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Analyse und Simulation von Wechselwirkungen von Implantaten ...

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<strong>Analyse</strong> <strong>und</strong> <strong>Simulation</strong> <strong>von</strong> <strong>Wechselwirkungen</strong> <strong>von</strong> <strong>Implantaten</strong> <strong>und</strong><br />

Biosystemen<br />

Analysis and simulation of electrical interactions of implants with biosystems<br />

van Rienen, U. 1 , Appali R. 1 , Bader R. 2 , Baumann W. 3 , Beck, U. 4 , Behrend D. 5 , Benecke, R. 6 , Biala K. 4 , Birkholz H. 7 ,<br />

Burkel E. 8 , Engel K. 7 , Ewald H. 1 , Gimsa J. 3 , Gimsa U. 13 , Gongadze E. 1 , Grünbaum A. 9, 1 , Haba, Y. 2 , Liese F. 7 , Liu B.<br />

7 , Lüder M. 10 , Matschegewski C. 11 , Mittelmeier W. 2 , Mix E. 6 , Nebe J.B. 11 , Nowak K.A. 6 , Pahnke J. 6 , Pau H.W. 9 ,<br />

Pauleweit S. 12 , Petersen, S. 1 , Polnick S. 3 , Reimer T. 3 , Rott G. 8 , Salomon R. 10 , Vinter E. 1 , Weihe T. 3 , Wolkenhauer<br />

O. 12<br />

1 Universität Rostock, Institut für Allgemeine Elektrotechnik, Rostock, Deutschland<br />

2 Universität Rostock, Orthopädische Klinik <strong>und</strong> Poliklinik, Rostock, Deutschland<br />

3 Universität Rostock, Institut für Biowissenschaften, Rostock, Deutschland<br />

4 Universität Rostock, Institut für Gerätesysteme <strong>und</strong> Schaltungstechnik, Rostock, Deutschland<br />

5 Universität Rostock, Institut für Biomedizinische Technik, Rostock, Deutschland<br />

6 Universität Rostock, Zentrum für Nervenheilk<strong>und</strong>e, Klinik für Neurologie <strong>und</strong> Poliklinik, Rostock, Deutschland<br />

7 Universität Rostock, Institut für Mathematik, Rostock, Deutschland<br />

8 Universität Rostock, Institut für Physik, Rostock, Deutschland<br />

9 Universität Rostock, Klinik u. Poliklinik f. Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten, Kopf- u. Halschirurgie, Rostock, Deutschl.<br />

10 Universität Rostock, Institut für Angewandte Mikroelektronik <strong>und</strong> Datentechnik, Rostock, Deutschland<br />

11 Universität Rostock, Biomedizinisches Forschungszentrum, Klinik für Innere Medizin, Rostock, Deutschland<br />

12 Universität Rostock, Institut für Informatik, Rostock, Deutschland<br />

13 Leibniz-Institut für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere Dummerstorf, Deutschland<br />

ursula.van-rienen@uni-rostock.de<br />

Kurzfassung<br />

Trotz zahlreicher Erfolge mit implantierten technischen Systemen zur Unterstützung <strong>von</strong> Körperfunktionen, die durch<br />

Krankheit, Unfall oder Alter eingeschränkt wurden, besteht ein weit gespannter Forschungsbedarf mit den Zielstellungen<br />

verbesserter Funktion, höherer Verträglichkeit <strong>und</strong> längerer Haltbarkeit <strong>von</strong> <strong>Implantaten</strong>. Ein erheblicher Teil der daraus<br />

entstehenden Fragestellungen ist direkt mit einem möglichst tiefgehenden Verständnis der Prozesse an der Grenzfläche<br />

zwischen Implantat <strong>und</strong> dem umgebenden biologischen Gewebe verb<strong>und</strong>en, was seinerseits eine detaillierte Kenntnis der<br />

dort stattfindenden elektrochemischen Vorgänge, gegebenenfalls beeinflusst durch extern angelegte elektromagnetische<br />

Felder, voraussetzt. Die möglichst präzise modellhafte Beschreibung dieser Vorgänge sowohl aus biologisch/medizinischer<br />

als auch aus physikalisch/elektrotechnischer Sicht ist der zentrale Forschungsinhalt des DFG-<br />

Graduiertenkollegs 1505/1 „<strong>Analyse</strong> <strong>und</strong> <strong>Simulation</strong> elektrischer <strong>Wechselwirkungen</strong> zwischen <strong>Implantaten</strong> <strong>und</strong> Biosystemen”<br />

1 mit dem Akronym „welisa“. Dieser Beitrag liefert eine Übersicht über die welisa-Projekte.<br />

Abstract<br />

Numerous technical implant systems have been successful in supporting impaired body functions caused, e.g., by chronic<br />

diseases, trauma and aging. However, there is still a need to improve the functionality, compatibility and durability of<br />

these implants. This requires basic research on the interactions of implants with the surro<strong>und</strong>ing organic tissue. In particular,<br />

a deeper insight into the electro-chemical processes at the implant-cell interface and the cellular and molecular<br />

reactions induced by external stimuli, such as varying electromagnetic fields and nano-structured titanium surfaces is<br />

very essential. The central goal of our project is the mathematical modelling of implant-cell interaction processes from<br />

the biological, medical, physical and electrical engineering point of view. This paper presents a panoramic view of the<br />

individual research topics of the DFG Research Training Group 1505/1 “Analysis and simulation of electrical interactions<br />

of implants with bio-systems”, acronymed as “welisa”.


1 Einleitung<br />

1.1 Profil des Graduiertenkollegs welisa<br />

Technische Implantatsysteme müssen bestimmte Körperfunktionen,<br />

die auf Gr<strong>und</strong> hohen Alters, Unfalls, schwerer<br />

Erkrankung oder durch Behinderung eingeschränkt sind,<br />

unterstützen oder gänzlich ersetzen. Um Verbesserungen<br />

gegenüber bestehenden Systemen in der Applikation zu<br />

erreichen, sind zahlreiche offene Fragen zum Wechselspiel<br />

zwischen Implantat <strong>und</strong> Biosystem noch zu beantworten.<br />

Im interdisziplinären DFG-Graduiertenkolleg 1505/1 „welisa“<br />

werden gemeinsame Forschungsprojekte bearbeitet,<br />

die in die Entwicklung neuartiger aktiver <strong>und</strong> passiver<br />

Implantatsysteme münden sollen.<br />

Experimentelle <strong>Analyse</strong>n zur material- <strong>und</strong> oberflächenabhängigen<br />

Zelladhäsion <strong>von</strong> Osteoblasten, biophysikalische<br />

Experimente zur elektrischen Kopplung <strong>von</strong> Nervenzellnetzwerken<br />

mit Sensorchips, elektromagnetische Feldberechnungen<br />

auf unterschiedlichen Größenskalen sowie<br />

funktionale Modelle der Zellphysiologie dienen dem tieferen<br />

Verständnis der Wechselwirkungsvorgänge. Die Konzepte<br />

werden in direktem Bezug zur Anwendung (Tiefe<br />

Hirnstimulation, Cochlea-Implantate, elektrostimulative<br />

Implantate zur Regeneration <strong>von</strong> Knochendefekten) entwickelt<br />

<strong>und</strong> getestet. Hierzu ist ein enges Zusammenwirken<br />

etlicher Disziplinen (Medizin, Materialwissenschaft, Oberflächen-<br />

<strong>und</strong> Biophysik, Zellbiologie, Elektrotechnik, Informatik<br />

<strong>und</strong> Mathematik) zwingend erforderlich <strong>und</strong> wird<br />

seit Oktober 2008 erfolgreich in welisa praktiziert.<br />

In mehreren Beiträgen zu dieser Tagung präsentieren unsere<br />

Doktorandinnen <strong>und</strong> Doktoranden erste Ergebnisse.<br />

1.2 Wissenschaftliche Problemstellung<br />

Viele <strong>Wechselwirkungen</strong> zwischen <strong>Implantaten</strong> <strong>und</strong> Biosystemen<br />

sind elektrischer oder elektrochemischer Natur.<br />

Daher ist zu deren <strong>Analyse</strong> eine Kombination <strong>von</strong> experimentellen<br />

Untersuchungen mit elektromagnetischen Feldberechnungen<br />

auf unterschiedlichen Größenskalen <strong>von</strong><br />

makroskopischen Gewebsbereichen bis hinab zu subzellulären<br />

Strukturen notwendig. Für die Verbesserung <strong>von</strong><br />

Biomaterialien wäre die Vorhersage zellulärer Antworten<br />

auf die Veränderung diverser „Inputs“ mittels eines adäquaten<br />

in-vitro-Modells ein wichtiger Beitrag. Dies erfordert<br />

die mathematische Beschreibung der Zelle in ihrer<br />

Umgebung.<br />

Der Ansatz im Rahmen <strong>von</strong> welisa liegt darin, funktionale<br />

Zusammenhänge zwischen Ursachen (Merkmale der Implantate<br />

– wie Oberflächentopographie, Elektrochemie der<br />

Phasengrenze, elektrische Stimuli) <strong>und</strong> Wirkungen (Zellverhalten)<br />

zu finden. Dabei sind neben zytomechanischen<br />

<strong>und</strong> molekularen Eigenschaften insbesondere Grenzflächen-<br />

<strong>und</strong> elektrische Doppelschichtphänomene, elektrochemische<br />

Oberflächenvorgänge, Redoxreaktionen sowie<br />

korrosive Prozesse in die Zell-Implantat-Wechselwirkung<br />

einzubeziehen. Es handelt sich um ein anspruchsvolles Unterfangen,<br />

denn in der Zellbiologie wird die Erfassung der<br />

Komplexität zellulärer Reaktionen als die größte Herausforderung<br />

der Forschungsarbeiten im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert postuliert.<br />

Für die Modellierung sind ferner Nichtlinearitäten,<br />

Anisotropien <strong>und</strong> Frequenzgänge der biologischen <strong>und</strong><br />

technischen Systemelemente zu berücksichtigen. Dazu<br />

werden anwendungsorientierte Fragestellungen (medizinische<br />

Therapie, Tiermodelle) mit Fragestellungen der<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung (Einzelzellen <strong>und</strong> Multizellsysteme<br />

wie Neurochips) <strong>und</strong> mit Modellierungen kombiniert.<br />

Bild 1 Forschungsthemen des Graduiertenkollegs<br />

Das Kolleg gliedert sich in zwei wesentliche Forschungsschwerpunkte:<br />

A: Einfluss <strong>von</strong> strukturierten Implantatoberflächen auf<br />

angrenzende Biosysteme <strong>und</strong> dessen mathematische<br />

Modellierung,<br />

B: Elektrische Wechselwirkung zwischen technischem<br />

Implantatsystem <strong>und</strong> Biosystem.<br />

Die breite interdisziplinäre Zusammensetzung des Kollegs<br />

erlaubt die Einbeziehung vielfältiger <strong>Analyse</strong>methoden mit<br />

dem Ziel einer angemessenen Modellierung <strong>und</strong> <strong>Simulation</strong><br />

der Prozesse im Biosystem (mit <strong>und</strong> ohne Implantate)<br />

<strong>und</strong> im Ergebnis die Entwicklung neuartiger Implantate.<br />

Bild 2 Morphologie eines MG-63 Osteoblasten nach 24 h<br />

Kultivierung auf einer mikrostrukturierten Titanoberfläche<br />

(Rasterelektronenmikroskopie-Aufnahme (REM) – Elektronen-Mikroskopisches<br />

Zentrum der Medizinischen Fakultät,<br />

AB Zellbiologie).<br />

2 Projektübersicht<br />

Aus Platzgründen muss die Beschreibung der Projekte sehr<br />

knapp gehalten werden. Sofern bereits Publikationen vorliegen,<br />

wird bzgl. Details <strong>und</strong> wissenschaftlichen Referenzen<br />

auf diese verwiesen.


2.1 Einfluss geometrisch strukturierter Titanoberflächen<br />

auf die Zellfunktion <strong>von</strong><br />

Osteoblasten<br />

In vorangegangenen Untersuchungen <strong>von</strong> stochastischen<br />

Titanoberflächen wurde ein Zusammenhang zwischen der<br />

Struktur der Oberfläche im Nano- <strong>und</strong> Mikrometerbereich<br />

<strong>und</strong> dem Verhalten <strong>von</strong> Osteoblasten nachgewiesen [1].<br />

Dies motiviert eine Gr<strong>und</strong>lagenforschung <strong>von</strong> funktionellen<br />

Zusammenhängen zwischen Oberflächenparametern<br />

<strong>und</strong> Zellfunktionen. Hierbei sollen klar definierte geometrische<br />

Oberflächenstrukturen, z. B. Pfosten- <strong>und</strong> Grabenstrukturen,<br />

einen neuen systematischen Ansatz liefern.<br />

Die Charakterisierung dieser geometrischen Oberflächen<br />

wird mit Hilfe der Rasterelektronenmikroskopie (REM),<br />

der Chronoamperometrie (CA) <strong>und</strong> der Elektrochemischen<br />

Impedanzspektroskopie (EIS) vorgenommen. Damit werden<br />

Parameter der Oberfläche, wie z. B. die Ladung <strong>und</strong><br />

Kapazität der elektrochemischen Doppelschicht, gemessen<br />

[2]. Die Auswertungen der EIS-Messungen zeigen hierbei<br />

eine lineare Korrelation der Kapazität <strong>und</strong> der Gesamtfläche<br />

der oben genannten Strukturen. Im Weiteren wurde<br />

beobachtet, dass die Zellen ihre Morphologie der Struktur<br />

der Oberfläche anpassen, z.B. richten sich die Osteoblasten<br />

in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Oberflächengeometrie aus.<br />

Mit Hilfe eines mathematischen Modells der elektrochemischen<br />

Doppelschicht (EDL) <strong>und</strong> dessen numerischen <strong>Simulation</strong>en<br />

der Feldverteilung an diesen Strukturen konnte<br />

gezeigt werden, dass die klassischen Modelle die zuvor mit<br />

EIS gemessenen Kapazitäten der EDL generell überschätzen<br />

[3]. Um die Hypothese der Proteinadsorption in Abhängigkeit<br />

der Feldverteilung zu verifizieren, werden die<br />

Modelle für die EDL weiter verfeinert.<br />

Die Abhängigkeit der initialen Adhäsion <strong>von</strong> Osteoblasten<br />

<strong>von</strong> Strukturmerkmalen der Oberflächen wurde mittels<br />

Single-Cell Spectroscopy Experimenten untersucht. Der<br />

geschwindigkeitsbestimmende Schritt während zelladhäsiver<br />

Vorgänge ist die viskoelastische Ausbreitung der Zelle.<br />

Dies wird in einem verfeinerten Modell betrachtet.<br />

Weiterhin werden die unterschiedlichen Oberflächenstrukturen<br />

benutzt, um Unterschiede im Aktivierungszustand<br />

intrazellulärer Signalproteine <strong>und</strong> dessen Auswirkungen<br />

auf die Zellfunktionen zu analysieren. Mittels Fluoreszenzmessungen<br />

wurden hierbei die in dem vom Integrin-<br />

Rezeptor beeinflussten Signalwege enthaltenen Proteine<br />

gemessen. Untersuchungen des Aktinzytoskeletts mittels<br />

konfokaler Mikroskopie zeigten, dass je weniger Aktinstressfasern<br />

<strong>von</strong> den Osteoblasten formiert werden, desto<br />

weniger sind diese Zellen in der Lage, extrazelluläre<br />

Matrixproteine (z.B. Kollagen-I) zu synthetisieren. Es<br />

konnte eine Abhängigkeit der Zellfunktion <strong>von</strong> der Zellarchitektur<br />

nachgewiesen werden [4].<br />

Für die Auswertung dieser zellbiologischen Daten aus<br />

bildgebenden Verfahren wird eine Software entwickelt, um<br />

mit Hilfe einer Gratdetektion im Helligkeitsprofil, eine automatische<br />

Auswertung dieser zu ermöglichen [5]. Eine<br />

Validierung der Software wird durch numerische Experimente<br />

eines stochastischen Modells durchgeführt. Hierbei<br />

werden Kenngrößen des Aktinzytoskeletts, wie die Anisotropie<br />

<strong>und</strong> die Längen der Stressfasern, identifiziert <strong>und</strong><br />

berechnet. Die Gesamtlängenabweichung liegt dabei unter<br />

10%.<br />

Da der Einfluss des Oberflächen-Designs auf die intrazellulären<br />

Signalwege <strong>und</strong> deren Auswirkungen auf die Aktinpolymerisation<br />

äußerst komplex ist, wird mit Hilfe eines<br />

systembiologischen Ansatzes ein mathematisches Modell<br />

dieser Zusammenhänge entwickelt. Ein Ergebnis der <strong>Simulation</strong><br />

unter verschiedenen Bedingungen zeigt eine Abhängigkeit<br />

der Stabilität der Aktinpolymerisation <strong>von</strong> der<br />

Affinität des Integrin-Rezeptors zur aktivierten Fokalen<br />

Adhäsionskinase. Eine neue Datenlage, welche aus den<br />

anderen Projekten resultiert, ermöglicht zukünftig ein verfeinertes<br />

Modell.<br />

2.2 Applikation <strong>und</strong> <strong>Analyse</strong>n <strong>von</strong> elektrischen<br />

Stimulationen an neuronalem Gewebe<br />

In vorhergehenden Untersuchungen wurde gezeigt, dass<br />

derzeit vorhandene Systeme für die elektrische Stimulation<br />

<strong>von</strong> Nervengewebe noch deutliche Mängel aufweisen. Es<br />

ist bekannt, dass z.B. die Elektroden für die Cochlea-<br />

Stimulation ein eventuell vorhandenes Restgehör zerstören<br />

[6] oder Elektroden für die Tiefe Hirnstimulation (THS,<br />

engl. DBS) bei falscher Materialwahl elektrochemisch angegriffen<br />

werden, was gewebeschädigend wirken kann [7].<br />

Um unter anderem diese Defizite zu verringern, sollen<br />

funktionelle Implantate optimiert werden. Ein weiteres<br />

Ziel ist es, Tierversuche durch mathematische Modellierung<br />

elektrischer <strong>Wechselwirkungen</strong> zwischen Biosystem<br />

<strong>und</strong> Implantat sowie den Einsatz <strong>von</strong> Neurochips zu reduzieren.<br />

Mit dem in der Biophysik Rostock entwickelten Glas-<br />

Neurochip werden simultan die Aktionspotentiale verschiedener<br />

Neuronen eines Netzwerks über das in den<br />

Chip integrierte multielectrode array (MEA) gemessen. In<br />

kleinen kortikalen Netzwerken geringer Zelldichte konnten<br />

verschiedene Neuronentypen anhand ihrer Aktivitätsmuster<br />

sowie immunozytochemisch identifiziert werden. Weitere<br />

Versuche zeigten, dass für die Signaltransmission zwischen<br />

den verschiedenen Neuronen neben chemischen Synapsen<br />

Gap Junctions essentiell sind.<br />

Darüber hinaus werden erfolgreich Patch-Clamp Messungen<br />

auf diesem Neurochip durchgeführt. Das Ziel hierbei<br />

ist die aktive Beeinflussung der Spontanaktivitätsmuster<br />

durch die elektrische Stimulation mit Parametern der THS.<br />

Die Zuhilfenahme dieser zukünftigen Stimulationsexperimente<br />

erlaubt weitere Untersuchungen des Einflusses<br />

elektrischer Felder auf Neurone. Es wird ein chronisch instrumentiertes<br />

Kleintiermodell etabliert, welches ein möglichst<br />

stressfreies <strong>und</strong> natürliches Verhalten der zu untersuchenden<br />

Tiere gestattet. Dadurch wird die Auswirkung<br />

auf die Histologie <strong>und</strong> die Motorik durch die THS in neuen<br />

Zielgebieten <strong>und</strong> mit neuen Stimulationsparametern erschlossen.<br />

Ebenfalls sollen neue Elektrodenmaterialien<br />

<strong>und</strong> -designs getestet werden.<br />

Mit Hilfe der mathematischen Modellierung elektromagnetischer<br />

Felder <strong>von</strong> Elektroden für die THS zur Humantherapie<br />

wird die Feldverteilung durch in silico Experimente


untersucht. Etablierte Modelle benutzen die Annahme eines<br />

isotropen <strong>und</strong> homogenen Hirngewebes. Durch die Berücksichtigung<br />

der Anisotropie für die Leitfähigkeit des<br />

Gehirns, konnte gezeigt werden, dass sich das elektrische<br />

Feld der Stimulationselektrode nicht gleichmäßig im Gehirn<br />

ausbreitet. Zukünftig wird in dem Modell zusätzlich<br />

eine Berücksichtigung der Doppelschichteffekte zwischen<br />

Implantat <strong>und</strong> Gewebe implementiert.<br />

Neben der makroskopischen Betrachtung des neuronalen<br />

Gewebes wird für eine mikroskopische Untersuchung das<br />

Solitonenmodell [8] für die Modellierung der Kopplung<br />

<strong>von</strong> Aktionspotentialen <strong>und</strong> Elektroden zur Ausbreitung<br />

der Nervenimpulse verwendet. Anschließend wird dieses<br />

mit den Maxwellschen Gleichungen gekoppelt. Dieses<br />

neue Modell soll helfen, die Auslösung <strong>und</strong> Weiterleitung<br />

<strong>von</strong> Aktionspotentialen <strong>von</strong> Nervenzellen zu verstehen <strong>und</strong><br />

auch das Design des Neurochips zu optimieren.<br />

Eine weitere durch die Human- <strong>und</strong> Implantatforschung<br />

motivierte Entwicklung stellt die Verbesserung <strong>von</strong> Cochlea-<strong>Implantaten</strong><br />

in Hinblick auf Form der Stimulationselektrode<br />

<strong>und</strong> verminderte Destruktivität durch diese dar.<br />

Für die Parametrisierung eines verfeinerten mathematischen<br />

Modells der Cochlea wurde ein neues detailgetreueres<br />

Geometriemodell aus einem Stapel <strong>von</strong> µCT-Bildern<br />

erstellt. Dadurch können neue Elektrodenformen <strong>und</strong><br />

-platzierungen untersucht werden.<br />

Diese Elektrodenformen bedürfen einer angepassten Ansteuerung,<br />

welche als Basis die Messung des Stapedius-<br />

Reflexes nutzt. Dies dient der Optimierung der Reflexmessung<br />

<strong>und</strong> ermöglicht eine automatische Justierung der<br />

Lautstärke des Implantates.<br />

2.3 Entwicklung <strong>von</strong> <strong>Implantaten</strong> <strong>und</strong> Ersatzmaterialien<br />

für die Knochenregeneration<br />

<strong>und</strong> Optimierung der Material- <strong>und</strong> Stimulationsparameter<br />

Es werden elektrische <strong>und</strong> mechanische Stimulationen an<br />

verschiedenen humanen Zelllinien durchgeführt, wie z.B.<br />

primäre humane Osteoblasten, um die optimalen Stimulationsparameter<br />

für Knochengewebe zu erfassen.<br />

Zur elektrischen <strong>und</strong> mechanischen Stimulation dieser Zellen<br />

werden ebenfalls Glas-Neurochips mit einem darunter<br />

montierten Piezo-Kristall verwendet. Ein hierfür entwickeltes<br />

mathematisches Modell zeigt die strukturmechanische<br />

Auswirkung auf den Glas-Neurochip. Einen weiteren<br />

Ansatz stellt die elektrische <strong>und</strong> magnetische Stimulation<br />

<strong>von</strong> Osteoblasten dar. Es werden hierzu zellbiologische<br />

Untersuchungen durchgeführt <strong>und</strong> die geeigneten Stimulationsparameter<br />

in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Feldverteilung im<br />

Gewebe <strong>und</strong> patientenindividuellen Knochenqualität evaluiert.<br />

Die gef<strong>und</strong>enen osteostimulativ wirkenden Konfigurationen<br />

werden in die numerische Feldsimulation integriert.<br />

Für dieses Modell sowie für die Optimierung der<br />

Implantate <strong>und</strong> Stimulationsparameter ist die Ermittlung<br />

der elektrischen Leitfähigkeiten mittels Impedanzmessungen<br />

essentiell [9]. Diese werden an frischen humanen<br />

Femurköpfen durchgeführt. Zudem werden deren mechanische<br />

Kenndaten ermittelt. Die ermittelten Knochenmaterialparameter<br />

ermöglichen u.a. die interdisziplinäre Entwicklung<br />

moderner Biokeramiken auf Calciumtitanat-<br />

Basis. Diese Knochenersatzmaterialien können in verschiedenen<br />

porösen <strong>und</strong> hochverdichteten Varianten unterschiedlicher<br />

Knochenarten im Körper des Menschen angepasst<br />

werden.<br />

3 Literatur<br />

[1] Nebe, J.G.B.; Luethen, F.; Lange, R.; Beck, U.: Interface<br />

interactions of osteoblasts with structured titanium<br />

and the correlation between physicochemical<br />

characteristics and cell biological parameters. Macromol.<br />

Biosci. 7 (2007), Nr. 5, 567–578.<br />

[2] Lange, R.; Elter, P.; Biala K.; Matschegewski, C.;<br />

Stählke, S.; Löffler, R.; Fleischer, M.; Nebe, J.G.B.;<br />

Kern, D.; Beck, U.: Titanium Surfaces Structured with<br />

Regular Geometry – Material and Cell Biological Investigations.<br />

ECASIA (2009), Antalya.<br />

[3] Gongadze, E.; Petersen, S.; Beck, U.; van Rienen, U.:<br />

Classical Models of the Interface between an Electrode<br />

and an Electrolyte. Comsol Conf. Proc., (2009).<br />

[4] Matschegewski, C.; Stählke, S.; Löffler, R.; Lange,<br />

R.; Chai, F.; Kern, D.; Beck, U.; Nebe, J.B.: Cell architecture–cell<br />

function dependencies on titanium arrays<br />

with regular geometry. Biomaterials (in print).<br />

[5] Birkholz, H.; Matschegewski, C; Nebe, J.B.; Engel,<br />

K: Quantification of actin filament organization by<br />

estimating graph structures in confocal microscopic<br />

images. In: WC 2009, IFMBE Proceedings 25, Eds.:<br />

O. Dössel, W.C. Schlegel, 2009, 1932-1935.<br />

[6] Pau, H.W.; Just, T.; Dommerich, S.; Lehnhardt, E.;<br />

Behrend, D.: Konzept eines „endostealen” Cochlear<br />

Implant-Elektrodenträgers für Patienten mit Restgehör<br />

<strong>und</strong> Machbarkeitsstudie aus anatomischer Sicht. Laryngo-Rhino-Otol<br />

84 (2005), Nr. 6, 402–407.<br />

[7] Gimsa, J.; Habel, B., Schreiber, U.; van Rienen, U.;<br />

Strauss, U.; Gimsa, U.: Choosing electrodes for deep<br />

brain stimulation experiments–electrochemical considerations.<br />

J. of Neurosci. Meth. 142 (2005), Nr. 2,<br />

251–265.<br />

[8] Appali, R.; Petersen, S.; van Rienen, U.: A Comparison<br />

of Hodgkin-Huxley and Soliton Neural Theories.<br />

Adv. Radio Sci. 8 (2010), 1–5 (in print).<br />

[9] Haba, Y.; Kröger, W.; Ewald, H.; Souffrant, R.; Otterstein,<br />

E.; Mittelmeier, W.; Bader, R.: Numerical<br />

<strong>Simulation</strong> of the Functional Electromagnetic Stimulation<br />

of the Human Femoral Bone using COMSOL.<br />

Comsol Conf. Proc. (2009).

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