Reformation. Macht. Politik - Evangelische Kirche in Deutschland
Reformation. Macht. Politik - Evangelische Kirche in Deutschland
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MEINE REDE<br />
MEINE REDE<br />
WO ICH DAS CHRISTLICHE<br />
IN DER POLITIK FINDE GÜNTHER BECKSTEIN<br />
Mit der Bergpredigt kann man ke<strong>in</strong>e <strong>Politik</strong> machen!“ ist e<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>prägsamer Satz, der überzeugend wirkt. Selbst die <strong>Kirche</strong>n<br />
setzen ihre Ordnungen im Zweifel mit Hoheitsrechten durch,<br />
zum Beispiel bei ihrem Dienstrecht, und wenn es um die <strong>Kirche</strong>nsteuer<br />
geht, mit staatlichen Mitteln. Der Rigorismus der<br />
Botschaft Jesu Christi wird <strong>in</strong> der Regel nicht wörtlich genommen.<br />
Stattdessen wird auf die sogenannte Zwei-Reiche-Lehre<br />
Mart<strong>in</strong> Luthers verwiesen, um die unterschiedlichen Handlungsebenen<br />
deutlich zu machen. Ich räume e<strong>in</strong>, dass ich selbst<br />
als Innenm<strong>in</strong>ister und M<strong>in</strong>isterpräsident immer wieder auf den<br />
Unterschied zwischen Ges<strong>in</strong>nungs- und Verantwortungsethik<br />
h<strong>in</strong>gewiesen habe, um deutlich zu machen, dass<br />
me<strong>in</strong> Handeln, wenn es auch manchmal<br />
hart erschien, me<strong>in</strong>er Auffassung von<br />
ethischer Verantwortung entsprach.<br />
Ich selbst b<strong>in</strong> als junger Mann<br />
e<strong>in</strong>er Partei beigetreten, da ich<br />
christliche Grundwerte dem<br />
politischen Handeln zugrunde<br />
gelegt sehen wollte. Ich<br />
hatte es als zukunftsweisend<br />
angesehen, wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit,<br />
als <strong>in</strong> den <strong>Kirche</strong>n Ökumene<br />
eher e<strong>in</strong> Fremdwort war, die<br />
Überw<strong>in</strong>dung der konfessionellen<br />
Grenzen <strong>in</strong> der <strong>Politik</strong> für die Christlich (Soziale oder Demokratische)<br />
Union e<strong>in</strong> wichtiges Modell für die Gestaltung der<br />
Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> wurde. Aus der Überzeugung,<br />
dass jeder Mensch das Ebenbild Gottes ist, wurde die Idee geboren,<br />
die Achtung der Menschenwürde als alles übergreifenden<br />
Rechtsgrundsatz des neuen Staates allem Recht voranzustellen.<br />
Damit e<strong>in</strong>her geht das Anliegen der <strong>Reformation</strong>, die Religions-<br />
und Gewissensfreiheit des Individuums zu achten und ihr<br />
Geltung zu verschaffen. Dieses Anliegen betrachte ich als e<strong>in</strong>en<br />
Fortschritt <strong>in</strong> der Geistesgeschichte Europas.<br />
Muss die <strong>Kirche</strong> zu allem und jedem Stellung nehmen? Da<br />
rate ich zur Zurückhaltung. Kirchliche Stellungnahmen zu tagespolitischen<br />
Themen, s<strong>in</strong>d nicht automatisch sachkundiger<br />
und damit auch unter ethischen Aspekten richtiger als die<br />
<strong>in</strong> der Regel von großen Stäben von Beamten geprägten<br />
politischen Entscheidungen. Ich zweifle daran, dass die<br />
<strong>Kirche</strong>n <strong>in</strong> großen schwierigen Fragen wie der Krise des<br />
Euro die besseren Lösungen haben als die große Zahl<br />
der damit beschäftigten Experten. Andererseits hat<br />
die <strong>Kirche</strong> den Auftrag, zu grundlegenden ethischen<br />
Fragestellungen begründet Stellung zu nehmen. Zum<br />
Auftrag der <strong>Kirche</strong> gehört für mich auch, sich als Anwalt<br />
der Schwachen zu Wort zu melden. Und: Die <strong>Kirche</strong> soll<br />
Menschen ermutigen zum Engagement <strong>in</strong> der <strong>Politik</strong>, soll<br />
sie <strong>in</strong> ihrem E<strong>in</strong>satz für unser Land bestärken und begleiten.<br />
WARUM ICH MICH<br />
TAUFEN LIESS MANUELA SCHWESIG<br />
Der wichtigste Grund für die Entscheidung, mich taufen zu lassen,<br />
war die Geburt me<strong>in</strong>es Sohnes. Als er zur Welt kam, war das<br />
für mich e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Wunder und mir war klar: Als Mutter trage<br />
ich die Verantwortung für ihn. Aber es ist auch gut, die schützenden<br />
Hände Gottes über me<strong>in</strong>em Sohn, me<strong>in</strong>em Mann und<br />
mir zu wissen. Doch woher kam dieses Gottvertrauen?<br />
Ich b<strong>in</strong> überhaupt nicht religiös erzogen worden. Me<strong>in</strong>e<br />
K<strong>in</strong>dheit und Jugend habe ich <strong>in</strong> der<br />
DDR erlebt. Me<strong>in</strong>e Eltern, me<strong>in</strong>e<br />
Familie, me<strong>in</strong>e Freunde hatten<br />
ke<strong>in</strong>erlei Bezug zur <strong>Kirche</strong>.<br />
Erst nach der Wende lernte<br />
ich Menschen kennen, für<br />
die die <strong>Kirche</strong> und ihr<br />
Glauben von essenzieller<br />
Bedeutung waren. Die<br />
Kraft, die sie aus ihrem<br />
Gottvertrauen gezogen<br />
haben, hat mich<br />
geprägt. Viele von ihnen<br />
hatten sich <strong>in</strong> der<br />
Bürgerrechtsbewegung<br />
engagiert. Unter dem<br />
schützenden Dach der<br />
<strong>Kirche</strong> träumten sie<br />
von e<strong>in</strong>er<br />
anderen Gesellschaft. Sie verkörpern Werte, für die auch ich<br />
stehe: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Es ist ke<strong>in</strong> Zufall,<br />
dass sich viele von Ihnen der SPD zuwandten. Und auch für<br />
mich passen me<strong>in</strong> Glaube und me<strong>in</strong> Engagement <strong>in</strong> dieser Partei<br />
sehr gut zusammen. Das Thema Gerechtigkeit zieht sich durch<br />
die Bibel wie e<strong>in</strong> roter Faden. Er stärkt me<strong>in</strong>en Gerechtigkeitswillen.<br />
Vor Gott s<strong>in</strong>d alle Menschen gleich. Er liebt uns mit all<br />
unseren Fehlern und Schwächen, Stärken und Talenten.<br />
Christ<strong>in</strong> se<strong>in</strong> bedeutet für mich, bewusst „Ja“ zum Leben<br />
zu sagen. Nicht alles h<strong>in</strong>nehmen und geschehen lassen, sondern<br />
Verantwortung übernehmen – für mich selbst, me<strong>in</strong>e<br />
Familie und für die Gesellschaft. Das ist es auch, was mich<br />
als <strong>Politik</strong>er<strong>in</strong> antreibt. Ich möchte helfen, diese Welt e<strong>in</strong><br />
Stück weit gerechter und lebenswerter zu machen. Ich will<br />
dabei helfen, die Lasten der Schwächeren zu tragen und<br />
diejenigen mahnen, die es besser haben und andere nicht<br />
daran teilhaben lassen.<br />
Me<strong>in</strong>e Taufe liegt nun schon e<strong>in</strong> paar Jahre zurück.<br />
Es war e<strong>in</strong> wunderbarer Tag im Kreise me<strong>in</strong>er Lieben.<br />
Ich ziehe sehr viel Kraft aus me<strong>in</strong>em Glauben, genieße<br />
das geme<strong>in</strong>same Beten und S<strong>in</strong>gen im Gottesdienst.<br />
Dort sammle ich me<strong>in</strong>e Energie und gehe gestärkt <strong>in</strong> den<br />
Alltag. Um me<strong>in</strong>e Arbeit gut zu machen, aber vor allem,<br />
um für me<strong>in</strong>e Familie und Freunde da zu se<strong>in</strong>.<br />
Mit dem Glauben ist es wie mit der Liebe, niemand<br />
kann ihn verordnen, er wächst im Herzen.<br />
GÜNTHER BECKSTEIN,<br />
CSU-<strong>Politik</strong>er und<br />
Vize-Präses der EKD-<br />
Synode, war von 2007<br />
bis 2008 M<strong>in</strong>isterpräsident<br />
<strong>in</strong> Bayern.<br />
MANUELA SCHWESIG ist<br />
M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> für Arbeit,<br />
Gleichstellung und Soziales<br />
des Landes Mecklenburg-<br />
Vorpommern und<br />
stellvertretende SPD-<br />
Landesvorsitzende.<br />
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FOTO: PLAMBECK/LAIF<br />
FOTO: JAENICKE/LAIF<br />
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