Ausbeutung nach Strich und Faden: TextilarbeiterInnen in Bangladesh Weder Islamismus noch Kemalismus: Für Freiheit und Demokratie! Durch die Ausbeutung der TextilarbeiterInnen verdient der Staat jährlich 20 Mrd. US-Dollar, was etwa 80 Prozent des AuSSenhandelsvolumens von Bangladesch entspricht. Die Zulieferer arbeiten u.a. für H&M, C&A, Calvin Klein, Tommy Hilfiger, Tchibo, Mango, Carrefour, KiK, Hofer, Esprit, Rewe und Lidl. Quellen: untergrund-blättle.ch neopresse.com Clean Clothes Kampagne Österreich In Bangladesch leben 47,5 Prozent der Gesamtbevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Größter industrieller Sektor des stark landwirtschaftlich ausgerichteten Landes ist die Bekleidungsindustrie. In ca. 4.000 Textil-Fabriken sind 3 Millionen Menschen beschäftigt, gut 90 Prozent davon Frauen. Sie kommen aus den ländlichen Gebieten in die Städte, um hier Arbeit zu finden und ihre Familien zu unterstützen. Die heimischen Fabrikbesitzer gehören der gesellschaftlichen Elite an. Ihre Fabriken verstoßen massiv gegen geltendes Arbeitsrecht und die von Bangladesch ratifizierten internationalen Arbeitsstandards. Die Beschäftigten bekommen keine Arbeitsverträge; Sozial- oder Vorsorgeleistungen fehlen gänzlich. Eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall besteht nicht. Die Frauen leben deshalb von der Hand in den Mund und stehen im Kündigungsfalle oder bei Krankheit vor dem Nichts. Hinzu kommen die extremen Bedingungen, unter denen produziert wird: Die Fabriken befinden sich häufig in Privathäusern, die in Produktionshallen ohne notwendige technische Sicherheitsmaßnahmen umgebaut wurden. Die Fluchtwege sind zu eng, verstellt oder verriegelt. Zwischen 1990 und 2012 sind über 600 ArbeiterInnen in brennenden oder einstürzenden Fabriken ums Leben gekommen. Beim Einsturz einer Kleiderfabrik in der Nähe von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka Ende April <strong>2013</strong> starben nach offiziellen Angaben 1.127 Personen. Am Tag davor hatten sich am Gebäude große, tiefgehende Risse gezeigt, eine Evakuierung war angeordnet worden. Die Eigentümer ignorierten jedoch alle Warnzeichen und bestanden darauf, dass die Arbeit fortgesetzt wurde <strong>–</strong> nur Stunden, bevor das Gebäude einstürzte. Aufgrund des internationalen Drucks und der gewerkschaftlichen Kämpfe im Land sahen sich daraufhin 31 internationale Konzerne wie H&M gezwungen ein rechtlich bindendes Abkommen für Gebäudesicherheit und Brandschutz zu unterzeichnen, das die lokalen Gewerkschaften einbindet und die Unternehmen finanziell an den Sanierungen der Fabriken beteiligt. “Obwohl der Großteil der führenden Textilhandelsfirmen sich dem Sicherheitsabkommen verpflichtet haben, gibt es Verweigerer”, so Michaela Königshofer von der Clean Clothes Kampagne Österreich. Darunter auch europäische Unternehmen wie Charles Vögele und Tally Weijl. Während einige NGO´s dennoch von einem historischen Durchbruch sprechen bleibt die Frage offen, ob auch die anderen Arbeitsrechtsverletzungen endlich an den Pranger gestellt werden. Schlussendlich bleibt zu befürchten, dass auch die jüngste Tragödie in Bangladesch und die ArbeiterInnen bald wieder in Vergessenheit geraten und die Textil-Fabriken wieder zur Tagesordnung <strong>–</strong> nämlich der hemmungslosen Ausbeutung der „Ware Arbeitskraft“ - zurückkehren. Und sollte es in Bangladesch eines Tages aufgrund tatsächlich kontrollierter Auflagen nicht mehr so leicht möglich sein, irgendwo auf der Welt werden die Konzerne wieder einen Flecken finden, wo ihr Profit auf Kosten von Menschenleben noch größer ausfällt. Die Lösung des Problems liegt also letztendlich <strong>–</strong> wie so oft - außerhalb der kapitalistischen Logik. Zum Volksaufstand in der Türkei In der Türkei regiert die „Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung“ (Adalet ve Kalkınma Partisi, AKP) mit absoluter Mehrheit, Ministerpräsident ist Recep Tayyip Erdoğan. Ökonomisch handelt es sich um eine neoliberale Partei, politisch-kulturell um eine konservativ-religiöse. Die AKP ist beobachtendes Mitglied in der EU-Volkspartei (EVP), der in Österreich die ÖVP, in Deutschland CDU/CSU, aber auch die Parteien von Berlusconi, Sarkozy, Orban und Samaras angehören. Die AKP gibt sich als moderate Version des politischen Islam, ist es aber nicht, wie diverse Entscheidungen und gescheiterte Ansinnen zeigen. In dieser Hinsicht ist die AKP die Antithese zum laizistischen Kemalismus, dessen Hauptpartei, die sozialdemokratische „Republikanische Volkspartei“ (Cumhuriyet Halk Partisi, CHP), die größte Oppositionsgruppe im Parlament zu Ankara darstellt. In der Hauptsache sind AKP und CHP jedoch nur zwei Seiten der gleichen Medaille: Sie stehen jeweils für kapitalistischen „Modernismus“, für einen starken Staat, der die Minderheiten der Türkei unterdrückt, und für eine autoritäre Regierungsform, die von einigen Gruppen des linksradikalen und kommunistischen Spektrums der Türkei als faschistisch angesehen wird. Ausgehend von den Protesten gegen die Beseitigung des Gezi- Parks in Istanbul zugunsten eines Einkaufszentrums <strong>–</strong> letztlich von Widerstand gegen Konsumzwang, Gentrifizierung und Umweltzerstörung <strong>–</strong> hat sich im Juni dieses Jahres ein regelrechter Volksaufstand gegen die AKP gebildet. Dieser Aufstand, der von vielen unorganisierten Menschen initiiert, aber von etablierten Organisationen unterstützt wird, fordert demokratische Bürgerrechte, die Einhaltung der Menschenrechte und das Ende des offen wütenden Staatsterrors sowie die Rechenschaft der Verantwortlichen. Mit allen Angriffen, mit denen die Regierung und ihre bewaffneten staatlichen Exekutivkräfte den Menschen am Istanbuler Taksim-Platz und andernorts begegnen, weiten sich Widerstand, Wut, Mut und Zielsetzungen des Volkes aus. Es geht auch um soziale, gewerkschaftliche und Arbeitsrechte, um individuelle Freiheiten der Lebensgestaltung, um Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit, um Minderheitenrechte sowie um die bloße Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit. Das bedeutet auch, dass es nicht getan wäre mit einer vernünftigen Umwidmung des Gezi-Park-Areals, mit einer diesbezüglichen Volksbefragung oder sogar mit dem Rücktritt der Regierung und Neuwahlen. Daher dürfen sich die Menschen nicht nach separaten Interessen spalten und die Teile des Aufstandes gegeneinander ausspielen lassen, genauso wenig wie man zum Erfüllungsgehilfen der CHP werden darf, die bloß zurück an die Macht will. Die einheitlichen Grundforderungen der Bewegung ergeben sich von selbst. Sie ersetzen aber nicht den fortgesetzten Kampf gegen das politische System. Der Volkswiderstand gegen die Regierung <strong>–</strong> ob AKP oder CHP <strong>–</strong>, gegen ihre Handlanger und faschistische Organisationen, gegen den Militarismus, gegen nationalistischen Chauvinismus und aggressive Außenpolitik (z.B. gegen Syrien) muss verstärkt werden, nicht zuletzt um diesen in einer weiteren Etappe auch gegen den Kapitalismus selbst und die bürgerliche Herrschaft insgesamt zu mobilisieren. Brutales Vorgehen der Polizei gegen friedliche Demonstranten im Gezi-Park <strong>–</strong> Volksaufstand am Istanbuler Taksim-Platz 6 <strong>KOMpass</strong> <strong>KOMpass</strong> 7