BRIGITTE-Dossier - Das Update 2013 - Frauen auf ... - BRIGITTE.de
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DOSSIER<br />
STUDIE<br />
<strong>Das</strong> <strong>Update</strong> <strong>2013</strong><br />
FRAUEN<br />
AUF DEM<br />
SPRUNG<br />
„Diese <strong>Frauen</strong> wer<strong>de</strong>n<br />
die Gesellschaft wachrütteln“:<br />
<strong>Das</strong> war das Fazit <strong>de</strong>r großen<br />
<strong>BRIGITTE</strong>-Studie 2008.<br />
Jetzt, fünf Jahre später,<br />
haben wir dieselben jungen <strong>Frauen</strong><br />
noch mal befragt. Beruf,<br />
Kin<strong>de</strong>rkriegen, eigene Pläne:<br />
Stecken sie zurück,<br />
starten sie richtig durch?<br />
O<strong>de</strong>r fühlen sie sich komplett<br />
im Stich gelassen?<br />
<strong>BRIGITTE</strong>.DE 20/<strong>2013</strong> 129
„DIE JUNGEN FRAUEN<br />
STEHEN GEWALTIG<br />
UNTER DRUCK“<br />
Noch nie waren <strong>Frauen</strong> zwischen 25 und 35<br />
so zerrissen: Sie wollen Karriere machen und Geld<br />
verdienen. Aber sie wünschen sich auch<br />
Kin<strong>de</strong>r und einen Mann, <strong>de</strong>r sie unterstützt.<br />
Und sie fühlen sich allein gelassen<br />
Prof. Jutta Allmendinger, die Leiterin <strong>de</strong>r Studie,<br />
über eine Generation in <strong>de</strong>r Zwickmühle<br />
<strong>BRIGITTE</strong>: Was war für Sie die<br />
größte Überraschung?<br />
PROF. JUTTA ALLMENDINGER: Es<br />
hat mich überrascht, dass <strong>de</strong>r Erwerbswunsch<br />
von <strong>Frauen</strong> noch weiter<br />
gestiegen ist – aber noch eklatanter<br />
ist, dass viel mehr Männer diesen<br />
Wunsch unterstützen als noch vor<br />
fünf Jahren. Mehr noch: Männer for<strong>de</strong>rn<br />
gera<strong>de</strong>zu, dass <strong>Frauen</strong> arbeiten<br />
gehen und Geld verdienen.<br />
Vor fünf Jahren sagten die <strong>Frauen</strong>,<br />
sie wür<strong>de</strong>n keine Zugeständnisse<br />
machen. We<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Job noch für<br />
Kin<strong>de</strong>r. Heute sieht es so aus, dass<br />
sie eher <strong>auf</strong> Kin<strong>de</strong>r verzichten als<br />
<strong>auf</strong> die Berufstätigkeit.<br />
Von früh an wird bei <strong>Frauen</strong> heute<br />
alles <strong>auf</strong> die Erwerbstätigkeit ausgerichtet.<br />
Arbeitgeber werben um sie,<br />
Eltern, Partner und Freun<strong>de</strong> verfolgen<br />
ihre Berufswahl und Karriere. Alles<br />
geht rasend schnell. Zeit zum Innehalten<br />
und Nach<strong>de</strong>nken bleibt wenig.<br />
Einst sagte A<strong>de</strong>nauer: „Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n<br />
allemal geboren.“ Heute müsste man<br />
sagen: „Arbeiten tun die allemal“ –<br />
und Kin<strong>de</strong>r sind die Zugabe.<br />
<strong>Das</strong> heißt, <strong>Frauen</strong> wollen nach<br />
wie vor alles – wer<strong>de</strong>n aber in eine<br />
Zwickmühle gezwungen.<br />
Genau. Die heute 25- bis 35-Jährigen<br />
sind wahrscheinlich die erste Generation<br />
von <strong>Frauen</strong>, <strong>de</strong>r es nicht gelingt,<br />
sich einzupen<strong>de</strong>ln. Sie klammern sich<br />
mental an <strong>de</strong>n Karrieregedanken und<br />
führen, sobald sie Mütter sind, gleichzeitig<br />
ein Leben, mit <strong>de</strong>m sie ihre beruflichen<br />
Träume wohl nicht verwirklichen<br />
wer<strong>de</strong>n. Sie wür<strong>de</strong>n weniger<br />
lei<strong>de</strong>n, wenn sie mit ihrer Mutterrolle<br />
und einer Teilzeitarbeit zufrie<strong>de</strong>n sein<br />
könnten. Aber das gelingt ihnen nicht,<br />
auch weil Teilzeitarbeit gesellschaftlich<br />
nicht wertgeschätzt wird.<br />
Welche Verän<strong>de</strong>rungen sind Ihnen<br />
außer<strong>de</strong>m <strong>auf</strong>gefallen?<br />
Die Einstellung <strong>de</strong>r Männer zum<br />
Nachwuchs. 80 Prozent <strong>de</strong>r Männer<br />
sagen zwar von sich selbst: „Kin<strong>de</strong>r<br />
gehören zu einem erfüllten Leben.“<br />
Aber die meisten gehen davon aus,<br />
dass für an<strong>de</strong>re Männer Kin<strong>de</strong>r ein<br />
Nullthema sind. Männer <strong>de</strong>nken, es<br />
sei uncool, Kin<strong>de</strong>r haben zu wollen.<br />
PROF. JUTTA ALLMENDINGER, 56, ist Präsi<strong>de</strong>ntin <strong>de</strong>s Wissenschaftszentrums<br />
Berlin für Sozialforschung (WZB), Professorin für Bildungssoziologie und<br />
Arbeitsmarktforschung an <strong>de</strong>r Berliner Humboldt-Unversität und Honorarprofessorin<br />
an <strong>de</strong>r Freien Universität Berlin. Sie promovierte 1989 an <strong>de</strong>r<br />
Harvard University und habilitierte sich 1993 an <strong>de</strong>r FU Berlin. Von 2003 bis<br />
2007 leitete Jutta Allmendinger das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit. Zuletzt erschien im Panthenon<br />
Verlag ihr Buch „Schul<strong>auf</strong>gaben. Wie wir das Bildungssystem verän<strong>de</strong>rn<br />
müssen, um unseren Kin<strong>de</strong>rn gerecht zu wer<strong>de</strong>n“.<br />
130 <strong>BRIGITTE</strong>.DE 20/<strong>2013</strong>
<strong>Das</strong> <strong>Update</strong> <strong>2013</strong><br />
FRAUEN<br />
AUF DEM<br />
SPRUNG<br />
DOSSIER<br />
FOTO URBAN ZINTEL
DOSSIER<br />
<strong>Das</strong> <strong>Update</strong> <strong>2013</strong><br />
FRAUEN<br />
AUF DEM<br />
SPRUNG<br />
Geld ranschaffen? Gut<br />
im Bett sein? Bei<strong>de</strong>s!<br />
Mein Partner/meine Partnerin soll. . .<br />
für eigenen Lebensunterhalt sorgen<br />
76%<br />
<strong>Frauen</strong><br />
76%<br />
98%<br />
Männer<br />
sich für meinen Job interessieren<br />
ein guter Liebhaber/<br />
eine gute Liebhaberin sein<br />
93%<br />
97%<br />
eigene Interessen haben<br />
<strong>Frauen</strong><br />
Männer<br />
Zeit auch ohne mich verbringen<br />
<strong>Frauen</strong><br />
Männer<br />
0%<br />
86%<br />
93%<br />
94%<br />
90%<br />
95%<br />
50% 100%<br />
Und <strong>Frauen</strong> spüren diese Diskrepanz.<br />
Sind die Männer zu feige, zu ihrem<br />
Kin<strong>de</strong>rwunsch zu stehen?<br />
Hier geht es nicht um individuelle<br />
Charaktereigenschaften, son<strong>de</strong>rn um<br />
einen gesellschaftlichen Prozess. Die<br />
Entscheidung für Kin<strong>de</strong>r haben <strong>Frauen</strong><br />
zunehmend allein zu treffen. Einfach<br />
ist das nicht. <strong>Frauen</strong> wissen, dass<br />
die Vereinbarkeit von Kin<strong>de</strong>rn und<br />
Beruf inzwischen zu schaffen ist, aber<br />
Beruf heißt noch lange nicht, eine<br />
gute Arbeit zu haben, die einen for<strong>de</strong>rt<br />
und anregt. In diesem Sinne<br />
müssen sie sich nun zwischen Karriere<br />
ohne Kin<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r ohne<br />
Karriere entschei<strong>de</strong>n. <strong>Das</strong> ist ein zentrales<br />
Thema dieser Generation.<br />
Vor fünf Jahren wünschten<br />
sich 92 Prozent <strong>de</strong>r <strong>Frauen</strong><br />
PAARE<br />
REDEN<br />
KAUM<br />
ÜBER DIE<br />
KINDER-<br />
FRAGE<br />
Kin<strong>de</strong>r, 42 Prozent haben<br />
eins bekommen. Warum<br />
sind es nicht mehr?<br />
Der Kin<strong>de</strong>rwunsch ist sogar<br />
noch wichtiger gewor<strong>de</strong>n.<br />
Aber die <strong>Frauen</strong> fühlen sich<br />
damit nicht willkommen.<br />
Von ihren Männern wer<strong>de</strong>n<br />
sie nicht darin bestärkt,<br />
im Job sehen sie, dass nur Vollzeit<br />
und lange Anwesenheit im Büro zu Erfolg<br />
und Anerkennung führen. <strong>Frauen</strong>,<br />
die sich damals zwei Kin<strong>de</strong>r wünschten,<br />
wollen heute nur noch eins, viele<br />
haben das Kin<strong>de</strong>rkriegen zeitlich nach<br />
hinten verschoben.<br />
<strong>Das</strong> heißt, sie riskieren, dass sie ihr<br />
Lebensziel „Kind“ nicht mehr erreichen.<br />
Sprechen <strong>Frauen</strong> über dieses<br />
zentrale Thema mit ihren Männern?<br />
Kaum. Männer und <strong>Frauen</strong> re<strong>de</strong>n beim<br />
Aben<strong>de</strong>ssen eher über ihre Arbeit.<br />
Dieses Thema interessiert bei<strong>de</strong>,<br />
obgleich das im Job Erlebte ja erst<br />
mal Sache <strong>de</strong>s Einzelnen ist. <strong>Das</strong>, was<br />
Paarsache ist, nämlich ein gemeinsames<br />
Kind, wird oft ausgeklammert<br />
und damit am En<strong>de</strong> zur <strong>Frauen</strong>sache<br />
gemacht. <strong>Frauen</strong> brauchen Mut, um<br />
ihren Kin<strong>de</strong>rwunsch anzugehen.<br />
Und wenn sie ins Familienleben gesprungen<br />
sind, bleiben dann Kin<strong>de</strong>r<br />
immer noch <strong>Frauen</strong>sache?<br />
Ja. Dabei gibt es einen überraschen<strong>de</strong>n<br />
Unterschied zwischen Ost und<br />
West. Für Ostfrauen war Berufstätigkeit<br />
schon immer selbstverständlich,<br />
und von ihren Männern haben sie<br />
noch nie viel Hilfe erwartet. Sie<br />
ziehen einfach Job und Kin<strong>de</strong>r durch.<br />
Westfrauen hingegen sind wütend,<br />
weil ihre Männer nicht mehr Familienarbeit<br />
übernehmen.<br />
Nach <strong>de</strong>r ersten Studie sagten manche<br />
Kritiker: Ja, lass die <strong>Frauen</strong> erst mal<br />
Kin<strong>de</strong>r kriegen, in <strong>de</strong>n Beruf kommen,<br />
dann wer<strong>de</strong>n die schon Abstriche<br />
machen. Ist das eingetreten?<br />
Wir müssen unterschei<strong>de</strong>n: Haben<br />
<strong>Frauen</strong> ihre Einstellungen verän<strong>de</strong>rt?<br />
Und wie hat sich ihr Leben<br />
entwickelt? Diese <strong>Frauen</strong><br />
sind gesprungen – und stoßen<br />
jetzt an äußere Grenzen.<br />
So arbeiten Mütter<br />
überwiegend in Teilzeit,<br />
an<strong>de</strong>re machen Karriere<br />
und haben keine Kin<strong>de</strong>r. In<br />
<strong>de</strong>n Einstellungen aber hat<br />
sich wenig geän<strong>de</strong>rt. Unabhängigkeit,<br />
Karriere, Familie und<br />
Kin<strong>de</strong>r sind ihnen sogar noch wichtiger<br />
gewor<strong>de</strong>n. Üblicherweise passen<br />
sich Einstellungen <strong>de</strong>n Rahmenbedingungen<br />
an. Dies ist hier nicht so.<br />
Nur bei einer klitzekleinen Min<strong>de</strong>rheit<br />
von unter einem Prozent <strong>de</strong>r<br />
<strong>Frauen</strong> ist die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Familie<br />
gestiegen und hat <strong>de</strong>r Stellenwert <strong>de</strong>r<br />
Karriere abgenommen.<br />
Deutschland befürchtet eine kin<strong>de</strong>rlose<br />
Zukunft. Politikerinnen und<br />
Politiker versuchen verzweifelt, <strong>Frauen</strong><br />
zum Kin<strong>de</strong>rkriegen zu bewegen.<br />
Wie kommt das bei <strong>de</strong>n <strong>Frauen</strong> an?<br />
Sie merken, dass Deutschland trotz<br />
aller Bemühungen kein kin<strong>de</strong>rfreundliches<br />
Land ist. Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n als störend<br />
empfun<strong>de</strong>n. <strong>Das</strong> war schon 2007<br />
klar formuliert, wird jetzt aber noch<br />
stärker betont. <strong>Frauen</strong> wie Männer<br />
stellen <strong>de</strong>r Politik ein verheeren<strong>de</strong>s
„<strong>Frauen</strong> sind für alles zuständig,<br />
Männer machen Karriere“<br />
ESTHER DIEKHOF, 36, JUNIORPRO-<br />
FESSORIN AN DER UNI HAMBURG, HAT<br />
KEINE ZEIT FÜR NACHWUCHS<br />
„Ich weiß nicht, wie ich das noch<br />
hinkriegen soll“, sagt Esther Diekhof.<br />
Eigentlich gehörten Kin<strong>de</strong>r für sie<br />
immer ganz selbstverständlich zu einem<br />
erfüllten Leben, <strong>de</strong>n passen<strong>de</strong>n<br />
Mann dafür hat sie schon lange. Nach<br />
<strong>de</strong>m Examen wur<strong>de</strong> ihr klar, dass es<br />
trotz<strong>de</strong>m schwierig wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>,<br />
<strong>de</strong>n richtigen Zeitpunkt für Nachwuchs<br />
zu fin<strong>de</strong>n. Da war sie 26 und<br />
erhielt eine Doktoran<strong>de</strong>nstelle. Mit<br />
befristeten Stellen ging es weiter, die<br />
Kin<strong>de</strong>rfrage wur<strong>de</strong> zurückgestellt.<br />
Seit zwei Jahren ist Esther Diekhof<br />
Juniorprofessorin am Institut für<br />
Humanbiologie in Hamburg. „Die<br />
Befristung hängt auch dieses Mal<br />
wie<strong>de</strong>r wie ein Damoklesschwert<br />
über mir“, sagt sie. Dabei fühlt sich<br />
die Humanbiologin genau richtig in<br />
ihrem Beruf. Mit ihrer offenen Art<br />
kommt sie gut bei <strong>de</strong>n Stu<strong>de</strong>nten an,<br />
sie kann sich und an<strong>de</strong>re begeistern.<br />
„Und ich kann an <strong>de</strong>n Themen<br />
forschen, die mich interessieren, das<br />
ist ein Riesenprivileg.“<br />
Obwohl sie rund 50 Stun<strong>de</strong>n pro<br />
Woche arbeitet, ist sie zufrie<strong>de</strong>n mit<br />
ihrem Leben. Vom Partner fühlt sie<br />
sich umsorgt, genießt die Urlaube mit<br />
ihrem Mann in guten Hotels und die<br />
schöne Wohnung. Alles gut, wäre da<br />
nicht die Sache mit <strong>de</strong>m Nachwuchs.<br />
Als Gleichstellungsbe<strong>auf</strong>tragte weiß<br />
sie nur zu gut, dass sie nicht allein<br />
mit ihrem Konflikt ist. „<strong>Frauen</strong> sind<br />
für alles zuständig, Männer machen<br />
Kariere.“ Inzwischen hat sie ihre<br />
Pläne schon <strong>de</strong>r Realität angepasst<br />
und wünscht sich nur noch ein Kind<br />
statt zwei.<br />
CLAUDIA KIRSCH<br />
FOTO ROLF DIEKHOFF<br />
Karriere, Kin<strong>de</strong>r, Geld: <strong>Das</strong> ist <strong>Frauen</strong> wichtig<br />
<strong>Das</strong>s mein Partner<br />
sich für meinen<br />
Job interessiert<br />
Auf eigenen Beinen stehen<br />
2007<br />
2012<br />
Viel Geld verdienen<br />
2007<br />
2012<br />
Karriere machen<br />
2007<br />
2012<br />
Kin<strong>de</strong>r bekommen<br />
2007<br />
2012<br />
2007<br />
72% 86%<br />
2012<br />
69%<br />
71%<br />
88%<br />
86%<br />
82%<br />
85%<br />
96%<br />
93%<br />
<strong>Frauen</strong> 20%<br />
40% 60% 80% 100%<br />
IN DER REPRÄSENTATIVEN STUDIE<br />
„FRAUEN AUF DEM SPRUNG“<br />
wur<strong>de</strong>n 2007 über 2000 <strong>Frauen</strong><br />
und Männer zwischen 17 und 19<br />
bzw. 27 und 29 Jahren persönlich<br />
interviewt, eine Wie<strong>de</strong>rholungsbefragung<br />
erfolgte 2010. Wir<br />
sind diesen <strong>Frauen</strong> und Männern<br />
weiter gefolgt und haben 2012<br />
eine Teilmenge von 501 Menschen<br />
zum dritten Mal befragt. Alle<br />
Erhebungen wur<strong>de</strong>n von Infas,<br />
Bonn, durchgeführt. En<strong>de</strong> 2012<br />
berichteten dieselben <strong>Frauen</strong> und<br />
Männer, wie sich ihr Leben seit<strong>de</strong>m<br />
verän<strong>de</strong>rt hat und wie sich<br />
ihre Einstellungen entwickelt haben.<br />
42 Prozent haben inzwischen<br />
ein Kind bekommen, 80 Prozent<br />
sind nun im Beruf, und 51 Prozent<br />
leben mit ihrem Partner zusammen.<br />
Eine ausführliche Darstellung<br />
<strong>de</strong>s <strong>Update</strong>s ist als Discussion<br />
Paper <strong>de</strong>s Wissenschaftszentrums<br />
Berlin für Sozialforschung (WZB)<br />
erschienen. Jutta Allmendinger<br />
u.a., <strong>2013</strong>: „Lebensentwürfe heute.<br />
Wie junge <strong>Frauen</strong> und Männer in<br />
Deutschland leben wollen“, WZB<br />
Discussion Paper P<strong>2013</strong>-002.<br />
<strong>BRIGITTE</strong>.DE 20/<strong>2013</strong> 133
DOSSIER<br />
<strong>Das</strong> <strong>Update</strong> <strong>2013</strong><br />
FRAUEN<br />
AUF DEM<br />
SPRUNG<br />
Zeugnis aus, im Osten noch mehr<br />
als im Westen. <strong>Das</strong> Vertrauen in die<br />
Politik ist erdrutschartig gesunken.<br />
Manche Mütter sagen: Mir sind<br />
20 Stun<strong>de</strong>n im Job genug,<br />
ich will Zeit haben, um sie<br />
mit meinen Kin<strong>de</strong>rn zu<br />
verbringen. Aber das traue<br />
ich mich kaum zu sagen,<br />
weil ich mich von Diskussionen<br />
über Kitas o<strong>de</strong>r<br />
Unterhaltsrecht unter<br />
Druck gesetzt fühle.<br />
Ja, auch solche Erlebnisse<br />
sind Folge <strong>de</strong>s gesellschaftlichen<br />
Drucks, <strong>de</strong>r <strong>auf</strong> <strong>Frauen</strong> ausgeübt wird.<br />
Dabei sollte es ja kein Problem sein,<br />
auch mal 20 Stun<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Woche zu<br />
DAS<br />
ZEUGNIS<br />
FÜR DIE<br />
POLITIK<br />
IST VER-<br />
HEEREND<br />
arbeiten, wenn man später wie<strong>de</strong>r <strong>auf</strong><br />
eine Vollzeitstelle kommt. Lei<strong>de</strong>r gilt<br />
bei uns aber noch immer, dass einmal<br />
Teilzeit immer Teilzeit gleichkommt.<br />
Männer beteiligen sich<br />
mehr als früher an <strong>de</strong>r<br />
Familienarbeit: bringen<br />
die Kin<strong>de</strong>r zur Kita, nehmen<br />
sich für ein Theaterspiel<br />
ihrer Kin<strong>de</strong>r frei...<br />
...das ist schön und stärkt<br />
das Gefühl <strong>de</strong>r Zusammengehörigkeit,<br />
doch das meiste<br />
bleibt noch immer an<br />
<strong>de</strong>n <strong>Frauen</strong> hängen. Noch vor fünf<br />
Jahren lebten immerhin 30 Prozent<br />
<strong>de</strong>r kin<strong>de</strong>rlosen <strong>Frauen</strong> mit Männern,<br />
die ab und zu Wäsche wuschen o<strong>de</strong>r<br />
putzten. Eigentlich müssten Männer<br />
ja mehr einsteigen, wenn Kin<strong>de</strong>r kommen,<br />
aber das Gegenteil ist <strong>de</strong>r Fall:<br />
Männer machen ein bisschen weniger<br />
Familienarbeit, wenn sie ganz kleine<br />
Kin<strong>de</strong>r haben, und <strong>de</strong>r Anteil sinkt<br />
noch mal, wenn die Kin<strong>de</strong>r im schulpflichtigen<br />
Alter sind. Bei <strong>de</strong>n <strong>Frauen</strong><br />
verringert sich also die bezahlte Erwerbsarbeit,<br />
während die unbezahlte<br />
Familienarbeit zunimmt, bei Männern<br />
aber bleibt die meiste Zeit bezahlt.<br />
80 Prozent <strong>de</strong>r <strong>Frauen</strong> glauben, dass<br />
sie es später bereuen wür<strong>de</strong>n, kin<strong>de</strong>rlos<br />
zu sein, während 42 Prozent sich<br />
ein erfülltes Leben auch ohne Kin<strong>de</strong>r<br />
vorstellen können. Wird da nicht<br />
eine große Zerrissenheit sichtbar?<br />
„Halbtags arbeiten – für mich<br />
fühlt sich das richtig an“<br />
DIPLOMPÄDAGOGIN LENA RITTER, 35,<br />
WÜNSCHT SICH MEHR ANERKENNUNG<br />
FÜR TEILZEIT ARBEITENDE MÜTTER<br />
„Mama“, sagt <strong>de</strong>r fünfjährige Noah,<br />
„am liebsten wür<strong>de</strong> ich jetzt durchs<br />
Telefon flutschen und mit dir kuscheln.“<br />
Auch Lena Ritter hält ihre<br />
Sehnsucht nach <strong>de</strong>n Söhnen kaum<br />
aus. Die Jungs machen mit <strong>de</strong>m<br />
Vater Ferien, sie quält sich daheim<br />
mit ihrer Doktorarbeit. Mit <strong>de</strong>r hatte<br />
sie während <strong>de</strong>r ersten Schwangerschaft<br />
angefangen. Damals stellte sie<br />
sich vor, sie wür<strong>de</strong> schreiben, ein<br />
schlafen<strong>de</strong>s Kind neben sich. Natürlich<br />
kam es an<strong>de</strong>rs. „Noah schlief<br />
wenig – und außer<strong>de</strong>m konnte ich<br />
gar nicht genug von <strong>de</strong>m süßen Moppel<br />
bekommen.“ Heute sagt sie: „Die<br />
Doppelrolle war eine Schnapsi<strong>de</strong>e.<br />
Ich kann nur je<strong>de</strong>m davon abraten.“<br />
Vom Promovieren, nicht vom<br />
Kin<strong>de</strong>rkriegen. Damit nämlich hat<br />
sich Lena Ritter ihren Lebenswunsch<br />
erfüllt. Sie und ihr Mann leben seit<br />
<strong>de</strong>r Geburt <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r ein traditionelles<br />
Familienmo<strong>de</strong>ll. Sie zogen von<br />
Hamburg nach Lübeck, als er dort einen<br />
neuen Job bekam. Zwar verzichtet<br />
<strong>de</strong>r Vater <strong>auf</strong> seine Hobbys, um<br />
Zeit für die Söhne zu haben, muss<br />
aber auch viel arbeiten. In <strong>de</strong>n ersten<br />
Jahren übernahm Lena immer mal<br />
wie<strong>de</strong>r kleine Jobs – und war für die<br />
Kin<strong>de</strong>r da. „Für mich fühlte sich das<br />
genau richtig an“, sagt die 35-Jährige.<br />
Ein Rollentausch kam für sie bisher<br />
nicht in Frage. Und doch nagte es<br />
an ihr, dass sie sich für die Promotion<br />
entschie<strong>de</strong>n hatte und daheim<br />
geblieben war. Was, wenn sie, die<br />
Einser-Abiturientin, nie <strong>de</strong>n Einstieg<br />
in <strong>de</strong>n Beruf fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>? „Ich geriet<br />
manchmal regelrecht in Panik.“<br />
Seit Kurzem arbeitet sie halbtags<br />
als Bildungskoordinatorin, ist heilfroh<br />
über <strong>de</strong>n Job, <strong>de</strong>r zu ihrer Ausbildung<br />
passt. Und hat doch das<br />
Gefühl, <strong>de</strong>m I<strong>de</strong>al <strong>de</strong>r berufstätigen<br />
Mutter nicht zu entsprechen. „<strong>Frauen</strong><br />
wer<strong>de</strong>n immer stärker in <strong>de</strong>n Beruf<br />
gedrängt, sie trauen sich kaum zu sagen,<br />
wenn sie gern ganz bei <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn<br />
bleiben wür<strong>de</strong>n.“ Sie fühlt sich<br />
zunehmend unter Druck. Durch Diskussionen<br />
über die finanzielle Unabhängigkeit<br />
von <strong>Frauen</strong>. Und durch<br />
Mütter mit Vollzeitjobs, die das, was<br />
sie leistet, nicht als richtigen Beruf<br />
anerkennen. Aber für Lena Ritter ist<br />
klar: Ihre Kin<strong>de</strong>r sind ihr momentan<br />
wichtiger als Karriere. CLAUDIA KIRSCH<br />
FOTO VERONIKA FAUSTMANN
Richtig. <strong>Das</strong> ist ein Versuch, sich <strong>de</strong>r<br />
Realität anzupassen. Sie wollen Kin<strong>de</strong>r,<br />
aber sie sehen sich mit ihrem<br />
Nachwuchs <strong>auf</strong> einer Halbtagsstelle<br />
hocken, alles schön flexibel, aber in<br />
Wahrheit sind sie aussortiert. Nicht<br />
als Arbeitnehmerin, aber als Mitarbeiterin,<br />
<strong>de</strong>r man verantwortungsvolle,<br />
gut bezahlte Aufgaben überträgt.<br />
Kind und Karriere, das geht nur mit<br />
Mehrfachbetreuung, also mit viel<br />
Geld. Und <strong>Frauen</strong> wissen nicht, wie<br />
sie diesen Knoten lösen können.<br />
Was brauchen Familien an konkreter<br />
gesellschaftlicher Unterstützung?<br />
Es ist die Aufgabe <strong>de</strong>r Politik, endlich<br />
auch die Qualität in <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rbetreuung<br />
zu gewährleisten. Und für Ganztagsschulen,<br />
in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Stoff so<br />
vermittelt wird, dass die Eltern nicht<br />
noch mit ihren Kin<strong>de</strong>rn darüber brüten<br />
müssen. Die Schule ist zu sehr in<br />
<strong>de</strong>n Alltag <strong>de</strong>r Familien eingedrungen.<br />
Eltern sollten die Chance haben, mit<br />
ihrem Kind auch „freie Zeit“ zu verbringen,<br />
zu re<strong>de</strong>n und zu spielen.<br />
Vor allem aber müsste die Politik <strong>auf</strong>hören,<br />
von <strong>Frauen</strong> zu erwarten, dass<br />
sie selbstverständlich bezahlte und<br />
unbezahlte Arbeit übernehmen. Erwerbsarbeit<br />
und Familienarbeit muss<br />
fairer verteilt wer<strong>de</strong>n.<br />
<strong>Frauen</strong> sollen Geld ranschaffen,<br />
aber bloß keine<br />
Karriere machen. Dann<br />
wür<strong>de</strong>n sie <strong>de</strong>n Männern<br />
attraktive Posten wegnehmen,<br />
und es bliebe<br />
offen, wer die unbezahlte<br />
Arbeit übernimmt.<br />
<strong>Das</strong> muss die klugen<br />
<strong>Frauen</strong> doch empören.<br />
Aber wie! 70 Prozent <strong>de</strong>r befragten<br />
<strong>Frauen</strong> sind wütend, weil so viel an<br />
ihnen hängt, weil <strong>Frauen</strong> diskriminiert<br />
wer<strong>de</strong>n, nur selten eine Führungsposition<br />
erhalten und für vergleichbare<br />
Arbeit weniger bezahlt bekommen als<br />
männliche Kollegen. Männer sehen<br />
das übrigens genauso, nur empören<br />
sie sich wenig darüber.<br />
Ich, meine Familie und <strong>de</strong>r Beruf:<br />
Was <strong>Frauen</strong> und Männer wollen<br />
6%<br />
TEILZEIT<br />
NUTZT<br />
VOR<br />
ALLEM<br />
DEN<br />
MÄNNERN<br />
Ich wer<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Beruf nicht für<br />
meine Kin<strong>de</strong>r zurückstellen<br />
2%<br />
Mein Partner soll für die Existenzsicherung zuständig sein,<br />
ich für Haushalt und Kin<strong>de</strong>r<br />
6% <strong>Frauen</strong><br />
1% Männer<br />
Ich strebe einen gelungenen Ausgleich zwischen Beruf und Familie an<br />
<strong>Frauen</strong><br />
0% 20%<br />
40% 60% 80% 100%<br />
Wie sehr hat die Möglichkeit flexibler<br />
Arbeit die Familienleben verän<strong>de</strong>rt?<br />
Davon profitieren erst mal die Männer.<br />
Für sie be<strong>de</strong>uten flexible Arbeitszeiten,<br />
dass sie <strong>auf</strong> ihrem Karriereweg<br />
auch ein bisschen Zeit für<br />
<strong>de</strong>n Nachwuchs freischlagen<br />
können. Mittlerweile<br />
lehnt nur noch ein Drittel<br />
<strong>de</strong>r Männer eine kurze<br />
Elternzeit ab. <strong>Frauen</strong> hingegen<br />
erleben, dass ihr Arbeitgeber<br />
sagt, diese Mitarbeiterin<br />
ist super, die<br />
wollen wir halten, für Mütter<br />
haben wir ja flexible Arbeitszeiten.<br />
Aber, und das ist das Tückische,<br />
diese Flexibilität führt dazu, dass sie<br />
von nun an in Teilzeit arbeitet – und<br />
sich von ihren Karriereplänen verabschie<strong>de</strong>n<br />
muss. Sie wird zwar immerhin<br />
einen halbwegs geschlossenen Erwerbsverl<strong>auf</strong><br />
vorweisen können, aber<br />
bestenfalls <strong>auf</strong> einer guten mittleren<br />
Position bleiben müssen.<br />
Ich wer<strong>de</strong> meine Kin<strong>de</strong>r nicht für<br />
<strong>de</strong>n Beruf zurückstellen<br />
7%<br />
53%<br />
62%<br />
Männer<br />
17%<br />
<strong>Das</strong> heißt, die bisherigen Erleichterungen<br />
in <strong>de</strong>n Betrieben führen in<br />
eine falsche Richtung?<br />
Nein, die Firmen haben mit Betriebskin<strong>de</strong>rgärten,<br />
Heimarbeit und Flexibilität<br />
enorm viel dazu beigetragen,<br />
dass <strong>Frauen</strong> Kin<strong>de</strong>r und Beruf miteinan<strong>de</strong>r<br />
in Einklang bringen können.<br />
Jetzt müssen sie gute Instrumente<br />
fin<strong>de</strong>n, <strong>Frauen</strong> in verantwortungsvolle<br />
führen<strong>de</strong> Positionen zu bekommen.<br />
Man sollte mit <strong>de</strong>n <strong>Frauen</strong> über ihre<br />
Perspektiven re<strong>de</strong>n, bevor sie schwanger<br />
wer<strong>de</strong>n, und <strong>auf</strong>zeigen, wie man<br />
mit Müttern so zusammenarbeitet,<br />
dass sie mittelfristig die Positionen<br />
erhalten, die sie sich wünschen.<br />
<strong>Frauen</strong> zerreißen sich zwischen ihren<br />
Wünschen und <strong>de</strong>m, was machbar ist<br />
– und Männer können alles machen.<br />
Ja, aber auch unter Männern gibt es<br />
Verlierer. <strong>Das</strong> sind in unserer Befragung<br />
diejenigen mit niedriger Bildung.<br />
Sie sagen, sie kriegen we<strong>de</strong>r die<br />
<strong>Frauen</strong> noch die Jobs, die sie wollen,<br />
<strong>BRIGITTE</strong>.DE 20/<strong>2013</strong> 135
Was <strong>Frauen</strong> und Männer über an<strong>de</strong>re <strong>de</strong>nken. <strong>Das</strong> ist <strong>de</strong>nen wichtig:<br />
Karriere<br />
zu machen<br />
<strong>Frauen</strong> über <strong>Frauen</strong> <strong>Frauen</strong> über Männer Männer über <strong>Frauen</strong><br />
2007 2012 2007 2012 2007<br />
2012<br />
46% 72% 75% 90% 40% 67%<br />
Viel Geld<br />
zu verdienen<br />
54%<br />
76%<br />
83%<br />
97%<br />
43%<br />
65%<br />
Kin<strong>de</strong>r zu<br />
bekommen<br />
48%<br />
61%<br />
17%<br />
30%<br />
62%<br />
63%<br />
Zu heiraten<br />
24%<br />
35%<br />
16%<br />
21%<br />
52%<br />
45%<br />
und fühlen sich gesellschaftlich regelrecht<br />
abgehängt.<br />
Fühlen sich auch <strong>Frauen</strong> ohne o<strong>de</strong>r<br />
mit schlechter Bildung abgehängt?<br />
Viel seltener. Denn es gibt weniger<br />
<strong>Frauen</strong> mit keiner o<strong>de</strong>r<br />
sehr schlechter Bildung,<br />
und die wenigen fin<strong>de</strong>n<br />
eher einen Job, etwa im<br />
Dienstleistungsbereich.<br />
An<strong>de</strong>re Studien zeigen<br />
auch, dass <strong>Frauen</strong> eher<br />
Konzessionen machen als<br />
Männer.<br />
Obwohl sie es nicht leicht<br />
gemacht bekommen, haben<br />
<strong>Frauen</strong> viel erreicht.<br />
Sind sie zufrie<strong>de</strong>n damit?<br />
Die gut gebil<strong>de</strong>ten <strong>Frauen</strong> sind<br />
mehr, die an<strong>de</strong>ren etwas weniger zufrie<strong>de</strong>n<br />
mit ihrem Leben als noch<br />
vor fünf Jahren. <strong>Frauen</strong>, die Kin<strong>de</strong>r<br />
bekommen haben, sind ein bisschen<br />
unzufrie<strong>de</strong>ner als die Kin<strong>de</strong>rlosen.<br />
Sie haben einen Kloß im<br />
Hals, wenn sie an ihre Perspektive<br />
<strong>de</strong>nken, <strong>de</strong>nn sie sehen am Leben<br />
an<strong>de</strong>rer Mütter, wie das Leben mit<br />
Kin<strong>de</strong>rn weitergeht.<br />
70 % DER<br />
FRAUEN<br />
SIND<br />
WÜTEND,<br />
WEIL SO<br />
VIEL AN<br />
IHNEN<br />
HÄNGT<br />
Was erwarten <strong>Frauen</strong> – außer<br />
mehr Teilnahme an <strong>de</strong>r Familienarbeit<br />
– von ihren Partnern?<br />
Unterstützung, gemeinsame Zeit, er<br />
soll ihnen <strong>de</strong>n Rücken frei halten.<br />
Aber er soll auch seinen<br />
eigenen Interessen nachgehen,<br />
ihnen ausreichend Zeit<br />
und Freiraum lassen und <strong>auf</strong><br />
eigenen Beinen stehen. Es<br />
sieht so aus, als sei diese<br />
Unabhängigkeit die Voraussetzung<br />
für Nähe.<br />
Und was wollen Männer<br />
von <strong>Frauen</strong>?<br />
<strong>Das</strong> ist fast i<strong>de</strong>ntisch mit<br />
<strong>de</strong>m, was <strong>Frauen</strong> von Männern<br />
erwarten, auch das ist<br />
neu. Die Wünsche haben sich angepasst.<br />
Stand vor fünf Jahren noch die<br />
Attraktivität <strong>de</strong>r Partnerin weit oben,<br />
soll sie jetzt vor allem klug sein. Schlau<br />
ist das neue Sexy. Die wenigen Unterschie<strong>de</strong><br />
beziehen sich <strong>auf</strong> das häusliche<br />
Element, nämlich <strong>auf</strong> Kin<strong>de</strong>r und<br />
Heiraten. Und die Be<strong>de</strong>utung vom<br />
eigenen guten Aussehen hat bei <strong>de</strong>n<br />
Männern zugenommen, 86 Prozent<br />
fin<strong>de</strong>n das wichtig, das sind nur zehn<br />
Prozent weniger als bei <strong>de</strong>n <strong>Frauen</strong>.<br />
Auch das ist eine <strong>de</strong>utliche Reaktion<br />
<strong>auf</strong> Erwartungen von außen. Der gesellschaftliche<br />
Druck, schlank, sportlich,<br />
gut geklei<strong>de</strong>t zu sein, ist sehr<br />
groß. Alles in allem kann man sagen:<br />
Die Männer von heute wollen ebenso<br />
wenig das Leben ihrer Väter führen<br />
wie die <strong>Frauen</strong> das ihrer Mütter.<br />
91 Prozent <strong>de</strong>r <strong>Frauen</strong> fin<strong>de</strong>n guten<br />
Sex wichtig. <strong>Das</strong> ist doch eine selbstbewusste<br />
Ansage!<br />
<strong>Frauen</strong> sind <strong>de</strong>utlich sexualisierter.<br />
Vor fünf Jahren gab es noch große Unterschie<strong>de</strong><br />
zwischen <strong>de</strong>n Geschlechtern.<br />
Heute sind <strong>Frauen</strong> stark am Sex<br />
interessiert und sagen das auch gern.<br />
Warum ist das so?<br />
<strong>Frauen</strong> sind selbstbewusst und fühlen<br />
sich unabhängig. Es gibt keinen Grund<br />
mehr, <strong>de</strong>n Männern gegenüber zurückzustecken,<br />
auch nicht beim Sex.<br />
Auch Geld spielt eine große Rolle?<br />
Ja. Sie arbeiten viel, müssen für ihren<br />
Unterhalt sorgen, für ihre Jobs gut<br />
angezogen sein, wollen sich eine gute<br />
Wohnung leisten und schön essen<br />
gehen können. Aber mit nichts sind<br />
die befragten <strong>Frauen</strong> so unzufrie<strong>de</strong>n<br />
136 <strong>BRIGITTE</strong>.DE 20/<strong>2013</strong>
<strong>Das</strong> <strong>Update</strong> <strong>2013</strong><br />
FRAUEN<br />
AUF DEM<br />
SPRUNG<br />
DOSSIER<br />
Gutes Beispiel: die Firma,<br />
die es <strong>Frauen</strong> leichter macht<br />
Claudia Schreiber<br />
VERTRAUEN STATT KONTROLLE,<br />
ARBEITSZEITEN NACH MASS: EINE<br />
KLEINE BANK BIETET IHREN MITARBEI-<br />
TERN VIELE FREIHEITEN. MIT ERFOLG<br />
Nach <strong>de</strong>r Geburt ihres zweiten Sohnes<br />
sah Claudia Schreiber für ihren<br />
Beruf kaum noch Platz. Und in eine<br />
Krippe wollte sie das Baby nicht geben.<br />
Also gab die Bankk<strong>auf</strong>rau ihre<br />
Vollzeitstelle als Servicekraft am<br />
Schalter <strong>auf</strong>. Um zumin<strong>de</strong>st noch mit<br />
einem Fuß im Beruf zu bleiben, arbeitete<br />
sie an einzelnen Tagen als<br />
„Springerin“ weiter für die Bank. Ein<br />
400-Euro-Job als Minimallösung.<br />
Die Jungs wur<strong>de</strong>n älter, das ungeliebte<br />
Jobmo<strong>de</strong>ll blieb.<br />
Bis ihr Chef anrief: „Wir hätten Sie<br />
gern wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Bank.“ Er bot ihr<br />
an, sich eine Vollzeitstelle mit einer<br />
Kollegin zu teilen. Seit<strong>de</strong>m arbeitet<br />
die 36-Jährige zweieinhalb Tage in<br />
<strong>de</strong>r Woche und sagt: „Ich kann mir<br />
keine bessere Arbeit vorstellen.“<br />
Damit ist sie nicht die Einzige bei <strong>de</strong>r<br />
VR-Bank in Schlei<strong>de</strong>n, einer kleinen<br />
Stadt in <strong>de</strong>r Eifel. Von 147 Mitarbeitern<br />
arbeitern 34 in Teilzeit – auch<br />
zwei Männer. Es gibt drei Job-Sharing-Paare,<br />
26 Mitarbeiter haben einen<br />
Heimarbeitsplatz. An<strong>de</strong>re sparen<br />
über Langzeit-Arbeitskonten Überstun<strong>de</strong>n<br />
für eine längere Auszeit.<br />
Vertrauen ist die zweite Säule, <strong>auf</strong><br />
<strong>de</strong>r das Mo<strong>de</strong>ll Familienfreundlichkeit<br />
ruht. In <strong>de</strong>r VR-Bank führen die<br />
Beschäftigten ihre Zeitkonten selbständig,<br />
sprechen mit Kollegen und<br />
Teamleitung ab, wann sie da sind und<br />
wann nicht. Fast niemand nutzt diese<br />
Freiheit aus. Bernd Altgen, Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Bank, weiß:<br />
„Wenn ein Mitarbeiter betrügen<br />
möchte, dann kann er das auch, wenn<br />
ich ihn mit <strong>de</strong>r Stechuhr kontrolliere.“<br />
Laut Bankbilanz zahlt sich die<br />
vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre<br />
aus. Die Geschäfte l<strong>auf</strong>en gut.<br />
Immer mehr rückten auch die<br />
Väter in <strong>de</strong>n Fokus <strong>de</strong>r Familienför<strong>de</strong>rung.<br />
„Anfangs mussten wir die<br />
Männer ermutigen, Väterzeit zu nehmen“,<br />
sagt Gisela Caspers, Vorstandsassistentin<br />
und Projektleiterin<br />
für Familienmanagement. Doch die<br />
Erfahrungen <strong>de</strong>r ersten Väter zogen<br />
an<strong>de</strong>re mit. 2012 zeichnete die Bertelsmann-Stiftung<br />
die Bank mit <strong>de</strong>m<br />
Siegel „familienfreundliches Unternehmen“<br />
aus. Auch Fachkräfte aus<br />
<strong>de</strong>r Umgebung bewerben sich, weil<br />
sie hier Familie und Beruf vereinbaren<br />
können. Fast alle Mitarbeiterinnen<br />
kommen nach <strong>de</strong>r Elternzeit<br />
zurück. <strong>Das</strong> Mo<strong>de</strong>ll mit <strong>de</strong>r Freiheit<br />
funktioniert. CAROLA KLEINSCHMIDT<br />
Keine Kin<strong>de</strong>r – späte Reue?<br />
Ich <strong>de</strong>nke, dass ich es später bereuen<br />
wür<strong>de</strong>, keine Kin<strong>de</strong>r zu haben<br />
Ich muss keine Kin<strong>de</strong>r haben,<br />
um ein erfülltes Leben zu haben<br />
Aber bitte mit Kohle<br />
Männer wünschen sich: Meine<br />
Partnerin soll viel Geld verdienen<br />
79%<br />
49% 17%<br />
2007<br />
FOTO SELINA PFRÜNER<br />
77%<br />
42%<br />
2012<br />
45%
„Ein Kind passte bisher noch nicht“<br />
ELLEN HAINSWORTH, 26, IST VER-<br />
TRIEBSASSISTENTIN, GEHT VOLL IN<br />
IHREM JOB AUF. KINDER? SPÄTER<br />
Manchmal kann ein Job das Lebensgefühl<br />
komplett verän<strong>de</strong>rn. Bei Ellen<br />
Hainsworth war das so. Heute sagt<br />
die Vertriebsassistentin: „Ich bin<br />
froh, dass ich die Kurve gekriegt habe<br />
– und einen Job habe, <strong>de</strong>r zu mir<br />
passt.“ Dafür musste allerdings <strong>de</strong>r<br />
Plan, mit spätestens 25 Mutter zu<br />
wer<strong>de</strong>n, zurückstehen. Noch vor wenigen<br />
Jahren quälte sie sich mit<br />
Selbstzweifeln und wusste nicht so<br />
recht, wohin mit sich. Die Schule<br />
hatte sie vor <strong>de</strong>m Abitur abgebrochen,<br />
und eine Friseurlehre in Berlin<br />
war auch nicht das Richtige. Es ging<br />
ihr nicht gut. Denn finanzielle Unabhängigkeit<br />
war für sie schon als<br />
Teenager wichtig. Sie hatte erlebt,<br />
wie ihr Vater nach <strong>de</strong>r Scheidung<br />
keinen Unterhalt zahlte, und zog für<br />
sich <strong>de</strong>n Schluss, dass sie wie ihre<br />
Mutter immer in <strong>de</strong>r Lage sein wollte,<br />
sich selbst zu versorgen.<br />
Die große Wen<strong>de</strong> kam mit <strong>de</strong>r<br />
Ausbildung zur k<strong>auf</strong>männischen Assistentin<br />
und Korrespon<strong>de</strong>nz. „In <strong>de</strong>r<br />
Zeit habe ich mir viel zugemutet“,<br />
sagt die 26-Jährige. In einem<br />
Praktikum <strong>auf</strong> Lanzarote stand die<br />
junge Frau aus <strong>de</strong>m nie<strong>de</strong>rsächsischen<br />
Dorf E<strong>de</strong>missen mal an <strong>de</strong>r<br />
Rezeption, mal abends für die<br />
Touristen <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Bühne. Ellen<br />
Hainsworth holte ihr Fachabitur nach<br />
und ging nach England, um noch<br />
einen Bachelor dr<strong>auf</strong>zusetzen.<br />
Nach ihrer Rückkehr stieg sie<br />
als Sachbearbeiterin im internationalen<br />
Verk<strong>auf</strong> bei einem Hersteller<br />
von Leuchten und Lampen ein. Nach<br />
an<strong>de</strong>rthalb Jahren bewarb sie sich<br />
erfolgreich um die Stelle für die Vertriebsassistenz<br />
in ihrer Firma. Mit<br />
diesem Job fing für sie das richtige<br />
Leben an. Ellen Hainsworth fühlt<br />
sich von <strong>de</strong>n immer neuen Aufgaben<br />
angespornt: eine Messe mitorganisieren,<br />
Veranstaltungen planen – sie<br />
muss sich ständig etwas einfallen<br />
lassen. Für die Vertriebsassistentin<br />
fühlt sich das nicht wie Arbeit an,<br />
auch wenn sie richtig viel zu tun hat.<br />
Ihr zweites Lebensziel steht noch<br />
offen: Kin<strong>de</strong>r. Die haben bisher nicht<br />
in ihr Leben gepasst. Wie genau das<br />
mit ihrem Job gehen soll? Auch dafür<br />
wird sich eine Lösung fin<strong>de</strong>n, da ist<br />
sie sich ganz sicher. Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n<br />
zwar ihr Leben verän<strong>de</strong>rn, ihre Arbeit<br />
aber wird für sie immer einen hohen<br />
Stellenwert haben. CLAUDIA KIRSCH<br />
wie mit ihrem Gehalt. Sie fin<strong>de</strong>n sich<br />
gut in ihrem Beruf, aber nur 50 Prozent<br />
fühlen sich angemessen bezahlt.<br />
Und wie nehmen die jungen<br />
Menschen die Gesellschaft wahr?<br />
Mit <strong>de</strong>r Gesellschaft sind sie viel<br />
unzufrie<strong>de</strong>ner als mit <strong>de</strong>m eigenen<br />
Leben. Alle sind sich einig, dass die<br />
soziale Ungleichheit noch zugenommen<br />
hat. <strong>Frauen</strong> mit Kin<strong>de</strong>rn urteilen<br />
beson<strong>de</strong>rs hart, <strong>de</strong>nn sie erleben die<br />
Benachteiligung im Alltag. Über Politik<br />
wird wenig gesprochen, das gilt<br />
auch für gebil<strong>de</strong>te <strong>Frauen</strong>. Ein <strong>de</strong>utlicher<br />
Hinweis dar<strong>auf</strong>, wie wenig sich<br />
die <strong>Frauen</strong> repräsentiert fühlen. Es<br />
könnte sein, dass sich diese Enttäuschung<br />
auch in <strong>de</strong>r Wahlbeteiligung<br />
bei <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>stagswahl nie<strong>de</strong>rschlägt.<br />
Was sind die Folgen für die Zukunft<br />
<strong>de</strong>r Gesellschaft, wenn die <strong>Frauen</strong><br />
so unter Druck stehen?<br />
An <strong>de</strong>r Berufs- und Karriere-<br />
Orientierung <strong>de</strong>r <strong>Frauen</strong><br />
wird sich nichts än<strong>de</strong>rn. Ich<br />
erachte sie als gesetzt. Im<br />
Allgemeinen wird man also<br />
bei <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn zurückstecken,<br />
wobei ich große soziale<br />
Ungleichheiten erwarte.<br />
Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n vornehmlich finanziell<br />
gut gestellte <strong>Frauen</strong> und Männer haben,<br />
die sich problemlos Hilfe für<br />
Kin<strong>de</strong>rerziehung und Hausarbeit leisten<br />
können. Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n auch<br />
jene <strong>Frauen</strong> haben, <strong>de</strong>ren Beruf und<br />
FÜR<br />
MÄNNER<br />
IST<br />
SCHLAU<br />
DAS NEUE<br />
SEXY<br />
Arbeitsumfeld eine Karriere mit Kin<strong>de</strong>rn<br />
ermöglicht. <strong>Frauen</strong> mit mittlerem<br />
Einkommen wer<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r<br />
noch weiter <strong>auf</strong>schieben und<br />
möglicherweise ganz ohne<br />
Kin<strong>de</strong>r bleiben. Welfare<br />
Mothers, von Unterstützung<br />
abhängige Mütter, wie wir<br />
sie in <strong>de</strong>n USA kennen, erwarte<br />
ich in Deutschland<br />
nicht. Mütter wollen ihren<br />
Kin<strong>de</strong>rn etwas bieten, und<br />
das geht mit Hartz IV nicht. Eine<br />
solche Entwicklung kann niemand<br />
ernsthaft wollen, es entzieht Menschen<br />
Sinn und Lebensfreu<strong>de</strong> und<br />
<strong>de</strong>r Gesellschaft Kreativität und Produktivität.<br />
INTERVIEW: CLAUDIA KIRSCH<br />
FOTOS VERONIKA FAUSTMANN, URBAN ZINTEL<br />
138 <strong>BRIGITTE</strong>.DE 20/<strong>2013</strong>
<strong>Das</strong> <strong>Update</strong> <strong>2013</strong><br />
FRAUEN<br />
AUF DEM<br />
SPRUNG<br />
DOSSIER<br />
»Die Wut <strong>de</strong>r jungen<br />
<strong>Frauen</strong> ist berechtigt.<br />
Und brisant<br />
für die Gesellschaft«<br />
Warum <strong>Frauen</strong><br />
die Schnauze<br />
voll haben und<br />
was Familien<br />
brauchen. Ein<br />
Kommentar von<br />
Prof. Jutta Allmendinger<br />
über die<br />
ungerechte Verteilung<br />
von Arbeit<br />
und die Folgen<br />
D<br />
ie Politik fühlt sich missverstan<strong>de</strong>n.<br />
Sie hat doch so viel<br />
getan: Elterngeld, Betreuungsgeld,<br />
das Recht <strong>auf</strong> einen Kita-<br />
Platz, die Flexiquote. Was hat es<br />
gebracht? Die niedrigste Geburtenrate<br />
in Europa, so wenige <strong>Frauen</strong> in Führungspositionen,<br />
dass die Europäische<br />
Kommission schon mahnt. Und<br />
80 Prozent <strong>de</strong>r <strong>Frauen</strong> sagen: Es wird<br />
nicht genug für die Gleichstellung<br />
getan. Wie undankbar!<br />
Die jungen <strong>Frauen</strong> fühlen sich einsam<br />
und vorgeführt. Wir sind erwerbstätig,<br />
sagen sie, sogar sehr gern<br />
und fast ununterbrochen. Wir stärken<br />
die Wirtschaft. „<strong>Frauen</strong> gegen <strong>de</strong>n<br />
Fachkräftemangel: Nutzt die bislang<br />
verschenkten Potenziale“, so lautet<br />
das Credo land<strong>auf</strong> und landab. <strong>Das</strong><br />
wollte die Politik doch mit <strong>de</strong>r Reform<br />
<strong>de</strong>s Unterhaltsrechts und mit <strong>de</strong>n<br />
Hartz-IV-Regelungen.
DOSSIER<br />
<strong>Das</strong> <strong>Update</strong> <strong>2013</strong><br />
FRAUEN<br />
AUF DEM<br />
SPRUNG<br />
Wir hören <strong>de</strong>n Ruf: Bekommt Kin<strong>de</strong>r!<br />
Natürlich wollen wir die auch.<br />
Ihr, die Politik, tut auch was dafür, das<br />
sehen wir. <strong>Das</strong> Elterngeld ist okay.<br />
Mehr Kitas soll es geben, aber wirklich<br />
gute Kitas bleiben selten. Die Schule<br />
macht uns Probleme: Der Unterricht<br />
en<strong>de</strong>t früh. Wir drücken<br />
also zu Hause<br />
mit unseren Kin<strong>de</strong>rn<br />
noch die Schulbank.<br />
Neben Geldverdienen<br />
und Haushalt ist das<br />
unsere dritte Pflicht.<br />
Irgendwie schaffen<br />
wir das, reduzieren<br />
die bezahlte Arbeit<br />
und arbeiten länger<br />
für umsonst.<br />
Meint ihr das mit<br />
Vereinbarkeit von<br />
Beruf und Familie?<br />
Wir sehen die Männer<br />
an uns vorbeirauschen.<br />
Sie winken mit<br />
wissen<strong>de</strong>m Blick – in<br />
<strong>de</strong>r Schule rauschten<br />
wir mit <strong>de</strong>n besseren<br />
Noten an ihnen vorbei.<br />
Wir sehen die<br />
kin<strong>de</strong>rlosen <strong>Frauen</strong>.<br />
Sie zögern und warten,<br />
sind zerrissen.<br />
Kin<strong>de</strong>rlos bleiben?<br />
JUNGE FRAUEN<br />
FÜHLEN SICH<br />
EINSAM UND<br />
VORGEFÜHRT.<br />
SIE WOLLEN<br />
KINDER UND<br />
KARRIERE<br />
MACHEN, ABER<br />
ES FEHLT DIE<br />
UNTER-<br />
STÜTZUNG<br />
Nein, das wür<strong>de</strong>n sie<br />
bereuen.<br />
All das wäre nicht<br />
schlimm, wären wir<br />
nicht erzogen und<br />
ausgebil<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n mit Blick <strong>auf</strong> eine<br />
Karriere. Wir können jetzt nicht einfach<br />
lächelnd schlucken. Die Situation<br />
setzt uns zu und macht mürbe.<br />
Und die jungen Männer? Auch sie<br />
fühlen sich nicht wohl. Wir haben<br />
gelernt, dass wir <strong>de</strong>n Arbeitsmarkt mit<br />
<strong>Frauen</strong> teilen, sagen sie. Wir haben<br />
akzeptiert, hier und da auch eine Führungsposition<br />
an <strong>Frauen</strong> abzugeben.<br />
Von <strong>de</strong>r Meinung „<strong>Frauen</strong> wollen nicht<br />
führen“ haben wir uns längst verabschie<strong>de</strong>t.<br />
Ein Drittel von uns sagt offen:<br />
„<strong>Frauen</strong> sind die besseren Chefs.“<br />
Larmoyant sind wir nicht. Wir sehen,<br />
dass wir mehr Geld verdienen, schneller<br />
beför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, in die besseren<br />
Jobs kommen. Wir stehen an <strong>de</strong>r Seite<br />
<strong>de</strong>r <strong>Frauen</strong>. Nur die Quoten gehen zu<br />
weit. Warum sollen<br />
wir büßen für die<br />
Privilegien unserer<br />
Väter und Großväter?<br />
Klar, auch wir<br />
wollen Kin<strong>de</strong>r. Doch<br />
zugeben will das fast<br />
keiner von uns. Kin<strong>de</strong>r<br />
sind anstrengend,<br />
kosten viel und machen<br />
Arbeit. Die<br />
Mütter gehen <strong>auf</strong><br />
Teilzeit, verdienen<br />
weniger und wollen<br />
auch noch unsere<br />
Hilfe. Zwei Monate<br />
Elternzeit sind okay,<br />
mittlerweile wehrt<br />
sich nur noch je<strong>de</strong>r<br />
Dritte von uns dagegen.<br />
Aber putzen,<br />
waschen, kochen, das<br />
geht dann doch zu<br />
weit. Wir müssen<br />
nun ja länger arbeiten,<br />
wir brauchen das<br />
Geld, und <strong>de</strong>r Chef<br />
will unsere Anwesenheit.<br />
Wir selbst<br />
wür<strong>de</strong>n auch lieber<br />
kürzertreten. Gedankt<br />
wird uns nicht,<br />
unsere <strong>Frauen</strong> wer<strong>de</strong>n zunehmend<br />
böse. Warum sehen sie nicht, dass es<br />
viel schwieriger ist, altes Terrain zu<br />
verlassen, von <strong>de</strong>r Vollzeit runter <strong>auf</strong><br />
eine vereinbarkeitsfreundliche Stun<strong>de</strong>nzahl<br />
zu gehen?<br />
Alle sind irgendwie unglücklich.<br />
Nur: Frust hilft nicht, nieman<strong>de</strong>m. Politik<br />
und Wirtschaft müssen han<strong>de</strong>ln,<br />
mutig Orientierung geben. Die Erwerbsarbeit<br />
von <strong>Frauen</strong> und Männern<br />
ist mittlerweile gesetzt. Warum schafft<br />
man mit <strong>de</strong>m Betreuungsgeld ganz falsche<br />
Anreize? Auch die Vereinbarkeit<br />
ist gegeben, solange wir über <strong>Frauen</strong>,<br />
eine geringe Teilzeit, niedrige Einkommen<br />
und viel unbezahlte Hausarbeit<br />
re<strong>de</strong>n. Vereinbarkeit muss aber mehr<br />
als das heißen: die Chance <strong>auf</strong> eine<br />
or<strong>de</strong>ntliche Karriere. Zu erreichen ist<br />
dies nur, wenn wir bezahlte Erwerbsarbeit<br />
und unbezahlte Familienarbeit fair<br />
zwischen <strong>Frauen</strong> und Männern <strong>auf</strong>teilen.<br />
Wer über Erwerbsarbeit spricht,<br />
darf über Hausarbeit nicht schweigen.<br />
Solange die bezahlte Erwerbsarbeit<br />
so ungleich wie heute verteilt ist,<br />
und zwar systematisch entlang <strong>de</strong>r<br />
Geschlechterlinien, solange wer<strong>de</strong>n<br />
Arbeitgeber <strong>auf</strong> Verfügbarkeit und<br />
Erreichbarkeit setzen. Sie wer<strong>de</strong>n zurückschrecken<br />
vor Personalentwicklungsplänen<br />
mit langem Atem, von<br />
Führung in vermin<strong>de</strong>rter Vollzeit, in<br />
Teams. Sie wer<strong>de</strong>n Menschen nicht<br />
vertrauen, die hervorragend sind, aber<br />
nicht immer anwesend.<br />
Wir brauchen neue Arbeitszeiten,<br />
32 Stun<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Woche, gerechnet<br />
über ein ganzes Arbeitsleben. <strong>Frauen</strong><br />
können dann länger arbeiten, Männer<br />
weniger. <strong>Das</strong> wünschen sie sich auch.<br />
Vor Jahren, bei <strong>de</strong>r Debatte zur Humanisierung<br />
<strong>de</strong>r Arbeitswelt, waren wir<br />
da weiter. Natürlich brauchen wir auch<br />
eine Entlastung von Eltern, Lehrern<br />
und Kin<strong>de</strong>rn. Einen Auf- und Ausbau<br />
<strong>de</strong>r Schulen zu verlässlichen Ganztagsschulen,<br />
mehr Personal. <strong>Das</strong> kostet<br />
Geld. Aber das sind Maßnahmen, die<br />
in <strong>de</strong>n Familien ankommen. Sie wür<strong>de</strong>n<br />
beitragen zu einem Miteinan<strong>de</strong>r<br />
von Beruf und Familie, das wir wahrhaftig<br />
Vereinbarkeit nennen dürfen.<br />
BUCHTIPP <strong>Frauen</strong> <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Sprung:<br />
Wie junge <strong>Frauen</strong> heute leben wolllen.<br />
Die <strong>BRIGITTE</strong>-Studie von Jutta Allmendinger<br />
(112 S., 12,95 Euro, Panthenon)<br />
ONLINE-TIPP Kin<strong>de</strong>r?<br />
Karriere? O<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>s?<br />
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unter www.brigitte.<strong>de</strong>/studie<br />
FOTOS URBAN ZINTEL<br />
140 <strong>BRIGITTE</strong>.DE 20/<strong>2013</strong>