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Layout Con Moto 2013/2014 - Deutsche Bank Stiftung

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Eben noch schwebte das Flugzeug über den<br />

Étang de Berre zur Landung auf den Flughafen<br />

Marseille-Provence zu, schon rast der Shuttle-<br />

Bus an Felsformationen und Pinien vorbei und<br />

plötzlich sitzen wir um 15.00 Uhr im Grand<br />

Théâtre de Provence: „Wo bleibt Elektra?“<br />

Diese geballten Eindrücke bilden nicht nur für den Sommer-<br />

Workshop der AMH beim Festival in Aix-en-Provence die Regel.<br />

Nach der eruptiv bejubelten Generalprobe von „Elektra“, kommt<br />

man dann zwei Stunden später auch erst vor dem Theater dazu,<br />

sich gegenseitig wirklich „Hallo“ zu sagen. Chicago, Kopenhagen,<br />

Warschau, Rom oder Berlin – unterschiedlichste Anreisen treffen<br />

sich in der gemeinsamen Vorfreude und Erwartung, in den folgenden<br />

Tagen Musiktheater an außergewöhnlichen Aufführungsorten<br />

in verschiedenen Lesarten zu erfahren.<br />

Der offizielle Teil aus Aufführungsbesuchen, Diskussionen, Ge -<br />

sprächen mit Künstlern oder den sogenannten Impulsbeiträgen,<br />

bei denen ein Stipendiat Einblick in seine Arbeit gibt oder zu einem<br />

Thema referiert, bilden dabei nur einen Teil. Der andere und fast<br />

wichtigere Teil, die spontan entstehenden „Impulse“, lässt sich<br />

nicht planen, denn er hat bereits hier vor dem Theater begonnen<br />

und setzt sich in Gesprächen auf dem Weg ins Hotel oder spätabends<br />

auf einem Hotelbalkon fort.<br />

Bei den Diskussionen und Nachgesprächen, die am nächsten Tag<br />

im gekiesten Innenhof des Hotels Maynier d'Oppède stattfinden,<br />

nimmt die Sonne dann erneut Einfluss und im wandernden<br />

Schatten des einzigen Baumes ergeben sich von Minute zu Minute<br />

neue Sitz-Konstellationen. Die Ergebnisse dieser Gespräche fallen<br />

unterschiedlich aus und haben viel mit jedem einzelnen Stipen -<br />

diaten zu tun. Wie weit ist man bereit, sich zu einer Aussage zu<br />

bekennen und damit angreifbar zu machen, wie viel Raum, wie viel<br />

Unterstützung gibt man den noch suchenden Worten anderer,<br />

wie präzise versucht man die eigene Wahrnehmung in Worte zu<br />

fassen und fern von „geht gar nicht“ oder „völlig uninteressant“<br />

Kategorien einer Wertung zu finden?<br />

Von „Elektra“ ein paar antike Schritte weiter zur „Elena“ (Helena)<br />

von Francesco Cavalli, die einige Gassen weiter im Théâtre du<br />

Jeu de Paume quasi ihre zweite Uraufführung erlebt. Komponisten,<br />

Dirigenten, Kulturmanager, Dramaturgen, Bühnenbildner und<br />

Re gisseure – der Abgleich miteinander lädt immer wieder dazu ein,<br />

auch die eigene Sichtweise zu überprüfen. So wird schnell klar,<br />

dass es in „Elena“ vieles in der leidenschaftlich gespielten und<br />

gesungenen Musik zu entdecken gibt, zu dem Regie und Bühne<br />

nicht wirklich vorzudringen wissen. Der barocke, klare Kosmos<br />

eines Cavalli und ein impressionistisch durchleuchteter Strauss<br />

innerhalb von acht Stunden – ein toller Kontrast, mit dem man in<br />

die warme Nacht taumelt.<br />

Bild links: Gasse in Aix-en-Provence<br />

Bild rechts: Impressionen vom Sommerworkshop <strong>2013</strong> der<br />

„Akademie Musiktheater heute“ in Aix-en-Provence<br />

Manch guter Gedanke lässt sich besser unter wenigen Augen<br />

oder aber, in nicht weniger großer Runde, spätnachts im Innenhof<br />

des Hotels besprechen. Wobei nicht nur hier gelegentlich der<br />

Charme einer Klassenfahrt durchbricht, wenn zum Beispiel die<br />

genervte Ermahnung anderer Gäste erfolgt, man möge doch bitte<br />

endlich auch mal schlafen gehen.<br />

Ausgeschlafen geht es per Bus auf das Gut Grand Saint-Jean<br />

außerhalb der Stadt, wo zwischen zirpenden Zikaden und Sonnen -<br />

blumen unter freiem Himmel die Uraufführung „The House Taken<br />

Over“ von Vasco Mendonça stattfindet. Nicht nur die Bühnen -<br />

bildner befremdet, dass man unter blauem Abendhimmel ringsherum<br />

Felder sieht und riecht, aber Katie Mitchells Inszenierung<br />

mit schwarzer Guckkasten-Bühne inklusive viktorianischer Puppen -<br />

stube aufwartet. Warum die beiden Geschwister, die sich in einem<br />

Akt manischer Abgrenzung in ihrer Wohnung versperren, überhaupt<br />

singen, scheint dann auch ein weit verbreitetes Problem<br />

von Uraufführungen im Allgemeinen zu streifen.

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