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Tätigkeitsberichte technischer Arbeitsschutz - Gewerbeaufsicht

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Gefahrstoffverordnung<br />

Thermische Zersetzung von ammoniumnitrathaltigem Dünger<br />

In einem ehemaligen Flugzeughangar (massives Betonbauwerk) wurden von einem Agrarhandelsunternehmen<br />

zwei ammoniumnitrathaltige Kunstdünger unterschiedlicher Formulierung eingelagert, deren Gesamtmenge sich<br />

auf ca. 2.000 t belief. Entsprechend der vorgelegten Sicherheitsdatenblätter sollte es sich um Düngemittel der<br />

Gruppe C des Anhangs I Nr. 5 der Gefahrstoffverordnung handeln, die nicht zu einer selbstunterhaltenden fortschreitenden<br />

thermischen Zersetzung fähig sind.<br />

Bei Lagerarbeiten wurde von Mitarbeitern bei dem Düngemittel-Schüttgut eine nicht genau lokalisierbare, sich<br />

schnell verstärkende Qualmbildung bemerkt, die sie zum Verlassen der Halle zwang. Die fortschreitende exotherme<br />

Reaktion ließ den Schluss zu, dass bei einem oder beiden Düngemitteln selbstunterhaltende Zersetzungsprozesse<br />

stattfanden. Um die Reaktion mit ihrer enormen Qualmentwicklung zu unterbinden, wurden von der Feuerwehr<br />

große Mengen des betroffenen Materials aus dem Hangar ausgeräumt, großflächig verteilt und mit Wasser<br />

gekühlt. Die Qualmentwicklung war zeitweise so intensiv, dass Bürger und die Autofahrer auf der nahegelegenen<br />

Autobahn dazu aufgerufen werden mussten, Fenster und Türen zu schließen. Um eine mögliche gesundheitliche<br />

Gefährdung der Bevölkerung auszuschließen, war darüber hinaus von der örtlichen Feuerwehr die Analytische<br />

Task Force der Feuerwehr Mannheim angefordert worden. Diese führte u. a. mit einem Infrarotfernerkundungsgerät<br />

rund um den Flugplatz Messungen durch. Grenzwertüberschreitende Schadstoffkonzentrationen konnten<br />

dabei nicht festgestellt werden.<br />

Um den für C-Dünger vollständig unerwarteten Zersetzungsprozess zu hinterfragen, nahm das Agrarhandelsunternehmen<br />

mit der Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung (BAM) Kontakt auf und veranlasste die<br />

Prüfung der beiden Düngemittel. Für einen Dünger wurden dabei die Eigenschaften eines C-Düngers bestätigt.<br />

Bei dem zweiten Dünger wurde hingegen auch von der BAM eine selbstunterhaltende fortschreitende thermische<br />

Zersetzung beobachtet. Aufgrund dieser Eigenschaft ist dieser Dünger der Gruppe B I des Anhangs I Nr. 5 der<br />

Gefahrstoffverordnung zuzuordnen. Die Lagerung von mehr als 100 Tonnen dieses Düngers wäre somit immissionsschutzrechtlich<br />

genehmigungsbedürftig gewesen und hätte aufgrund der Anforderungen der TRGS 511 in<br />

dem ehemaligen Flugzeughangar nicht erfolgen dürfen.<br />

Das Handelsunternehmen war bei der Einlagerung der Düngemittel von der Übereinstimmung des Materials mit<br />

den Angaben der Sicherheitsdatenblätter ausgegangen. Da weder vom Hersteller noch vom Lieferanten Rückstellproben<br />

aufbewahrt wurden, konnte nicht geklärt werden, ob bereits fälschlicherweise ein B-Dünger in den<br />

Flugzeughangar eingelagert wurde oder ob sich aufgrund seiner „längeren“ Lagerzeit von etwa 6 Monaten der<br />

ursprüngliche C- in einen B-Dünger umgewandelt hat. Ammoniumnitrat verändert bei 32 °C seine Kristallstruktur<br />

und damit einhergehend seine Eigenschaften.<br />

Hinterfragt werden muss in diesem Zusammenhang sicherlich die aktuelle Prüfdichte bei der Klassifizierung der<br />

Düngemittel. So wird ein NPK- oder Volldünger bei der Herstellung zunächst immer als B-Dünger eingestuft. Aufgrund<br />

des Ergebnisses eines vom Hersteller veranlassten Zersetzungstests bei der BAM erfolgt dann gegebenenfalls<br />

die Rückeinstufung zum C-Dünger. Diese Untersuchung wird allerdings nicht bei jeder Charge durchgeführt,<br />

sondern nur einmalig bei der Rezeptur. Kommt es im Rahmen der Produktion zu „Unregelmäßigkeiten“, die sich<br />

auch auf die Reaktionsfähigkeit des Düngers auswirken können, so bleiben diese in der Regel unentdeckt. Ungeeignete<br />

Lagerbedingungen können dann fatale Folgen haben.<br />

TÄTIGKEITSBERICHTE ARBEITSSCHUTZ<br />

Als Ursache für die Zersetzungsreaktion im Hangar wurde von einem hinzugezogenen Sachverständigen ein<br />

Defekt in einer Zuleitung zu einem Schalter vermutet. Durch diesen habe sich ein Brand in der Sperrholzplatte<br />

der Hallenverkleidung entwickelt, welcher die Zersetzungsreaktion bei dem unmittelbar angrenzend gelagerten<br />

Kunstdünger initiierte.<br />

Landratsamt Ortenaukreis<br />

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