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Fanatismus - Psychoanalyse eines unheimlichen Phänomens

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im Bekämpfen des Zweifels und im Ausmerzenwollen des Bösen verzehrt, ist gleichsam<br />

Urform menschlichen <strong>Fanatismus</strong> und ewige Brandfackel der Geschichte. Gewiss, ein<br />

Großteil der Exzesse beruht auf der Instrumentalisierung religiöser Lehrsätze zu ganz und<br />

gar unheiligen Zwecken. Kein Machtanspruch oder Gruppenegoismus wird unangreifbarer,<br />

als wenn er sich durch Gott legitimiert und kein Feindbild lässt sich schlimmer dämonisieren,<br />

als wenn man es für „gottlos“ und vom „Teufel besessen“ erklärt. Dennoch liegt im Kern<br />

religiösen Erlebens selber ein Stück Radikalität, wie es keine Zweifel, kein Infragestellen<br />

mehr zulässt. Wer ganz vom Faszinosum der Wirklichkeit Gottes erfasst wird, für den wird<br />

die Verteidigung und Ausweitung des Glaubens oft unabdingbar. Keine Religion kann<br />

verhindern, dass extreme Individuen sich aus religiösen Versatzstücken ein Weltbild<br />

zusammenklittern, in denen Gott von einer liebend-versöhnenden Wirklichkeit zu einer<br />

einschüchternden Eltern-Instanz wird, gleichsam ein auf den Himmel projiziertes sadistisches<br />

Über-Ich. Geradezu zwanghaft müssen religiöse Fanatiker das Böse in der eigenen Brust, die<br />

eigenen Zweifel, Triebregungen und rebellischen Impulse auf andere projizieren und dort<br />

stellvertretend bekämpfen. Lädt eine historische Konstellation zur Verfolgung ein, beteiligen<br />

sie sich als „getreue Diener“ Gottes bzw. Allahs an vorderster Front.<br />

In den historischen Auswüchsen religiösen <strong>Fanatismus</strong>, in Verfolgungen, Pogromen und<br />

heiligen Kriegen, schweißt der Glaube, im Alleinbesitz der Wahrheit zu sein, Menschen zu<br />

einer Attitüde äußerster Unduldsamkeit zusammen. Es gilt, die Sache Gottes, die stets die<br />

eigene ist, gegen die Widersacher des Glaubens zu verteidigen. Hass und grenzenloser<br />

Sadismus bündeln sich gegen Ketzer, Häretiker, Hexen oder „heidnische“ Feindgruppen, die<br />

als „Trägersubstanz des Bösen“ bedenkenlos entwürdigt, ausgebeutet und vernichtet werden<br />

dürfen.<br />

Im Gegensatz dazu zielt der politische <strong>Fanatismus</strong> auf das radikal-gewaltsame Durchsetzen<br />

säkularer Ziele, die, in Affinität zum religiösen <strong>Fanatismus</strong>, den Status von etwas ganz<br />

Erhabenem, Unabdingbaren, mystisch-Transzendenten erhalten und denen, im Gegensatz zu<br />

allen Beteuerungen, Freiheit und Würde des Individuums regelmäßig geopfert werden. Egal,<br />

ob es um nationale Überhöhung oder die Befreiung von Fremdherrschaft ging, die<br />

„Reinerhaltung“ einer Rasse oder das „letzte“ weltrevolutionäre Gefecht – der politische<br />

<strong>Fanatismus</strong> des 20. Jahrhunderts schuf sich neue Teufel, die es in einem Kampf auf Leben<br />

und Tod auszumerzen galt.<br />

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