Der Weg der Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Gesellschaft ...
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1952 unterhielt sie am Sitz <strong>der</strong> Vereinten Nationen in New York eine offiziell zu<br />
gelassene Ständige Beobachtermission.<br />
Im Mai 1971 übernahm ich die Leitung dieser Mission. Sie hatte ihre Büros da<br />
mals im Chrysler-Building. Wenig später zog sie in ein neu errichtetes Gebäude<br />
in <strong>der</strong> Third Avenue um. Die neue Behausung bot eine Reihe von Vorteilen. Es<br />
gab genügend Platz, um all die zusätzlichen Aufgaben zu übernehmen, die mit<br />
<strong>der</strong> Mitgliedschaft auf uns zukommen würden. <strong>Der</strong> Komplex <strong>der</strong> Vereinten Na<br />
tionen ließ sich in passabler Zeit erreichen. Freilich mußten wir einige »Kin<strong>der</strong><br />
krankheiten« des neuen Gebäudes überstehen. So geschah es gelegentlich,<br />
daß <strong>der</strong> Fahrstuhl im Schacht stecken blieb und man eine halbe Stunde lang<br />
buchstäblich in <strong>der</strong> Luft hing.<br />
Worin bestanden die Aufgaben <strong>der</strong> Beobachtermission? In erster Linie selbst<br />
verständlich darin, Bonn über alle laufenden Angelegenheiten in den Vereinten<br />
Nationen zu unterrichten. Also über politische wie wirtschaftliche, rechtliche<br />
wie organisatorische und personelle Fragen. In einigen Fällen ging es um The<br />
men von unmittelbarem materiellen Interesse, wie bei den Arbeiten des 1968<br />
eingesetzten Meeresbodenausschusses, <strong>der</strong> die Dritte Internationale See<br />
rechtskonferenz vorbereiten und den Rahmen für die weltweite wirtschaftliche<br />
Ausbeutung des Meeresbodens abstecken sollte; ebenso bei den Arbeiten zur<br />
Schaffung eines erweiterten internationalen Handelsrechts. Dann wie<strong>der</strong> stan<br />
den Themen von allgemeiner politischer Bedeutung im Vor<strong>der</strong>grund. Daß da<br />
heim alle Aktivitäten auf den Gebieten <strong>der</strong> Menschenrechte und <strong>der</strong><br />
Entwicklungspolitik interessierten, braucht kaum betont zu werden.<br />
Die Beobachtermission hatte zu allen Hauptorganen <strong>der</strong> Vereinten Nationen<br />
(vor allem Generalversammlung, Sicherheitsrat, Wirtschafts- und Sozialrat, Se<br />
kretariat) freien Zugang. Sie konnte also ungehin<strong>der</strong>t »beobachten«. Re<strong>der</strong>echt<br />
besaß sie nicht. Wenn wir bei irgendeiner Beratung unsere sachlichen Interes<br />
sen berücksichtigt sehen wollten, so waren wir auf die Hilfean<strong>der</strong>er Delegatio<br />
nen angewiesen. Die Pflege vertrauensvoller Beziehungen zu den an<strong>der</strong>en<br />
Missionen, ohnehin ein Kardinalpunkt in <strong>der</strong> multilateralen Diplomatie, war mit<br />
hin für die Mitglie<strong>der</strong><strong>der</strong> Beobachtermission beson<strong>der</strong>s wichtig. Mit Dankbar<br />
keit sei hier gesagt, daß alle meine Mitarbeiter diese Aufgabe gut erfüllten.<br />
Ebenso sei hervorgehoben, daß wir bei den Sitzungen innerhalb <strong>der</strong> westlichen<br />
Gruppe nicht als Zaungäste, son<strong>der</strong>n als gleichberechtigte Partner behandelt<br />
wurden.<br />
Im Laufe <strong>der</strong> Zeit gewann eine zweite Aufgabe für die Beobachtermission wach<br />
sende Bedeutung, nämlich den Beitritt unseres Landes zu den UN vorzuberei<br />
ten. Dabei waren vielerlei rechtliche und prozedurale Fragen zu klären, tech<br />
nisch-organisatorische Details zu klären und thematische Vorarbeiten zu lei<br />
sten. Nichtzuletzt kam es darauf an, den Zusammenhang zwischen dem ange<br />
strebten UN-Beitritt und den notwendigen Fortschritten in <strong>der</strong> Bonner Ostpoli<br />
tik, namentlich in den deutsch-deutschen Verhandlungen, im Auge zu behal<br />
ten.<br />
Diesen Zusammenhang galt es auch gegenüber dem bei den Vereinten Natio<br />
nen akkreditierten Pressecorps zu erläutern. Ich führte deshalb viele Pressege<br />
spräche. Doch nicht nur dies. Von Zeit zu Zeit hielt ich kurze Vorträge vor ameri-<br />
kanischen Geschäftsleuten o<strong>der</strong> UNO-Clubs, vor Studenten einer Universität<br />
o<strong>der</strong> dem »Council on Foreign Relations« in New York. Mitgroßer Freude entsin<br />
ne ich mich so mancher Einzelgespräche mit einflußreichen amerikanischen<br />
Persönlichkeiten wie John McCIoy und General Lucius D. Clay, ebenso mit<br />
deutschen politischen Emigranten wie den Professoren Arnold Brecht, Hans<br />
Staudinger und Hannah Arendt, die an <strong>der</strong> New School for Social Research in<br />
New York eine neue Wirkungsstätte gefunden hatten. Stets ging es darum, das<br />
Verständnis dafür zu vertiefen, daß die Bundesregierung mit <strong>der</strong> Ostpolitik und<br />
<strong>der</strong> UN-Mitgliedschaft bei<strong>der</strong>deutscher Staaten ihrenBeitrag zurÜberwindung<br />
des Kalten Krieges leisten wollte, ohne doch an <strong>der</strong> festen Verankerung unseres<br />
Landes im Lager <strong>der</strong> westlichen Demokratien zu rütteln und ohne das Ziel <strong>der</strong><br />
deutschen Einheit aufzugeben.<br />
Meine Vorgänger in New York hatten stets genauestens darauf achten müssen,<br />
daß nicht etwa die DDR von den Vereinten Nationen anerkannt würde. Diese<br />
Aufgabe spielte auch zu meiner Zeit noch eine Rolle. Allerdings handelte es<br />
sich dabei, wie später darzulegen sein wird, um ein Rückzugsgefecht.<br />
Am Beginn meiner dreijährigen Tätigkeit in New York ging es, wie gesagt, im<br />
wesentlichen ums Beobachten. Auf drei Fragen, die während jener Zeit große<br />
Beachtung fanden und auch für die Bundesregierung von hohem Interesse wa<br />
ren, will ich näher eingehen.<br />
<strong>Der</strong> Platz Chinas in den Vereinten Nationen<br />
Gemäß <strong>der</strong> Charta <strong>der</strong> Vereinten Nationen gehört China zu den fünf Mächten,<br />
die einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat innehaben. Ihn nahm seit 1945, dem<br />
Gründungsjahr, die Regierung Tschiang Kai-Schek ein. Dabei blieb es auch, als<br />
Mao Tse-tung mit seinen Kommunisten 1949 die Macht in China eroberte und<br />
Tschiang Kai-Schek sich auf die dem Festland vorgelagerte Insel Taiwan zu<br />
rückzog. Die USA lehnten es zwei Jahrzehnte lang ab, die kommunistische Re<br />
gierung Chinas anzuerkennen. Ihr Einfluß verhin<strong>der</strong>te, daß die Generalver<br />
sammlung, die diesen Punkt regelmäßig auf ihre Tagesordnung setzte, den Sitz<br />
Chinas <strong>der</strong> Regierung in Peking zusprach. Dabei war den Abstimmungen über<br />
die Sachfrage eine von den USA aus taktischen Gründen eingebrachte Verfah<br />
rensfrage vorgeschaltet. Die Generalversammlung mußte zunächst mit einfa<br />
cher Mehrheit entscheiden, ob sie die Vertretung Chinas als eine »wichtige«<br />
Frage ansehe. Wurde dies bejaht, so war anschließend gemäß Art. 18 <strong>der</strong> Char<br />
ta eine Zweidrittelmehrheit erfor<strong>der</strong>lich, um Chinas Platz in den Vereinten Na<br />
tionen Peking zuzuerkennen.<br />
Im Juli 1971 hatte Kissinger mit seiner Geheimreise nach Peking eine Annähe<br />
rung zwischen den USA und <strong>der</strong> Volksrepublik China eingeleitet. Noch aber<br />
war die US-Regierung nicht bereit, daraus die entsprechenden Konsequenzen<br />
für die Vereinten Nationen zu ziehen. Auf <strong>der</strong> Generalversammlung im Herbst<br />
1971 setzte sich die amerikanische Delegation unter ihrem agilen Chef George<br />
Bush dafür ein, die Vertretung Chinas wie<strong>der</strong>um zu einer »wichtigen« Frage er<br />
klären zu lassen. Doch diesmal verlor sie die Abstimmung über die Verfahrens<br />
frage. Folglich reichte eine einfache Mehrheit dazu aus, in <strong>der</strong> China-Frage eine<br />
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