuropäische<br />

Banktitel sind zwar immer noch hoch, aber ebenfalls<br />

deutlich gesunken. Vor allem scheint die Flucht<br />

ausländischer Investoren (etwa US-amerikanischer<br />

Geldmarktfonds) aus Anlagen bei spanischen und<br />

italienischen Finanzinstituten erst einmal gestoppt.<br />

Das Eurosystem hat seit Mai keine Löcher bei der<br />

Finanzierung des italienischen Bankensektors mehr<br />

zu stopfen, im September und im Oktober galt das<br />

auch <strong>für</strong> Spanien (vgl. Abbildung 2). Die Erwartungen<br />

auf den Finanzmärkten können sich aber<br />

rasch wieder eintrüben, denn Häuserpreise und<br />

Kreditvolumina werden in Südeuropa auch im Jahr<br />

<strong>2013</strong> weiter nachgeben, und die sozialen Belastungen<br />

des Reform- und Konsolidierungsprozesses<br />

Abbildung 2:<br />

Saldo der Vermögenspositionen nationaler Zentralbanken<br />

von Euroraum-Krisenstaaten gegenüber dem<br />

Eurosystem<br />

- in Mrd. Euro -<br />

100<br />

0<br />

-100<br />

-200<br />

-300<br />

-400<br />

-500<br />

01 04 07 10 01 04 07 10 01 04 07 10 01 04 07 10 01 04 07 10<br />

2008 2009 2010 2011 2012<br />

Irland Griechenland Spanien Italien Portugal<br />

IWH<br />

Quellen: <strong>Institut</strong>e of Empirical Economic Research (Universität<br />

Osnabrück); Darstellung des IWH.<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 7


werden zunächst noch weiter zunehmen. Ein deutlicher<br />

Wiederanstieg der Kapitalflucht aus Spanien<br />

und Italien hätte wohl negative Auswirkungen auf<br />

die Finanzierungsbedingungen in den betroffenen<br />

Ländern. Er wäre auch nur durch die Bereitstellung<br />

von Zentralbankgeld durch das Eurosystem zu finanzieren.<br />

Würde die Finanzierung eine ähnliche<br />

Dimension wie im Jahr 2012 erreichen, 2 wäre<br />

wohl das Vertrauen nicht nur in die regionalen<br />

Reformprozesse, sondern in die Stabilität der<br />

Währungsunion insgesamt gefährdet.<br />

Trotz fiskalischer Klippe Fortsetzung des<br />

verhaltenen Produktionsanstiegs in den USA<br />

Nach recht kräftigen Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts<br />

in den ersten drei Quartalen des<br />

Jahres 2012 dürfte die US-<strong>Konjunktur</strong> im letzten<br />

Quartal wieder deutlich an Dynamik verloren haben.<br />

In der Jahresbetrachtung bleibt mit einem Produktionszuwachs<br />

von 2,2% dennoch eine wirtschaftliche<br />

Erholung (vgl. Tabelle 2). Auch die Arbeitslosenquote<br />

ist erkennbar zurückgegangen. Die Produktionskapazitäten<br />

sind aber nach wie vor unterausgelastet;<br />

inflationärer Druck ist gegenwärtig<br />

nicht zu erkennen, und die Verbraucherpreise sind<br />

weiterhin stabil. Positiv entwickelte sich auch der<br />

Immobilienmarkt. Hier zeigen steigende Häuserpreise<br />

und höhere Ausgaben <strong>für</strong> Bauvorhaben eine<br />

robuste Erholung an.<br />

Für den weiteren Verlauf der <strong>Konjunktur</strong> kommt<br />

der Finanzpolitik eine entscheidende Bedeutung<br />

zu. Sollten sich die Parteien im Kongress nicht bis<br />

Jahresende auf einen Kompromiss verständigen,<br />

werden am 1. Januar <strong>2013</strong> automatisch Steuererhöhungen<br />

und Kürzungen der Staatsausgaben in<br />

Höhe von bis zu 600 Mrd. US-Dollar in Kraft treten.<br />

Dieser restriktive fiskalische Impuls wird als<br />

fiscal cliff bezeichnet und entspricht ca. 4% des<br />

Bruttoinlandsprodukts. Bereits im Jahr 2012 hat<br />

sich die Unsicherheit bezüglich der Höhe der fiskalischen<br />

Kontraktion wohl negativ auf Investitionen<br />

und Beschäftigung ausgewirkt. Sollte keine<br />

Einigung erzielt werden, so wird die Produktion im<br />

ersten Quartal des Jahres <strong>2013</strong> schrumpfen. Die beteiligten<br />

Parteien dürften sich jedoch auf eine<br />

Verminderung der Kürzungen einigen, sodass ein<br />

2 In den ersten drei Quartalen stiegen die Verbindlichkeiten<br />

der Zentralbanken Spaniens und Italiens gegenüber dem<br />

Eurosystem um 315 Mrd. Euro, das sind, relativ zu dem in<br />

diesem Zeitraum erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukt des<br />

Euroraums, deutlich mehr als 4%.<br />

scharfer Einbruch der <strong>Konjunktur</strong> vermieden wird.<br />

Trotz der über die nächsten Jahre angestrebten Defizitreduzierung<br />

und den damit verbundenen negativen<br />

fiskalischen Impulsen dürfte sich die <strong>Konjunktur</strong><br />

ab dem zweiten Quartal wieder erholen.<br />

Insbesondere wird der Abbau der Unsicherheit im<br />

Zuge einer politischen Einigung aufgeschobene<br />

Investitionen anregen und so die Wirtschaft stimulieren.<br />

Tabelle 2:<br />

Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in den USA<br />

2012 <strong>2013</strong> 2014<br />

Veränderung gegenüber dem<br />

Vorjahr in %<br />

reales Bruttoinlandsprodukt 2,2 1,7 2,7<br />

privater Konsum 1,8 1,9 2,8<br />

Staatskonsum und<br />

-investitionen<br />

−1,4 −1,6 −1,2<br />

private Bruttoanlageinvestitionen<br />

8,1 4,6 7,3<br />

inländische Verwendung 2,2 1,6 2,8<br />

Exporte 3,6 4,2 6,2<br />

Importe 2,9 3,2 6,3<br />

Außenbeitrag a 0,0 0,1 −0,1<br />

Verbraucherpreise 2,1 2,2 2,4<br />

% in Relation zum nominalen<br />

Bruttoinlandsprodukt<br />

Budgetsaldo b −7,8 −4,9 −4,0<br />

Leistungsbilanzsaldo −3,2 −3,0 −3,0<br />

in % der Erwerbspersonen<br />

Arbeitslosenquote 8,2 8,0 7,6<br />

a Wachstumsbeitrag. – b Bundesstaat, Fiskaljahr.<br />

Quellen: Bureau of Economic Analysis; Prognose des IWH.<br />

Die Verbraucherpreisinflation ist im Verlauf des<br />

Jahres 2012 um rund einen Prozentpunkt auf etwa<br />

2% im Herbst gesunken. Inflationsgefahren zeichnen<br />

sich <strong>für</strong> die nächste Zeit nicht ab. Die US-Notenbank<br />

hat im Dezember 2012 angekündigt, dass sie<br />

den Leitzins so lange nahe null halten wird, wie ihre<br />

Inflationsprognose nicht höher als einen halben Prozentpunkt<br />

über ihrem langfristigen Inflationsziel von<br />

2% liegt, die längerfristigen Inflationserwartungen<br />

fest verankert bleiben, und die Arbeitslosenquote höher<br />

als 6,5% ist. Darüber hinaus will sie das so genannte<br />

Quantitative Easing III, also die dritte Runde<br />

des Ankaufs von Vermögenstiteln, im Jahr <strong>2013</strong><br />

mittels zusätzlicher Ankäufe von US-Staatstiteln mit<br />

längerer Fristigkeit noch ausweiten.<br />

Die robuste Expansion des privaten Konsums<br />

wird wohl weiterhin eine Stütze der vorsichtigen<br />

wirtschaftlichen Erholung im Jahr <strong>2013</strong> sein. Auch<br />

8<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


die Nachfrage nach Investitionsgütern dürfte nach<br />

Auflösung der Unsicherheit über den finanzpolitischen<br />

Kurs wieder auf ihren Expansionspfad zurückkehren.<br />

Investitionen werden auch deshalb an<br />

Attraktivität gewinnen, weil die Exporte von der<br />

leichten wirtschaftlichen Erholung in wichtigen<br />

Absatzländern profitieren werden.<br />

Insgesamt dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt<br />

<strong>2013</strong> um 1,7% zunehmen, nach 2,2% im Jahr 2012<br />

(vgl. Abbildung 3). Entsprechend dem nur mäßigen<br />

Anstieg der Produktion dürfte die Arbeitslosenquote<br />

mit 8,0% im Schnitt des Jahres <strong>2013</strong> etwa so<br />

hoch sein wie Ende 2012. Da die Produktionskapazitäten<br />

weiterhin nicht voll ausgelastet sind, liegt<br />

die Teuerungsrate nahezu unverändert bei 2,2%.<br />

Im Jahr 2014 wird aufgrund des Wiederanziehens<br />

der <strong>Konjunktur</strong> ab dem Sommer <strong>2013</strong> die Zuwachsrate<br />

des Bruttoinlandsprodukts bei 2,7% liegen.<br />

Dadurch sinkt die Arbeitslosenquote auf 7,6%, und<br />

die Inflation steigt tendenziell leicht an. Bis zum<br />

Ende des Prognosezeitraums wird der Aufschwung<br />

allerdings von der restriktiven Finanzpolitik gedämpft.<br />

Abbildung 3:<br />

Reales Bruttoinlandsprodukt in den USA<br />

- saisonbereinigter Verlauf -<br />

Index<br />

112<br />

110<br />

108<br />

106<br />

104<br />

102<br />

100<br />

98<br />

-3,1<br />

2,4<br />

1,8<br />

I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III<br />

2009 2010 2011 2012 <strong>2013</strong><br />

IWH<br />

1 Zahlenangaben: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.<br />

Quellen: Bureau of Economic Analysis; Berechnungen und<br />

Darstellung des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose<br />

des IWH.<br />

2,2<br />

Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)<br />

1. Quartal 2009 = 100 (linke Skala)<br />

Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)<br />

1,7<br />

IV<br />

%<br />

1,5<br />

1,0<br />

0,5<br />

0,0<br />

-0,5<br />

-1,0<br />

-1,5<br />

-2,0<br />

Europäische Union<br />

Rezession treibt Anpassungsprozesse im Euroraum<br />

voran<br />

Im Euroraum schrumpft die gesamtwirtschaftliche<br />

Produktion nun schon seit einem Jahr. Im dritten<br />

Quartal 2012 fiel der Rückgang mit knapp 0,1%<br />

allerdings geringer aus als vielfach be<strong>für</strong>chtet (vgl.<br />

Abbildung 4). Das Bruttoinlandsprodukt in den<br />

großen Krisenländern Spanien und Italien ging langsamer<br />

zurück als zuvor (um 0,3% bzw. 0,2%), und<br />

in Frankreich legte es sogar leicht zu (um 0,2%).<br />

Abbildung 4:<br />

Reales Bruttoinlandsprodukt im Euroraum<br />

- saisonbereinigter Verlauf -<br />

Index<br />

106<br />

105<br />

104<br />

103<br />

102<br />

101<br />

100<br />

99<br />

98<br />

97<br />

-4,3<br />

1,9<br />

1,5<br />

I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV<br />

2009 2010 2011 2012 <strong>2013</strong><br />

IWH<br />

1 Zahlenangaben: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.<br />

Quellen: Eurostat; Berechnungen und Darstellung des IWH;<br />

ab 4. Quartal 2012: Prognose des IWH.<br />

Was die einzelnen Nachfrageaggregate betrifft,<br />

haben sich schon länger währende Trends fortgesetzt:<br />

Aufgrund der Schwäche der Binnennachfrage<br />

legen die Exporte seit Sommer 2010 stärker zu als<br />

die Importe. Die Bruttoanlageinvestitionen sind seit<br />

Sommer 2011 rückläufig, der Verbrauch des Staates<br />

geht seit Anfang 2011 im Trend zurück; ebenso<br />

der Verbrauch der privaten Haushalte, der zuletzt<br />

aber nahezu stagnierte. Ursache <strong>für</strong> die Konsumschwäche<br />

sind die real gerechnet sinkenden verfügbaren<br />

Einkommen. In Reaktion darauf sparen<br />

die Haushalte weniger: Ihre Sparquote ist im ersten<br />

Halbjahr 2012 das erste Mal seit Gründung der<br />

Währungsunion unter 13% gefallen. Dass die verfügbaren<br />

Einkommen im Gesamtjahr real deutlich<br />

-0,5<br />

Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)<br />

1. Quartal 2009 = 100 (linke Skala)<br />

Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)<br />

-0,2<br />

Prognosezeitraum<br />

Prognosezeitraum<br />

%<br />

1,5<br />

1,0<br />

0,5<br />

0,0<br />

-0,5<br />

-1,0<br />

-1,5<br />

-2,0<br />

-2,5<br />

-3,0<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 9


sinken, liegt auch an dem recht kräftigen Anstieg<br />

der Verbraucherpreise. Sie lagen im Jahr 2012 um<br />

2½% höher als 2011, nicht zuletzt wegen teurerer<br />

Energie und der Erhöhung der indirekten Steuerbelastung<br />

im Zuge der Konsolidierung. Die verfügbaren<br />

Nominaleinkommen wurden vielfach<br />

durch Erhöhungen der direkten Steuern geschmälert.<br />

Auch stiegen die Verdienste vor Steuern nur<br />

wenig, vor allem, weil die Summe der geleisteten<br />

Arbeitsstunden schon seit Sommer 2011 sinkt. Seit<br />

dieser Zeit steigt auch die Arbeitslosigkeit, von<br />

etwa 10% auf 11,7% im Oktober 2012. Es ist bemerkenswert,<br />

dass seit dieser Zeit auch die Partizipationsquote<br />

steigt (vgl. Abbildung 5). Sinkende<br />

Haushaltseinkommen haben wohl viele Menschen,<br />

die bisher keiner Erwerbsarbeit nachgehen wollten,<br />

zum Eintritt in den Arbeitsmarkt bewegt. Auch hat<br />

der Übergang in den Ruhestand durch Reformen<br />

der Pensionssysteme in einigen Krisenländern,<br />

etwa in Italien, an Attraktivität verloren.<br />

Abbildung 5:<br />

Bevölkerung, Erwerbsbevölkerung und Beschäftigung<br />

im Euroraum<br />

- Zuwachsraten gegenüber dem Vorjahresquartal -<br />

2,5<br />

2,0<br />

1,5<br />

1,0<br />

0,5<br />

0,0<br />

-0,5<br />

-1,0<br />

-1,5<br />

-2,0<br />

-2,5<br />

2006 2007 2008 2008 2010 2011 2012<br />

Beschäftigung<br />

Erw erbsbevölkerung<br />

Bevölkerung (15 bis 74 Jahre)<br />

IWH<br />

Quellen: Eurostat; Berechnungen und Darstellung des IWH.<br />

Ein weiterer Effekt der Rezession ist der rasche<br />

Rückgang der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte<br />

aufgrund des Rückgangs der heimischen<br />

Nachfrage in den Krisenländern. Von diesen wies<br />

im zweiten Quartal 2012 nur noch Griechenland<br />

ein saisonbereinigtes Defizit der Handels- und<br />

Dienstleistungsbilanz auf. Werden zu dieser Größe<br />

die Einkommensströme und laufenden Übertragungen<br />

hinzugenommen, ergeben sich die Leistungsbilanzsalden.<br />

Sie betrugen im zweiten Quartal 2012<br />

<strong>für</strong> Italien saisonbereinigt nur etwa −½% im Verhältnis<br />

zum Bruttoinlandsprodukt, <strong>für</strong> Spanien<br />

etwa −2%. Beide Länder dürften schon im Winterhalbjahr<br />

2012/<strong>2013</strong> keine saisonbereinigten Defizite<br />

mehr aufweisen, aber die Gründe da<strong>für</strong> sind<br />

nicht identisch: Während in beiden Ländern die<br />

Importnachfrage stark rückläufig ist, hilft in Spanien<br />

zusätzlich die im Trend recht hohe Dynamik<br />

der Exporte.<br />

Monetäre Rahmenbedingungen im Euroraum<br />

Die Geldpolitik im Euroraum ist weiterhin expansiv<br />

ausgerichtet. So wurde im Juli 2012 der maßgebliche<br />

Leitzins der EZB um 0,25 Prozentpunkte<br />

auf 0,75% gesenkt. Zudem weitete die EZB ihre<br />

außergewöhnlichen Maßnahmen aus. Im September<br />

reagierte die EZB mit der Ankündigung eines<br />

neuen Instruments zum Aufkauf von Staatsanleihen<br />

am Sekundärmarkt auf die Zuspitzung der Schuldenund<br />

Vertrauenskrise. Die anhaltend trüben konjunkturellen<br />

Aussichten <strong>für</strong> den Euroraum werden<br />

dazu führen, dass die EZB zu Beginn des Jahres<br />

<strong>2013</strong> den Leitzins erneut, um 0,25 Prozentpunkte,<br />

senken wird. Im Zuge der konjunkturellen Erholung<br />

ab dem zweiten Halbjahr <strong>2013</strong> und allmählich<br />

ansteigenden Preisdrucks wird der Leitzins im Jahr<br />

2014 langsam wieder erhöht und beträgt in der<br />

vorliegenden Prognose am Ende des Jahres 2014<br />

1,25%.<br />

Die Leitzinssenkung im Juli 2012 wirkte sich<br />

unmittelbar auf die Geldmärkte aus. Seit dieser<br />

Zeit liegen die Zinsen <strong>für</strong> besichertes Geld am Interbankenmarkt<br />

(EUREPO) praktisch bei null. Auch<br />

die Zinsen <strong>für</strong> unbesicherte Geldmarktgeschäfte<br />

(EONIA und EURIBOR) fielen. Dadurch verringerte<br />

sich der Zinsabstand zwischen besicherten<br />

und unbesicherten Geldmarktkrediten deutlich. So<br />

gingen etwa die Risikoaufschläge <strong>für</strong> unbesichertes<br />

Dreimonatsgeld von 1,2 Prozentpunkten auf 0,2 Prozentpunkte<br />

zurück. Der Rückgang der Risikoaufschläge<br />

kann zum Teil auf eine leichte Entspannung<br />

an den Interbankenmärkten zurückgeführt werden,<br />

die sich in zeitlichem Einklang mit den Beschlüssen<br />

der EZB zum Aufkauf von Staatsanleihen ergab.<br />

Sollte sich die Entspannung weiter fortsetzen,<br />

so ist auch wieder mit einer Annäherung der Geldmarktsätze<br />

an den Leitzins zu rechnen, die sich in<br />

leicht steigenden Zinssätzen <strong>für</strong> besicherte Geldmarktkredite<br />

ausdrücken würde. Im Jahr 2014 wird<br />

dann auch der steigende Leitzins eine erhöhende<br />

Wirkung auf die Geldmarktsätze entfalten.<br />

10<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


Auch die Zinsen <strong>für</strong> Kredite an nichtfinanzielle<br />

Unternehmen und private Haushalte sind im Jahresverlauf<br />

2012 weiter gesunken. Dennoch stiegen die<br />

Ausleihungen an private Haushalte kaum mehr,<br />

und die an nichtfinanzielle Unternehmen sanken<br />

sogar. Eine Befragung der Banken im Euroraum<br />

(Bank Lending Survey) ergab, dass da<strong>für</strong> auch eine<br />

geringere Nachfrage von Unternehmen und Haushalten<br />

nach Krediten verantwortlich sein dürfte.<br />

Zudem verschärfen sich derzeit die Kreditbedingungen,<br />

vor allem <strong>für</strong> Unternehmen, was sowohl<br />

auf die schwachen <strong>Konjunktur</strong>aussichten als auch<br />

auf verschärfte Regulierung zurückzuführen sein<br />

dürfte. Die Banken rechnen mit sich weiter verschärfenden<br />

Kreditbedingungen und weiter sinkender<br />

Nachfrage nach Krediten. Damit dürfen im Jahr<br />

<strong>2013</strong> die Kreditvolumen trotz weiterhin sehr niedriger<br />

Zinsen zurückgehen. Im Jahr 2014 werden<br />

Kreditvolumen und Zinsen wieder leicht ansteigen.<br />

Die Lage an den Kapitalmärkten hat sich im<br />

Verlauf des Jahres 2012 merklich entspannt. Die<br />

Umlaufsrenditen von Staatsanleihen gingen deutlich<br />

stärker zurück als die Leitzinsen. Das gilt sowohl<br />

<strong>für</strong> AAA-bewertete Staatsanleihen, als auch <strong>für</strong> die<br />

Staatsanleihen der Krisenländer. Auch die Umlaufsrenditen<br />

nichtfinanzieller Kapitalgesellschaften<br />

unterschiedlicher Bonität gingen stark zurück und<br />

markierten neue Tiefststände. Gegenwärtig zeichnet<br />

sich jedoch eine Bodenbildung ab, was nicht ausschließt,<br />

dass mit der weiterhin expansiven Geldpolitik<br />

die Umlaufsrenditen im Jahr <strong>2013</strong> nochmals<br />

sinken. Im Zuge einer Entspannung der Schuldenund<br />

Vertrauenskrisen könnte sich jedoch insofern<br />

eine Normalisierung einstellen, als die zunehmende<br />

Sicherheit über den Fortbestand der Währungsunion<br />

zu einem leichten Anstieg der Renditen<br />

bei sicheren Anleihen führt. Im Jahr 2014 werden<br />

auch aus diesem Grund die Umlaufsrenditen leicht<br />

steigen.<br />

Der Wechselkurs des Euro zeigte sich im Jahr<br />

2012 relativ stabil und liegt zum Ende des Jahres<br />

wieder in etwa bei den Werten vom Anfang des<br />

Jahres. Für die Jahre <strong>2013</strong> und 2014 wird von einem<br />

konstanten Euro-US-Dollar-Kurs ausgegangen.<br />

Euroraum-<strong>Konjunktur</strong> stabilisiert sich im Lauf<br />

des Jahres <strong>2013</strong><br />

Im Jahr <strong>2013</strong> werden die finanzpolitischen Konsolidierungsbemühungen<br />

in den meisten Ländern des<br />

Euroraums fortgesetzt. Der negative finanzpolitische<br />

Impuls dürfte mit etwa 1% im Verhältnis zum<br />

Bruttoinlandsprodukt nicht ganz so groß ausfallen<br />

wie im Jahr 2012, als er etwa 1½% betrug. Ein<br />

moderat positiver Impuls ist vom Außenhandel zu<br />

erwarten: Zwar ist die preisliche Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Wirtschaft nach der Aufwertung des<br />

Euro im Herbst nicht viel höher als zu Beginn des<br />

Jahres, unabhängig davon wird aber die moderate<br />

weltwirtschaftliche Belebung die Absatzchancen<br />

von Produzenten aus dem Euroraum verbessern.<br />

Auch dürften private Haushalte und Unternehmen<br />

mit dem Fortschreiten des Konsolidierungs- und<br />

Reformprozesses langsam wieder mehr Vertrauen<br />

in die wirtschaftliche Zukunft des Euroraums fassen.<br />

Eine rasche Besserung wird sich aber nicht einstellen.<br />

Im September ist die Industrieproduktion im<br />

Euroraum erst einmal wieder zurückgegangen, und<br />

die Vertrauensindikatoren signalisieren auch <strong>für</strong> die<br />

„Kernländer“ wie Deutschland und die Niederlande,<br />

dass der Abschwung im Winterhalbjahr noch weitergehen<br />

wird (vgl. Tabelle 4). Erst im Sommer<br />

wird die Rezession im Euroraum wohl auslaufen,<br />

ein kräftiger Aufschwung wird sich aber auch im<br />

Jahr 2014 noch nicht einstellen, denn auch dann<br />

wirkt die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen<br />

noch deutlich restriktiv. Alles in allem dürfte die<br />

gesamtwirtschaftliche Produktion im Jahr 2012 um<br />

0,5% und im Jahr darauf um 0,2% zurückgehen,<br />

Tabelle 3:<br />

Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung im Euroraum<br />

- in % -<br />

2012 <strong>2013</strong> 2014<br />

Veränderung gegenüber<br />

dem Vorjahr in %<br />

reales Bruttoinlandsprodukt −0,5 −0,2 1,1<br />

privater Konsum −1,1 −0,3 0,9<br />

öffentlicher Konsum −0,2 −0,3 0,3<br />

Bruttoanlageinvestitionen −3,8 −1,6 2,7<br />

inländische Verwendung −2,0 −0,7 1,0<br />

Exporte a 3,0 3,2 5,0<br />

Importe a −0,4 1,9 4,7<br />

Außenbeitrag b 1,5 0,5 0,2<br />

Verbraucherpreise c 2,5 1,8 1,4<br />

Lohnstückkosten d 1,3 1,0 0,9<br />

% in Relation zum nominalen<br />

Bruttoinlandsprodukt<br />

Budgetsaldo e −3,3 −2,7 −2,5<br />

Leistungsbilanzsaldo 0,9 1,3 1,4<br />

in % der Erwerbspersonen<br />

Arbeitslosenquote f 11,4 12,0 12,1<br />

a<br />

Einschließlich Intrahandel. – b Wachstumsbeitrag. – c Harmonisierter<br />

Verbraucherpreisindex. – d Bruttowertschöpfung je Beschäftigten. –<br />

e Gesamtstaatlich. – f Standardisiert.<br />

Quellen: Eurostat; Prognose des IWH.<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 11


Tabelle 4:<br />

Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote im Euroraum<br />

- 2012 bis 2014 -<br />

Bruttoinlandsprodukt a Verbraucherpreise b Arbeitslosenquote c<br />

Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % in %<br />

2012 <strong>2013</strong> 2014 2012 <strong>2013</strong> 2014 2012 <strong>2013</strong> 2014<br />

Deutschland 0,8 0,7 1,5 2,1 2,1 1,9 5,5 5,8 5,7<br />

Frankreich 0,1 0,0 0,9 2,2 1,6 1,5 10,4 10,6 10,7<br />

Italien −2,0 −1,1 0,5 3,3 1,8 1,0 10,6 11,4 11,7<br />

Spanien −1,3 −1,3 0,7 2,4 1,9 0,8 25,1 26,9 26,9<br />

Niederlande −0,8 0,3 1,2 2,8 2,1 1,5 5,3 5,8 5,8<br />

Belgien −0,2 0,4 1,4 2,5 1,7 1,7 7,4 7,5 7,5<br />

Österreich 0,5 0,9 1,4 2,3 1,9 1,9 4,3 4,7 4,7<br />

Griechenland −6,0 −4,0 0,5 1,0 −0,7 −0,8 24,3 27,0 27,2<br />

Finnland 0,3 0,7 1,3 2,9 2,3 2,3 7,7 8,0 7,8<br />

Portugal −3,0 −1,5 0,7 2,9 1,1 1,1 15,7 16,7 16,6<br />

Irland 0,2 1,0 2,0 1,9 1,1 1,2 14,9 14,7 14,6<br />

Slowakei 2,5 2,2 3,0 3,7 1,8 1,9 13,9 13,9 13,2<br />

Luxemburg 1,0 1,0 2,0 2,8 2,0 2,1 5,0 5,5 5,5<br />

Slowenien −2,2 −1,5 1,0 2,7 1,7 1,7 8,4 9,7 9,8<br />

Zypern −2,5 −1,5 −0,5 3,4 1,8 2,0 11,7 13,0 13,9<br />

Estland 3,0 3,5 3,8 4,2 3,4 3,2 10,1 9,1 8,7<br />

Malta 1,0 1,5 2,0 3,0 2,2 2,2 6,4 6,4 6,2<br />

Euroraum ohne Deutschland −0,9 −0,5 0,9 2,6 1,6 1,2 13,5 14,4 14,3<br />

Euroraum −0,5 −0,2 1,1 2,5 1,8 1,4 11,4 12,1 12,0<br />

a<br />

Die Zuwachsraten sind untereinander nicht voll vergleichbar, da sie <strong>für</strong> einige Länder um Arbeitstageeffekte bereinigt sind, <strong>für</strong> andere – wie <strong>für</strong><br />

Deutschland – nicht. – b Harmonisierter Verbraucherpreisindex. – c Standardisiert.<br />

Quelle: Prognose des IWH.<br />

um im Jahr 2014 sehr moderat (mit 1,1%) zuzulegen<br />

(vgl. Tabelle 3). Die Verbraucherpreise steigen im<br />

Jahr <strong>2013</strong> mit 1,8% deutlich langsamer als 2012.<br />

Die Arbeitslosigkeit nimmt noch weiter zu, auf<br />

12,1% im Jahresdurchschnitt 2014.<br />

Schwache Produktivitätsentwicklung in Großbritannien<br />

Im dritten Quartal 2012 legte die gesamtwirtschaftliche<br />

Produktion in Großbritannien mit 1%<br />

recht kräftig zu, nachdem sie die drei Quartale zuvor<br />

stetig gefallen war. Der Anstieg geht vor allem<br />

auf temporäre Faktoren zurück: War das Bruttoinlandsprodukt<br />

aufgrund der Feierlichkeiten zum<br />

sechzigsten Thronjubiläum der Königin im Juni<br />

gedrückt worden, erhielt es durch die Olympischen<br />

Spiele in London im Juli und August einen kurzlebigen<br />

Impuls. Die Wirtschaft ist aber nach wie<br />

vor in keiner guten Verfassung. Seit Sommer 2011<br />

stagnieren die Exporte in etwa, nicht zuletzt wegen<br />

der Rezession im Euroraum. Die Binnennachfrage<br />

ist schwach, weil die recht hoch verschuldeten privaten<br />

Haushalte und Unternehmen um die Verbesserung<br />

ihrer Vermögensposition bemüht sind und<br />

der Staat versucht, sein hohes Defizit (von etwa<br />

6½% im Jahr 2012) zurückzuführen. Trotz der<br />

schwachen <strong>Konjunktur</strong> und obwohl der Effekt der<br />

Mehrwertsteuererhöhung vom Anfang des Jahres<br />

2011 ausgelaufen ist, hält sich die Inflationsrate mit<br />

2,7% im Oktober deutlich über dem 2%-Zielwert<br />

der Bank von England. Die Zentralbank schließt<br />

daraus, dass die gesamtwirtschaftliche Unterauslastung<br />

nicht allzu groß sein kann. Schwach ist auch<br />

die Produktivitätsentwicklung: Während die Beschäftigung<br />

<strong>aktuell</strong> wieder etwas höher ist als vor<br />

Ausbruch der Krise im Jahr 2008, liegt das Bruttoinlandsprodukt<br />

immer noch etwa 3% unter seinem<br />

damaligen Maximalwert. Ein Teil der Erklärung<br />

da<strong>für</strong> ist wohl, dass die Produktion des in Großbritannien<br />

besonders wichtigen Finanzsektors vor<br />

Ausbruch der Krise erheblich überzeichnet war.<br />

Die Bank von England versucht seit dem vergangenen<br />

Sommer, mit dem „Funding for Lending“-<br />

12<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


Programm den Banken einen Zinsanreiz da<strong>für</strong> zu<br />

geben, die nach wie vor stagnierende Kreditvergabe<br />

wieder auszuweiten. Die Notenbank wird ihre expansive<br />

Ausrichtung weiter aufrecht erhalten, obwohl<br />

die Verbraucherpreisinflation auch im Schnitt<br />

des Jahres <strong>2013</strong> mit 2,2% über der 2%-Marke liegen<br />

dürfte. Die Finanzpolitik wird dagegen im (mit dem<br />

April beginnenden) Fiskaljahr <strong>2013</strong> ihren Restriktionsgrad<br />

noch einmal verschärfen. Eine Stütze<br />

dürfte die <strong>Konjunktur</strong> aber im Außenhandel finden,<br />

denn die Weltkonjunktur zieht im Lauf des<br />

Jahres wohl etwas an. Alles in allem ist mit einem<br />

Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen Produktion<br />

von 1,1% im Jahr <strong>2013</strong> zu rechnen, nach Stagnation<br />

im Jahr 2012. Im Jahr 2014 dürfte die Produktion<br />

um knapp 1½% zulegen.<br />

<strong>Konjunktur</strong> in den mittel- und osteuropäischen<br />

Ländern durch Krise im Euroraum gedämpft<br />

Vor dem Hintergrund einer schwachen weltweiten<br />

wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere der<br />

anhaltenden Krise im Euroraum, flachte der <strong>Konjunktur</strong>verlauf<br />

in den mittel- und osteuropäischen<br />

Ländern im Jahr 2012 deutlich ab. Aufgrund der<br />

geringeren Außenhandelsumsätze wurde die <strong>Konjunktur</strong><br />

auch in den Ländern mit einer bis dahin<br />

recht dynamischen wirtschaftlichen Expansion abgebremst,<br />

also etwa in Polen, der Slowakei und den<br />

baltischen Ländern. In Bulgarien und Rumänien kam<br />

das Wachstum nahezu zum Stillstand, in Ungarn,<br />

Slowenien und der Tschechischen Republik ging<br />

es zurück. Neben der schwachen außenwirtschaftlichen<br />

Nachfrage blieben nun vielerorts auch die<br />

Impulse von der Binnennachfrage aus. Hier machten<br />

sich niedrigere reale Einkommenszuwächse,<br />

pessimistischere Erwartungen bei Haushalten und<br />

Unternehmen, sowie der restriktive finanzpolitische<br />

Kurs bemerkbar.<br />

Die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen<br />

ist vielerorts voran gekommen, aufgrund der schwachen<br />

<strong>Konjunktur</strong>, insbesondere der niedrigeren<br />

Steuereinnahmen, fällt der Defizitabbau aber teilweise<br />

bescheidener aus als geplant oder er blieb<br />

ganz aus. Die seit längerer Zeit bestehenden übermäßigen<br />

Haushaltsdefizite in Polen und Ungarn<br />

konnten jedoch im Jahr 2012 voraussichtlich weiter<br />

zurückgeführt werden.<br />

Die Inflation ist nach einer Beruhigung zu Beginn<br />

des Jahres in den letzten Monaten vielfach<br />

wieder gestiegen, wo<strong>für</strong> die Anhebung regulierter<br />

Preise und Verbrauchsteuern, Lebensmittelpreissteigerungen<br />

sowie die Volatilität des Ölpreises verantwortlich<br />

sind. Die Geldpolitik ist angesichts der<br />

konjunkturellen Abschwächung vielerorts gelockert<br />

worden. Eine Ausnahme bildete vorübergehend<br />

Ungarn, wo die Notenbankzinsen in den Jahren 2011<br />

und 2012 um insgesamt 125 Basispunkte auf 7% –<br />

den höchsten Satz in der Region – gestiegen waren.<br />

Im Herbst 2012 wurden aber auch sie wieder<br />

gesenkt (auf 6% im Dezember). Auf den Arbeitsmärkten<br />

zeichnet sich keine weitere Entspannung<br />

ab, die Arbeitslosenquoten liegen nach wie vor<br />

meist im zweistelligen Bereich. Auch vor diesem<br />

Hintergrund wird sich der Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts<br />

der Region im Jahr 2012 mit etwa<br />

1,1% im Vergleich zum Vorjahr mehr als halbieren.<br />

Die <strong>Konjunktur</strong> wird sich in den kommenden<br />

zwei Jahren nur nach und nach in dem Maße verbessern,<br />

wie sich die weltwirtschaftliche Lage und<br />

insbesondere die im Euroraum als dem wichtigsten<br />

Absatzmarkt der Region verbessert. Allerdings werden<br />

die verbreiteten Konsolidierungsanstrengungen<br />

der Regierungen fortgesetzt werden und die Binnennachfrage<br />

weiter dämpfen. Alles in allem wird die<br />

wirtschaftliche Dynamik im Prognosezeitraum mit<br />

rund 1,7% im Jahr <strong>2013</strong> bzw. 2,8% im Jahr 2014<br />

nur allmählich an Fahrt gewinnen.<br />

Deutsche <strong>Konjunktur</strong><br />

<strong>Konjunktur</strong> in Deutschland erreicht im Winter<br />

ihren Tiefpunkt<br />

In Deutschland hat sich die wirtschaftliche Lage<br />

im Jahr 2012 nach und nach immer weiter verschlechtert.<br />

Die Zuversicht von Unternehmen und<br />

Haushalten sank stetig bis in den Spätherbst hinein.<br />

Die Binnennachfrage schrumpft nun schon seit einem<br />

Jahr, obwohl der Beschäftigungsstand hoch<br />

ist, die monetären Rahmenbedingungen günstig sind<br />

und die deutsche Finanzpolitik im Jahr 2012 sich<br />

einen im internationalen Vergleich nur mäßig restriktiven<br />

Kurs erlauben konnte. Zwar haben recht<br />

kräftige Lohnzuwächse da<strong>für</strong> gesorgt, dass die privaten<br />

Haushalte ihren Konsum im Sommerhalbjahr<br />

moderat ausweiteten. Die Unternehmen nahmen<br />

aber das ganze Jahr über ihre Investitionen in Ausrüstungen<br />

und Läger zurück. Zuletzt haben sie<br />

auch kaum noch Beschäftigung aufgebaut.<br />

Der Hauptgrund <strong>für</strong> das zunehmend vorsichtigere<br />

Ausgabeverhalten von Unternehmen und privaten<br />

Haushalten sind sicher die Sorgen um die<br />

Eurokrise und die Rezession in vielen europäischen<br />

Nachbarländern. Skepsis gegenüber der au-<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 13


Tabelle 5:<br />

Quartalsdaten zur wirtschaftlichen Entwicklung a<br />

- Veränderung in % gegenüber dem Vorquartal -<br />

2011 2012 <strong>2013</strong><br />

I II III IV I II III IV I II III IV<br />

private<br />

Konsumausgaben<br />

0,7 −0,5 1,3 −0,3 0,0 0,1 0,3 −0,1 0,1 0,1 0,3 0,3<br />

öffentlicher Konsum 0,1 0,6 0,2 0,5 0,4 −0,2 0,4 0,3 0,4 0,4 0,3 0,3<br />

Ausrüstungen 0,9 1,1 1,6 −0,3 −0,9 −4,0 −2,0 −2,3 −0,7 0,0 1,8 1,8<br />

Bauten 7,2 −0,4 −0,7 1,4 −0,7 −1,1 1,5 −0,1 0,6 0,6 0,7 0,7<br />

sonstige Anlagen 0,9 0,2 1,6 2,0 −1,0 1,1 1,3 0,7 0,9 1,0 1,1 1,2<br />

Vorratsinvestitionen b −0,2 1,3 −0,8 −0,1 0,0 0,0 −0,3 0,0 0,0 0,0 0,1 0,1<br />

inländische<br />

Verwendung<br />

0,9 1,2 0,1 −0,1 −0,2 −0,4 0,0 −0,2 0,2 0,2 0,5 0,6<br />

Außenbeitrag b 0,3 −0,7 0,3 0,0 0,7 0,7 0,3 0,0 0,1 0,1 −0,1 −0,1<br />

Exporte 2,7 0,5 2,1 −0,5 0,7 3,3 1,4 0,3 0,6 1,0 1,2 1,4<br />

Importe 2,3 2,2 1,7 −0,4 −0,7 2,2 1,0 0,3 0,5 0,8 1,6 1,7<br />

Bruttoinlandsprodukt 1,2 0,5 0,4 −0,1 0,5 0,3 0,2 −0,2 0,2 0,3 0,4 0,5<br />

a Saison- und arbeitstägliche bereinigte Werte; in Vorjahrespreisen. – b Beitrag zur Veränderung des Bruttoinlandproduktes in Prozentpunkten<br />

(Lundberg-Komponenten).<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; ab 4. Quartal 2012: Prognose des IWH.<br />

ßenwirtschaftlichen Entwicklung wurde auch durch<br />

die Auftragseingänge aus dem Ausland genährt, die<br />

schon seit Mitte 2011 im Trend nur noch stagnieren.<br />

Diese Sorgen erklären auch neben den sehr günstigen<br />

Finanzierungsbedingungen die recht schwungvolle<br />

Wohnungsbaukonjunktur, denn deutsche Immobilien<br />

werden verbreitet als sichere Wertanlage angesehen.<br />

Trotzdem schien die deutsche <strong>Konjunktur</strong> bis<br />

zum Herbst 2012 der Schulden- und Vertrauenskrise<br />

im Euroraum gut widerstehen zu können. Die<br />

Produktion wurde bis in den Herbst hinein deutlich<br />

ausgeweitet, und das ausgerechnet dank einer lebhaften<br />

Exportkonjunktur. Obwohl die Weltwirtschaft<br />

als Ganzes im Jahr 2012 schwächelte, haben<br />

hohe Zuwächse der Ausfuhren vor allem in Länder<br />

außerhalb Europas den Rückgang der Nachfrage<br />

aus dem übrigen Euroraum mehr als ausgleichen<br />

können. Allerdings hat die Auslandsnachfrage im<br />

September und Oktober an Schwung verloren, und<br />

die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe ist in<br />

der Zeit sehr deutlich zurückgegangen. Auch die<br />

privaten Käufe und der Wohnungsbau scheinen im<br />

Herbst zu schwächeln, wie die zuletzt berichteten<br />

Einzelhandelsumsätze und die Bauproduktion signalisieren.<br />

Alles in allem dürfte die gesamtwirtschaftliche<br />

Produktion im vierten Quartal um 0,2%<br />

sinken (vgl. Abbildung 6 und Tabelle 5), sodass<br />

sich im Jahresdurchschnitt ein Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes<br />

von 0,8% ergibt (arbeitstäglich<br />

bereinigt um 1%, vgl. Tabelle 6).<br />

Abbildung 6:<br />

Reales Bruttoinlandsprodukt in Deutschland<br />

- saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf -<br />

Mrd. Euro<br />

640<br />

630<br />

620<br />

610<br />

600<br />

590<br />

580<br />

570<br />

560<br />

550<br />

I<br />

-5,1<br />

4,2<br />

II<br />

2009<br />

III IV I II<br />

2010<br />

III IV I II<br />

2011<br />

III IV I II<br />

2012<br />

III IV I II<br />

<strong>2013</strong><br />

III<br />

Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)<br />

verkettete Volumenangaben (linke Skala)<br />

Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)<br />

IWH<br />

1<br />

Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />

des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose des IWH.<br />

Allerdings zeigen sich am Jahresende Anzeichen<br />

da<strong>für</strong>, dass sich die deutsche <strong>Konjunktur</strong> im<br />

ersten Halbjahr <strong>2013</strong> wieder etwas beschleunigen<br />

dürfte. Die Geschäftsaussichten und die <strong>aktuell</strong>en<br />

Auftragseingänge der Industrie, die produktionsseitig<br />

in das Jahr <strong>2013</strong> reichen, sind wieder gestiegen,<br />

vor allem dank wieder zunehmender Bestellungen<br />

aus dem Ausland. Die Produktionsdynamik<br />

3,0<br />

0,8<br />

0,7<br />

Prognosezeitraum<br />

IV<br />

%<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

-1<br />

-2<br />

-3<br />

-4<br />

-5<br />

14<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


leibt im ersten Halbjahr <strong>2013</strong> insgesamt aber noch<br />

schwach, da sich die Weltkonjunktur nur allmählich<br />

kräftigt und die inländische Nachfrage noch<br />

von der Investitionszurückhaltung der Unternehmen<br />

belastet wird.<br />

Tabelle 6:<br />

Statistische Komponenten der BIP-Wachstumsrate<br />

- in % bzw. Prozentpunkten -<br />

2012 <strong>2013</strong> 2014<br />

statistischer Überhang a 0,2 0,0 0,6<br />

Jahresverlaufsrate b 0,8 1,4 1,5<br />

jahresdurchschnittliche<br />

BIP-Rate,<br />

1,0 0,8 1,5<br />

kalenderbereinigt<br />

Kalendereffekt c −0,2 −0,1 0,0<br />

jahresdurchschnittliche<br />

BIP-Rate,<br />

0,8 0,7 1,5<br />

kalenderjährlich d<br />

a Saison- und kalenderbereinigtes reales BIP im vierten Quartal des<br />

Vorjahres in Relation zum kalenderbereinigten Quartalsdurchschnitt<br />

des Vorjahres. – b Jahresveränderungsrate im vierten Quartal, saisonund<br />

kalenderbereinigt. – c In % des realen BIP. – d Abweichungen in<br />

der Summe rundungsbedingt.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Prognose des IWH.<br />

Im späteren Verlauf von <strong>2013</strong> und bis in das Jahr<br />

2014 hinein dürfte sich, sofern die Eindämmung der<br />

Schuldenkrise im Euroraum gelingt, die konjunkturelle<br />

Lage deutlicher aufhellen; dann dürften auch<br />

wieder Zuwachsraten in Höhe des Potenzialwachstums<br />

möglich werden. Die Impulse kommen dabei<br />

zunächst zu gleichen Teilen vom Außenhandel und<br />

von der inländischen Nachfrage, wobei der Konsum<br />

und die Baunachfrage treibend wirken (vgl. Tabelle<br />

7). Die Ausrüstungsinvestitionen dürften erst<br />

im späteren Verlauf des Jahres <strong>2013</strong> wieder anziehen,<br />

wenn die Investoren das Vertrauen in die zukünftige<br />

Entwicklung zurückgewonnen haben.<br />

Einen positiven Wachstumsbeitrag leisten sie allerdings<br />

erst im Jahr 2014. Mit der insgesamt erstarkenden<br />

inländischen Nachfrage legen auch die Importe<br />

wieder stärker zu, sodass der Außenhandel<br />

die gesamtwirtschaftliche Produktion wohl dämpfen<br />

wird, wenngleich nur schwach. Insgesamt dürfte<br />

das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Jahr<br />

<strong>2013</strong> mit 0,7% nochmals eher mäßig zunehmen,<br />

sich aber im Jahr 2014 mit 1,5% erneut beschleunigen.<br />

Folglich sind die gesamtwirtschaftlichen<br />

Produktionskapazitäten im Jahr <strong>2013</strong> unterausgelastet<br />

(vgl. Abbildung 7); im Verlauf des Jahres<br />

2014 schließt sich die Produktionslücke. Die Beschäftigung<br />

wird angesichts der schwachen Produktionsentwicklung<br />

im Jahr <strong>2013</strong> in etwa stagnieren<br />

und erst im Jahr darauf mit 0,2% leicht steigen.<br />

Die Verbraucherpreisinflation verharrt im Jahr<br />

<strong>2013</strong> bei 2% wie im Jahr 2012 und wird im Jahr<br />

2014 mit 1,8% etwas darunter liegen.<br />

Tabelle 7:<br />

Beiträge der Nachfragekomponenten zur Veränderung<br />

des Bruttoinlandsproduktes<br />

- in Prozentpunkten -<br />

2012 <strong>2013</strong> 2014<br />

Konsumausgaben 0,5 0,5 0,9<br />

private Konsumausgaben 0,3 0,2 0,7<br />

Konsumausgaben des<br />

Staates<br />

0,2 0,2 0,2<br />

Bruttoanlageinvestitionen −0,4 0,0 0,6<br />

Ausrüstungen −0,4 −0,2 0,3<br />

Bauten −0,1 0,2 0,2<br />

sonstige Anlagen 0,0 0,0 0,1<br />

Vorratsveränderung −0,4 −0,1 0,1<br />

inländische Verwendung −0,4 0,4 1,6<br />

Außenbeitrag 1,1 0,3 −0,1<br />

Exporte 2,1 2,0 3,0<br />

Importe −1,0 −1,7 −3,1<br />

Bruttoinlandsprodukt 0,8 0,7 1,5<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Prognose des IWH.<br />

Abbildung 7:<br />

Produktionslücke in Deutschland<br />

% in Relation zum Produktionspotenzial<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

-2<br />

-4<br />

-6<br />

1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 <strong>2013</strong><br />

IWH<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />

des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose des IWH.<br />

Die Prognoseunsicherheit ist allerdings recht<br />

groß. Für das Jahr <strong>2013</strong> reicht das 66%-Prognoseintervall<br />

<strong>für</strong> die Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes<br />

von −0,2% bis 1,6% und <strong>für</strong> das Jahr<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 15


2014 von −0,1% bis 3,2% (vgl. Abbildung 8). 3<br />

Dieses Intervall beziffert die mit dem Basisszenario,<br />

dessen Rahmenbedingungen im nächsten Absatz<br />

beschrieben werden, verbundene Prognoseunsicherheit;<br />

es beinhaltet keine Extremrisiken (zum Beispiel<br />

eine erhebliche Verschärfung der Schulden- und<br />

Vertrauenskrise im Euroraum, vgl. dazu Abschnitt<br />

„Zu den Risiken“).<br />

Abbildung 8:<br />

Prognoseunsicherheit 1<br />

- Veränderung gegenüber Vorjahr in % -<br />

5,0<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

0,0<br />

-1,0<br />

-2,0<br />

2011 2012 <strong>2013</strong> 2014<br />

Bruttoinlandsprodukt<br />

Konfidenz 85% O<br />

Konfidenz 85% U<br />

Konfidenz 66% O<br />

Konfidenz 66% U<br />

IWH<br />

1<br />

Zur Berechnung werden die Prognosefehler der Vergangenheit herangezogen<br />

und Risikoszenarien ausgeblendet, d. h., die tatsächliche<br />

Prognoseunsicherheit unter Einbeziehung extremer Risiken ist höher<br />

als hier angegeben.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />

des IWH.<br />

In Ostdeutschland wird die gesamtwirtschaftliche<br />

Entwicklung wohl erheblich verhaltener als<br />

in Deutschland insgesamt verlaufen. Dämpfend wirken<br />

weiterhin die rückläufige Einwohnerzahl und<br />

die Ausrichtung der Produktion in Ostdeutschland<br />

auf Standardprodukte und Regionen in Euroraum. 4<br />

So erhält die Industrie seit geraumer Zeit deutlich<br />

weniger Aufträge, und die Konsolidierung der<br />

öffentlichen Haushalte belastet die Bereitstellung<br />

3 Das 66%-Prognoseintervall überlagert die Wachstumsrate<br />

mit einer Wahrscheinlichkeit von 66% – sofern das Basisszenario<br />

zutreffend ist. Zur Berechnung werden die Prognosefehler<br />

der an der Gemeinschaftsdiagnose beteiligten<br />

<strong>Institut</strong>e (ifo, IfW, IWH, RWI) aus der Vergangenheit<br />

herangezogen und Risikoszenarien ausgeblendet, d. h., die<br />

tatsächliche Prognoseunsicherheit unter Einbeziehung extremer<br />

Risiken ist höher als hier angegeben.<br />

4 Vgl. Ludwig, U.; Brautzsch, H.-U.; Loose, B.; Exß, F.:<br />

Ostdeutsche Wirtschaft im Jahr 2012: Im Sog der allgemeinen<br />

Abkühlung der <strong>Konjunktur</strong>, in: IWH, Wirtschaft im<br />

Wandel, Jg. 18 (8-9), 2012, 268 f.<br />

5,0<br />

4,0<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

0,0<br />

-1,0<br />

-2,0<br />

an staatlich finanzierten Dienstleistungen. Das Baugewerbe<br />

und der Handel stemmen sich zwar der<br />

Abwärtstendenz entgegen, ein Abrutschen der gesamtwirtschaftlichen<br />

Aktivität in den Minusbereich<br />

scheint hier im Jahr 2012 aber wahrscheinlich.<br />

Rahmenbedingungen <strong>für</strong> die Prognose<br />

Die im Jahr 2012 noch einmal expansiver ausgerichtete<br />

Geldpolitik der EZB verbesserte die monetären<br />

Bedingungen in Deutschland. Aufgrund der<br />

Divergenzen im europäischen Bankensystem können<br />

sich deutsche Banken weiterhin zu besseren<br />

Konditionen am Interbankenmarkt finanzieren als<br />

bei der EZB, auch wenn sich die Differenz aufgrund<br />

des Erreichens der Null-Grenze bei Interbankenmarktzinsen<br />

und gesunkenem Leitzins verringerte.<br />

So sind die Kreditzinsen <strong>für</strong> private Haushalte und<br />

nichtfinanzielle Unternehmen im Jahresverlauf 2012<br />

weiter gesunken. Allerdings haben sich die Kreditrichtlinien<br />

(insbesondere Beleihungsquoten) <strong>für</strong><br />

Wohnungsbaukredite der privaten Haushalte zuletzt<br />

verschärft und werden sich laut Bank Lending<br />

Survey weiter verschärfen. Während die Nachfrage<br />

nach Wohnungsbaukrediten weiterhin deutlich zunehmen<br />

dürfte, erwarten die Banken zum ersten<br />

Mal nach drei Jahren wieder einen Rückgang der<br />

Nachfrage nach Unternehmenskrediten. Die Umlaufsrenditen<br />

am Kapitalmarkt sind nach einem<br />

Rückgang in den ersten beiden Quartalen des Jahres<br />

2012 stabil auf historisch niedrigem Niveau. Der<br />

reale effektive Wechselkurs <strong>für</strong> Deutschland sank<br />

in der ersten Jahreshälfte und legte dann wieder<br />

leicht zu, sodass die deutsche Volkswirtschaft am<br />

Ende des Jahres 2012 preislich etwas wettbewerbsfähiger<br />

ist als zu Beginn des Jahres. Angesichts der<br />

sich verschärfenden Kreditrichtlinien, aber weiter<br />

sinkender Leitzinsen, werden sich die Finanzierungsbedingungen<br />

insgesamt im Jahr <strong>2013</strong> in Deutschland<br />

wenig ändern, wobei der Kapitalmarkt gegenüber<br />

der Kreditfinanzierung <strong>für</strong> Unternehmen an<br />

Bedeutung gewinnen dürfte, da sich hier die Leitzinssenkung<br />

auswirken dürfte und die Kapitalmärkte<br />

nicht von den zusätzlichen Restriktionen<br />

bei der Kreditvergabe durch Banken betroffen sind.<br />

Im Jahr 2014 werden die Finanzierungsbedingungen<br />

etwas restriktiver, da sich dann sowohl Leitzinserhöhungen<br />

und verschärfte Regulierung auswirken.<br />

Nach einer im Jahr 2012 nochmals restriktiv<br />

ausgerichteten Finanzpolitik wird die Haushaltskonsolidierung<br />

im Jahr <strong>2013</strong> zunächst nicht weiter<br />

fortgeführt und die Finanzpolitik schwenkt auf einen<br />

16<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


Tabelle 8:<br />

Änderung von Steuern, Sozialabgaben und Staatsausgaben durch diskretionäre Maßnahmen a<br />

- Haushaltsentlastungen (+) und Haushaltsbelastungen (−), in Mrd. Euro gegenüber 2011 -<br />

2012 <strong>2013</strong> 2014<br />

Alterseinkünftegesetz –0,8 –1,7 –2,3<br />

Steuervereinfachungsgesetz 2011 –0,8 –0,6 –0,6<br />

Rücknahme der Kürzung des Weihnachtsgeldes <strong>für</strong> Bundesbeamte –0,5 –0,5 –0,5<br />

Einführung eines Betreuungsgeldes –0,1 –0,5<br />

Änderungen bei der Kfz-Steuer –0,1 –0,3 –0,2<br />

Erhöhung der Tabaksteuer 0,3 0,5 0,6<br />

Einführung einer Kernbrennstoffsteuer 0,6 0,4 0,4<br />

Wegfall der Heizkostenkomponente beim Wohngeld 0,2 0,2 0,2<br />

Lkw-Maut auf Bundesstraßen 0,1 0,1<br />

Auslaufen der degressiven Abschreibung aus dem <strong>Konjunktur</strong>paket 1,8 4,0 4,0<br />

ältere Maßnahmen b 1,8 2,5 2,5<br />

Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt 1,7 2,0 2,0<br />

Einsparungen bei disponiblen Ausgaben 1,0 1,6 1,6<br />

diskretionäre Maßnahmen von Ländern und Gemeinden 0,5 1,0 1,5<br />

Eingriffe in die Rentenformel 3,7 5,8 6,0<br />

Erhöhung des gesetzlichen Beitragssatzes zur Krankenversicherung zum 01.01.2011<br />

von 14,9% auf 15,5%<br />

Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung zum 01.01.2012<br />

um 0,3 Prozentpunkte auf 19,6%<br />

Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung zum 01.01.<strong>2013</strong><br />

um 0,7 Prozentpunkte auf 18,9%<br />

Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung zum 01.01.<strong>2013</strong><br />

um 0,1 Prozentpunkte auf 2,05%<br />

0,2 0,3 0,4<br />

–2,7 –2,8 –2,9<br />

–6,8 –6,9<br />

1,1 1,2<br />

Anhebung der Minijobgrenze von 400 auf 450 Euro –0,3 –0,3<br />

Versorgungsstrukturgesetz –0,2 –0,3 –0,3<br />

Neuausrichtung der Pflegeversicherung –1,0 –1,2<br />

Abschaffung der Praxisgebühr –1,9 –1,9<br />

Umsetzung von EuGH-Urteilen zur Dividendenbesteuerung –1,5 –1,5<br />

Wegfall von Investitionsimpulsen aus den <strong>Konjunktur</strong>paketen 8,0 8,0 8,0<br />

insgesamt c 14,7 9,9 9,4<br />

nachrichtlich: d<br />

Gesetz zum Abbau der kalten Progression –1,9 –5,7<br />

Jahressteuergesetz <strong>2013</strong> –0,2 –0,2<br />

Vereinfachung Unternehmensbesteuerung und steuerliches Reisekostenrecht –0,2 –0,3<br />

Lebensleistungsrente –0,1 –0,3<br />

a Ohne makroökonomische Rückwirkungen; ohne Berücksichtigung der Stützungsmaßnahmen <strong>für</strong> Finanzinstitute und EWU-Mitgliedstaaten. –<br />

b Schrittweise Abschaffung der Eigenheimzulage, Aufschiebung des Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses, Jahressteuergesetz 2010. – c Differenzen<br />

durch Rundungsfehler. – d Die unter „nachrichtlich“ ausgewiesenen Positionen gehen nicht in die Prognose der öffentlichen Finanzen ein.<br />

Quellen: Bundesministerium der Finanzen; Berechnungen und Schätzungen des IWH.<br />

leicht expansiven Kurs ein (vgl. Tabelle 8). Belastungen<br />

ergeben sich <strong>für</strong> die öffentlichen Haushalte<br />

insbesondere aus der Absenkung des Beitragssatzes<br />

zur Rentenversicherung, der Leistungsausweitung<br />

<strong>für</strong> Demenzkranke im Rahmen der Neuausrichtung<br />

der Pflegeversicherung sowie durch die Abschaffung<br />

der Praxisgebühr. Der expansive fiskalische Impuls<br />

beläuft sich nach dieser Prognose auf 0,2% in Relation<br />

zum Bruttoinlandsprodukt. Im Jahr 2014 wird<br />

die Finanzpolitik bei gegebener Gesetzeslage konjunkturneutral<br />

ausgerichtet sein. Würden bis dahin<br />

jedoch, anders als in dieser Prognose unterstellt,<br />

die in der Tabelle nachrichtlich genannten weiteren<br />

Gesetzesvorhaben zur Entlastung von Unternehmen<br />

und privaten Haushalten umgesetzt, etwa das Gesetz<br />

zum Abbau der kalten Progression, ergäbe sich<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 17


im Jahr 2014 nochmals ein leicht expansiver finanzpolitischer<br />

Impuls. Dieser beliefe sich auf 0,2% in<br />

Relation zum Bruttoinlandsprodukt.<br />

Beschäftigungsaufbau vorerst ausgelaufen<br />

Die konjunkturelle Abschwächung macht sich mittlerweile<br />

auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar.<br />

Die Zahl der Erwerbstätigen stieg im dritten Quartal<br />

des Jahres 2012 mit 0,1% nur noch leicht. Auch<br />

die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nahm<br />

nur um 0,2% zu. 5 Die von den Erwerbstätigen<br />

durchschnittlich geleistete Arbeitszeit ging um 0,7%<br />

zurück. Dies ist darauf zurückzuführen, dass infolge<br />

der schwachen Produktionsentwicklung in den Unternehmen<br />

die bezahlten Mehrarbeitsstunden reduziert<br />

sowie die Arbeitszeitkonten abgeschmolzen wurden.<br />

6 Insgesamt sank das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen<br />

das zweite Quartal in Folge um 0,6%.<br />

Die registrierte Arbeitslosigkeit steigt seit dem<br />

zweiten Quartal des Jahres 2012 leicht an. Dass sich<br />

die Entwicklung der Arbeitslosigkeit nicht spiegelbildlich<br />

zur Beschäftigung entwickelt, ist zum einen<br />

durch den Anstieg des gesamtwirtschaftlichen<br />

Arbeitsangebots bedingt. Dies ist auf eine steigende<br />

Erwerbsbeteiligung vor allem von Älteren<br />

sowie die kräftige Zunahme der Nettozuwanderung<br />

(vgl. Kasten 3) zurückzuführen. 7 Zum anderen beeinflusst<br />

der Rückgang der arbeitsmarktpolitischen<br />

5 In welchem Umfang davon Vollzeit- bzw. Teilzeitbeschäftigte<br />

betroffen sind, kann zurzeit nicht exakt beurteilt werden.<br />

Infolge einer Statistikumstellung liegen <strong>aktuell</strong>e Daten<br />

zur Entwicklung der Zahl der sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten in der Unterteilung nach Voll- und Teilzeitbeschäftigten<br />

nur bis zum Berichtstermin Juni 2011 vor.<br />

Vgl. hierzu Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit: Beschäftigungsstatistik<br />

– Umstellung der Erhebungsinhalte bei den Merkmalen<br />

„ausgeübte Tätigkeit“ (Beruf), „Arbeitszeit“ und<br />

„Ausbildung“. Nürnberg, März 2012.<br />

6 Vgl. <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nürnberg:<br />

Wochenarbeitszeit wieder auf Vorkrisen-Niveau.<br />

Presseinformation des IAB vom 11.09.2012. Zu einer spürbaren<br />

Ausweitung der Kurzarbeit ist es bislang noch nicht<br />

gekommen. Die Zahl der Bezieher von konjunkturellem<br />

Kurzarbeitergeld lag im September des Jahres 2012 – neuere<br />

Daten liegen nicht vor – bei 58 000 Personen. Im Vorjahresmonat<br />

waren es 65 000 Personen. Im September 2012<br />

waren in den Anzeigen zur Kurzarbeit bei der Bundesagentur<br />

<strong>für</strong> Arbeit 47 000 Personen genannt. Im Vorjahresmonat<br />

waren es 24 000. Vgl. Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit:<br />

Arbeitsmarkt in Zahlen. Kurzarbeit – angezeigte Kurzarbeit<br />

– Kurzarbeitergeld. Online-Statistikangebot. Nürnberg,<br />

Oktober 2012.<br />

7 Vgl. Fuchs, J.; Hummel, M.; Hutter, C.; Klinger, S.; Vallé, J.;<br />

Weber, E.; Zapf, I.; Zika, G.: IAB-Prognose 2012/<strong>2013</strong>:<br />

Neue Herausforderungen <strong>für</strong> den deutschen Arbeitsmarkt,<br />

in: IAB-Kurzbericht, 14/2012, 7 f.<br />

Maßnahmen die Entwicklung der registrierten Arbeitslosigkeit.<br />

So wurden im dritten Quartal des<br />

Jahres 2012 knapp 140 000 Personen weniger gefördert<br />

als im Vorjahreszeitraum. 8<br />

Infolge der rückläufigen Produktionsentwicklung<br />

wird die Beschäftigung im vierten Quartal des<br />

Jahres 2012 leicht abnehmen. Die Zahl der offenen<br />

Stellen sank bereits im dritten Quartal 2012 deutlich.<br />

9 Die Leiharbeit, mit der die Unternehmen<br />

kurzfristig auf konjunkturelle Veränderungen reagieren,<br />

ist seit drei Quartalen rückläufig. Infolge des<br />

in einigen Bereichen spürbaren Fachkräftemangels<br />

werden die Unternehmen bestrebt sein, durch die<br />

verstärkte Flexibilisierung der Arbeitszeit ihren<br />

Fachkräftebestand über die konjunkturelle Schwächephase<br />

hinweg zu halten. Im Durchschnitt des<br />

Jahres 2012 wird die Zahl der Erwerbstätigen mit<br />

393 000 Personen bzw. 1,0% deutlich über dem<br />

Vorjahresquartal liegen. Im Jahresdurchschnitt werden<br />

76 000 Personen weniger arbeitslos registriert<br />

sein als im Vorjahr. 10<br />

Im Jahr <strong>2013</strong> wird die Arbeitsnachfrage schwach<br />

bleiben. Die Unternehmen werden die Ausweitung<br />

der Produktion zunächst durch Überstunden bzw.<br />

durch den Abbau von Kurzarbeit bewältigen, bevor<br />

sie zusätzliches Personal einstellen. Im Durchschnitt<br />

des Jahres <strong>2013</strong> dürften etwa 0,1% mehr<br />

Personen erwerbstätig sein als im Vorjahr (vgl.<br />

Abbildung 10). Im Jahr darauf dürfte die Beschäftigung<br />

mit 0,2% leicht steigen. Inwieweit sich dies<br />

auf die registrierte Arbeitslosigkeit auswirkt, hängt<br />

vor allem von der Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen<br />

Arbeitsangebots ab. Dabei sind zwei<br />

gegenläufige Entwicklungen zu beobachten: Einerseits<br />

dürfte auch im Jahr <strong>2013</strong> infolge der schlech-<br />

8 Zu diesen werden hier die Maßnahmen zur Förderung der<br />

Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sowie die Beschäftigung<br />

schaffenden Maßnahmen gezählt.<br />

9 Nach Angaben des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />

Nürnberg gab es im dritten Quartal des Jahres<br />

2012 ca. 56 000 bzw. 6,1% weniger Stellenangebote im ersten<br />

Arbeitsmarkt als vor einem Jahr. Vgl. <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmarkt-<br />

und Berufsforschung Nürnberg (IAB): IAB-Erhebung<br />

zum gesamtwirtschaftlichen Stellenangebot: Presseinformation<br />

des IAB vom 08.11.2012.<br />

10 Obwohl ab dem zweiten Quartal des Jahres 2012 die Zahl<br />

der registrierten Arbeitslosen saisonbereinigt zunimmt, liegt<br />

im Durchschnitt des Jahres 2012 die Arbeitslosenzahl unter<br />

dem Wert des Vorjahres. Die Ursache dieses statistischen<br />

Effekts liegt im höheren Niveau der Arbeitslosenzahl am<br />

Ende des Jahres 2011.<br />

18<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


Kasten 3:<br />

Zur <strong>aktuell</strong>en Entwicklung der Nettozuwanderung in Deutschland<br />

Seit dem Jahr 2010 nimmt die Nettozuwanderung a nach Deutschland sehr stark zu: Überstieg im Jahr 2010 die<br />

Zahl der Zuwanderer die der Auswanderer um 128 000 Personen, so waren es im Jahr 2011 schon 279 000 (vgl.<br />

Abbildung 9). b Im Jahr 2012 könnten es – sofern die Zuwachsrate des ersten Halbjahres auch im zweiten Halbjahr<br />

erreicht wird – sogar etwa 370 000 Personen sein. Ein so hoher Wert wurde zuletzt Mitte der 1990er Jahre<br />

erreicht. Bezogen auf 1 000 Einwohner würde dies einen Wanderungsgewinn von 4,6 Personen bedeuten.<br />

Abbildung 9:<br />

Wanderungssaldo zwischen Deutschland und dem Ausland im Zeitraum von 1991<br />

bis 2011 1<br />

1 000 Personen je 1 000 Einw ohner<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

- 100<br />

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

Deutsche Ausländer je 1 000 Einw ohner (rechte Skala)<br />

IWH<br />

1<br />

Wanderungssaldo (Zuzüge abzüglich Fortzüge) in 1 000 Personen (linke Skala) sowie Wanderungssaldo<br />

(in Personen) je 1 000 Einwohner (rechte Skala).<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit: Vorläufige Wanderungsergebnisse<br />

2011; Berechnungen und Darstellung des IWH.<br />

Die Ursachen <strong>für</strong> den<br />

starken Anstieg der Nettozuwanderung<br />

seit dem Jahr<br />

2010 unterscheiden sich<br />

erheblich von denen in den<br />

1990 Jahren. Damals resultierten<br />

die Wanderungsgewinne<br />

vor allem aus der<br />

Zunahme von (Spät-)Aussiedlern<br />

aus Mittel- und<br />

Osteuropa, Asylbewerbern<br />

und Bürgerkriegsflüchtlingen.<br />

c Einen relativ geringen<br />

Anteil hatten Arbeitsmigranten<br />

aus Mittel- und<br />

Osteuropa, die im Rahmen<br />

vertraglich geregelter<br />

Bestimmungen in Deutschland<br />

eine Beschäftigung<br />

aufnehmen konnten. d<br />

Der starke Anstieg der<br />

Nettozuwanderung seit<br />

dem Jahr 2010 wird hingegen<br />

stärker von der Arbeitsmigration<br />

getragen.<br />

Dabei spielen unter anderem<br />

zwei Prozesse eine große Rolle: das Auslaufen der Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit gegenüber<br />

acht mittel- und osteuropäischen EU-Staaten e ab dem 1. Mai 2011 sowie die wirtschaftliche Schwäche in den südeuropäischen<br />

Krisenländern Griechenland, Italien, Spanien und Portugal. Begünstigt durch die gute Arbeitsmarktlage<br />

in Deutschland nahm die Nettozuwanderung aus diesen Staaten deutlich zu (vgl. Tabelle 9). Hinzu kommt ein<br />

starker Wanderungsgewinn aus den Beitrittsländern Rumänien und Bulgarien, <strong>für</strong> die die Einschränkungen bei<br />

der Arbeitnehmerfreizügigkeit erst im Jahr 2014 wegfallen. Ein Grund <strong>für</strong> diesen starken Anstieg dürfte die<br />

schwere Krise in Spanien und Italien sein, die zu den traditionellen Migrationsländern <strong>für</strong> rumänische und bulgarische<br />

Bürger zählen. f Insgesamt entfallen fast vier Fünftel der Nettozuwanderung auf diese mittel- und osteuropäischen<br />

Beitrittsländer sowie die vier südeuropäischen Krisenländer.<br />

Bemerkenswert ist die günstige Altersstruktur der Nettowanderung: Im Jahr 2010 – neuere Daten liegen noch nicht<br />

vor – waren 86,9% der (Netto-)Zuwanderer im Alter von 18 bis 65 Jahren. g In Deutschland betrug im Jahr 2010<br />

der Anteil dieser Altersgruppe an der Bevölkerung 63,0%. h Betrachtet man nur die Zuwanderer, so zeigt sich folgendes<br />

Bild: Im Zeitraum von 1999 bis 2009 ist der Anteil der Zugewanderten im erwerbsfähigen Alter um etwa<br />

fünf Prozentpunkte gestiegen. i Im Schnitt waren die zwischen 1999 und 2009 zugewanderten Personen 32,9<br />

Jahre alt und damit mehr als zehn Jahre jünger als die Gesamtbevölkerung in Deutschland. j<br />

Die hohe Nettozuwanderung hat sich auch in der Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland niedergeschlagen. Der Anteil<br />

ausländischer Staatsbürger an der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat im Jahr 2011 deutlich<br />

zugenommen. Besonders kräftig stieg dabei die Zahl der Beschäftigten aus den wichtigsten Netto-Zuwanderungsländern<br />

(vgl. Tabelle 10). k Diese Entwicklung hat sich im Jahr 2012 fortgesetzt: So lag im September 2012<br />

die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den neuen EU-Staaten in Deutschland um etwa<br />

86 000 Personen und die aus den vier südeuropäischen Krisenländern um 29 000 über dem Wert im Vorjahresmonat.<br />

l Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den acht neuen EU-Staaten und den vier<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

-2<br />

-4<br />

-6<br />

-8<br />

-10<br />

-12<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 19


südeuropäischen Krisenstaaten an der Beschäftigung in Deutschland hat sich im Verlauf eines Jahres von 2,0%<br />

auf 2,4% erhöht.<br />

Tabelle 9:<br />

Nettozuwanderung nach Ländern<br />

2009 2010 2011<br />

1. Hj.<br />

2012<br />

2010 2011<br />

in 1 000 Personen Anteil in %<br />

Beitrittsländer (2004) 1 7 40 103 69 31,5 37,0 37,6<br />

südeuropäische Krisenländer 2 –12 9 39 30 7,4 13,9 16,4<br />

Rumänien/Bulgarien 21 41 58 44 32,4 20,9 24,4<br />

übrige Staaten –29 38 79 39 28,7 28,2 21,6<br />

insgesamt –13 128 279 182 100,0 100,0 100,0<br />

1<br />

Slowenien, Slowakei, Tschechien, Polen, Ungarn, Litauen, Lettland, Estland. – 2 Griechenland, Italien, Spanien, Portugal.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit: Vorläufige Wanderungsergebnisse 2011; Berechnungen<br />

des IWH.<br />

Tabelle 10:<br />

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit ausländischer Staatsangehörigkeit 1<br />

1. Hj.<br />

2012<br />

Staatsangehörigkeit<br />

2009 2010 2011 2009 2010 2011<br />

in 1 000 Personen Anteil in %<br />

Beitrittsländer (2004) 2 146 156 197 7,8 8,1 9,6<br />

Südeuropäische Krisenländer 3 340 344 361 18,1 17,8 17,5<br />

Rumänien/Bulgarien 49 56 71 2,6 2,9 3,4<br />

übrige Staaten 1 344 1 370 1 432 71,5 71,2 69,5<br />

insgesamt 1 879 1 925 2 061 100,0 100,0 100,0<br />

nachrichtlich:<br />

Anteil an den SV-pflichtig<br />

Beschäftigten insgesamt<br />

6,9 6,9 7,3<br />

1 Stichtag 30.06. des jeweiligen Jahres. – 2 Slowenien, Slowakei, Tschechien, Polen, Ungarn, Litauen, Lettland, Estland. – 3 Griechenland, Italien,<br />

Spanien, Portugal.<br />

Quellen: Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit: Beschäftigungsstatistik: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Staatsangehörigkeit<br />

und Geschlecht; Berechnungen des IWH.<br />

a Unter Nettozuwanderung wird der Saldo aus Zuzügen und Fortzügen verstanden. – b Hinter diesen Angaben zum Wanderungssaldo stehen<br />

große Ströme von Zuzügen und Fortzügen. So standen im Jahr 2011 958 000 Zuzügen etwa 679 000 Fortzüge gegenüber. Bemerkenswert ist<br />

auch, dass der größte Teil der Zuzüge (2010: 842 000) und der Fortzüge (2010: 539 000) auf Ausländer entfällt. – c Vgl. hierzu die ausführliche<br />

Darstellung bei Dietz, B.: Die Immigration aus Mittel- und Osteuropa nach Deutschland: Wanderungsdynamik, Integrationsmuster und<br />

politische Implikationen, in: R. Schomaker, C. Müller, A. Knorr (Hrsg.), Migration und Integration als wirtschaftliche und gesellschaftliche<br />

Ordnungsprobleme. Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft, Band 95, 26 ff. – d Ebenda, 24, 26 ff. – e Dies betrifft die mittel- und osteuropäischen<br />

Staaten Slowenien, Slowakei, Tschechien, Polen, Ungarn, Litauen, Lettland und Estland. – f Vgl. European Commission: Report<br />

from the Commission to the Council on the Functioning of the Transitional Arrangements on Free Movement of Workers from Bulgaria and<br />

Romania. SEC(2011) 1343. Brüssel, 11.11.2011, 5. – g Vgl. Statistisches Bundesamt: Fachserie 1, Reihe 1.2 (Wanderungen). – h Berechnet nach<br />

Statistisches Bundesamt: Fachserie 1, Reihe 1.3 (Bevölkerungsfortschreibung). – i Vgl. Geis, W.: Der Beitrag der Zuwanderung zur Fachkräftesicherung,<br />

in: IW-Trends, Jg. 39 (2), 2012, 6. – j Vgl. ebenda, 5. Vgl. hierbei auch die neueren Untersuchungen zur Qualifikationsstruktur<br />

der Zuwanderer von Geis, W., a. a. O., und Seibert, H.; Wapler, R.: Zuwanderung nach Deutschland: Aus dem Ausland kommen<br />

immer mehr Akademiker, in: IAB-Kurzbericht 21/2012, sowie Demary, M.; Erdmann, V.: Fachkräfteengpässe und Arbeitslosigkeit in Europa –<br />

Wanderung als kurzfristiger Ausgleichsmechanismus, in: IW-Trends, Jg. 39 (3), 2012. – k Diese Angaben unterschätzen das Ausmaß der<br />

Erwerbstätigkeit von ausländischen Staatsbürgern in Deutschland. Beispielsweise können diese auch einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen<br />

oder eine ausschließlich geringfügige Beschäftigung aufnehmen. – l Vgl. hierzu Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit: Auswirkungen der uneingeschränkten<br />

Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem 1. Mai auf den Arbeitsmarkt. Berichtsmonat: August 2012. Nürnberg, November 2012. –<br />

Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit: Auswirkungen der EU-Schuldenkrise auf den deutschen Arbeitsmarkt. Nürnberg, November 2012, 2.<br />

20<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


ten Arbeitsmarktlage in vielen Ländern der EU die<br />

Nettozuwanderung hoch bleiben. Andererseits<br />

schrumpft das Erwerbspersonenpotenzial aufgrund<br />

der demographischen Entwicklung erheblich. 11 Hinzu<br />

kommt, dass erneut weniger Personen durch arbeitsmarktpolitische<br />

Maßnahmen gefördert werden.<br />

Insgesamt dürfte die registrierte Arbeitslosigkeit<br />

um 109 000 Personen über dem Wert des Jahres<br />

2012 liegen. Im Jahr 2014 wird die Zahl der Arbeitslosen<br />

in etwa so hoch sein wie im Jahr zuvor. Die<br />

auf die Erwerbspersonen bezogene Arbeitslosenquote<br />

12 wird im Jahr 2012 6,5% betragen. Im Jahr<br />

<strong>2013</strong> sowie im Jahr darauf dürfte sie auf 6,7%<br />

steigen.<br />

Abbildung 10:<br />

Erwerbstätige<br />

- Inlandskonzept, saisonbereinigter Verlauf -<br />

Millionen Personen<br />

42,5<br />

42,0<br />

41,5<br />

41,0<br />

40,5<br />

40,0<br />

39,5<br />

39,0<br />

22<br />

233<br />

Prognosezeitraum<br />

-50<br />

-100<br />

I II<br />

2009<br />

III IV I II<br />

2010<br />

III IV I II<br />

2011<br />

III IV I II<br />

2012<br />

III IV I II<br />

<strong>2013</strong><br />

III IV<br />

Veränderung gegenüber Vorquartal in tausend Personen (rechte Skala)<br />

Millionen Personen<br />

Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)<br />

IWH<br />

1<br />

Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in tausend<br />

Personen.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />

des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose des IWH.<br />

Im dritten Quartal 2012 lag der Tariflohnanstieg<br />

bei 2,8% im Vergleich zum Vorjahr. Insbesondere<br />

die ausgehandelten kräftigen Lohnsteigerungen von<br />

über 4% bei mehreren Tarifabschlüssen dürften<br />

da<strong>für</strong> ursächlich sein. 13 Auch wurden in einigen Be-<br />

11 Vgl. Fuchs, J.; Hummel, M.; Hutter, C.; Klinger, S.; Vallé, J.;<br />

Weber, E.; Zapf, I.; Zika, G., a. a. O., 7.<br />

12 Dabei wird die Zahl der registrierten Arbeitslosen auf die<br />

Zahl der Erwerbstätigen, zu denen die registrierten Arbeitslosen<br />

und die Erwerbstätigen (Inland) gehören, bezogen.<br />

13 So lagen beispielsweise die Tariflohnabschlüsse <strong>für</strong> die<br />

Chemische Industrie bei 4,5%, bei der Deutschen Post AG<br />

bei 4,0% oder der Metall- und Elektroindustrie in Baden-<br />

Württemberg bei 4,3%.<br />

561<br />

393 23<br />

tausend Personen<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

reichen die unteren Lohngruppen überproportional<br />

angehoben beziehungsweise ganz abgeschafft. Bei<br />

Tarifverträgen, die mehr als ein Jahr laufen, fiel ein<br />

vereinbarter zweiter Stufenanstieg der Tariflöhne<br />

zumeist geringer aus als der Anstieg zu Beginn der<br />

Laufzeit des Tarifvertrages. Damit ist ein Teil des<br />

Tariflohnanstiegs, der bis zum Ende des Prognosezeitraums<br />

wirksam wird, bereits vorbestimmt. Die<br />

zuletzt abgeschlossenen Tarifverträge deuten zudem<br />

darauf hin, dass der Tariflohnanstieg wieder etwas<br />

zurückgehen könnte, da inzwischen auch wieder<br />

mehr Erhöhungen in der Größenordnung von 2%<br />

bis 3% vereinbart wurden. Insgesamt dürfte der<br />

Tariflohnanstieg im Jahr 2012 bei 2,6% liegen, im<br />

Jahr danach bei 2,7% und im Jahr 2014 bei 2,3%.<br />

Im dritten Quartal 2012 lag der monatliche Tariflohnanstieg<br />

erstmalig nach mehr als zwei Jahren<br />

über dem Effektivlohnanstieg je Arbeitnehmer.<br />

Gleichzeitig sank die geleistete Arbeitszeit. Dies<br />

dürfte zum Teil über einen Abbau von Zeitguthaben<br />

auf den Arbeitszeitkonten erfolgt sein, der auf den<br />

Effektivlohn je Arbeitnehmer keinen direkten Effekt<br />

hat, jedoch rechnerisch dazu führt, dass die Stundenlöhne<br />

zulegen. Die Verringerung der geleisteten<br />

Arbeitszeit je Beschäftigten dürfte noch bis in das<br />

erste Quartal des Jahres <strong>2013</strong> anhalten.<br />

Insgesamt wird der Anstieg der Löhne und Gehälter<br />

je Beschäftigten durch die konjunkturell bedingte<br />

geringere Arbeitsnachfrage vorübergehend<br />

etwas gedämpft, sodass sie im Jahr 2012 um 2,7%<br />

und in den beiden Jahren danach um 2,8% und um<br />

2,9% zulegen. Die sich damit ergebenden Stundenverdienste<br />

steigen im Jahr 2012 um 3,3% und im<br />

Jahr <strong>2013</strong> um 3,1%, die Lohnstückkostenbelastung<br />

der Produktion nimmt in diesen Jahren um 2,6%<br />

und um 1,8% zu. Im Jahr 2014 werden die Stundenlöhne<br />

wieder ähnlich schnell wie die Löhne je Beschäftigten<br />

zunehmen, die Lohnstückkosten steigen<br />

um 1,5%.<br />

Schwacher Euroraum bremst Exportwachstum<br />

Im dritten Quartal 2012 wurden in Deutschland<br />

Waren und Dienstleistungen im Wert von 327 Mrd.<br />

Euro ausgeführt. Gleichzeitig betrug der Wert der<br />

Importe 278 Mrd. Euro. Damit stiegen die Ausfuhren<br />

um 1,4% und die Einfuhren um 1,0% im Vergleich<br />

zum Vorquartal. Auch im Oktober stiegen die Ausfuhren<br />

um 0,3% im Vergleich zum Vormonat. Trotz<br />

der weiterhin angespannten Lage im Euroraum<br />

entwickelten sich die Exporte demnach unerwartet<br />

gut, bei gleichzeitig schwacher Entwicklung der<br />

inländischen Verwendung. Der Außenhandel trug<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 21


im dritten Quartal 0,3 Prozentpunkte zur gesamtwirtschaftlichen<br />

Produktionsausweitung bei, nach<br />

0,7 Prozentpunkten im Vorquartal. Er erweist sich<br />

somit weiterhin als wesentliche Stütze der deutschen<br />

<strong>Konjunktur</strong>. Die starke Zunahme der Exporte ist<br />

wohl auf die recht günstigen Entwicklungen des<br />

Wechselkurses und der Wettbewerbsfähigkeit der<br />

deutschen Wirtschaft zurückzuführen. Vor allem<br />

der Zuwachs von Warenlieferungen in die Länder<br />

außerhalb des Euroraums setzte sich robust fort.<br />

Insbesondere stiegen zuletzt die Ausfuhren in<br />

die USA, nach Großbritannien, und Japan stark an.<br />

Auch die Ausfuhren nach Russland und in die<br />

Länder des Nahen und Mittleren Ostens legten in<br />

den letzten Monaten stark zu. Innerhalb des Euroraums<br />

sanken die Warenlieferungen nach Frankreich,<br />

Italien, und Spanien im August hingegen stark.<br />

Für die nächsten Monate weisen die Auftragseingänge<br />

aus dem übrigen Euroraum nicht auf eine<br />

weitere Schwächung der Nachfrage hin. Der entsprechende<br />

Index (ohne sonstigen Fahrzeugbau) ist<br />

im Oktober sogar gestiegen. Die Auftragseingänge<br />

außerhalb der Eurozone entwickelten sich ebenfalls<br />

positiv.<br />

Im Prognosezeitraum werden die Exporte von<br />

der Schulden- und Vertrauenskrise und der Schwäche<br />

des Welthandels gedämpft. Im Jahr 2012 werden<br />

die Exporte voraussichtlich um 4,3% zunehmen,<br />

nach 7,8% im Vorjahr. Im Jahr <strong>2013</strong> dürften die<br />

Ausfuhren weiter unter der schwachen Nachfrage<br />

aus dem Euroraum und der schwachen Weltkonjunktur<br />

leiden. Auch aus der preislichen Wettbewerbsfähigkeit<br />

werden wohl keine stimulierenden<br />

Impulse zu erwarten sein. Somit werden die<br />

Ausfuhren im Jahr <strong>2013</strong> wohl um 4,0% zulegen<br />

und erst im Jahr 2014 wieder etwas an Schwung<br />

gewinnen (vgl. Abbildung 11).<br />

Die Importe expandierten in der ersten Jahreshälfte<br />

2012 deutlich schwächer als die Ausfuhren.<br />

Dies ist wohl vor allem der schwachen Entwicklung<br />

der Ausrüstungsinvestitionen geschuldet.<br />

In der zweiten Jahreshälfte 2012 wird sich diese<br />

Entwicklung vermutlich fortsetzen und erst im Jahr<br />

<strong>2013</strong> von den anziehenden Investitionen wieder<br />

stimuliert werden. Insgesamt ist von einem Zuwachs<br />

von 2,3% im Jahr 2012 und 3,7% im Jahr<br />

<strong>2013</strong> auszugehen. Für das Folgejahr 2014 wird<br />

eine erneute Beschleunigung bei den Importen erwartet,<br />

da sich sowohl die inländische Nachfrage<br />

als auch die Exporte wieder beleben dürften (vgl.<br />

Tabelle 11).<br />

Die Preise <strong>für</strong> Waren und Dienstleistungen werden<br />

im Zuge der Belebung des Welthandels wieder<br />

leicht zunehmen. Aufgrund der nur leicht steigenden<br />

Lohnstückkosten dürfte der Preisauftrieb bei<br />

den Ausfuhren im Prognosehorizont aber weiterhin<br />

moderat ausfallen. Angesichts der schwachen Entwicklung<br />

der Rohstoffpreise dürften die Importpreise<br />

ebenfalls nur leicht ansteigen. Nachdem die<br />

Terms of Trade im Jahr 2012 um voraussichtlich<br />

0,6% zurückgehen, werden sie sich in <strong>2013</strong> nur<br />

noch um 0,2%, bzw. um 0,4% im Jahr 2014 verschlechtern.<br />

Abbildung 11:<br />

Reale Exporte<br />

- saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf -<br />

Mrd. Euro<br />

360<br />

340<br />

320<br />

300<br />

280<br />

260<br />

240<br />

I<br />

-12,8<br />

13,7<br />

II<br />

2009<br />

III IV I II<br />

2010<br />

III IV I II<br />

2011<br />

III IV I II<br />

2012<br />

III IV I II<br />

<strong>2013</strong><br />

III<br />

Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)<br />

verkettete Volumenangaben (linke Skala)<br />

Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)<br />

IWH<br />

1<br />

Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />

des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose des IWH.<br />

Tabelle 11:<br />

Indikatoren zur Außenwirtschaft<br />

2012 <strong>2013</strong> 2014<br />

Veränderung gegenüber<br />

dem Vorjahr in %<br />

Exporte, real 4,3 4,0 5,6<br />

Importe, real 2,3 3,7 6,6<br />

% in Relation zum nominalen<br />

Bruttoinlandsprodukt<br />

Exporte, nominal 51,8 53,0 55,0<br />

Importe, nominal 46,0 46,9 49,4<br />

In Mrd. Euro, nominal<br />

Außenbeitrag 155,2 163,4 157,0<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Prognose des IWH.<br />

7,8<br />

4,3<br />

4,0<br />

Prognosezeitraum<br />

IV<br />

%<br />

12<br />

8<br />

4<br />

0<br />

-4<br />

-8<br />

-12<br />

22<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


Gespaltene Investitionskonjunktur löst sich erst<br />

im Verlauf des Jahres <strong>2013</strong> auf<br />

Die Unternehmen haben ihre Investitionen im<br />

Sommerhalbjahr 2012 kräftig zurückgeschraubt,<br />

insgesamt gaben sie gegenüber dem vorangegangenen<br />

Halbjahr um etwa 4% nach. Bei den Ausrüstungen<br />

fiel der Rückgang mit 5,4% besonders<br />

drastisch, bei den Wirtschaftsbauten mit 2,3% etwas<br />

moderater aus. Ausschlaggebend dürften die<br />

weltweite konjunkturelle Abschwächung und die<br />

von der Staatsschuldenkrise einiger Euro-Länder<br />

ausgehende Unsicherheit sein, die zu einer Investitionszurückhaltung<br />

der Unternehmen führte. Die<br />

Investitionen in Wohnbauten wurden dagegen zuletzt<br />

deutlich ausgeweitet. Sowohl die privaten Haushalte<br />

als auch die Wohnungsunternehmen und Kapitalanleger<br />

haben vermehrt in den Neubau und die<br />

Modernisierung von Wohnimmobilien investiert.<br />

Die Unternehmensinvestitionen dürften im bevorstehenden<br />

Winterhalbjahr angesichts der immer<br />

noch schwächelnden Weltkonjunktur zunächst rückläufig<br />

bleiben. Die Bestellungen von Investitionsgütern<br />

aus dem Inland sind am <strong>aktuell</strong>en Rand sogar<br />

stark zurückgegangen. Im Verarbeitenden Gewerbe<br />

ist die Kapazitätsauslastung in den letzten<br />

Quartalen deutlich gesunken; sie befindet sich inzwischen<br />

in allen Hauptgruppen unter dem langfristigen<br />

Durchschnitt, im Schnitt um etwa zwei<br />

Prozentpunkte. Auch hinsichtlich der über die Nachfrage<br />

erwarteten Kapazitätsauslastung in den nächsten<br />

Monaten spricht in allen Industriebranchen per<br />

Saldo eine eindeutige Mehrheit der Betriebe von<br />

ausreichenden technischen Kapazitäten. 14 Damit<br />

stehen nur dringend notwendige Ersatz- und Rationalisierungsinvestitionen<br />

auf der Tagungsordnung.<br />

Erst im späteren Verlauf des Jahres <strong>2013</strong> und bis in<br />

das Jahr 2014 hinein dürften sich mit der anziehenden<br />

Weltkonjunktur und den greifenden Reformund<br />

Konsolidierungsmaßnahmen im Euroraum die<br />

Absatz- und Gewinnaussichten deutlicher aufhellen.<br />

Die Zuversicht der Unternehmen in die Zukunft<br />

kehrt zurück und dürfte dann wieder vermehrt Investitionen<br />

in Ausrüstungen und Wirtschaftsbauten<br />

auslösen, zumal Investitionen zuvor zurückgestellt<br />

worden waren und die Finanzierungsbedingungen<br />

14 Die Salden der Betriebsmeldungen mit mehr als ausreichenden<br />

gegenüber denen mit nicht ausreichenden technischen<br />

Kapazitäten reichen laut ifo <strong>Konjunktur</strong>test von 12% im<br />

Ledergewerbe bis 54% in der Metallerzeugung und<br />

-bearbeitung. In den gewichtigen Branchen Maschinenbau,<br />

Kraftfahrzeugherstellung und Elektrotechnik liegt dieser<br />

Saldo bei einem Fünftel bis einem Viertel. Vgl. CESifo<br />

Gruppe: ifo <strong>Konjunktur</strong>perspektiven, 10/2012.<br />

bei niedrigen Zinsen und nur wenig verschlechterten<br />

Kreditbedingungen relativ gut bleiben. Die Ausrüstungsinvestitionen<br />

gehen nach dieser Prognose<br />

um 5,5% im Jahr 2012 und um 3% im Jahr darauf<br />

zurück (vgl. Abbildung 12), im Jahr 2014 ziehen<br />

sie dagegen mit knapp 5½% an. Der gewerbliche<br />

Bau profitiert zunächst noch von bereits eingeleiteten<br />

Baugenehmigungen, sodass die Rückgänge im<br />

Winterhalbjahr geringer ausfallen als bei den Ausrüstungen.<br />

Alles in allem sinken die Unternehmensinvestitionen<br />

im Jahr <strong>2013</strong> wohl um 1,9%<br />

nach 3,8% im Jahr zuvor. Im Jahr 2014 dürften sie<br />

um 4½% zunehmen (vgl. Tabelle 12 und Kasten 4).<br />

Abbildung 12:<br />

Reale Investitionen in Ausrüstungen<br />

- saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf -<br />

Mrd. Euro<br />

55<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

I<br />

-22,5<br />

10,3<br />

II<br />

2009<br />

III IV I II<br />

2010<br />

III IV I II<br />

2011<br />

III IV I II<br />

2012<br />

III IV I II<br />

<strong>2013</strong><br />

III<br />

Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)<br />

verkettete Volumenangaben (linke Skala)<br />

Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)<br />

IWH<br />

1<br />

Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />

des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose des IWH.<br />

Tabelle 12:<br />

Reale Anlageinvestitionen in Deutschland<br />

- Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % -<br />

2012 <strong>2013</strong> 2014<br />

Anlageinvestitionen insgesamt −2,4 0,3 3,6<br />

Ausrüstungen −5,5 −3,0 5,6<br />

sonstige Anlagen 3,0 4,0 5,0<br />

Bauinvestitionen insgesamt −0,8 2,0 2,2<br />

Wohnbauten 2,6 3,3 2,0<br />

Nichtwohnbauten insgesamt −5,1 0,2 2,6<br />

gewerbliche Bauten −2,1 −1,5 2,5<br />

öffentliche Bauten −12,1 4,5 2,7<br />

nachrichtlich:<br />

Unternehmensinvestitionen −3,8 −1,9 4,6<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Prognose des IWH.<br />

7,0<br />

-5,5<br />

-3,0<br />

Prognosezeitraum<br />

IV<br />

%<br />

10<br />

5<br />

0<br />

-5<br />

-10<br />

-15<br />

-20<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 23


Kasten 4:<br />

Sektorkonten<br />

Die Sektorkonten sind neben dem Input-Output-System und anderen mit dem Bruttoinlandsprodukt zusammenhängenden<br />

Rechnungen ein wesentlicher Teil der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR). Die Sektorkonten,<br />

die im Rahmen des Europäischen Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen 1995 (ESVG 95) a<br />

erstellt werden, stellen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und den Wirtschaftskreislauf getrennt nach den verschiedenen<br />

Sektoren Kapitalgesellschaften, Staat, Private Haushalte und private Organisationen sowie die übrige Welt<br />

dar: angefangen bei der Produktion, über die Einkommensentstehung, -verteilung, -umverteilung und -verwendung<br />

sowie letztlich der Änderungen von finanziellem und nichtfinanziellem Vermögen. Im Ergebnis zeigen die Sektorkonten<br />

die realwirtschaftliche (nichtfinanzielle) Entstehung des nominalen Finanzierungssaldos. Dieser stimmt mit<br />

dem Finanzierungssaldo aus dem finanziellen Kontensystem überein. b Der Finanzierungssaldo der Sektoren ist<br />

der Teil des Sparens der jeweiligen Sektoren in einer Periode, welcher um die Vermögenstransfers und die zur Bildung<br />

von Sachvermögen (Investitionen und Nettozugang an Land und anderem nichtproduzierten Sachvermögen)<br />

benötigten Finanzmittel bereinigt ist.<br />

Deutschland insgesamt wird im Jahr 2012 einen Finanzierungsüberschuss in Höhe von 182,6 Mrd. Euro aufweisen.<br />

Dieser korrespondiert mit dem Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands. Die Finanzierungsüberschüsse kommen<br />

dabei hauptsächlich von den privaten Haushalten und von den Kapitalgesellschaften. Der Staatshaushalt ist im<br />

Jahr 2012 in etwa ausgeglichen (vgl. Abbildungen 13 und 14).<br />

Ein wesentlicher Teil des deutschen Finanzierungsüberschusses lässt sich durch den Exportüberschuss erklären.<br />

Das Ausland verschuldet sich dadurch gegenüber Deutschland. Im Jahr <strong>2013</strong> wird der Finanzierungsüberschuss<br />

weiter steigen. Ursächlich da<strong>für</strong> dürften unter anderem die geringeren Bruttoinvestitionen der Kapitalgesellschaften<br />

sein. Auch wenn die Bruttoinvestitionen der privaten Haushalte (häufig Wohnbauinvestitionen) im Jahr <strong>2013</strong><br />

weiter steigen werden und der Staat etwas mehr als im Vorjahr investieren wird, so reicht dies jedoch nicht aus, um<br />

den Rückgang der Investitionen in Ausrüstungen zu kompensieren. Im Folgejahr investieren – mit anziehender<br />

<strong>Konjunktur</strong> – dann auch die Kapitalgesellschaften wieder kräftiger. Insgesamt sinkt dadurch der Finanzierungsüberschuss<br />

Deutschlands.<br />

Abbildung 13:<br />

Jährliche Beiträge der Sektoren zum nominellen<br />

Finanzierungssaldo Deutschlands<br />

- in Mrd. Euro -<br />

Abbildung 14:<br />

Jährliche Beiträge der Sektoren zu den nominellen<br />

Bruttoinvestitionen in Deutschland<br />

- in Mrd. Euro -<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

-50<br />

-100<br />

500<br />

450<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

-150<br />

1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 <strong>2013</strong><br />

Kapitalgesellschaften<br />

Private Haushalte u. priv. Organisationen<br />

Staat<br />

Finanzierungssaldo <strong>für</strong> die gesamte Volksw irtschaft<br />

0<br />

1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 <strong>2013</strong><br />

Kapitalgesellschaften<br />

Private Haushalte u. priv. Organisationen<br />

Staat<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung des IWH; ab 2012: Prognose des IWH.<br />

IWH<br />

a<br />

Vgl. auch Verordnung (EG) Nr. 1161/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2005 über die Erstellung von vierteljährlichen<br />

nichtfinanziellen Sektorkonten. – b Vgl. Deutsche Bundesbank: Ergebnisse der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung<br />

<strong>für</strong> Deutschland – 2006 bis 2011. Statistische Sonderveröffentlichung 4. Juni 2012. Frankfurt am Main.<br />

24<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


Die Wohnungsbauinvestitionen bleiben im Prognosezeitraum<br />

tendenziell aufwärtsgerichtet. Der<br />

Arbeitsmarkt ist stabil, die real verfügbaren Einkommen<br />

steigen, die Finanzierungsbedingungen<br />

bleiben angesichts außerordentlich niedriger Zinsen<br />

und nur wenig schärferer Kreditbedingungen immer<br />

noch gut. Zwar waren die Auftragseingänge und die<br />

Bauproduktion am <strong>aktuell</strong>en Rand rückläufig. Die<br />

Auftragsbestände sind aber immer noch hoch. Diese<br />

hohen Auftragsreserven und die weiter gestiegenen<br />

Baugenehmigungen dürften somit zu einer Ausweitung<br />

der Neubauinvestitionen führen, wenngleich<br />

eine tendenziell abnehmende Dynamik zu erwarten<br />

ist. So steigen die Baugenehmigungen der privaten<br />

Haushalte zuletzt etwas verhaltener, bei den Unternehmen<br />

konnte das im zweiten Quartal erreichte<br />

hohe Genehmigungsniveau nicht wieder erreicht<br />

werden. Zwar lassen die gestiegenen Angebotsmieten<br />

besonders in expandierenden Großstädten<br />

gute Vermarktungsaussichten erwarten, aber auch<br />

die Baukosten sind in den vergangenen zwei Jahren<br />

kräftig gestiegen und eine weitere Verteuerung ist<br />

mit der geplanten Energiesparverordnung im Neubau<br />

zu erwarten. Anregungen werden im Prognosezeitraum<br />

auch von Ausbau und Modernisierung<br />

des Wohnungsbestandes kommen. Hier dürften<br />

allerdings die überdurchschnittlich zunehmenden<br />

Preise <strong>für</strong> energetisch relevante Baumaterialien 15<br />

ebenfalls dämpfend wirken. Die Wohnungsbauinvestitionen<br />

steigen im Jahr <strong>2013</strong> um 3,3% nach<br />

2,6% im Jahr zuvor, im Jahr 2014 dürfte der Zuwachs<br />

bei etwa 2% liegen.<br />

Der öffentliche Bau hat sich nach der außergewöhnlichen<br />

Zäsur von knapp −13% im ersten<br />

Halbjahr 2012, die vor allem den ausgelaufenen<br />

<strong>Konjunktur</strong>paketen geschuldet sein dürfte, zuletzt<br />

wieder etwas erholt. Die Belebung dürfte sich angesichts<br />

der relativ entspannten Finanzlage der<br />

öffentlichen Haushalte im Prognosezeitraum fortsetzen,<br />

auch wenn die Zuwächse wegen der extrem<br />

divergierenden Finanzausstattung der Kommunen,<br />

die Hauptträger der Investitionen sind, eher moderat<br />

sein dürften. Die öffentlichen Bauinvestitionen<br />

sinken im Jahr 2012 vor allem aufgrund der Investitionsschwäche<br />

zu Jahresbeginn um gut 12%. Im<br />

Jahr <strong>2013</strong> zieht die Investitionstätigkeit mit 4½%<br />

und im Jahr darauf mit 3% aber wieder an. Die<br />

15 Vgl. Simons, H.: Energetische Sanierung von Ein- und<br />

Zweifamilienhäusern: Energetischer Zustand, Sanierungsfortschritte<br />

und politische Instrumente. Im Auftrag des Verbandes<br />

der Privaten Bausparkassen e. V. Empirica Forschung<br />

und Beratung. Berlin 2012, 4 und 59 ff.<br />

Bauinvestitionen insgesamt dürften nach einem<br />

Rückgang um 0,8% im Jahr 2012 in den beiden<br />

folgenden Jahren wieder um etwa 2% zulegen (vgl.<br />

Abbildung 15).<br />

Abbildung 15:<br />

Reale Bauinvestitionen<br />

- saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf -<br />

Mrd. Euro<br />

60<br />

58<br />

56<br />

54<br />

52<br />

50<br />

48<br />

I<br />

-3,2<br />

3,2<br />

5,8 -0,8<br />

II<br />

2009<br />

III IV I II<br />

2010<br />

III IV I II<br />

2011<br />

III IV I II<br />

2012<br />

III IV I II<br />

<strong>2013</strong><br />

III<br />

Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)<br />

verkettete Volumenangaben (linke Skala)<br />

Jahresdurchschnitt¹ (linke Skala)<br />

IWH<br />

1<br />

Ursprungswerte: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />

des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose des<br />

IWH.<br />

Privater Konsum schwächt sich vorübergehend ab<br />

Nach der Konsumschwäche zu Beginn des Jahres<br />

2012 kauften die privaten Haushalte im dritten<br />

Quartal wieder kräftiger ein. Insbesondere wurden<br />

langlebige Konsumgüter angeschafft. Dazu beigetragen<br />

haben dürften auch die recht hohen Einkommenszuwächse<br />

(vgl. Tabelle 13). So stiegen<br />

die Bruttolöhne und -gehälter in den beiden ersten<br />

Quartalen des Jahres recht kräftig an und auch im<br />

dritten Quartal gab es nochmals eine Zunahme bei<br />

der Lohnsumme. Die vergangenen Zuwächse resultierten<br />

aus einem Anstieg sowohl der Beschäftigung<br />

als auch der Effektivlöhne. Dieser Trend<br />

schwächt sich aufgrund der konjunkturellen Lage<br />

ab. Insgesamt werden die Bruttolöhne und -gehälter<br />

im Jahr 2012 um 3,7% steigen. Im Folgejahr wird<br />

der Zuwachs mit 2,8% aufgrund einer leicht sinkenden<br />

Beschäftigung geringer ausfallen und im<br />

Jahr 2014 dann wohl bei 3,1% liegen. Zum Anstieg<br />

der Nettolöhne trägt im Prognoszeitraum geringfügig<br />

auch die Verringerung des kumulierten Beitragssatzes<br />

zu den Sozialversicherungen bei.<br />

2,0<br />

Prognosezeitraum<br />

IV<br />

%<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

-2<br />

-4<br />

-6<br />

-8<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 25


Tabelle 13:<br />

Verfügbare Einkommen und Konsumausgaben der<br />

privaten Haushalte a in Deutschland<br />

- Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % -<br />

2012 <strong>2013</strong> 2014<br />

verfügbare Einkommen, nominal 2,1 2,1 2,9<br />

darunter:<br />

Nettolöhne und -gehälter<br />

(Summe)<br />

3,6 2,7 2,5<br />

monetäre Sozialleistungen 1,6 2,4 2,0<br />

Selbstständigen-, Vermögenseinkommen<br />

1,8 0,6 3,7<br />

Sparen 2,4 2,1 2,9<br />

private Konsumausgaben,<br />

nominal<br />

2,1 2,1 2,9<br />

nachrichtlich:<br />

Bruttolöhne und -gehälter 3,7 2,8 3,1<br />

(Summe)<br />

Sparquote (in %) 10,4 10,4 10,4<br />

Preisindex des privaten Konsums 1,6 1,7 1,8<br />

private Konsumausgaben, real 0,5 0,4 1,2<br />

a Einschließlich der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Prognose des IWH.<br />

Vor allem durch die Erhöhung der gesetzlichen<br />

Renten nahmen die monetären Sozialleistungen im<br />

dritten Quartal 2012 um 1,8% zu. Auch im Jahr<br />

<strong>2013</strong> ist nochmals von einer kräftigen Rentenerhöhung<br />

auszugehen. Zudem wird das Betreuungsgeld<br />

eingeführt. Dies beides und der Anstieg der<br />

Arbeitslosigkeit dürften im Jahr <strong>2013</strong> zu weiter steigenden<br />

Transfereinkommen führen. Im Jahr 2014<br />

werden diese dann wohl nicht mehr ganz so kräftig<br />

zulegen. Die Masseneinkommen werden im Jahr<br />

2012 um 3,0% und in den beiden folgenden Jahren<br />

um 2,6% und 2,3% zunehmen. Die Selbstständigenund<br />

Vermögenseinkommen steigen im Jahr 2012<br />

vergleichsweise geringfügig um 1,8%. Im Jahr <strong>2013</strong><br />

schwächt sich ihr Anstieg noch weiter ab und erst<br />

im Jahr 2014 werden sie wieder aufholen und dann<br />

schneller als die Masseneinkommen steigen.<br />

Alles in allem nehmen die verfügbaren Einkommen<br />

der privaten Haushalte voraussichtlich in<br />

den Jahren 2012 und <strong>2013</strong> jeweils um nominal 2,1%<br />

zu. Erst im Jahr 2014 gibt es wieder einen stärkeren<br />

Anstieg. Der Preisanstieg in den Jahren 2012 bis<br />

2014 dürfte jeweils niedriger sein, 16 sodass leichte<br />

16 Dieser Preisanstieg wird mit dem Konsumdeflator gemessen,<br />

der etwas niedriger als der Anstieg der Verbraucherpreise ist.<br />

Seit einigen Quartalen hat sich der Abstand zwischen dem<br />

Anstieg des Konsumdeflators und der Verbraucherpreise<br />

merklich vergrößert. Dies ist insbesondere auf statistische<br />

reale Einkommenszuwächsen zu erwarten sind. Die<br />

Sparquote, die bereits seit dem Jahr 2011 unverändert<br />

ist, wird wohl auch weiterhin annähernd konstant<br />

bleiben.<br />

Die im Oktober 2012 deutlich verringerten Einzelhandelsumsätze<br />

deuten darauf hin, dass die privaten<br />

Käufe im vierten Quartal des Jahres 2012<br />

niedriger als im dritten Quartal ausfallen werden.<br />

Allerdings sind die realen verfügbaren Einkommen<br />

bis zuletzt gestiegen. Auch deshalb dürften die privaten<br />

Haushalte in den ersten beiden Quartalen des<br />

Jahres <strong>2013</strong> wieder etwas mehr konsumieren. Mit<br />

den sich wieder verbessernden Arbeitsmarkt- und<br />

Einkommensaussichten ab Mitte des Jahres <strong>2013</strong><br />

dürften die privaten Käufe dann wieder stärker zulegen.<br />

Alles in allem werden die privaten Konsumausgaben<br />

im Jahr 2012 um 0,5%, im Jahr <strong>2013</strong> um<br />

0,4% und danach um 1,2% zunehmen. Damit tragen<br />

sie im Jahr 2012 und <strong>2013</strong> mit 0,3 bzw. 0,2 Prozentpunkten<br />

und im Folgejahr mit 0,7 Prozentpunkten<br />

zum Anstieg des Bruttoinlandprodukts bei (vgl.<br />

Abbildung 16).<br />

Abbildung 16:<br />

Reale Konsumausgaben der privaten Haushalte 1<br />

- saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf -<br />

Mrd. Euro<br />

354<br />

350<br />

346<br />

342<br />

338<br />

334<br />

330<br />

I<br />

0,1<br />

0,9<br />

1,7<br />

II<br />

2009<br />

III IV I II<br />

2010<br />

III IV I II<br />

2011<br />

III IV I II<br />

2012<br />

III IV I II<br />

<strong>2013</strong><br />

III<br />

Veränderung gegenüber Vorquartal (rechte Skala)<br />

verkettete Volumenangaben (linke Skala)<br />

Jahresdurchschnitt² (linke Skala)<br />

IWH<br />

1<br />

Einschließlich Organisationen ohne Erwerbszweck. – 2 Ursprungswerte:<br />

Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />

des IWH; ab 4. Quartal 2012: Prognose des<br />

IWH.<br />

Sondereffekte bei der indirekten Messung des Wertes von<br />

Finanzserviceleistungen (FISIM) zurückzuführen, bei der es<br />

aufgrund der Eurokrise zu Verzerrungen kommt. Dies wirkt<br />

sich auf den Konsumdeflator aus, der ohne die Preiseffekte<br />

der FISIM im dritten Quartal 2012 wohl um ca. 0,3 Prozentpunkte<br />

höher wäre.<br />

0,5<br />

0,4<br />

Prognosezeitraum<br />

IV<br />

%<br />

1,5<br />

1,0<br />

0,5<br />

0,0<br />

-0,5<br />

-1,0<br />

-1,5<br />

26<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


Energiewende lässt Preise steigen<br />

Nachdem sich die Inflation zu Beginn des Jahres<br />

2012 aufgrund der Preisanstiege bei Energie und<br />

Nahrungsmitteln kurzzeitig recht kräftigt beschleunigt<br />

hatte, ging im Sommerhalbjahr der Anstieg<br />

wieder etwas zurück. Im Oktober 2012 lag die Inflationsrate<br />

bei 2,0% im Vorjahresvergleich. Die<br />

Kernrate der Inflation (Anstieg der Verbraucherpreise<br />

ohne Preise <strong>für</strong> Energie und saisonabhängige<br />

Nahrungsmittel) hat dabei nur moderat zugelegt<br />

und lag bei 1,4%. Insgesamt werden die Preise im<br />

Jahr 2012 um 2,0% ansteigen. Dies ist nicht zuletzt<br />

darauf zurückzuführen, dass sich die Wohnungsmieten<br />

(einschließlich Mietwert von Eigentümerwohnungen),<br />

die ein Gewicht von etwa 20% im<br />

Verbraucherpreisindex haben, kaum verteuert haben.<br />

Sie stiegen im Jahr 2012 lediglich um 1,2% und<br />

liegen damit im langjährigen Mittel der Preisentwicklung<br />

bei den Wohnungsmieten. Etwaige Auswirkungen<br />

der Vermögenspreissteigerungen <strong>für</strong> (Wohn-)<br />

Immobilien auf die durchschnittlichen Mieten sind<br />

bislang nicht sichtbar. Im Prognosezeitraum dürften<br />

die Wohnungsmieten erst sehr langsam an Fahrt<br />

gewinnen, da Preiserhöhungen primär nur bei Neuvermietungen<br />

in bestimmten Regionen durchsetzbar<br />

sind und diese nur einen geringen Anteil des<br />

Gesamtbestandes der Wohnungen betreffen.<br />

Die Inflationsrate wird auch weiterhin deutlich<br />

durch die Preisentwicklung bei Energie bestimmt.<br />

So werden zu Beginn des Jahres <strong>2013</strong> aufgrund der<br />

um fast 50% erhöhten Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz<br />

(EEG-Umlage) 17 in Höhe<br />

von 5,277 Cent pro Kilowattstunde 18 die Preise <strong>für</strong><br />

elektrische Energie im Durchschnitt wohl um mehr<br />

als 10% steigen. Davon sind insbesondere die privaten<br />

Haushalte betroffen, da energieintensive Betriebe<br />

unter gewissen Voraussetzungen nur eine<br />

reduzierte EEG-Umlage zahlen müssen und zudem<br />

von niedrigen Preisen an der Strombörse infolge<br />

der Energiewende partizipieren können. 19 Auch<br />

dürften die Gaspreise von den Versorgern vielfach<br />

17 Vgl. dazu das Gesetz <strong>für</strong> den Vorrang Erneuerbarer Energien<br />

(Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) abrufbar unter<br />

http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/eeg_2009/<br />

gesamt.pdf.<br />

18 Vgl. dazu beispielsweise http://www.eeg-kwk.net/de/file/<br />

20121015_PM_EEG-Umlage.pdf.<br />

19 Vgl. auch Bundesministerium <strong>für</strong> Umwelt, Naturschutz und<br />

Reaktorsicherheit (BMU): Einfluss der Umwelt- und Klimapolitik<br />

auf die Energiekosten der Industrie – mit Fokus auf<br />

die EEG-Umlage. Berlin, März 2011.<br />

erhöht werden. Hinzu kommt der weitere Anstieg<br />

der Tabaksteuer.<br />

Die Preisentwicklung wird vom Auslastungsgrad<br />

der Produktion mit beeinflusst. Dieser verringert<br />

sich zum Jahreswechsel 2012/<strong>2013</strong> aufgrund<br />

der konjunkturellen Schwächephase und dürfte auf<br />

die Preise eher entlastend wirken. Dies zeigt sich<br />

auch in den kurzfristigen Inflationserwartungen. 20<br />

Alles in allem dürften die Verbraucherpreise<br />

unter der Annahme in etwa konstanter Ölpreise<br />

und eines stabilen Wechselkurses im Jahr <strong>2013</strong> um<br />

2,0% und im Jahr 2014 um 1,8% steigen.<br />

Öffentliche Finanzen: Staatshaushalt <strong>2013</strong><br />

wieder mit Defizit<br />

Im Jahr 2012 war der gesamtstaatliche Haushalt<br />

nahezu ausgeglichen. Auf der Einnahmeseite trugen<br />

hierzu insbesondere die Einkommen- und Vermögensteuern<br />

bei, die vor allem aufgrund deutlich steigender<br />

Bruttolöhne und -gehälter nochmals recht<br />

kräftig zulegten. Demzufolge erhöhten sich auch<br />

die Beiträge an die Sozialversicherungen spürbar,<br />

wenngleich hier die Senkung des Beitragssatzes zur<br />

gesetzlichen Rentenversicherung dämpfend wirkte.<br />

Der Haushaltsausgleich war jedoch nicht allein<br />

konjunkturbedingt. Nach offizieller Berechnung war<br />

der gesamtstaatliche Haushalt auch strukturell nahezu<br />

ausgeglichen. Die Staatsausgaben nahmen, nach<br />

einem Rückgang im Jahr 2011, wieder leicht zu.<br />

Dies gilt aufgrund des Auslaufens von Sparmaßnahmen<br />

im Gesundheitswesen insbesondere <strong>für</strong> die<br />

sozialen Sachleistungen und die sonstigen laufenden<br />

Transfers, die infolge höherer Abführungen an<br />

die Europäische Union deutlich ausgeweitet wurden.<br />

Dagegen gingen die Zinsausgaben aufgrund<br />

der günstigen Refinanzierungskonditionen insbesondere<br />

des Bundes deutlich zurück. Gleiches gilt,<br />

aufgrund sinkender Investitionszuschüsse an Unternehmen<br />

und der Abschaffung der Eigenheimzulage,<br />

<strong>für</strong> die geleisteten Vermögenstransfers. Bedingt<br />

durch das Auslaufen der <strong>Konjunktur</strong>pakete entwickelten<br />

sich auch die öffentlichen Investitionen<br />

rückläufig.<br />

Im Prognosezeitraum wird sich die Situation der<br />

öffentlichen Haushalte zunächst wieder etwas verschlechtern.<br />

Zwar werden auf der Einnahmeseite die<br />

hohen Lohnabschlüsse das Lohnsteueraufkommen<br />

20 Beispielsweise abgelesen an der Differenz der Renditen<br />

zwischen Bundesanleihen mit fixem Zinscoupon und der<br />

Rendite inflationsindexierter Bundesanleihen. Bloomberg,<br />

Market Data.<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 27


weiter steigern, jedoch kommt der Beschäftigungsaufbau<br />

im Jahr <strong>2013</strong> zum Stillstand. Bei den Sozialbeiträgen<br />

wirkt dann zusätzlich die deutliche Absenkung<br />

des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung<br />

einnahmemindernd. Die Gewinnsteuereinnahmen<br />

werden vor dem Hintergrund der<br />

nur schwach expandierenden Nachfrage nahezu stagnieren.<br />

Dagegen dürften die Zinseinnahmen und<br />

damit die Vermögenseinkommen des Staates wieder<br />

zulegen. Gleiches gilt, auch infolge von Gebührenerhöhungen<br />

vieler Kommunen, <strong>für</strong> die Verkäufe<br />

des Staates. Im Jahr 2014 legen die Staatseinnahmen<br />

wieder stärker zu. Dies ist im Wesentlichen auf die<br />

mit der zu erwartenden konjunkturellen Erholung<br />

stärker expandierenden Einnahmen aus Steuern und<br />

Sozialbeiträgen zurückzuführen. 21 Alles in allem<br />

werden die Staatseinnahmen im Jahr <strong>2013</strong> um 2%<br />

und damit deutlich schwächer zunehmen als in den<br />

beiden Jahren zuvor; im Jahr 2014 erhöhen sich die<br />

staatlichen Einnahmen um 3%.<br />

Die Staatsausgaben werden im Jahr <strong>2013</strong>, auch<br />

vor dem Hintergrund nachlassender Konsolidierungsbemühungen<br />

und einer expansiv ausgerichteten<br />

Finanzpolitik, stärker ausgeweitet als in den<br />

Vorjahren. So fallen etwa Mehrausgaben im Zuge<br />

der Neuausrichtung der Pflegeversicherung oder<br />

durch das neu eigeführte Betreuungsgeld an. Die<br />

monetären Sozialleistungen werden aber vor allem<br />

aufgrund deutlicher Rentenerhöhungen, insbesondere<br />

infolge kräftiger Lohnzuwächse in den vergangenen<br />

beiden Jahren, wieder stärker zulegen.<br />

Bei den Arbeitnehmerentgelten schlagen die kräftigen<br />

Gehaltssteigerungen der Beschäftigten von<br />

Bund und Kommunen zu Buche; zudem sind durch<br />

die im Laufe des Jahres <strong>2013</strong> anstehenden Tarifabschlüsse<br />

<strong>für</strong> die Landesbediensteten weitere Ausgabensteigerungen<br />

zu erwarten. Die Zinsausgaben<br />

des Staates werden im Jahr <strong>2013</strong> aufgrund des wieder<br />

stärker gestiegenen Schuldenstandes nur noch leicht<br />

sinken. Schließlich werden die öffentlichen Investitionen,<br />

die nach dem Auslaufen der <strong>Konjunktur</strong>pakete<br />

stark rückläufig waren, wieder ausgeweitet.<br />

Alles in allem werden sich die Ausgaben des Staates<br />

im Jahr <strong>2013</strong> um 2,8% erhöhen. Im folgenden Jahr<br />

fällt der Ausgabenanstieg etwas geringer aus. Nach<br />

einem nahezu ausgeglichenen Haushalt im Jahr<br />

2012 wird sich der Finanzierungssaldo des Staates<br />

im Jahr <strong>2013</strong> wieder leicht verschlechtern. Das<br />

Finanzierungsdefizit beläuft sich auf 0,3% in Relation<br />

zum nominalen Bruttoinlandsprodukt. Im Jahr<br />

2014 dürfte sich der negative Finanzierungssaldo<br />

etwas verringern. 22<br />

21 Sollten, anders als in dieser Prognose unterstellt, im Prognosezeitraum<br />

Maßnahmen zum Abbau der kalten Progression<br />

umgesetzt werden, würde dies die Steuereinnahmen mindern.<br />

22 In dieser Prognose wird unterstellt, dass ein zweiter Schuldenschnitt<br />

<strong>für</strong> Griechenland unausweichlich ist. Da derzeit<br />

aber nicht vorhersehbar ist, wann und in welcher Form ein<br />

Schuldenschnitt erfolgen wird, ist dieser in der Prognose<br />

der öffentlichen Finanzen nicht quantifiziert.<br />

28<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


Hauptaggregate der Sektoren<br />

- in Mrd. Euro -<br />

Gesamte<br />

Volkswirtschaft<br />

Kapitalgesellschaften<br />

Staat<br />

2011 2012 <strong>2013</strong> 2014<br />

Priv.<br />

Haushalte<br />

und priv.<br />

Organisationen<br />

o. E.<br />

übrige Welt<br />

Gesamte<br />

Volkswirtschaft<br />

Kapitalgesellschaften<br />

Staat<br />

1 = Bruttowertschöpfung 2 317,4 1 541,7 239,6 536,2 - 2 363,1 1 565,9 245,1 552,1 - 2 421,4 1 603,8 254,9 562,7 - 2 498,5 1 654,2 261,9 582,4 -<br />

2 – Abschreibungen 390,2 224,8 44,5 120,9 - 400,5 229,2 45,8 125,4 - 410,7 233,6 47,1 130,0 - 420,5 236,5 49,2 134,9 -<br />

3 = Nettowertschöpfung 1 1 927,2 1 316,9 195,1 415,2 - 131,7 1 962,6 1 336,6 199,2 426,8 - 155,2 2 010,7 1 370,3 207,8 432,7 - 163,4 2 077,9 1 417,6 212,8 447,5 - 157,0<br />

4 – Geleistete Arbeitnehmerentgelte 1 326,3 928,8 199,7 197,8 10,4 1 372,4 963,4 203,9 205,2 10,5 1 407,0 986,9 209,9 210,2 10,2 1 450,5 1 018,5 215,1 216,9 10,1<br />

5 – Geleistete sonstige Produktionsabgaben 17,7 8,7 0,1 9,0 - 18,9 9,3 0,1 9,6 - 18,0 8,8 0,1 9,1 - 18,1 8,9 0,1 9,2 -<br />

6 + Empfangene sonstige Subventionen 26,2 23,6 0,4 2,2 - 28,1 25,4 0,4 2,3 - 29,0 26,2 0,4 2,4 - 29,1 26,3 0,4 2,4 -<br />

7 = Betriebsüberschuss/Selbständigeneinkommen 609,4 403,1 - 4,3 210,6 - 142,0 599,4 389,5 - 4,4 214,3 - 165,7 614,7 400,7 - 1,8 215,7 - 173,6 638,4 416,6 - 2,0 223,8 - 167,2<br />

8 + Empfangene Arbeitnehmerentgelte 1 328,0 - - 1 328,0 8,7 1 374,3 - - 1 374,3 8,6 1 408,9 - - 1 408,9 8,3 1 452,4 - - 1 452,4 8,2<br />

9 – Geleistete Subventionen 26,9 - 26,9 - 5,7 28,2 - 28,2 - 5,6 29,3 - 29,3 - 5,6 29,4 - 29,4 - 5,6<br />

10 + Empfangene Produktions- und Importabgaben 292,9 - 292,9 - 6,3 300,1 - 300,1 - 6,6 306,2 - 306,2 - 6,9 310,2 - 310,2 - 8,9<br />

11 – Geleistete Vermögenseinkommen 872,2 755,2 65,9 51,2 192,6 872,7 757,5 63,2 52,0 194,0 892,2 777,1 62,7 52,4 188,8 927,9 809,2 64,3 54,4 185,6<br />

12 + Empfangene Vermögenseinkommen 919,5 476,0 27,3 416,3 145,3 926,8 477,8 25,2 423,8 139,9 943,4 491,3 25,7 426,4 137,6 983,2 515,0 25,9 442,3 130,2<br />

13 = Primäreinkommen (Nettonationaleinkommen) 2 250,7 123,8 223,2 1 903,7 - 180,0 2 299,6 109,8 229,5 1 960,4 - 210,1 2 351,6 114,9 238,1 1 998,6 - 215,2 2 426,9 122,4 240,4 2 064,1 - 211,0<br />

Priv.<br />

Haushalte<br />

und priv.<br />

Organisationen<br />

o. E.<br />

übrige Welt<br />

Gesamte<br />

Volkswirtschaft<br />

Kapitalgesellschaften<br />

Staat<br />

Priv.<br />

Haushalte<br />

und priv.<br />

Organisationen<br />

o. E.<br />

übrige Welt<br />

Gesamte<br />

Volkswirtschaft<br />

Kapitalgesellschaften<br />

Staat<br />

Priv.<br />

Haushalte<br />

und priv.<br />

Organisationen<br />

o. E.<br />

übrige Welt<br />

Geleistete Einkommen- und<br />

14 – Vermögensteuern 291,9 66,2 - 225,7 5,0 313,5 70,5 - 243,0 5,0 322,0 69,2 - 252,8 5,5 338,5 72,2 - 266,2 6,0<br />

Empfangene Einkommen- und<br />

15<br />

+ Vermögensteuern 296,6 - 296,6 - 0,3 318,2 - 318,2 - 0,3 327,2 - 327,2 - 0,3 344,2 - 344,2 - 0,3<br />

16 – Geleistete Sozialbeiträge 524,4 - - 524,4 2,9 536,6 - - 536,6 3,1 544,3 - - 544,3 3,2 559,2 - - 559,2 3,2<br />

17 + Empfangene Sozialbeiträge 525,4 87,9 436,9 0,6 1,9 537,8 90,0 447,2 0,6 1,9 545,5 92,2 452,8 0,6 1,9 560,4 94,7 465,1 0,6 1,9<br />

18 – Geleistete monetäre Sozialleistungen 479,3 53,3 425,4 0,6 0,4 486,9 54,2 432,1 0,6 0,4 498,4 55,8 442,0 0,6 0,4 508,2 56,9 450,7 0,6 0,4<br />

19 + Empfangene monetäre Sozialleistungen 473,2 - - 473,2 6,5 480,7 - - 480,7 6,6 492,1 - - 492,1 6,7 501,8 - - 501,8 6,8<br />

20 – Geleistete sonstige laufende Transfers 200,5 76,3 53,8 70,4 5,0 193,7 65,2 58,1 70,5 4,9 198,5 70,2 59,2 69,2 4,8 202,5 73,4 60,4 68,7 4,7<br />

21 + Empfangene sonstige laufende Transfers 166,8 76,1 17,0 73,7 38,7 167,9 76,5 17,3 74,1 30,8 169,7 76,7 17,6 75,5 33,6 172,9 76,7 17,9 78,3 34,3<br />

22 = Verfügbares Einkommen (Ausgabenkonzept) 2 216,6 92,1 494,4 1 630,1 - 145,9 2 273,4 86,4 522,0 1 665,0 - 184,0 2 323,0 88,5 534,5 1 699,9 - 186,5 2 397,9 91,4 556,5 1 750,1 - 182,0<br />

23 – Konsumausgaben 1 987,4 - 499,8 1 487,7 - 2 033,1 - 513,8 1 519,2 - 2 086,3 - 535,1 1 551,2 - 2 147,7 - 550,9 1 596,9 -<br />

24 + Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche - - 30,1 - 30,1 - - - 30,8 - 30,8 - - - 31,6 - 31,6 - - - 32,3 - 32,3 -<br />

25 = Sparen 229,2 61,9 - 5,4 172,6 - 145,9 240,4 55,6 8,2 176,7 - 184,0 236,7 56,9 - 0,6 180,3 - 186,5 250,2 59,0 5,6 185,5 - 182,0<br />

26 – Geleistete Vermögenstransfers 39,3 6,1 27,2 6,0 3,8 38,1 6,7 25,4 6,0 3,4 36,6 6,0 24,6 6,0 2,6 36,3 5,7 24,5 6,1 3,0<br />

27 + Empfangene Vermögenstransfers 38,3 16,0 9,7 12,6 4,7 37,1 16,2 9,8 11,0 4,4 35,7 16,3 9,9 9,5 3,5 35,3 16,4 10,0 9,0 4,0<br />

28 – Bruttoinvestitionen 473,5 267,6 42,7 163,2 - 456,9 245,7 39,5 171,7 - 460,8 236,7 41,7 182,4 - 488,7 254,4 43,4 190,9 -<br />

29 + Abschreibungen 390,2 224,8 44,5 120,9 - 400,5 229,2 45,8 125,4 - 410,7 233,6 47,1 130,0 - 420,5 236,5 49,2 134,9 -<br />

Nettozugang an nicht produzierten<br />

30<br />

– Vermögensgütern - 0,5 - 1,4 1,0 - - 0,5 - 1,4 1,0 - - 0,5 - 1,4 0,9 - - 0,5 - 1,4 0,9 -<br />

31 = Finanzierungssaldo 144,9 28,6 - 19,7 136,0 - 144,9 183,0 48,2 0,3 134,5 - 183,0 185,6 63,6 - 8,5 130,5 - 185,6 181,1 51,4 - 1,7 131,4 - 181,1<br />

nachrichtlich: - - - - -<br />

32 Verfügbares Einkommen (Ausgabenkonzept) 2 216,6 92,1 494,4 1 630,1 - 145,9 2 273,4 86,4 522,0 1 665,0 - 184,0 2 323,0 88,5 534,5 1 699,9 - 186,5 2 397,9 91,4 556,5 1 750,1 - 182,0<br />

33 – Geleistete soziale Sachtransfers 319,0 - 319,0 - - 327,7 - 327,7 - - 341,1 - 341,1 - - 351,9 - 351,9 - -<br />

34 + Empfangene soziale Sachtransfers 319,0 - - 319,0 - 327,7 - - 327,7 - 341,1 - - 341,1 - 351,9 - - 351,9 -<br />

35 = Verfügbares Einkommen (Verbrauchskonzept) 2 216,6 92,1 175,4 1 949,1 - 145,9 2 273,4 86,4 194,3 1 992,7 - 184,0 2 323,0 88,5 193,5 2 041,0 - 186,5 2 397,9 91,4 204,6 2 101,9 - 182,0<br />

36 – Konsum 2 1 987,4 - 180,8 1 806,7 - 2 033,1 - 186,2 1 846,9 - 2 086,3 - 194,0 1 892,3 - 2 147,7 - 199,0 1 948,7 -<br />

37 + Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche - - 30,1 - 30,1 - - - 30,8 - 30,8 - - - 31,6 - 31,6 - - - 32,3 - 32,3 -<br />

38 = Sparen 229,2 62,0 - 5,4 172,6 - 145,9 240,4 55,6 8,2 176,7 - 184,0 236,7 56,9 - 0,6 180,3 - 186,5 250,2 59,0 5,6 185,5 - 182,0<br />

nachrichtlich: Saldo d. lfd. Transfers - 34,1 - 31,8 271,2 - 273,5 34,1 - 26,2 - 23,4 292,5 - 295,3 26,2 - 28,7 - 26,4 296,4 - 298,7 28,7 - 29,0 - 31,0 316,1 - 314,0 29,0<br />

Für den Sektor übrige Welt Importe abzüglich Exporte aus der bzw. an die übrige(n) Welt. – 2 Für den Sektor Staat Kollektivkonsum, <strong>für</strong> den Sektor private Haushalte, private Organisationen ohne Erwerbszweck<br />

Individualkonsum (einschließlich Konsumausgaben des Staates <strong>für</strong> den Individualverbrauch, d. h. einschließlich sozialer Sachtransfers).<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Jahreswerte 2012, <strong>2013</strong> und 2014: Prognose des IWH.<br />

1<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 29


Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung <strong>für</strong> Deutschland<br />

Vorausschätzung <strong>für</strong> die Jahre 2012 bis 2014<br />

2011 2012 <strong>2013</strong> 2014 2012 <strong>2013</strong><br />

1. Hj. 2. Hj. 1. Hj. 2. Hj.<br />

1. Entstehung des Inlandsproduktes<br />

Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr<br />

Erwerbstätige 1,4 1,0 0,1 0,2 1,2 0,7 0,1 0,0<br />

Arbeitsvolumen 1,4 0,4 - 0,3 0,3 1,3 - 0,5 - 1,0 0,4<br />

Arbeitsstunden je Erwerbstätige 0,0 - 0,6 - 0,4 0,1 0,1 - 1,2 - 1,1 0,4<br />

Produktivität 1 1,6 0,4 1,0 1,2 - 0,2 0,9 1,2 0,9<br />

Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt 3,0 0,8 0,7 1,5 1,1 0,4 0,2 1,2<br />

2. Verwendung des Inlandsproduktes in jeweiligen Preisen<br />

a) in Mrd. Euro<br />

Konsumausgaben 1 987,4 2 033,1 2 086,3 2 147,7 992,0 1 041,0 1 013,3 1 073,0<br />

Private Haushalte 2 1 487,7 1 519,2 1 551,2 1 596,9 742,1 777,1 754,2 797,0<br />

Staat 499,8 513,8 535,1 550,9 249,9 263,9 259,0 276,1<br />

Anlageinvestitionen 469,9 465,0 471,7 495,2 224,2 240,8 222,6 249,1<br />

Ausrüstungen 183,2 173,5 168,0 177,9 85,8 87,6 79,2 88,8<br />

Bauten 258,1 262,4 273,5 285,7 124,4 138,0 128,9 144,6<br />

Sonstige Anlageinvestitionen 28,5 29,1 30,2 31,6 14,0 15,2 14,5 15,7<br />

Vorratsveränderung 3 3,7 - 8,1 - 10,9 - 6,5 5,1 - 13,2 1,6 - 12,5<br />

Inländische Verwendung 2 460,9 2 490,0 2 547,1 2 636,4 1 221,4 1 268,6 1 237,5 1 309,6<br />

Außenbeitrag 131,7 155,2 163,4 157,0 78,5 76,8 87,9 75,5<br />

Exporte 1 300,8 1 371,3 1 435,9 1 536,6 675,3 696,0 705,4 730,5<br />

Importe 1 169,2 1 216,1 1 272,5 1 379,5 596,8 619,3 617,5 655,0<br />

Bruttoinlandsprodukt 2 592,6 2 645,2 2 710,5 2 793,4 1 299,9 1 345,3 1 325,4 1 385,1<br />

b) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr<br />

Konsumausgaben 3,5 2,3 2,6 2,9 2,7 2,0 2,1 3,1<br />

Private Haushalte 2 3,8 2,1 2,1 2,9 2,6 1,7 1,6 2,6<br />

Staat 2,5 2,8 4,1 2,9 2,8 2,8 3,7 4,6<br />

Anlageinvestitionen 7,9 - 1,0 1,4 5,0 0,6 - 2,5 - 0,7 3,5<br />

Ausrüstungen 7,3 - 5,3 - 3,2 5,9 - 1,1 - 9,1 - 7,7 1,3<br />

Bauten 9,0 1,7 4,3 4,5 1,7 1,6 3,6 4,8<br />

Sonstige Anlageinvestitionen 3,3 2,1 3,5 4,6 2,4 1,8 3,5 3,5<br />

Inländische Verwendung 4,4 1,2 2,3 3,5 1,8 0,6 1,3 3,2<br />

Exporte 10,9 5,4 4,7 7,0 5,5 5,3 4,5 5,0<br />

Importe 13,0 4,0 4,6 8,4 4,9 3,2 3,5 5,8<br />

Bruttoinlandsprodukt 3,9 2,0 2,5 3,1 2,3 1,8 2,0 3,0<br />

3. Verwendung des Inlandsproduktes, verkettete Volumenangaben (Referenzjahr 2005)<br />

a) in Mrd. Euro<br />

Konsumausgaben 1 837,6 1 850,0 1 861,6 1 882,7 909,0 940,9 911,4 950,3<br />

Private Haushalte 2 1 371,3 1 378,7 1 384,3 1 400,4 675,4 703,3 675,1 709,3<br />

Staat 466,2 471,2 477,2 482,2 233,6 237,6 236,3 241,0<br />

Anlageinvestitionen 438,8 428,3 429,4 445,0 206,2 222,1 202,4 226,9<br />

Ausrüstungen 187,1 176,7 171,4 181,1 86,6 90,1 80,1 91,3<br />

Bauten 219,3 217,7 222,0 226,9 103,7 114,0 105,2 116,8<br />

Sonstige Anlageinvestitionen 31,5 32,5 33,8 35,5 15,4 17,1 16,0 17,7<br />

Inländische Verwendung 2 292,9 2 284,0 2 293,3 2 333,5 1 128,6 1 155,5 1 123,7 1 169,6<br />

Exporte 1 233,6 1 286,3 1 337,1 1 412,2 634,8 651,5 659,4 677,7<br />

Importe 1 074,8 1 099,1 1 139,9 1 214,7 537,9 561,2 554,4 585,6<br />

Bruttoinlandsprodukt 2 451,5 2 470,2 2 488,0 2 526,4 1 225,1 1 245,1 1 227,6 1 260,4<br />

b) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr<br />

Konsumausgaben 1,5 0,7 0,6 1,1 1,0 0,3 0,3 1,0<br />

Private Haushalte 2 1,7 0,5 0,4 1,2 0,9 0,1 - 0,1 0,9<br />

Staat 1,0 1,1 1,3 1,1 1,2 0,9 1,1 1,4<br />

Anlageinvestitionen 6,2 - 2,4 0,3 3,6 - 0,8 - 3,8 - 1,8 2,2<br />

Ausrüstungen 7,0 - 5,5 - 3,0 5,6 - 1,4 - 9,2 - 7,6 1,4<br />

Bauten 5,8 - 0,8 2,0 2,2 - 0,9 - 0,6 1,5 2,5<br />

Sonstige Anlageinvestitionen 3,9 3,0 4,0 5,0 3,2 2,8 4,1 3,9<br />

Inländische Verwendung 2,6 - 0,4 0,4 1,8 0,2 - 1,0 - 0,4 1,2<br />

Exporte 7,8 4,3 4,0 5,6 4,2 4,3 3,9 4,0<br />

Importe 7,4 2,3 3,7 6,6 2,8 1,7 3,1 4,3<br />

Bruttoinlandsprodukt 3,0 0,8 0,7 1,5 1,1 0,4 0,2 1,2<br />

30<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


noch: Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung <strong>für</strong> Deutschland<br />

Vorausschätzung <strong>für</strong> die Jahre 2012 bis 2014<br />

2011 2012 <strong>2013</strong> 2014 2012 <strong>2013</strong><br />

1. Hj. 2. Hj. 1. Hj. 2. Hj.<br />

4. Preisniveau der Verwendungsseite des Inlandsproduktes (2005 = 100)<br />

Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr<br />

Private Konsumausgaben 2 2,1 1,6 1,7 1,8 1,6 1,5 1,7 1,7<br />

Konsumausgaben des Staates 1,5 1,7 2,8 1,9 1,6 1,9 2,5 3,1<br />

Anlageinvestitionen 1,7 1,4 1,2 1,3 1,5 1,3 1,1 1,2<br />

Ausrüstungen 0,3 0,2 - 0,2 0,2 0,2 0,2 - 0,1 - 0,1<br />

Bauten 3,0 2,4 2,2 2,2 2,6 2,2 2,1 2,3<br />

Exporte 2,8 1,1 0,7 1,3 1,2 1,0 0,6 0,9<br />

Importe 5,2 1,7 0,9 1,7 2,0 1,4 0,4 1,4<br />

Bruttoinlandsprodukt 0,8 1,3 1,7 1,5 1,2 1,3 1,8 1,7<br />

5. Einkommensentstehung und -verteilung<br />

a) in Mrd. Euro<br />

Primäreinkommen der privaten Haushalte 2 1 903,7 1 960,4 1 998,6 2 064,1 967,7 992,7 982,1 1 016,5<br />

Sozialbeiträge der Arbeitgeber 244,1 249,9 253,3 261,0 121,2 128,7 123,0 130,3<br />

Bruttolöhne und -gehälter 1 083,9 1 124,3 1 155,7 1 191,4 537,1 587,2 552,0 603,7<br />

Übrige Primäreinkommen 4 575,7 586,1 589,7 611,7 309,4 276,7 307,1 282,6<br />

Primäreinkommen der übrigen<br />

Sektoren 347,0 339,3 353,0 362,8 150,9 188,4 154,3 198,7<br />

Nettonationaleinkommen<br />

(Primäreinkommen) 2 250,7 2 299,6 2 351,6 2 426,9 1 118,6 1 181,0 1 136,4 1 215,2<br />

Abschreibungen 390,2 400,5 410,7 420,5 199,4 201,1 204,6 206,1<br />

Bruttonationaleinkommen 2 640,9 2 700,1 2 762,3 2 847,4 1 318,0 1 382,1 1 341,0 1 421,3<br />

nachrichtlich:<br />

Volkseinkommen 1 984,6 2 027,7 2 074,7 2 146,1 982,4 1 045,3 998,2 1 076,5<br />

Unternehmens- und Vermögenseinkommen 656,7 653,4 665,8 693,7 324,1 329,4 323,2 342,6<br />

Arbeitnehmerentgelt 1 328,0 1 374,3 1 408,9 1 452,4 658,3 715,9 675,0 733,9<br />

b) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr<br />

Primäreinkommen der privaten Haushalte 2 4,5 3,0 2,0 3,3 3,6 2,3 1,5 2,4<br />

Sozialbeiträge der Arbeitgeber 3,0 2,4 1,3 3,1 2,5 2,3 1,5 1,2<br />

Bruttolöhne und -gehälter 4,8 3,7 2,8 3,1 4,0 3,5 2,8 2,8<br />

Bruttolöhne und -gehälter je Beschäftigten 3,4 2,7 2,8 2,8 2,7 2,7 2,7 2,8<br />

Übrige Primäreinkommen 4 4,5 1,8 0,6 3,7 3,4 0,0 - 0,7 2,1<br />

Primäreinkommen der übrigen Sektoren 0,5 - 2,2 4,1 2,8 - 1,3 - 3,0 2,3 5,5<br />

Nettonationaleinkommen<br />

(Primäreinkommen) 3,9 2,2 2,3 3,2 2,9 1,5 1,6 2,9<br />

Abschreibungen 2,8 2,6 2,5 2,4 2,5 2,8 2,6 2,5<br />

Bruttonationaleinkommen 3,7 2,2 2,3 3,1 2,9 1,7 1,7 2,8<br />

nachrichtlich:<br />

Volkseinkommen 3,4 2,2 2,3 3,4 3,0 1,4 1,6 3,0<br />

Unternehmens- und Vermögenseinkommen 1,3 - 0,5 1,9 4,2 1,4 - 2,3 - 0,3 4,0<br />

Arbeitnehmerentgelt 4,5 3,5 2,5 3,1 3,7 3,3 2,5 2,5<br />

6. Einkommen und Einkommensverwendung der privaten Haushalte 2<br />

a) in Mrd. Euro<br />

Masseneinkommen 1 109,8 1 142,8 1 172,7 1 199,9 549,2 593,5 564,4 608,3<br />

Nettolöhne und -gehälter 725,8 751,9 772,5 791,8 354,8 397,1 364,9 407,5<br />

Monetäre Sozialleistungen 473,2 480,7 492,1 501,8 239,0 241,6 245,3 246,7<br />

abz. Abgaben auf soziale Leistungen,<br />

verbrauchsnahe Steuern 89,2 89,8 91,8 93,8 44,6 45,2 45,8 46,0<br />

Übrige Primäreinkommen 4 575,7 586,1 589,7 611,7 309,4 276,7 307,1 282,6<br />

Sonstige Transfers (Saldo) 5 - 55,4 - 63,8 - 62,5 - 61,5 - 31,8 - 32,0 - 31,0 - 31,5<br />

Verfügbares Einkommen 1 630,1 1 665,0 1 699,9 1 750,1 826,8 838,2 840,6 859,4<br />

Zunahme betrieblicher<br />

Versorgungsansprüche 30,1 30,8 31,6 32,3 15,2 15,6 15,6 16,0<br />

Konsumausgaben 1 487,7 1 519,2 1 551,2 1 596,9 742,1 777,1 754,2 797,0<br />

Sparen 172,6 176,7 180,3 185,5 99,9 76,8 102,0 78,4<br />

Sparquote (%) 6 10,4 10,4 10,4 10,4 11,9 9,0 11,9 9,0<br />

b) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr<br />

Masseneinkommen 2,3 3,0 2,6 2,3 2,7 3,2 2,8 2,5<br />

Nettolöhne und -gehälter 4,0 3,6 2,7 2,5 3,7 3,5 2,9 2,6<br />

Monetäre Sozialleistungen - 0,7 1,6 2,4 2,0 0,6 2,5 2,6 2,1<br />

abz. Abgaben auf soziale Leistungen,<br />

verbrauchsnahe Steuern 0,0 0,7 2,3 2,2 - 0,6 1,9 2,7 1,8<br />

Übrige Primäreinkommen 4 4,5 1,8 0,6 3,7 3,4 0,0 - 0,7 2,1<br />

Verfügbares Einkommen 3,2 2,1 2,1 2,9 2,6 1,7 1,7 2,5<br />

Konsumausgaben 3,8 2,1 2,1 2,9 2,6 1,7 1,6 2,6<br />

Sparen - 1,2 2,4 2,1 2,9 2,8 1,9 2,1 2,1<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 31


noch: Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung <strong>für</strong> Deutschland<br />

Vorausschätzung <strong>für</strong> die Jahre 2012 bis 2014<br />

2011 2012 <strong>2013</strong> 2014 2012 <strong>2013</strong><br />

1. Hj. 2. Hj. 1. Hj. 2. Hj.<br />

7. Einnahmen und Ausgaben des Staates 7<br />

a) in Mrd. Euro<br />

Einnahmen<br />

Steuern 589,5 618,3 633,4 654,3 309,9 308,4 318,1 315,4<br />

Sozialbeiträge 436,9 447,2 452,8 465,1 217,6 229,7 220,4 232,4<br />

Vermögenseinkommen 27,3 25,2 25,7 25,9 12,0 13,2 12,3 13,4<br />

Sonstige Transfers 17,0 17,3 17,6 17,9 7,7 9,6 7,8 9,7<br />

Vermögenstransfers 9,7 9,8 9,9 10,0 4,6 5,2 4,6 5,3<br />

Verkäufe 74,1 74,6 77,2 79,7 35,4 39,2 36,6 40,6<br />

Sonstige Subventionen 0,4 0,4 0,4 0,4 0,1 0,2 0,2 0,2<br />

insgesamt 1 154,9 1 192,7 1 216,8 1 253,3 587,3 605,4 599,9 616,9<br />

Ausgaben<br />

Vorleistungen 8 334,3 343,4 357,4 368,7 166,3 177,2 173,4 184,0<br />

Arbeitnehmerentgelt 199,7 203,9 209,9 215,1 97,9 106,0 100,8 109,1<br />

Vermögenseinkommen (Zinsen) 65,9 63,2 62,7 64,3 31,5 31,8 31,0 31,7<br />

Subventionen 26,9 28,2 29,3 29,4 11,7 16,5 12,7 16,6<br />

Monetäre Sozialleistungen 425,4 432,1 442,0 450,7 215,1 217,0 220,6 221,4<br />

Sonstige laufende Transfers 53,8 58,1 59,2 60,4 31,2 26,9 31,7 27,5<br />

Vermögenstransfers 27,2 25,4 24,6 24,5 9,6 15,8 9,2 15,4<br />

Bruttoinvestitionen 42,7 39,5 41,7 43,4 16,8 22,8 17,5 24,2<br />

Nettozugang an nichtprod. Vermögensgütern - 1,4 - 1,4 - 1,4 - 1,4 - 0,7 - 0,8 - 0,7 - 0,8<br />

insgesamt 1 174,5 1 192,4 1 225,3 1 255,0 579,3 613,1 596,3 629,0<br />

Finanzierungssaldo - 19,7 0,3 - 8,5 - 1,7 8,0 - 7,7 3,6 - 12,1<br />

b) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr<br />

Einnahmen<br />

Steuern 7,4 4,9 2,4 3,3 4,2 5,5 2,6 2,3<br />

Sozialbeiträge 3,7 2,4 1,2 2,7 2,6 2,1 1,3 1,2<br />

Vermögenseinkommen 36,1 - 7,8 2,0 1,0 - 16,0 1,3 2,6 1,4<br />

Sonstige Transfers - 2,4 1,5 1,8 1,7 1,2 1,7 2,1 1,6<br />

Vermögenstransfers 1,2 0,8 0,5 1,0 - 4,0 5,5 0,6 0,4<br />

Verkäufe 6,1 0,7 3,5 3,3 0,9 0,5 3,5 3,4<br />

Sonstige Subventionen – – – – – – – –<br />

insgesamt 6,2 3,3 2,0 3,0 2,8 3,7 2,2 1,9<br />

Ausgaben<br />

Vorleistungen 8 3,1 2,7 4,1 3,2 3,0 2,4 4,3 3,9<br />

Arbeitnehmerentgelt 2,3 2,1 2,9 2,5 1,3 2,9 2,9 2,9<br />

Vermögenseinkommen (Zinsen) 3,9 - 4,0 - 0,8 2,6 - 5,5 - 2,5 - 1,4 - 0,3<br />

Subventionen - 3,6 4,8 4,0 0,3 - 9,7 18,3 9,2 0,3<br />

Monetäre Sozialleistungen - 1,0 1,6 2,3 2,0 0,6 2,6 2,6 2,0<br />

Sonstige laufende Transfers - 0,5 7,9 1,9 2,1 10,8 4,6 1,5 2,3<br />

Vermögenstransfers - 54,9 - 6,5 - 3,2 - 0,5 - 13,6 - 1,5 - 4,0 - 2,7<br />

Bruttoinvestitionen 2,0 - 7,6 5,6 3,9 - 8,7 - 6,8 4,7 6,3<br />

Nettozugang an nichtprod. Vermögensgütern – – – – – – – –<br />

insgesamt - 1,4 1,5 2,8 2,4 0,7 2,3 2,9 2,6<br />

nachrichtlich:<br />

Defizitquote in % in Relation zum BIP - 0,8 0,0 - 0,3 - 0,1 0,6 - 0,6 0,3 - 0,9<br />

Außenbeitrag in % in Relation zum BIP 5,1 5,9 6,0 5,6 6,0 5,7 6,6 5,5<br />

1 Preisbereinigtes Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde.<br />

2 Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck.<br />

3 Einschließlich Nettozugang an Wertsachen.<br />

4 Selbstständigeneinkommen/Betriebsüberschuss sowie empfangene abzüglich geleistete Vermögenseinkommen.<br />

5 Empfangene abzüglich geleistete sonstige Transfers.<br />

6 Sparen in % des verfügbaren Einkommens (einschließlich der Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche).<br />

7 Gebietskörperschaften und Sozialversicherung.<br />

8 Einschließlich sozialer Sachleistungen und sonstiger Produktionsabgaben.<br />

Quellen:<br />

Statistisches Bundesamt (Fachserie 18: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen); Berechnungen des IWH; ab<br />

2012: Prognose des IWH.<br />

32<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


IWH, <strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>, S. 33-37<br />

Mittelfristige Projektion der wirtschaftlichen Entwicklung<br />

und der Staatsfinanzen in Deutschland *<br />

Oliver Holtemöller, Katja Drechsel, Brigitte Loose, Götz Zeddies<br />

Die konjunkturelle Schwächephase im Winterhalbjahr 2012/<strong>2013</strong> hat auch ein niedrigeres mittelfristiges Wirtschaftswachstum<br />

in Deutschland zur Folge als noch im Herbst unterstellt. Unter Berücksichtigung der Prognose<br />

<strong>für</strong> die Jahre <strong>2013</strong> und 2014 des IWH vom Dezember 2012 ist zwischen 2011 und 2017 mit einer durchschnittlichen<br />

Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes von 1¼% pro Jahr zu rechnen. Hierbei wird angenommen,<br />

dass die Kapazitäten der deutschen Wirtschaft nach der vorübergehenden konjunkturellen Schwächephase überdurchschnittlich<br />

ausgelastet sein werden, unter anderem, weil die einheitliche europäische Geldpolitik in<br />

Deutschland noch längere Zeit expansiv wirken dürfte. Die Lage der öffentlichen Haushalte wird sich mittelfristig<br />

nur noch geringfügig verbessern. Zwar wird der gesamtstaatliche Haushalt nominal keine Defizite<br />

aufweisen. Ohne weitere Konsolidierungsbemühungen dürfte der Abbau des strukturellen Defizits jedoch nicht<br />

vollständig gelingen.<br />

Ansprechpartner:<br />

JEL-Klassifikation:<br />

Schlagwörter:<br />

Oliver Holtemöller (Oliver.Holtemoeller@iwh-halle.de)<br />

C53, E17, E27, E37, E66, H68<br />

wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, <strong>Konjunktur</strong>, mittelfristige Projektion, Produktionspotenzial,<br />

Potenzialwachstum, öffentliche Finanzen, Finanzpolitik, Wirtschaftswachstum<br />

Realwirtschaftliche Entwicklung<br />

Die Mittelfristprojektion des IWH erfolgt nach einem<br />

zweistufigen Verfahren. Im Einklang mit dem<br />

Vorgehen bei der Gemeinschaftsdiagnose wird zunächst<br />

das Produktionspotenzial mit der von der<br />

Europäischen Kommission vorgeschlagenen Methode<br />

geschätzt und als exogen unterstellt. 1 Anschließend<br />

wird die wirtschaftliche Entwicklung<br />

im mittelfristigen Projektionszeitraum bis 2017 mit<br />

Hilfe des makroökonometrischen Modells des IWH<br />

geschätzt.<br />

Zur Schätzung des Produktionspotenzials<br />

Unter den im Kasten vorgestellten weltwirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen und Annahmen ergibt<br />

die ökonometrische Schätzung <strong>für</strong> den Zeitraum<br />

von 2011 bis 2017 einen durchschnittlichen Anstieg<br />

des Produktionspotenzials von 1,3% (vgl. Tabelle 1).<br />

Dabei wird unterstellt, dass das Trendwachstum<br />

des technologischen Fortschritts im Projektionszeitraum<br />

mittelfristig wieder zunimmt − auf durch-<br />

∗ Dieser Beitrag wurde bereits als IWH-Pressemitteilung<br />

43/2012 am 13. Dezember 2012 veröffentlicht.<br />

1 Vgl. dazu Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Eurokrise<br />

dämpft <strong>Konjunktur</strong> – Stabilitätsrisiken bleiben hoch. Gemeinschaftsgutachten<br />

Herbst 2012. Kiel 2012, 44 ff.<br />

schnittlich 0,7% −, nachdem es in den Jahren vor<br />

der Rezession insbesondere durch den Beschäftigungsaufbau<br />

im Niedriglohnsektor abgeschwächt<br />

wurde. Der Kapitalstock dürfte im Projektionszeitraum<br />

um 1,2% pro Jahr ausgeweitet werden. Für das<br />

Arbeitsvolumen ist mit einer Zunahme um durchschnittlich<br />

0,2% zu rechnen.<br />

Trotz der derzeit sehr hohen Zuwanderung am<br />

<strong>aktuell</strong>en Rand dürfte der Rückgang der Bevölkerung<br />

im erwerbsfähigen Alter anhalten und sich<br />

sogar durch die abklingende Zuwanderung verstärken<br />

(−0,6%). Ebenso wird sich die Verringerung<br />

der durchschnittlichen Arbeitszeit je Erwerbstätigen<br />

fortsetzen (−0,2%). Durch die neue Abgrenzung<br />

der erwerbsfähigen Personen auf die Gruppe<br />

der 15- bis 74-Jährigen ergibt sich ex post <strong>für</strong> das<br />

unveränderte tatsächliche Arbeitsvolumen eine<br />

niedrigere Partizipationsrate als bisher angenommen.<br />

Die Partizipationsrate wird im Projektionszeitraum<br />

jedoch um 0,6% und die Erwerbsquote<br />

um 0,3% leicht steigen, da die Bedeutung der Teilzeitarbeit<br />

wohl auch in Zukunft noch zunehmen<br />

wird. Am <strong>aktuell</strong>en Rand deuten Schätzungen auf<br />

einen weiteren Anstieg der Erwerbsquote hin, <strong>für</strong><br />

den gesamten Projektionszeitraum wird allerdings<br />

in Übereinstimmung mit der EU-Methode annähernd<br />

Konstanz unterstellt.<br />

Insgesamt lässt sich am Verlauf der Wachstumsbeiträge<br />

zeigen, dass sich der Anteil des technologi-<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 33


Kasten:<br />

Rahmenbedingungen und Annahmen der Projektion<br />

Für den Projektionszeitraum bis 2017 wird unterstellt, dass die konjunkturelle Dynamik in den fortgeschrittenen<br />

Volkswirtschaften nur langsam wieder zunimmt und dass die Produktionszuwächse in den Schwellenländern<br />

etwas geringer ausfallen als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Der durchschnittliche Zuwachs des<br />

Welthandels liegt dementsprechend mit knapp 6% etwas unter dem langjährigen Durchschnitt vor der Wirtschafts-<br />

und Finanzkrise. Der Ölpreis (Sorte Brent) liegt nach einem temporären Höchststand im ersten Quartal<br />

2012 von durchschnittlich 118 US-Dollar <strong>aktuell</strong> bei 110 US-Dollar. Es wird angenommen, dass der Ölpreis in US-<br />

Dollar im Zeitraum von 2014 bis 2017 mit einer Jahresrate von 2% steigt. Demnach gilt die technische Annahme<br />

der realen Konstanz der Ölpreise. Der Euro-Dollar-Wechselkurs beträgt ab dem vierten Quartal 2012 im gesamten<br />

Projektionszeitraum 1,29 US-Dollar je Euro. Ferner wird unterstellt, dass die preisliche Wettbewerbsfähigkeit<br />

der deutschen Wirtschaft bei annahmegemäß unveränderten nominalen Wechselkursen leicht sinkt. In vielen<br />

Partnerländern des Euroraums werden strukturelle Probleme fortwirken, sodass dort kaum Dynamik bei den Preisen<br />

und Löhnen zu erwarten ist. Demnach ist mit einem leichten Rückgang des Außenbeitrags in Relation zum<br />

Bruttoinlandsprodukt zu rechnen.<br />

Für die Inlandsnachfrage dürfte die <strong>für</strong> Deutschland anhaltend wirkende expansive Geldpolitik der EZB stimulierende<br />

Effekte mit sich bringen. Basierend auf der Annahme, dass die wirtschaftliche Entwicklung im übrigen<br />

Euroraum schwach bleibt sowie die Arbeitslosigkeit in diesen Ländern weiterhin relativ hoch sein dürfte, ist bei<br />

langfristig konstant bleibenden Inflationserwartungen davon auszugehen, dass der Leitzins bis zum Ende des<br />

Prognosezeitraums unter dem langfristigen neutralen Niveau liegt.<br />

Im Einklang mit den Annahmen der Bundesregierung in ihrer Projektion vom Herbst 2012 umfasst die Bevölkerung<br />

im erwerbsfähigen Alter die Gruppe der 15- bis 74-Jährigen (früher 15- bis 64-Jährige). Dadurch wird auch<br />

die Anhebung des Renteneintrittsalters in der Projektion berücksichtigt.<br />

Im Jahr 2011 fiel der Wanderungssaldo deutlich höher aus, als in der im Jahr 2009 veröffentlichten 12. koordinierten<br />

Bevölkerungsvorausberechnung unterstellt wurde (40 000 vs. 279 207). a Neben der seit Mai 2011 geltenden<br />

uneingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit <strong>für</strong> die acht neuen EU-Mitgliedstaaten in Mittel- und Osteuropa ist<br />

da<strong>für</strong> vor allem die verstärkte Zuwanderung aus EU-Staaten, die von der Schulden- und Vertrauenskrise besonders<br />

stark betroffen sind, verantwortlich. b Es ist davon auszugehen, dass sich diese Entwicklung vor allem zu Beginn<br />

des Projektionszeitraums verstärkt fortsetzen wird: Im ersten Halbjahr 2012 war bereits eine Nettozuwanderung<br />

von etwa 182 000 Personen zu verzeichnen. c Es wird unterstellt, dass der Wanderungssaldo <strong>für</strong> die Jahre 2012<br />

bis 2017 deutlich höher liegt als in der Variante 1-W1 der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung<br />

unterstellt. Jedoch wird angenommen, dass sich die Nettozuwanderung bis zum Ende des Projektionszeitraums<br />

linear an den unterstellten Wert von 100 000 Personen annähert.<br />

a<br />

Vgl. Statistisches Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung.<br />

Wiesbaden 2009. – Statistisches Bundesamt: Statistische Wochenberichte, 35. Kalenderwoche 2012. – b Ausführlich zur<br />

Nettozuwanderung vgl. Kasten 3 in „<strong>Konjunktur</strong>elle Flaute zum Jahresende 2012 – aber auch Anzeichen <strong>für</strong> eine mäßige<br />

Brise im neuen Jahr“, in diesem Heft, 19. – c Vgl. Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung Nr. 397 vom 15.11.2012.<br />

Tabelle 1:<br />

Das Produktionspotenzial und seine Determinanten<br />

- 1995 bis 2017; a jahresdurchschnittliche Veränderung in % -<br />

1995 bis 2011 b 1995 bis 2011 2011 bis 2017<br />

Produktionspotenzial 1,4 1,3 1,3<br />

Kapitalstock 1,8 (0,6) 1,8 (0,6) 1,2 (0,4)<br />

Solow-Residuum 0,7 (0,7) 0,7 (0,7) 0,7 (0,7)<br />

Arbeitsvolumen 0 (0) −0,1 (−0,1) 0,2 (0,2)<br />

Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter 0 0 −0,6<br />

Partizipationsrate 0,4 0,4 0,6<br />

Erwerbsquote 0,1 0,1 0,3<br />

durchschnittliche Arbeitszeit −0,5 −0,5 −0,2<br />

nachrichtlich:<br />

Arbeitsproduktivität 1,4 1,4 1,0<br />

a<br />

Differenzen in den aggregierten Werten durch Rundung. In Klammern: Wachstumsbeiträge. – b Tatsächliche Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes<br />

und seiner Determinanten.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Projektion des IWH.<br />

34<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


schen Fortschritts am Potenzialwachstum im Projektionszeitraum<br />

verdoppeln dürfte (vgl. Abbildung).<br />

Abbildung:<br />

Wachstumsbeiträge der Produktionsfaktoren zum<br />

Produktionspotenzial<br />

- Prozent, Prozentpunkte -<br />

2,0<br />

1,5<br />

1,0<br />

0,5<br />

0,0<br />

TFP = totale Faktorproduktivität.<br />

IWH<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Darstellung<br />

des IWH; ab 2012: Projektion des IWH.<br />

Mittelfristige Projektion<br />

Projektion<br />

-0,5<br />

2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016<br />

Arbeitsvolumen Kapitalstock TFP Produktionspotenzial<br />

In dem makroökonometrischen Modell des IWH,<br />

das <strong>für</strong> die mittelfristige Projektion verwendet wird,<br />

ist die Nachfrageseite so modelliert, dass langfristig<br />

das zuvor beschriebene Produktionspotenzial erreicht<br />

wird. Die Anpassung der Produktion an das<br />

Produktionspotenzial geschieht im ökonometrischen<br />

Modell in theoretisch fundierter Weise; der Abbau<br />

von Unter- oder Überauslastungen der Kapazitäten<br />

muss nicht zwangsläufig innerhalb des mittelfristigen<br />

Projektionszeitraums bis 2017 erfolgen.<br />

Unter den genannten Rahmenbedingungen wird<br />

die deutsche Wirtschaft bis zum Ende des Projektionszeitraums<br />

mit durchschnittlich 1¼% wachsen;<br />

das nominale Bruttoinlandsprodukt wird um durchschnittlich<br />

3% zunehmen (vgl. Tabelle 3).<br />

Die Produktionskapazitäten werden ab der zweiten<br />

Jahreshälfte 2014 mittelfristig wieder überausgelastet<br />

sein, d. h. es wird eine leicht positive Produktionslücke<br />

entstehen. Die Impulse von Seiten<br />

der Geldpolitik werden jedoch im Projektionszeitraum<br />

schwächer, sodass die Produktionslücke ab<br />

2016 leicht zurückgeht. Aufgrund der anhaltenden<br />

Schwächephase, insbesondere im Euroraum, dürften<br />

die konjunkturellen Impulse mehr und mehr von<br />

der Inlandsnachfrage ausgehen (vgl. Tabelle 2).<br />

Die Investitionen werden mittelfristig durch die <strong>für</strong><br />

Deutschland anhaltend expansiv wirkende einheitliche<br />

Geldpolitik der EZB zulegen. Vor allem wird<br />

das Wachstum durch die Zunahme bei den Ausrüstungs-<br />

und Bauinvestitionen getragen. Ebenso<br />

wird der Konsum wohl die Inlandsnachfrage stimulieren.<br />

Der Anteil des Außenbeitrags am nominalen<br />

BIP dürfte bis zum Jahr 2017 leicht zurückgehen.<br />

Tabelle 2:<br />

Verwendung des nominalen Bruttoinlandsproduktes (BIP)<br />

Jahr<br />

Konsumausgaben<br />

private<br />

Haushalte Staat insgesamt<br />

in Mrd. Euro<br />

Bruttoinvestitionen<br />

Bruttoinlandsprodukt<br />

Bruttoanlageinvestitionen<br />

Vorratsveränderung<br />

Außenbeitrag<br />

2005 2 224,4 1 307,0 417,3 384,1 384,5 −0,3 116,0<br />

2011 2 592,6 1 487,7 499,8 473,5 469,9 3,7 131,7<br />

2017 3 074 1 765 587 569 567 1,7 154<br />

Anteile am BIP in %<br />

2005 100 58,8 18,8 17,3 17,3 0,0 5,2<br />

2011 100 57,4 19,3 18,3 18,1 0,1 5,1<br />

2017 100 57½ 19 18½ 18½ 0,1 5<br />

Veränderung insgesamt in %<br />

2011/2005 16,6 13,8 19,8 23,3 22,2 - -<br />

2017/2011 18½ 18½ 17½ 20¼ 20¾ - -<br />

jahresdurchschnittliche Veränderung in %<br />

2011/2005 2,6 2,2 3,1 3,5 3,4 - -<br />

2017/2011 3 3 2¾ 3 3¼ - -<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Projektion des IWH.<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 35


Tabelle 3:<br />

Erwerbstätige, Produktivität und Wirtschaftswachstum<br />

Bruttoinlandsprodukt<br />

Jahr<br />

Erwerbstätige<br />

(Inland)<br />

beschäftigte<br />

Arbeitnehmer<br />

(Inland)<br />

Arbeitszeit<br />

je Erwerbstätigen<br />

preisbereinigt, verkettete Volumenwerte<br />

insgesamt<br />

je Erwerbstätigen<br />

je Erwerbstätigenstunde<br />

in jeweiligen<br />

Preisen<br />

Deflator<br />

in Mio. in Mio. in Stunden in Mrd. Euro in Euro in Euro<br />

in Mrd.<br />

Euro<br />

2005 = 100<br />

2005 38 976 34 559 1 431,0 2 224,4 57 071 39,9 2 224,4 100,0<br />

2011 41 164 36 625 1 406 2 451,5 59 555 42,3 2 592,6 105,8<br />

2017 41 899 37 357 1 404 2 626 62 676 45 3 074 117<br />

Veränderung insgesamt in %<br />

2011/2005 5,6 6,0 −1,7 10,2 4,4 6,2 16,6 5,8<br />

2017/2011 1¾ 2 −¼ 7 5¼ 5½ 19 11<br />

jahresdurchschnittliche Veränderung in %<br />

2011/2005 0,9 1,0 −0,3 1,6 0,7 1,0 2,6 0,9<br />

2017/2011 ¼ ¼ 0 1¼ 1 1 3 1¾<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Projektion des IWH.<br />

Bedingt durch die Zunahme des Auslastungsgrads<br />

wird sich bis zum Jahr 2016 der Preisauftrieb<br />

verstärken. Insgesamt dürfte mit einem durchschnittlichen<br />

jährlichen Anstieg des BIP-Deflators von<br />

1¾% zu rechnen sein (vgl. Tabelle 3). Der Anstieg<br />

der Konsumentenpreise dürfte mit gut 2% darüber<br />

liegen. Im Projektionszeitraum ist auch mit einem<br />

stabilen Arbeitsmarkt zu rechnen, wenngleich sich<br />

der Zuwachs der Erwerbstätigen abschwächt.<br />

Öffentliche Finanzen<br />

Im Jahr 2012 waren die öffentlichen Haushalte nahezu<br />

ausgeglichen. Selbst der strukturelle Finanzierungssaldo<br />

war bei geringfügig überausgelasteten<br />

Produktionskapazitäten nur leicht negativ. In der<br />

mittleren Frist wird sich die Lage der öffentlichen<br />

Haushalte nur noch leicht verbessern. Bereits im<br />

Jahr 2012 legten die Staatseinnahmen mit gut 3%<br />

nur noch halb so stark zu wie noch im Jahr 2011,<br />

und die öffentlichen Ausgaben wurden, nach einem<br />

Rückgang im Vorjahr, im Jahr 2012 wieder leicht<br />

ausgeweitet. Zwar expandierten einnahmeseitig die<br />

Einkommen- und Vermögensteuern, insbesondere<br />

die Gewinnsteuern, nochmals recht kräftig; die<br />

Produktions- und Importabgaben, und hier vor allem<br />

das Umsatzsteueraufkommen, schwächten sich im<br />

Jahresverlauf jedoch bereits deutlich ab. Mit der<br />

prognostizierten konjunkturellen Abkühlung wird<br />

sich die Expansion der Steuereinnahmen und Sozialbeiträge<br />

im Jahr <strong>2013</strong> weiter verlangsamen, und<br />

der gesamtstaatliche Haushalt wird wieder ein Defizit<br />

aufweisen. Ausgabeseitig tragen hierzu die kräftig<br />

steigenden Arbeitnehmerentgelte, höhere monetäre<br />

Sozialleistungen – nicht zuletzt infolge kräftiger<br />

Rentenerhöhungen –, wieder steigende öffentliche<br />

Investitionen sowie eine deutliche Ausweitung der<br />

sozialen Sachleistungen bei.<br />

Tabelle 4:<br />

Jahresdurchschnittliche Veränderung ausgewählter<br />

Kennziffern der Einnahmeseite a<br />

- in % -<br />

2005 2011 2011/<br />

2005<br />

2017/<br />

2011<br />

Einnahmen<br />

insgesamt<br />

1,9 6,2 2,8 3,3<br />

darunter:<br />

Steuern 2,5 7,4 3,6 3,9<br />

Sozialbeiträge −0,1 3,7 1,4 2,4<br />

a In Abgrenzung der VGR.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Projektion<br />

des IWH.<br />

Im Jahr 2014 dürfte sich die Schuldenkrise im<br />

Euroraum zunehmend entspannen, und auch in der<br />

übrigen Welt ist die Nachfrageschwäche dann<br />

überwunden. Mit der daraufhin einsetzenden konjunkturellen<br />

Belebung in Deutschland wird sich die<br />

Lage der öffentlichen Haushalte ab diesem Jahr<br />

wieder entspannen. So legen die Steuereinnahmen<br />

36<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


Tabelle 5:<br />

Jahresdurchschnittliche Veränderung ausgewählter<br />

Kennziffern der Ausgabenseite a<br />

- in % -<br />

2005 2011 2011/<br />

2005 b<br />

2017/<br />

2011 b<br />

Ausgaben insgesamt c 1,0 −1,4 1,9 1,9<br />

darunter:<br />

Arbeitnehmerentgelte<br />

−0,2 2,3 1,7 2,4<br />

Vorleistungen 4,3 4,6 5,2 3,6<br />

soziale<br />

Sachleistungen<br />

2,4 2,2 3,5 3,1<br />

monetäre<br />

Sozialleistungen<br />

0,4 −1,0 0,5 1,6<br />

sonstige Transfers 6,6 −0,5 5,1 3,4<br />

Subventionen −5,8 −3,6 0,1 0,9<br />

Bruttoinvestitionen −3,5 2,0 4,0 2,3<br />

Zinsausgaben 0,1 3,9 0,7 1,8<br />

a In Abgrenzung der VGR. – b Durchschnittliche Entwicklung. – c Bereinigt<br />

um die Einnahmen aus der Versteigerung von UMTS-Lizenzen<br />

steigen die Ausgaben im Jahr 2010 um 1,2% und im Jahr 2011 um<br />

0,4%.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Projektion<br />

des IWH.<br />

wieder kräftiger zu, und auch die Sozialbeiträge,<br />

deren Aufkommen im Jahr <strong>2013</strong> auch durch die deutliche<br />

Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen<br />

Rentenversicherung gedämpft wird, expandieren in<br />

den Folgejahren wieder stärker (vgl. Tabelle 4).<br />

Ausgabeseitig dürfte der Anstieg der monetären<br />

Tabelle 6:<br />

Nominale und strukturelle Defizitquote a<br />

- % in Relation zum BIP -<br />

2011 2012 <strong>2013</strong> 2014 2015 2016 2017<br />

nominale Defizitquote 2 −0,8 0,0 −0,3 −0,1 0,1 0,2 0,0<br />

strukturelle Defizitquote −1,1 −0,1 −0,2 0,0 −0,1 −0,1 −0,1<br />

a In Abgrenzung der VGR.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Projektion des IWH.<br />

Sozialleistungen, die den größten Ausgabeposten<br />

darstellen, ab dem Jahr 2014 durch die kontinuierlich<br />

zurückgehende Arbeitslosigkeit gebremst werden.<br />

Dem wirken jedoch recht kräftige Rentenerhöhungen<br />

entgegen. Die Arbeitnehmerentgelte im<br />

öffentlichen Dienst dürften nach den zuletzt deutlichen<br />

Erhöhungen im weiteren Verlauf etwas weniger<br />

zunehmen. Dagegen werden die Zinsausgaben<br />

des Staates aufgrund des insbesondere im Zuge der<br />

Bankenrettungen gestiegenen Schuldenstandes und<br />

der nach der Entspannung der Eurokrise anziehenden<br />

Renditen <strong>für</strong> deutsche Staatsanleihen wieder<br />

stärker zunehmen (vgl. Tabelle 5).<br />

Alles in allem dürfte sich der staatliche Finanzierungssaldo,<br />

nach einer neuerlichen Verschlechterung<br />

im Jahr <strong>2013</strong>, mit der konjunkturellen Belebung<br />

in den Folgejahren zunächst verbessern, sodass<br />

zwischenzeitig leichte Haushaltsüberschüsse<br />

erzielt werden. Mit dem allmählichen Abflauen des<br />

konjunkturellen Aufschwunges im Jahr 2016 wird<br />

sich die Finanzlage des Staates wieder etwas verschlechtern.<br />

Im Jahr 2017 dürfte der gesamtstaatliche<br />

Haushalt dann in etwa ausgeglichen sein (vgl.<br />

Tabelle 6).<br />

Der strukturelle Finanzierungssaldo dürfte sich<br />

in der mittleren Frist etwas ungünstiger entwickeln<br />

als das nominale Defizit. Zwar wird einerseits die<br />

Finanzpolitik im Prognosezeitraum annähernd<br />

konjunkturneutral ausgerichtet sein, und einige<br />

Bundesländer müssen mit Blick auf die Schuldenbremse<br />

ihre Konsolidierungsbemühungen forcieren.<br />

Andererseits entfallen jedoch Faktoren, die in<br />

jüngerer Vergangenheit zur strukturellen Konsolidierung<br />

beigetragen haben. So dürften sich die<br />

Zinsausgaben, nach einer rückläufigen Entwicklung<br />

in den Jahren 2012 und <strong>2013</strong>, in den Folgejahren<br />

wieder erhöhen. Zudem haben in den Jahren<br />

nach der Großen Rezession der starke Aufbau sozialversicherungspflichtiger<br />

Beschäftigung und der<br />

Rückgang der Arbeitslosigkeit die Sozialversicherungen<br />

konjunkturbedingt entlastet. Mittelfristig<br />

kommen auf die Sozialversicherungen durch den<br />

demographischen Wandel jedoch strukturelle Belastungen<br />

zu, die die derzeitigen Überschüsse aufzehren<br />

werden. Vor diesem Hintergrund wird sich<br />

der strukturelle Finanzierungssaldo nicht weiter<br />

verbessern und mittelfristig leicht negativ sein. 2<br />

2 In dieser Projektion sind mögliche Steuerrechtsänderungen,<br />

die zu dauerhaften Mehr- oder Mindereinnahmen führen,<br />

etwa die Wiedererhebung der Vermögensteuer oder steuerliche<br />

Entlastungen durch den Abbau der kalten Progression,<br />

nicht berücksichtigt. Zudem ist derzeit nicht absehbar,<br />

welche Mehrausgaben/Mindereinnahmen sich durch die<br />

Griechenlandpolitik mittelfristig ergeben.<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 37


IWH, <strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>, S. 38-46<br />

Zur Wirtschaftspolitik: Haushaltsrisiken berücksichtigen,<br />

Lösung der Griechenlandkrise voranbringen *<br />

Oliver Holtemöller, Martin Altemeyer-Bartscher, Tobias Knedlik, Axel Lindner, Götz Zeddies<br />

Der grundsätzlich positiv zu bewertende Ausgleich des gesamtstaatlichen Haushaltes in Deutschland im Jahr<br />

2012 unterlag Sonderfaktoren. Hier ist zum einen die Verringerung des Schuldendienstes durch die historisch<br />

niedrige Verzinsung deutscher Staatsschuldtitel zu nennen, zum anderen die Zuwächse beim Steueraufkommen<br />

durch die kalte Progression. Unter Berücksichtigung des Prinzips der Vorsicht muss darauf hingewiesen werden,<br />

dass sowohl die günstige Verzinsung als auch die kalte Progression keinen langfristigen Beitrag zur strukturellen<br />

Haushaltskonsolidierung und zur Erfüllung der Vorgaben aus der Schuldenbremse leisten können. In<br />

langer Frist könnte die Berechenbarkeit und Transparenz staatlicher Konsolidierungspolitik durch konsequente<br />

Beseitigung der kalten Progression, etwa durch eine Indexierung der Tarifparameter, die langfristige Effektivität<br />

der Schuldenbremse sogar steigern.<br />

Die Wirtschaftspolitik ringt gegenwärtig um eine Lösung <strong>für</strong> die Probleme Griechenlands. Die Tragfähigkeit<br />

der Staatsverschuldung in Griechenland kann nur dadurch wiederhergestellt werden, dass die Staatsverschuldung<br />

spürbar sinkt. Dies gelingt nicht, indem neue Kredite vergeben werden. Vielmehr müssen die privaten und<br />

öffentlichen Gläubiger Griechenlands auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, sodass der Gesamtschuldenstand<br />

auf ein Maß sinkt, das eine dauerhaft nachhaltige Staatsfinanzierung ermöglicht. Der enorme Reputationsverlust<br />

Griechenlands durch den dann zweiten Schuldenschnitt in Folge sollte durch die Euroländer mit einer an<br />

Bedingungen geknüpften Übernahme von Garantien bei der Emission von neuen griechischen Staatsschuldpapieren<br />

abgemildert werden. Die bedingte Gewährung von Garantien ermöglicht den europäischen Partnerländern,<br />

auch weiterhin Einfluss auf die Reformen in Griechenland zu nehmen.<br />

Zudem sollte die europäische Wirtschaftspolitik jetzt auch Maßnahmen zur <strong>Institut</strong>ionalisierung eines Verfahrens<br />

zum Umgang mit Staatsinsolvenzen in der Währungsunion angehen. Mit dessen Hilfe könnte nicht nur<br />

der Umgang mit Staatsinsolvenzen deutlich verbessert und vereinfacht werden. Es würde zudem ein Instrument<br />

geschaffen, das eine Risikobeurteilung bezüglich der Solvenz von Staaten erleichtert. Dadurch reduziert sich die<br />

Unsicherheit, und eine effektive Marktsanktionierung wäre möglich.<br />

Ansprechpartner:<br />

JEL-Klassifikation:<br />

Schlagwörter:<br />

Oliver Holtemöller (Oliver.Holtemoeller@iwh-halle.de)<br />

E17, E27, E37, E50, E60<br />

Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik, Geldpolitik, Eurokrise, Griechenland<br />

Zur deutschen Finanzpolitik<br />

Haushaltskonsolidierung nicht nachhaltig<br />

Nachdem die Finanzpolitik in der Wirtschafts- und<br />

Finanzkrise auf einen stark expansiven Kurs eingeschwenkt<br />

war, der die Neuverschuldung in den<br />

Jahren 2009 und 2010 rapide ansteigen ließ, hat<br />

sich die Situation der öffentlichen Haushalte seit<br />

dem Jahr 2011 deutlich entspannt. Im Jahr 2012<br />

dürfte der gesamtstaatliche Haushalt sogar strukturell<br />

nahezu ausgeglichen sein. Dabei ist allerdings<br />

zu bedenken, dass der ausgeglichene Haushalt vor<br />

allem aus hohen Überschüssen bei den Sozialversicherungen<br />

infolge der kräftigen Ausweitung sozial-<br />

∗ Dieser Beitrag wurde bereits als IWH-Pressemitteilung<br />

43/2012 am 13. Dezember 2012 veröffentlicht.<br />

versicherungspflichtiger Beschäftigung und sinkender<br />

Arbeitslosigkeit resultiert. Die Haushalte von<br />

Bund und Ländern weisen dagegen nach wie vor<br />

Defizite auf, und die Konsolidierungsbemühungen<br />

– insbesondere von Seiten des Bundes – haben nachgelassen.<br />

Erst jüngst wurde von der Bundesregierung<br />

eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen beschlossen,<br />

welche die öffentlichen Haushalte belasten.<br />

Für die wirtschaftspolitische Beurteilung ist von<br />

Bedeutung, welche Faktoren im Einzelnen zur Reduktion<br />

des strukturellen Defizits beigetragen haben<br />

und wie nachhaltig diese sind. Hierzu wird die<br />

Entwicklung einzelner öffentlicher Einnahme- und<br />

Ausgabearten 1 im Zeitverlauf betrachtet, die, je<br />

1 Auf der Einnahmeseite werden Einkommen- und Vermögensteuern,<br />

Produktions- und Importabgaben, Sozialbeiträge,<br />

empfangene Vermögenseinkommen, Verkäufe, sowie emp-<br />

38<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


nach Einnahme- und Ausgabeart, um konjunkturelle<br />

Einflüsse zu bereinigen sind. Auf der Einnahmeseite<br />

sind die Steuereinnahmen und die Sozialversicherungsbeiträge,<br />

auf der Ausgabeseite die<br />

Ausgaben der Sozialversicherungen (im Einzelnen<br />

der Arbeitslosen- und Rentenversicherung) sowie<br />

die Personalausgaben <strong>für</strong> die Beschäftigten im öffentlichen<br />

Dienst als konjunkturreagibel einzustufen.<br />

2 Zudem können die öffentlichen Investitionen,<br />

bei denen <strong>für</strong> die zurückliegenden Jahre, mit Ausnahme<br />

der Großen Rezession, ein gewisser<br />

Gleichlauf mit den als äußerst zyklisch geltenden<br />

privaten Investitionen zu beobachten war, als<br />

konjunkturabhängig betrachtet werden. 3<br />

Auf der Ausgabeseite zeigt sich, dass sich der<br />

jährliche Anstieg der Staatausgaben nach der Jahrtausendwende<br />

deutlich verlangsamt hat. Ähnliches<br />

gilt <strong>für</strong> die Staatseinnahmen, wenngleich bei diesen<br />

seit 2004 wieder ein leicht beschleunigter Zuwachs<br />

zu verzeichnen ist. Ein genauerer Blick auf<br />

die Entwicklung der Staatseinnahmen zeigt, dass in<br />

der jüngeren Vergangenheit insbesondere die Einkommen-<br />

und Vermögensteuern zunehmend zu deren<br />

Anstieg beigetragen haben. Zudem trugen die<br />

Verkäufe des Staates ab dem Jahr 2005, dem Jahr<br />

der Einführung der Lkw-Maut, deutlicher zum Einnahmeanstieg<br />

bei als zuvor. Die jährlichen Beiträge<br />

der Sozialabgaben zum Einnahmezuwachs waren<br />

in den zurückliegenden zehn Jahren deutlich geringer<br />

als noch in den 1990er Jahren, was auf einen in<br />

jener Dekade von Jahr zu Jahr steigenden kumulierten<br />

Beitragssatz zurückgeführt werden kann.<br />

Der seit der Jahrtausendwende verlangsamte Anstieg<br />

der Staatsausgaben geht auf geringere Zuwächse<br />

der monetären Sozialleistungen zurück.<br />

Dies dürfte zum einen auf den Rückgang der<br />

fangene sonstige laufende Übertragungen betrachtet. Auf der<br />

Ausgabeseite finden Vorleistungen, Arbeitnehmerentgelte,<br />

monetäre Sozialleistungen, soziale Sachleistungen, geleistete<br />

Vermögenseinkommen, die Bruttoinvestitionen des Staates,<br />

Subventionen sowie die sonstigen laufenden Transfers Berücksichtigung.<br />

Unberücksichtigt bleiben aufgrund hoher<br />

Volatilität auf der Einnahmeseite empfangene Vermögenstransfers<br />

und auf der Ausgabeseite geleistete Vermögenstransfers<br />

sowie der Nettozugang an nichtproduzierten Vermögensgegenständen.<br />

2 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen<br />

Entwicklung: Widerstreitende Interessen –<br />

ungenutzte Chancen. Jahresgutachten 2006/2007. Wiesbaden<br />

2006, 468.<br />

3 Die <strong>Konjunktur</strong>bereinigung erfolgt <strong>für</strong> alle Größen individuell<br />

mit dem Hodrick-Prescott-Filter. Vgl. Hodrick, R. J.;<br />

Prescott, E. C.: Postwar US Business Cycles: An Empirical<br />

Investigation, in: Journal of Money, Credit and Banking,<br />

Vol. 29 (1), 1997, 1-16.<br />

strukturellen Arbeitslosigkeit, zum anderen auf Reformen<br />

bei der Rentenversicherung, die dämpfend<br />

auf die Rentenanpassung wirkten, zurückzuführen<br />

sein. Gedämpft wurden die Staatsausgaben zudem<br />

durch mehr oder weniger stagnierende Subventionen<br />

und Zinsausgaben. Letzteres ist bemerkenswert,<br />

weil sich der Schuldenstand in den vergangenen<br />

fünf Jahren weiterhin deutlich erhöht hat. 4 Zunehmend<br />

getrieben wurden die Staatsausgaben dagegen<br />

durch die Arbeitnehmerentgelte sowie durch<br />

Vorleistungskäufe, also durch den Staatsverbrauch.<br />

Im Ergebnis zeigt sich, dass in den zurückliegenden<br />

Jahren einnahmeseitig offenbar Einkommen- und<br />

Vermögensteuern und ausgabeseitig die derzeit<br />

günstigen Refinanzierungskosten insbesondere des<br />

Bundes, aber auch die Rückführung der Sozialausgaben<br />

wesentlich zur strukturellen Konsolidierung<br />

beigetragen haben. Letzterer Effekt dürfte jedoch<br />

nicht anhalten, weil auf die Sozialversicherungen<br />

infolge des demographischen Wandels mittelfristig<br />

strukturelle Belastungen zukommen werden.<br />

„Konsolidierung“ durch kalte Progression und<br />

geringe Zinsbelastung<br />

Die Zuwächse bei den Steuereinnahmen wurden in<br />

den vergangenen Jahren zu einem wesentlichen<br />

Teil durch die so genannte kalte Progression erreicht,<br />

die sich auf den progressiven Verlauf des<br />

deutschen Einkommensteuertarifs zurückführen lässt.<br />

Der Umfang der kalten Progression hängt von der<br />

Steueraufkommenselastizität ab, welche den prozentualen<br />

Zuwachs des Lohnsteueraufkommens bei<br />

einer Einkommenssteigerung um 1% angibt. Die<br />

folgenden Berechnungen sollen das Ausmaß der<br />

gegenwärtigen inflationsbedingten Zuwächse bei der<br />

Einkommenssteuer verdeutlichen (vgl. Tabelle). Die<br />

Zeilen [1] bis [4] enthalten die vom IWH prognostizierte<br />

Entwicklung wichtiger Rahmendaten. Die<br />

Elastizität des Lohnsteueraufkommens liegt in<br />

Deutschland bei etwa 1,8. 5 Bei unveränderter Beschäftigtenzahl<br />

ergibt sich der Anstieg des Lohnsteueraufkommens<br />

aus der Nominallohnveränderung<br />

und der Aufkommenselastizität (Zeile [7]). Dabei<br />

wird unterstellt, dass die Nominallöhne in dem Maße<br />

4 Die Schuldenstandquote in Maastricht-Abgrenzung lag im<br />

Jahr 2007 noch bei 65,2% und dürfte im Jahr 2012 auf ungefähr<br />

83% angestiegen sein.<br />

5 Vgl. Boss, A.: Heimliche Steuererhöhungen vermeiden!<br />

Kiel Policy Brief Nr. 41, 2011. <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Weltwirtschaft,<br />

Kiel 2011. Im Folgenden wird im Prognosezeitraum mit<br />

den vom Arbeitskreis Steuerschätzungen verwendeten<br />

Elastizitäten gerechnet.<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 39


Tabelle:<br />

Steuermehreinnahmen durch kalte Progression<br />

Jahr t 2011 2012 <strong>2013</strong> 2014 2015 2016 2017<br />

Veränderung in %<br />

[1] Bruttolohn- und -gehaltssumme 4,8 3,7 2,7 3,1 2,6 2,6 2,6<br />

[2] Beschäftigte 1,4 1,1 −0,1 0,2 0,9 −0,1 0,0<br />

[3] Bruttolohn- und -gehaltssumme pro Beschäftigten 3,3 2,7 2,8 2,9 1,7 2,7 2,6<br />

[4] Verbraucherpreise 2,3 2,0 2,0 1,8 2,1 2,0 1,9<br />

[5] Beschäftigte (Millionen) 36,6 37,0 37,0 37,1 37,4 37,4 37,4<br />

[6] Elastizität des Lohnsteueraufkommens bezüglich der<br />

Bruttolohn- und -gehaltssumme<br />

1,82 1,80 1,79 1,77 1,76 1,75<br />

Mrd. Euro<br />

[7] Lohnsteueraufkommen bei Beschäftigtenzahl und Reallöhnen<br />

wie im Jahr 2011 [7] t−1 *(1+([4] t *[6] t )/100)<br />

180,5 187,1 193,8 200,0 207,5 214,8 221,9<br />

[8] Lohnsteueraufkommen bei Beschäftigtenzahl, Reallöhnen und<br />

Durchschnittssteuersätzen wie im Jahr 2011 [8] t−1 *(1+[4] t /100) t<br />

180,5 184,1 187,8 191,2 195,2 199,1 202,9<br />

[9] Steuermehreinnahmen durch kalte Progression gegenüber<br />

2011 bei jeweiliger Beschäftigtenzahl ([7] t −[8] t )*([5] t /[5] t0 )<br />

3,0 6,1 9,0 12,6 16,0 19,4<br />

[10] Lohnsteueraufkommen [10] t−1 *(1+([3] t *[6] t )/100)*(1+[2] t /100) 180,5 191,2 200,6 211,3 219,6 229,8 240,3<br />

Quellen: Bundesministerium der Finanzen, Arbeitskreis Steuerschätzungen; Berechnungen des IWH.<br />

steigen wie die Verbraucherpreise. Bliebe die individuelle<br />

tarifliche Steuerbelastung dagegen konstant,<br />

wie es bei einem proportionalen Einkommensteuertarif<br />

der Fall wäre, würde sich das Lohnsteueraufkommen<br />

lediglich in dem Maße erhöhen, wie die<br />

Nominallöhne steigen (Zeile [8]). Aus Zeile [9] der<br />

Tabelle geht das zusätzliche Steueraufkommen<br />

hervor, welches sich bei Konstanz der Reallöhne,<br />

also einer ausschließlich die Verbraucherpreisinflation<br />

kompensierenden Lohnentwicklung, und bei<br />

der in der Prognose unterstellten Beschäftigungsentwicklung<br />

ergäbe. Im dargestellten Zeitraum bewirkt<br />

die kalte Progression jährliche Steuermehreinnahmen<br />

von über drei Mrd. Euro. Seit dem Jahr 2010,<br />

in dem zuletzt eine „kleine“ Einkommensteuerreform<br />

vorgenommen wurde, bis zum Jahr 2012 dürften<br />

folglich nahezu neun Mrd. Euro der Steuermehreinnahmen<br />

aus der kalten Progression resultieren.<br />

Bei einer kontinuierlichen Beseitigung der kalten<br />

Progression wäre im Jahr 2012 der Ausgleich des<br />

Staatshaushaltes mit weitaus größeren Konsolidierungserfordernissen<br />

verbunden gewesen. Die Ergebnisse<br />

zeigen, dass bei den <strong>für</strong> die mittlere Frist<br />

prognostizierten, im langjährigen Vergleich recht<br />

kräftigen Lohn- und Preissteigerungen die inflationsbedingten<br />

Zuwächse der Lohnsteuereinnahmen<br />

erheblich wären. Ausgehend vom Basisjahr 2011<br />

beliefen sich im Jahr 2017 die Steuermehreinnahmen<br />

durch die kalte Progression auf über 19 Mrd.<br />

Euro. In Zeile [10] der Tabelle ist der Vollständigkeit<br />

halber die seit dem Jahr 2011 prognostizierte<br />

Entwicklung des gesamten Lohnsteueraufkommens<br />

dargestellt. Dieses ergibt sich aus der tatsächlichen<br />

Lohnentwicklung, der Elastizität des Lohnsteueraufkommens<br />

6 und der Beschäftigungsentwicklung.<br />

Die Erfahrungen aus den vergangenen Jahrzehnten<br />

zeigen, dass die kalte Progression stets in<br />

gewissen zeitlichen Abständen im Rahmen von Einkommensteuerreformen<br />

beseitigt wurde. Im März<br />

2012 hat der Bundestag erneut ein Gesetz zum Abbau<br />

der kalten Progression beschlossen. Der Bundesrat<br />

hatte diesem Gesetz zwar vorerst nicht zugestimmt,<br />

allerdings besteht in dieser Sache wohl<br />

eher eine Uneinigkeit hinsichtlich der konkreten<br />

Ausgestaltung des Steuerentlastungspakets. 7 Eine<br />

Milderung der derzeitigen Steuerlastverschärfung<br />

durch ein geeignetes Reformpaket ist trotz Dissens<br />

zwischen Bundestag und Bundesrat in naher Zukunft<br />

zu erwarten – nicht zuletzt, weil mit zunehmendem<br />

zeitlichem Abstand zur letzten Anpassung<br />

der Tarifparameter der Reformdruck steigt.<br />

Im Allgemeinen führen die in Deutschland praktizierten<br />

diskretionären Anpassungen an die kalte<br />

Progression zu einem Zyklus, bestehend aus einer<br />

Phase mit inflationsbedingten Steuermehreinnahmen<br />

und einem nachfolgenden steuerlichen Entlastungsprogramm.<br />

Es ist fraglich, ob dieser Zyklus mit einer<br />

reibungsfreien Umsetzung der Schuldenbremse<br />

in den kommenden Jahren verträglich ist. Die<br />

Effektivität der Schuldenbremse wird nämlich im<br />

6 Die tatsächliche Entwicklung des Lohnsteueraufkommens<br />

wird zudem durch Steuerrechtsänderungen determiniert,<br />

die hier nicht berücksichtigt sind.<br />

7 Im Vermittlungsausschuss wurde am 12. Dezember 2012 in<br />

dieser Angelegenheit keine Einigung erzielt.<br />

40<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


Wesentlichen davon abhängen, inwieweit Konsolidierungserfolge,<br />

die direkt auf eine gute Haushaltspolitik<br />

zurückzuführen sind, von Faktoren, die von<br />

der Regierung nicht beeinflussbar sind, getrennt<br />

bewertet werden können. 8 In diesem Zusammenhang<br />

würde eine generelle Beseitigung der kalten<br />

Progression durch eine geeignete Indexierung der<br />

relevanten Tarifparameter im Einkommensteuertarif<br />

ein deutlicheres Bild der Haushaltslage vermitteln. 9<br />

Des Weiteren können Steuerzahler und Wähler bei<br />

unsystematischer Korrektur der kalten Progression<br />

in zeitlichen Abständen einer fiskalischen Illusion<br />

erliegen. Das wird insbesondere der Fall sein,<br />

wenn ein inflationsbedingtes Hineinwachsen in einen<br />

höheren Progressionsbereich des Tarifs von den<br />

Steuerzahlern weniger deutlich wahrgenommen<br />

wird als eine explizite Änderung des Steuerrechts. 10<br />

Bei derartigen heimlichen Steuererhöhungen werden<br />

ausbleibende Konsolidierungsbemühungen der<br />

Regierung dann möglicherweise nur eingeschränkt<br />

durch den Wähler diszipliniert. Auch in dieser<br />

Hinsicht würde eine Indexierung der Tarifparameter<br />

die erfolgreiche Umsetzung der Schuldenbremse<br />

unterstützen. Denn so könnte man einer Fehleinschätzung<br />

von realen und nominalen Größen durch<br />

Steuerzahler und Wähler vorbeugen.<br />

Neben der kalten Progression hat die sinkende<br />

Zinsbelastung in den vergangenen Jahren zur strukturellen<br />

Konsolidierung beigetragen. Seit dem Beginn<br />

der Großen Rezession im Sommer 2008 sind<br />

die Refinanzierungskosten des deutschen Staates<br />

deutlich gesunken, so etwa die Renditen <strong>für</strong> zehnjährige<br />

deutsche Staatsanleihen (vgl. Abbildung).<br />

Folglich hat sich auch die durchschnittliche Verzinsung<br />

der deutschen Staatsschulden kontinuierlich<br />

verringert. Wäre die durchschnittliche Verzinsung<br />

auf dem Niveau des Jahres 2008 verharrt, wären<br />

die Zinszahlungen im Jahr 2011 um gut 20 Mrd.<br />

Euro höher ausgefallen. Für das Jahr 2012 hätten<br />

sich demzufolge um ungefähr 25 Mrd. Euro höhere<br />

Zinsausgaben ergeben. 11 Inwieweit die Zinserspar-<br />

8 Vgl. von Hagen, J.: Fiscal Rules and Fiscal Performance in<br />

the EU and Japan. CEPR Discussion Paper No. 5330, 2005.<br />

9 Vgl. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Deutsche <strong>Konjunktur</strong><br />

im Aufwind – Europäische Schuldenkrise schwelt<br />

weiter. Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2012. München, 61.<br />

10 Vgl. Oates, W.: On the Nature and Measurement of Fiscal<br />

Illusion: A Survey, in: G. Brennan et al. (eds), Taxation<br />

and Fiscal Federalism: Essays in Honour of Russel<br />

Mathews. Australian National University Press: Canberra<br />

1988, 65-82.<br />

11 Vgl. zu diesem Ansatz Broyer, C.; Petersen, A.-K.;<br />

Schneider, R.: Impact of the Euro Crisis on the German<br />

Abbildung:<br />

Rendite zehnjähriger Staatsanleihen, durchschnittliche<br />

Verzinsung und Zinsquote in Deutschland<br />

%<br />

5,50<br />

5,00<br />

4,50<br />

4,00<br />

3,50<br />

3,00<br />

2,50<br />

2,00<br />

1,50<br />

1,00<br />

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012<br />

durchschnittliche Verzinsung der deutschen Staatsschulden¹<br />

Rendite zehnjähriger Staatsanleihen<br />

Zinsquote²<br />

IWH<br />

1<br />

Zinsausgaben Jahr t in Relation zum Mittelwert aus Schuldenstand<br />

am Ende des Jahres t und am Ende des Jahres t−1. – 2 Zinsausgaben in<br />

Relation zum Bruttoinlandsprodukt.<br />

Quellen: Europäische Zentralbank; Statistisches Bundesamt;<br />

Berechnungen und Darstellung des IWH.<br />

nis als nachhaltig anzusehen ist oder nicht, hängt<br />

von deren Determinanten ab. Sofern die Verbesserung<br />

der Refinanzierungskonditionen auf Fundamentalfaktoren,<br />

etwa trendmäßig rückläufigen Inflationsraten<br />

oder Produktionszuwächsen beruht,<br />

wären die sinkenden Zinsausgaben, solange sich<br />

diese Trends fortsetzen, nachhaltig. Ökonometrische<br />

Untersuchungen zeigen, dass die derzeit günstigen<br />

Refinanzierungskonditionen Deutschlands zum Teil<br />

auf die Entwicklung derartiger Fundamentalfaktoren<br />

zurückzuführen sind. 12 Hinzu kommt, dass Deutschland<br />

in der Eurokrise <strong>für</strong> viele Anleger als sicherer<br />

Hafen gilt und deutsche Staatstitel deshalb stark<br />

nachgefragt werden. Unter Berücksichtigung veränderter<br />

Fundamentalfaktoren dürfte die daraus resultierende<br />

Zinsersparnis im Jahr 2012 (gegenüber<br />

2008) bei ungefähr 15 Mrd. Euro (im Vergleich zu<br />

25 Mrd. Euro bei Nichtberücksichtigung der Veränderung<br />

von Fundamentalfaktoren) gelegen haben.<br />

Im Falle einer Entspannung oder gar vollständigen<br />

Lösung der Eurokrise dürften sich die Refinanzierungskonditionen<br />

jedoch rasch wieder verschlechtern.<br />

Vor diesem Hintergrund sind weiterhin Konsolidierungsbemühungen<br />

erforderlich, nicht nur mit<br />

Blick auf die sich abschwächende konjunkturelle<br />

Dynamik, sondern auch vor dem Hintergrund, dass<br />

bestimmte Faktoren, die zuletzt zur strukturellen<br />

Economy. Allianz-Group Working Paper No. 154/2012.<br />

München 2012.<br />

12 Vgl. ebenda, 5.<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 41


Konsolidierung beigetragen haben, nicht nachhaltig<br />

sind. 13 Gleichwohl wurden jüngst haushaltsbelastende<br />

Maßnahmen beschlossen, die einer weiteren<br />

Konsolidierung entgegenstehen.<br />

Steuererhöhungen sind der falsche Weg<br />

Im Falle eines Abbaus der kalten Progression in<br />

naher Zukunft wäre zur Fortführung der strukturellen<br />

Konsolidierung eine Gegenfinanzierung erforderlich.<br />

Auch durch die kürzlich beschlossenen<br />

neuen Sozialleistungen, wie Betreuungsgeld und<br />

Lebensleistungsrente, sowie durch die Abschaffung<br />

der Praxisgebühr werden die öffentlichen Haushalte<br />

strukturell belastet. Von einer Gegenfinanzierung<br />

über Mehreinnahmen, auf die derzeit vieles<br />

hindeutet, ist jedoch abzuraten. Zwar ist die Abgabenquote<br />

Deutschlands im internationalen Vergleich<br />

nicht außerordentlich hoch; in vielen anderen<br />

fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist sie in<br />

den zurückliegenden Jahren aber, anders als in<br />

Deutschland, weiter gesunken. 14 Derzeit wird über<br />

die Wiedererhebung der Vermögensteuer diskutiert,<br />

zudem wurden bereits erste Schritte zur Einführung<br />

einer Finanztransaktionssteuer eingeleitet.<br />

Berechnungen zufolge würden beide Steuerarten<br />

jährliche Mehreinnahmen von bis zu 20 Mrd. Euro<br />

generieren. 15<br />

Die Finanztransaktionssteuer soll Planungen zufolge<br />

in mehreren europäischen Ländern, darunter<br />

Deutschland, eingeführt werden. Das politische Ziel<br />

dieser Steuer besteht neben der Einnahmeerzielung<br />

vor allem darin, Spekulationsgeschäfte an den Finanzmärkten<br />

durch höhere Transaktionskosten einzu-<br />

13 Zudem sind natürlich mögliche Einnahmeausfälle im Zusammenhang<br />

mit der Staatsschuldenkrise in der EU zu<br />

berücksichtigen, die den deutschen Staatshaushalt erheblich<br />

belasten würden. Siehe hierzu den folgenden Abschnitt<br />

„Zur Staatsschuldenkrise Griechenlands und der Rolle der<br />

Geldpolitik“.<br />

14 Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht November<br />

2012, Berlin 2012.<br />

15 Vgl. Schäfer, D.; Karl, M.: Finanztransaktionssteuer –<br />

Ökonomische und fiskalische Effekte der Einführung einer<br />

Finanztransaktionssteuer <strong>für</strong> Deutschland, DIW Politikberatung<br />

Kompakt 64, 2012. Berlin 2012. – Bach, S.;<br />

Beznoska, M.: Vermögensteuer: Erhebliches Aufkommenspotential<br />

trotz erwartbarer Ausweichreaktionen. DIW Wochenbericht<br />

Nr. 42, 2012, 12-17. – Vgl. auch Pollin, R.;<br />

Baker, D.; Schaberg, M.: Securities Transaction Taxes for<br />

U.S. Financial Markets, in: Eastern Economic Journal, Vol.<br />

29, 2001, 527-558. – Schulmeister, S.; Schratzenstaller,<br />

M.; Picek, O.: A General Financial Transaction Tax:<br />

Motives, Revenues Feasibility and Effects. Österreichisches<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Wirtschaftsforschung</strong>. Wien 2008.<br />

dämmen, um dadurch in Zukunft Finanzkrisen zu<br />

verhindern. Grundsätzlich ist jedoch anzumerken,<br />

dass Spekulationen nicht per se wohlfahrtsmindernd<br />

sind, sondern auch eine disziplinierende Wirkung<br />

haben. Dies ist zumindest solange der Fall, wie<br />

Spekulationen nicht Ursache, sondern Folge makroökonomischer<br />

oder wirtschaftspolitischer Fehlentwicklungen<br />

sind. Zudem wird häufig argumentiert,<br />

dass Spekulationen zur Blasenbildung beitragen.<br />

Allerdings kommt der Großteil der Literatur zu<br />

dem Ergebnis, dass nicht Spekulationen, sondern<br />

eine ungezügelte Kreditvergabe häufig die Ursache<br />

der Blasenbildung sind. 16 Hinzu kommt, dass sich<br />

gerade risikoreiche Geschäfte, die hohe Gewinne<br />

versprechen, trotz der durch eine Finanztransaktionssteuer<br />

ausgelösten Erhöhung der Transaktionskosten<br />

weiterhin lohnen dürften. Da die Finanztransaktionssteuer<br />

somit den beabsichtigten Lenkungszweck<br />

vermutlich nicht erfüllt, sollte bei makroökonomischen<br />

Fehlentwicklungen eher auf makroprudenzielle<br />

Maßnahmen zurückgegriffen werden. 17<br />

Zudem existieren Pläne zur Wiedererhebung der<br />

Vermögensteuer, die nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

ausgesetzt wurde. Neben der einnahmeseitigen<br />

Konsolidierung werden mit Vermögensteuern<br />

im allgemeinen Umverteilungsziele<br />

verfolgt. Eine Erhöhung des bereits durch die progressive<br />

Lohnsteuer realisierten Umverteilungsvolumens<br />

ist allokationspolitisch jedoch problematisch.<br />

Zum einen mindert die Vermögensteuer die Kapitalrendite<br />

der Unternehmen und kann auf diese Weise<br />

die Investitionstätigkeit dämpfen. Alternativ könnten,<br />

im Falle einer Steuerüberwälzung, Preiserhöhungen<br />

oder (Real-)Lohnsenkungen die Folge sein. 18 Auch<br />

hierdurch würde letztlich der Produktionszuwachs<br />

geschmälert. 19 Zum anderen ginge die Erhebung ei-<br />

16 Vgl. z. B. Allen, F.; Gale, D.: Bubbles and Crises, in: The<br />

Economic Journal, Vol. 110 (460), 2000, 236-255. – Akerlof,<br />

G. A.; Shiller, R. J.: Animal Spirits. Princeton University<br />

Press: Princeton 2008.<br />

17 Vgl. Arbeitskreis <strong>Konjunktur</strong> des IWH, Kiel Economics:<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>: Eurokrise nimmt deutscher <strong>Konjunktur</strong><br />

den Wind aus den Segeln, in: IWH, Wirtschaft im Wandel,<br />

Jg. 18 (8-9), 2012, 228-258.<br />

18 Selbst wenn Privatvermögen erst ab einer bestimmten<br />

Höhe besteuert wird und selbst genutzte Immobilien nicht<br />

besteuert werden, ist beispielsweise zu be<strong>für</strong>chten, dass<br />

Immobiliengesellschaften die durch die Vermögensteuer<br />

entstehenden Zusatzbelastungen in die Mieten überwälzen.<br />

19 Häufig wird zudem argumentiert, dass Vermögensteuern<br />

substanzvernichtende Wirkungen haben können, wenn die<br />

besteuerten Unternehmen keine Gewinne erwirtschaften<br />

und die Steuer durch die Auflösung von Vermögensbeständen<br />

finanzieren müssen. Die derzeitigen Planungen sehen<br />

jedoch vor, nur profitable Unternehmen zu besteuern.<br />

42<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


ner Vermögensteuer mit einer Art Doppelbesteuerung<br />

einher, wenn Vermögen, das aus erwirtschaftetem<br />

und bereits besteuertem Einkommen entstanden<br />

ist, nochmals besteuert wird. Die häufig geforderte<br />

Verschonung von Betriebsvermögen durch die<br />

Trennung vom Privatvermögen dürfte – insbesondere<br />

bei Familienbetrieben – nur mit erheblichem<br />

Aufwand umzusetzen sein. Letztlich verfügen gerade<br />

größere, international aufgestellte Unternehmen<br />

über Möglichkeiten, die Besteuerung von Vermögen<br />

durch Ausweichreaktionen zu umgehen, zumal<br />

in Europa nur noch in Frankreich, Norwegen und<br />

der Schweiz Vermögensteuern erhoben werden. In<br />

vielen anderen europäischen Ländern wurden Vermögensteuern<br />

im vergangenen Jahrzehnt abgeschafft.<br />

Finanzpolitische Implikationen<br />

Abschließend lässt sich festhalten, dass der grundsätzlich<br />

positiv zu bewertende Ausgleich des gesamtstaatlichen<br />

Haushalts in Deutschland im Jahr<br />

2012 Sonderfaktoren unterlag. Hier ist zum einen<br />

die Verringerung des Schuldendienstes durch die<br />

historisch niedrige Verzinsung deutscher Staatsschuldtitel<br />

zu nennen, und zum anderen die Zuwächse<br />

beim Steueraufkommen durch die inflationsbedingte<br />

Verschärfung der Einkommensteuerlast.<br />

Unter Berücksichtigung des Prinzips der Vorsicht<br />

muss darauf hingewiesen werden, dass sowohl die<br />

günstige Verzinsung als auch die kalte Progression<br />

keinen langfristigen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung<br />

leisten. Grundsätzlich betrachtet, könnte<br />

eine konsequente Beseitigung der kalten Progression<br />

durch eine Indexierung der Tarifparameter die<br />

langfristige Effektivität der Schuldenbremse sogar<br />

steigern. Ein indexierter Steuertarif, der fiskalischer<br />

Illusion auf Seiten der Steuerzahler vorbeugt<br />

und die gegenwärtigen Zyklen bei den Steuereinnahmen<br />

beseitigt, steigert nämlich nachhaltig die<br />

Berechenbarkeit und Transparenz staatlicher Konsolidierungspolitik.<br />

Eine einnahmeseitige Konsolidierung<br />

durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer<br />

und einer Vermögenssteuer ist aus ökonomischer<br />

Sicht kritisch zu beurteilen. Die Akzeptanz<br />

einer Finanztransaktionssteuer in Deutschland und<br />

anderen europäischen Staaten wird nicht zuletzt<br />

davon abhängen, inwieweit positive Lenkungseffekte<br />

auf den Finanzmärkten zu erwarten sind.<br />

Zukünftige Konsolidierungserfolge können in Zeiten<br />

mit weniger günstigen Rahmenbedingungen<br />

daher wohl nur durch eine stärkere Rückführung<br />

der Ausgaben erreicht werden.<br />

Zur Staatsschuldenkrise Griechenlands<br />

und der Rolle der Geldpolitik<br />

Lösungsverweigerung in der Griechenlandkrise<br />

gefährdet Stabilität von Geld- und Finanzpolitik<br />

Während sich viele wirtschaftspolitische Berater<br />

immer wieder <strong>für</strong> einen Schuldenschnitt als notwendige<br />

Maßnahme zur Überwindung der Krise in<br />

Griechenland ausgesprochen haben, verfolgt die<br />

Politik weiterhin einen anderen Kurs. Die begrenzte<br />

Größe der griechischen Wirtschaft mag eine Erklärung<br />

da<strong>für</strong> sein, dass auch eine anhaltende Krise in<br />

Griechenland <strong>für</strong> den Rest der Europäischen Union<br />

„tragfähig“ erscheint. In der Tat vermag die anhaltend<br />

tiefe Rezession der griechischen Wirtschaft<br />

die <strong>Konjunktur</strong> in Deutschland kaum mehr zu tangieren<br />

– die Krisen in anderen Ländern, vor allem<br />

in Spanien und Italien, wirken sich viel stärker aus.<br />

Ein anderer Grund könnte sein, dass die europäischen<br />

Regierungen hoffen, mit der andauernden<br />

Abhängigkeit Griechenlands von Hilfen ein hohes<br />

Maß an Einflussnahme auf den Reformprozess zu<br />

wahren. Allerdings könnte die Einflussnahme auch<br />

nach einem Schuldenschnitt gewährleistet bleiben.<br />

Zudem treten die zu erwartenden geldpolitischen<br />

und finanzpolitischen Kosten der ungelösten Krise<br />

in Griechenland immer stärker zutage.<br />

Während des Sommers 2012 wartete die Öffentlichkeit<br />

auf den Bericht der Troika aus Europäischer<br />

Kommission, Europäischer Zentralbank und<br />

Internationalem Währungsfonds, da die politischen<br />

Entscheidungsträger nur auf Grundlage dieses Berichtes<br />

das weitere Vorgehen beschließen wollten.<br />

Die immer wieder neuen Verzögerungen bei der<br />

Berichtserstellung führten nicht nur in Griechenland<br />

zu Verunsicherung. Seit dem 12. November<br />

2012 liegt der Bericht den Entscheidungsträgern<br />

vor. 20 Auf dessen Grundlage beschloss die Eurogruppe<br />

am 27. November 2012 grundsätzlich, die<br />

nächste Tranche des zweiten Rettungspakets <strong>für</strong><br />

Griechenland in Höhe von 43,7 Mrd. Euro auszuschütten.<br />

Zusätzlich wurde eine Reihe von Maßnahmen,<br />

die die Nachhaltigkeit der Staatsschulden<br />

in Griechenland sichern sollen, beschlossen. 21<br />

Der Troika-Bericht konstatiert die Verzögerungen<br />

bei den Reformen im Zuge der Parlamentswahlen<br />

in Griechenland, die aufgrund schwieriger<br />

Regierungsbildung die Handlungsfähigkeit be-<br />

20 Siehe Bundestagsdrucksache 17-11649, 28.11.2012.<br />

21 Siehe Erklärung der Euro-Gruppe vom 27.11.2012:<br />

http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/press<br />

data/en/ecofin/133857.pdf.<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 43


grenzten. Allerdings bestätigen die Prüfer nun die<br />

Erfüllung der wesentlichen Bedingungen. Zugleich<br />

entwickelte sich die griechische Wirtschaft jedoch<br />

deutlich schlechter als noch im Frühjahr von der<br />

Troika prognostiziert. Folglich wurden die bisherigen<br />

Programmziele, insbesondere das Erzielen eines<br />

Primärüberschusses von 4,5% im Jahr 2014 und<br />

die Erreichung eines Schuldenstandes von 120% in<br />

Relation zum Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020,<br />

als nicht haltbar angesehen. Entsprechend wurde<br />

die Zielerreichung auf die Jahre 2016 beziehungsweise<br />

2022 vertagt.<br />

Rückkaufprogramm <strong>für</strong> Staatsschulden reicht<br />

nicht aus<br />

Die nunmehr grundsätzlich beschlossene Auszahlung<br />

der zweiten Tranche in Höhe von 43,7 Mrd.<br />

Euro soll in Teilen erfolgen. Der Löwenanteil in<br />

Höhe von 34,4 Mrd. Euro soll am 13.12.2012 freigegeben<br />

werden. Allerdings muss zuvor die Schuldentragfähigkeitsanalyse<br />

aufgrund eines bis dahin<br />

abzuschätzenden Ertrags aus einem Rückkaufprogramm<br />

<strong>für</strong> Staatsschuldtitel überarbeitet werden.<br />

Das Rückkaufprogramm wurde als wichtigste zusätzliche<br />

Maßnahme beschlossen. Die griechische<br />

Regierung bot dazu ihren privaten Gläubigern einen<br />

Umtausch ihrer Staatsschuldtitel an. Diese werden<br />

zu einem Kurs in der Höhe von 30% bis 40% des<br />

Nennwertes aus Mitteln der dann freizugebenden<br />

Teiltranche in Höhe von etwa zehn Mrd. Euro zurückgekauft.<br />

Damit reduziert sich die Verschuldung<br />

um ca. 20 Mrd. Euro (oder 6% in Relation<br />

zum Bruttoinlandsprodukt). Während die Reduktion<br />

des Schuldenstandes zu begrüßen ist, offenbart<br />

der Erfolg des Rückkaufprogramms auch die anhaltenden<br />

Probleme. Da es sich hierbei nicht um<br />

einen einseitig erklärten Ausfall, sondern um eine<br />

freiwillige Transaktion handelt, lässt sich aus dem<br />

Erfolg des Programms schließen, dass an den<br />

Märkten weiter mit einem Schuldenschnitt gerechnet<br />

wird. Wären die Marktteilnehmer davon ausgegangen,<br />

dass der Rückkauf und die damit ausgelösten<br />

weiteren Hilfszahlungen die Zahlungsunfähigkeit<br />

abwenden könnten, dann hätten sie die<br />

Papiere zum angebotenen Preis nicht verkauft. Bedenklich<br />

ist zudem, dass die Transaktion zwar die<br />

Schuldenlast <strong>für</strong> den Staat mindert, gleichzeitig<br />

aber zur Realisierung von Verlusten aus dem Erwerb<br />

griechischer Staatsanleihen <strong>für</strong> die griechischen<br />

Banken und damit zu einer Verschiebung des<br />

Problems in diesen Sektor führt. Der Erfolg des<br />

Rückkaufprogramms ermöglicht nun jedoch die<br />

Auszahlung der ersten Teiltranche. Die verbleibenden<br />

Mittel der Tranche sollen nach weiteren Prüfungen<br />

im ersten Quartal <strong>2013</strong> freigegeben werden.<br />

Weitere Maßnahmen führen kaum zu Entlastungen<br />

Neben dem Rückkaufprogramm sind weitere neue<br />

Maßnahmen vorgesehen, um die Tragfähigkeit der<br />

Staatsverschuldung in Griechenland zu verbessern:<br />

Die Zinsen auf Hilfen aus dem ersten – noch<br />

bilateral organisierten – Rettungspaket werden um<br />

100 Basispunkte gesenkt (allerdings nicht <strong>für</strong> die<br />

Anteile von Ländern, die nunmehr selbst Hilfen<br />

beziehen). Diese Reduktion senkt den durchschnittlich<br />

zu zahlenden Zins auf griechische Staatsschulden<br />

um 0,17 Prozentpunkte. Das bedeutet eine jährliche<br />

Einsparung von 0,5 Mrd. Euro gegenüber der<br />

bisherigen Planung.<br />

Die Kreditzinsen aus dem zweiten Rettungspaket,<br />

das durch die Europäische Finanzmarktstabilisierungsfazilität<br />

(EFSF) bereitgestellt wird, werden <strong>für</strong><br />

zehn Jahre gestundet. Allerdings werden die gestundeten<br />

Zinszahlungen ebenfalls verzinst, sodass<br />

längerfristig keine positiven Auswirkungen auf die<br />

Schuldentragfähigkeit erwartet werden können, es<br />

reduziert sich lediglich der <strong>aktuell</strong>e Finanzierungsbedarf.<br />

Wirksam ist jedoch der Erlass von Avalgebühren<br />

auf die EFSF-Kredite in Höhe von 0,1<br />

Prozentpunkten. Daraus ergeben sich Einsparungen<br />

in Höhe von etwa 0,1 Mrd. Euro pro Jahr.<br />

Zudem sollen griechische Banken Maßnahmen<br />

zur Erhöhung des Eigenkapitals ergreifen. Davon<br />

erhofft sich die Troika eine Reduktion der notwendigen<br />

Unterstützung <strong>für</strong> den Bankensektor. Dies soll<br />

kurzfristig zu Einsparungen in Höhe von 0,6 Mrd.<br />

Euro (0,3% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt)<br />

führen.<br />

Die durch die EZB realisierten Gewinne aus dem<br />

nunmehr auslaufenden Anleihenaufkaufprogramm<br />

(SMP), die sich sowohl aus Zinszahlungen als auch<br />

Rückzahlungen aus gehaltenen griechischen Staatsschuldtiteln<br />

ergeben, sollen an Griechenland transferiert<br />

werden. Die Troika setzt hier <strong>für</strong> die Jahre<br />

2012 bis 2016 zusätzliche Einnahmen in Höhe von<br />

7,1 Mrd. Euro (3,6% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt)<br />

an und geht dabei davon aus, dass die kompletten<br />

Gewinne an Griechenland transferiert werden.<br />

Weitere Maßnahmen umfassen die Verschiebung<br />

der noch im Frühjahr geplanten Reduktion<br />

der Bestände an kurzlaufenden Staatsschuldtiteln<br />

(T-Bills), der gegenüber der ursprünglichen Planung<br />

verzögerte Aufbau eines Liquiditätspuffers und die<br />

Laufzeitverlängerungen von Krediten aus den bei-<br />

44<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


den Rettungspaketen. Diese Maßnahmen wirken<br />

lediglich aufschiebend, senken den kurzfristigen<br />

Finanzierungsbedarf, haben aber auf die langfristige<br />

Schuldentragfähigkeit nur begrenzten Einfluss.<br />

Schuldentragfähigkeit in Griechenland weiterhin<br />

nicht gegeben<br />

Zur Ermittlung der Schuldentragfähigkeit wird<br />

eine statische Projektion der Schuldenstände verwendet.<br />

22 Dazu werden folgende Annahmen getroffen.<br />

Ausgangspunkt ist der <strong>aktuell</strong>e Schuldenstand<br />

von 345 Mrd. Euro. Dieser wird um die jetzt<br />

anfallenden Einsparungen in Höhe von 11,6 Mrd.<br />

Euro (elf Mrd. Euro aus dem Rückkaufprogramm,<br />

0,6 Mrd. Euro aus der verringerten Bankenhilfe)<br />

reduziert. Die Zins- und Gebührenreduktionen<br />

werden bei der Abschätzung des jährlich durchschnittlich<br />

zu zahlenden Zinssatzes berücksichtigt.<br />

Der Transfer der EZB-Gewinne reduziert die von<br />

der Troika erwarteten Primärdefizite bis zum Jahr<br />

2015 um jährlich einen Prozentpunkt. Der Anstieg<br />

des realen Bruttoinlandsproduktes ist wie von der<br />

Troika erwartet ab dem Jahr <strong>2013</strong> wieder positiv<br />

und beschleunigt sich bis zum Jahr 2016 auf 3,7%.<br />

Das gesamtwirtschaftliche Preisniveau steigt wie<br />

von der Troika erwartet noch im Jahr <strong>2013</strong> und<br />

mündet dann in eine Deflation, die bis zum Jahr<br />

2020 anhält. Daraus ergeben sich bei dieser rein<br />

statischen Projektion Schuldenstände in Höhe von<br />

163% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt im<br />

Jahr 2020 und in Höhe von 150% in Relation zum<br />

Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2022. Nach dieser<br />

Projektion wäre die Zielgrenze von 120% in Relation<br />

zum Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2027 erreicht.<br />

Allerdings kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon<br />

ausgegangen werden, dass eine Verschuldung<br />

in dem projektierten Umfang in Griechenland nicht<br />

bis ins Jahr 2017 trägt. Der Schuldenstand Griechenlands<br />

ist auch nach den beschlossenen Maßnahmen<br />

deutlich zu hoch. Die Programmmittel aus<br />

dem zweiten Rettungspaket sind im Jahr 2014 erschöpft.<br />

Danach müsste die Finanzierung wieder<br />

über den Markt erfolgen. Es ist aber nicht absehbar,<br />

wie der Marktzugang gelingen soll.<br />

Geldpolitik: Staatsfinanzierung stoppen<br />

Je länger die griechische Staatsschuldenkrise verschleppt<br />

wird, desto höher werden die Kosten <strong>für</strong><br />

22 Zum Vorgehen siehe Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose,<br />

a. a. O. München, 62 ff.<br />

die europäische Finanz- und Geldpolitik. Geldpolitisch<br />

relevant ist vor allem die Ankündigung, dass<br />

die Finanzierung Griechenlands durch kurzlaufende<br />

Staatsschuldpapiere (so genannte T-Bills) nicht<br />

– wie noch im März vorgesehen – reduziert werden<br />

soll. Im Gegensatz dazu erhöhten sich diese Bestände<br />

an kurzlaufenden Staatsschuldpapieren im<br />

Jahr 2012 deutlich. Die Europäische Kommission<br />

geht davon aus, dass durch den Fortbestand der T-<br />

Bill-Finanzierung die Finanzierungslücke in Griechenland<br />

um neun Mrd. Euro in den Jahren 2012<br />

bis 2014 sinkt. Die geldpolitische Bedeutung wird<br />

dann klar, wenn man sich verdeutlicht, wie diese<br />

T-Bills platziert werden. Die nationalen Notenbanken<br />

haben im Eurosystem die Möglichkeit, Banken<br />

mit Notkrediten zu versorgen, <strong>für</strong> die Sicherheiten<br />

akzeptiert werden, die <strong>für</strong> normale Refinanzierungsgeschäfte<br />

nicht infrage kommen, z. B. griechische<br />

T-Bills. Die EZB hat dabei ein Vetorecht. Die <strong>für</strong><br />

notleidende Banken vorgesehenen Möglichkeiten<br />

werden im Fall Griechenlands nunmehr zur direkten<br />

Staatsfinanzierung durch die Notenbank verwendet.<br />

Der griechische Staat gibt an die griechischen<br />

Banken T-Bills aus, die Banken hinterlegen die T-<br />

Bills bei der griechischen Notenbank als Sicherheiten<br />

<strong>für</strong> Notkredite. Mit diesem Notenbankgeld<br />

können die griechischen Banken den Staat <strong>für</strong> die<br />

ausgegebenen T-Bills bezahlen. Für die Banken<br />

ergibt sich ein Gewinn in Höhe der Zinsdifferenz<br />

zwischen T-Bill und Notkreditzins; der Staat kann<br />

sich über ein Papier finanzieren, das zu diesen<br />

Konditionen am Markt unverkäuflich wäre. Während<br />

die große T-Bill/Notkreditaktion im August<br />

2012 noch mit dem verzögerten Troika-Bericht<br />

und der dringend notwendigen Zwischenfinanzierung<br />

bis zu einer Lösung der Krise durch die europäischen<br />

Länder und den IWF (wenn auch als Sündenfall)<br />

hinzunehmen war, so wird jetzt deutlich,<br />

dass das Eurosystem durch Duldung dieser Refinanzierungsgeschäfte<br />

dauerhaft in die Staatsfinanzierung<br />

einsteigt. Aus guten Gründen ist der EZB<br />

die direkte Staatsfinanzierung jedoch untersagt,<br />

und auch Umgehungstatbestände sollten auf jeden<br />

Fall vermieden werden. Zwar dürften die unmittelbaren<br />

Auswirkungen der Notkredite in Griechenland<br />

auf die Preisentwicklung im Euroraum sehr<br />

begrenzt sein, aber der Tabubruch weckt Begehrlichkeiten<br />

in anderen Ländern und gefährdet damit<br />

schon mittelfristig die geldpolitische Stabilität.<br />

Diese Notkreditpraxis des Eurosystems sollte deshalb<br />

sofort eingestellt werden – auch weil dadurch<br />

die Lösung der Krise weiter verschleppt und die<br />

Risiken <strong>für</strong> die Steuerzahler verschleiert werden.<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 45


Finanzpolitik: Kosten der Griechenlandkrise jetzt<br />

berücksichtigen<br />

Im Bereich der deutschen Finanzpolitik werden<br />

derzeit die haushälterischen Mindereinahmen aus<br />

den <strong>aktuell</strong>en Beschlüssen zu Griechenland diskutiert.<br />

Hier geht es lediglich darum, inwieweit die<br />

Gewinne aus den Rettungsmaßnahmen <strong>für</strong> Griechenland<br />

sinken. Diese Diskussion ignoriert, dass<br />

die eigentliche Belastung <strong>für</strong> den Haushalt in der<br />

Abschreibung von Krediten an Griechenland besteht,<br />

die im Zuge eines notwendigen Schuldenschnittes<br />

fällig werden. Geht man davon aus, dass<br />

die bisher im Rahmen der beiden Rettungspakete<br />

geleisteten Zahlungen ausfallen, was den Schuldenstand<br />

Griechenlands unmittelbar auf 112% in<br />

Relation zum Bruttoinlandsprodukt senken würde,<br />

dann kämen auf den deutschen Staatshaushalt Belastungen<br />

in Höhe von 36,7 Mrd. Euro zu. Dabei<br />

wird angenommen, dass sowohl die Kredite vom<br />

IWF als auch die Staatsanleihen, die von der EZB<br />

gehalten werden, weiter bedient werden. Belastungen<br />

in mindestens dieser Höhe sollten bei der<br />

Haushaltsplanung bereits jetzt berücksichtigt werden.<br />

Es ist dabei unerheblich, ob die notwendige<br />

Reduktion der griechischen Schulden dann letztendlich<br />

Schuldenschnitt genannt wird oder durch<br />

anderweitige Zuwendungen geschieht. Die Berücksichtigung<br />

der Kosten verschärft die derzeit aufgrund<br />

von Sonderfaktoren recht positiv anmutende<br />

Haushaltssituation nachhaltig (siehe Abschnitt „Zur<br />

deutschen Finanzpolitik“). Eine weitere Verzögerung<br />

der Krisenlösung mit neuen Krediten führt zu<br />

immer weiter steigenden Kosten auch <strong>für</strong> den deutschen<br />

Steuerzahler. Dies ist vor allem deshalb der<br />

Fall, weil die andauernde Unsicherheit über die<br />

Umsetzung des unausweichlichen Schuldenschnitts<br />

den wirtschaftlichen Wiederaufbau Griechenlands<br />

und damit die Reduktion des Schuldenstandes in<br />

Relation zum Bruttoinlandsprodukt verzögert. Damit<br />

sinkt die Effektivität der eingesetzten Hilfsgelder<br />

mit der Dauer der Krise. Ferner belastet die<br />

fortbestehende Unsicherheit auch die konjunkturelle<br />

Dynamik. Zudem führt der anhaltende Ersatz<br />

von privaten Gläubigern durch öffentliche Gläubiger<br />

dazu, dass im Falle eines künftigen Schuldenschnittes<br />

der durch die öffentlichen Gläubiger zu<br />

tragende Anteil immer weiter steigt.<br />

Was jetzt zu tun ist<br />

Die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung in Griechenland<br />

kann nur dadurch wiederhergestellt werden,<br />

dass die Staatsverschuldung spürbar sinkt. Dies<br />

gelingt nicht, indem neue Kredite vergeben werden.<br />

Vielmehr müssen die privaten und öffentlichen<br />

Gläubiger Griechenlands auf einen Teil ihrer Forderungen<br />

verzichten. 23 Da ein europäischer Insolvenzmechanismus<br />

noch nicht installiert wurde, muss <strong>für</strong><br />

den Schuldenschnitt eine Einzelfallregelung unter<br />

Beteiligung der öffentlichen Gläubiger getroffen<br />

werden. Da der IWF aufgrund seiner Senioritätsregeln<br />

kaum an einem Schuldenschnitt teilnehmen<br />

dürfte und auch die EZB dazu nicht eingespannt<br />

werden sollte, bleiben die bilateralen öffentlichen<br />

Gläubiger aus dem ersten Hilfspaket, der EFSF <strong>für</strong><br />

das zweite Hilfspaket sowie die privaten Gläubiger.<br />

Die Eurogruppe sollte deshalb mit Griechenland<br />

die Modalitäten <strong>für</strong> den Schuldenschnitt verhandeln.<br />

Er sollte so umfangreich sein, dass der<br />

Gesamtschuldenstand dadurch auf ein Maß sinkt,<br />

das eine dauerhaft nachhaltige Staatsfinanzierung<br />

ermöglicht. Der enorme Reputationsverlust Griechenlands<br />

durch den dann zweiten Schuldenschnitt<br />

in Folge sollte durch die Euroländer durch die an<br />

Bedingungen geknüpfte Übernahme von Garantien<br />

bei der Emission von neuen griechischen Staatsschuldpapieren<br />

abgemildert werden, um den Marktzugang<br />

schnell wiederherzustellen. Die bedingte<br />

Gewährung von Garantien ermöglicht den europäischen<br />

Partnerländern, auch weiterhin Einfluss auf<br />

die Reformen in Griechenland zu nehmen.<br />

Zudem sollte die europäische Wirtschaftspolitik<br />

jetzt – nach dem Ergreifen vielfältigster Maßnahmen<br />

zur Verbesserung der Überwachung und zur<br />

Stabilisierung des Bankensystems – auch Maßnahmen<br />

zur <strong>Institut</strong>ionalisierung eines Verfahrens zum<br />

Umgang mit Staatsinsolvenzen in der Währungsunion<br />

angehen. 24 Mit dessen Hilfe könnte nicht nur<br />

der Umgang mit Staatsinsolvenzen deutlich verbessert<br />

und vereinfacht werden. Es würde zudem ein<br />

Instrument geschaffen, dass eine Risikobeurteilung<br />

bezüglich der Solvenz von Staaten erleichtert. Dadurch<br />

reduziert sich die Unsicherheit, und eine<br />

effektive Marktsanktionierung wäre möglich.<br />

23 Warum ein substanzieller Schuldenschnitt vorteilhaft ist,<br />

wurde schon in Dietrich, D.; Holtemöller, O.; Linder, A.:<br />

Wege aus der Schulden- und Vertrauenskrise in der Europäischen<br />

Wirtschafts- und Währungsunion, in: IWH,<br />

Wirtschaft im Wandel Jg. 16 (8), 2010 beschrieben.<br />

24 Vgl. Holtemöller, O.; Knedlik, T.: Prävention und Management<br />

von Staatsinsolvenzen in der Europäischen Währungsunion,<br />

in: Wirtschaftsdienst, Jg. 91 (3), 2011, 173-178.<br />

46<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


IWH, <strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>, S. 47-50<br />

IWH-Bauumfrage zum Jahresauftakt <strong>2013</strong>:*<br />

Nach schwachem Produktionsverlauf im Jahr 2012 wieder große<br />

Zuversicht im Hoch- und Ausbau<br />

Brigitte Loose<br />

Im Jahr 2012 hat die Bauproduktion in Ostdeutschland einen Rückschlag erlitten. Verantwortlich ist eine<br />

rückläufige Nachfrage im Wirtschaftsbau und im öffentlichen Bau, was zum einen der im Jahr 2012 weltweit<br />

schwachen <strong>Konjunktur</strong> und zum anderen dem Auslaufen der <strong>Konjunktur</strong>pakete im Jahr 2011 geschuldet sein<br />

dürfte. Zudem hat sich im Jahresverlauf die außergewöhnlich hohe Nachfrage in Wohnungsneubau und -ausbau<br />

normalisiert. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Ertragslage der Bauunternehmen <strong>für</strong> das Jahr 2012<br />

wider, die sich alles in allem etwas ungünstiger darstellt als noch vor einem Jahr.<br />

Für das Jahr <strong>2013</strong> ist die Stimmung unter den vom IWH befragten Unternehmen verhalten optimistisch.<br />

Insgesamt überwiegen bei den Umsatzerwartungen <strong>für</strong> das Baugewerbe die Hoffnungen auf eine Expansion<br />

gegenüber der Furcht vor Rückgängen. Es zeigt sich allerdings eine deutliche Spreizung zwischen den Sparten.<br />

Sie reicht von einem eindeutigen Übergewicht expansionsgewillter Unternehmen im Ausbau bis zu einem klaren<br />

Übergewicht von Firmen mit rückläufigen Umsatzerwartungen im Tiefbau.<br />

Ansprechpartnerin:<br />

JEL-Klassifikation:<br />

Schlagwörter:<br />

Brigitte Loose (Brigitte.Loose@iwh-halle.de)<br />

L74<br />

Ostdeutschland, Baugewerbe, <strong>Konjunktur</strong>, Investitionen, Handwerk<br />

Das hohe Niveau vom Jahreswechsel 2011/2012<br />

konnte nicht gehalten werden<br />

Zum Jahresende 2011 war es angesichts einer über<br />

alle Sparten reichenden hohen Nachfrage und eines<br />

im längerfristigen Vergleich außerordentlich milden<br />

Winters zu deutlichen Zuwächsen bei der Bauproduktion<br />

gekommen. Im Verlauf des Jahres 2012<br />

konnte diese hohe Dynamik allerdings nicht gehalten<br />

werden (vgl. Abbildung 1). Einen erheblichen<br />

Einbruch der Bauleistungen gab es im Wirtschaftsbau<br />

und im öffentlichen Bau. Die gewerbliche<br />

Wirtschaft hielt sich angesichts der Eurokrise und<br />

der weltweiten <strong>Konjunktur</strong>abschwächung mit Investitionen<br />

zurück. Die öffentlichen Haushalte reduzierten<br />

mit dem Auslaufen der <strong>Konjunktur</strong>pakete<br />

ihre Aufträge deutlich. Zudem hat sich im Jahresverlauf<br />

die außergewöhnlich hohe Nachfrage im<br />

Wohnungsneubau und -ausbau, die durch die gestiegenen<br />

Einkommen, die niedrigen Zinsen und<br />

∗ Neben den regelmäßigen <strong>Konjunktur</strong>daten erhebt das IWH<br />

zum Jahresende bei ca. 300 Unternehmen auch Daten zur<br />

Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung <strong>für</strong> das abgelaufene<br />

und zu den Erwartungen <strong>für</strong> das neue Kalenderjahr,<br />

u. a. zur regionalen Absatzstruktur und zur Ertrags- und<br />

Liquiditätssituation. Dieser Beitrag wurde bereits als IWH-<br />

Pressemitteilung 2/<strong>2013</strong> am 16. Januar <strong>2013</strong> veröffentlicht.<br />

Abbildung 1:<br />

Umsatz und Geschäftslage des Baugewerbes der<br />

Neuen Bundesländer<br />

- preis- und saisonbereinigt, Abweichung vom Trend<br />

in % -<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

-2<br />

-4<br />

-6<br />

-8<br />

1. Qu.<br />

2007<br />

1. Qu.<br />

2008<br />

1. Qu.<br />

2009<br />

1. Qu.<br />

2010<br />

1. Qu.<br />

2011<br />

Umsatz Bauhauptgewerbe<br />

Umsatz Ausbaugewerbe<br />

dar. Umsatz Wohnungsbau<br />

Geschäftslage Baugewerbe<br />

1. Qu.<br />

2012<br />

IWH<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt; Bauumfragen des IWH;<br />

Berechnungen und Darstellung des IWH.<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

-5<br />

-10<br />

-15<br />

-20<br />

-25<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 47


durch die geringe Attraktivität anderweitiger Anlagemöglichkeiten<br />

getrieben war, weitgehend normalisiert.<br />

Laut amtlicher Statistik befand sich hier das<br />

Umsatzniveau im Herbst in etwa auf dem Trendniveau.<br />

Zum Jahresende 2012 dürfte sich die Abwärtsbewegung<br />

alles in allem aber etwas abgeflacht<br />

haben, wie der Indikator der vom IWH durchgeführten<br />

Bauumfragen 1 signalisiert. Zwar haben die<br />

Unternehmen und die öffentlichen Haushalte wohl<br />

weiterhin nur sehr verhalten investiert, die Bauleistungen<br />

im Wohnungsbau dürften dagegen zuletzt<br />

wieder zugenommen haben. Darauf deuten<br />

auch die Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe,<br />

die wieder aufwärtsgerichtete Umsatztendenz im<br />

Ausbaugewerbe und die Baugenehmigungen hin.<br />

Zusätzliche Impulse von der gestiegenen Wohnungsbaunachfrage<br />

in den Alten Ländern ergaben sich<br />

aber laut Umfrage nicht. Da das westdeutsche Baugewerbe<br />

aufgrund der schwachen gewerblichen und<br />

öffentlichen Impulse Baukapazitäten in den Wohnungsbau<br />

umleiten konnte, sind die Bauleistungsströme<br />

von Ost nach West im Wesentlichen auf<br />

dem Niveau des Vorjahres verblieben. Im Jahr 2012<br />

insgesamt wird die Bauproduktion in den ostdeutschen<br />

Flächenländern einen deutlichen Rückgang<br />

gegenüber dem Vorjahr vollzogen haben. Nur 35%<br />

der Unternehmen haben ihre Produktion ausweiten<br />

können, während 44% Verluste gegenüber dem<br />

Vorjahr hinnehmen mussten. Reichlich ein Fünftel<br />

konnte die Produktion stabil halten. Die vor Jahresfrist<br />

geäußerten Erwartungen haben sich damit<br />

nicht erfüllt. Das trifft vor allem <strong>für</strong> den Tiefbau<br />

zu; hier haben 56% der Unternehmen Umsatzrückgänge<br />

zu verbuchen, erwartet hatte dies nur etwa<br />

ein Viertel.<br />

Ertragssituation hat sich im Jahr 2012 etwas verschlechtert<br />

Im Schlepptau der schwächeren <strong>Konjunktur</strong> stellte<br />

sich auch die Ertragslage der ostdeutschen Bauunternehmen<br />

im Jahr 2012 nicht mehr so gut dar<br />

wie ein Jahr zuvor (vgl. Tabelle 1). Der Anteil der<br />

Unternehmen mit Gewinn reduzierte sich von 70%<br />

auf 66%. Eine Kreuztabellierung der Ertragslage<br />

von 2010 bis 2012 zeigt die Übergänge zwischen<br />

den Ertragstypen. So ist den Unternehmen im Jahr<br />

2012 die Sicherstellung einer Gewinnsituation in<br />

deutlich geringerem Maße als im Jahr zuvor gelungen.<br />

Zudem konnten deutlich weniger Unternehmen<br />

mit zuvor kostendeckender bzw. verlust-<br />

1 Vgl. IWH-Pressemitteilung 1/<strong>2013</strong> vom 3. Januar <strong>2013</strong>.<br />

bringender Produktion den Aufstieg in den Gewinnbereich<br />

vollziehen (vgl. Tabelle 2). Mit 43%<br />

konnten auch außergewöhnlich viele Unternehmen<br />

nichts an ihrer Verlustsituation ändern.<br />

Tabelle 1:<br />

Entwicklung der Ertragslage in den Ende 2012<br />

befragten ostdeutschen Bauunternehmen<br />

- in % der befragten Unternehmen -<br />

2010 2011<br />

voraussichtlich<br />

2012<br />

Baugewerbe insgesamt<br />

Gewinn 61 70 66<br />

Kostendeckung 24 21 26<br />

Verlust 15 9 8<br />

dar.: Hochbau<br />

Gewinn 52 68 74<br />

Kostendeckung 30 23 17<br />

Verlust 18 9 9<br />

dar.: Tiefbau<br />

Gewinn 66 73 55<br />

Kostendeckung 25 19 38<br />

Verlust 9 8 6<br />

dar.: Ausbau<br />

Gewinn 63 70 69<br />

Kostendeckung 17 21 24<br />

Verlust 15 9 7<br />

jeweils insgesamt 100 100 100<br />

Fälle: 2010: 252; 2011: 257; 2012: 257.<br />

Quelle: IWH-Bauumfrage vom Dezember 2012.<br />

Tabelle 2:<br />

Veränderung der Ertragssituation im Zeitraum von<br />

2010 bis 2012 im Baugewerbe Ostdeutschlands<br />

- in % der Unternehmen gemäß der Ertragslage im Vorjahr<br />

-<br />

2011<br />

2010 Gewinn Kostendeckung Verlust<br />

Gewinn 90 6 4<br />

Kostendeckung 39 53 8<br />

Verlust 40 30 30<br />

insgesamt 70 21 9<br />

2012<br />

2011 Gewinn Kostendeckung Verlust<br />

Gewinn 84 14 2<br />

Kostendeckung 23 65 12<br />

Verlust 22 35 43<br />

insgesamt 66 26 8<br />

Fälle: 2010/2011: 251; 2011/2012: 254.<br />

Quelle: IWH-Bauumfrage vom Dezember 2012.<br />

48<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


Allerdings zeigen sich deutliche Unterschiede<br />

zwischen den Sparten. In erheblichem Maße verschlechterte<br />

sich die Ertragssituation im Tiefbaubereich,<br />

was wohl vor allem der Zurückhaltung der<br />

öffentlichen und gewerblichen Investoren geschuldet<br />

sein dürfte. Gewinnbringend produzierten hier<br />

nur 55% der Unternehmen, nach 73% im Vorjahr.<br />

Im Gegenzug nahm der Anteil der Betriebe mit<br />

kostendeckender Produktion zu. Die vorwiegend<br />

im Hochbau tätigen Unternehmen konnten dagegen<br />

ihre Ertragslage im Durchschnitt verbessern;<br />

im Ausbaubereich blieb die vergleichsweise gute<br />

Ertragsstruktur von knapp 50% unveränderten bzw.<br />

knapp 40% günstigeren Ertragsverhältnissen aus<br />

dem Jahr 2011 im Wesentlichen erhalten. Bei nur<br />

mäßig gestiegenen Rohstoffpreisen und immer noch<br />

trendmäßig steigender Nachfrage konnte in diesen<br />

beiden Bereichen eine deutliche Mehrheit nach wie<br />

vor zufriedenstellende Gewinne erwirtschaften.<br />

Die Liquiditätssituation der Unternehmen ist<br />

alles in allem gut und stellt sich gegenüber 2011<br />

sogar etwas günstiger dar. Im Durchschnitt des<br />

Jahres 2012 gehen zwei Drittel der Unternehmen<br />

von einer „guten“ bzw. „eher guten“ Bonität aus<br />

(2011: 61%). Im Spartenvergleich heben sich der<br />

Tiefbau mit einer unterdurchschnittlichen und der<br />

Ausbau mit einer überdurchschnittlich guten Finanzausstattung<br />

hervor.<br />

Das Zahlungsverhalten der Kunden hat sich im<br />

Vergleich zum Vorjahr nur etwas verschlechtert.<br />

Dies spiegelt sich in der Entwicklung der Forderungsverluste<br />

wider. So ist der Anteil der Unternehmen,<br />

die mit Forderungsausfällen von mehr als<br />

0,5% des Umsatzes zu kämpfen haben, mit 20% geringfügig<br />

gestiegen. Da<strong>für</strong> ist der Anteil der Unternehmen<br />

mit Einbußen aus Forderungen von bis zu<br />

0,5% im Verhältnis zum Umsatz leicht auf 45%<br />

gesunken. Der Anteil der Unternehmen, die von<br />

solchen Verlusten im Jahr 2011 generell verschont<br />

geblieben sind, ist mit einem Drittel in etwa auf<br />

Vorjahresniveau geblieben. Die Situation scheint<br />

im Tiefbau, wie bereits in den Jahren zuvor, am<br />

günstigsten zu sein. Hier klagen mit knapp 57% nur<br />

etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen über<br />

Forderungsverluste (2011: 55%). Im Hochbau betrifft<br />

dies 63%, wobei es hier aber zu einer leichten<br />

Verbesserung gegenüber dem Vorjahr gekommen<br />

ist (2011: 70%). Indessen weist im Ausbau nach<br />

wie vor ein erheblicher Teil der Unternehmen<br />

(74%) Forderungsausfälle aus, auch wenn eine<br />

leichte Rückbildung gegenüber Jahresfrist stattfand<br />

(2011: 78%).<br />

Wohnungsmodernisierung auch im Jahr <strong>2013</strong> an<br />

der Spitze<br />

Die Frage nach den Auftragstrends <strong>für</strong> das Jahr <strong>2013</strong><br />

zeigt, dass der Wohnungsmodernisierung wie bereits<br />

in den Jahren zuvor die besten Aussichten zugeschrieben<br />

werden (vgl. Abbildung 2), auch wenn<br />

die Aufwärtserwartung hier nicht mehr so dominiert<br />

wie im Jahr zuvor. So gehen 54% der Befragten<br />

von einer unverändert hohen und 20% von<br />

einer weiter zunehmenden Aktivität bei der Wohnungsmodernisierung<br />

aus (vor einem Jahr: knapp<br />

50% mit unveränderter bzw. knapp 40% mit steigender<br />

Tendenz). Dazu gehören sowohl erforderliche<br />

Instandhaltungsarbeiten als auch werterhöhende<br />

Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden,<br />

von denen vor allem die im Ausbau tätigen Unternehmen<br />

profitieren. Aber auch im Wohnungsneubau<br />

werden die Auftragsaussichten vergleichsweise<br />

gut bewertet: 49% der Unternehmen erwarten in<br />

etwa gleichbleibende Aufträge und 22% einen Anstieg.<br />

Damit ergibt sich hier sogar ein günstigeres<br />

Bild als im Vorjahr (2012: 43% mit unveränderter<br />

bzw. 24% mit steigender Tendenz). Dies kommt<br />

den Hochbauunternehmen und mit zeitlicher Verzögerung<br />

auch den Ausbauunternehmen zugute.<br />

Abbildung 2:<br />

Auftragstrends <strong>für</strong> das Jahr <strong>2013</strong><br />

- in % der befragten Unternehmen -<br />

Öffentlicher<br />

Bau<br />

Wohnungsneubau<br />

Wirtschaftsbau<br />

Wohnungsmodernisierung<br />

10<br />

6<br />

18<br />

1 12<br />

19<br />

Quelle: IWH-Bauumfrage vom Dezember 2012.<br />

23<br />

31<br />

IWH<br />

Die Nachfrage aus der gewerblichen Wirtschaft<br />

(Wirtschaftsbau) ist nach Meinung der befragten<br />

Unternehmen deutlich schwächer. Nur ein Sechstel<br />

der Unternehmen geht von weiter steigenden Auf-<br />

48<br />

44<br />

43<br />

39<br />

31<br />

19<br />

28<br />

10 2<br />

0 50 100<br />

deutlich fallend<br />

unverändert<br />

deutlich steigend<br />

etwas fallend<br />

etwas steigend<br />

8<br />

5<br />

3<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong> 49


Tabelle 3:<br />

Umsatz- und Beschäftigungserwartungen <strong>für</strong> <strong>2013</strong> im ostdeutschen Baugewerbe<br />

über<br />

5%<br />

Zunahme<br />

bis<br />

5%<br />

insgesamt<br />

Gleichstand<br />

insgesamt<br />

Abnahme<br />

bis<br />

5%<br />

über<br />

5%<br />

Saldo aus<br />

Zu- und<br />

Abnahme<br />

in % der Unternehmen je Bausparte<br />

Prozentpunkte<br />

Umsatzerwartungen <strong>für</strong> <strong>2013</strong> gegenüber 2012<br />

Bauhauptgewerbe 23 5 28 45 27 8 19 1<br />

dar.: Hochbau 26 4 30 47 23 5 18 7<br />

Tiefbau 19 7 26 41 33 12 21 −7<br />

Ausbaugewerbe 23 8 31 54 15 1 14 16<br />

Baugewerbe insgesamt 23 6 29 48 23 6 17 6<br />

Beschäftigungserwartungen <strong>für</strong> <strong>2013</strong> gegenüber Durchschnitt 2012<br />

Bauhauptgewerbe 12 3 15 64 21 9 12 −6<br />

dar.: Hochbau 15 3 17 63 20 6 14 −3<br />

Tiefbau 10 4 14 64 22 10 12 −8<br />

Ausbaugewerbe 18 1 19 69 12 4 8 7<br />

Baugewerbe insgesamt 3 14 17 65 18 7 11 −1<br />

Fälle: Umsatzerwartungen: n = 229, Beschäftigungserwartungen: n = 238.<br />

Quelle: IWH-Bauumfrage vom Dezember 2012.<br />

trägen aus. Ein Drittel erwartet angesichts der zwar<br />

aufwärtsgerichteten, aber immer noch schwachen<br />

Gesamtkonjunktur Auftragsrückgänge. Am ungünstigsten<br />

fallen die Trends im öffentlichen Bau aus,<br />

wo mehr als die Hälfte der Bauunternehmen von<br />

einer rückläufigen Produktion ausgeht. Hierin kommt<br />

wohl die Skepsis der Unternehmen zum Ausdruck,<br />

ob die ostdeutschen Gemeinden nach dem Auslaufen<br />

der <strong>Konjunktur</strong>programme und angesichts einer<br />

weit verbreiteten finanziellen Unterausstattung<br />

ihre Investitionstätigkeit wieder reaktivieren können.<br />

Ausbaugewerbe mit großer Zuversicht<br />

Hinsichtlich der Umsatzentwicklung im Jahr <strong>2013</strong><br />

sind die Unternehmen verhalten zuversichtlich: Im<br />

Baugewerbe insgesamt überwiegen die Unternehmen,<br />

die eine Umsatzexpansion erwarten, gegenüber<br />

denen, die mit Rückgängen rechnen. Der<br />

Saldo aus den beiden Entwicklungsrichtungen fällt<br />

mit +6 Prozentpunkten geringfügig besser aus als<br />

im Jahr zuvor. Dahinter verbirgt sich allerdings<br />

– anders als im Jahr 2012 – eine extreme Spreizung<br />

zwischen den Sparten (vgl. Tabelle 3). Sie<br />

reicht von einem eindeutigen Übergewicht expandierender<br />

Unternehmen im Ausbau (Saldo: +16<br />

Prozentpunkte) bis zu einem klaren Übergewicht<br />

schrumpfender Umsatzpläne im Tiefbau (Saldo: −7<br />

Prozentpunkte). Zwar werden im Hochbau mit<br />

knapp einem Drittel der Unternehmen ebenso häufig<br />

wie im Ausbau Umsatzsteigerungen anvisiert.<br />

Dem stehen im Ausbaubereich mit 15% aber deutlich<br />

weniger Unternehmen mit Umsatzeinbußen<br />

gegenüber als im Hochbau (23%). Dies dürfte der<br />

Tatsache geschuldet sein, dass ein Teil der Hochbauunternehmen<br />

weiterhin eine Zurückhaltung der<br />

gewerblichen und öffentlichen Investoren erwartet.<br />

Noch negativer hebt sich der Tiefbau ab: Etwa ein<br />

Fünftel der Unternehmen geht von Umsatzeinbußen<br />

von mehr als 5% und reichlich ein Zehntel von<br />

bis 5% aus.<br />

Bei der Beschäftigung deutet sich, bezogen auf<br />

den Personalbestand im Durchschnitt des Jahres<br />

2012, per saldo etwa ein Gleichgewicht der Unternehmen<br />

mit Personalabbau gegenüber denen mit<br />

Aufbau an (vgl. Tabelle 3). Die Spreizung zwischen<br />

den Sparten ähnelt weitgehend der bei der erwarteten<br />

Umsatzentwicklung. Das Ausbaugewerbe<br />

dürfte danach per saldo Beschäftigung aufbauen,<br />

im Hochbau sehen die Unternehmen dagegen einen<br />

geringfügigen und im Tiefbau einen etwas stärkeren<br />

Personalabbau vor. Den Salden nach zu urteilen,<br />

werden in allen Sparten <strong>für</strong> 2012 Produktivitätssteigerungen<br />

angesteuert.<br />

50<br />

<strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, Jg. 1 (1), <strong>2013</strong>


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Dr. Jutta Günther<br />

Prof. Dr. Oliver Holtemöller<br />

Dr. Herbert S. Buscher<br />

Dr. Hubert Gabrisch<br />

Prof. Dr. Martin T. W. Rosenfeld<br />

Redaktion: Dipl.-Volkswirt Tobias Henning<br />

Layout: Ingrid Dede<br />

Telefon: +49 345 7753 720/721<br />

Telefax: +49 345 7753 718<br />

E-Mail: Tobias.Henning@iwh-halle.de<br />

Verlag:<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Wirtschaftsforschung</strong> <strong>Halle</strong><br />

Kleine Märkerstraße 8, D-06108 <strong>Halle</strong> (Saale)<br />

Postfach: 110361, D-06017 <strong>Halle</strong> (Saale)<br />

Telefon: +49 345 7753 60<br />

Telefax: +49 345 7753 820<br />

Internet: http://www.iwh-halle.de<br />

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Bezugspreis:<br />

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Jahresbezug: 18,00 Euro<br />

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Beleg erbeten.<br />

Druck:<br />

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Berliner Straße 66, D-06116 <strong>Halle</strong> (Saale)<br />

Telefon: +49 345 5687 90<br />

IWH, <strong>Konjunktur</strong> <strong>aktuell</strong>, 1. Jahrgang<br />

Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 18. Januar <strong>2013</strong><br />

ISSN 2195-8300 (Print)<br />

ISSN 2195-8319 (Online)

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