36-39Dargel:Layout 1 13.09.13 14:41 Seite 36 - Deutsches Museum
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38<br />
Kultur & Technik 4/2013<br />
Teilansicht einer Konzert-<br />
Notenorgel der Firma<br />
Ruth & Sohn aus Waldkirch.<br />
und kleinere Bässe. Der Hauptteil der Luft wird für die Flöten<br />
benötigt. Der Kasten mit dem Notenbuch läuft in 35 bis 40<br />
Minuten durch. Auf einem gelochten Faltleporello haben jeweils<br />
8 bis 10 Musikstücke Platz.<br />
Sieben Kästen mit Notenbüchern sind vorhanden. Sie ähneln<br />
einem »CD-Ständer, nur größer und beim Abspielen<br />
lauter«, erklärt Christine Dräger. Die Palette ist breitgefächert<br />
und beinhaltet Volks- und Marschmusik oder alte Schlager.<br />
Der Großvater ließ in den Jahren 1992 bis 1995 weitere<br />
Klappnoten mit Stimmungsmusik der 1970er Jahre anfertigen.<br />
»Eine Orgel«, sagt Dräger, »ist wie ein lebendiger Organismus.«<br />
Am besten sei es, sie regelmäßig ein wenig laufen<br />
zu lassen.<br />
Konzert-Notenorgel der Firma Ruth & Sohn aus<br />
Waldkirch, Baden, Modell 38 – Claves: 96<br />
Erstmalig wurde das Modell 38 im Jahr 1903 in Waldkirch<br />
im Schwarzwald gebaut. Nach Katalogangabe sah die Instrumentierung<br />
wie folgt aus: Bass- und Begleitpfeifen, dreifache<br />
Mixtur, Solo-Flöte, Solo-Violine, Bariton und Solo-Trompete,<br />
Metallophon und Tuben. Eine Anzahl von 23 Tonstufen<br />
ist der Melodie zugeordnet, wobei die Reihe zu den tieferen<br />
Tönen durch sieben Altviolinen eine Fortsetzung erfährt.<br />
Ebenfalls 23 Tonstufen umfasst die Trompete. Meist erfolgte<br />
der Einbau der Register Metallophon und Flöte. Häufig war<br />
die Flöte Teil eines Wechselregisters, was das Solospiel von<br />
Violinen und Flöten ermöglichte.<br />
Die Orgel der Schaustellerfamilie Distel stammt aus dem<br />
Jahr 1906 und ging mit Dampfkarussells, Berg- und Talbahnen<br />
oder dem ersten Cinematographen auf Reisen. In den<br />
1920er Jahren wurde sie restauriert und instrumental erweitert.<br />
Während des 2. Weltkrieges, im Jahr 1944, wurden große<br />
Teile der geschnitzten Rokokofassade unwiederbringlich zerstört.<br />
Sie wurde durch damals angesagte »Glaspfeifen« und<br />
Neonstäbe ersetzt. In den 1950er Jahren wurde der Antrieb<br />
elektrifiziert und das Gebläse erweitert. Ein ganzes Orchester<br />
handgeschnitzter Engel bevölkert seither die Orgelfront.<br />
Jeder Einzelne der 15 Engel hat seinen eigenen Charakter, bewegt<br />
sich und spielt im Takt der Musik. Der junge Heiner<br />
Distel erzählt: »Vor einigen Jahren schenkte mein Vater mir<br />
das Instrument. Erst wollte ich die Orgel verkaufen. Aber<br />
dann hat mich doch die Faszination für dieses alte Meisterwerk<br />
gepackt. Mit der Musik, die zum Teil 80 bis 90 Jahre alt<br />
ist, kann ich mich immer noch nicht richtig anfreunden.<br />
Aber dass schon um das Jahr 1900 Menschen Musik auf<br />
Lochkarten speicherten und dafür Wiedergabegeräte bauten,<br />
begeistert mich doch sehr. Und dann ist da noch die Erinnerung<br />
an meinen Großvater. Mit Tränen in den Augen stand<br />
er vor seinen Orgeln und schwelgte in Erinnerungen. Das<br />
rührt mich jedes Mal, wenn ich sie spielen höre.«<br />
<strong>36</strong>er Wrede Konzertorgel<br />
Bereits in der 5. Generation gehört die Orgel dem Schaustellerbetrieb<br />
Schneider in Bielefeld. Gebaut wurde sie im Jahr<br />
1902 vom Orgelbauer Fritz Wrede aus Hannover, mit einer<br />
Länge von sechs Metern. Das beeindruckende Instrument<br />
vermittelt den Klang eines ganzen Orchesters. Der beachtliche<br />
Tonumfang entspricht dem einer Kirchenorgel mit <strong>14</strong><br />
Registern und 3<strong>36</strong> Stimmen. Bis zum Jahr 1930 spielte die<br />
Orgel an einem Dampfkarussell auf Volksfesten.<br />
Den 2. Weltkrieg hatte die Kirmesorgel überlebt – in der<br />
Nachkriegszeit sollte sie dann helfen, Bombentrichter zu füllen.<br />
Orgeln galten als altmodisch und genossen nicht mehr<br />
die Wertschätzung wie vor dem Krieg. Glücklicherweise ret-<br />
Der Faltkarton läuft aus der<br />
Notentransportkiste über<br />
den seitlichen Spieltisch<br />
am Orgelkasten vorbei und<br />
wieder zurück in die Holzkiste.<br />
Die kurzen <strong>Seite</strong>n der<br />
Holzkiste sind innen jeweils<br />
rutschenartig ausgebildet<br />
und gewährleisten so das<br />
Klappen und Nachrutschen<br />
des Faltkartons für ununterbrochenen<br />
Durchlauf.<br />
Bei einem Endlos-Notenbuch<br />
sind Anfang und Ende<br />
des Faltkartons miteinander<br />
verbunden. Im Vordergrund<br />
zu sehen ist eine große<br />
Trommel mit Becken. Der<br />
Trommelstock ist an einer<br />
beweglichen Platte eines<br />
Keilbalgs befestigt.